Der Protector, oder Die Republik Englands zur Zeit Cromwells


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Der Protector, oder Die Republik Englands zur Zeit Cromwells

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DEC9.183

R. E. ako

Oliver Cromwell vont

XC-

Aus dem Franzöſiſchen übertragen voit

Dr. Karl Theodor Pabſt, Director des Gymnaſiums in Arnſtadt, Mitglieb der hiſtoriſc = theologiſchen Geſellſchaft zu Leipzig .

Weimar H e r m a m

B ö h l ait 1858.

We

Merle d'Aubigné.

‫محرم ‪.‬‬

Der Protector . Tota cohors Papistica veram molitur coniurationem in nostros , in nos Sit Deus Zabaoth Protector Proctectoris et Ecclesiae !

Dépêche diplomatique , Zurich , 20 Janvier 1654 .

Ich bin kein Freund der Leute , welche die Gefeße ihres Landes umwerfen : aber daß Cäjar und Cromwell be ſchränkte Köpfe geweſen wären , das zu glauben würde mir ſchwer werben."

Montesquieu.

Der Protector, oder

Die Republik Englands zur Zeit Cromwell's por

F. H. Merle D’Aubigné.

Aus dem fraufösiscjen libertragen von

Dr. Karl Theodor Pabſt , Director des Gymnaſiums in Arnſtadt,

Mitglied der Hiſtoriſch - theologiſchen Geſellſchaft zu leipzig .

Ich weiß , daß Gott über allen böſen Zungen iſt, und daß er mid zu ſeiner Zeit wieder zu Ehren bringen wird. Oliver Cromwell an den Obristen Hartan den 28. März 1648 .

mas

Weimar H e r m a n 11

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1858.

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CHICAS DE

LIBRARIES

CHICAGO,ILL .

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02980

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Vorrede des Ueberſetzers. Der rüſtige Kämpfer für evangeliſche Freiheit gegen römiſche Hierarchie, Herr Merle - d’Aubigné ließ im Jahre 1847 ein Werk erſcheinen , welches die Ehrenrettung eines ſeit zwei

Jahrhunderten verkannten und verleumdeten großen Mannes ſich als Ziel geſegt hatte *). Der Protector Oliver Cromwell , theils von befan genen , einſeitigen Geſchichtsſchreibern der Partei verkannt , theils von feilen Schriftſtellern geſchmäht, hat endlich , beſonders in England und Frankreich , nach den vorurtheilsfreien , auf bis her wenig bekannte Urkunden , deren Beweiskraft nicht in Frage geſtellt werden kann , gegründeten Darſtellungen eines Macaulay , Thomas Carlyle und Philarète Chasles , die Wür digung und Anerkennung gefunden , welche ihm , dem Manne I

* ) Unter dem Titel :

The

Protector.

A Vindication .

Edin

burgh Oliver and Boyd Tweeddale Court. Lond. Simpkin , Marshall and Co. 1847. Die günſtige Beurtheilung , welche dieſes Werk in den kritiſchen Zeit ſchriften Englands fand, ermuthigte den Verfaſſer,I dasſelbe im Jahre 1848 auch .

in franzöſiſder Spradie unter dem Titel herauszugeben : Le Protecteur ou La République d'Angleterre aux jours de Cromwell. Paris et Genève . 1848. 8. Das franzöſiſche Werk iſt reicher als das engliſche , jenes hat XVI . 480 S. engen Drucks , dieſes VIII. 370 S. weiten Druds. Beſonders

iſt das fünfte Capitel : „ Tod des Königs erweitert und umgearbeitet, aber auch in andern Abſchnitten finden ſide Aenderungen und Zufäße.

5269 ,

VI

ſeines Jahrhunderts, gebührt. In Deutſchland dagegen , dem Lande gründlicher Forſchung , hängt man noch in der neueſten Zeit an den albernen Ueberlieferungen der Cavaliere. Und gerade für deutſche, vor allen für proteſtantiſche Ge

ſchichtſchreiber, ſollte es eine Ehrenſache ſein , Cromwell's Na men von den Flecken zu reinigen , mit welchen ultramontane Gehäſſigkeit und Fälſcherei, niedrige Schmeichelei gegen die .

Stuarts , knechtiſche Geſinnungsloſigkeit, Vorurtheil und Ein ſeitigkeit den Vorkämpfer und Begründer bürgerlicher und reli giöſer Freiheit , den Netter des Proteſtantismus im 17. Jahr

hundert beſudelt hat.

Noch immer hören wir dieſen wahrhaft

großen Mann , dem wir Proteſtanten nicht weniger als einem 1

6

Guſtav Adolf zum größten Danke verpflichtet ſind, von den

namhafteſten Geſchichtſchreibern Deutſchlands *) „ einen phanta b

@

*) 1. Raumer ,. Geſchichte Europa's. Th. V.

Dahlmann , Geſch.

der engl. Revolution (5. Auflge. Lpz. 1848) . Weber , Lehrbuch der Weltgeſch. 4. Aflge. Lp3. 1850. Nur V. Rudloff macht eine Xuširahme in ſeiner

Ú

Geſch. der Reformation in Schottland. (Neue Ausgabe. Berl. 1854. Th. II. S. 56 flgd .) Derſelbe führt and, daſelbſt die Urſachen an , aus welchen das Urs

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mo

theil über Cromwell von jeher höchſt einjeitig und ungerecht geweſen , und in Folge ſeiner Stellung als Chriſt und als Staatsmann füglich nicht anders ſein konnte. Ade Parteien , die kirdilichen , wie die politiſchen , häuften auf ihn die ſchmähend 1

ften Beſchuldigungen , weil er über alle fich erhebend , es mit allen verdarb. Selbſt

li

die Geſchichtſdreiber der ſdottiſchen Presbyterialkirche ſind in ihrem Urtheile über Cromwell keineswegs unbefangen , wie namentlich Hetherington und Th. M’Crie ;

ge

nur Beattie in feiner History of the Church of Scotland during the Common

TH

wealth madht davon , wenigſtens in Hinſidyt auf die großen Verdienſte Cromwell'8 als Regent, eine Ausnahme. Nicht minder günſtig lautet Theodor Mommſen's Es war Urtheil über Cromwell,I ,,Römiſche Geſchichte" (BD. 3. S. 432) :

@

erklärlich , daß Cäfar auch ſpäterhin immer noch mehr Staatsmann blieb als Ges neral ähnlich wie Cromwell , der auch aus dem Oppoſitionsführer zum

der

.

Militärchef und Demokratenkönig ſich umſchuf und der überhaupt , wie wenig auch der Puritanerheld dem lockeren Römer zu gleichen ſcheint, doch in ſeiner Entwick lung wie in ſeinen Zielen und Reſultaten vielleidst unter allen Staatsmännern Cäfar am nächſten verwandt iſt. “

UNE

fon

VII

ſtiſchen Heuchler, einen finſtern Fanatiker , einen plumpen Ge ſellen , einen heuchleriſchen , ſelbſtſüchtigen Intriguanten , einen furchtbaren Würger“ nennen. Noch immer werden uns als ganz verbürgte Wahrheit jene bekannten Anecdoten aufgetiſcht: von Karls I. Entführung durch Joyce , vom Ausſprißen der Feder, vom Streben nach dem Königstitel , vom Nichtfallen aus der Gnade; während doch dieſelben Schriftſteller in Crom well den einzigen ſchöpferiſchen Kopf Englands erblicken , die

muſterhafte Sittenreinheit an ſeinem Hofe und in ſeinern Heere rühmend anerkennen , und eben ſo anerkennend hervorheben , wie

England unter Cromwell und durch ihn eine ſehr hohe Stufe der Macht und des Ruhmes erſtiegen habe ; ſo daß man die blinden Verkleinerer des großen Mannes fragen möchte , ob 2

denn jenes Wort der Schrift: „ Rann man auch Trau ben lefen von den Dornen und Feigen von den

Diſteln ? Ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen. Darum an ihren Früchten ſollt ihr ſie erkennen nicht auch auf ihn anzuwenden ſei, und warum es auf ihn nicht angewendet werde ? Welche Früchte nun dieſer Baum für bürgerliche und re

ligiöſe Freiheit überhaupt , insbeſondere für Großbritannien getragen , hat Herr Merle - d’Aubigné aus den jüngſt von

Thomas Carlyle herausgegebenen ,, Briefen und Reden Cromwell's *) " mit unparteiiſcher Feder nachgewieſen , und

den Beſchüßer des Proteſtantismus in das Licht geſtellt, welches uns in ihm einen der größten Männer ſeiner Zeit nicht nur, ſondern aller Jahrhunderte erkennen läßt. *) Carlyle Letter's and Speeches of 0. Cromwell. Lond. 1846 .

VIII

Wir Proteſtanten ſollten dem Verfaſſer für ſeine „ Eh renrettung Cromwell's" dankbar ſein , da er uns das

Bild eines Mannes aufgeſtellt hat , von dem wir lernen kön nen , wie man den Angriffen der römiſchen Hierarchie , welche von Neuem in Deutſchland und Frankreich auf Vernichtung 1

.

des Proteſtantismus hinſteuert, mit Nachdruck entgegentreten

müſſe. Auch möchte man wünſchen , daß die im Schoße der

evangeliſchen Kirche auftauchenden Parteien in dieſem Spiegel des 17. Jahrhunderts , den ihnen der Verfaſſer des Pro

tectors “ vorhält , ,„ ihr leiblid Angeſid t beſch a u : 1

ten “ , freilich unter Beherzigung der Mahnung des Apoſtels

Jacobus ( Brf. I, 22-25 ). Was meine Ueberſeßung betrifft, ſo darf ich verſichern,

den möglichſten Fleiß darauf verwendet zu haben. Ohne der Treue zu nahe zu treten , habe ich dem Geiſt unſrer Sprache Rechnung zu tragen mich bemüht. Daß ich die zahlreichen

Bibelſtellen nach der Lutheriſchen Ueberſegung wiedergegeben, wird man in einer Lebensgeſchichte Cromwell’s nicht unpaſſend finden. Die kernige Bibelſprache Luthers iſt zugleich die der Puritaner. Alle Fremdwörter zu meiden würde pedantiſch ges weſen ſein ; ich habe ſie jedoch möglichſt beſchränkt. Die dich teriſchen Stellen aus Milton , Waller und Dryden habe ich

metriſch zu überſeßen verſucht, ohne mich ſtreng an das Maß der Urſchrift zu halten , was „ meine Schultern zu tragen “ nicht geſtatteten.

Könnte ich durch Ueberſeßung dieſes Werkes zur Fördes rung evangeliſcher Freiheit und eines geſunden, auf dem Grund

jaße der Gewiſſensfreiheit begründeten Gemeindelebens ; könnte

IX

ich zur Berichtigung der ſchwankenden und unklaren Anſichten über das Verhältniß zwiſchen Kirche und Staat ; könnte ich

zur Bekämpfung der hierarchiſchen Beſtrebungen und der Un

duldſamkeit einer herrſchenden Partei in der proteſtantiſchen Kirche mein Scherflein beitragen , und eine vorurtheilsfreie, unbefangene Würdigung eines lange Zeit geſchmähten großen Staatsmannes" und aufrichtigen Chriſten in Deutſchland anbah nen : ſo würde ich mich für meine darauf verwendete Mühe hinreichend belohnt ſehn.

Arnſtadt, den 31. October 1855.

Pabſt.

Vorrede des Verfaſſers.

Dieſes es

Buch iſt keine Gelegenheitsſchrift. Es war vor der Februar revolution von 1848 geſchrieben . Jenes Ereigniß verzögerte ſeine

Herausgabe. Die Ähnlichkeiten , welche fich zwiſchen den Zeiten finden , die ich erzähle und denen , in welchen wir leben , hätten die Meinung erwecken können , daß ich unter dem Einfluß vorge faßter Tagesanſichten geſchrieben ; ich fürchtete zu einer ſo irrigen Annahme Veranlaſſung zu geben. Außerdem verſicherte man mir, daß in Frankreich Niemand mehr Bücher leſe , daß Jederinann ſich auf die Tagesblätter beſchränke. Ich habe alſo gewartet. Den noch veröffentliche ich dieſe Blätter, ohne gewiß zu ſein, daß der Schwindel, in welchen die gegenwärtige Revolution die Geiſter ver feßt hat, die Zeit und Ruhe und Unparteilichkeit übrig laſſe, welche zum Studium einer alten Revolution nothwendig find, wel ches auch die Lehren ſein mögen , die ſie enthalten kann.

Überraſcht von dem Lichte, welches auf den Charakter Crom well's und auf die Geſchichte der Revolution Englands verſchiedene ſeit einigen Jahren herausgegebene Urkunden geworfen haben * ),

wünſchte ich die Ergebniſſe meiner Prüfung vorzulegen. Unter den * ) Bgl. Einleitung.

XII

Schriften , welche meine Aufmerkſamkeit auf ſich gezogen haben, muß ich die „ Briefe und Reden Oliver Cromwell's " an führen , welche Herr Thomas Carlyle herausgegeben . Dieſes Werk iſt ohne Zweifel, ſowohl hinſichtlich der Gedanken als des Styls,

von einer ſolchen Urſprünglichkeit, daß ſeine Übertragung in unſre Sprache unmöglich ſein würde ; aber es ſcheint mir eine von den

bemerkenswertheſten Schriften zu ſein , die ſeit einiger Zeit in Eng land erſchienen ſind. Ich habe ſelten ein Buch geleſen , in welchem ich mehr Forſdungen, mehr Geiſt und mehr Richtigkeit gefunden hätte.

Ich habe viel aus den Urkunden gewonnen, die ſich darin geſam melt finden.

Ich beabſichtigte einfach ein oder zwei Artikel für eine unſrer Revuen zu ſchreiben. Eine Zeitſchrift (le Semeur) zeichnet ſich in Frankreich ſeit beinahe zwanzig Jahren durch die Einſicht aus , mit welcher ſie das Chriſtenthum den Bedürfniſſen des franzöſiſchen Geiſtes und den verſchiedenen Zuſtänden anpaßt , welche durch die Ereigniſſe nach und nach ins Leben gerufen wurden. Dbſchon ich keiner ihrer Mitarbeiter bin, wünſchte ich ihr doch meine Schuld

abzutragen , indem ich in ihre Spalten die verſpäteten Enthüllun gen niederlegte , die eine merkwürdige und verkannte Epoche auf: klären ſollen. Aber , immer vorwärts in meinen Forſchungen durch die große Theilnahme gedrängt, welche der Gegenſtand für mich hatte , habe ich ein Buch anſtatt eines Artikels geſchrieben und muß dieſe geſchichtliche Arbeit unter der Geſtalt eines beſondern Werkes herausgeben . Dieſe Schrift empfindet die Nachweben das

von, daß ich ſie geſchrieben ohne ſie ſchreiben zu wollen . Man

ſuche in ihr nicht das Schöne, ſondern das Wahre. Sie iſt we ſentlich ein Werk, nicht der Kunſt, ſondern des Gewiſſens ; und ſie hat , gerade deshalb , beſondere Rechte auf die Prüfung ernſter Männer.

Mein Freund , Herr Gauſſen , hat zuerſt meine Aufmerkſamkeit auf die ,, Briefe und Neden " des Protectors gelenkt.

Der Ge:

XIII

danke,. daß ich mich in der Denkſchrift, die ich darbiete, in Über einſtimmung mit ihm finde, iſt für mich eine Ermunterung zu glau.

ben , daß ich auch mit der Wahrheit übereinſtimme. Man muß die Wahrheit aus der Tiefe eines Brun

nens ziehen, ſagt ein Sprichwort unſrer Sprache. Dieſes Buch hat kein anderes Ziel. Wir wiſſen , daß die Wahrheit ſehr oft verſteckt iſt, und die unſern Augen von Gott geſchenkte Kraft und das Licht derſelben vermag nicht in demſelben Grade , als es zur Entdeckung der Wahrheit verwendet wird , um ſie aus der Tiefe eines Brunnens zu ziehen, ſie zu verkünden , wenn man ſie

daraus gezogen , noch ſie zu vertheidigen, wenn man ſie gröblich beleidigt. Bei Abfaſſung dieſes Buches ſuchte ich ein åßaoidevtos zu ſein , ohne auf die Worte eines Meiſters zu ſchwören , nach der Regel eines Kunſtrichters des Alterthums. Ich erinnerte mich, daß die Hauptvorſchrift, welche Cicero dem Geſchichtſchreiber giebt , iſt, zu wagen Alles zu ſagen was wahr iſt. Ich ſuchte die Dinge ſo zu ſehn, wie ſie waren, nicht wie ſie Mehrern erſchienen ſind. Unter manchen zufälligen und unweſentlichen Zü gen, die geeignet ſind den Blick zu täuſchen , bemühte ich mich die weſentlichen und urſprünglichen Daten zu erkennen. Ubi plura

nitent .... Non ego paucis Offendar maculis. Aufgefordert die ſo lange Zeit über Cromwell's Charakter ver breiteten Frrthümer zu berichtigen , ſah ich mich zu häufigen An führungen ſeiner Briefe und Reden genöthigt. Einfache Behaup 14

tungen, unerwieſene Urtheile wären unnüş geweſen. Nicht wir find berufen den großen Protector zu rechtfertigen , er ſelbſt ſoll

fich rechtfertigen , und glüdlicherweiſe hat er dafür verbürgte und entſcheidende Zeugniſſe. Ich hoffe, daß dieſes Buch , nachdem es

ſich der Welt ohne einen andern Anſpruch gezeigt hat, als den die Wahrheit wieder herzuſtellen , ſich nicht traurig zurückziehen und, wenn es ſich in ſeiner Erwartung getäuſcht ſieht, wie Juvenal ja gen muß: Quid Romae faciam ? . Mentiri nescio.

XIV

Ein Umſtand ermuthigt mich.

Überzeugt, wie ich es war,

von der in dieſer Schrift enthaltenen Sache, glaubte ich gleich an fangs meine Anſichten den befugteſten Richtern vorlegen zu müſſen.

Ich gab meinen Protector in England heraus , und dieſer Ver fuch hat , wie es ſcheint, das Ergebniß gehabt , die Aufrichtigkeit Cromwell's in ein helleres Licht zu ſtellen . Die angeſehenſten Stim men der öffentlichen Meinung haben ſich in dieſem Sinne ausge

ſprochen. „ Dieſe Ehrenrettung , “ ſagt die Westminster Review , „wird viel dazu beitragen , die ehedem ſo allgemeine Anſicht von ,, Die der angeblichen Heuchelei Cromwell’s zu verdrängen . " alleinige Idee von Cromwell's politiſchem Leben , " ſagt eine Torys

Zeitſchrift, „ war die Aufrechthaltung des Proteſtantismus. " „ Das reiflich erwogene Urtheil, “ ſagt eine andre Zeitſchrift der

anglikaniſchen Kirche, „ und der unzweideutige Ausſpruch des neun zehnten Jahrhunderts wird ſein , daß Cromwell ein gerader und ehrlicher Mann war. .... Es gab Niemanden , der ſo ganz wie

er über kleinen , kriechenden und perſönlichen Beſtrebungen ſtand. "

-

Und eine Londoner Zeitſchrift, welche dieſe verſchiedenen Urtheile und noch andre anführt, ſchließt ihre Ueberſicht mit den Worten : Cromwell iſt wieder zu Ehren gebracht. “ Nach dieſer vielleicht entſcheidenden Probe , welche das Buch in England beſtanden , glaube ich es ohne Beſorgniß denen vors legen zu können, welche in Frankreich ein Gefallen daran finden, die wichtigſten Epochen der Geſchichte „ sine ira et studio “ zu ſtudieren . Ich kann nicht weitläufiger die ſo eben beſprochenen Urtheile hier abſchreiben ; aber ich werde als Anhang an das Ende dieſes Werkes eine kurze Ueberſicht dieſer Beurtheilungen ſtellen,

die fich in der politiſch - literariſchen halbwöchentlichen Zeitſchrift von London findet, welcher die zulegt angeführten Worte angehö ren . Wenn man zur Vertheidigung einer durch zwei Jahrhunderte hindurch verlornen Sache auftritt, ſo hat man nöthig ſich mit Alem zu umgeben , was den Unſchuldigen rechtfertigen und die

XV

verkannte Wahrheit wiederherſtellen kann : die Vernachläſſigung

einiger Elemente des Gelingens würde ein Fehler ſein *). Ein ausgezeichneter Gelehrter von Paris, Herr Philarète Chas les , hat in die Revue des deux Mondes über Oliver Cromwell

einige Artikel einrücken laſſen, die er ſeitdem beſonders herausge geben. Ich habe alſo nicht zuerſt meine Stimme in Frankreich zu Gunſten des Protectors vernehmen laſſen. Wenn es jedoch manche Beziehungen zwiſchen den Arbeiten der Herrn Carlyle und Chasles und der meinigen giebt, ſo wird man leicht bemerken , daß fich auch Unterſchiede finden. Der hauptſächlichſte iſt der. Obgleich

der Gegenſtand dieſes Entwurfs der Protector iſt, ſo liegt doch in dem evangeliſchen Chriſtenthum die Haupttheilnahme an demſelben. In den Augen Cromwell's ſelbſt ſtand die Sache des Proteſtantis mus hoch über der ſeinigen. In jedem Werke , das vom großen Oliver handelt , muß das proteſtantiſche Intereſſe den erſten Plat einnehmen. Das evangeliſche Chriſtenthum iſt zu jeder Zeit die .

Hauptangelegenheit von Europa und der Welt. Während der Durchficht dieſes Verſuchs fiel mir ein ſehr ausgezeichnetes Werk über ,den deutſchen Proteſtantismus “ , in die Hände, welches ich gern anführe, weil ich es mit Nußen für mich ſelbſt geleſen habe. .

Die Arbeit, welche dieſer Band nothwendig machte, hat die Abfaſſung des fünften Bandes meiner Geſchichte der Nefor : mation unterbrochen. Die Abwechſelung iſt ein Bedürfniß und ein Recht des menſchlichen Geiſtes: man mag nicht immer dieſelbe

Sache treiben . Ich habe mich dieſer Neigung in dem gegenwär tigen Falle hingegeben. Faſt zu derſelben Zeit , wo ich Cromwell ſtudierte, verlangte man von mir , in Genf in einer gewiſſen Zahl

von Abend - Verſammlungen über eine nach Deutſchland, England und Schottland gemachte Reiſe Bericht zu erſtatten , und zu dem · Ende mußte ich Erinnerungen niederſchreiben , die dem franzöſiſchen *) Wir haben dieſe Urtheile engliſcher Zeitſchriften weggelaſſen. P.

XVI

Publikum mitzutheilen ich noch Bedenken trage. Dieſe verſchiede nen Arbeiten raubten mir die wenige Zeit , welche ich meinen Ta gesgeſchäften entziehen konnte. Aber ich nehme meine Arbeit über

die Reformation des 16. Jahrhunderts wieder auf , und werde ſie,

wenn Gott mir Kraft dazu verleiht , fortſeßen. Es beſteht in Deutſchland die Gewohnheit, daß ein Schrift: ſteller , der von einer Univerſität irgend eine akademiſche Ehre er halten , dieſer gelehrten Körperſchaft als ein Zeichen ſeiner Dank

barkeit eins ſeiner erſten Werke widmet, welches er nach ſeiner

Erhöhung herausgiebt. Da mir nun die theologiſche Fakultät der Univerſität zu Berlin im Jahre 1846 den Grad eines Doctors der Theologie verliehen , machte ich es mir zur Pflicht, mich dieſer Gewohnheit zu fügen. Alte Beziehungen verbanden mich mit den ausgezeichneten Doctoren , welche dieſe Facultät bilden , mit Nean der , Tweſten , Hengſtenberg, Nikich, Strauß (aus Berlin), und ich bin glüdlich, eine Huldigung meiner Achtung einem theologi ſchen Collegium darzubringen , welches ohne Widerrede den erſten Plaß in der proteſtantiſchen Welt behauptet.

Es bleibt mir nur den Wunſch auszudrücken übrig , es möchte die Herausgabe dieſes Buchs troß ſeiner Schwäche einige Früchte bringen. Soll ein Volk zu einem neuen Leben gelangen , jo find ihm

zwei Grundfäße nöthig : die Freiheit und das Chriſtenthum . Der zweite dieſer Urſtoffe wird , ohne das Weſen des erſten zu ver

ändern, ſein nothwendiges Gegengewicht bilden.

Je freier der

Menſch nach außen , um ſo gebundener muß er nach innen ſein. Wenn die inneren Begierden die Schranken überſchreiten , während die äußeren Dämme zerreißen , ſo ſind nur wüthende Ausſchreitun gen einer urſprünglichen Wildheit für ein Volk zu erwarten , die eine unvermeidliche Verwüſtung und tiefe Zerrüttung zur Folge haben .

1

XVII

Darin lag zur Zeit Cromwell's das Heil Englands , daß man dieſe zwei heilſamen Elemente zu derſelben Zeit unter ſeinem Volke wirken ſah. Sie bildeten dieſe Nation , und nach ſehr mühſeligen Geburtswehen konnte es zum Ausruhen von gewaltſamen , vorüber gehenden Erſchütterungen gelangen , im Schatten einer der wahr hafteſten , friedlichſten und mächtigſten Freiheiten , die ſich unter den Völkern finden. Man kann die Augen vor den Mißbräuchen nicht verſchließen , die ſich noch in Großbritannien finden , und Jeder , der mit Sorgfalt den Charakter von Cromwell's Verwal tung ſtudiert, wird ſich überzeugen , daß das gegenwärtige Beſtehn dieſer Mißbräuche weſentlich daher kommt , daß auf den Geiſt des Protectors ein ganz entgegengeſekter folgte. Im ſechszehnten Fahr hundert konnte die kirchliche Verbeſſerung, weil durchkreuzt von

dem Oberhaupte der Tudors , und im ſiebenzehnten die politiſche und religiöſe, weil gehemmt durch die beiden Stuarts , ihre voll

ſtändige Entwicklung nicht erreichen. Nichtsdeſtoweniger erhielt ſich der unter dem Protectorat gegebene Anſtoß in ſeinen weſentlichſten Elementen und wirkte unter den Königen aus dem Hauſe Braun ſchweig mit einer neuen Kraft. Wenn jest irgend ein Volk eine neue Geburt erſtrebt, ſo wird es ihm unmöglich ſein , anders da hin zu gelangen als durch Vereinigung dieſer zwei von uns ſo

eben bezeichneten Principien.

Aufzugeben das eine von dieſen

Elementen , bei Seite zu laſſen das Evangelium , die Wahrheit

und das chriſtliche Leben , das hieße das Fahrzeug weit von den Ufern der Freiheit und des Friedens zurückſtoßen und es . mitten unter neue Stürme und auf furchtbare Untiefen ſchleudern. Selbſt geleitet durch die Macht des Chriſtenthums, wurde Cromwell befähigt, auch ſeine Nation zu leiten. Zeichnet ihn ir gend etwas in politiſcher Hinſicht aus , ſo iſt es ſein gleichmäßiger

Widerſtand gegen den verfolgenden Abſolutismus und gegen den gleichmachenden Radicalismus .. Die Abſolutiſten haben ihn als 2

XVIII

einen Radicalen verſchrieen , die Radicalen als einen Abſolutiſten . Das liegt in der Ordnung der Dinge.

In den Essais des Herrn Macaulay , welche wir während des Druckes dieſes Buches geleſen haben , nennt dieſer ausgezeich : nete Kritiker denjenigen unter den Radicalen dieſer Epoche, deſſen Zeugniß die franzöſiſchen Geſchichtſchreiber ſehr oft anrufen , Lud: low , foolish and violent. Dieſes Urtheil ſtimmt mit dem über ein, welches wir uns ſelbſt gebildet und in dieſer Schrift ausge

ſprochen haben. Die Thorheit und Leidenſchaftlichkeit eines Neben buhlers und perſönlichen Feindes zum Führer zu nehmen , wenn es ſich um die Beurtheilung eines Mannes handelt, gehört nicht,

wie uns ſcheint, zu dem redlichen Verfahren der Geſchichte. Ne qua simultatis , ſagt Cicero dem Geſchichtſchreiber. „ Nehmet nichts auf, was von der Eiferſucht oder vom þaß eingegeben iſt.“ 0

Cromwell wußte, mitten unter entgegengeſeßten Einflüſſen , die ihn umgaben, jenes Gleichgewicht zu bewahren , das ſo leicht zu verlieren iſt. Es zeigten ſich in ſeiner Zeit und ſelbſt unter ſeiner Partei gewiſſe ſchwärmeriſche Syſteme, welche das Land hätten können zu Grunde richten. Die chriſtliche Geſinnung, welche ihn belebte, verhinderte, daß er von ſchimmernden Trugſchlüſſen fort. geriſſen wurde. Er blieb feſt und rettete England. Was Cromwell in ſeinem Leben war, haben wir uns be

fleißigt in dieſem Buche zu ſein : einfach chriſtlich, ohne Ver miſchung mit Syſtemen der Zeit. Jeßt noch würde die Welt ein neues und ſcharfes Gewürz wünſchen , um jenes alte evangeliſche Chriſtenthum , deſſen Geſchmack der abgeſtumpfte Gaumen unſrer Zeitgenoſſen nicht mehr unterſcheiden kann , ſchmachaft zu machen. Man hat gut geſinnte und unbeſtritten religiöſe Männer , wenn auch nur ein wenig dem Gößen opfern , und in die ſchäßbarſten

Werke einige ſchmeichelhafte Worte für einen hohlen Socialismus

oder einen ſchwankenden Fatalismus einſchleichen ſehn.

Mer die

XIX

Wahrheit nicht ehrt , die in ihm iſt, beſigt keine Sittlichkeit “ hat ein Mann geſagt , deſſen Tod zu beweinen wir große Urſache haben ; Herr Vinet. Die Wahrheit vermiſchen , heißt ſie verlieren,

Zu glauben , daß ein ſchönes Talent ohne Chriſtenthum hinreiche um über chriſtliche Dinge zu ſprechen , heißt jenen Schmeichler aus der Zeit der Cäſaren nachahmen , der dem Domitian ſagen ließ : Dominus et Deus noster hoc fieri iubet. . . . Man muß weder das Talent noch die Macht vergöttern ; die Wahrheit allein iſt deſſen würdig ! Die Chriſten ſollen nicht die Weisheit und den Beifall der Welt zu Hülfe zu rufen. „ Jeſus Chriſtus iſt ein Zeuge“, ſagt ferner Herr Vinet ,

aber ſein Zeugniß hat in ſeine Hände

das Scepter der Humanität gelegt , nur weil er es von der Höhe eines Kreuzes abgelegt hat. “ Wenn doch die Chriſten frei und

entſchloſſen Chriſten wären ." Ihr ſeid das Salz der Erde , ſagt Jeſus zu ſeinen Jüngern ; wo nun das Salz dumm wird , womit ſoll man ſalzen ? Die chriſtliche Wahrheit hat

Stacheln , welche verwunden , aber die gerade dadurch heilen , und 1

die man ſich hüten muß auszuziehen. Man erhebt ſich in unſrer Zeit zu eingebildeten Höhen , wo von Sünde, von Geſek , von Verdammung oder von Gnade nicht weiter die Frage ſein kann .

Aber ſcheuen wir uns unſern Zeitgenoſſen ein durch weltliche Weisheit verdünntes Chriſtenthum zu bringen.

Es iſt lange Zeit,

daß Horaz uns lehrte nicht Ungleichartiges zu verbinden. Es iſt wahr , man thut es zuweilen aus guter Abſicht: Will man das Kreuz und das Panier des Zeitgeiſtes vereinigen , ſo geſchieht das ohne Zweifel , damit das Kreuz triumphiere. Hat man nicht ſich verbinden ſehn , z. B. den Blißableiter mit dem Bliß ? Es iſt ge

fährlich dieſe verwegne Verbindung *) nachzuahmen, wie es gefährlich geweſen , ſie zu machen. Es giebt zu ſchwache Blißableiter, welche *) Cette épique conspiration , dieſe hochfahrende, bochtrabende ( troprelevé) Berbindung. 2 *

1

XX

das electriſche Fluidum, während ſie es den Wolken entziehen wollen, gerade auf die Stellen berableiten , welche ſie davor ſchüßen ſollten .

Giebt es irgend eine Pflicht heutzutage für chriſtliche Gelehrte, ſo iſt es die , ſich in Bezug auf weltliche Einflüſſe rein zu erhal ten. Wir ſind bereit , denen Beifall zu zollen , die , nachdem ſie ihr .

Herz Gott geweiht , fich kühn und freudig mitten in die Bewegung ihres Fahrhunderts ſtürzen wollen , um ihre Zeitgenoſſen zu Dem zurückzurufen , welcher der Glanz vom · Ruhme des unſichtbaren Gottes iſt. Aber wir glauben , daß dieſer hochherzige Aufſchwung ſie verpflichtet ſich ſelbſt zu wahren und wohl zu erwägen , was der große Paulus empfiehlt: „ Sehet zu , daß euch Niemand beraube durch die Philoſophie und loſe Verführung

nach der Menſchen Lehre und nach der Welt Saßungen , und nicht nach Chriſto . " Wir , die wir abſcheiden (und viel leicht iſt der Verfaſſer nicht allein in dieſem Falle ), im Begriff

eine Feder niederzulegen , die anfängt uns zu drücken , wir ſind ungeduldig ſie von jüngern Händen , und, wir hoffen es 1, von ge ſchicktern ergriffen zu ſehn. In dem Kampfe , wo wir ſo ſchwach

gekämpft haben , dürfen die Kämpfer nicht fehlen. Wir haben zu unſerm Führer jenes unerſchütterliche Vertrauen , welches aus der gegenwärtigen Epoche eine muthige Jugend wird hervorgehn laſ

ſen , „ wie der Thau bei Anbruch des Tages. “ Aber gerade die Liebe, welche wir für das uns nachfolgende Geſchlecht hegen , for dert uns auf ihm ſeine Klippen zu bezeichnen .

Eins der größten

Uebel , welches zu jeder Zeit das Schriftenthum ſo gut wie die Kirche betreffen konnte, iſt die Geringſchäßung des Geiſtes und die Anbetung der Form. , Die Wahrheit gefangen halten , heißt Gott

ſelbſt gefangen halten, heißt dem das Brod rauben , der vor Hunger ſtirbt *). “ Mag der Styl uns entzücken , ich wünſche es ; mag das Genie uns entflammen ; aber doch wollen wir Alles – eher als die Wahrheit entbehren ! *) Vinet.

XXI

Roch ein Wort. Beim Leſen dieſer Blätter wird man viel

leicht hier und da Worte über das Papſtthum finden , ſei es in dem Munde Cromwell's oder in dem des Verfaſſers ſelbſt, die manchen Dhren hart erſcheinen werden. Der Verfaſſer verſichert,

daß , wenn er das kirchliche, politiſche und dogmatiſche Syſtem Rom's verwirft , er fich , ſobald es ſich um Perſonen , ſelbſt um

folche handelt , die ſeinen Ueberzeugungen am entſchiedenſten ent gegen ſind , jenes ſchönen Gebotes des Evangeliums zu erinnern weiß : Du ſollſt deinen Nächſten lieben als dich ſelbſt.

Es giebt genug römiſche Katholiken , deren Sittlichkeit, Talente, Werke er bewundert. Noch mehr; er weiß die religiöſen Ueber zeugungen zu ehren , ſobald ſie aufrichtig ſind, und wenn er chriſts liche Frömmigkeit in einem der römiſchen Kirche angehörenden Mann findet, ſo erfüllt es ihn mit einem kaum auszuſprechenden I

Gefühl von Achtung und Freude.

Gleichwohl iſt dieſe ſchwache

Schrift ein Zeugniß gegen das Papſtthum : das iſt die Meinung des Verfaſſers. Dieſes Zeugniß iſt an der Zeit. Denn ſeit den Tagen Ludwigs XIV. hat das Papſtthum in Frankreich nicht ſo kühn das Haupt erhoben als zu dieſer Stunde. Es empfängt die Republik unter ſeinem Thronhimmel und glaubt unter den Trüm mern des Funi 1848 das unter den Trümmern von 1793 ver loren gegangene heilige Delfläſchchen des Clodwig wieder gefunden zu haben. Wir ſind überzeugt, daß , wenn Frankreich ſich in die Arme der Prieſterherrſchaft wirft, es zu gleicher Zeit feine Frei heit , ſeinen Frieden , ſein Glück Preis giebt. Es wird nur Ruhe haben , wenn die beiden Gebiete des Staates und der Kirche ent ſchieden getrennt ſein werden. Fände ſich in Rom die Quelle, welche die Völker reinigt und glüdlich macht, wo müßte man die Wirkungen ſo deutlich ſehn , wenn nicht in Rom felbſt ? Nun aber haben die Ereigniſſe gezeigt, was das Papſtthum aus einem Volke gemacht hat , das Gott ſo bewundernswürdig begabt hatte. Die entſchloſſenſten Kämpen des römiſchen Syſtems haben unlängſt 1

XXII

über dieſen Gegenſtand feltſame Geſtändniſſe gemacht. Das Chri

ſtenthum allein heilt die Wunden der Völker : das Chriſtenthum ohne die ſociale Philoſophie ; aber auch das Chriſtenthum ohne den römiſchen Hierarchismus. Ich lege meinen beſcheidenen und un bedeutenden Widerſpruch gegen das jebige hartnädige Vorurtheil

nieder ; und ſchweige im Vertrauen auf die Macht Deſſen , unter deſſen Füße alle Dinge gethan find (Epheſ. I , 22).

Genf, im November 1848.

Der Protector . Eine Ehrenrettung .

A

2

}

Einleitung. Es giebt in der Geſchichte der Menſchheit große Entſcheidungs punkte, wo die Oberherrlichkeit Gottes und ſeine eine Zeit lang den Augen der Menge verſchleierte Herrſchaft über die Könige und Völ fer ſich mit Glanz offenbart, ihn weithin ausſtrahlt und ſelbſt von den Ungläubigſten anerkannt wird. So lange günſtige Winde das Fahrzeug treiben und es reißend ſchnell die Wogen des weiten Meeres durchſchneiden laſſen , vergeſſen die Matroſen und Reiſenden, leichtſinnig und ruchlos , den Arm Gottes und läſtern ihn vielleicht. Aber wann „der Ewige befiehlt und Sturmwinde erſcheinen läßt“ wann die Meereswellen das Fahrzeug bedecken , wann die Segel zerriſſen und die Maſten gebrochen werden , wann dieſe leichtſinni gen Menſchen „zu den Himmeln hinauf- und in die Tiefen hinabſtei dann mitten im Sturme erſcheint ihnen der Almächtige. gen Alle Herzen zittern in ſeiner Gegenwart, und die Ruchloſeſten fal len auf die Knie. Wann die Menſchen „ die ſüße und zarte Stimme“ 基

nicht vernehmen wollen , welche der Herr ſie gewöhnlich hören läßt, dann , um mit der Schrift zu reden : „geht er an ihnen in einem

ſtarken und heftigen Wind vorüber, welcher Berge ſpaltet und Fel ſen zerbricht.“

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Unter allen geſchichtlichen Ereigniſſen giebt es keins , wo das allgemeine Bewußtſein der Völker das Einſdreiten der Gottheit in übereinſtimmenderer Weiſe bezeichnet, als die Revolutionen von

Reichen , als der Sturz oder die Erhebung von Königen. Dieſe großen Veränderungen ſind gewöhnlich von ſo unerwarteten Um

ſtänden begleitet , daß ſelbſt die Verblendetſten ein beredtes Predi gen der Macht Gottes darin erkennen . Wann die Throne brechen ,, zuſammenſtürzen und verſinken , erhebt ſich majeſtätiſch vor den Au gen der Ungläubigſten der unbewegliche Thron des Königs, deſſen Reich nicht erſchüttert werden kann. Das hat man mitten in den Zuckungen ſehen können , welche die Mächte Europas erſchüttert haben und noch erſchüttern.

Solche Ereigniſſe fanden in England Statt in der Mitte des fiebenzehnten Jahrhunderts. Dieſes Jahrhundert war das des Papſtthums. Dieſe Macht richtete ſich überall damals unter der oberſten Leitung des Jeſuitismus von den furchtbaren Schlägen wieder auf , welche die Reformation ihr verſeßt hatte. Das Papſt thum hatte ein einziges geiſtliches Oberhaupt, welches ſeinen Be wegungen Einheit gab ; und zur Hülfe hatte es eine politiſche Macht, Spanien , die ſeinen Intereſſen ergeben, thätig , fanatiſch und ganz bereit war , ihm n„ ihren Stuhl und große Macht“ zu ge ben . ( Offenbar. XIII , 2.) Auch gewann das Papſtthum viel ver lornen Boden wieder in Deutſchland, Frankreich, Belgien , Spanien und Stalien .*)

Gelang es Rom auch England wieder zu erobern , ſo war, glaubte man , ſeine Sache in der Welt gewonnen und ſein Triumph geſichert; die Früchte der Reformation waren auf immer verloren ,

und Großbritannien und Europa , von Neuem mit Prieſtern, Jeſui ten und Mönchen bevölkert, fielen überall ebenſo tief, als die Jbe riſche Halbinſel gefallen iſt. Die furchtbaren Umwälzungen , welche die britanniſchen Inſeln in der Mitte des 17. Jahrhunderts erſchütterten , waren die Ergeb *) Man vergi. Macaulay , Essays. Vol. IV. pag. 97. flgb. edit. Tauch nitz . P.

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niſſe eines Kampfes gegen das Mittelalter und das Papſtthum . Es waren die Erdbeben eines Landes , welches unterirdiſche Feuer in Brand zu ſtecken drohten. Wann Banditen den Reiſenden an greifen , ſtreckt dieſer ſie vielleicht zu Boden , aber nicht auf ihm ruht die Verantwortlichkeit für dieſes Blut. Er hätte ſie des le

bens in gewöhnlicher Zeit nicht beraubt. Krieg iſt Krieg, und for: dert , ach ! Blut. Nun , das iſt ein Krieg , welchen das Papſtthum und ſein Gefährte der Despotismus in der Zeit Ludwigs XIV.

und der Stuarts gegen die britanniſchen Inſeln führte. In unſrer Zeit bemüht ſich Rom durch einige Doctoren nach

England zurückzukehren, damals geſchah es durch ſeine Könige. Das Unglück und das Verbrechen der Stuarts war , ſich um den Papſt wieder zu verſammeln und ihr Volk dabin führen zu wollen .

Karl I. war ein Opfer des Papſtthums. Dieſes vernichtet die Für ften und Nationen , welche ihm beitreten.

Die Stuarts und die

Bourbons ſind davon die ewig merkwürdigen Denkmäler. Um England aus der Gefahr , die es bedrohte, zu retten , wur

ben , es iſt wahr , ſchredliche Mittel angewendet ; aber ein ſo furcht bares Uebel konnte nur durch kräftige Heilmittel beſeitigt werden. Das Königthum wurde umgeſtürzt, und dennoch beſaß das - König thum die Achtung dieſes Volkes und beſigt ſie noch. Eine Republik wurde errichtet, und dennoch iſt eine Republik in einem ſo weiten Reiche ein großes Räthſel , wenn nicht ein unſinniger Traum. Das Episkopat wurde abgeſchafft, und gleichwohl iſt dieſe Kirchenver

faſſung die , welche die Nation vorzieht. Das Blut, das Blut der Könige floß, und dennoch darf man ſelbſt nicht fluchen dem Könige (Predig. Salom. X, 20). Aber das Alles erfüllte ſich, weil Gottes Hand und Rath zuvor bedacht hatte, daß es geſchehen follte ( Apoſtelgeſch. IV , 28) , und ſo ging jene Weiſſagung in Er füllung : Ich gab dir einen König in meinem Zorn und

will dir ihn in meinem Grimm wegnehmen. (Hof. XIII, 11). Wenn England in unſern Tagen das Papſtthum wiederher ſtellen wollte, wie es ſeine Fürſten im 17. Jahrhundert wollten ; wenn die Zahl ſeiner treuloſen Geiſtlichen , welche das Evangelium zu Gunſten des Papſtes abſchwören , in ſeinem Schooße ſich ver

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doppelte ; wenn dieſer abergläubiſche Wahnwiß ſelbſt die Gemeinden gewänne ; wenn die Oberhäupter der Kirche fortführen zu ſchlafen , und , weit entfernt ihre Herden zu retten, ſie aus Gewohnheit dem

Wolfe zutrieben , der ſie verſchlingt; wenn die Regierung ſich nicht begnügte, dem Jeſuitismus Freiheit zu bewilligen , ſondern ihn noch ermunterte durch Ausſtattung ſeiner Pflanzſchulen, durch Beſoldung ſeiner Prieſter, durch Erbauung ſeiner Kirchen, durch erneuerte Eins

bürgerung der Macht des römiſchen Biſchoffs in Großbritannien ; dann würde man wahrſcheinlich in England Kriſen ſehen , ohne Zweifel andre , aber nicht weniger furchtbare vielleicht als die, welche das 17. Jahrhundert mit Schrecken erfüllt haben. Die Erde würde erzittern und ſich noch einmal öffnen , um verzehrendes Feuer aus zuſpeien. Das Studium der merkwürdigen Zeiten , in welchen der erſte Kampf Statt fand , war alſo niemals ſo nothwendig. Indem wir ſie durchlaufen , unterſcheiden wir zwiſchen den

Handlungen und den Menſchen. Es giebt Handlungen, die man unbedingt und durchaus verdammen muß ; aber ging man nicht zu weit , wenn man einige Männer für dieſe ſurchtbaren Ereigniſſe verantwortlich machte ? Treten nicht manchmal im Lauf der Jahr hunderte Umſtände ein , die ſo geeignet ſind, die Geiſter zu erſchüt

tern , daß die Menſchen , getäuſcht, betäubt , geblendet , nicht mehr 1

im Stande ſind ihren Weg zu erkennen , und nur Gottes Werk

zeuge find, welcher züchtigt und welcher rettet ? Dieſen Gedanken äußert , indem er von dieſer Zeit ſpricht, ein

großer Geſchichtſdreiber, der zugleich ein großer Staatsmann iſt: „Die Zeit war gekommen ," ſagt Herr Guizot , „wo das Gute und das Schlechte, Rettung und Gefahr , ſich miſchen und mengen ſo im Verborgenen , daß die ſtärkſten Geiſter, unvermögend- es zu unter ſcheiden , nur noch Werkzeuge der Vorſehung ſind, welche wechſelſeitig die Könige durch die Völker und dieſe durch die Könige züchtigt*) “ .

Seitdem dieſe Worte geſchrieben worden ſind , hat eben ein neues

*) Guizot , Histoire de la révolution d'Angleterre Tom. I. Dahlmann , Geſch. D. Engl. Revolution. 5. Afl. S. 199.

p . 278.

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Beiſpiel, gerade vor den Augen des Geſchichtſchreibers , die Wahr

heit ſeines Ausſpruchs beſtätigt. Warum ſollte man ſich bemühen , den Charakter derer anzu :

ſchwärzen , die Gott als ſeine Arbeiter angeſtellt hat ? Die Achtung vor den Männern , welche aufrichtig bleiben , ſelbſt als ſie ſich täu ſchen , iſt ſie nicht hier und gerade mehr als anderswo am Orte ?

England befand ſich ſeit den erſten Jahren des 17. Jahrhun

derts auf einem ſteilen Abhang, auf welchem es unvermeidlich hinab gleiten zu müſſen ſchien, und der es in den Abgrund des Papſt thums wieder ſtürzen mußte.

In dem Blute der Stuarts rollte

das Blut der Guiſen. Was die Bourbons in Frankreich vollzogen ,

zu deſſen Vollziehung jenſeit des Kanals hielten ſich die Stuarts berufen , ihre Freunde, ihre Bundesgenoſſen , weit älter als ſie in dem Fanatismus Rom's , und nach einem noch größeren Maßſtabe. Ohne Zweifel können dieſe unglücklichen Fürſten nicht alle in gleiche Linie geſtellt werden ; ſondern man findet bei ihnen ein ſtetiges

Fortſchreiten nach Rom hin. Karl I. ( 1625) tritt mehr dem gött lichen Worte entgegen, liebt mehr die Tradition und Hierarchie als Jacob I. (1603). Karl II . ( 1660) noch mehr als Karl I. Fa cob II. übertrifft alle ſeine Vorgänger. Dieſe Progreſſion hat ganz die Strenge eines mathematiſchen Gefeßes. Die von den zwei leßten Stuarts unternommene despotiſche

Revolution übernahm , ſo zu ſagen , die Beweisführung von der Nothwendigkeit einer freiſinnigen Revolution , welche ſie bekämpfen wollte. Sie zeigte deutlich , daß nicht gegen Trugbilder , wie von 1642 bis 1660 , das Volk Englands fich erhoben hatte. Karl II., von welchem ſeine Mutter, Henriette Marie , Ludwig XIV. erklärte, er habe die Keßerei ſeiner Erziehung abgeſchworen und fich mit der römiſchen Kirche wieder ausgeföhnt ; *) Karl II., der Verfaſſer einer Schrift, in der er bewies , daß Jeſus Chriſtus nur eine Kirche auf Erden haben könne, und daß dieſe Kirche die römiſche wäre; Karl II., *) Vergl. einen Brief von Pell, engliſchem Geſandten in der Schweiz, an den Staatsſecretär Thurloe, vom 8. Mai 1656 (The Protectorate , par le doc teur Vaughan , I., p. 402. Lond . 1839.)

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der feinem Bruder, dem katholiſchen Herzog von York, erklärte, Daß auch er von der Mutter Kirche angelockt ſei , der ſeine Miniſter über ihre Geſinnungen ausforſchen ließ, und ſehr bereit war dem

1

Rathe des øerzogs zu folgen, welcher eine raſche und öffentliche

Erklärung forderte) , hätte ihn nicht die Klugheit und Politik Lud wigs XIV . zurückgehalten ; Karl II., der auf ſeinem Sterbebette das

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Abendmahl zurü &wies, welches ihm der anglikaniſche Biſchof von Bath darbot , welcher ſeinem Bruder , der ihm mit leiſer Stimme vorſchlug, ihm einen römiſchen Prieſter zu ſchicken , antwortete : „ Um

Gottes willen, thut es !“ ; der einem jeſuitiſchen Prieſter Huddeſton, beichtete, und ihm erklärte, fich mit der römiſchen Kirche wieder verſöhnen zu wollen , und von ihm die Abſolution , die Hoſtie und die lekte Delung empfing ...... das ſind gewiß keine Trugbilder. Facob II., ſein Nachfolger, der dem franzöſiſchen Geſandten bald nach ſeiner Thronbeſteigung erklärt , die Engländer wären ohne es zu wiſſen römiſche Katholiken , und es würde leicht ſein fie

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zu einer öffentlichen Erklärung zu bewegen ; Jacob II., der bei offnen Thüren in der Kapelle der Königin am erſten Sonntage ſei

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ner Regierung die Meſſe hört; Jacob II., der den Gefeßen zum Troß ſeine Armee mit römiſch- katholiſchen Offizieren befekt, und proteſtantiſchen Geiſtlichen , wenn ſie zur römiſchen Kirche übertreten,

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erlaubt ihre Einkünfte fort zu beziehen und ſogar ihre Aemter zu

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verwalten ; eine große Zahl römiſcher Kirchen, die ſogar in der Hauptſtadt ſich erheben ; eine Jeſuitenſchule, die dort vor Jeder manns Augen eröffnet wird; die Einführung römiſch - katholiſcher

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Lords in den Geheimen Rath , und mit ihnen das Pater Peter,

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eines habfüchtigen und fanatiſchen Jeſuiten , welcher das tiefſte Ver trauen des Königs genoß; katholiſche Biſchöfe in voller Thätigkeit

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in England ; das Magdalenen -Collegium in Oxford , welches einen

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papiſtiſchen Präſidenten erhält; die Abführung von ſieben angli kaniſchen Biſchöfen , welche gegen dieſe Uebergriffe proteſtierten , in den Tower in der Mitte eines Volkes , welches niederkniet, als man ſie vorbeiführt, und nach ihrer Freiſprechung durch eine Jury Freudenfeuer anzündet und das Bild des Papſtes darin verbrennt;

die

die Erſcheinung Wilhelm's von Oranien am 5. November 1688 an

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NOT

der Küſte von Devonſhire , der auf ſeinem Hauptmaſt die engliſche Flagge mit der Inſchrift führt: Die proteſtantiſche Religion

und die Freiheiten Englands ; Jacob II., der ſich dann nach Saint-Germain - en Laye rettet, wo der Dragonnadenkönig ihm eine glänzende Aufnahme bereitet, und wo die beiden Monarchen einige Minuten einer in des andern Armen liegen , mitten unter den

Hofleuten , die erſtaunt ſind über den Anblick dieſes ſeltſamen Für ſten , der ; ſagen ſie, „drei Königreiche für eine Meſſe dahingegeben .“ Sehet , das ſind geſchichtliche Thatſachen , welche melden , was man von den Stuarts zu erwarten hatte, und welche beweiſen , daß das Uebel , gegen welches England ſich erhob, in der Mitte des 17. Jahr: hunderts , keine bloße Einbildung war. Wenn während der 18 jährigen Dauer der Revolution der evangeliſche Glaube und proteſtantiſche Geiſt ſich nicht wieder er

friſcht, belebt und mächtig geſtärkt hätte, fo hätte England niemals den Angriffen des Papſtthums unter dem legten Stuart widerſtehen können . Die Revolution von 1642 bis 1660 ſtürzte dieſen Fürſten weit mehr als der holländiſche Statthalter. Man bedurfte zur

Ausrottung der Krankheit ein ingens aliquod et praesens reme dium , wie Erasmus ſagte, wenn er von der Reformation im 16.

Fahrhundert ſpricht; „ einen Arzt , der in's Fleiſch ſchnitt, weil 1

ohne ihn der Kranke unheilbar geweſen wäre. * ) " Es giebt in Eng land keinen Royaliſten , keinen Episkopalen , der, wenn er ein prote ſtantiſcher Chriſt und ein guter Bürger iſt, nicht einſehen ſollte, wie nothwendig das furchtbare þeilmittel war , welches damals gegen

das Großbritannien zu Grunde richtende Uebel angewendet wurde.

Und wenn die Enthüllungen der Geſchichte uns die Männer dieſer Revolution aufrichtiger, frömmer, ſogar gemäßigter zeigen , als man geglaubt hat, ſo iſt es eine Pflicht für jeden Freund des Guten, die Augen vor dieſem neuen Lichte nicht zu verſchließen . Nach unſerm ſchwachen Urtheil hätte die Zuſchrift, durch welche die Pairs

von England im December 1688 Wilhelm von Oranien für die ·

*) Worte des Erasmus über Luther.

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Befreiung des Landes „ von der Knech tſchaft und von dem Papſtthum “ dankten , von der Nation den Urhebern der Revo lution von 1642 überreicht werden können. Dhne Zweifel hat

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man beim Studium des Lebens von Cromwell beſtändig Veran

laſſung ſich an das Wort der Schrift zu erinnern : „Wir fehlen Alle mannich faltig.“ Er griff gewaltſam in die öffentlichen Angelegenheiten ein und ſtörte die conſtitutionelle Staatsverfaſſung. Das iſt ſein Verbrechen ; - aber dieſes Verbrechen rettete ſein Va

terland. Angeſichts der Belege , die ſeit einigen Jahren ſind ver öffentlicht worden , iſt man verpflichtet, wofern man nicht die Au gen dem Lichte verſchließt, die Meinung in Bezug auf ihn zu än dern und einzuſehn , daß der bis zu dieſer Stunde dieſem großen Manne bereitete Ruf vielleicht eine der gröbſten Lügen der Geſchichte iſt. Karl II., der ihm nach Richard's kurzem Protectorate folgte, die Hofleute dieſes Fürſten , eben ſo unſittlich und noch leidenſchaft licher als er , die Schriftſteller, die Staatsmänner dieſer Zeit, einige republikaniſche Nebenbuhler Cromwell's , deren radicale Ideen er •

unterdrückt hatte, der beſchränkte Ludlow, der leidenſchaftliche Hollis und ſo viele Andere entſtellten um die Wette ſein Andenken. Der

häßliche Schweif der Stuarts und der Gleichmacher hat Oliver's Na men befleckt.

Die Zeit, welche Cromwell vorausſah , als er ſchrieb : Gott wird mich zu ſeiner Zeit wieder zu Ehren bringen , iſt endlich gekommen .

Oliver Cromwell war aufrichtig : das iſt der erſte Punct; und es iſt unmöglich ihn zu verkennen , wenn man mit Sorgfalt die Urkunden ſtudiert, die uns die Geſchichte hinſichtlich dieſes großen Mannes überliefert hat. Das iſt eine in England entſchieden feſt geſtellte Thatſache. Ich habe einige Beweiſe dafür in der Vorrede ſchon geliefert. Ich werde noch die folgenden Bemerkungen eines der ausgezeichnetſten. Kritiker Großbritanniens anführen . „Wenn ſich noch irgend Jemand einbildet, Cromwell ſei ein vollendeter Heuchler geweſen und ſeine Religion nichts als eine ſyſtematiſche Schlauheit, um ſeine ehrgeizigen Abſichten zu verdecken , ſo wird .

ihn die Lectüre dieſer Bände (Briefe und Reden Cromwells)

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vollſtändig aus ſeinem Frrthume reißen . Wir halten dieſe An nahme , dieſe macchiavelliſtiſche Erklärung von Cromwell's Charakter als hinfüro von allen redlichen und einſichtsvollen Männern ver worfen , .... Cromwell war ein echter Puritaner. Das bleibt unbezweifelt." Den Ausländern und beſonders den römiſchen Katholiken wird es vielleicht ſchwerer werden als Engländern oder Schotten dieſe verſpätete Gerechtigkeit Cromwell widerfahren zu laſſen. Jedoch eine Aenderung in dem Urtheil über den Protector beginnt auch in Frankreich, wie wir geſehen haben , hervor zu treten. Herr Chas les widerſpricht denen , welche Cromwell als einen Heuchler dar

ſtellen , und behauptet, daß man ihn niemals gefünſtelt, niemals falſch in ſeinem ganzen Leben gefunden hat.*) Cromwell war auf richtig, er war wahr: das iſt der erſte Punct, aber nicht der einzige, den wir feſtzuſtellen haben. Der zweite vervollſtändigt den erſten. Das evangeliſche Chriſtenthum iſt hierbei im Spiel. Ohne Zweifel hatten jene . Grundfäße bürgerlicher Freiheit, welche die Stuartå hatten erſticken wollen , aber die endlich im engliſchen Volke triumphiert und es ſo hoch erhoben haben, große Geltung in die ſem Kampfe, und Niemand that ſoviel für ihre Entwicklung als

Cromwell. Aber die Hauptſache, welche den Zorn ſeiner Feinde erregte, iſt nach unſrer Anſicht die religiöſe Freiheit und der Prote ſtantismus in ſeinen ausgeprägteſten Formen. Der ſchlechte Ruf, in den man dieſen hervorragenden Mann gebracht hat , iſt weſent lich das Werk des Papſtthums.

Als im 17. Jahrhundert die proteſtantiſchen Fürſten überall eingeſchüchtert, geſchwächt, verſtummt waren, und einige unter ihnen zu traurigem Abfall fich anſchickten , erklärte ſich Cromwell allein in

ganz Europa für den Beſchüßer des evangeliſchen Chriſtenthums. Er bewog ſogar einen römiſchen Kirchenfürſten , den Kardinal Ma zarin , ſeinen edelmüthigen Abſichten fich zu fügen ; ein Verbrechen , das man ihm nicht verziehn und wofür man ſich auf eine ſchimpf

*) Oliver Cromwell , par M. Chasles , p . 50. 3

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liche Weiſe gerächt hat. Man that es mit ſo viel Ausdauer und Geſchick , daß nicht allein aufgeklärte Katholiken , ſondern ſelbſt Pro

teſtanten ſich haben täuſchen laſſen. Wir ſpüren in uns keinen Be ruf die gehäſſigen Verleumdungen Roms zu den unſrigen zu ma chen . Wir ſtimmen mit dem Proteſtantismus überall wo wir ihn finden . Er wird uns nicht die Fehler derer entſchuldigen laſſen , die

ſeine Stüßen geweſen ; aber auch ihre Gebrechen werden uns nicht ihre Vorzüge verkennen laſſen. In dem Kampfe zwiſchen dem Evan gelium und dem Papſtthum , der zur Zeit Cromwell's auf den bri tanniſchen Inſeln Statt fand , kommt ſicher die ſchönſte Rolle dem Proteſtantismus zu , und die Fehler ſeiner Anhänger ſind unerheb lich im Vergleich mit den unerhörten Unſittlichkeiten und ſchauder haften Grauſamkeiten, deren ſich die Freunde Roms ſchuldig machten . Es wird vielleicht nicht unnüß ſein , den Leſer auf eine mert: würdige Aehnlichkeit hier aufmerkſam zu machen . Lieſt man das

Leben Cromwell's , ſo kann man ſich nicht enthalten , an den Prin zen von Oranien , an jenen Wilhelm I. zu denken , der im 16.

Fahrhundert das Hauptwerkzeug in der Hand Gottes war, um die Vereinigten Staaten aus den Händen Spaniens und des Papſt thums zu reißen. Auch Wilhelm iſt lange Zeit als Einer geſchil

dert worden , der die Religion ſeinen ſelbſtſüchtigen Plänen dienſt bar machte; und man hat ſich ernſtlich geſtritten, ſein Ziel ſei ge weſen Graf von Holland zu werden. Mutato nomine de te fa

bula narratur. Es läßt ſich ohne Zweifel nicht leugnen , daß Wil helm eine Zeit lang Leichtſinnig und unſicher war. Aber bald wurde er ernſter, und war , wie Cromwell, ſeiner Sendung in dem großen Kampfe gegen das Papſtthum und den Despotismus fich be

wußt.

-

Die Briefe und Reden Wilhelm's I. zeigen überraſchend

ähnliche Züge mit denen des Protectors. „ Die Unterthanen der Niederlande, ſagte Wilhelm von Oranien im März 1568 , haben

gewünſcht zu leben und ihrem Gott zu dienen nach ſeinem heiligen Worte , das wird ihnen als Aufruhr und Empörung ausgelegt, des halb werden ſie gemißhandelt und hingerichtet .... Aber Jedermann iſt gegen Gott verpflichtet ſeinem Ruhme nachzujagen und ſeine Freiheit und ſeine Gerechtſame aufrecht zu erhalten .“ Als die Spa

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nier im Jahre 1573 beinahe Herrn des Landes waren , und die

Offiziere des Prinzen, ganz erſchrocken , kein Mittel der Rettung ſahen , ſagte Wilhelm zu ihnen : ,, Als ich unternahm die unterdrück= ten Chriſten zu ſchüßen , habe ich zuvörderſt einen Bund mit dem

Ewigen geſchloſſen , dem Gott der Heerſcharen , deſſen ſtarke und mächtige Hand ſie wird zu befreien wiſſen , wenn es ihm gefällt.“ Am Tage eines Sieges ſchrieb Wilhelm : „ Weil Gott der Herr, ich ſage, der Gott der Heerſcharen uns dieſen Sieg gegeben , ſo will auch die Vernunft, daß wir ihm allein danken ."

Man wird auf

den folgenden Seiten viele Stellen finden , welche uns dieſe Worte des erlauchten Stifters des Draniſchen Hauſes in's Gedächtniß rus fen . Die Gerechtigkeit iſt für ihn weit ſchneller als für Oliver ge kommen , aber ſie erſcheint früher oder ſpäter für Alle *). Die irrigen Ueberlieferungen , von welden ich geſprochen, haben

ſich überall verbreitet, und auch Frankreich , dieſer alte Bundesge noſſe der Stuart's , ſtimmt ihnen bei. Darum müſſen die Briefe und Reden Cromwell's , welche Herr Thomas Carlyle bekannt gemacht, und einige andre ältere Schriften , wie: Cromwelliana (1810) ; Memoirs of the Protector and his Sons , illustrated by Family Papers ( 1820) , Oliver Cromwell and his Times (1821) , und Le Protecteur, eine Sammlung von Briefen der Miniſter Cromwell's, herausgegeben von dem Dr. Vaughan im Jahre 1830, ſie müſſen , wie uns ſcheint, ein beträchtliches Aufſehn auf dem Feſt= lande machen. Herr Carlyle beklagt ſich über die Mehrzahl der ihm vorausgehenden Schriftſteller, und hier folgt eine an Frank reich gerichtete Bemerkung, die man aufnehmen muß : **) „ Unſre

franzöſiſchen Freunde ſollen erfahren , daß das Buch des Herrn *) Ich verweiſe den Leſer , welcher den Charakter Wilhelm's I. kennen lernen möchte, auf die treffliche Sammlung , welche den Titel führt: Archives de la maison d'Orange - Nassau , par M. Groën van Prinsterer, conseiller d'Etat á la Haye.

**) Vol. I., éd. 2., p. 236, London, 1846. Man darf Berrn Carlyle nicht mit einem andern gleichnamigen , auf dem Feſtlande wenig geſchatten Schriftſteller verwechſeln . 3*

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Villemain über Cromwell unglücklicherweiſe ein ziemlich ſchlecht un terrichtetes und oberflächliches Werk iſt (unluckily a rather igno rant and shallow one ). Was das des Herrn Guizot betrifft, fügt er hinzu , ſo müſſen wir ſagen , daß ſeine zwei Bände für die Zeiten, womit er ſich beſchäftigt, die Frucht eines wahrhaften Tas lentes und gründlicher auf dieſe Abhandlungen verwendeter Stu: dien ſind." Indem wir uns ganz der Fuldigung anſchließen, welche Herr Carlyle dem gründlichſten unſrer Geſchichtſchreiber bringt,

glauben wir doch, daß der Cromwell des Herrn Guizot auch einer Umſchmelzung ſich unterwerfen muß , und daß die Vorſtellung, welche dieſer große Schriftſteller vom Protector uns giebt , ſei es in ſeiner Histoire de la révolution d'Angleterre, oder in einer neuern Schrift, in ſeinem Essai sur Washington , der Wahrheit entgegen iſt. Herr Guizot ſtammt, glaube ich , aus Nismes , und in dieſer Hinſicht hat er einigen Grund zum wenigſten unparteiiſch in Be

treff Cromwell's zu ſein. Aber die Geſchichte unſrer Zeit giebt ihm zu viel zu thun , als daß man ſobald wagte, ihn um die Vol lendung dieſer andern Histoire zu bitten, die eins von den Meiſter ſtücken unſrer Sprache geworden iſt.*) Was Herrn Villemain be trifft, ſo wäre zu wünſchen , daß er ſeine Muße , feine Unparteilich keit und ſeine ſchönen Talente der Umarbeitung eines Werkes wid

mete ; durch das er ſich mit ſo viel Aufſehn den Freunden der Wif ſenſchaft angekündigt hat.

Von dem Werke des Herrn von Chateau

briand über die vier Stuarts " werde ich nicht ſprechen. Man findet darin das große Talent des erſten Schriftſtellers unſers

*) Das war unter dem Miniſterium des Herrn Guizot geſchrieben, und un

gefähr zehn Monate vor dem Sturze Ludwig Philipp’s in England herausgegeben. Wir vernehmen , daß Herr Guizot ſeine Muße zu London auf die Beendigung ſei ner Histoire de la révolution d'Angleterre verwendet. Möchte er dochy offre Augen für den großen Mann haben , der ihr hauptſächlichſtes Werkzeug war. Wäre

Herr Guizot nicht ein ausgezeichneter Kopf, ſo würde man Veranlaſſung haben zu befürchten , daß die Revolution , deren Opfer er ſelbſt ſo eben geworden , ſeine Vor urtheile in Betreff jener vermehre, die im 17. Jahrhunderte die Grundfäße con ftitutioneller Freiheit in Guropa eiuführte.

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Jahrhunderts wieder , oft ſogar eine ehrenwerthe Freimüthigkeit, aber auch die vorgefaßten Anſichten und Vorurtheile des Verfaſſers von Buonaparte et les Bourbons. Unſere ſchwache Arbeit maßt fich keineswegs an, die Biographie Cromwell's wiederherzuſtellen : ſie ſoll nur andeuten, daß eine Seite der Geſchichte umzuändern iſt. Ich beabſichtigte anfangs einfach einige der chriſtlichſten Briefe Cromwell's franzöſiſch herauszugeben und daran eine allgemeine Beurtheilung zu knüpfen. Aber ich

wurde allmählig weiter geführt als ich wollte. Welche Bedeutung, ſagte ich mir , haben dieſe ſchönen Handlungen ihnen widerſprechen ? den Handlungen mir Rechenſchaft gen , das Gute und das Schlechte

Worte des Protectors , wenn die Ich mußte dem zu Folge von ablegen , ſie unparteiiſch würdi erwägen , und überhaupt in dem

Geiſte Cromwell's das Geſetz ſuchen , welches durch ein unſichtbares

Band , das unaufmerkſamen Augen leicht entgeht , große Frthümer mit einer großen Frömmigkeit verknüpft. Ich habe einen ganzen

Cromwell geſucht; ich habe ein vollſtändiges Leben wieder aufbauen, nicht Bruchſtücke eines Lebens und auffallende. Widerſprüche dar bieten wollen. Die Mehrzahl der Geſchichtſchreiber hat, das iſt wahr , dieſe Einheit auch gewünſcht und ſie leicht gefunden : die Heuchelei des Protectors bietet ſie nach ihnen . Aber die vor uns

ſern Augen liegenden Urkunden ſtrafen dieſe Annahme in glänzen der Weiſe Lügen ; kein redlicher Mann wird ferner wagen ſie auf zuſtellen. Niemand in der Geſchichte hat ſo viel Recht mit Paulus zu ſagen : Als die Verführer , und doch wahrhaftig. Man muß alſo eine andre Erklärung aufſuchen . Ich habe mich deſſen befleißigt und beſonders in dem Kapitel, welches vom Tode des Königs handelt, das , was ich gefunden , dargelegt.

Unter denen , welche ſich mit Cromwell beſchäftigen , rechtferti gen die Einen nicht allein ſeinen Charakter , ſondern auch ſeine we

niger weiſen Maßregeln ; ſie ſchienen mir zu weit zu gehen. Andre dagegen beſchuldigen nicht allein ſeine Maßregeln , ſondern auch ſeinen Charakter; das erſchien mir als ein ſchweres Unrecht. Es

giebt kürzere Mittel Einheit in ein Leben zu bringen. Man iſt ſchnell zu Ende, wenn man ſolche Methoden befolgt. Ich konnte

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mich nicht damit befaſſen. Ich mußte einige Handlungen des gro ßen Mannes anklagen , und die Sittlichkeit des andern retten. Ich habe es gethan. Die Auflöſung, die ich gegeben , befriedigt mich; ich hoffe ſie wird auch Andre befriedigen. Es ſei mir erlaubt auf einen Umſtand hinzuweiſen , an den ich beim Beginn dieſer Arbeit nicht gedacht habe, der ſie aber einiger maßen rechtfertigen kann , beſonders in den Augen der franzöſiſchen Proteſtanten , die dabei betheiligt ſind. Cromwell war in der That während ſeiner Macht der Protector des europäiſchen , und ins beſondre des franzöſiſchen Proteſtantismus. Die Nachkommen der vertriebenen Hugenotten haben dieſem berühmten Manne eine Schuld

zu bezahlen. Es lebte vielleicht irgend einer unſrer Väter in Nis mes , welchen das kräftige Einſchreiten des Protectors vor den Sol daten , die gegen dieſe Stadt marſchirten , ſchüßte. *) Schon Lord Clarendon , der, man weiß es , den Protector gewiß nicht liebte und der kurz nach ſeinem Tode ſchrieb , ſagte : „Man darf ſich nicht wundern , wenn das Andenken Cromwell's in dieſer Stadt und der

dortigen Gegend geehrt wird.“ Der König Jacob ſelbſt war wäh

rend ſeiner Verbannung über die Achtung erſtaunt, welche die fran zöſiſchen Proteſtanten im Allgemeinen für Cromwell hegten. Er ſagte eines Tages zum Biſchof und Geſchichtſchreiber Burnet: ,,Die Vorurtheile , welche mich der proteſtantiſchen Religion entfrems den , kommen unter andern Beweggründen auch daher , daß wir, mein Bruder und ich , während wir unerkannt in Paris lebten und

uns in verſchiedenen Geſellſchaften begegneten , wo mehrere Prote ſtanten zugegen waren , daß wir in ihnen Allen Gegner von uns und große Bewunderer Cromwell's fanden .**)" Die Er kenntlichkeit iſt eine Schuld, die niemals erlöſchen darf. Ich hoffe, daß Niemand im 19. Jahrhundert das Erſtaunen empfinden

*) Einer von den Vorfahren des Verfaſſers verließ Nismes wenige Jahre nach Cromwell's Einſchreiten , und fand in Genf einen Zufluchtsort. (Anmerfg. ber Eng. liſchen Ausgabe.) **) Burnets Own times , vol . I. p . 102 .

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wird , von welchem der erſte Miniſter Karl's II., Clarendon , frei blieb. Was er damals natürlich fand, mitten unter Leidenſchaf ten und Parteien , wird ohne Zweifel noch jekt von einer unpar teiiſchen Nachwelt ſo gefunden werden . Die Ehrenrettung des Andenkens an den Protector hat bereits begonnen , und Niemand hat mehr dafür gethan als Herr Carlyle. Ich glaube jedoch , daß dieſes eine Aufgabe iſt, bei der es für

Mehrere zu thun giebt. Oliver iſt der Welt als ein Held darge ſtellt worden ; ich ſtelle ihn Chriſten evangeliſchen Chriſten , als einen Chriſten dar, und ich verlange offen für ihn , daß man zu ſeinen Gunſten die Stelle der Schrift anwende : Wer Gottliebt ,

der ihn geboren hat , der liebt den auch , der von ihm

geboren iſt. Dbgleich dieſe Blätter nicht mit der wichtigen Ar beit verglichen werden können , mit der uns der eben genannte Schriftſteller beſchenkt hat , ſo fördern ſie doch vielleicht einige Puncte der Frage, vom chriſtlichen Standpuncte aus betrachtet. Andre werden , ich hoffe es , ſpäter ein noch helleres Licht auf eins der er ſtaunenswertheſten Probleme werfen , welche die Jahrhunderte uns überliefert haben. Stufenweiſe verſchwindet das Dunkel, in der Geſchichte wie in der Natur.

Die Aufgabe, welche ich mir geſtellt habe, iſt, ich weiß es, eine undankbare, ſchwere Arbeit, gegen welche die Geiſter von Na tur auf ihrer Hut ſind. Wir ſind ſeit unſrer Jugend durch Lügen der Feinde Cromwells ſolchermaßen getäuſcht worden, daß dieſe Un wahrheiten uns für unverwerfliche Wahrheiten gelten. Ich weiß das aus eigner Erfahrung. Ich habe einen langen Widerſtand dem Lichte geleiſtet, das unter den Ruinen hervorquoll und mit neuem Glanze das lange Zeit verdunkelte Bild eines der größten Männer

der neuern . Zeit beleuchtete. Nur der augenſcheinlichen Gewißheit der Urkunden und Thatſachen bin ich gewichen. Nicht eine literariſche Arbeit wünſche ich zu liefern , ſondern

eine Handlung der Gerechtigkeit zu üben , eingedenk jener Worte des heidniſchen Alterthums , man folle Jedem geben was ihm gebühre, suum cuique, da ich weiß , daß es unter den irdiſchen Gütern eins giebt , das nach dem weiſeſten Könige des Morgenlandes, nach Sa.

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lomo , allen vorangeht : ein gut Gerücht iſt beſſer denn gute Salbe ; und da ich vor allem glaube, daß wenn der Chriſt den

Herrn bekennen ſoll auf der Erde , um einſt vor den Engeln des Himmels erkannt zu werden , es für ihn auch eine Pflicht, und eine heilige Pflicht iſt, die Jünger ſeines Herrn zu bekennen, be ſonders wenn ſie von der Menge verkannt , verachtet und verleum

det werden : Wahrlich , wahrlich, ich ſage euch , alles was ihr gethan habt einem unter dieſen meinen geringſten Brüdern , das habt ihr mir gethan.

Erſtes Kapitel. Das Privatleben Cromwell's. Die proteſtantiſde Sache. Chriſt Brief eines landedelmanns. Eine Familie an den Ufern des Ouſe. - Der Graf von Eſſer. Oliver. - Seine Eine Jagd . Der König Geburt und jeine Verwandtſchaft. Jacob. Oliver auf der Univerſität. In London. Seine Streben der Stuarts .

liche Familien.

Sittlich teit.

bindungen . ziner.

Seine Bekehrung .

- Seine Heirath.

Scherze. farl Einfluß der Königin .

I.

Seine Ver

Seine Ehe und zwöIf Kap 11 Oliver's Gewiſſen .

Die Tudors , und beſonders Eliſabeth, hatten England durch Unterſtüßung der Sache der Reformation erhoben , aber feit 1603,

beſonders ſeit 1625 , erniedrigten und ſchwächten es die Stuarts, vorzüglich Karl I., durch erneuerte Hinneigung zum Katholizismus.

Nicht allein gaben ſie die Rolle auf als Oberhaupt des europäiſchen Proteſtantismus, nicht allein hörten ſie auf, dem fanatiſchen Spa nien die Spiße zu bieten ; ſondern eine katholiſche Prinzeſſin ſogar, Henriette von Frankreich , ſegte ſich ſo eben auf den Thron . Jes doch eine andre Macht als die ihrige widerſeşte fich der Zurückfüh

rung dieſer herrlichen Länder durch ihre Monarchen unter das Joch

italiäniſcher Prieſter. Das Volk wandelte nicht mehr mit ſeinen Fürſten. Die Sache der Reformation und der Freiheit war ihm theuer ; es war bereit die Stuarts eher als das Evangelium auf zugeben. Indem dieſe unglüdliche Familie die Macht der Ueber lieferung in der Kirche vergrößern wollte, zerſtörte es ſeine eigne. Während das monarchiſche Anſehn damals überall auf dem Feſt lande ſtieg , ſah man es in England reißend ſchnell fallen ; und eine neue Macht, das Bürgerthum , die der mittlern Klaſſen (Commons), erlangte dort von Tage zu Tage mehr Kraft, Freiheit und Muth.

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Die alten Freibriefe Englands enthielten die ausgedehnteſten Bürgſchaften zu Gunſten der Unabhängigkeit der Nation. Dieſe Einrichtungen waren lange Zeit todt und unfruchtbar geweſen ; ſie waren jedoch vorhanden , und ein neues Leben folte bald dieſes ſo

lange Zeit unbewegliche Gerippe beſeelen. Wäre England nur eine der Politik ergebne Nation geweſen , ſo wären vielleicht ſeine Frei briefe für immer wenig mehr geweſen als veraltete Pergamente. Aber eine gewaltige Bewegkraft, der evangeliſche Glaube , das pro

teſtantiſche Intereſſe ſollte jene alten Einrichtungen wieder beleben, und indem ſie England vor dem Abgrunde bewahrten , in welchen

die Stuarts daſſelbe zogen , ſollten fie es bald auf die höchſte Stufe der Macht erheben.

Dieſer evangeliſche Geiſt beſaß eine ſtarke Kraft im engliſchen Volke. Ueberall fanden ſich in ſeinen Städten , ſeinen Grafſchaften

chriſtliche Familien , Freunde der Bibel und der Freiheit. Hier folgt ein von einem Landedelmann, einem Vater zahlreicher Kinder geſchriebner Brief. Dieſer Brief kann als ein wichtiges Zeichen jenes evangeliſchen Lebens betrachtet werden, welches damals, wie zu jeder Zeit, gegen die Angriffe des Papſtthums allein ringen konnte. An meine vielgeliebte Muhme, Frau Saint - John , bei Sir William Marſham , in ſeinem þauſe genannt Otes in Elſer .

„ Theure Muhme, Ely , den 13. Oct. 1638.

Id erfenne dankbar Eure Liebe in dem herzlichen Andenken , welches

Ihr mir bei dieſer Gelegenheit an den Tag legt.

Ach! Thr

ſchäßt meine Briefe und meine Geſellſchaft zu hoch. Ich ſchäme mich Eure Worte auf mich anzuwenden , wenn ich bedenke, wie uns nüß ich bin und wie wenig ich mein Talent geltend mache. Aber meinen Gott ehren durch Darlegung deſſen, was er für meine Seele gethan , das thue ich, das werde ich kühn thun. Ich erfahre die

Wahrheit jenes Spruches, daß der Herr Quellen hervorſprubeln läßt in dem trocknen und wüſten Lande , wo es kein Waſſer giebt.

Ihr wiſſet, wo ich wohne, in Mezec , d. h. ſagt man , Aufſchub,

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und in Kedar D. h. Sd wärze; jedod, der Herr vergißt mich nicht. Obichon er zögert, habe ich doch die Zuverſicht, daß er midy

in ſeine Hütte und zu ſeiner Ruhe einführen wird ; meine Seele iſt in der Verſammlung der Erſtgebornen , mein Leib ruht in Hoffnung, und wenn ich hier unten meinen Gott ehren kann , ſei es durch Hans I

deln , ſei es durd Leiden , ſo werde ich deſſen ſehr froh ſein. giebt kein armes Geſchöpf, das mehr Urſadye hätte als ich, für die Sadie ſeines Gottes aufzutreten.

Bevor id) noch etwas für ihn ge

than , habe ich Pfänder ſeiner Liebe in Fülle erhalten ; und ich bin ſidser, daß ich, was id aud) thue , niemals einen Heller als Lohn verdienen werde. Der Herr nehme mid, auf als ſeinen Sohn und laſſe mich in dem Lichte wandeln , wie er ſelbſt das Licht iſt! Er 1

erleuchtet unſer Dunkel und unſre Finſterniß. Ich kann nicht ſagen, daß er ſein Licht vor mir verbirgt. Er läßt midy mich ſein Licht in ſeis nem Lichte fehn.

Ein Lichtſtrahl bringt in einen dunkeln Ort eine

überſchwenglide Freude. Geſegnet ſei ſein Name, der in ein ſo finſteres Herz wie in das meinige leudytet! – 3hr wiſſet, wie mein Leben geweſen. 'Ach ! ich habe in der Finſterniß gelebt, ich habe ſie geliebt , ich habe das Licht gehaßt.

Ich bin ein Haupt , das Haupt

der Sünder geweſen : das iſt wahr. Ich habe die Heiligkeit gehaßt, und dennoch hat Gott Mitleid mit mir gehabt. 9 , über den Reich

thum ſeiner Barmherzigkeit! Lobt ihn um meinetwillen , bittet ihn um meinetwillen , daß der in mir angefangen hat dieſes gute Wert, 1

es auch vollende bis an den Tag Jeſu Chriſti! Grüßt alle meine Freunde in der Familie , von der Ihr jeßt einen Theil ausmachet. Ich bin Euch ſehr verpflichtet für Eure Liebe. Ich ſegne den Herrn um Euretwillen und dafür , daß mein Sohn durch Euch ſich wohl

befindet. Gewähret ihm Euer Gebet, Euren Rath , gewähret es .

mir für mich ſelbſt.

Grüßet meinerſeits Euren Mann und Eure Schweſter.

Er iſt kein

Mann von Wort. Er hatte mir verſprochen in Betreff des Herrn Wrath d’Epping zu ſchreiben; aber ich habe noch keinen Brief er halten ; erinnert ihn zu thun , was ſich für den armen Vetter ſchicklich thun läßt ; ich bitte ihn dringend darum. Noch einmal , lebet wohl ; der Herr jei mit Euch, das iſt das Gebet

Eures aufrichtig ergebenen Vetters.“

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Man muß noch einige Worte über die Perſonen ſagen , die in dieſem Briefe auftreten. An den Ufern des Duſe , nahe bei Hun tingdon, breiteten ſich Wieſen aus , beſpült von den ſchwermüthigen Wellen des Fluſſes und von damals bebolzten Hügeln durchſchnitten. Gegen Mittag , nach Cambridge zu , erhob ſich eine prächtige Eiche: Quercus anilis erat.*) Ein muntrer Knabe lief oft auf dieſen Wie ſen umher , längs der Brüche und zahlreichen Windungen des Fluſ

ſes. Vielleicht erkletterte er die hohe Eiche, um Neſter da zu ſuchen. Seine Eltern , aus einer beim Volke beliebten, alten, ſächſiſchen Fas

milie , die ſich mit dem normänniſchen Stamme nicht ſcheint verbun den zu haben , bewohnten ein am nördlichſten Ende von Hunting don gelegenes Þaus ; dieſe alte Wohnung iſt nicht mehr vorhanden : ein gelbes Haus von Backſteinen erhebt ſich auf dem Plaße, den es einnahm .

Die Abſtammung dieſer Familie iſt folgende. Der Graf von Eſſer , erſter Miniſter, Vicerichter, der Erſte nach dem Könige unter Heinrich VIII., hatte einen Neffen , Namens " Sir Richard , der in I

der von ſeinem Oheim durchgeführten Unterdrückung der Klöſter febr thätig geweſen war . Richard gewann dabei ein beträdytliches

Vermögen. Der Verkauf der Kirchengüter und die Theilung der liegenden Gründe gehörten zu den Urſachen , welche die engliſchen

Gemeinden bereichert und ihnen das Gefühl ihrer Stärke gegeben haben.

Im Anfang des 17. Jahrhunderts lebten in England fünf Enkel des Sir Richard , alle Söhne des Sir Heinrich mit dem Beis 1

namen : der goldne Ritier (golden Knight). Es waren Sir Oliver , Heinrich , Richard, Sir Philipp und Robert. Robert hatte Eliſabeth Stuart geheirathet; dieſe Dame , ſagen die Geſchlechtskun

digen , ſtammte von der königlichen Famile der ſchottiſchen Stuarts durch einen Walter Stuart , der den Prinzen Jacob von Schottland nach England zur Zeit König Heinrichs IV. begleitet hatte und dort blieb .

* ) Barnabae Itinerarium. Carlyle, I., 33 .

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Am 25. April 1599 , in den leßten Jahren der großen Eliſa beth , zu einer Zeit wo England bereits die Größe ahnte , zu wels cher ſein Widerſtand gegen Rom es berufen ſollte, wurde dem Ro

bert und ſeiner Frau ein Sohn geboren , der mehr als irgend einer ſeiner Zeitgenoſſen dieſe ruhmvollen Beſtimmungen beſchleunigen follte. Er wurde am 29. deſſelben Monats getauft und Oliver ge nannt. Das iſt der muntre Knabe, von dem wir ſo .eben geſpro chen haben . Dieſe Familie beſaß Sandgüter in den Umgebungen

und genoß ein Einkommen von 300, Pfund, was ießt einen Werth von etwa 1000 Pfund (25,000 Franken ) haben würde. Ihr Fas milienname war Cromwell , und dieſer Oliver ſchrieb im Alter von 39 Jahren den Brief, welchen man eben geleſen. Frau Saint John , .an die er gerichtet, war die Frau eines berühmten Rechtss anwalts ; ſie befand ſich damals zum Beſuch bei Sir William Mar ſham , einem eifrigen Puritaner , der ſich in der politiſchen Welt . dieſer Zeit auszeichnete. Der älteſte Sohn des goldnen Rit :

ters , Sir Oliver, Oheim des jungen Oliver, prachtliebend wie ſein Vater, bewohnte ein ſehr ſchönes Herrenhaus in Kinchinbrook, auf

dem linken Ufer des Duſe, eine halbe Meile von Huntingdon. Man hat ſowohl in Frankreich , als in England, die Verwandt ſchaft Cromwells mit dem mächtigen Miniſter Heinrichs VIII. ge Leugnet ; aber dieſes Leugnen hat keine andre Begründung als eine

Neußerung , durch welche der Protector die Schmeichelei eines Bi ſchofs zurückwies, der ihn an dieſe Verwandtſchaft erinnerte. Der malleus monachorum , der Hammer der Mönche, wie man den Grafen von Effer nennt, gehörte allerdings zu der Familie, in der Oliver geboren wurde, und dieſer , ein Hammer weit gewaltiger als

ſein Groß-Dheim , war weder der Sohn eines Brauers noch der Abkömmling eines Meßgers. Als ein Herr Morgan William die

Schweſter vom Miniſter Heinrichs VIII. geheirathet , nahm ſein

älteſter Sohn Richard , ein Sprößling dieſer Ehe , den Namen Crom well an . Es ſind noch zwei Briefe von Oliver's Urgroßvater, Sir

Richard Cromwell, vorhanden , die an den Lord Effer gerichtet und die beide unterſchrieben ſind: der ſehr verpflichtete Neffe

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Eurer Herrlichkeit.* ) Man muß alſo jenes Leugnen zurückwei fen , wie alle die andern Unwahrheiten , mit welchen die Geſchichte .

Cromwell’s bis jeßt angefüllt geweſen iſt: die prophetiſchen Geſpen ſter, die ihm in ſeiner Kindheit erſchienen , die Früchte der Obſt gärten , welche er beraubte und die grauſamen Kämpfe, welche er

mit den Knaben der Nachbarſchaft führte. Das ſind von der menſch lichen Dummheit erfundene Geſchichten, ſagt ſein neueſter Biograph,

die man für immer begraben muß. Unglücklicherweiſe hat ſich nicht blos an ſo unbedeutende Umſtände in dem Leben Cromwell's der Irrthum angehängt.

Oliver war erſt vier Jahr alt , als ſich der Lärm einer präch tigen Jagd an den Ufern des Duſe vernehmen ließ. Es war Mitt wochs , am 23. April 1603 ; Hunde , Pferde , Cavaliere und ein ganzes königliches Gefolge rückte an gegen die grünen Raſenpläße und langen Weiden - und Ulmen -Alleen , die zum Schloſſe führten . 1

Der König Jacob , Sohn der Marie Stuart, kam aus Schottland

an , um von dem Throne Englands Beſiß zu ergreifen. Eliſabeth, die leßte der Tudors , war ſo eben , nachdem ſie England zu dem

erſten Rang unter den Nationen erhoben , geſtorben und hatte ihren Vetter aus Schottland zu ihrem Nachfolger ernannt. Der König ſollte auf ſeiner Durchreiſe in Rinchinbrook, dem ſchönen Herren hauſe von Oliver's Oheim , einkehren , und man rüſtete ſich dort zu

dem glänzendſten Empfange. Jacob jagte unterwegs. Er hatte nichts von den Reizen ſeiner Mutter. Er war von mittler Größe, in wulſtige Kleider gehüllt; ſein Wamms war mit engen Stichen

genäht, ſeine Beinkleider waren weit , inwendig ſtark gefüttert, das Alles um fich vor einem Dolchſtoße zu ſchüßen .

In dem Schloß

hofe ſtieg er vom Pferde, aber ſeine Füße waren zu ſchwach , um ſeinen Körper leicht zu tragen , und im Geben brauchte er Jeman

den zur Unterſtüßung; nicht viel älter als ſieben Jahr hatte er zu gehen angefangen. Er ſegte ſich an der Tafel vom Sohne des goldnen Ritters nieder ; er trank nur mit Mühe , und man

*) Lettres et Discours de Cromwell, I., p. 39., 20 édition.

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bätte ſagen können , daß er aß was er trank.

Uebrigens zeigte er

viel Kenntniß, und ſeine Unterhaltung war voll von theologiſchen Urtheilen und politiſchen Grundſäßen , die er auf eine ſteife Weiſe anbrachte.

Dieſer glänzende Beſuch im Herrenhauſe zu Kinchinbrook mußte ohne Zweifel den kleinen Oliver ſehr ergößen. Er war damals ein muntrer, lebhafter und entſchloßner Knabe ; aber ſein Streit und ſeine Schlägerei mit dem Prinzen Karl, damals Herzog von York,

iſt wahrſcheinlich eine ſpäter erfundene Fabel. Der Mittwochs an gekommene König reiſte Freitags von Kinchinbrook wieder ab : und

der Oheim des jungen Knaben machte dem Fürſten im Augenblicke der Abreiſe ſchöne Geſchenke ; Jacob erwiderte es mit Ehrenbezeu

gungen. Er ſchlug zu Rittern in dem großen Saale unter andern Oliver's Oheim von väterlicher Seite , ohne ſeinen eignen Verwand ten , den Thomas Stuart von Ely , den Dheim des Kindes von mütterlicher Seite , zu vergeſſen . Hierauf ſeßte Stuart ſeine Reiſe nach London fort , obgleich er erfahren , daß dort eine anſteckende Krankheit herrſchte, was ihm ſehr unwillkommen war , da er keinen Muth hatte. Aber die Krone Englands erwartete ihn, das ließ ihn ſeine Befürchtungen überſehen . An dieſen Orten , inmitten dieſer Scenen wuchs Oliver auf, in

einer ernſten Familie , während jener Epoche, wo, wie man bemerkt hat , der Norden ſich zum Kampfe mit dem Süden zu rüſten ſchien , Großbritannien und Scandinavien gegen Spanien und gegen Rom . Die Ränke der Jeſuiten , die Beſtrebungen der anglikaniſchen Par tei, welche ſich bald unter Laud's Banner wieder ſammeln ſollte, die Rechte und oberherrliche Gewalt des göttlichen Wortes , folches waren die vorgefaßten Meinungen und der Gegenſtand der Unter haltungen , in deren Mitte das Kind in dieſer ernſten Einſamkeit 1

aufwuchs.

Im Jahre 1616 verließ der ungefähr 17jährige Oliver die Ufer des Duſe und das väterliche Haus , um ſich 15 Meilen von da , nach Cambridge zu begeben , ohne Zweifel von ſeinem Vater begleitet. Er trat in das Collegium von Sidney - Suffer, zur Zeit von Mariä Verkündigung. Cromwell bildete ſich niemals ein ein

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Gelehrter zu ſein , aber er ſtand in dieſer Hinſicht keineswegs ſo

tief als man hat behaupten wollen. Er kannte gut die Geſchicht ſchreiber Griechenlands und Roms, und bei einer beſondern Ge legenheit unterhandelte er lateiniſch mit einem fremden Geſandten . alt.

Im Juni 1617 ſtarb ſein Vater ; Oliver war damals 18 Jahr Sein Großvater Stuart ſtarb in demſelben Jahre zu Ely ;

und ſeine Mutter ſah ſich auf einmal ohne Vater und Mann mit

einem Sohne und ſechs Töchtern. Oliver blieb nicht in Cambridge, er kam nach Huntingdon , um die Stelle ſeines Vaters einzuneh men. Aber wenige Monate nachher begab er ſich nach London, um ſich dort einige Kenntniß von den Geſeßen zu verſchaffen.

Die Geſchichten über das ausſchweifende Leben Oliver’s in Lon don und anderswo ſind ſehr übertrieben und ſogar mehr als zweifels

haft. Sie gründen ſich , wie uns ſcheint, kaum auf etwas anderes als auf die Stelle ſeines Briefs an Frau Saint - John, wo er ſich den vornehmſten der Sünder nennt. Dieſe Geſchichten dienen alſo nur dazu , uns zu zeigen, wie unbekannt ſeine Ankläger mit dem wahren Chriſtenthum waren. Jeder Chriſt und gerade der ſittlichſte Menſch , der beſſer als Jemand die eignen Abgründe ſeines Herzens kennt , iſt bereit ſich mit dem heiligen Paulus für den vornehmſten der Sünder zu erklären (1. Timoth. I., 15). Die größten Feinde Oliver's haben ihm kein offenbares Laſter vorwerfen können.

Wel

wood geſteht zu , daß er weder dem Schwören , noch der Gefräßig keit , noch dem Trunke, noch dem Spiele , noch dem Geize, noch der

Frauenliebe ergeben war. In einem einzigen Jahre gab er 40,000 Pfund aus ſeinem Beutel für mildthätige Zwecke. Unter den Familien , mit welchen er in London umging , be fand ſich die des Sir James Bourchier. Dieſer Edelmann hatte eine Tochter Namens Eliſabeth. Am 22. Auguſt 1620 wurde Oli ver, damals 21 Jahr alt , mit Eliſabeth in der Kirche von Saints Gilles in London verbunden. Er kehrte ſogleich mit ſeiner Frau nach Huntingdon zurück und ließ ſich in dem väterlichen Hauſe wohnhaft nieder.

Zehn Jahre der Einſamkeit verfloffen dann , vom 21 ſten bis zum 31 ften ; es ſind die wichtigen Jahre , wo der Menſch fich für

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das Leben bildet. Cromwell beſchäftigte ſich mit Nderbau, Induſtrie, mit den geſellſchaftlichen Pflichten , und lebte , wie ſein Vater ge lebt hatte. Aber er beſchäftigte ſich auch mit andern Dingen. Bald fühlte er in ſeinem Herzen die erſchütternden Schläge des göttlichen Gefeßes , welches ihm die in ihm wohnende Sünde zeigte. Er konnte, wie der heilige Paulus , ſagen : Ich elender Menſch , wer wird mich erlöſen von dem Leibe dieſes Todes ! (Röm. VII., 24) ; und wie Luther , während er in den Gängen des Erfurter Kloſters umherlief, konnte er ausrufen : „Meine Sünde ! meine Sünde! meine Sünde !" -- Oliver , aufgeregt , geängſtigt, blaß , niedergeſchlagen ,

lief einſam umher an den ſchwermüthigen Ufern des Fluſſes; er irrte umher unter einem ſchwarzen Himmel und ſtieß die Seufzer und das Angſtgeſchrei einer gequälten Seele aus. Er ſuchte Troſt bei Gott, in der Bibel , bei aufgeklärteren Freunden als er war. Die Geſundheit ſeines Leibes wurde ſogar dadurch erſchüttert, und er ließ ſich einfallen in ſeiner Schwermuth mitten in der Nacht den Doctor Simcott , den Stadtarzt holen zu laſſen , weil er ſich dem Tode nabe glaubte. Endlich trat der Friede in ſeine Seele. Ein wichtiges Werk vollendete ſich alſo in Oliver während der neun oder zehn Jahre von Verborgenheit und Zurückgezogenheit, die ſich zwiſchen ſeiner Verheirathung und ſeiner Wahl zum Parlaments mitglied finden. Milton, der ihn gut gekannt , ſagt über ihn : „ Er war gewachſen und hatte ſich entwickelt in der Verborgenheit ſeines Hauſes , indem er in der Tiefe ſeines Herzens ein feſtes Vertrauen auf Gott und eine Seelengröße nährte , welche ihn auf die größten Zeiten wohl vorbereiteten , deren Vorboten fich zeigten. *) Obgleich von gereiftem Alter, war er aus dem Privatleben noch nicht heraus getreten , aber ſeine Anhänglichkeit an die reine Religion und die Unbeſcholtenheit ſeines Lebens zeichneten ihn vor ſeiner Umgebung aus ." **) *) Domi in occulto creverat, et ad summa quaeque tempora fiduciam Deo fretam et ingentem animum tacito pectore aluerat. (Defensio secunda.) 106, Hagae, 1654. **) Religionis cultu purioris et integritate vitae cognitus (Ebend.) .

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Cromwell war von da an ein wahrer Chriſt. Berufen von Gott Chriſtum zu erkennen , war ſein Geiſt durch das göttliche Wort erleuchtet, ſein Herz erneuert worden. Aus der Tiefe ſeiner Seele hatte er dieſer Berufung von Oben entſprochen , die ſo viele Menu

ſchen verachten , oder wenigſtens vernachläſſigen , und er hatte die ihm dargebotene Gnade mit einem neuen und unerſchütterlichen Willen ergriffen. Er hatte an den Namen des Herrn, an das Blut Jeſu Chriſti geglaubt. Er war erlöſt von der Qual der Sünde und der Herrſchaft des Böſen . Eine neue Geburt hatte ihm ein neues Leben mitgetheilt. Er hatte Frieden mit Gott ; den Geiſt der Kindſchaft, einen leichten Zugang zum Throne der Gnade. Von da an wurde er ein Mann des Gebetes und iſt es ſein gan zes Leben geweſen. Er hat im Gebete gelebt und iſt darin geſtor ben. Nicht er zuerſt hatte Gott geliebt, ſondern er war von ihm geliebt worden und hatte an dieſe Liebe geglaubt.

Er hatte es

nicht wie die gemacht, welche, gefangen gehalten von der Welt , den Augenblick ihrer Bekehrung immer verſchieben und ſich ſo der ſchwer ſten Sünde und der größten Thorheit ſchuldig machen . „ Rusticus exspectat dum defluat amnis ; at ille Labitur, et labetur in omne volubilis aevum. “ Cromwell hatte begriffen , daß die ihm Gewalt anthun es an fich reißen , und mit aller Kraft einer durch den Heiligen Geiſt

wiedergebornen Seele hatte er das Reich Gottes an ſich ge riffen. Cromwell war Chriſt und iſt es bis zu Ende geweſen. „In dieſe Jahre, ſagt ein Geſchichtſchreiber, muß man das

ſeßen , was Oliver mit einer unausſprechlichen Freude ſeine Bekeh

rung , ſeine Erlöſung vom ewigen Tode nannte. Eine große Epoche ficherlich für einen Menſchen !... - Eigentlich zu reden die einzige! Dliver war von da an ein Chriſt, nicht allein des Sonntags , ſondern alle Tage, an jedem Orte und unter allen Umſtänden ." *) Crom

*) Lettres et Discours de Cromwell , par Carlyle, 2 edit. p. 68.

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well folgte alsbald eifrig den Predigten der puritaniſchen Geiſt

lichen , und unter den Edelleuten und dem Adel der Umgegend wa ren es ebenfalls Puritaner , die er zu Freunden wählte.

Er ver

band ſich mit John Hampden, John Prym , Lord Brook , Lord Say, Lord Montaigu.

Faſt alles was es Ernſtes in England gab war

damals puritaniſch. Oliver ſtrahlte in ihrer Mitte durch ſeine Bes ſcheidenheit, feine Ergebenheit, durch die Zartheit ſeines Gewiſſens und durch den Eifer, mit dem er ſich befleißigte „ſeine Berufung Seine Beziehungen zu ſeinen und ſeine Wahl zu befeſtigen .“ Freunden waren voller Herzlichkeit. Man hat ihm einen Hang zum Scherzen vorgeworfen. Man muß ſich erinnern , daß dieſer Cha rakterzug fich oft bei den chriſtlichſten und ernſteſten Männern wies derfindet. Es iſt eine Schwäche, von der man fich nur mit Mühe los macht. Man hat einige Cromwell zugeſchriebene unbeſonnene Streiche und Poſſen übertrieben , und daraus Hauptanklagen gegen ihn gemacht. Einige derſelben, ſelbſt wenn ſie wahr ſind, würden nur beweiſen , daß Oliver bisweilen mit ſeinen Grundſäßen nicht übereinſtimmte und ſich zu leicht dem Scherz und der Spötterei hins gab , wozu er von Natur einen Hang hatte. Man kann an die welche ihn hier mit ſo großer Strenge beurtheilen , jenes Wort des

Herrn richten : „ Wer von euch ohne Sünde iſt, der werfe den erſten Stein auf ihn."

„Wenn zwei oder drei gelegentliche Aeußerun

gen , ſagt der Doctor Harris , über den Charakter eines Mannes entſcheiden ſollen , welches auch ſonſt ſeine gewöhnliche Art zu ſpre chen und ſich zu benehmen geweſen iſt, dann wehe dem , der ſich für tugendhaft hält !“ Man muß mit dem Gegner unpaſſende Pollen verwerfen ; aber zugleich muß man ſich erinnern , daß niemals ein aus königlichem Blute entſproßner Fürſt bei wichtigen Gelegenheiten ſich eiferſüchtiger auf ſeine Würde zeigte, als der Protector. Von ſeiner Jugend an beſaß er den wahren Ernſt.

Mit glühendem

Eifer widmete er ſich Werken chriſtlicher Frömmigkeit. „ Hospitäler bauen , ſchrieb er etwas ſpäter (d. 11. Januar 1636) einem ſeiner

Freunde, Herrn Storie ; " Hospitäler bauen , heißt für leibliche Bedürfniſſe ſorgen ; ſteinerne Kirchen bauen , gilt für ein Werk der Frömmigkeit; aber für geiſtige Nahrung ſorgen , geiſtige Kirchen

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bauen , das iſt die wahre chriſtliche Liebe , die wahre Frömmig keit. " *)

Die Umſtände wurden alsdann immer ernſter ' für England, und ſchwere Wolken begannen ſich über dem Volke und dem Throne aufzuthürmen .

Man hatte anfangs mit Freuden die Thronbeſteigung Karls I. geſehn. Er beſaß Reinheit der Sitten , und was hofft man nicht gern von einem 25 jährigen Fürſten ? Aber als der König eine dem Papſt gehorſame Königin in der Perſon der Henriette von Franke reich dem engliſchen Volke gab , erkaltete alsbald die Zuneigung, die man für ihn gefühlt hatte ; und das nicht ohne Grund. Der unter den Augen des Papſtes entworfene Ehecontract enthielt für den römiſchen Glauben günſtige Klauſeln. Henriette kam nach Lon don mit den Verhaltungsmaßregeln der Mutter Magdalene vom Heiligen Joſeph , einer Karmeliterin , und unter der Leitung des Pator Berulle, der von zwölf Prieſtern aus der Congregation des Oratoriums begleitet war. Nachdem man dieſe nach Frankreich zu

rückgeſchickt, wurden ſie. durch zwölf Kapuziner erſeßt. Henriette, eine würdige Schülerin des franzöſiſchen Hofes , wollte anfangs Alles nach ihrer Religion und nach ihrer Laune einrichten, und ihre

Prieſter forderten die Ausübung ihres Kultus in ſeinem vollen

Glanze. . Die Königin hatte ſogar einige Neigung zur Intrigue, und man bemerkte leicht, daß das in ihren Adern rollende Blut

das der Médicis war. Beſonders nach Buckingham's Tode (d. 23. Auguſt 1628) wollte Henriette von Frankreich die Liebe ihres Ger mahls zur Beherrſchung des Landes benußen , und die eifrigſten

* ) Carlyle's I., 186 .

Im Original iſt dieſer Brief datirt vom Januar

1635 ; aber man muß ſich hier erinnern , daß damals das Jahr in England erft mit dem 25. März (der der Neujahrstag war) anfing. Dieſe Gewohnheit beſtand in England bis zum Jahre 1752. Wir werden das Datum nach dem neuen Styl

angeben , um jeder Verwirrung vorzubeugen. Demnach werden die drei legten Mo nate des Jahres 1635 , alten Styrs , die drei erſten des Jahres 1636, neuen Styls, ſein.

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römiſchen Katholiken , welche in dem Kabinet der Königin Zutritt hatten , ſuchten da die Macht, deren ſie zur Ausführung ihrer Pläne bedurften . Englands Horizont verdunkelte ſich von Tage zu Tage. Aber während das Papſtthum von neuem an dem Hofe zu

London erſchien, blühte das Evangelium in Oliver's Hauſe , der ganz mit ſeinen Heerden , Feldern , Kindern , mit den Angelegen heiten ſeiner Nachbarn , mit ſtetiger Ausübung der göttlichen Ge

bote beſchäftigt war. Das Heil war in ſein Haus eingezogen, und ſein Licht ſtrahlte vor den Leuten. Er beſaß ein ſehr zartes Ges wiſſen , wovon wir als Beiſpiel einen Zug anführen wollen , der uns die Beſchaffenheit der Sittlichkeit ſeines Lebens zeigt. Nach ſeiner Bekehrung gedachte Oliver der Worte , die Zachäus zu Jeſu Siehe ſpricht, als der Herr die Schwelle ſeiner Thür betrat : vier ich Herr , ſo ich jemand betrogen habe , das gebe

fältig wieder. Cromwell hatte nichts entwendet, aber, wie andre Weltmenſchen , einiges Geld im Spiele gewonnen. Er gab es zurück, weil er es zu behalten mit Recht für eine Sünde hielt. Dieſe Summen waren für jene Zeit ziemlich hoch, die eine von

ihnen betrug 80 Pfund Sterl. (2000 Fr.) , eine andre 120 Pf. Sterl. (3000 Fr.) Sein Vermögen war mäßig ; ſeine Familie hatte fich vermehrt ; aber dieſe Umſtände übten keinen Einfluß auf ſeine Entſchließung.

Seine Religion beſtand nicht in Worten , ſondern

in Werken. Sobald ſein Gewiſſen ſprach, gehorchte er ſeinen War nungen , wie groß auch das ihm auferlegte Opfer war. Er gedachte oft an das Wort des Herrn , nach welchem er ſein Leben einrichtete: Nicht Alle , die zu mir ſagen Herr , þerr ! werden in das

Himmelreich kommen ; ſondern die den Willen thun meis nes Vaters im Himmel.

Zweites Kapitel. Cromwell's parlamentariſches feben. Cromwell's erſte Erwählung und erſte8 Auftreten im Parla Tonnen- und Pfundgeld. Sein Portrait. Kampf in dem Parlament.' Auflöſung. Verweigerung des John Hamp

ment . de n.

Willkühr und Papismus eingeführt . — Geiſtliche oder Evan ,

geliſten. – Derfolgungen : Leighton , Brynne , Baſtwid , Burton , Schottland und der Bund. Neues Parlament. Strafford. Blutbad in Irland. Karl ohne Treu und Glauben . Vorſtel Cavaliere und Rundköpfe. lung. Bill in Betreff des Heeres.

Die Revolution beginnt. Verfolgung der fünf Mitglieder. Was Cromwell war. Er wird mit ſeinen Söhnen Soldat. Nothwendigkeit. Hampden's Anjidhten über Cromwell. -

Als den 29. Januar 1628 ein neues Parlament berufen wor:

den war , wurde Cromwell zum Mitglied deſſelben für Huntingdon erwählt ; am 17. März trat er ein. . Sein Vater war auch in fei: ner Jugend Abgeordneter im Unterhauſe geweſen. Nach einer dreis monatlichen Vertagung verſammelte ſich das Parlament von Neuem am 20. Januar 1629. Als das Unterhaus einen großen Ausſchuß in Betreff der Religion gebildet hatte , ergriff eins der neuen Mit

glieder, der damals 30 jährige Oliver , am 11. Februar zum erſten Male das Wort. Die Blicke richteten ſich auf ihn , und die Ver

ſammlung hörte ihn mit Aufmerkſamkeit. Seine ſehr einfachen Kleider ſchienen von irgend einem ſchlechten Dorfſchneider gemacht zu ſein ; ſeine Wäſche war keineswegs von tadelloſer Weiße ; ſeine Halskrauſe war altmodiſch; ſein Hut hatte keine Rundſchnur ; der

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Degen ſaß feſt auf dem Schenkel; ſein Geſicht war aufgedunſen und gefärbt, ſeine Stimme heiſer und mißtönend , aber fein Vortrag

voller Feuer und Leben ; feine Größe war eine mittlere, aber kräf tig und in richtigem Verhältniß ; er hatte ein männliches Ausſehn, ein funkelndes Auge und einen geſtrengen Blick.*)

Einige Geiſtliche zeichneten ſich damals durch ihren . Eifer aus, der königlichen Gewalt und den Lehren des Papſtthums in der

Kirche die Oberhand zu verſchaffen . Cromwell beklagte fich , daß die Biſchöfe vom reinen Papismus zu predigen erlaubten und ſogar empföhlen . „Wenn es ſo iſt, rief er , was haben wir zu erwarten ? " Was haben wir zu erwarten ? fragte Oliver Cromwell, das war in der That die große Frage. Das 17. Jahru hundert wollte das Papſtthum wieder herſtellen , und die erſte Frage

des jungen Mitgliedes des Unterhauſes war gegen das Papſtthum gerichtet. Er pflanzte damals die Meßſtange auf, die beſtimmt war die Richtung feſtzuſeßen , welcher er bis zu ſeinem Tode folgen folte. Selbſt der ihm ſo feindſelige Hume iſt betroffen , als er die erſten Erklärungen Olivers ſo genau ſeinem Charakter entſprechen ſieht. Cromwell war ein Mann aus einem Guſſe; und vom Be

ginn ſeines Lebens bis zu ſeinem Ende hatte er nur einen einzigen und denſelben Gedanken, welchen er auf den Dächern predigte ( Luc. XII., 3).

Und dieſen ſo entſchiedenen , ſo offnen Mann hat

man ſich gewählt , um einen Heuchler aus ihm zu machen ...... Niemals hat die Geſchichte einen einfältigeren Schnißer gemacht. Man hielt ſich für den Augenblick nicht auf bei den närriſchen

Lehren der Halb - Papiſten Manwaring, Sibthorp und Montague, welche der Biſchof von Wincheſter unter ſeinen Schuß genommen. Eine andre Frage ſollte die Auflöſung dieſes Parlaments herbeis

führen. Der König verlangte die Steuer vom Tonnen- und Pfund gelde für die ganze Zeit ſeiner Regierung ; das Unterhaus verweis gerte ſie. Der Sprecher des Unterhauſes , Finch, einer von Karl's

Höflingen , wollte dem Befehle ſeines Herrn gemäß das Parlament *) Mémoires de Sir Phil. Warwick, p. 247. London 1701.

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ſofort vertagen. Aber dem widerſeßten ſich einige Mitglieder, unter

andern Holles , und hielten den Sprecher troß ſeines Schreiens und ſeiner Thränen mit Gewalt auf ſeinem Seſſel zurück. Der König ließ dem Thürhüter des Unterhauſes befehlen , ſich mit dem Stabe

zurüczuziehn, was nothwendig die Verhandlungen aufhob; aber der Thürſteher wurde wie der Sprecher ſelbſt zurückgehalten . Zu gleicher Zeit bemächtigte man ſich der Schlüſſel des Saals und ſchloß die

Thüren. Bald darauf klopft man : „ Deffnen Sie , ſagt einer von den Beamten des Unterhauſes , es iſt eine Botſchaft vom König." Vergebens , der Saal bleibt geſchloſſen. Da ließ der König außer ſich den Hauptmann ſeiner Garde rufen und befahl ihm die Thüre einzuſtoßen . Aber während aller dieſer Vorgänge hatte das Unter haus über drei Beſchlüſſe abgeſtimmt. Der erſte war gegen den Arminianismus, der zweite gegen das Papſtthum gerichtet. Das Streben nach dieſen zwei Irrthümern machte ſich damals in der anglikaniſchen Geiſtlichkeit bemerklich. Dieſe zwei Uebel ſind in der That ſehr gleichartig. Das eine wie das andre ſtellt den Vorzug der menſchlichen Natur auf, aber jenes in der Lehre , dieſes in dem Regiment der Kirche. Durch ſeinen legten Beſchluß erklärte das Unterhaus jede Erhebung der verlangten Steuer für ungeſekmäßig und Jeden für einen Verräther, der ſie im voraus erheben und ſo

gar bezahlen würde. Als der Hauptmann des Königs ankam, fand er Niemanden mehr. Das Unterhaus hatte ſich dem Befehle Karl's gemäß vertagt. Der König begab ſich ſodann in das Haus der Lords und löſte das Parlament auf , indem er ſich über das Be nehmen des Unterhauſes beklagte, beſonders über gewiſſe „Nattern, die er zu beſtrafen wiſſen werde.“ In der That wurden Holles, Sir John Eliot, William Strode und Andre zu einer Geldſtrafe verurtheilt und verhaftet. Elf Jahre hindurch wurde das Parla

ment nicht mehr zuſammenberufen. Cromwell kehrte nach Hunting don zurüd. Er trat in dieſen parlamentariſchen Verhandlungen

nicht auf. Aber aus dem Schooße ſeiner Familie ſollte der Funke herausſpringen, der einen großen Brand entzünden ſollte. Die eine feiner Tanten , Eliſabeth Cromwell, hatte William Hampden aus Great Kimble in Bucinghamſhire geheirathet. Sie

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war damals Wittwe und hatte zwei Söhne, Johann und Richard. Johann war ein ſtiller, freundlicher Mann von wenig Worten und

der gern auf Andere hörte, aber unter dieſer Beſcheidenheit und Schlichtheit verbarg er einen eiſernen Willen und eine eherne Stirn.

Dieſer Vetter Oliver's ſollte das Zeichen zum Widerſtand gegen Karl's Willkühr geben. Man verlangte von ihm zwanzig Schil linge , die auf ſein Theil fielen von der Steuer , deren Bezahlung das Unterhaus verboten hatte ; er weigerte ſich beſcheiden aber feſt und ſprach die richterliche Entſcheidung an . Von den Richtern , die

gern geſchwiegen hätten, entſchieden acht gegen vier wider ihn. Aber das Volk hielt ſeine Gründe für ſiegreich, und ſein Name fing an allen edlen Herzen Englands theuer zu werden.

So

begann alſo das Geſchlecht Cromwell's den Kampf wider Karl. Im Jahre 1631 hatte Oliver Huntingdon verlaſſen und ſich in Saint-Jves , dann in Ely niedergelaſſen . An dieſem lepteren Orte, wo er ſich immer mit Ackerbau beſchäftigte, ſchrieb er den von uns angeführten Brief , in welchem er uns im voraus erkennen

läßt , welches der Charakter ſeines ganzen Lebens ſein werde , da er ſich bereit erklärt für Gottes Sache zu handeln und zu leiden.

Handeln und leiden ſind die beiden großen Werke jedes Apoſtel amtes , und die Laufbahn Oliver's war ein Apoſtelamt , eine große

Sendung. Es iſt unmöglich in jenem Briefe an Frau Saint - John eine aufrichtig fromme Seele zu verkennen . Vielleicht jedoch zeigt ſich darin nicht genug der einfache Gehorſam gegen das göttliche Wort, welcher der weſentliche Charakter des praktiſchen Lebens des Chriſten ſein ſoll, und iſt darin durch eine etwas myſtiſche Richtung vertreten.

Cromwell wurde fortſchreitend klarer und nüchterner in

ſeinem Chriſtenthum . Die Aufregung wuchs in England. Karl ſuchte ohne Parla ment ſein Reich zu regieren und verband fich mehr oder weniger

mit Frankreich und Spanien. Seine Miniſter warfen ſich auf ge waltſame Maßregeln und vereinigten ſich bald zur Vermehrung

ihrer Kräfte mit einem vergrößerten Episkopat. Der Erzbiſchof von Canterbury , Laud, Primas von England , dem Rom den Kar

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dinalshut angeboten , ſtellte mehrere papiſtiſche Gebräuche und Cere monien wieder her. Der Abendmahlstiſch wurde durch einen Altar mit mehreren Stufen erſeßt und am öſtlichen Ende der Kirche er

richtet. Man ſtellte die Crucifire, Bilder und Wachskerzen wieder her, und ſah die in prächtige Kleider gehüllten Prieſter nach rö

miſcher Weiſe vor dem Altar ſich verbeugen.

Die mittleren Klaſſen wurden aufgeregt und unruhig. Man verband ſich zur Ausbreitung des Evangeliums; man bildete Fonds um in verſchiedene Gegenden Prediger zu ſenden , die zugleich Je ſum Chriſtum verkündigen und gegen den römiſchen Aberglauben kämpfen ſollten , welchem Laud die Nation unterwerfen wollte. Evan geliſche Chriſten Londons , unter ihnen ein Freund Cromwells,

Storie geheißen , unterhielten zu Saint - Jves einen dieſer Prediger, den Doctor Wells, „ einen gutmüthigen , eifrigen und befähigten Mann , ſchrieb Cromwell an Storie , d. 11. Januar 1636 , der kei nem nachſteht die ich in England kenne.“ Die Geſpräche und Pre digten des Doctors Wells förderten Cromwell und die Seinigen

in der wahren Frömmigkeit. „ Seit ſeiner Ankunft, ſchrieb er, hat der Herr durch ihn viel Gutes unter uns gethan." Bald darauf verbreitete ſich durch ganz England die Nachricht

von grauſamen Verfolgungen , welche Laud's Gegner zu erdulden hatten. Man ſtellte ſie öffentlich zur Schau , ſagte man ; man ſchnitt ihnen die Ohren ab ; man legte ihnen ſchwere Geldbußen auf und man verurtheilte ſie zu lebenslänglichem Gefängniß. Aber dieſe verfolgten Chriſten ertrugen dieſe Leiden mit unbezwinglichem Muthe. Als der Henker an einem Hinrichtungstage die Menge auseinander treiben wollte, ſagte der Märtyrer , welcher das Elend vorausſah, das Karl über ſein ganzes Volk bringen würde : „ Stoßet fie nicht zurück, ſie müſſen leiden lernen !"

Der Doctor Leighton , Vater des berühmten Erzbiſchofs dieſes Namens, veröffentlichte eine „ Berufung an das Parlament oder Vertheidigung Zions gegen die Prälatur.“ Er wurde wegen dieſes Verbrechens verurtheilt eine Buße von 10,000 Pf. St. (250,000 Fr.) zu bezahlen , zu Weſtminſter an den Pranger

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geſtellt und öffentlich ausgepeitſcht zu werden ; ferner zum Verluſt ſeiner Ohren , zur Aufſchlißung der Naſe und zur Brandmarfung im Geſicht durch ein glühendes Eiſen mit den Buchſtaben S. S. ,,Sower of Seditions. Dieſes Urtel wurde in ſeiner ganzen

Strenge ausgeführt. Prynne , ein ſehr merkwürdiger Mann , war ein Sachwalter

zu Lincoln's - Inn (London). Das erſte Verbrechen , deſſen man ihn .

beſchuldigte, und für welches man ihm die Ohren abſchnitt, war, ein Buch gegen das Theater und die Maskenzüge unter dem Titel : Histriomastix (Geißel der Schauſpieler) geſchrieben zu haben.

Der König und die Königin tanzten gern , liebten Maskenzüge, und Henriette von Frankreich ließ fich oft in Hofſchauſpielen be

wundern . Eben ſo wurde Prynne durch Laud des Verbrechens der beleidigten Majeſtät angeklagt.

Werk gegen die Biſchöfe.

Sein zweites Verbrechen war ein

Da man ihm bereits zur Zeit ſeiner

erſten Verurtheilung die Ohren abgeſchnitten , ſo ſchnitt man ihm damals buchſtäblich die Stumpfe ab. „ Ich glaubte,“ ſagte Lord Finch, der Oberrichter , indem er ſich verwundert ſtellte, Herr Prynne hätte keine Ohren mehr !"

„Mylord, Alles um was ich

Gott bitte (der Ehrenwerthe Herr möge es mir nicht übel deuten ), rief Prynne, Ales , um was ich Gott bitte iſt, daß er Euch Dhren 1 /

geben möge , um mich anzuhören.“ Wenn der Richter ihn nicht an .

hörte , jo lieh ihm Oliver das Dhr mit allen frommen Männern ſeines Volkes. Bei dieſen Tchauderhaften Berichten erzitterten ihre Herzen von unausſprechlicher Aufregung. *) Als der Doctor Baſtwick auf das Schafot ſtieg, wo man ihn

verſtümmeln ſollte , warf ſich ſeine Frau an ſeinen þals , küßte ſeine Ohren , die er verlieren ſollte, und antwortete ihrem Manne, der ſie ermunterte nicht zu erſchrecken : „Lebe wohl , mein Freund : tröſte dich, ich bin keineswegs erſchrocken ."“ Der Volkshaufe legte ſeine Theilnahme durch Zuruf an den Tag. Beim Herabſteigen

*) Etwas abweichend erzählt dieſe Grauſamkeit gegen Brynne Dahlmann in ber Geſchichte der engl. Revolution. 3 Aufl. 1844. S. 182.

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vom Schafot nahm Baſtwick den mit ſeinem Blute getränkten Schwamm vom Ohre und zeigte ihn dem Volke mit den Worten : ,,Gelobt ſei Gott , der mich würdig erachtet hat für ihn zu leiden

lid

und mich durch ſeine Macht dazu tüchtig gemacht hat. Ich habe, es iſt wahr , einige Blutstropfen verloren , aber ich bin bereit es 0

ganz zur Aufrechthaltung der göttlichen Wahrheit und der Ehre meines Königs gegen die Anmaßungen der Papiſten zu vergießen. Gott ſei gelobt , lang lebe der König !" *) Herr Burton , puritaniſcher Geiſtlicher, wurde auf das Schafot geführt , gefragt , ob der Schandpfahl nicht zu ſchwer für ſeinen Hals und ſeine Schultern ſei. „Es iſt Chriſti Joch, ſagte er, wie könnte das drückend ſein ? Chriſtus trug das ſchwerſte Ende, ich das leichteſte; und wäre das meinige zu ſchwer , Chriſtus würde es auch tragen. Der Herr iſt ein guter Meiſter, er verdient , daß man für ihn leide. Wenn Jedermann feine Süßigkeit ſchmeckte,

li

würde Jedermann ihm dienen ." **)

Das waren Thaten Karls I. Oliver's Seele wurde da durch mit Bangigkeit und Schrecken erfüllt . In Schottland war das Uebel ebenfalls ſehr groß. Rarl wollte dort den Presbyterianismus ſtürzen und Laud's Prälatenthum ein

führen, um dann den Papismus wiederherzuſtellen. Am 23. Juli

E

1637 ſollte das Meßbuch, verkleidet , in der Kathedrale von Saint

Gilles in Edinburg feierlich eingeführt werden . Schon begann der mit ſeinem Chorhemd bekleidete Dechant die Liturgie zu leſen , als

ein ungeheurer Tumult ausbrach. Die Schotten ſchwuren ihren alten Einrichtungen treu zu bleiben , unterzeichneten den Covenant,

und ergriffen die Waffen zu ſeiner Vertheidigung. Die gegen Karl ziehenden ſchottiſchen Heere rückten gegen Rom vor.

Sie waren ,

wie Guſtav Adolph und ſeine Soldaten in Deutſchland, „ſanft wie die Lämmer, furchtbar wie die Löwen .“

die Vorhut des Proteſtantismus.

Schottland war damals

Da das engliſche Heer ſich ge

शा

Q

*) Prynne's New Discovery , p. 63.

**) State Trials , II , 748 — 752.

je

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weigert hatte gegen die Schotten zu kämpfen , mußte ſich der König einem neuen Parlamente unterwerfen , das ſich zur unausſprech lichen Freude des Volkes am 13. April 1640 verſammelte. Crom well wurde zu Cambridge gewählt. Dieſe Verſammlung verfolgte mit Nachdruck die Urheber aller Leiden der Nation. Am 10. Mai 1641 unterzeichnete der König

das Todesurtel ſeines alten Miniſters , Strafford, und die folgende Mittwoch wurde dieſer Herr hingerichtet. „ Verlaſſet euch nicht auf Fürſten , ſie ſind Menſchen , die können ja nicht helfen " rief die Hände gen Himmel bebend Strafford aus in dem Augenblick, wo

man ihm hinterbrachte, der König habe in ſeine Verurtheilung ein gewilligt. Oliver erſcheint nicht bei dieſen Verhandlungen. Karl begab ſich im Monat Auguſt desſelben Jahres nach Schott land und bemühte ſich dieſes durch ſeine Treue immer ausgezeichnete

Volk zu gewinnen. Man ſah ihn die langen Predigten der Press byterianer anhören und mit ihnen ihre häufigen und andächtigen Gebete halten , aber man entdeckte bald , daß unter dieſen

Schafskleidern ein reißender Wolf ſtak (Matth. VII, 15). Man wußte , der König ſammle in aller Stille Actenſtücke, durch welche er ſeine Gegner in beiden Königreichen zu verderben hoffte. Er wollte ſich Beweiſe aus dem Briefwechſel verſchaffen , der zivi

ſchen dem engliſchen Parlament und den ſchottiſchen Covenanters Statt gefunden haben ſollte, und ſo die Häupter beider Völker als des Hochverraths ſchuldig verurtheilen laſſen. Von da an erkannte man , daß Karl ein Mann ohne Treu und Glauben ſei , und daß offner Widerſtand allein England retten könne. Ein furchtbares Ereigniß ſollte noch überdieß die Häupter der Nation davon überzeugen. Mitten unter dieſem Mißtrauen und dieſer Aufregung wurde plößlich in London am erſten November 1641 eine ſchauberhafte Nachricht ruchbar, die Jrländer, angeblich im Namen der Königin und des Königs , in der einen Hand einen Auftrag , den ſie vom Karl I. erhalten zu haben vorgaben , in der

andern die Brandfackel oder das Schwerdt, verbreiteten überall eine furchtbare Verwüſtung. Die in der Stille vorbereitete Ver: ichwörung war plößlich in ein furchtbares Gemeßel ausgebrochen .

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Ueberall, in London , in den Provinzen , in Edinburg erzählte man davon traurige Berichte, und Schrecken verbreitete ſich unter den Proteſtanten Großbritanniens.

Die bedeutendſten Mitglieder der Gemeinen brachten ſofort eine Vorſtellung an den König in Vorſchlag, denn die Nation war

in ihrem koſtbarſten Gute bedroht . Dieſe Vorſtellung ging durch mit einer Mehrzahl von elf Stimmen am 22. November 1641 um

Mitternacht. „Wäre ſie nicht durchgegangen ," ſagte Oliver, als er den Saal verließ , „ ſo hätte ich alle meine Güter verkauft und mich in Neu-England niedergelaſſen .“ Cromwell ging nicht nach Amerika, aber die Grundſäße, welche er vertrat , gingen hinüber und ſchufen dort jenen mächtigen Staat , der anfangs nur ein kleines Saamen korn , reißend ſchnell gewachſen und ein großer Baum geworden iſt. Der blühende Freiſtaat Nordamerikas iſt ein Oliver Cromwell, deſſen geheime Kräfte ihre richtige Entwickelung erreicht haben. Ein

DE

Andrer als Cromwell erhielt den Ruf ſich von London zu entfernen.

Am 7. December wurde den Gemeinen eine Bill vorgelegt,

1

kraft deren die Bildung des Heeres und die Ernennung ſeiner

11

Führer hinfüro nur unter Mitwirkung des Parlaments Statt fin

F

Dieſe Bill entthronte gewiſſermaßen das Königthum,

10

und doch hing die Erhaltung der Freiheit und des Proteſtantismus Englands davon ab. Sofort verlaſſen die Edelleute in großer An

el

zahl ihre Schlöſſer, um ſich in London um die bedrohte Monarchie

TL

.

den ſollte.

zu ſcharen . Cavaliere ! nannten ſie die Männer der Gemeinen , die man an ihrem rund weggeſchnittenen Haupthaar erkannte . Rundköpfe! erwiederten ihnen die Edelleute, und das öftere tumul

tuariſche Zuſammenſtoßen der Kundköpfe und Cavaliere ſtörte unauf hörlich die Ruhe der Hauptſtadt.

Beim Eintritt in das neue Jahr

ſchauderte Feder in ſeinem bewegten Verzen in Erwartung der Dinge , die kommen ſollten. Am dritten Januar 1642 begann Karl den Angriff. Er for

derte von dem Unterhauſe die Auslieferung von fünf ſeiner einfluß reichſten Mitglieder : Hampden, Pym , Holles , Haslerig und Strode. Am folgenden Tage meldete, man , der König nähere fich dem Unter hauſe in Begleitung von drei bis vierhundert Bewaffneten .

Bei

1

ļ

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ſeinem Eintritt erhoben ſich alle Mitglieder und entblößten das Haupt. „ Wie ich ſehe ," ſagte er , indem er ſeine Blicke über die Verſammlung ſchweifen ließ , ſind die Vögel ausgeflogen ... Sie

werden ſie mir ſchicken , widrigenfalls werde ich Mittel finden, ſie in den Käfig zu ſtecken ."

„ Vorrecht! Vorrecht !" rief man , als

der König den Saal verließ. Bald darauf vernahm Karl , das Volk , die Bürgerbewaffnung und ſogar die Matroſen der Themſe ſchickten fich an , die fünf von ihm angeklagten Mitglieder im Feſt zug nach Weſtminſter zurückzuführen. „Was ! rief er , auch dieſe Waſſerratten verlaſſen mich ?" – In der That rechnete Karl von der ganzen Bevölkerung Londons au meiſten auf dieſe Schiffer. Da der Staatsſtreich fehlgeſchlagen , verließ Stuart den Palaſt von Whiteball am 10. Januar 1642.

Die Revolution beginnt ; das Parlament tritt gegen den König auf den Kampfplaß. Den Umſturz des Thrones konnte dieſe Bes wegung zur Folge haben , und doch war dieſe Bewegung unver meidlich. Die Erhaltung der Freiheit und Religion Englands war nur um dieſen Preis zu gewinnen. Man bat daran erinnert, wenn die Revolution Englands die und vergeſſen wir es nicht,

Unrechtmäßigkeit der unumſchränkten Gewalt öffentlich erklärte, ſo that ſie nichts Neues. Sie war in ihrem Rechte.

,,Wenn die Feudal - Ariſtokratie an der Entwickelung der Na tionen Theil genommen , " hat man behauptet , ſo geſchah es da durch, daß fie gegen königliche Tyrannei ankämpfte, vom Wider ſtandsrechte Gebrauch machte, und die Grundſäße der Freiheit auf recht hielt. *)" Die Gemeinen , die mittlern Klaſſen thaten im 17. Jahrhundert nichts anderes , als was bis dahin die Ariſtokratie gethan.

Cromwell war zu jener Zeit 42 Jahr alt und Vater von ſechs Kindern . Oliver , Richard und Heinrich , Brigitte, Eliſabeth und Marie: Er lebte ſtill, ebenſo wie viele andere Chriſten , gute .

Proteſtanten , treue Bürger, die wie er niemals an das Waffen

*) Guizot, Histoire de la Révolution d'Angleterre , préf., p. X.

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handwerk gedacht hatten . Aber neue Zeiten verlangen neue Thaten. Täglich ſehen ſich dieſe von heißer Vaterlandsliebe beſeelten Männer geängſtigt, die einen in London , die andern auf dem Lande , unter 1

ihrem häuslichen Dache, durch Nachrichten von Niedermeßelung der irländiſchen Proteſtanten , von der Mitſchuld des Königs , von ſeinen ", trenloſen Lügen , ſeinen Plänen, von den über mehrere ihrer Brü 1

der verhängten Todesſtrafen , von dem offnen Papiśmus der Königin ,

von dem verſteckten des Königs , von der Verfolgung Schottlands, von der Verbannung der beſſern Chriſten des Reichs, und durch

ſoviele andre nicht weniger in Schreden ſeßende Anzeichen und Ereigniſſe.

Als dann Ades die baldige Ausrottung der chriſtlichen Prote: ſtanten Englands durch das Papſtthum oder ihre Erwürgung durch das Schwerdt verkündet , erheben ſich dieſe ernſten Männer und verlangen vom König in dem Unterhauſe , die Erwartung ſeiner Unterthanen nicht zu täuſchen . Und als ſie dieſen Fürſten , taub gegen ihre Bitten , Truppen ausheben ſehn , um ſein Parlament zu beſchränken und einige über dasſelbe bereits gewonnene Siege zu

behaupten, faſſen ſie im Geiſte der Ergebung und Aufopferung den Beſchluß , England und die Kirche mit Gottes Hülfe zu retten ; ſie

verlaſſen ihre Familien, geben ihr Leben Preis und werden Soldaten. Oliver gab jeßt ſeine parlamentariſche Rolle auf , um eine andere von nun an nothwendigere zu übernehmen. Der Yeoman von Huntingdon , der den Gemeinen Zeichen ſeiner Beredſamkeit gegeben, ſollte noch mehr das Heer durch ſeinen Muth und ſein Genie in Erſtaunen ſeßen. Anfangs thatkräftiger Volkstribun, ſollte er ſich als großen General zeigen , um endlich einer der erſten Staats

männer der neuern Zeit zu werden . Am 7. Februar ſchenkte Cromwell eine bedeutende Summe Geldes von ſeinem kleinen Vermögen , 300 Pf. St. (7500 Fr.) für die Rettung des Proteſtantismus und Englands. Dann ließ er ſich

mit ſeinen zwei Söhnen von 20 und 16 Jahren anwerben , und errichtete bald darauf in Cambridge zwei Compagnieen Freiwilliger. Die Abreiſe ſeiner Söhne, Oliver und Richard, ſollten viele Thränen in der ſtillen Wohnung des Pächters von Huntingdon fließen laſſen.

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Die Mutter , die Schweſtern vermochten ſich kaum aus den Armen der jungen Männer loszureißen. Aber der Augenblick war gekommen, wo das Vaterland die größten Opfer forderte. Man mußte ſein Haupt dem Schwerdte entgegenhalten oder es unter das Joch des Papſtes beugen. Cromwell hatte eine trefliche Familie, eine zärtlich geliebte Frau , eine gute Mutter , er war über die Jahre des Ehrgeizes hinaus, und dennoch wurde er Soldat. „Ihr : er hieltet anfangs mein Geld ,“ ſagte er mit edler Einfachheit; , jeßt bin ich bereit, euch mit Gottes Hülfe mein Blut *) zu ſchenken, und die Meinigen thun es auch ." Siebenzehn Jahre hindurch , von dieſem Augenblicke an bis zu ſeinem Tode , waren alle ſeine wohl oder übel vorgefaßten Meinungen für den Proteſtantismus und die Freiheit ſeines Volkes. Von dem moraliſchen Geſichtspunkte aus muß man Cromwell

beurtheilen , von dieſem auch ſeine Abreiſe ; daraus , und allein daraus erklärt ſich ſein ganzes Leben . Keineswegs eine bedeutungs loſe That war dieſe freiwillige Abreiſe von Huntingdon . Ein großes Werk ſollte ausgeführt werden. Es handelte ſich um nichts Ge ringeres als um die Aufrichtung Englands auf der doppelten Grundlage des Proteſtantismns und der Freiheit.

Davon hing

ſeine fünftige Beſtimmung ab. Wo würde man einen Mann finden,

groß genug , um eine gleiche Aufgabe zu übernehmen ? Eines Tages hatte ſich ein Mitglied der Gemeinen erhoben und ſich an das Haus auf eine ungeſtüme aber warme Weiſe ge wendet. Sein Aeußeres zeichnete ſich keineswegs aus und ſein Rock verlieh ihm keine größere Wichtigkeit. Erſtaunt neigte ſich Lord Digby zu Hampden , um ihn nach dem Namen des Redners zu

fragen. Hampden, ein Mann von großen Fähigkeiten, „ den Freunde und Feinde" , wie Barter ſagt, „ für den durch ſeine Weisheit aus :

gezeichnetſten Bürger Englands hielten " , antwortete lächelnd : 1

,, Dieſer Bauer, **) den Ihr vor Euch ſeht, führt nur eine ſchmuck

*) My skin = meine Haut.

**) Sloven = ſlumpig. 6

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Loſe Rede , aber dieſer Bauer, wenn es uns je begegnen ſollte, ( was Gott verhüten möge ) , mit dem Könige zu brechen , dieſer Bauer, ſage ich , würde der größte Mann Englands ſein .“ Dieſer Bauer war Oliver Cromwell. Die, welche, wie ſein Vetter Hampden , ſeinen vertrauten Umgang im Privatleben ge noſſen, hatten ſchon längſt die Stärke ſeines Willens und den Um fang ſeines Geiſtes erkannt. Damals begann er dieſe Eigenſchaften I

durch ſeine parlamentariſche Wirkſamkeit vor den Augen der Nation zu enthüllen. Bald ſollte er in ſeiner militäriſchen , politiſchen und diplomatiſchen Laufbahn fich der Welt als den größten Mann ſei nes Jahrhunderts , aber auch als einen in ſeinem Glauben uner: ſchütterlichen Chriſten bekannt machen.

Drittes Kapitel. $ paltung zwiſchen dem König und dem Parlament. Crom Eroberung der Freiheit. Beginn des Krieges. well's Aufrichtigkeit. Seine Ver Sein Brief an Barnard. wendung für Hapton. Unentſchiedene Vortheiles Cromwell's Mittel.

Das Waffenglück ändert ſich.

Cromwell verweigert

Groms die Theilnahme an Ausſchweifungen. Hampden's Tod. well's Muth. Sdlacht bei Marſton Die zwei Parlamente .

Moor.

Ein Brief und eine Epiſode.

Raub heit und Mitleid.

Er wird der Militäriſcher Charakter Cromwell's . geöffne Die bei Naſeb y. Schlach eigentliche General. – te Briefs t Ehre ſei Gott ! chriftliche Erſtürmung von Briſtol. taſche. Frömmigkeit. Der König begiebt ſich Union . Disciplin. Crom Freton. Das Directorium . zum idottiſden Heere. Anecdote .

well's Brief an ſeine Tochter Brigitte.

Der König wird dem

Cromwell'8 Krankheit. Brief an Parlament ausgeliefert . Fairfar. - Cromwell und ſeine Soldaten . - Einheit des Mannes .

Die Zeit war gekommen, in der eine der edelſten Eroberungen, welche die Menſchheit jemals gemacht, ihr Ziel erreichen ſollte. Die conſtitutionelle Freiheit ſollte den Nationen erworben werden. Das geſchah nicht ohne furchtbare Kämpfe und ohne große Opfer; denn leider nur auf dieſem Wege ichreitet die menſchliche Geſell ſchaft vorwärts. Der Despotismus , welcher angegriffen werden ſollte, war berufen , ein erlauchtes Dpfer zu liefern. „ Rarl“, ſagt ein königlich geſinnter Schriftſteller, ,,kämpfte ohne Nußen gegen die Macht der Dinge ; ſeine Zeit war ihm voran geeilt : nicht ſein Volk allein riß ihn fort, ſondern das menſchliche Geſchlecht; er wollte, was nicht mehr möglich war. Die eroberte Freiheit ſollte 5*

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anfangs in einem Militär - Despotismus zu Grunde gehen , der fie aus der Anarchie rettete ; aber die den Vätern entriſſene Freiheit

wurde den Söhnen wieder gegeben und verblieb England als let: tes Ergebniß." * ) Am 22. Auguſt 1642 , Abends 6 Uhr , pflanzte der Rönig zu

Nottingham die königliche Fahne auf und rief ſeine Unterthanen zu den Waffen ; aber der heftig wehende Wind warf das Banner

nieder. Zu derſelben Zeit bildete der Graf von Eſſer einige Stun den von dort das Heer des Parlaments, in dem Cromwell Haupt mann wurde. Alsbald muſterte er ſeine Compagnie und bezeichnete den Anfang ſeiner militäriſchen Laufbahn durch jene Aufrichtigkeit, die einer der unterſcheidenden Züge ſeines Charakters iſt. Er wollte durchaus nicht den Schlangenwindungen und Schleichwegen des Parlaments folgen : den König bekämpfen und zugleich verſichern, daß er komme, ihn zu vertheidigen. Clarendon ſelbſt berichtet uns

das. „Soldaten“, ſagte er zu ſeiner verſammelten Compagnie, „ ich will euch durchaus nicht überliſten , noch durch verſteckte und zwei

deutige Worte über meinen Auftrag euch täuſchen, der mich berufen zu kämpfen für den Rönig und für das Parlament." **)

Cromwell ging ſogar in ſeiner Aufrichtigkeit bis zur Rauhheit ; denn dieſen Fehler findet man bei ihm weit mehr als Argliſt. Er war entſchloſſen zu kämpfen , wen er auch ſich gegenüber finden *) Les quatre Stuarts , par M. de Chateaubriand . plètes , VI.

Oeuvres com

Die **) Histoire de la Rébellion par Clarendon, livr. II. a. E. Geſchichte der Revolution und Bürgerkriege in England vom Jahre 1628 — 1660 vom Lord Clarendon , der früher Edward Hyde hieß , wurde zuerſt 1702-4 in drei Folio-Bänden zu Oxford gedruckt, welcher Univerſität die Handſchrift des Wer kes von den Söhnen des Verfaſſers geſchenkt worden war. Seitdem iſt das Werk -

-

in unzähligen Ausgaben wiederholt worden. Die neueſte iſt: The history of the rebellion and civil wars in England by Edward Earl of Clarendon. A new edition from the original manuscript. Oxford at the university Press . 1839. 964 S. gr. 4. Ale Kupfer und Handzeichnungen zur Erläuterung dieſer Ge

ſchichte werden in Orford in der bekannten Sutherland Collection aufbewahrt. Vergi. Dr. v. Mniewel , Reiſe - Skizzen ., vornehmlich aus dem Heerlager der Kirche u. ſ. w. Th. I. Š. 278. (Leipz. 1843.) P.

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mochte ; er ſagte es.

Wenn zufällig “ , fügte er nach Clarendon

hinzu , „ der König fich in einem feindlichen Corps befinden ſollte, zu deſſen Angriff ich befehligt werde , ſo werde ich mein Piſtol auf ihn wie auf jeden Andern abdrücken . Erlaubt euch euer Gewiſſen nicht daſſelbe zu thun , ſo laßt euch nicht unter mein Commando anwerben . " Man hat dieſe leßten Worte bezweifelt , und in der

That hat Clarendon , oder vielmehr die , von welchen er dieſen Bericht hatte , Cromwell's Worte leicht übertreiben können . Aber ſelbſt wenn man die Richtigkeit der Erzählung einräumt, würde

man in dieſer Aeußerung nichts anderes ſehen können , als eine kräftige Ausdrucksweiſe: Täuſcht euch darin nicht , wir führen den Krieg gegen den König.“ .

Cromwell war nicht bloß ein Hauptmann : ſein wachſames Auge war überall. Er wußte die Complote zu vereiteln und un entſchiedenen , getheilten Männern Rath zu geben. Ein Edel mann ſeiner Bekanntſchaft, Herr Robert Barnard , ein ſchlechter Proteſtant, begünſtigte die Königlichen und ſchloß fich denen an, die ſich in verdächtigen Zuſammenfünften vereinigten. Oliver ſchrieb ihm am 23. Januar 1643 einen Warnungsbrief , in welchem wir einen neuen Beweis ſeiner Aufrichtigkeit und ſeines tief begründe

ten Urtheils finden : „Spiſfindigkeit kann Euch täuſchen“ , ſagte er ihm , ,, Redlichkeit niemals. Ich wünſche von ganzem Herzen , daß

Eure Anſichten wie Eure Nänke ſich ändern. Ich will die Leute nur hindern , den Riß zu erweitern und Böſes zu thun ; aber ich

will Niemandem Unrecht thun , beſonders Euch nicht; ich hoffe we nigſtens , daß Ihr mir dazu keine Veranlaſſung geben werdet. Thut Jhr es , ſo muß man mir das verzeihen , was meine Pflich: ten gegen die Nation mir gebieten.“ *) Es liegt in dieſen Worten Feſtigkeit , aber zugleich auch wahre chriſtliche Liebe. Oliver bemühte ſich beſonders diejenigen zu ſchüßen , welche um des Glaubens willen litten . In der Grafſchaft Norfolk wur den die Bauern in Hapton wegen ihrer Anhänglichkeit an das *) Lettres et Discours de Cromwell I , p . 158 .

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Evangelium durch einen , Namens Brown , ſehr geplagt. Cromwell hatte Verbindungen mit Thomas Knyvett von Aſhwellthorpe , dem Herrn des Ortes. Er ſchrieb ihm ſofort am 27. Juli 1646 : „ Ich

bitte um Euern Schuß für die armen und ehrlichen Nachbarn , die Einwohner von Hapton , die ſich , wie ich vernehme, in einer be I

trübenden Lage befinden und ſich von noch ärgeren Mißhandlungen bedroht fehn durch einen gewiſſen Brown , Euern Zinsmann , der,

unzufrieden mit ihren Geſinnungen , alle Mittel aufſucht, ſie zu beunruhigen. Nichts treibt mich an , dieſe Bitte an Euch zu rich ten, als das Intereſſe, welches mir ihre Rechtlichkeit und die Ver: folgungen einflößen , denen ſie ſich um ihres Gewiſſens willen und deſſen, was die Welt ihre Verſtocktheit nennt , ausgeſeßt ſehn. Ich ſchäme mich nicht, mich für Menſchen , die unter ſolchem Druck

leben, zu verwenden. Ich thue das für ſie, was ich wünſchte, daß man für mich thäte .....

Ihr werdet nicht bereuen , die unglück

lichen Einwohner von Hapton gegen Verfolgung und Ungerechtig: keit in Schuß genommen zu haben." *)

So offenbarte fich Oliver's brüderliche chriſtliche Liebe , jene

Liebe , welche, wie Milton ſagte , die erhabenſte von allen iſt, und kraft welcher die Gläubigen ſich gegenſeitig lieben und unterſtüßen gleich als Glieder Chriſti. **) Oliver hatte jenes göttliche Gebot vernommen : Helfet dem Unterdrückten ( Jeſ. I , 17 ; Jerem .

XXII , 3). Thue deinen Mund auf für die Stummen und I

für die Sache Aller , die verlaſſen ſind.

( Sprüche Salom .

XXXI, 8. ) Und Oliver erfüllte mit Fleiß die Gebote Gottes. Am 23. October fand die Schlacht bei Edgehill Statt, deren Ergebniß zweifelhaft war und Schrecken in London verbreitete. Vielleicht verlor damals Cromwell ſeinen älteſten Sohn , Oliver ;

wir werden ſehen , welches die Gefühle des Vaters bei dieſer Gez' legenheit waren . *) Gentleman's Magazine , 1787 . Cromwell , Lettres et Dis cours , I , p . 269 . **) Charitas fraterna seu christiana est omnium maxima , qua fideles ut membra Christi inter se diligunt se atque adiuvant. (J. Milton. Doctrina christiana , ed. C. R. Sumner , p. 483.)

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Der Winter verging ruhig. Im Frühjahr begann der Krieg von Neuem.

Die Vortheile waren zweifelhaft. Der rechtmäßige Widerſtand des Parlaments konnte ſich nur durch ſchnelle und ent:

ſcheidende Siege rechtfertigen und aufrecht erhalten.

Cromwell fah

alsbald die Urſache von der Schwäche der parlamentariſchen Armee

und fand das Heilmittel. Er wußte , daß man zum Siege über eine moraliſche Kraft eine andre noch ſtärkere moraliſche Kraft bez dürfe. Er fing alſo mit dem Anfang an. Wie ſollten wir nicht n

geſchlagen werden ? " ſagte er zu Hampden . Ihre Cavaliere ſind Söhne von Edelleuten , junge Männer von Stand und Ehre , und die unſrigen find alte , betagte Dienſtboten , Kellner aus Schenken, die ihre Stellen verloren haben . Dem will ich abhelfen. Ich werde

Männer anwerben , die Gottesfurcht im Herzen tragen , deren Ge wiſſen die Triebfeder ſein wird, und ich verſichre Euch , man wird ſie nicht ſchlagen können ! “ Sofort durcheilte er die weſtlichen Graf ſchaften und rief die jungen Pächter, deren Frömmigkeit er kannte, zur Ergreifung der Waffen für Gottes Sache. Bald ſtanden vier zehn Schwadronen eifriger Proteſtanten unter den Waffen. Dieſes neue Element ſollte das Schickſal des Kriegs und Englands ent ſcheiden. Von da an änderte ſich der Gang der Begebenheiten. Der moraliſche und religiöſe Charakter Cromwell's hatte nicht gezögert, ſich in dem Heere zu zeigen , und noch mehr trat er her: vor , als er von Leuten umgeben war , welche derſelbe Glaube be feelte, der ihn ſelbſt durchdrang. Clarendon berichtet uns , daß fein Betragen mit ſeinen Grundſäßen übereinſtimmte. Seine zu rückgezogene und ungeſellige Laune “ , ſagt er , als er von Crom I

.

well ſpricht ( lo pflegen oft dem Chriſtenthum fern ſtehende Men

ſchen den Geiſt unrichtig zu bezeichnen ), ,, erlaubten ihm nicht, die andern Offiziere zu ihren Beluftigungen und Ausſchweifungen zu

begleiten, was“, fügt Clarendon hinzu, „ ihn oft lächerlich und ver ächtlich machte. “ Hierauf berichtet uns der Geſchichtſchreiber, daß Cromwell, anſtatt jene liederlichen Geſellſchaften zu beſuchen, mit den Offizieren und Soldaten , die ſeine Ueberzeugungen theilten, I

Pſalmen fang und mit ihnen der Predigt des göttlichen Wortes beiwohnte.

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Nichts iſt charakteriſtiſcher als dieſes über Cromwell gefällte

Urtheil. Der berühmte Clarendon giebt es nicht beſtimmt als das ſeinige , aber es hat ganz das Anſehn , als ſtimme es mit denen überein, von welchen es ausgeht. Hätte Oliver hoch geſpielt, hätte er ſich betrunken, hätte er die trügeriſche Kunſt geübt, die Unſchuld zu verführen, hätte er an den Beluſtigungen und Ausſd wei fungen Theil genommen , das ließe man ſich gefallen , er wäre ein guter Cavalier geweſen. Solche Lente liebt die Welt , ſolchen ſchenken Geſchichtſchreiber und Romanzen - Dichter ihre Gunſt. *) Aber Cromwell fand Gefallen an dem Beſuch beiliger Verſammlungen, nach dem Gebote des heiligen Paulus. In den Stunden der Rube befolgte er gern jene Vorſchrift des Apoſtels : Saufet euch nicht voll Weins , daraus ein unordentliches Weſen folget ,

fondern werdet voll Geiſtes, und redet unter einander mit Pſalmen und Lobgeſängen und geiſtlichen Liedern ; ſinget und ſpielet dem Herrn in eurem Herzen ( Ephef. V, 18. 19 ). Seitdem wird Cromwell ein verächtlicher Menſch ge nannt, und ſeit zweihundert Jahren hört das ganze Hammelgeſchlecht der Geſchichtſchreiber und Romanſchmiede nicht auf, dieſe Albern heit, um nicht zu ſagen : dieſe Kuchloſigkeit , zu wiederholen . Ver ächtlich! ſagt Clarendon ; ich glaube das gern ; Cromwell iſt nicht der einzige, den man verachtete, weil er ſchlechte Geſellſchaften mied

und den Weg der Sünder nicht betrat.

David , Paulus und alle

Chriſten ſind wie er , und aus denſelben Gründen wie er , verachtet worden. Aber es ſteht in der göttlichen Offenbarung geſchrieben :

Wehe denen , die Böſes gut , und Gutes böſe heißen ! ( Jeſ.V, 20.) Wir glauben nicht, daß dieſe falſchen , vom göttlichen Worte gebrandmarkten Urtheile in ſtärkerem Grade ausgeſprochen worden ſind, als in Bezug auf Cromwell. Am 18. Funi ſtieß die Reiterei einige Meilen von Orford aufeinander. Man ſah einen der parlamentariſchen Führer, der in der Regel immer in erſter Linie ſtand , ſich langſam vom Schlacht

*) Walter Scott z. B.

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felde vor dem Ende des Treffens zurüđziehn, mit geſenktem Haupte, die Hand auf den Hals ſeines Pferdes geſtüßt. „ Unfehlbar“ , ſagt man , „,iſt er verwundet ! " Es war Hampden , Oliver's Vetter. Er ſtarb den 24. Juni ; das trauernde Volk nannte ihn den Vater

des Vaterlandes. Wer kann ſagen , welchen Einfluß 'er auf die Entwicklung der Revolution ausgeübt , wenn er gelebt hätte ? Cromwell gab in dieſem Kriege mehrere Beweiſe ſeines Muthes. Wir können unter andern folgenden Fall anführen , der ſich zu Horncaſtle am 11. October in einem Gefecht ereignete, das er dem Marquis von Newcaſtle lieferte. Cromwell griff muthig den Feind

an , nachdem die föniglichen Dragoner auf ihn und die Seinigen die erſte Salve gegeben , und auf halbe Piſtolenſchußweite wurde

er von einer zweiten begrüßt. Oliver's Pferd wurde getödtet , der Reiter fiel. Als er ſich erhob, wird er von neuem angegriffen und

von dem Edelmann , der ihn angriff, Sir Ingram Hopton , umge worfen. Er erhob ſich jedoch noch ein Mal , ergriff das ſchlechte Pferd eines gemeinen Soldaten und ſchwang ſich in den Sattel. 1

Die Feſtigkeit und das Feuer Cromwell's waren nicht unnüş.

Das königliche õeer wurde mit beträchtlichem Verluſt geſchlagen. Da Karl ſeiner Macht den Anſchein von Gefeßlichkeit geben

wollte, berief er die beiden Häuſer des Parlaments nach Orford, und am 22. Januar 1644 folgten 45 Lords und 118 Mitglieder der Gemeinden ſeinem Rufe. Aber das Parlament zu London zählte damals 22 Þairs und 224 Mitglieder des Unterhauſes, außer etwa hundert andern , welche im Staatsdienſte abweſend waren . Der König , der ſein Orforder Parlament in ſeinen Geſprächen mit den Hofleuten bald feig , bald aufrühreriſch nannte , vertagte es am 16. April.

Im Januar waren die Schotten bis an die Kniee im Schnee in England eingerückt. Sie kamen, um vereint mit den Truppen des Parlaments den Marquis von Newcaſtle in York zu belagern .

Der Prinz Robert eilte zu ſeinem Erſaß herbei, und am 2. Juli 1644 wurde die blutige Schlacht von Marſton - Moore geliefert.

Der Kampf war erbittert, aber am Ende blieb der Sieg dem Beere des Parlaments , Dank dem unbeſiegbaren Muthe ſeiner Soldaten,

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und beſonders der Reiter Cromwell's, welchen man auf dem Schlacht

felde den Beinamen Eiſenrippen gab. Mehr als hundert feind liche Fahnen blieben in ihren Händen . Man ſchlug vor, fie an das Parlament zu ſchicken ; aber die Sieger ſchnitten ſie in Stücke

und ſchmückten damit ihre Arme. Der König verlor den ganzen Norden , und die Königin rettete ſich nach Frankreich. „Wer ſeinen Plaß verläßt , verliert ihn !" hatte ihm kurz vorher der Kardinal Richelieu ſagen laſſen. Der folgende Brief berichtet uns eine der anziehendſten Epi ſoden jenes großen Sieges. Oliver Cromwell ſeinem geliebten Bruder , dem Obriſten Valentin Walton. Den 5. Juli 1644 .

Lieber Herr, es iſt unſere Pflicht, gemeinſchaftlich Gottes Barmherzigkeit zu ſchmecken und ihn mit einander für die Züchti gungen und Prüfungen zu loben , damit wir mit einander weinen fönnen .

England und die Kirche Gottes haben eine große Gnade durch dieſen wichtigen Sieg erfahren , den er uns verliehen und der nicht ſeines gleichen ſeit dem Beginn des Krieges gehabt hat. Dieſe Waffenthat trägt alle Zeiden eines Triumphes , den wir durch den

Segen des Herrn über die gottloſe Partei davon getragen . Wir haben den Feind nicht ein einziges Mal angegriffen , ohne ihn zu zerſprengen.

Der linke Flügel , den ich befehligte, und der aus .

unſrer eignen Reiterei beſtand , ausgenommen einige Schotten in unſerer Nachhut, hat die ganze Reiterei des Prinzen geſchlagen. Gott hat ſie fallen laſſen wie Stoppeln unter der Schneide unſrer Wir haben ihr Fußvolt mit unſrer Reiterei ange griffen , zerſprengt. Ich kann Euch jetzt nicht beſtimmte Einzelns Schwerdter. .

heiten mittheilen , aber ich glaube , daß der Prinz von 20,000 Mann nicht mehr als 4000 hat. Gebt Gott die Ehre , alle Ehre. Mein Herr , Gott hat Euren älteſten Sohn durch eine Kano nenkugel zu ſich genommen. Der Schuß zerſchmetterte ihm das Bein ; wir waren genöthigt es abzunehmen. Er ſtarb baran. Shr fennt meine eignen Prüfungen dieſer Art ; aber der Herr tröftet

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mich durch den ſüßen Gedanken, daß der Herr ihn *) in jene Selig keit verſeßt hat , die wir alle wünſchen und die das Ziel unſres Lebens iſt. Dort befindet ſich auch Euer treffliches Kind , bekleidet mit Ruhm ; weder Sünde nod Traurigkeit ſoll er mehr kennen

lernen. Er war ein von Anmuth und Tapferkeit ſtrahlender junger Mann.

Gott tröſte Eud über ihn.

Vor ſeinem Tode fühlte er

einen Frieden , den er nicht genug gegen Franck Ruſſel und gegen mich ſelbſt ausſprechen konnte. Die Freude übertrifft folcher maßen den Sdnie rz , ſagte er zu uns. Fürwahr , das war be: wundernswerth. Einige Zeit nacyber ſagte er uns , es drücke noch etwas ſeine Seele ; id; fragte ihn , was es ſei ? er antwortete mir :

daß Gott mir nicht geſtattet hat , längere Zeit noch der Verderber ſeiner Feinde zu ſein.

Als er fiel, wurde fein Pferd durdy die Kugel , welche ihn ſelbſt traf , getödtet , und drei andre zu gleicher Zeit. Er bat ſeine Um gebung , ſid) rechts und links zurückzuziehn , damit er den Feind **) fönne fliehen ſelyn.

Er war in dem Heere von Allen , die ihn

kannten , außerordentlich geliebt. Aber es gab nur wenige , die ihn kannten ; denn er war ein trefflidyer junger Mann , zubereitet für .

Gott.

Ihr habt Urſache , Gott zu preiſen.

Euer Sohn iſt ein

ruhmvoller Heiliger im Himmel; 3hr müßt Euch darüber außer ordentlich freuen. Mödyte dieſer Gedanke Eure Thränen trodnen. Das ſind nicht leere Tröſtungen , das iſt eine unbezweifelte , volle, 3hr vermögt alles durch die Straft Chriſti. Suchet bei ihm dieſe Kraft, und 3hr werdet leicht dieſe Prüfung

wirkliche Wahrheit.

ertragen . Möchte der große Segen , der ſo eben der Kirche Gottes zu Theil geworden, Eud, Eure eignen Bekümmerniſſe vergeſſen laſſen. Möchte der Herr Eure Stärke ſein , das iſt das Gebet Eures ge treuen und ergebenen Bruders ***) Oliver Cromwell. 11"

So tröſtet Cromwell einen Vater in dem Augenblicke, wo der Pulverdampf noch das Schlachtfeld bedeckt. Er vergißt da den *) Sein eigner , kurz zuvor geſtorbener Sohn Oliver. **) The rogues , die Schurken.

***) Ellis, Lettres originales (première série), III, 299. – Lettres et Discours de Cromwell , vol. I , p. 207.

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General , um die Pflichten chriſtlicher Liebe zu erfüllen.

Cromwell

bleibt überall derſelbe , mag man ihn in ſeinem Zimmer oder im Parlament, im Schooße ſeiner Familie oder mitten unter Todten und Sterbenden finden . Wo auch ſein Herz ſchlagen mag , es

ſchlägt als ein chriſtliches Herz. Man findet allerdings in dieſem Briefe die Rauheit des Soldaten , aber auch das Mitleid eines

Kindes Gottes . Dieſe zwei Elemente fehlen niemals bei Cromwell. 1

Cromwell an jene Stelle ſein wie die den Schulen

trug die Frömmigkeit nicht zur Schau . Er gedachte der Schrift : Wenn du beteſt, ſollſt du nicht Heuchler , die da gerne ſtehen und beten in und an den Eden auf den Gaſſen , auf daß .

fie von den Leuten geſehen werden . Wenn du aber beteſt , fo gehe in dein Kämmerlein und ſchleu ß die Thür zu und bete zu deinem Vater , der in das Verbor

gene ſieht. Oliver gehorchte dieſem Gebote des Herrn. Sir John Goodride erzählte oft eine merkwürdige Anecdote , die ſich wahr ſcheinlich auf die Zeit der Belagerung des Schloſſes Knaresborough im Jahre 1644 bezieht. Dieſer Zug war dem Sir John , als er noch ein kleiner Knabe war , von einer ſehr betagten Perſon erzählt worden , die vormals als Hebamme ſeine Mutter gepflegt hatte. ,,AsCromwell in unſerm Hauſe zu Knaresborough wohnte, erzählte fie, war ich ein junges Mädchen, und da ich viel über dieſen Mann

hatte ſprechen hören , betrachtete ich ihn neugierig. Als mir befoh len war ſein Bett zu wärmen , konnte ich mich nicht enthalten, während dieſes Geſchäftes zu verſchiedenen Malen verſtohlen hinter mich zu blicken , um dieſe außerordentliche Perſönlichkeit zu beob achten . Er ſaß damals auf der andern Seite des Zimmers und war beſchäftigt ſeine Kniebänder loszubinden . Nach Beendigung meiner Arbeit ging ich hinaus , ſchloß die Thüre , blieb aber ſtehn und ſah durch das Schlüſſelloch. Ich ſah ihn von ſeinem Plaße fich erheben , gegen das Bett vorſchreiten und auf die Kniee fallen . In dieſer Stellung verließ ich ihn ; als ich aber einige Zeit ſpäter

wieder zurückkam , fand ich ihn noch im Gebet. Das war ſeine Gewohnheit jeden Abend , ſo lange er in unſerm Hauſe blieb ; was

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mich auf den Gedanken brachte, er müſſe ein guter Menſch ſein ; und ich habe immer dieſe Meinung feſtgehalten , obgleich ich viel Schlechtes über ihn habe ſagen hören *).“ Dieſer Zug erinnert an jenen Diedrich , der an der Thür von Luthers Zimmer auf dem Schloſſe zu Coburg die inbrünſtigen Gebete des Reformators hörte **).

Während Cromwell die Schlacht von Marſton -Moor durch ſeine kräftigen Angriffe entſchied , erhielt der Graf von Eſſer einen bedeutenden Schlag in Cornouailles , und ſein Heer mußte fich ergeben. Eſſer fiel, und Cromwell erhob ſich. Seit dem Beginn des Krieges hatten aufgeklärte Männer vorausſehen können , daß Cromwell zum wahren General beſtimmt war. Rein Offizier in dem Heere troßte der Gefahr mit mehr Unerſchrockenheit. Er be wahrte mitten in der Hiße des Rampfes eine bewundernswürdige

Gegenwart des Geiſtes. Er führte ſeine Soldaten bis auf einige Schritte vom Feind , und erlaubte ihnen nicht eher zu ſchießen , als

bis die Schüſſe ihr Ziel nicht verfehlen konnten . „ Seine Gefechte hatten die Schnelligkeit und Wirkung des Blißes." Zu gleicher Zeit hielt er die ſtrengſte Disciplin in dem Heere aufrecht. Die

Truppen unter ſeinem Befehl glaubten ſich des Sieges ſicher, und in der That hat er niemals eine Schlacht verloren. „Es lag etwas Unbeſiegbares in ſeinem Genie, wie in den neuen Ideen, deren Verfechter er war." ***)

Milton giebt uns den Schlüſſel von Cromwell's Überlegenheit. „Als erfahrner Chriſt hatte er vor allem ſich ſelbſt kennen und die Feinde in ſeinem Innern unterjochen und vernichten gelernt: die

eitlen Hoffnungen , die Befürchtungen , die Begierden. Als er zu vörderſt þerr in ſeinem Innern und Sieger über ſich ſelbſt war,

*) Mémoires d'Oliver Cromwell , II, p. 504. **) Histoire de la Réformation , vol. IV, livre XV, chap. 6. (Merle

d'Aubigné.) In der deutſchen Ueberſebung von Dr. Martin Runkel , Stuttg. 1850. BD, IV S. 152.

***) Chateaubriand.

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trat er gegen den Feind nach außen als ein in den Kriegsübungen vollendeter Veteran auf“ *).

Im Jahre 1645 beſtimmte eine berühmt gewordene Verfü gung , kein Mitglied des Parlaments dürfe mehr ein Commando beim Heere bekleiden. Cromwell wollte bei ſeinem General Fairfax ſich verabſchieden ; aber Ereigniſſe, die als eine Hand von Oben erſchienen , hielten ihn zurück: die Feindſeligkeiten begannen von Neuem. Cromwell glaubte nicht in dieſem Augenblicke ſein Schwerdt in die Scheide ſtecken zu dürfen. Er warf ſich an der Spiße ſeiner Puritaner auf den Feind , und die Cavaliere floben überall vor ihm . Fairfar erklärte ihn nicht entbehren zu können . Am 14. Juni fand die Schlacht bei Naſeby Statt; ſie war

Karl's legte. Der König kämpfte tapfer , verlor aber ſeine Brief: taiche, die man nach London ſchickte.

Das Parlament unterſuchte

fie ſorgfältig und fand darin Belege , daß Karl I. , wie oft er es

auch geleugnet, nicht aufgehört hatte , die Waffen ausländiſcher Fürſten anzurufen , und daß er gegen den Namen Parlament , welchen er ſelbſt beiden Häuſern gegeben , proteſtirt hatte. Dieſe unter dem Titel: ,,Geöffnete Brieftaſche des Königs " be kannt gemachten Aktenſtücke ſtürzten ihn entſchieden in den Herzen feiner Unterthanen. Es giebt eine Gerechtigkeit im Himmel, die weder den Königen, noch den Niedrigſten im Volke erlaubt, von der Lüge zu leben und über den Eid zu lachen. Karl ſelbſt hatte ſeinen Sturz durch ſeine Täuſchungen und Meineide in das ewige Buch unausbleiblicher Vergeltung eingeſchrieben. Keine menſchliche Macht konnte ihn mehr retten ,

Der Prinz Robert, Neffe des Königs , widerſtand noch. Er hatte ſich in Briſtol eingeſchloſſen. Die Stadt wurde erſtürmt. dieſer Sieg war von großer Wichtigkeit. Am 14. September 1645 berichtete Cromwell darüber an das Parlament. Wir übergehen die Erzählung dieſer Waffenthat und geben nur das Ende des

*) In se prius imperator , sui victor , de se potissimum triumphare di

dicerat. ( Milton , Defensio secunda) 106. 107 .

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Berichts. Man wird darin den Geiſt eines fiegreichen Generals mit dem eines demüthigen Chriſten vereinigt finden . Oliver Cromwell an den ehrenwerthen William Lenthall , Sprecher in dem Hauſe der Gemeinen * ).

„ Id habe Euch einen treuen aber keinen vollſtändigen Bericht über dieſe Angelegenheit erſtattet. Wer ihn lieſt, wird begreifen müſſen , daß Ales das Gottes Werk iſt.

Man muß ein echter

Gottesleugner ſein , um das nicht zu erkennen. Man darf wohl glauben , daß einiges Lob den braven Männern gebühre , deren Heldenthaten ich erzählt habe ; aber die demüthige Bitte , welche ſie an Euch und alle die richten , welche einigen Antheil an dieſem Se gen nehmen , iſt die, daß Ihr eingedenk ſeid , Gott zu preiſen , und

ſie ſelbſt zu vergeſſen. Ihre ganze Freude iſt, Werkzeuge des gött lichen Ruhmes und Beförderer vom Wohle des Vaterlandes geweſen

zu ſein.

Ihre Ehre iſt, daß Gott ſie gewürdigt, ſich ihrer zu

bedienen. Alle , die bei dieſem Kampfe verwendet wurden , wiſſen, daß der Glaube und das Gebet audy dieſe Stadt erobert haben. Ich ſage nicht blos unſer Gebet , unſer Glaube , ſondern das des

Volkes Gottes , welches mit Euch und in ganz England iſt. Unſer Wunſch iſt, daß er durch denſelben Geiſt der Glaubens geprieſen werde, wit welchem wir ihn um die Kraft zu fiegen gebeten haben . Es iſt ſchidlich, daß alles Lob ihm gehöre. Die Presbyterianer , die Independenten , Alle ſind hier von

demſelben Geiſte des Glaubens und des Gebetes beſeelt; Ade ſuchen dieſelbe Gegenwart des Herrn und erhalten diefelbe Antwort.

Alle

find einig , ſie führen keinen unterſcheidenden Namen ; und es wäre fehr zu bedauern , wenn es bei Euch ander8 wäre ! Ate Gläubige beſigen die wahre und wirkliche Einheit. Das iſt die ruhmvouſte,

weil ſie eine innre und geiſtige iſt; weil ſie einigt mit dem Leibe, welcher die wahrhaftige Kirche, und mit dem Haupte , welches Ie

ſus Chriſtus iſt.

Bezüglich dieſer Einheit der Form , gemeiniglich

*) Lettres et Discours , vol. I , p. 248. 2 edit. IV , 85.

Rushworth ,

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Einförmigkeit (uniformité) genannt , wird jeder Chriſt aus Liebe zum Frieden ſich ohne Zweifel mit Fleiß um ſie bewerben , aber

nur ſoweit, ſein Gewiſſen es ihm erlauben wird. In geiſtigen Dingen wollen wir keinen Zwang in Betreff unſrer Brüder , außer den Zwang des Lidytes und der Vernunft. Aber was irdiſche und bürgerlidie Dinge anbetrifft, ſo hat Gott das Sdwerdt in die Hand des Parlaments gelegt , zum Schrecken der Böſen und zum Pobe der Gerechten. Maßt ſid Jemand an , ſid, dem zu entzieln, ſo fennt er das Evangelium nicht. Wollte Jemand dieſes Schwerdt

aus Euern Händen reißen , unter weldiem Vorwande es auch ſein mödyte, ſo hoffe id), er werde nicht dazu gelangen. 1

Gott alſo

erhalte es Eudy, und regiere Eudy in tem Gebraudie , den man daron machen ſoll .

Das iſt das Gebet

Eures unterthänigen Dieners Oliver Cromwell."

Dieſe Worte find merkwürdig. Ruhm für Gott im Himmel ; das ſind die zwei großen Einbeit der Kinder Gottes auf Erden ; Gedanken des Generals. Er zeigt ſich ganz erhaben über die klei

nen Streitigkeiten , welche damals die Presbyterianer und Inde pendenten trennten. Zugleich ſcheidet er mit Beſtimmtheit die gei ſtigen und die zeitlichen Dinge ; in jenen ſoll nach ihm die Liebe, in dieſem das Schwerdt herrſchen. Erfüllt von chriſtlicher Liebe für ſeine Brüder verwirft er jeden religiöſen Zwang , und während er

die erhabenen Grundfäße der Gewiſſensfreiheit öffentlich ausſpricht, iſt er furchtbar mit dem Schwerdt in der Hand.

Nicht allein ſeinen Feinden ließ Oliver ſeine Strenge fühlen. Seine Gerechtigkeit war unerbittlich, ſelbſt wenn es ſich um Beſtra fung der Seinigen handelte. Als er Vriſtol verließ , erſtürmte er mehrere andere Städte und wurde durch ſeine Belagerungen berühmt.

Zu Wincheſter hatten ſich einige der gefangenen Feinde beklagt, der Capitulation zuwider , beraubt worden zu ſein. Cromwell ließ über die wegen dieſer Plünderung angeklagten Soldaten Gericht halten ; ſechs wurden ſchuldig befunden ; den einen ließ er hängen, die fünf andern ſchickte er an den königlichen Befehlshaber von Orford , der

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ſie zurückſendete, „ in Anerkennung, ſchrieb er , der edlen Geſinnung des General- Lieutenants .I"

Ale die ihn umgaben , bezeugen ſeine Frömmigkeit. „ Der Generallieutenant Cromwell, ſchrieb einer von ihnen ( Herr Peter,)

hat lange Zeit mit Gott im Gebet zugebracht, in der Nacht vor dem Sturme (bei der Belagerung von Baſing). Er kämpft nicht leicht, ohne einen Schrifttert zu haben , um ſich zu ſtärken , und dieſes Mal verließ er ſich auf jenes ſehr glüdliche Wort des Herrn in dem Pſalm CXV Vers 1-3. Ewiger, deinem Namen gieb Ebre ! Unſer Gott iſt im Himmel , er kann ſchaffen , was er will. Dieſe Worte gingen damals in Erfüllung.“ An jedem Tage , während ſeines ganzen Lebens , befleißigte er ſich die Schrift zu leſen und zu beten. Einige Perſonen, die ihn in der Näbe beobachteten , erzählen (wie das junge Mädchen von Anares

borough) , daß er, nach Leſung eines Kapitels in der Bibel, ſich mit dem Geſicht auf die Erde niederwarf und unter Thränen vor Gott ſein Herz ausſchüttete. Wer dürfte der Heuchelei dieſe innern Bewegungen einer Seele anklagen , die fich aller Kenntnißnahme entziehn ? Denn welcher Menſch weiß , was in ihm iſt, ohne den Geiſt des Menſchen , der in ihm iſt ? (1. Ko rinther II, 11.) Der König , der fich nach Oxford zurückgezogen , verließ es verkleidet am 27. April 1646. Er irrte lange Zeit von Schloß zu Schloß , von Landgut zu Landgut. Endlich , da er nicht wußte, was werden ſollte, begab er ſich zum ſchottiſchen Heere nahe bei Neipark.

Unter den bedeutendſten Offizieren der Parlamentsarmee befand

fich der Obriſt Freton. Er hatte zu Dyford im Trinitätscollegium ſtudirt, ſich in dem Heere durch ſeine Tapferkeit ausgezeichnet und war raſch geſtiegen. Seit langer Zeit mit dem General Cromwell

verbunden, hatte er die Bekanntſchaft ſeiner Tochter Brigitte ge macht, die durch die Entſchiedenheit ihres Charakters ihrem Vater mehr glich als Eliſabeth ( Frau Claypole ).. Folgenden Brief ſchrieb der Generallieutenant am 25. October an dieſe junge Frau von 22 Jahren . Er iſt kurz und einfach; aber vielleicht hat niemals 6

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ein Vater an der Spiße eines gewaltigen Heeres einen chriſtlichern und rührendern Brief geſchrieben.

Oliver Cromwell an ſeine viel geliebte Tochter Brigitte freton zu Cornbury *). Aus dem Hauptquartier , London , d. 25. Oct. 1646. ,,Meine theure Tochter, I

Ich ſdyreibe nicht an Deinen Mann , theils um ihm Mühe zu erſparen , denn eine Zeile von mir veranlaßt mehrere von ihm , und veranlaßt ihn zu ſpät aufbleiben , theils weil ich nicht dazu einge richtet bin , da idy noch andere Pflichten habe. Eure Freunde in Ely befinden ſich wohl. Eure Schweſter Clay pole (ich verlaſſe mid rückſichtlich ihrer auf die göttliche Barmher

zigkeit) wird in ihrem Herzen durd, einige peinvolle Gedanken heim geſudyt. Sie fühlt ihre eigne Eitelkeit , ihre fleiſchliche Geſinnung, und weint daruber.

Sie ſucht, wie ich hoffe, was ſie zufrieden

Suchen iſt das beſte Mittel zu finden. Wer treu ſudyt, wird demüthig finden . Der ſtandhafte Sucher iſt glüdlicher

ſtellen kann. Finder !

Wer hat jemals empfunden , daß der Herr gnädig iſt, ohne daß

ſich etwas Eigenliebe beimiſchte , etwas Eitelkeit und etwas Bos heit ? Wer hat jemals die Wunder ſeiner Gnade geſchmeckt ohne

den heißen Wunſdy ſie vollſtändig zu genießen ? Liebes Herz , vor wärts ! laß weder durch Deinen Mann noch durch irgend Etwas Deine Liebe zu Chriſtus erkälten. Ich hoffe im Gegentheil , daß Dein Mann ein Mittel ſein wird ſie zu mehren. Was an Deinem Manne Deiner Liebe am würdigſten iſt, das iſt Chriſti Bild, welches er in ſich trägt ; liebe dieſes Bild mehr als Alles , und liebe alles Uebrige um ſeinetwillen. Ich bete für Didy und für ihn. Thue dasſelbe

für mich. Meine Achtung und meine Gewogenheit dem General und der Generalin ; ich habe vernommen , daß ſie ſehr gütig gegen Dich war , was zu allen meinen andern Verpflichtungen hinzu kommt. Ich bin Dein lieber Vater, Dliver Cromwell." *) Harleian Mss . no . 6988 fol. 224 p. 277. deux, edit.

ettres et Discours , vol. I,

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Die Zartheit des Gefühls, die häuslichen Tugenden , die vä terliche Liebe gehören unter die Zahl der Züge , welche Cromwell am beſten kennzeichnen. Gegen das Ende des Jahres 1646 bot das Parlament dem ſchottiſchen Heere 400,000 Pfund , unter der Bedingung , daß es

nach Schottland zurückkehre. Das Heer nahm es an, und der Kö nig fiel ſo in die Hände des engliſchen Parlaments.

Um dieſe Zeit wurde das Directorium ( the Directory ) die feſtſtehende Form des öffentlichen Kultus, und erſegte das Ge betbuch , deſſen Gebrauch bei harten Strafen verboten war. Nach Abſchaffung der biſchöflichen Hierarchie wurde die presbyterianiſche Kirchenform , mit den klaſſicalen , provincialen und nationalen Ver ſammlungen , mit den nach gewiſſen Regeln erwählten Aelteſten die feſtſtehende Kirchenform , mit Ausſchluß jedes andern religiöſen

Unterſchiedes. So erneuerte die presbyterianiſche Partei des Un terhauſes im Grunde die Gleichförmigkeitsacte, aber zu ihrem eig nen Vortheil. Man mußte damals ein Presbyterianer ſein , wie man zuvor ein Episcopale batte ſein müſſen. An die Stelle einer Tyrannei war eine andere getreten , und ſie mußte um fo befrem dender erſcheinen , als ſie von denen ausging , die ſo ſehr die Frei heit zurückgefordert hatten. Sobald die Chriſten vergeſſen , daß das Weſentliche die geiſtige Kirche iſt, der myſtiſche Leib Chriſti, und ſich abergläubiſch äußern Formen anſchließen , verfallen ſie in Secten

und Fanatismus. Wir werden ſpäter fehn , daß im 17. Jahrhuns dert wenigſtens ein Mann lebte , der die chriſtlichen und echtkatho

liſchen , damals ſo allgemein verkannten Grundſäße zu faſſen und laut zu bekennen wußte.

Im Anfange des Jahres 1648 war Cromwell gefährlich Folgendes ſchrieb er nach ſeiner Geneſung an den Ober

frank.

general.

6 *

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Oliver Cromwell an ſeine Ercellenz Herrn Thomas Fairfax , General der Parlaments armee zu Windſor . London den 7. März 1648.

„ Mein Herr, Es hat Gott gefallen mich von einer gefährlichen Krankheit wie

der aufzurichten , und ich ſoll mit Dantjagung erkennen , daß der Herr in dieſer Heimſuchung für mich das Herz eines Vaters gezeigt hat. – 3d habe in mir ſelbſt das Todesurtel empfangen , damit idy lernte mich auf den zu verlaſſen , der die Todten auferwecft, und feine Zuverſidyt hätte auf mein Fleiſd ).

Es iſt etwas Röſtlides

täglich zu ſterben. Denn was hat in dieſer Welt einen Werth ? Die beſten Menſchen nach dem Fleiſch ſind leichtſinniger als die

Eitelkeit ſelbſt. Es giebt nur eine einzige Sache, die ich gut finde: nämlich den Herrn zu lieben und ſeine armen verachteten Kinder, für ſie zu handeln , und bereit zu ſein mit ihnen zu leiden. ( Handeln und Leiden iſt, wie wir geſehen haben , Cromwell's Denkſpruch.) Wer beſſen würdig gefunden worden iſt, hat eine große Gnade vom Herrn erlangt , und gekräftigt als Chriſt wird er an dem Ruhne einer Auferſtehung Theil haben , die ihm Ades geben wird.

Ich muß , mein Herr , mit Dank die Gunſt erkennen , die Ihr mir in Eurem legten Briefe bezeigt. Ich ſehe , daß Ihr mich nicht

vergeſſen habt, und in Wahrheit einen Platz in Eurer Erinnerung zu beſigen , iſt für mich eine große Genugthuung. Denn ich kann aufrichtig verſichern , daß ich einen großen Werth auf Euer Wohls wollen lege.. Wenn id; es vergäße, ſo würde ich aufhören ein ehr licher und erkenntlicher Mann zu ſein. Ich bitte Eudy unterthänig, meine Achtung Eurer Frau Gemahlin zu verſichern , der ich alles Glüd und Feſtwerden in der Wahrheit wünſdhe. Mein Herr, mein Gott iſt mit Eudy. Em. Excellenz unterthänigſter Diener, Oliver Cromwell *)."

*)

Sloane Mss. 1519, fol. 79. Lettres. et Discours I, 324.

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Dieſer von einem General an einen andern General geſchrie

bene Brief kennzeichnet die Männer und ihr Fahrhundert. So war Cromwell mitten im Kriege und in den Schlachten. Seine Soldaten und ihr General ſind der Gegenſtand der heftigſten

Angriffe von Seiten der Schriftſteller der Welt geweſen. Wir kön nen das leicht begreifen ; es fehlt uns nicht an Thatſachen , welche die Schmähungen erklären, mit welchen man ſie verfolgt hat. Man weiß , wie man in gewiſſen Ländern des Feſtlandes über Männer ſpricht, die mit einem aufrichtigen Glauben ein chriſtliches Leben

verbinden , und gerade die , welche von dem , was in England vor geht, unterrichtet ſind, kennen die Art und Weiſe, mit welcher die chriſt lichen Sprecher von Ereter- Hall in dem Parlament behandelt werden ,

obgleich , ſelbſt nach der Anſicht ihrer Gegner, dieſe Chriſten unter die Zahl der achtungswürdigſten Männer Englands. gehören *). Wenn Soldaten ein unordentliches und irreligiöſes Leben führen , thut nichts , wenn ſie nur tapfer ſind; es wird Schriftſteller geben , die ſie nicht genug loben können ; aber Soldaten , die Chriſtum be kennen , verdienen , nach der Anſicht Mehrerer , nur, daß man ſie tadle und lächerlich mache.

Das Regiment Cromwell's gab nach der Schlacht bei Ebgebill einen ſchlagenden Beweis von dem Geiſte, der es beſeelte. Da es

eine Kirche zu bilden wünſchte, ſuchten die Offiziere einen paſſenden Geiſtlichen , und wählten , was ihr Chriſtenthum ehrt, Richard Barter , den ausgezeichnetſten Geiſtlichen des 17. Jahrhunderts. Der Verfaſſer von Repos des Saints war ebenſo ausgezeichnet durch die Reinheit ſeines Lebenswandels , wie durch ſeine Fröms 1

migkeit und ſeine Talente. Wo fände man jeßt ein Regiment, das einen ſolchen Mann einlüde die Seelſorge bei ihm zu übernehmen ? Dbgleich Baxter hinſichtlich der Politik eher Royaliſt, Episkopale *) Das jetzige Parlament ſcheint mehr Achtung für die Religion und für religiöſe Ehre zu zeigen 1, als die vorhergehenden. Man weiß , daß der ausgezeich , .

netfte Særiffteller Englands , der Abgeordnete von Edinburg, damals Mitglied des Miniſteriums, Herr Macaulay, ſeine Stelle im Parlamente und dadurch ſogar in der Regierung wegen des Leichtſinns verloren hat , mit der er ſich über Religion I

I

und religiöſe Männer ausſprach.

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hinſichtlich der Kirche war , nahmen Cromwell und ſeine Partei .

allein auf ſeinen Glauben und auf die Heiligkeit ſeines Lebens Rückſicht. Er wurde nach Cambridge zu kommen eingeladen , wo Oliver gerade in Garniſon ſtand , und es wurde ihm eine von allen

Offizieren unterſchriebene Berufung überreicht. Barter lehnte ab. Er ſprach ſpäter ein tiefes Bedauern darüber aus. ,, Dieſelben Män ner , ſagte er , die mich damals einluden ihr Paftor zu werden, ſtanden ſpäter an der Spiße des veeres , und einige unter ihnen übten den größten Einfluß auf unſre ganze Revolution. Eben ſo bedauerte ich , mich nicht in ihre Mitte begeben zu haben , ohne mich

um die Auslegungen zu bekümmern, die man über mein Benehmen hätte machen können , denn damals enthielt ein Funke das ganze Feuer * ). “ Oliver begnügte ſich nicht, für ſeine Soldaten einen gläubi gen Prediger zu ſuchen ; er verlangte auch von ihnen ein chriſtliches Betragen und eine ſtrenge Zucht. Er erreichte ſeine Abſicht vor: trefflich. Man wird ihn einer übertriebenen Strenge beſchuldigen ,

aber man muß die Früchte betrachten , welche dieſe Zucht trug, und ſich erinnern , in welcher Zeit ſie befolgt wurde.

Eine dama

lige Zeitſchrift, die von dem Royaliſten Southey in ſeiner geſchmack vollen Lebensbeſchreibung Cromwell's angeführt wird , erzählt von

den Truppen des Generals : Rein Soldat kann ſchwören , ohne eine Buße von zwölf Sous zu bezahlen ; wenn er ſich betrinkt, wird er eingeſteckt oder noch ſchwerer beſtraft; wenn einer einen Andern :

Rundkopf nennt, wird er fortgejagt, ſo daß die Einwohner der Gegenden , wohin ſie marſchiren , bei ihrer Ankunft vor Freuden in die Höhe ſpringen **). Wie wünſchenswerth wäre es , wenn alle Truppen ſo disciplinirt wären !"

Die Frömmigkeit, welche im Allgemeinen unter Cromwell's Soldaten herrſchte, iſt zwei Jahrhunderte hindurch ſo ſehr Gegen

ſtand der Lächerlichkeit geweſen , die öffentliche Meinung iſt über ſie ſolchermaßen verdreht worden , daß lange Zeit noch hingeben wird, *) All the fire was in one spark.

**) Leap for joy of them.

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bevor man dahin kommt, ſie gerecht zu würdigen. Jedoch wir wer den nicht beiſtimmen , das Gute ſchlecht zu nennen , zu ſagen , daß man Trauben von den Dornen , Feigen von den Diſteln leſen könne. Nach unſrer Anſicht beſteht zwiſchen Herz und Le ben eine große und tiefe Harmonie. Die Handlung kann nicht gut ſein , wenn das Gefühl es nicht auch iſt; die Worte können

nicht wahr ſein , wenn der Gedanke es nicht ebenfalls iſt. Wenn ich auf einen reinen Bach ſtoße, lo ſchließe ich auch auf die Rein Der Menſch in ſeinem Denken , Reden , Handeln bildet eine untheilbare Einheit. Ein ſchlechter

heit ſeiner Quelle.

Baum kann nicht gute Früchte bringen. Dieſer eben ſo philoſophiſche wie chriſtliche Grundſaß iſt gewöhnlich in Betreff Cromwell's vergeſſen worden.

vier tes & a p it e l. Spaltung zwiſchen dem Parlament und dem Heere. Die zwei Barteien.

Bresbyterianer und 3 ndependenten.

Foyce. Hinneigung des Königs zu Religiöſe den Independenten. Erklärung des Heeres . Freiheit. - Elf Mitglieder angeflagt. - Mißverſtändnisſe und Einſpruch des Heeres .

Uebertreibungen. – Ungeetliche Einmidung der Presbyterianer. Das Heer widerſeßt ſich. Einfluß der Judependenten. Cromwell für den König günſtig geſtimmt. Karl's Verblens Das ſeidene Knieband und Der Brief in dem Sattel. 8 đ 1 g. Cromwell verzweifelt an Karln. - Flucht der hanfene Strid. Cromwell Seine Ankunft auf der Inſel Wight. des Königs . Vertrag mit den Schotten. unterdrüđt die Gleichmach er. Wer eine Grube gräbt , Karl's Antwort an das Parlament.

wird hineinfallen.

Zwei Parteien treten immer mehr in ganz England hervor, oder das Parlament die Presbyterianer und Independenten , und das Heer. „Wer ſich an die franzöſiſche Revolution erinnert, ſagt Herr Carlyle, wird dieſe zwei Parteien mit den Girondiſten

und dem Berge vergleichen . Gleichwohl beſteht zwiſchen ihnen ein großer Unterſchied ; . erſtens der Unterſchied, der ſich zwiſchen Fran zoſen und Engländern findet , und der iſt immer beträchtlich ; dann

der Unterſchied , welcher zwiſchen denen Statt findet, die an Chri ſtum , und denen , die an Jean - Jacques *) glauben , der noch be trächtlicher iſt ** ).

Einige von den bedeutendſten Männern der presbyterianiſchen

Partei im Parlament, Holles , Stapleton , Harley , Sir W. Waller *) Jean - Jacques Rousseau. ** ) Vol. I, deux. edit. p. 289.

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waren alte , unter Lord Eſſer geſchlagene Offiziere, die weder Crom well's fiegreiches Þeer , noch deſſen tapfern General liebten. Sie wollten es entlaſſen ; aber dieſes Heer , welches ſein Blut für die

geſekmäßige Vertheidigung des Vaterlandes vergoſſen , verlangte vor der Entlaſſung, nicht Belohnungen , ſondern einfach das , was man ihm ſchuldig war , den rückſtändigen Sold von 43 Wochen. Dliver , der damals im Parlamente ſich befand , wurde abgeſchickt, um es zufrieden zu ſtellen , und empfing bei ſeiner Rückkehr den Dank des Hauſes . Am 2. Juni 1647 ſollte ein unerwartetes Ereigniß den Gang

der Dinge beſchleunigen . Eine Schaar von 500 Männern begab ſich unter Anführung einer Offiziers , Namens Joyce , nach Holmby Houſe , wo der König war , und entführte ihn. Karl folgte frei willig dieſen Soldaten. Er ſchmeichelte ſich immer , der Kampf zwiſchen den Independenten und Presbyterianern werde mit der Vernichtung der Einen und der Andern endigen , und er war er freut über Alles, was den Steit erbitterter machen konnte. Ein andrer Beweggrund ließ ihn auf die Seite der Indepen denten und des Heeres ſich hinneigen. Eine Verſtändigung mit den Presbyterianern war für Karl unmöglich , denn der König betrach tete das biſchöfliche Regiment als weſentlich für das Chriſtenthum , .

und die Presbyterianer waren durch ihren Bund ( covenant) zur Abſchaffung des Episcopats verpflichtet. Dagegen gab es für den König einen Weg , ſich mit den Independenten zu verſtändigen , die zur Duldung der Biſchöflichen eben ſo wohl wie der andern chriſt

lichen Secten geneigt waren. Die Independenten waren überzeugt, daß , wenn die Presbyterianer nur einmal die Oberhand gewönnen, ſie die Gewiſſen eben ſo knechten würden, als die Biſchöfe ſelbſt in den erſten Jahren von Karls Regierung es hatten thun können. In der That, wenn die Presbyterianer ſich erboten mit dem Kö nige zu unterhandeln , ſchlugen ſie immer vor , ihm zu rathen , die Meinungen der Independenten und andrer Sectirer zu unter: brücken * ). *) Neal , Hist. of the Puritans , II , 440.

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Am 10. Juni ſchrieben die Hauptführer des Heeres , Fairfar,

Cromwell, Hammond, freton , Lambert und Andere dem Bürger meiſter und Stadtrathe von London , und verlangten , daß man ihre gerechten Anſprüche als Soldaten befriedige *). Sie wider: ſprachen den falſchen Anklagen , mit welchen man ſie verfolge ; ſie

erklärten , ihre Sache könne nicht von der des Parlaments und des Volkes getrennt werden ; ſie verlangten , daß der Friede des Reiches und die Freiheit der Unterthanen gemäß den vor dem Kriege ge gebenen Verſprechungen geſichert werde ,

Verſprechungen , für

die mehrere ihrer theuern Waffengefährten das Leben verloren hätten.

Aber der Hauptpunkt in der Erklärung des Heeres war die religiöſe Freiheit. Die Independenten gaben zu , die presbyteria niſche Religion wäre die der Nation ; ſie räumten alſo dem Pres:

byterianismus ein Uebergewicht über ihren eignen Glauben ein ; aber ſie beanſpruchten für alle Chriſten den vollen Genuß bürger

licher und religiöſer Rechte. Das war , ſagt Lord Clarendon , ihr großer Freibrief, und ſie waren entſchloſſen , die Waffen nicht nies

derzulegen , ohne ihn erlangt zu haber . Die Independenten hat ten ' ihr Blut für das Parlament vergoſſen zur Aufrechthaltung für

Englands Freiheit ; ſie fanden es alſo ſonderbar , nachher keine andere Freiheit als die der Verbannung zu haben. Die Presbyte rianer in der Revolution Englands vertreten im Allgemeinen die Ordnung , Mäßigung ; die Achtung vor der Verfaſſung ; aber die Independenten , daß muß man eingeſtehn , kennen beſſer als ſie die großen Grundſäße der religiöſen Freiheit.

Wenn man ſich erinnert,

wie ſpäter der Presbyterianismus aus England verſchwand , wo er

nur eine kleine Zahl unitariſcher Vereine zurückließ , ſo kann man ſich des Gedankens nicht erwehren , daß irgend ein böſes Element

in dieſe Partei ſich eingeſchlichen hatte. Schottland iſt das wahre Vaterland dieſer Kirchenverfaſſung; ſie hat ſich ſüdlich vom Twend

*) Lettres et Discours , I , p. 296 — 300, deux edit.

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nicht halten können , aber im Norden die ſchönſten Früchte getragen, und trägt jeßt ſchönere als jemals * ).

Die Führer des Heeres fügten in ihrer Vittſchrift an den Bürgermeiſter und die Stadt London hinzu : Wir haben bereits geſagt und erklären es noch einmal: wir wünſchen keine Aenderung in dem bürgerlichen Regiment, ebenſo wenig wünſchen wir die

Einführung einer presbyterianiſchen Verfaſſung zu hindern, worein wir uns durchaus nicht miſchen . Unter dem Vorwande Gewiſſens

freiheit zu erlangen , beabſichtigen wir nicht Zügelloſigkeit einzufüh ren . Wir erklären , wie wir immer gethan , daß , wenn der Staat

entſchieden , uns nichts übrig bleibt, als uns zu unterwerfen oder zu leiden. Wir wünſchen allein , daß jeder gute Bürger, jeder Menſch , der ſtill und untadelhaft lebt, der ſeinem Lande nüßlich iſt, Freiheit und Aufmunterung finde Und wir glauben , daß das mit der wahren Politik aller Staaten und mit der Gerechtigkeit ſelbſt im Einklang ſteht ." Dieſe Worte ſind ohne Zweifel von Cromwell. Es iſt unmög lich eine gerechtere und gemäßigtere Sprache zu finden . Vielleicht

hat keine ſiegende Partei jemals eine gleiche geführt. Die Staats männer unſrer Tage ſollten dergleichen Beiſpiele zu ſchäßen wiſſen. Dieſe Mäßigung war unnüş. Nichts ging vorwärts. Man mußte aus einer Lage heraustreten , die ſich nicht verlängern konnte, ohne daß die ganze Nation darunter litt. Am 16. Funi klagte das Heer , damals in Saint- Albans, elf Mitglieder des Unterhauſes des Verraths an , Holler, Waller, Stapleton und acht Andere. Sie verlangten ſich für ſechs Monate zurückzuziehn.

Hier iſt eine von den Epochen ſeines Lebens , wo Cromwell von engliſchen , franzöſiſchen und deutſchen Geſchichtſchreibern am

meiſten gemißhandelt worden iſt.

„Die alten Erzählungen , ſagt

*) Eine junge presbyterianiſche Kirche, die ſich zu den Grundfäßen der freien ſchottiſchen Kirche bekennt, bildet ſich jeßt in England. Sie zählt gegen achtzig Ge meinden , und der gute Geiſt, der fte Beſeeſt, ſcheint eine Gewährſchaft für ihr Fort 1

chreiten und ihre Dauer zu ſein .

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Herr Carlyle *) , alle von lügenhaften Feinden Cromwell's ( Holles, Waller u. 1. w.) geſchrieben , ſind voll von blinder Wuth , von

Irrthümern und Dunkelheit; die neuen Erzählungen , wo man nur an Macchiavellismus glaubt , entſtellen die Sache noch mehr. Die gewöhnliche Geſchichte, ſei ſie alt oder neu , ſtellt Cromwell dar,

als habe er heimlich, auf eine ſehr geſchickte Weiſe und mit erkün ſtelter prophetiſcher Miene alle dieſe Bewegungen gehegt und erregt, als habe er ſich wie ein Heuchler benommen und ſich durch Mei ſterſtücke von Doppelzüngigkeit und dergleichen Dingen emporge ſchwungen. Das iſt die Gewohnheit der Geſchichte. Die arme Ge ſchichte hat dieſem Gegenſtande. ſehr übel mitgeſpielt. An Jrrthü

mern , Uebertreibungen , Unwahrheiten , Verworrenheit hat ſie Ueberfluß. -- Man legt Cromwelln falſche Verſicherungen bei, Er

regung von Mißvergnügen. Ach! nicht Cromwell erweckte dieſes Mißvergnügen ; die Mächte der Finſterniß thaten es.

Nicht durch

Meiſterſtücke von Doppelzüngigkeit ſchritt Cromwell quer durch dieſes Chaos und trat daraus hervor , vielmehr mit einer edlen und männlichen Aufrichtigkeit; ſeine Gedanken vor Gott und

vor den Menſchen waren dieſelben , wie es die Eigenthümlichkeit geiſtesſtarker Männer iſt. Er machte jener unſeligen Unbehaglich: keit durch einen entſchiedenen und gewiſſenhaften Geiſt ein Ende, indem er mit dem Scharfſinn und der Klugheit des Mathes die Schnelligkeit und den Nachdruck der That vereinigte.“ Wir fügen hier eine deußerung Lilburne's bei , den unbeug

ſamſten und ungläubigſten unter den Republikanern , der heftige Streitigkeiten mit Cromwell hatte und ihm gerade in dieſem Jahre (den 25. März) ſchrieb : „Ich habe Euch unter den einflußreichen Männern Englands für das reinſte Herz gehalten, das vor aller perſönlichen Rückſicht ſich am meiſten bewahrt hat." Solche Zeug niſſe verdienen mehr Vertrauen als die verſteckten Andeutungen und

das Geſchrei von Ludlow und andrer Feinde des Protectors ** ). *) Vol. I, 287–288, deux. edit.

**) Herr Guizot ſcheint den Mémoires de Ludlow zuviel Vertrauen ge. ſchenkt zu haben.

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Wir wollen keineswegs eine unbedingte Vertheidigung Crom well's und ſeiner Freunde ſchreiben ; aber wir wünſchen billig zu

ſein und die Einflüſſe zu berücfichtigen , denen ſie ſich nothwendig unterwerfen mußten. Es hatte eine doppelte Unterdrückung Statt gefunden . Die Freunde der Freiheit waren durch die Beſtrebungen

des Abſolutismus der Krone unterdrückt geweſen ; und die Volks kirche, oder die unabhängige , ſeit den Tagen Eliſabeth's und ſchon vorher durch die Staatskirche. Nun wenn die Unterdrückung auf den Unterdrückten einige gute Wirkungen äußern kann , ſo gleich : wohl auch ſchlechte. Sie gab in England der Liebe zur Freiheit und zum chriſtlichen Leben eine große Thatkraft ; aber ſie impfte auch den Freunden der bürgerlichen und religiöſen Unabhängigkeit

etwas Robes , Herbes , Gewaltſames , Uebertriebenes ein. Solchen Erſcheinungen begegnet man zu jeder Zeit bei lange unterdrückten politiſchen und religiöſen Parteien. Wer trägt die Schuld davon ? Tragen ſie nicht mehr noch die Unterdrücker als ihre Opfer ? ... Cromwell und die Seinigen wollten fich in der Zeit, bei der wir

angekommen , nicht mehr aufhalten und beſchränken laſſen , ſelbſt nicht durch ihre alten Freunde. Der lange Zeit zuſammengepreßte Waldſtrom ergießt ſich mit mehr Kraft , ſobald er ein Mal ſeine Schranken durchbrochen . Er ſtürzt jedes Hinderniß um , und in ſeinem verwüſtenden Laufe höhlt er tiefe Schluchten aus. Das Parlament war in der größten Verlegenheit, da es nicht

wußte , was es machen ſollte, um zugleich die Presbyterianer und die Stadt London auf der einen Seite , die Independenten und das Heer auf der andern zufrieden zu ſtellen . Die Presbyterianer beteten zu Gott, die Herzen der Schotten zu lenken , daß ſie ihnen zu Hülfe kämen ; es ſcheint, daß der Presbyterianismus in Eng

land nur eine ausländiſche Pflanze war , die ſich ohne die Hand, welche ſie dahin verpflanzt , nicht halten konnte. Am 26. Juli traten die presbyterianiſchen Bürger Londons aus der Rolle der Mäßigung heraus , die ihnen zukam , und begaben ſich ins Parla ment , begleitet von einer gewiſſen Anzahl von Lehrlingen und Þandwerkern , und entſchloſſen zu verlangen , daß man dem Heere feine Führer nehme und es unter den Befehl von Männern ſtelle,

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die dem Presbyterianismus ergeben wären. Sie traten in den Saal mit dem Hut auf dem Ropf und unter dem Geſchrei:

Stimmt ab ! Stimmt ab ! “ Und nicht eher zogen ſie ſich zurück, als bis das Haus ihre Wünſche befriedigt hatte. Damals verließen der Herzog von Mancheſter , Präſident des

Oberhauſes , und acht ſeiner Mitglieder , ſowie der Sprecher des Unterhauſes und hundert ſeiner Mit lieder die Stadt und begaben ſich zum Heere. Auf ihre Bitte marſchirte das Heer auf London und führte die Flüchtigen in's Parlament zurück. Man beſchloß diejenigen auszuſtoßen , welche an der Spiße des leßten Tumultes geſtanden . Von da an trat an die Stelle des Einfluſſes der Press byterianer im Unterhauſe der der Independenten. Das iſt eine wichtige Epoche im Gange der Revolution. Die Independenten zeigten ſich anfangs Karln günſtig, und Cromwell machte von der Gewalt, die ihm die Umſtände verliehen, einen ſehr mäßigen Gebrauch . John Cromwell, einer ſeiner Vet tern , hörte ihn zu Hamptoncourt laut rufen : „ Der König wird ungerecht behandelt, aber hier iſt Einer , der ihm Gerechtigkeit ver ſchaffen wird ! " lind dabei ſchlug er auf ſein Schwerdt. Er trat vor einer Revolution zurück und ſuchte den König in den Genuß

ſeines geſekmäßigen Anſehns wieder einzuſeßen . Alles bewies , daß ,, Möge Gott “ , ſagte er , „ſeine Gnade mir zumeſſen nach der Aufrichtigkeit meines Herzens in Be treff des Königs ! " Cromwell verzweifelte in jener Zeit noch kei neswegs an Karln und wollte dieſen Fürſten zugleich vor den Ausſchreitungen ſeines Despotismus und denen der Gleichmacher ſchüßen. Der befangene Geſchichtſchreiber der Stuarts ſcheint ſelbſt es einzuſehn. *) Ireton und Cromwell hatten häufige Zuſammen fein Wunſch ein aufrichtiger war.

künfte mit dem Könige und ſeinen Bevollmächtigten, und die Vor ſchläge, die ſie ihnen machten, waren bei der Lage der Sachen ſehr billig. Das Parlament hatte eine Beſchränkung des Königlichen

Anſehns auf zwanzig Jahre verlangt. Cromwell verlangte nur zehn *) Chateaubriand , Les Quatre Stuarts , p. 149 .

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und erklärte ferner , das Gewiſſen des Königs folle in Betreff des Episkopats frei ſein. Auch Sir John Berkley , Karl's Bevollmäch tigter, beſchwor dieſen Fürſten , dieſe Vorſchläge anzunehmen . Man

glaubte eine Zeit lang an eine friedliche Beilegung. Die Frau und die Töchter Cromwell's hatten ſich zu Hamptoncourt vorſtellen

laſſen , und der König hatte ſie ſehr rückſichtsvoll aufgenommen . Man ſah ſogar Cromwell und freton allein mit dem Könige im Park ſpazieren gehn oder in ſein Zimmer ſich einſchließen. Aber der König ſollte der eigne Schmied ſeines Sturzes ſein.

Die Gnadenbezeigungen, die er zu Hamptoncourt zur Schau ſtellte, waren nur Argliſt. Verwirrt , aufgemuntert vielleicht durch die aus Frankreich gekommenen Botſchaften, die Herr Ashburnham ihm

gebracht, verwarf der König die Anerbietungen des Generals. „Ich kann die Leiter nach Belieben umkehren " , ſagte er zu ſeinen Bevollmächtigten , und diejenige von den beiden Parteien , welche ich aufgeben werde , muß zu Grunde gehn.“ „ Sire " , erwiderte Berkley , „ niemals kann man unter leichteren Bedingungen eine

Krone wiedergewinnen , deren Verluſt im Augenblicke bevorſteht." Karl kehrte in der That die Leiter um , aber nur um hinaufzu ſteigen. .

Die Unterhandlungen waren jedoch noch nicht beendigt ; der König ſchien ſogar ſie wieder aufnehmen zu wollen und ſprach da von , Cromwelln den Hoſenband - Orden und den Befehl über das Heer zu verleihen, als man dieſem General hinterbrachte, daß ge rade an dieſem Tage ein Brief des Königs an die Königin nach Frankreich abgehen ſollte, daß dieſer Brief in die ſorgfältig wieder zugenähte Seite eines Sattels geſteckt ſei ; daß ein Mann , der nichts von der Sache wüßte, den Sattel auf ſeinem Kopfe Abends

10 Uhr nach Holborn in den Gaſthof zum Blauen Eber tragen würde , und daß er von da nach Dover und nach Frankreich be fördert werden ſollte.

Cromwell und Freton entſchloſſen ſich ſofort, dieſe Gelegenheit zu ergreifen , um die Gedanken des Königs kennen zu lernen ; denn ein Gefühl von Unbehaglichkeit batte nicht aufgehört , ſie mitten

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unter Karl's Gunſtbezeugungen und Verſprechungen zu verfolgen: Sie verkleiden ſich als gemeine Reiter , verlaſſen Windſor, kommen im Blauen Eber an, ſtellen einen Soldaten , den ſie mit ſich ge nommen , vor die Thür auf die Lauer, ſeßen ſich in ein Zimmer I

und erwarten bei einem Kruge Bier die Ankunft des Briefes. Um

10 Uhr erſcheint der Bote.. Sie bemächtigen ſich des Sattels unter dem Vorwande, den Befehl zu haben Alles zu unterſuchen , tragen ihn in ihre Stube, öffnen die. Polſter, finden den Brief, nähen den Sattel wieder zu und ſtellen ihn dem beſtürzten Boten mit den

Worten wieder zurück , Alles ſei in Ordnung , er ſei ein braver Burſche und könne ſeinen Weg ohne Beſorgniß fortſeßen. Sodann

ſchließen ſich die beiden ungeduldigen Generale ein und leſen Karl's Sendſchreiben .

Meine Stunde iſt endlich gekommen " , ſagte

darin der König. „ Ich bin jeßt der Mann , deſſen Gunſt man ſucht. Ich bin weit eher geneigt , mich auf die Seite des ſchotti ſchen Heeres als des engliſchen zu ſchlagen . Aber was ich auch einzuräumen ſcheinen mag , ſeid ohne Beſorgniß . Ich weiß wohl, wann es Zeit ſein wird, wie man ſich gegen dieſe Buben benehmen muß , und anſtatt mit einem ſeidnen Kniebande , werde ich ſie mit einem hanfenen Strick ſchmücken .“ Freton und Cromwell ſahen ſich einander an. Das alſo iſt in Betreff Karl's die Wahrheit, und das kann die Nation von ihm erwarten ! Mit treuloſer Hand

hat Karl den Vertrag zerriſſen , der ihn mit England verband. Dieſer Fürſt hat in den Augen ſeines Volkes keinen moraliſchen Werth mehr. Vertrauen , Achtung, Alles, iſt verloren. Iſt er hin fort noch König ? Die zwei Reiter verließen den Blauen Eber unter der lebhafteſten Aufregung , und ſpornſtreichs kamen fie in

Windſor an. Bald darauf begab er ſich zu Herrn Ashburnham, der bei der Perſon des Monarchen angeſtellt war , und erklärte

ſeine jeßige Ueberzeugung, daß man ſich auf den König durchaus nicht verlaſſen könne.

Von Stund an war die Trennung zwiſchen Karln und dem

künftigen Protector, — zwiſchen dem König und England vollſtändig. Es war der Scheidebrief des Monarchen von ſeinem Volke, welchen der unglückliche Stuart in den Sattel von Þolborn eingeſchloſſen

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hatte. Indem Karl ein Ordensband verweigerte, gab er eine Krone hin. Bald bemerkte er ſelbſt, daß ſich die Dinge geändert.

Seine

treuſten Diener erhielten Befehl, ſich zu entfernen ; ſeine Wächter wurden verdoppelt , ſeine Spaziergänge beſchränkt, und Cromwell ſchrieb aufgeregt dem Obriſten Whalley , daß die Soldaten den König den Offizieren zu entführen gedächten. Die Bangigkeit des Königs wurde von Tage zu Tage drückender ; ein ſonſt ſehr ge

wöhnlicher Umſtand trug dazu bei , ihn einen entſcheidenden Ent ſchluß faſſen zu laſſen . Eines Nachts , während peinliche Träume Karl faßt ihn beunruhigten , verlöſchte plößlich ſeine Lampe ... 1

den Entſchluß zu fliehn ; aber wohin ?

Er übergiebt einer Frau

die Hälfte deſſen , was er damals beſaß , 500 Pfd. Sterling , und ſchickt ſie nach London, um den berühmten Aſtrologen William Lilly zu befragen. Aber er erwartet weder die Rückkehr ſeiner Botin, noch die Drakel , welche der Lauf der Geſtirne ihm hätte geben 1

können . Anonyme Briefe drängen ihn zur Flucht. Am 11. No: vember , Abends 9 Uhr , geht er mit ſeinem Kammerdiener weg, verläßt das Schloß , den Park , den Wald ohne die geringſte

Schwierigkeit. Eine Hand hinter ihm ſcheint ihn zu ſtoßen , eine andre vor ihm den Weg zu bahnen.

Sind dieſe zwei geheimniß

vollen Hände nicht die Cromwell's ? Ueberzeugt, daß Alles zwi ſchen dem König und England aus ſei, und bei dem Wunſche, die herannahende blutige Kataſtrophe zu vermeiden , begünſtigt Oliver, wie ſpäter Wilhelm von Oranien gegenüber Jacob II. , ſo viel als möglich das Entkommen des Königs und ſeine Flucht nach Frank reich. Cromwell “ , ſagt der Republikaner Ludlow , „ unterrichtete den König von der Gefahr, in der er ſich befand , und verſicherte ihn ſeiner Dienſte. " Daß Oliver das Leben des Fürſten retten wollte , das kann ihm dieſer wütbende Demokrat nicht verzeihen .

Es ging das Gerücht, die Wachſamkeit der Garniſon von Hampton

court ſei am 11. November ſchlaffer geworden , die Schildwachen fogar hätten fich von ihren Poſten zurücgezogen. Zu gleicher Zeit verſicherte man , ein von der Königin geſchicktes Fahrzeug kreuze nahe am Ufer , wohin der König ſeinen Weg einſchlug, in der Ab ry

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ficht, ihn an Bord zu nehmen.

Aber als Karl die Küſte erreichte,

entdeckte er nur ein ödes Meer , ſelbſt keinen Fiſcherkahn , um ihn über die Wogen zu führen. Da er ſich ohne Hülfsmittel ſab, er: gab er ſich dem Obriſten Hammond , dem Gouverneur der Inſel Wight. Er ſchickte an dieſen Offizier einen Brief Cromwell's, den er kurz vor ſeiner Abreiſe von Hamptoncourt erhalten , in welchem er ihn von den Gefahren unterrichtete, die ihn erwarteten , wenn er in dieſem Palaſte bliebe. „ Es iſt augenſcheinlich “, ſagt Ludlow, „ daß der König auf Cromwell's Rath entwiſcht iſt.“

Nicht ohne

Grund waren die äußerſten Republikaner gegen den General auf

gebracht. Wünſchte Oliver , daß Karl England verlaſſe, ſo wollte er auch die Ausſchweifungen der Gleichmacher unterdrücken. Mit der einen Hand entfernte er die Tyrannei, mit der andern bän digte er die Demagogen. Dieſe bildeten Vereine und ſchlugen den Offizieren und dem Parlament die Einführung der allgemeinen Gleichheit vor. „ Cromwell “, ſagt Clarendon , „bedurfte ſeiner gan zen Gewandtheit, ſeines ganzen Muthes , um dieſe Zügelloſigkeit zu unterdrücken .“ In jener Zeit glaubte Oliver noch an die Regies rungsfähigkeit des Harlaments, und er wünſchte das Anſehn dieſer Körperſchaft zu erhalten . Als er vernahm , daß die Gleichmacher eine Verſammlung zu dem Zweck hielten , das Heer zu verführen, 1 /

begiebt er ſich eilig in ihre Mitte von einigen ihm ergebenen Männern begleitet. Ohne außer Faſſung zu kommen , richtet er einige Fragen an die, welche ihm die unruhigſten Köpfe ſchienen , und als er einige freche Antworten erhalten , züchtigt er einige mit eigner Hand und zerſtreut dann mit Hülfe ſeiner Freunde die übrigen. Non civium ardor prava iubentium, Non vultus instantis tyranni

Mente quatit solida.

Zu verſchiedenen Malen zerſprengte Oliver dieſe demagogiſchen Zuſammenfünfte. Wenn dieſer Parteigeiſt in jener Zeit nicht mit Cromwell's Kraft und Feuer bekämpft worden wäre “ , ſagt Clarendon , uſo würde alsbald ohne Zweifel eine furchtbare Ver

1

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wirrung in dem Heere, in dem Parlament und in dem Königreiche daraus hervorgegangen ſein .“ ( Clarendon III., 37. ) *) Cromwell begriff, wie die großen Männer aller Jahrhunderte, daß das Gleich gewicht nothwendig ſei, um das Staatsſchiff zu retten. In dem Augenblick , wo die Fanatiker , lowohl des Royalismus als der Freiheit, die Einen auf das Badbord, die Andern auf das Steuer

bord fich ſtürzten und das Schiff umſchlagen zu laſſen drohten, ſtellte ſich Oliver in die Mitte und bewirkte durch Entfaltung einer großen Energie , daß das Fahrzeug unbeweglich blieb und ſich weder auf die eine noch auf die andre Seite neigte.

Neue Hoffnungen ſollten Karl bald in ſeinem Zufluchtsort auf der Inſel Wight aufregen. Die Häuſer ſtimmten ab, daß ihm vier Vorſchläge übergeben werden ſollten , und daß er mit ihrer

vorläufigen Annahme zur perſönlichen Unterhandlung mit dem Par lament zugelaſſen werden ſollte. Demzufolge wurden Beauftragte an den König geſchickt. Sie fanden ihn ſcheinbar in günſtiger Stimmung , aber in der That entſchiedener als jemals , das Par

lament zu bekämpfen . Sein Plan war , fich an die Spiße der 3r länder zu ſtellen , um gegen England zu marſchieren , und er berei tete ſich im Geheimen vor, die Inſel Wight zu verlaſſen , obgleich

er das Gegentheil beſchwor. Ein andrer Weg öffnete ſich damals dieſem Fürſten , und die Theilung ſeiner Gegner ließ ihn die Wiedererlangung ſeiner vollen Macht hoffen . Lord Lauderdale und zwei andre ſchottiſche Beauf tragte, die ſich in tiefſtes Geheimniß einhüllten , waren faſt zu der ſelben Zeit mit den Abgeordneten des Parlaments im Schloſſe Carisbrook angekommen. Sie verſprachen dem König die Vermitt lung eines ſchottiſchen Heeres , um ſeine Macht wieder herzuſtellen ,

aber unter Beſtimmungen zu Gunſten Schottlands , welche die eng liſche Ehre verleßt hätten , und unter der Bedingung, daß der Kö nig für drei Jahre das presbyterianiſche Regiment in England beſtätigen werde. Karl nahm Alles an. In zwei Tagen wurde *) In der engl. Ausgabe iſt citiert : III, 87. 88. ry *

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der Vertrag geſchloſſen und unterzeichnet ; hierauf vergrub man ihn geheimnißvol in einem Garten der Inſel , wartend , bis man ihn ohne Gefahr bekannt machen konnte.

Hierauf gab der König ſeine Antwort dem Lord Denbigh und den andern Bevollmächtigten der beiden Häuſer.

Er verwarf die

vorläufigen Vorſchläge und verlangte perſönlich zu unterhandeln . Die Beauftragten kehrten nach London zurück , um dem Parlament

über ihre Sendung Bericht zu erſtatten.

Die Lage Karl's war

auf dieſe Weiſe verſchlimmert, und er ſelbſt der Urheber ſeines Verderbens.

Oliver hat den König retten und ihn auf einen ehrenvollen und verfaſſungsmäßigen Thron wieder ſeßen wollen. Er war, wie ſo viele Andere, von der Liebenswürdigkeit dieſes Fürſten beberrſcht.

Als er einer Zuſammenkunft zwiſchen Karln und ſeinen Kindern beigewohnt hatte , das erſte Mal als es dieſen erlaubt wurde, ihn zu beſuchen , ſo ſagte er : ,, Das war die anziehendſte Scene , welche

meine Augen jemals betrachtet haben " , und wenn er ſie erzählte, vergoß er viele Thränen . ,, Er konnte es ohne Heuchelei thun “, fügt ein toryſtiſcher Geſchichtſchreiber hinzu ; ,, denn im Privatleben war Cromwell ein Mann von zartem Gefühl und einer edlen Natur . " *) Dieſes Urtheil des berühmten gekrönten Dichters von England reimt ſich nicht mit den einfältigen , beſchränkten Vorur theilen , die auf dein Feſtlande verbreitet ſind.

Cromwell wünſchte ſeinen König zu retten , und das gerade in dem Augenblicke, wo dieſer die Abſicht hatte, ihn hängen zu laſſen.

Ach ! der unglückliche Stuart wurde in dem Neße gefangen , das er

für Andere geſtellt hatte. Wer Andern eine Grube gräbt, fällt ſelbſt hinein; und wer durch den Zaun bricht, den wird eine Schlange beißen. Das iſt die Sprache des gött lichen Wortes , und es wird nicht ein einziges Wort zu Schanden von alle den trefflichen , die der Ewige ges ſprochen hat. *) Southey , Vie de Cromwell , 58. Londres , 1846.

Fünftes Kapitel. de 6

De r . @od

den .

Kő n i g s .

Die Häuſer beſchließen , ſich nicht mehr an den König zu wen Gefühl und Gebot. Vereine zum Gebet in Windſor.

3 weiter Bürgerkrieg. – Aufſtand der königlichen. – Einfall der Cromwell's Siege. Unterhandlungen des Parla Widytige Wahl . Karl's Falīd ,heit. ments mit dem Könige. Die T-hatſachen redyt Einſpruch des Heeres beim Þarlament. Crom Der Holzbauer und der Sämann. fertigen Crom well. Schotten .

Der König in Frrthum und Wahrheit. well an Hamm o 11 d. Natur des Das Parlament verwirft den Einſpruch. Hurſt. Neinigung. Cromwell's Be Das Heer in London. Heeres . Religiöſer frrthum Cromwell's. denfen rüdſichtlid des Königs. Der Wille Gottes . Howe's Predigt vor Cromwell. Das beſchimpfte Sdafot. — Enthüllung von Karl's Grundſätze Verräthereien. Grundſätze der römiſchen Kirde. Gebete .

Todesurtel. -

Cromwell an ſeine Schwiegertodh Karl's Kinder. Cromwell und Karl's Leich nam . Die europäiſchen Mächte.

Milton's . ter.

Die Abgeordneten des Parlaments hatten, nach ihrer Rückkehr von der Inſel Wight nach London , über ihre Sendung Bericht er

ſtattet. Am 3. Januar 1648 erhob ſich Sir Thomas Wroth im Hauſe der Gemeinen und ſagte : „ Mein Herr Sprecher, Bedlam iſt zugerichtet worden für die Narren , und Tophet ( das Grab und

die Gehenna) für die Könige ( Jef. XXX , 33 ). Aber unſer König hat ſich unlängſt benommen, wie wenn Bedlam der einzige für ihn

paſſende Aufenthalt wäre ; ich bitte gehorſanıſt, daß die Häuſer ſich nicht mehr an ihn wenden , und ohne ſein Mitwirken die öffent lichen Angelegenheiten ordnen . " - Freton unterſtüßte den Antrag. „ Indem der König "“ , ſagte er , ,, die Annahme der vier Vorſchläge verweigert, hat er ſeinem Volke die Sicherheit verweigert.“ Die 1/

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Partei des Parlaments und der Presbyterianer erhob ſich kräftig

gegen dieſe Maßregel. Cromwell hatte noch nicht geſprochen. In ſeinen Augen war Karl's Treuloſigkeit bis zu dem Punkte gelangt, wo menſchliche Gerichtshöfe einem Manne die Verfügung über ſeine Familie unterſagen ; er meinte alſo, man müſſe die Verfügung über ein Königreich einem Fürſten unterſagen , der nicht mehr der Vater, ſondern der Betrüger ſeines Volkes war. ,, Mein Herr Sprecher " , ſagte er , der König iſt ein Mann von vielem Geiſt und großen

Talenten , aber dermaßen falſch und argliſtig, daß ſich Niemand mehr auf ihn verlaſſen kann. Während er ſeine Liebe zum Frieden betheuert , unterhandelt er im Geheimen mit den Abgeordneten Schottlands, um die Nation in einen neuen Krieg zu ſtürzen . Die

Stunde iſt gekommen, wo das Parlament allein kann und ſoll das Königreich retten und regieren ." Der Antrag ging ſofort in dem Hauſe der Gemeinen durch, dann nach einigem Bedenken in dem der Lords.

Dieſer wichtige Act rief eine lebhafte Aufregung hervor und

machte die Lage immer ſchwieriger. Ein ſchottiſches Heer ſprach von der Befreiung des Königs aus den Händen der Sectierer, und

in England regten drei Parteien , außer der des Heeres , das Volk auf. Die königliche Partei drohte jeden Augenblick unter dem Rufe ſich zu erheben : „ Gott und König Karl ! " Die große presbyteria niſche Partei, an deren Spiße die Stadt London ſich befand, war immer unzufriedner mit der Lage der Sachen ; und eine dritte Par tei , die der Gleich macher oder der Radicalen, vermehrte noch die Verwirrung und die Furcht. Eines Tages , zu Anfang des Jahres 1648 , verſammelten fich

die Häupter des Heeres zu Windſor. „ Die längſten Köpfe und ſtärkſten Herzen Englands waren da " , ſagt ein Geſchichtſchreiber. Folgenden Bericht darüber hat uns der General Adjutant Allen aufbewahrt. „ Wir vereinigten uns im Schloſſe zu Windſor zu Anfang des Jahres 1648 , und brachten Alle zuſammen einen Tag im Gebet zu und erforſchten die Ur ſachen dieſer traurigen Zerſplitterungen. Wir gelangten an jenem

Und was machten ſie da ?

Tage zu keinem Ergebniß ; aber es war unſre Pflicht, unſer For

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ſchen fortzuſeßen , und am Morgen des folgenden Tages verſam melten wir uns von Neuem. Mehrere laſen das Wort Gottes, erklärten es und beteten ; hierauf forderte uns der General - Sieute

nant Cromwell auf , uns ernſtlich ſowohl als Führer des Heeres wie als Chriſten zu prüfen und zu ſehen, ob ſich darin nicht irgend

eine Ungerechtigkeit finde, um ſo die Urſache unſrer Zwiſtigkeiten zu entfernen. – Deshalb , ſagte er , wollen wir betrachten , in wel cher Zeit wir haben behaupten können , daß Gott in unſrer Mitte gegenwärtig war und ſeine Gerichte nicht über uns waren , wie ſie es jeßt ſind. - Wir beſchloſſen den zweiten Tag , mit dem Ueber einkommen uns am folgenden Morgen von Neuem zu verſammeln. Das war es , was wir machten , und durch die gnädige Hand des Herrn fanden wir, was uns von ihm und ihn von uns entfernt hatte : nämlich die verfluchten Unterhandlungen , die wir nach unſ -

.

rer eignen Weisheit, nach unſern Befürchtungen und unſerm Glau

bensmangel im vorhergehenden Jahre mit dem Könige und ſeiner

Partei geführt hatten. Der Major Goffe machte damals Gebrauch von jener Stelle der Schrift ( Sprichw. I , 23 ) : Kehret euch zu i meiner Strafe. Siehe , ich will euch herausſagen mei s nen Geiſt und euch meine Worte kund thun. – Der Herr begleitete dermaßen mit ſeinem Geiſte dieſe Aufforderung in unſern Herzen , daß wir uns beſchämt, belaſtet mit Ungerechtigkeiten fühl ten und ſeine Gerechtigkeit auf allen ſeinen Wegen mit uns er kannten. Er ließ uns nicht allein unſre Sünde , ſondern auch unſre Pflicht erkennen , und das auf eine ſolche Weiſe, daß Keiner unter uns mit einem Undern zu ſprechen fähig war , ſo reichlich floſſen unſre Thränen, ſo bitterlich weinten wir. Wir weinten aus Scham über unſre Ungerechtigkeiten , über unſern Unglauben, unſre Menſchenfurcht , über jene fleiſchlichen Berathungen , die wir mit unſrer eignen Weisheit und nicht mit dem Worte des Herrn ge halten hatten. Endlich ſchenkte uns der Herr ſeinen Genuß mit Furcht und Zittern , und er hatte uns nicht ſo bald zu ſeinen Füßen geführt, als er uns den richtigen Pfad betreten ließ und wir als unſre Pflicht erkannten mit den Kräften zu gehen, die uns damals zu Theil geworden ; zu kämpfen gegen unſre mächtigen

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Feinde und uns nur auf den Namen des Herrn zu verlaſſen.

Nachdem wir alſo ernſtlich ſein Antliß geſucht, kamen wir zu jenem einmüthigen Beſchluß, daß es unſre Pflicht wäre, den Karl Stuart,

dieſen Blutmenſchen , gerichtlich aufzufordern, Rechenſchaft abzulegen von dem Blute , das er vergoſſen , und von dem Uebel, das er, ſo viel an ihm lag , der Sache und dem Volke des Herrn unter dieſen armen Nationen zugefügt hatte.“ *)

Es iſt ein wunderbares Schauſpiel , dieſe muthigen und furcht baren Häupter der Parlaments -Armee drei Tage lang im Palaſte von Windſor im Gebete vereinigt z11 ſehn , um die Führungen des Herrn zu erforſchen. Wer könnte an ihrer Gradheit , echten Fröm

migkeit , an ihrem lebendigen Glauben zweifeln ? Wer ſollte nicht beim Anblick ihres Beiſpiels betrübt in ſich gehn ? Wer nicht ein ſehn, daß die fortwährenden Lügen Karl's I. und die Ueberzeugung, zu der die Vertheidiger der Freiheit gekommen waren , daß der Fürſt ſie verrathe und nur durch den Untergang des Proteſtantismus würde zufrieden geſtellt ſein , wohl geeignet waren , die Häupter des Heeres zu beunruhigen und ſie zu entſcheidenden Schritten zu drängen ?

Und dennoch waren ſie wohl auf dem richtigen Wege ? Wir hegen dagegen einige Zweifel . Niemals vielleicht konnte man beſſer

fehn, wie wichtig es iſt, über die wahren Grundſäße der chriſtlichen Leitung aufgeklärt zu werden. Als die Häupter des Heeres wiſſen wollen , was ſie zu thun haben , erforſchen ſie , was ſie in dem Augenblicke gethan haben , „wo ſie ſich am glücklichſten , dem Herrn am nächſten fühlten.“ Das iſt nicht der von Gott vorgeſchriebene Weg.. Sie mußten ſich fragen : Was befiehlt uns Gott in ſeinem Worte ? Nicht durch unſre Gefühle will uns Gott leiten , ſondern

durch ſeine Gebote. Unſre Gefühle können uns irre führen : Es giebt einen Weg , der dem Menſchen der rechte ich eint, aber defien Ende die Wege des Todes ſind. Das Wort Gottes - führt niemals irre. Nach Gottes Geboten fich betragen,

*)

Sommer's Tracts , VI , 499-501 , citiert von Carlyle 1 , 337-340 .

81

das iſt der Wandel des Chriſten .

Nach ſeinen Gefühlen , ſeinen

innern Erleuchtungen handeln , iſt der des Myſtikers.

Wenn die zu Windſor verſammelten Häupter damals nicht in Fanatismus verfallen ſind , ſo waren ſie wenigſtens auf einem Wege , der dahin führen konnte , und Einige von ihnen geriethen ſpäter wirklich hinein. Vielleicht kann man ſogar behaupten , daß es ſchon einigen Fanatismus verräth, den König einen blutgierigen Menſchen zu nennen. Dieſe Anklage war auf die Annahme ge gründet , daß Karl der Urheber eines Krieges wäre , in welchem viel Blut vergoſſen worden war. Aber Stuart war nicht grauſam ;

man kann ihm keine Handlung vorwerfen, die eine ſolche Neigung . in ihm andeutet.

Cromwell ſuchte eine Bewegung aufzuhalten , die bereits einem gewaltſamen Ende entgegen eilte. Er bemühte ſich , die Anmaßun gen der Republikaner und Enthuſiaſten in Schranken zu halten.

Er ſah mit Schmerz die Gewalt von gemäßigten und erfahrnen Männern auf Leute von geringerem Stande übergehn , die zwar

eifrig, thätig , aber ohne Erfahrung und Klugheit waren. Er ver einigte eines Tages bei einem Mittagsmahle die vornehmſten In dependenten und Presbyterianer , und beſchwor ſie hinreißend, ihre Zänkereien zu laſſen und ſich zu verſtändigen. Alles war vergebens,

die Geiſter waren auf Gewaltthätigkeit und Krieg gerichtet. Crom well mußte weichen.

Der König und ſeine Anhänger waren ihrerſeits eben ſo über ſpannt wie die Republikaner. Karl ſchmiedete Ränke mit Schott

land , Frland , England. Die Cavaliere machten geheime Anſchläge bald an der Tafel eines reichen Edelmanns , bald in den Schwur 1

gerichten , bald auf den Märkten ; ſie wirkten auf das Volk , und ihre Bemühungen ſchienen überall mit Erfolg gekrönt.

Ein immer

allgemeineres Mißvergnügen zeigte ſich unter den Presbyterianern und Königlichen in Wales und Kent im Frühjahr von 1648 . „ Die Edelleute find alle für den König " , ſchrieb man ; ,, das ge meine Volk verſteht nichts davon und folgt den Edelleuten ." Im ſüdlichen Wales vereinigten ſich die Offiziere, die ſich in der Parlaments -Armee ausgezeichnet hatten , mit den Cavalieren um

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die königliche Fahne. In Schottland gab das Parlament ſeine Stimme zur Aushebung von 40,000 Mann , um den König zu

vertheidigen. Auf dieſes Zeichen erhoben ſich die Königlichen im Norden von England, und die Häupter der Parlamentspartei in

Frland traten unter die Fahne der Stuarts. Bald nachher ſams melten die Königlichen von Rent ein Heer. Sogar in London warb man Soldaten für den König , und bewaffnete Schaaren zogen durch die Straßen, um ſich mit den Aufſtändiſchen zu ver einigen.

Auf dieſe Nachrichten marſchierte Cromwell an der Spiße von fünf Regimentern nach Wales , wo ſich die Hauptmacht der König lichen befand , und ſchrieb bald , daß in vierzehn Tagen das Schloß

von Pembroke 1, welches ihr Hauptſtüßpunkt war , in ſeinen Händen Tein würde.

Cromwell wagte dabei nicht allein ſeine Perſon, ſein Leben und das ſeiner Kinder , ſondern auch ſein Vermögen.

Er wußte

den kleinen Vortheil zu verachten und ihn dem großen zu opfern. Das beweiſt der folgende an das Parlament gerichtete Brief * ). An den zu Derby - Houſe fißenden Ausſchuß der Pairs und der Gemeinen . Den 21. März 1648.

Da die beiden Häuſer des Parlaments mir jüngſt verliehen haben , mir und meinen Erben , die Summe von 1680 Pid. Strl.

jährlidy, angewieſen auf die Beſißungen des Lords Worceſter , und die Bedrängniß der Zeit die Hülfe der Bürger heiſcht; ſo mache idy

hiermit dem Staate das Unerbieten , ihn jährlich 100 Bfd. (25,000 Frk.) auf dieſe Summe zu überlaſſen , zahlbar halbjährlich, 500 Pfd . jeden Termin , ron nädyſtem Michaelis ab , und das fünf Jahre hindurch, wenn der Krieg mit Irland fortdauert und ich bis dahin lebe. Das Parlament wird beſtimmen , welcher Gebraud, von dieſem Gelde zu machen iſt, inſofern nicht die Bezahlung der 1680

*) Lettres et Discours , I, p. 326. Commons Journals, V, 513.

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Pfb. durch den Krieg oder irgend welchen Umſtand aufgehoben wird. Außerdem , da es mir eine rüdſtändige Summe von beinahe 1500 Pfd. (37,500 Fr.) als Generallieutenant ſchuldet, eben ſo eine be trächtlichere ale Gouverneur der Inſel Ely , ſo erlaſſe ich dieſe Summe und ſpreche den Staat von aller Bezahlung frei , zu wirs ken für dieſe Sache, und durch dieſe Geſdenke erfenne ich ihn in .

Bezug auf mich als frei von jeder Schuld . Oliver Cromwell.

Dliver mußte ſich beeilen. Am 8. Juli war das königliche Heer von Schottland in England eingerückt. Das Herz der ſchot tiſchen Nation war nicht bei dem Heere ; die gläubigen Presbyte rianer beklagten ſich ſehr darüber, daß , während man viel thue,

um den König Karl ſeine Rechte wieder zu verſchaffen , nichts ge ( chehe, um Chriſtum , den König der Kirche, in den Beſiß der ſei nigen zu ſeßen. Drei Tage nach dem Einrücken der Schotten ergab ſich das Schloß von Pembroke, und Cromwell marſchierte am drit ten darauf nach Schottland zu , indem er ſeinen Freunden ſchrieb: ,,Schickt mir Schuhe für meine armen , ermüdeten Soldaten , denn 1

ſie haben einen langen Marſch zu machen .

Mit dieſen , ſchlecht

mit Schuhen , ſchlecht mit Kleidern verſehenen , aber mit Muth und

Glauben erfülten Soldaten , durcheilte er England von Oſten nach Weſten, dann von Süden nach Norden , mit der Schnelligkeit des Blißes , und bald ließen die Cavaliere den Herzog von Hamil ton , der das ſchottiſche Heer befehligte, die Annäherung Cromwell's

wiſſen. „ Unmöglich ! “ erwiderte der Herzog, „ er hat nicht Zeit

gehabt anzukommen." Aber ſchon ſchlagen ſich die Cavaliere mit dem Vortrab des Parlamentsgenerals.

Cromwell durchbricht die

Engländer, ſtürzt ſich auf die Schotten, die neben dem Fluß Rib ble ſtanden , wirft ſie über den Haufen , ſeßt mit ihnen über den Fluß, verfolgt und drängt hart dieſes Heer, welches ſeine angeb liche Eroberung Englands durch ſeine Flucht nach Süden vollendete, ſtößt auf daſſelbe in einem Engpaß bei Warrington und bemächtigt ſich deſſelben. Ein Feldzug von vierzehn Tagen hatte hingereicht, um das ſchottiſche Heer wegzufegen. Cromwell fällt in Schottland

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ein , die Presbyterianer vereinigen ſich mit ihm , und bereiten ihm in Edinburg einen glänzenden Empfang.

Unterdeſſen ſuchte das engliſche Parlament, beſtürzt über den Erfolg feines eigenen Heeres , . mit dem König fich wieder auszu föhnen. Dieſe Körperſchaft hinkte unaufhörlich nach beiden Seiten. Sie glich einer Meereswoge, die vom Winde getrieben und gewebt wird. Ein zweifler denke nicht, daß er etwas vom Herrn empfahen werde. (Jacob. I, 6. 7.) Die ſer Ausſpruch der Schrift ſollte ſich bald auf dem Gebiete dieſer weltlichen Dinge verwirklichen. Das Parlament, welches die aus ſeiner Mitte ausgeſtoßenen /

Mitglieder aufgefordert hatte ihre Siße wieder einzunehmen , hatte ſich entſchloſſen , dem Könige günſtige Vorſchläge zu machen . Am 30. Juni wurde der Beſchluß , der an den König fich zu 'wenden unterſagte, zurückgenommmen . „ Ihr wißt gar nicht, welches eure Lage iſt,“ ſagte kurz darauf Sir Symonds d'Ewes im Unterhauſe, ,,Euer Geld iſt zu Ende, euer Gold verſchlungen , eure Flotte im

Aufruhr, ihr ſelbſt verachtet; ` eure Freunde , die Schotten , ſind wüthend auf euch , die Liebe der Stadt und des Königreichs bat ſich gänzlich von Euch zurückgezogen. Ich überlaſſe eurem Urtheil, ob das ein fichrer Zuſtand iſt, und ob es nicht hohe Zeit , daraus herauszukommen .“ Das immer mehr über den Erfolg feines Heeres erſchrockne

Parlament beſchloß , auf den vier vorläufigen , dem König vorge legten Vorſchlägen nicht zu beſtehn, und eine neue Unterhandlung unmittelbar mit dem Könige auf der Inſel Wight anzuknüpfen. Fünfzehn Abgeordnete (fünf Mitglie: Das geſchah am 29. Juli. -

der des Oberhauſes und zehn aus dem Unterhauſe) reiſten ab , um ſich dem Könige vorzuſtellen . Zwanzig ſeiner ergebenſten Diener, Lords, Rechtsgelehrte, Theologen waren ihm als Räthe beigegeben, und man umgab ihn mit ſeinen Kammerherrn, Pagen , Stallmei ſtern, Secretären und Leuten der Garderobe. Die Abgeordneten baten den König dringend ihre Vorſchläge anzunehmen , bevor das Heer Zeit gehabt nach London zurückzukehren. Der König ſchien dazu geneigt; aber getreu ſeiner Doppelzüngigkeit nährte er im

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Grunde ſeines Herzen : eine ganz andre Hoffnung. Ormond hatte Frankreich verlaſſen , und mit Geld und Munition verſehn ſollte er in Frland wieder auftreten und den Krieg mit Nachdruck betreiben. Da war Karl's . Herz. Er gedachte zu entſchlüpfen und ſich an die Spiße dieſes Heeres zu ſtellen. Er verſprach feierlich, die Einſtel lung jeder Feindſeligkeit in frland zu befehlen ; aber zugleich ſchrieb er unter der Hand an Ormond , am 10. October : „Beunruhigt Euch nicht über meine Bewilligungen wegen Irlands ; gehorcht den Und am 9. Befehlen meiner Frau und nicht den meinigen .“ 1

1

October ſchrieb er at Sir William popkins:

„ Ich habe ſo Bedeu

tendes dieſen Morgen nur bewilligt, um mein nahes Entkommen zu erleichtern ."

So war der Fürſt, der ſein Parlament damals

ſo betrog. Niemals vielleicht zeigte ſich eine Körperſchaft ſo einfäl tig , ſo thöricht und unerfahren.

Cromwell's Verbrechen war , mehr

Geiſt und Urtheilskraft zu beſißen. Dieſes Verbrechen war faſt eine Tugend.

Was werden jene Männer thun , die nach Wundern von Tapferkeit , nach langen Mühſeligkeiten , großen Opfern und wun

derbaren Siegen , bei welchen die Vermittlung der Vorſehung ihnen ſichtbar wurde , die Fortſchritte des Despotismus aufgehalten , die Gewiſſensfreiheit geſichert und den Proteſtantismus und England gerettet haben ?

Sie ſehen , daß ohne ihr Dazwiſchentreten Karl , der Papiss mus und die Tyrannei die Oberhand wieder gewinnen , die redli chen Männer unterdrückt, fie ſelbſt enthauptet , Tauſende ihrer Brüder zur Flucht genöthigt werden , wenn ſie können in die Einöden Amerikas, und daß die proteſtantiſche Kirche erdrückt werde.

Damals hatten ſie eine Wahl zu treffen. Soll man aufgeben, was man gethan , und die Welt ihren Lauf gehen laſſen ? Oder ſoll man auf regelloſe Weiſe in dieſen regelloſen Zeiten das zwiſchentreten , und noch ein Mal die Kirche und England retten ?

Einige von Cromwell's Freunden , insbeſondere der Obriſt Hammond , an welchen er damals einen Brief richtete, aus dem wir ein Bruchſtück anführen werden , waren für das Erſte; Oliver

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für das Zweite. Das veer ſchickte, ohne Zweifel auf Cromwell's Veranſtaltung (der von ſeinem Feldzuge nach dem Norden noch nicht zurückgekehrt war) , eine Gegenvorſtellung an das Parla ment, und kam in Maſſe nach Windſor , Sonnabends den 25. No: vember 1648 .

Welche von den beiden Wahlen war die beßre ? Die zweite

war verzweifelt, entſeßlich , und doch haben , man muß es einge ſtehn , die Thatſachen zu verſchiedenen Malen zu ihren Gunſten ,

geſprochen . Die Freiheiten und der Proteſtantismus Englands waren auf dem Punkte verloren zu gehn , als Cromwell dazwiſchentrat, .

und während ſeines Lebens hielt er in Großbritannien die religiöſe

Freiheit und die nationale Ehre aufrecht. Was wurde daſſelbe Land nach Cromwell's Tode ?

Die

Stuarts kehren zurück; – „ und nachdem die Feſte der Reſtaura tion vorüber , die Illuminationen verlöſcht ſind, ..... folgen die

Hinrichtungen *)." Man gräbt hundert Perſonen wieder aus , den großen Oliver mit inbegriffen , ſo wie ſeine alte und ehrwür dige Mutter , ſeine geliebte Tochter Brigitte, Pym und den ruhm würdigen Admiral Blake. Man hängt an den Galgen von Tyburn -

halbverweſte Leichname , und die Cavaliere freuen ſich und ſcherzen

über dieſes empörende Schauſpiel. Man ſchneidet Naſen und Oh ren ab , man enthauptet eine große Anzahl von Menſchen . Das

über alle ausgeſprochene Todesurtheil lautete wie folgt **): „Ihr werdet auf den Richtplaß hinausgeſchleift, dort aufgehängt, und wenn ihr noch am Leben , wird man den Strick abſchneiden . Bhr

werdet verſtümmelt ( your privy member to be cut off); man wird euch die Eingeweide herausreißen , und ſie , während ihr noch lebt , vor euern Augen verbrennen . Euer Kopf wird abgeſchnitten, eure Glieder geviertheilt werden . " Das iſt es nicht allein : man

verbreitete überall hin Unſittlichkeit; und ein berühmter Royaliſt unſeres Jahrhunderts findet für Karl II. keine andere Entſchuldi

*)

Chateaubriand.

**) Exact and impartial account of the trial etc. Lond. 1660, p . 57.

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gung wegen Begünſtigung der Sittenverderbniß , als : „es iſt wahr: ſcheinlich, daß der Fürſt dem Hange ſeiner Neigung und ſeinem leichtſinnigen Charakter folgte“ ( Chateaubriand). Man zwang 2000 Geiſtliche, ihre Stellen zu verlaſſen ; man unterdrückte die Kirchen , man nöthigte die edelſten Herzen des Landes fich zu verbannen ; man bevölkerte mit ihnen Amerika ; und England wäre wie Spanien geworden , und ſchlimmer als Spanien , wenn der treffliche Wilhelm III. nicht gekommen wäre , die von Cromwell ſo kräftig begonnene Aufgabe wieder aufzunehmen. Wenn lange Zeit .

nach dem Kriege, nach einer Aufforderung zu Ordnung und Frie

den die Stuarts ſolche Gräuelthaten begingen , was würden ſie

gewagt haben , als die Leidenſchaften und Gehäſſigkeiten in ihrer vollen Kraſt noch beſtanden ?

Luther vergleicht ſich in einer ſeiner Schriften mit einem Holz hauer (ießt würde man ſagen mit einem Schanzgräber), der ſich in

einem Walde mitten unter die Sträuche, Dornen, hochſtämmigen Bäume ſtürzt, ſeine Art ſchwingt, ſchneidet, abhaut , entwurzelt; er vergleicht Melanchthon mit einem Sämann , der nach dem Holz hauer kommt ; der führt den Pflug über das vorbereitete Erdreich, und ſtreut mit lieber Hand den köſtlichen Saamen aus , der mit

einer reichen Erndte den Boden bedecken ſoll, auf dem ehemals ein wilder Wald ſtand. Dieſe Vergleichung läßt ſich auf Cromwell und Wilhelm von Oranien anwenden . Cromwell war der Schanzgräber, Wilhelm der Sämann.

Cromwell ſchrieb den Brief , von welchem wir einen Theil ge ben wollen , an den Obriſten Robert Hammond , Gouverneur der

Inſel Wight, um vor ſeinem Freunde die Sache des Heeres in dem Rampfe mit dem Parlament zu vertheidigen , und ihn für ſeine Anſichten zu gewinnen . Sonnabend , den 25. November 1648.

„,lieber Robin, Du wünſcheſt meine Erfahrungen kennen zu lernen; ich kann ſie Dir ſagen. Ich bin ſo , wie Du mich früher gekannt haft; ich habe einen Leib der Sünde und des Todes : aber

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id banke Gott dafür um Jeſu Chriſti willen unſers Perrn ; es

giebt für mich keine Verdammniß , obgleich ich ſehr ſchwach bin ; und id, warte auf die Erlöſung. In dieſem armen Zuſtande erlange idy Barmherzigkeit und ſüßen Treſt. Täglich finde ich reichliche Urſache

den Herrn zu erheben und das Fleiſch zu demüthigen ; und ich thue ba8.

Was die äußern Zwiſtigkeiten betrifft, wenn wir ſie ſo nennen können , fo haben wir Offenbarungen und merkwürdige Erlöſungen des Herrn gehabt. Seine Gegenwart iſt unter uns geweſen , und 1

durch das licht ſeines Angeſichts haben wir triumphiert. Wir ſind fidher , daß das Wohlwollen Deſſen , der in dem Buſche war, 1

1

( 2. Moj. III.) aud) uns geleuchtet, und wir fönnen in Demuth ſagen :

Wir wiſſen , an wen wir geglaubt haben , es iſt Der , welcher vol .

lenden wird , was zu thun übrig bleibt.

Ich ſehe in Deinem Geiſte einige Unruhe, weldie durch das Mißvergnügen veranlaßt wird , weldies Dir rechtliche Männer ver urſachen , die Du von Herzen liebſt, und die es als geſeßlich anſehn, wenn die Minderzahl, ſobald ſie in ihrem Redte iſt, die Mehrzahl

zwinge. Du ſagſt: Gott hat über die Nationen Obrigkeiten geſetzt, welchen man Gehorſam ſdyuldig iſt. Dieſe Obrigkeit in England ſißt im Parlament; alſo u . f. w. Das iſt wahr , aber id) glaube nicht, daß die Obrigkeiten machen können , was ihnen beliebt , und daß man ihnen , ſobald ſie e8 thun,

Gehorſam (duldig ſei. Ale ſehen ein , daß dies einer von den Fäl len iſt, wo Widerſtand geſetzlich iſt. Verhält es ſich ſo , dann ſind eure Sdlüſſe falſch . 3ch werde Dir zwei oder drei Betradytungen vorlegen : Soll der ganze Gewinn des Krieges verloren gehn ? Soll man auf das zu rüdflommen , was man früher hatte , oder auf Schlimmres noch, und

das in Widerſpruch mit den ausdrücklichen Verpflichtungen und Ver bindungen , für die wir unſer Leben gewagt haben ? 3ſt unſer Heer

keine gefeßliche Macht, von Gott zum Stampf gegen den König be rufen ? Und wenn das ſo iſt, darf es ſich nicht der einen Obrigkeit ſo gut wie der andern widerſeken ?" * )

*) Birch, p. 101 .

Lettres et Discours , I , p . 432-435 .

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Es giebt ohne Zweifel Frrthümer in dieſem Brief. „ Die Min

derzahl, wenn ſie Recht hat , ſagt Cromwell, darf die Mehrzahl zwingen .“ Aber wann wird eine Minderzahl glauben nicht Recht zu haben ? „Ein Heer iſt eine Macht.“ Aber eine Macht, um zu kämpfen , nicht um zu beſchließen . Mochte Cromwell in die Mitte des Parlaments gehn , und es durch ſeine Beredſamkeit für ſeine Anſicht gewinnen , er war in ſeinem Rechte; aber das that er nicht. Man hat jedoch oft bemerkt , daß unregelmäßige Zeiten ein unre gelmäßiges Einſchreiten rechtfertigen können . Und Cromwell ſelbſt hat ſpäter zu ſeiner Rechtfertigung öffentlich geäußert , was die Be weggründe ſeines Benehmens aufdeckt.

Man hätte der Nation die

Kehle abgeſchnitten , während der Zeit , die man hätte feßen müſſen, um das Heilmittel zu finden und geſeßmäßig zu machen “ *). Vergeſſen wir außerdem nicht, daß das Gleichgewicht der Gewalten -

fich damals bildete ; daß die conſtitutionelle Welt aus dem Chaos

heraustrat, und daß wir jener Zeit unſre hellſten Einſichten ver danken.

Hammond hatte ſehr peinliche Verhandlungen mit dem Könige gehabt. Nachdem Karl mit den Engländern , Frländern und Schot ten widerſprechende Vergleiche geſchloſſen , hatte er ſich angeſchickt mit Berkeley und Ashburnham ſeine Entweichung vorzubereiten . Aber während er ſich mit ihnen davon unterhielt , waren die

Shloßthore verſchloſſen , und jede Möglichkeit zu entweichen zu nichte gemacht worden . Der König , ſehr aufgebracht, ließ Þam

mond rufen , und beklagte ſich heftig gegen ihn. „Sire , ſagte der Obriſt, Sie ſtehen zu hoch.“ . „Das könnte nur die Schuld meines Schuhmachers ſein , “ erwiderte der unglückliche Fürſt, „ und ich glaube nicht, daß er die Abfäße meiner Schuhe zu hoch gemacht.“ Er wiederholte zwei Mal dieſen faden Scherz,1 während er im Zimmer auf und abging. Das Schloß blieb verſchloſſen. Ham

mond war nicht mehr auf der Inſel Wight, als Cromwells Brief dort ankam . Der Obriſt Ewer war dort an ſeine Stelle getreten.

*) Ebend. III, p. 229. Speech. V. Sept. 17. 1656. 8

90

Während einer regnichten und ſtürmiſchen Nacht war der neue Gou verneur in die Gemächer des Königs getreten , und am folgenden

Morgen hatte er ihn in das Schloß Hurſt auf dem entgegengeſegten Ufer geführt. Zu London näherte fich die Entſcheidung. Das Heer hatte,, wie wir geſagt haben, eine Vorſtellung an das Parlament geſchickt, in der es unter andern verlangte, daß die Souveränität des Volks öffentlich ausgeſprochen und der König von nun an von den Ver tretern des Volkes gewählt werden ſollte. Das Parlament hatte dieſes Geſuch zurückgewieſen , und die Mitglieder des Unterhauſes hatten vorgeſchlagen , die Vorſteller des Hochverraths anzuklagen . Von da an wurde die Frage für die Independenten eine Frage der Selbſterhaltung. Sie hatten zwiſchen zwei Wegen zu wählen , der eine führte in die Einöden Amerikas, der andre nach London. Sie wählten den leßteren.

Eine Bemerkung muß hier Plaß finden. Cromwell hat ſich oft darauf geſtüßt, daß ſein Heer ganz anders als gewöhnliche Heere zuſammengeſekt wäre. Man muß in der That ſich erinnern , daß, während die Soldaten des Parlaments von Karl's Cavalieren im mer geſchlagen worden waren , Cromwell fromme Pächter und Bür 1

ger ihren Arbeiten und Familien entriſſen hatte, durch welche er

alle ſeine Siege davon getragen. „ Dieſe armen Leute , ſagte er 'am

A *

21. April 1657, welche ihr Leben bloß geſtellt, hatten einiges In

tereſſe dieſe Dinge zu prüfen. Es waren keine Söldner , ſondern Männer, die Frauen und Kinder unter dem Volke hatten , und die folglich fordern konnten , daß der Ausgang dieſer Angelegenheit geeignet war , ihnen einige Entſchädigung zu geben . “ (Lettres et Discours, III. p. 333.) *) Das Heer war , nachdem es einen Tag dem Gebet gewidmet, von Windſor abmarſchiert, unter dem Befehl des Generals Fairfax, und am 2. December in London angekommen. Montags, den vier

ten , hatte das Parlament die Frage wieder aufgenommen und ſie

*) Speech XIII, in Somer's Tracts VI, 389 etc.

8 dhe

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Dienſtags Morgens um 5 Uhr zu Gunſten des Königs und gegen das Heer entſchieden . Es hatten 129 Stimmen gegen 83 entſchies

den, die Antworten des Königs wären geeignet zur Grundlage des Friedens zu dienen. An der Mittwoch hatten zwei Regimenter das Parlament umſtellt, und der Obriſt Pride, eine Liſte in der Hand, hatte 41 der entſchiedenſten Mitglieder daraus entfernt ; andre waren bald darauf in den Tower oder auf's Land geſchidt worden.

Dann wurde der König in das Schloß Windſor geführt; er zeigte ſich erfreut, in einen ſeiner Paläſte zurückzukehren und ganz nach Hoffitte daſelbſt bedient zu werden . Prunkſaal, Thronhimmel, Kammerherrn , Vorſchneider , Haushofmeiſter, Mungichenk, der ihm den Becher knieend reichte, nichts fehlte ihm. Aber der in Wind for ſo glänzende Himmel bedeckte fich in London mit ſchweren Wolken. Am Tage , wo die Häupter der presbyterianiſchen Partei ſich vollends aus dem Unterhauſe zurückzogen , war der aus Schott

land zurückgekehrte Cromwell gekommen , um ſeinen Plaß im Par lamente wieder einzunehmen. Das Haus hatte dem Friedensſtifter Englands die lebhafteſte Erkenntlichkeit bezeigt. ,, Gott iſt mein Zeuge, ſagte er , daß ich nichts von dem gewußt , was zulegt in dieſem Hauſe geſchehen. Aber weil das Werk volbracht iſt, muß man es unterſtüßen ." Einige Mitglieder der Gemeinen ſchlugen vor , den König auf Hochverrath anzuklagen , da er die Urſache von alle dem in dem Legten Kriege vergoßnen Blute ſei. Oliver zau derte. „ Machte jemand einen ſolchen Vorſchlag auf eignen An

trieb, ſo würde ich ihn für den größten Verräther in der Welt halten ; aber da die göttliche Vorſehung und der Drang der Um . ftände ſelbſt uns dahin bringen , ſo kann ich Gott nur bitten , eure Rathſchlüſſe zu lenken.. Ich bin jedoch nicht vorbereitet, euch jest meinen Rath zu geben *).“ Reineswegs gab Cromwell den erſten Anſtoß , den König vor Gericht zu ſtellen . „ Ireton war es , der die Sache betrieb , ſagt

*) Neale , II, p. 532.

8*

92

Burnet; denn Cromwell war während dieſer ganzen Zeit in Unge wißheit darüber." * ) Seine Unentſchloſſenheit und ſeine Beängſti gungen wuchſen mit jedem Tage.

Wird er der mächtigen Fluth

weichen , die ihn fortreißt , und der nichts ſcheint widerſtehen zu können ? oder wird er fich lieber von den öffentlichen Angelegenhei ten zurückziehn , und die großen Angelegenheiten der bürgerlichen

und religiöſen Freiheit , für welche der Kampf entſtanden , auf I

opfern, und die Leitung der Staatsangelegenheiten ungeſchickten

Händen überlaſſen , deren Schwäche die Rückkehr des Despotismus und des Papſtthums unvermeidlich herbeiführen wird ? Niemals vielleicht fand in dem Herzen eines Mannes ein ſo furchtbarer Kampf Statt.

Die Episkopalen , die Presbyterianer Englands , die ſchottiſche Kirche erhoben Einſpruch gegen die Stellung des Königs vor Ge richt. Einige ausländiſche Fürſten thaten daſſelbe durch ihre Ge I

ſandten .

Das Parlament, ohne darauf Rückſicht zu nehmen , unter

warf Karl dem Urtheil eines hohen Gerichtshofs, der aus 135 Mitgliedern unter dem Vorſiß von John Bradſchaw beſtand. Am 20. Januar 1649 wurde Karl vor die Schranken geführt. Crom well neigte ſich gegen das Fenſter, und als ſeine Blicke dem Könige begegneten , kehrte er ſich ſogleich um , blaß wie der Tod. Der Schrecken , den ihm der Ausgang einflößte, welchen Alles damals zu verkünden ſchien , erregte in ſeinem Herzen eine unausſprechliche Be

we

wegung.

Wir nähern uns einer Kataſtrophe, der man ausweichen möchte,

die aber ( die Gerechtigkeit verlangt das anzuerkennen) weſentlich von der verſchieden iſt , welche im Jahre 1793 die Welt in Schrecken WI

feßte. Wenn das Wohl der Nation nicht geſtattete, daß Karl auf dem Throne Englands blieb , mußte er denn vom Throne auf das Schafot ſteigen ? Gewiß nicht. Die Begünſtigung ſeiner Flucht ins Ausland wäre die zweckmäßigſte Maßregel geweſen . Dieſe wurde fpäter bei Jacob II., und in unſern Tagen bei Karl X. *) Burnet's Own Times , I, 63 .

93

und Ludwig Philipp ergriffen. Zu ihr wollte, wie wir geſehen haben , aller Wahrſcheinlichkeit nach auch Cromwell ſeine Zuflucht nehmen. Aber die Zeiten waren vorgerückt; Cromwell war nicht mehr Herr ſeiner Lage. Die Furcht, die künftige Ruhe der Nation bloß zu ſtellen , ließ jeßt über den König eine grauſame Strafe verhängen. Man muß eine Zeit beweinen, wo man ſo verſchwen deriſch Menſchenblut vergoß.

Man muß bedauern , daß ſelbſt die

Majeſtät des Thrones einen ſchuldigen Fürſten nicht ſchüßte. Aber alle Urkunden des 16. und 17. Jahrhunderts bezeugen , daß man

zu jener Zeit zum Tode verurtheilte , wie man jeßt zu zeitweiligem Gefängniß verurtheilt.

Man kann ſich hier nicht enthalten , ein merkwürdiges Zeugniß

Clarendon's anzuführen , in welchem dieſer royaliſtiſche Geſchichts ſchreiber ſein Endurtheil über Cromwell's . Charakter niederlegt. „ Um ſein Charakterbild zu beendigen , ſagt er, liebte er Blutvergie ßen nicht genug, um Macchiavelli's Methode zu befolgen , welcher ſagt , daß man bei einem gänzlichen Regierungswechſel nothwendig die Köpfe derer , welche die frühere Regierung lieben , abſchla 1

gen und ihre Familien vernichten müſſe. Man weiß aus guter

Quelle, daß mehr als einmal in der Verſammlung der Offiziere vorgeſchlagen worden war , ein allgemeines Gemegel der königlichen Partei zu veranſtalten , als das einzige Mittel , die Regierung zu befeſtigen , aber daß Cromwel niemals hat beiſtimmen wollen *)." Alſo, nach dem großen politiſchen Gegner Cromwell's, war der General nicht blutgierig . Man hat vielleicht nicht genug die Art und Weiſe gewürdigt, durch welche er Karl's Todesurtheil zu unterzeichnen bewogen wurde. Wir haben bereits bemerkt , daß ſein Hauptirrthum in reli giöſer Beziehung darin beſtand, daß er bisweilen als Beweggrund für ſein Benehmen mehr inneren Antrieben , die er Gott zuſchrieb, als den ausdrücklichen Geboten der heiligen Schrift folgte. Er hatte, was man ſo einen beſondern Glauben genannt hat.

*) Hist. de la Rébellion. Livr. XV. fin .

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Wenn er während des Gebetes , oder bald nachher eine lebendige Ueberzeugung im Geiſte empfand, ſo glaubte er , dieſer Eindruck komme unmittelbar von Gott , und er müſſe ihm , wie der Stimme Gottes ſelbſt, folgen . Blieben dagegen ſeine Andachten matt , ſo war das für ihn ein Wink, davon abzuſtehn. Es iſt das ein häu

figer Irrthum frommer Seelen, und man könnte ihm die und die Benennung geben , gefeiert durch ihren Geiſt der Milde und des

Friedens, welche Cromwell's Geſinnung zum Theil entzweit. Da Herr powe , einer von Cromwell's Kapellanen , wußte, wie ſehr dieſe Idee unter den Frommen Englands verbreitet war , und er eines Tages in White- Hall eine Predigt gehört hatte , in welcher der Prediger ſich bemühte , ſie zu vertheidigen : ſo hielt er es für ſeine Pflicht ſie zu bekämpfen , als die Reihe zu predigen an ihn kam . Oliver folgte ihm fehr aufmerkſam , runzelte bisweilen die Stirn und verrieth eine große Aufregung. Nach der Predigt kam eine Perſon von Auszeichnung zu Herrn Howe und fragte ihn , ob er wiſſe , was er gethan , indem er hinzuſeßte , daß es ihm ohne

Zweifel viel Mühe koſten würde , ſich jemals mit Cromwell wieder auszuföhnen . „Mag daraus werden was Gott will ,“ erwiderte der Rapellan. Er bemerkte, daß von dieſem Augenblicke an Crom well zurückhaltender gegen ihn war , als er bis dahin geweſen ; jedoch Herr Howe blieb in ſeinem Amte als Kapellan : und es iſt das ein Beiſpiel unter mehrern von der duldſamen Geſinnung n

Cromwell's und wie ſehr er die Meinung eines Andern achtete.

Dieſer Irrthum leitete ihn in dem Gericht über den König, und benahm ihm ſeine Zweifel und Bedenklichkeiten . John Crom well, damals in holländiſchen Dienſten , war von Seiten der Prin zen von Wales und Oranien nach England gekommen , um die Ret tung des Königs zu verſuchen . Eingeführt bei ſeinem Vetter Oliver, erinnerte er dieſen an die treuen Geſinnungen , die er ihm vormals in Hampton -Court gezeigt. Dieſer, noch ungewiß über die Richt ſchnur ſeines. Verhaltens , erwiderte , daß er oft gefaſtet und gebetet habe, um Gottes Willen in Betreff des Königs kennen zu lernen, daß ihm aber Gott noch nicht ſeinen Weg kund gethan. Als John abgetreten , ſuchten Cromwell und ſeine Freunde von Neuem im Ge

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bet den Weg , den ſie einſchlagen müßten. Oliver zeigte ſpäter bei einer feierlichen Gelegenheit (am 22. Januar 1655 , in der Rede an das erſte Parlament), welches die Richtſchnur ſeines Verhaltens in ähnlichem Falle war. „Die Menſchen , welche ohne Gott in der Welt ſind , und die nicht mit ihm wandeln , wiſſen nicht, was es heißt beten , glauben , Antworten des Herrn empfangen , innerlich durch den Geiſt Gottes unterrichtet zu werden ,1 der zuweilen ohne /

das geſchriebene Wort redet , jedoch immer in Uebereinſtimmung mit demſelben. Gott hat vor Zeiten manchmal und auf mancherlei Weiſe geredet (Hebr. I, 1 ). Man laſſe ihn reden, wie es ihm gefällt ! "

Während dieſes nächtlichen Gebetes , wo er den Ewigen be fragte, fühlte Oliver in ſich die Ueberzeugung, daß Karl's Tod allein England retten könne. Von da an war Alles geſagt: Gott hatte geſprochen . Seine Unentſchiedenheit hörte auf; er mußte jeßt handeln und dieſen Willen erfüllen , wie furchtbar er auch ſein mochte. Um ein Uhr des Morgens klopfte ein Bote des Generals

an die Thür der Herberge , wo ſich John Cromwell befand , und benachrichtigte ihn , daß ſein Vetter endlich aus ſeinen Zweifeln berausgetreten wäre , und daß ale ſeit langer Zeit von den ent

ſchiedenſten Republikanern vorgelegten Beweisgründe durch den Wil len des Herrn ſelbſt fich beſtätigt fänden. — Begeiſterung war alſo die Urſache von Cromwell's frrthum. Es liegt hier ein ſehr ſchwe res religiöſes Vergehen vor ; aber mindert nicht das religiöſe das moraliſche ? Iſt ein Menſch, der Gott zu gehorchen wünſcht, eben ſo ſchuldig wie der , welcher ſich entſcheidet nur ſeiner Leidenſchaft zu gehorchen ? Iſt nicht der Wille Gottes die oberſte Richtſchnur für das Gute und Böſe ?

Wir wollen hier die Worte des Herrn von Chateaubriand an

führen , (der ſicherlich nicht verdächtig iſt). in Betreff der Zeiten, deren Geſchichte wir durchgehen , wenn auch nicht in Betreff der That, die uns beſchäftigt. „In jener Zeit herrſchte der Glaube überall, außer bei einer Zahl von Freigeiſtern und Philoſophen ; er gab den Vergehen und bisweilen den Verbrechen einen ernſten , ſogar einen ſittlichen Anſtrich , wenn man ſo ſagen darf , indem er

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dem poliſchen Opfer das Bewußtſein des Märtyrers und dem Frr thum die Ueberzeugung der Wahrheit verlieh." *) Dieſer reli: giöſe Jrrthum iſt nach unſrer Anſicht der einzige bedeutende Flecken , der fich an Cromwell findet. Er iſt zu gleicher Zeit der Schlüſſel, der ſein ganzes Leben öffnet und erklärt. Seine Frömmigkeit war eine aufrichtige, aber nicht immer eine aufgeklärte. Wenn jedoch dieſer frrthum das Unrecht des Protectors ſehr mildert , ſo ſoll doch das Vergehen , zu welchem er ihn verleitete, auf immer in der Geſchichte als ein Schredbild ſtehen bleiben , geeignet alle die in Schrecken zu Teßen , welche ihr Verhalten eher von innern Eingebungen könnten abhängig machen laſſen , als von gewiſſen , beſtimmten und immer bekannten des göttlichen Wortes , welches niemals täuſcht.

Es folgt nun eine Urkunde, welche wir in Betracht ihrer Wich tigkeit nicht glauben übergehen zu können.

Todesurtheil des Königs **).

An den Obriſten Franz Hacer , an den Obriſten þunds, an den Obriſt lieutenant Phayr, und an einen jeden von ihnen.

Der hohe Gerichtshof für das Gericht über Karl Stuart, König von England. Den 29. Januar 1648 ( 1649 , neuen Stils) .

,,In Betracht, daß Karl Stuart , König von England , iſt und bleibt beſduldigt , überführt und verurtheilt wegen Hodiverraths und

andrer Verbrechen , und daß das Urtel letzten Sonnabend von die ſem Gerichtshof gegen ihn gefällt worden iſt , nämlich daß er zum Tobe gebracht werde, indem ſein Haupt vom Körper getrennt wird ; ein Urtel , deſſen Vollſtreckung noch übrig bleibt : fo feid ihr gebeten

*) Les Quatre Stuarts (Oeuvres complètes ។, vol. VI, p . 147. ) **) Lettres et Discours I , p . 443.

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und aufgefordert durch Gegenwärtiges, zu wachen, daß beſagtes Urtel vollſtändig vollſtreckt werde , auf offner Straße , vor White - Hal , am Morgen des dreißigſten Tages dieſes Monats Januar , zwiſden zehn Uhr des Morgens und fünf Uhr des Nachmittags. Und um das

zu thun , ſei dieſes eure Gewähr. Und ihr ſeid ermächtigt, alle Offiziere und Soldaten und alle andern ehrlichen Leute dieſer engli ſdhen Nation aufzufordern , eud, bei dieſer Pflicht zu unterſtützen .

Gegeben mit unſern Unterſdriften und unter unſern Siegeln. John Bradſhaw , Thomas Grey , Lord Groby , Dliver Cromwell , und ſechs und funfzig

andere Unterſdriften.

Wir werden den Tod des unglücklichen Karl I. nicht ſchildern. Weſſen Herz würde nicht brechen beim Anblick dieſer Trauerſcenen . Man iſt über den Fanatismus empört, der einen Fürſten auf's

Schafot brachte; man iſt entrüſtet über die Füße , die eilend find Blut zu vergießen ; man möchte das verhängnißvolle Beil

aufhalten und den Todesblock weit fortſchleudern . .... Und doch kann man ſich der Ueberzeugung nicht erwehren , daß die Scheidung zwiſchen England und den Stuarts unvermeidlich und Gottes Be fehl ſelbſt war . Die Nachwelt hat das Schafot beſchimpft, aber dieſe feierliche Scheidung beſtätigt.

Karl I. ſtand höher als ſein Sohn ; er war keuſch , mäßig ; er hatte (was unmöglich war) mehr eine gewiſſe Mitte zwiſchen dem Proteſtantismus und Papismus einnnehmen , als den Papismus felbſt annehmen wollen. Aber es war in ihm keine Treu und kein Glaube. Er fügte ſich zu ſehr aus Gewohnheit den verhängniß vollen Einflüſterungen der Bourbons ; und es iſt augenſcheinlich, daß , wäre er in dieſem blutigen Kampfe Sieger geweſen , die Frei ,

heit und Religion Englands zu Grunde gegangen wäre. Seine fortdauernden Lügen hatten ihm die größte. Zahl ſeiner Anhänger entfremdet. „Unheilbar in ſeiner Doppelzüngigkeit, ſagt Herr

Guizot, weil er ſich gegen ſeine aufſtändiſchen Unterthanen an

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!

nichts gebunden glaubte , dachte Karl auf ihr Verderben , während er ſie um Hülfe anflehte. " * )

„ Er machte einen häufigen Gebrauch von inneren Vorbehalten, ſagt Rapin Thoiras , indem er ſich hinter zweideutige Ausdrücke

verſteckte. Das war eine von den Haupturſachen ſeines Sturzes, ſegt er hinzu . Man war ſo überzeugt, daß er in ſeinen übernom menen Verpflichtungen nicht ehrlich handele , daß das Parlament ſich ſogar nicht entſchließen konnte, über die Vorſchläge zu berathen , die ihm der König machte." **) Hier folgt ein Beiſpiel. Der

König hatte eingewilligt, beiden Häuſern den Namen Parlament zu geben ; aber am 2. Januar 1645 ſchrieb er der Königin : „Der Grund, der mich dazu beſtimmt hat , iſt geweſen , daß eine einfache Benennung keine Anerkennung iſt.“ – Wenn der Vertheidiger Karl's , Clarendon , uns berichtet, daß dieſer Fürſt kein Bedenken 1

trug , Urkunden zu unterſchreiben, deren Verwerfung er beſchloſſen hatte , fügt er hinzu , daß er ſo nach dem Grundlage verfuhr , die

Beſtätigung einer an und füt fich nichtigen Urkunde verſchaffe ihr keine Giltigkeit. Der berühmte Geſchichtſchreiber ftüßt dieſen Grund ſaß mit der Autorität des Ariſtoteles, der an dem Hofe Karl's mehr Glauben ſchien gefunden zu haben als das Wort Gottes. Die Verräthereien Rarl's find ſpäter an's Licht gezogen wor

Nach der Reſtauration ſchrieb der Graf von Glamorgan , der geheime Agent des Königs in Jrland , einen Brief , der Karl II. vorgelegt werden ſollte. In dieſem Briefe , den uns der römiſch katholiſche Geſchichtſchreiber Herr Lingard mittheilt ***), ſagt Gla: morgan : „Ein Heer von 10,000 Mann ſollte aus Jrland durch den nördlichen Theil von Wales kommen ; ein andres, wenigſtens eben ſo ſtarkes, geführt unter meinem Oberbefehl von Herrn Franz Gage , als Generallieutenant, ſollte meine Rückkehr in dem Süden dieſes Fürſtenthums erwarten ; ein drittes Heer ſollte aus ungefähr 6000 Mann beſtehn; nemlich 2000 Lüttichern , befehligt von Sir den .

* ) Guizot , Révolution d'Angleterre , II, p . 180.

**) Histoire d'Angleterre, IX . p. 748. Lond. 1839 . *** ) Not. B. Vol X der Hist. of England .

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Franz Edmonds , 2000 Lothringern , unter den Befehlen des Obri ſten Browne , und 2000 Franzoſen , Engländern , Schotten oder gr

ländern aus Flandern oder Holland. Die Unterhaltung dieſes Hee res ſollte dem Papſte und den katholiſchen Fürſten obliegen , welche der Papſt an dieſem Plane würde Theil nehmen laſſen. Er hatte

fich verbindlich gemacht, monatlich 30,000 Pfund St. zu zahlen, beſtimmt anfangs das ausländiſche veer , dann die andern Corps zu beſolden . Zu dieſem Ende war ich ermächtigt, fährt Karl's Agent fort, mit dem Papſte und den katholiſchen Fürſten zu un terhandeln und den römiſchen Katholiken beſondere Vortheile zu verſprechen. Meine Vollmachten zu unterhandeln und abzuſchließen waren vom König mit ſeinem kleinen Siegel unterſiegelt. Ich ſollte

die Namen des Papſtes und der Fürſten ausfüllen , für die Play gelaſſen war , damit der König , Dank dieſer Ausflucht, ein Mittel

hätte den mir gegebenen Auftrag abzuleugnen , wenn er deshalb von ſeinen Unterthanen angeklagt würde. Ich opferte mich gewiſ fermaßen für ſeine Majeſtät auf , aber ich that es freiwillig.“ Der Art waren Karl's Ränke.

Während die Kirche jene Worte des heiligen Iſidorus oft wie derholt hatte, die man in den Saßungen des vierten Toledaniſchen Concils lieft : ,, Derjenige iſt König , der ſein Volk gerecht regiert, außerdem ſoll er nicht mehr König ſein ; " während das Papſtthum für ſich das Vorrecht in Anſpruch nahm , Tyrannen abzuſeßen , und

es gegen Heinrich III. und Heinrich IV. von Frankreich zum Ge genſtand des öffentlichen Predigens gemacht hatte , beanſpruchten mehrere der frömmſten Männer dieſer Zeit , Milton und viele An dere, dieſes Recht für das Volk. „Wenn ich die Tyrannen be -

ſchuldige , was geht das die Könige an“, ſagt der Dichter. Mehrere glaubten in England, Karl I. verdiene den Tod we gen ſeiner Treuloſigkeiten , und ſeine Eigenſchaft als König ſei kein Hinderniß für das Parlament, Gerechtigkeit zu handhaben. Das Parlament, ſagten ſie, iſt Fürſt in dieſem Lande, wie der König und mehr als der König. Männer ſogar, die keinen Theil an dem 1

Gericht über Karl hatten , haben dieſes Gericht für geſekmäßig ge halten , und der berühmte Geſchichtſchreiber Rapin Thoiras berichtet

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uns die Gründe , die nach ihnen das Parlament rechfertigten. „ Nach den Saßungen der engliſchen Regierung , ſagten ſie , iſt der König

eben ſo wie ſeine Unterthanen gehalten die Gefeße zu beobachten, denen er ſelbſt oder ſeine Vorgänger ihre Zuſtimmung gegeben haben. Das iſt die Hauptbedingung in dem Eide , den man ihn bei ſeiner Krönung leiſten läßt. Iſt dieſe Verbindlichkeit auf beiden

Seiten gleich , ſo muß es alſo dieſelbe erfüllen zu laſſen . Die Geſeße ſind aller Welt bekannt, ſen ſie zu verhängen. Wahr iſt

gleicherweiſe Mittel geben , um ſie Strafen gegen die Uebertreter der und die Gerichtshöfe ſind angewie es , die Geſeke haben keine Strafen

gegen die , Könige feſtgeſtellt, die ihrer Pflicht fehlen würden , eben 1

ſowohl ohne Zweifel aus Achtung vor der königlichen Würde , als

weil man nicht hat annehmen können , daß der König , dem die Sorge für die Vollſtreckung der Geſeke obliegt, der erſte ſein würde

ſie zu verlegen und das Vertrauen zu täuſchen , welches das Volk auf ihn geſeßt haben würde. Dennoch iſt er ſelbſt gehalten , ſie zu beobachten und ſie von ſeinen Unterthanen beobachten zu laſſen : >>

das iſt ein von aller Welt anerkannter Grundſaß. Aber was wird aus dieſer Verpflichtung, wenn die Beobachtung der Geſeße ein

zig und allein von ſeinem Willen abhängt , wenn es kein geſet liches Mittel giebt , ihn zu ihrer Beobachtung zu zwingen , oder ihn zu ſtrafen , wenn er ſie verleßt hat ? Sie iſt dann nur ein leeres, nichts bedeutendes Wort , und die Regierung Englands wird eben ſo despotiſch ſein , wie die irgend eines andern Landes in der Welt.

Es iſt alſo natürlich, daß das Parlament , welches das Volk ver tritt , den König Rechenſchaft über ſeine Handlungen ablegen laſſe. Angenommen , der König habe die Hauptgrundſäße des Reiches ver leßt, wird man ſich an das Ausland wenden , um ihn beſtrafen zu laſſen ? Wird man der Erfahrung zuwider behaupten , es ſei unmög: lich , daß ein König die Grundſäße verleße und eine Willkührherr ſchaft zu gründen verſuche? Wird man es vertheidigen , daß er es

ungeſtraft thun dürfe ? Aber wenn er der Strafloſigkeit verſichert iſt, welchen Unterſchied wird es geben zwiſchen der Regierung Eng lands und den Regierungen , die am meiſten despotiſch ſind, weil ihre Beobachtung nur von dem Willen des Königs abhängen wird ?

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Wenn er bei dem Verſuch , die Regierungsverfaſſung zu ändern, keine Gefahr läuft , ſo wird er , nachdem er es zehn Mal verſucht hat , zum elften Male wieder kommen , bis er endlich ſein Ziel er reicht hat. „ Was den Einwurf betrifft, daß man da weniger ge waltſame Mittel als den Krieg haben kann , um den König zur Beobachtung der Geſeße zu nöthigen , und weniger ungewöhnliche, als ihm das Leben zu nehmen , um ihn für ihre Uebertretung zu beſtrafen : ſo ſtimmt man damit überein ; und das Parlament hatte in der That verſucht, die Regierung durch andre Mittel zu ſchüßen ,

Z. B. durch das an den König geſtellte Verlangen , die Gewalt der Miliz in die Hände des Parlaments zu legen.

Hätte Karl dem

beiſtimmen wollen , ſo wäre der Friede des Reichs erhalten worden ; aber im Gegentheil, er ergriff die Waffen , um das Parlament zu hindern von dieſen Mitteln Gebrauch zu machen , ein offenbares Zeichen , daß ſeine Abſicht war , ſich die Möglichkeit zu ſichern , die Regierung zu ändern , ſobald ſich dazu Gelegenheit finden würde. Dieſer ungerechte Krieg war die Urſache von unzähligen Uebeln, von dem Tode einer großen Anzahl feiner Unterthanen und von

dem Verderben aller andern ; und wenn man den Fürſten vor Ge richt hat erſcheinen laſſen , ſo geſchah das weniger, um ihn wegen Verlegung der Geſeke zu beſtrafen, als weil er das ungerechte und gewaltthätige Mittel , die Waffen , den ihm vorgeſchlagenen vor gezogen hatte." * )

Troß dieſer Gründe glauben wir nicht, daß ein König jemals dürfe zum Tode verurtheilt werden , und eins von den ſchönſten Ergebniſſen der neuern conſtitutionellen Grundfäße iſt dieſe Unver antwortlichkeit der Monarchen , die ſie vor den Vergehen ihrer Re gierung ſichert. Der Tod des Königs muß auf immer in der Ges ſchichte den Stempel der Mißbilligung tragen ; wir verdammen ihn

auf die entſchiedenſte Weiſe. Aber wenn die Anſicht Milton's und ſo vieler Engländer des 17. Jahrhunderts ein Irrthum iſt, ſo iſt

es ein frrthum wie der Melanchthon's , Farels , Calvin's, der *) Hist. d'Angleterre par Rapin Thoyras , t. IX. p. 740 .

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Kirchen von Bern , Zürch , Schafhauſen und Baſel in der Sache Servet's. Wir verwerfen mit Abſcheu den Tod des Rezers , wie den des Despoten. Wir verwünſchen dieſe Hinrichtungen , wie wir die Scheiterhanfen des Johann Huß verwünſchen, des Savonarola und der Tauſende von Schlachtopfern , die Rom hingerichtet. Und dennoch glauben wir , man müſſe der Zeit Rechnung tragen . Es liegen nicht 144 Jahre zwiſchen dem 30. Januar 1649 und dem

21. Januar 1793 , es ſind mehrere Jahrhunderte. Eine der erſten Bedingungen für das richtige Verſtändniß der Geſchichte iſt , daß

man ſich in die Zeiten , von welchen wir ſprechen , verſeke. Nun aber giebt es wenige, die genug geiſtige Kraft beſißen , um das zu thun , und daher ſo viele Vorurtheile.

Man hat die Richter Karl's I. des Königsmordes angeklagt. Aber welche Menge von Menſchenmördern würde es denn nicht in der uns umgebenden Geſellſchaft geben ! Alle Richter, die einen Schuldigen verurtheilt, hätten dieſes Verbrechen begangen. Denen,

M

welche die Geſeßlichkeit der Todesſtrafe vertheidigen (wir werden

uns hier auf dieſe Streitfrage nicht einlaſſen ), ſteht es übel an, gegen die Richter Karl's I. ſo heftig aufzutreten. Ein Menſch bleibt immer ein Menſch; Blut bleibt immer Blut. Iſt es das Ebenbild Gottes im Menſchen , das man anzutaſten fürchten muß , ſo muß dieſes Ebenbild überall geachtet werden . Es fand in dieſem Falle bei Karln I. eine irrthümliche Handhabung des ius necis Statt, das durch das Sinnbild des Schwerdtes , womit die Gerechtigkeit

bewaffnet iſt, verkündet wird ; es fand hier kein Königsmord Statt. Der Königsmörder meuchelmordet einen König ; aber ein Gericht iſt kein Meuchelmord. Ehrliche, aber verirrte Menſchen ſagten mit der Bibel : D Ewiger , deine Feinde ſollen untergebn ! Sie hatten nicht erkannt, daß nach dem Neuen Bunde das Ge bot , welches ewig bleibt, heißt : Liebet eure Feinde ! – In unruhigen Zeiten erhoben Bauern , die mit Recht gegen ihren Guts herrn erbittert waren, furchtbare Drohungen gegen denſelben . Der Paſtor trat auf die Kanzel: ,, Der Tag der Freiheit und der Kache iſt gekommen “ , rief er ; „ ich werde euer Führer ſein. Schwöret mir zu folgen !" Alle ichwuren . Darauf fuhr der Paftor fort :

1

M

.

U

1

103

„O allmächtiger Gott ! ich ſchwöre dir , mich an meinem Gutsherrn zu rächen ....., indem ich ihm verzeihe ; denn du haſt geſagt : Rächet euch nicht ſelbſt, denn die Rache iſt mein ! " Und die ihrem Schwur getreuen Bauern folgten dem Beiſpiele ihres .

Das will das Evangelium . Aber im 17. Jahrhunderte

Paſtors.

achtete man in dieſem Falle auf das Alte Teſtament, und das iſt im höchſten Grade , wie man es in unſern Tagen nennt , ein mil dernder Umſtand.

Fügen wir einige Einzelnheiten hinzu , die den beträchtlichen Unterſchied fühlbar machen , die ſich zwiſchen dem Tode des ſchul digen Karl und dem des unglüdlichen Ludwigs XVI. finden.

Man ſekte für jedes der königlichen Kinder , die ſich noch in Eng land befanden, ein Einkommen von 1000 Pid. Sterl. feft. Ferner befahlen die Gemeinen , daß der Leichnam Karl's im Palaſte von Windſor begraben werden ſollte, in der Kapelle des heiligen Georg,

wo der Leichnam Heinrichs VIII. und der Johanna Seymour ſei ner dritten Frau beigefekt worden war. Sechs ſchwarz behangene Pferde zogen den Sarg , andre Wagen folgten , und der Graf von Richmond , der Marquis von Hertford, die Grafen von Southamps .

ton , Lindſay , der Biſchof furon und die Diener des Königs er: wieſen ihm die leßte Ehre. Um dieſe Trauer - Scenen zu mildern und dem Geiſt Ruhe zu

geben , wollen wir einen vertrauten Brief anführen , der vom Lord lieutenant bald nach dieſer Kataſtrophe geſchrieben worden iſt. Man fühlt ein Bedürfniß ihn zu leſen , um ſich von dem Eindruck zu erholen , den das Todesurtel Karl's gemacht hat. Bei Crom well ſchreitet man plößlich vom Bittern zum Süßen , vom Süßen zum Bittern. Sein Sohn Richard hatte ſich eben verheirathet, und der folgende, an ſeine junge Frau gerichtete Brief tönt wie eine ſanfte Melodie mitten in einem ſchauberhaften Sturme.

An meine vielgeliebte Tochter Dorothea Cromwell. Hurslev , am Bord des Johann, 6. 13. Aug. 1649. 11

Meine liebe Tochter , Dein Brief iſt mir ſehr willkommen ge

weſen. Ich mag gern etwas von Deiner Hand beſißen , weil ich

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Dich in Wahrheit, ich trage kein Bedenken es zu ſagen, von ganzem

Herzen liebe ; und deshalb hoffe ich, daß ein guter Rath Dir nicht unwillkommen ſein wird.

Ich wünſde , daß es Deine Hauptſadie ſei , den Herrn zu ſudjen und ihn häufig zu bitten , ſidy Dir in ſeinem Sohne zu offenbaren ;

denn er wird zu Deinem Ohr und zu Deinem Herzen reden , wenn Du aufmerkſam darauf biſt. Idy wünſdhe, daß Du Deinen Mann aufforderſt dasſelbe zu thun. Was die Freuden dieſes Lebens und die äußern Dinge anbetrifft, ſo laß ſie den zweiten Platz einnehmen. Stelle Dich über alle dieſe Dinge durch den Glauben an Chriſtum : dann wirſt Du ihren wahren Gebrauch und den wahren Troſt fen nen lernen ;

außerdem nidyt! -

3d finde große Befriedigung

in der Hoffnung, daß Dein Geiſt auf dieſem Wege iſt. Ich wün ſche, daß Du wadyfeſt in der Gnade und in der Erkenntniß unſer8 Herrn und Heilandes Jeſu Chriſti , und daß ich es ſpäter erfahre.

Der Herr iſt ſehr nahe. Das ſehen wir aus ſeinen wunderbaren Thaten, und deshalb erwartet er, daß wir, die wir dieſem Geſchledyte angehören , uns ihm nähern. Dieſe legte große Erlöſung , die uns in Irland zu Theil geworden, iſt eine glänzende Offenbarung davon. Dein Mann wird Didy damit bekannt madjen. Unſre Herzen ſollten 1

ſich zur Dankbarkeit erweckt fühlen. Wir bedürfen ſehr des Geiſtes Chriſti, um uns fähig zu machen , Gott für eine ſo bewunderungs würdige Barmherzigkeit zu loben. Der Herr fegne Didy, meine liebe Tochter. Ich bin Dein Dir gewogener Vater, Oliver Cromwell.

Nadſdrift. !

3dh habe vernommen , daß Du kürzlich eine Fehlgeburt gehabt. Ich bitte Dich, nimm Dich ſorgfältig vor Wagen jeder - Art in Acht. Leihe Dir das kleine Pferd Deines Vaters , wenn Du ausgehen willſt.“

Man lieſt gern Cromwell's Briefe an ſeine Kinder. Welche Weisheit und welch zärtliche Liebe findet man nicht in dem ſoeben angeführten !

Stellt euch durch den Glauben an Chris

ftum über alle äußere Dinge , und dann werdet ihr

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ibren wahren Gebrauch und den wahren Troſt finden. Wie wahr iſt dieſes Wort , und wie verräth es eine Seele, welche in die Tiefen des chriſtlichen Lebens hinab geſtiegen. Und was die Nachſchrift anbetrifft, wie ſticht ſie in ihrer zarten Beſorgniß ab von jenem furchtbaren Blicke, von jener ehernen Stirn , die wir an dem Protector finden , wenn er Aber außerdem nicht! -

die Feinde der Republik bekämpft.

Es ereignete ſich nach dem Tode des Königs eine Scene, die wir am Schluß dieſes Kapitels nicht vergeſſen dürfen ; es iſt eine von denen , von welcher einer der Hauptgegner Cromwell's unter

den Schriftſtellern unſrer Zeit , Herr Southey , ſagt : „Dergleichen Handlungen wurden von ihm in Widerſpruch mit ſeinem guten

Naturell ausgeführt, nicht zur Befriedigung verderbter Gefühle.“ Man darf ſich jedoch fragen, ob gerade dieſe Handlung im Wider

ſpruch mit Dliver's gutem Naturell ſteht? –

Karl war

todt. Mit Recht war nach Cromwell's Anſicht der Lebensfaden des

Fürſten zerſchnitten worden ; aber Oliver war , wie wir geſehn , lange Zeit vor dieſem furchtbaren Aeußerſten zurückgewichen ; er hatte geweint , als er den König ſeine Kinder umarmen ſah. Cromwell wollte den enthaupteten Körper des Königs ſehn. Seine größten Gegner bezeugen ihm, daß er nicht grauſam war ; und hätte er geglaubt ein Verbrechen begangen zu haben , würde er ein ſolches Schauſpiel aufgeſucht haben ? Aber wichtige Lehren enthielt der Anblick der ſterblichen Ueberreſte des Monarchen . Cromwell öffnete den Sarg und betrachtete dieſen entſeelten Körper ohne Grauſam keit, ohne Zorn , aber mit Schwermuth und einer ehrerbietigen Furcht, wie ein Menſch , der bei dem Gedanken an die Gerichte Gottes zittert. Für Cromwell hatte der Tod , den er ſo oft ge fehn , dem er ſo oft auf dem Schlachtfelde die Stirn geboten hatte, nichts Befremdendes, er war vertraut mit ihm. Das einzige Ge fühl, welches er ausdrückte, war Erſtaunen über Karl's ſtroßende

Geſundheit und Kraft , und daß dieſer Körper, den das Schwerdt zu Boden geſtreckt, ach ! für ein langes Leben gemacht war.

Die

Seele Oliver's war , wir dürfen nicht daran zweifeln , von jenem feierlichen Gefühl erfüllt, welches der Anblick eines Todten erzeugt. 9

1

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Und welcher Todte war es , der zu ſeinen Füßen ausgeſtreckt lag ! 1

Es war ein Sohn von Königen , ein mächtiger Fürſt, ein Beberr

ſcher von drei Königreichen , ein Monarch , der ſich angemaßt hatte, den neuen Aufſchwung der Völker zur Freiheit und Wahrheit auf

zuhalten , der , indem er mit der einen Hand die alten Freibriefe ſeiner Nation zerriß , die andre dem despotiſchen Papſte zu Rom hingeſtreckt hatte. Bei dem Anblick ſeines Königs, des blaſſen und lebloſen , welche Gefühle drängten ſich in dem betrübten Herzen Cromwells ! „Man hat deine Bracht hinabſteigen laſſen in das Grab “ , dachte er ., wie ehemals ein Prophet ; „ Motten werden dein Bette ſein und Würmer deine Dede.

Ge

dachteſt du doch in deinem Herzen : Ich will in den Him mel ſteigen und meinen Stuhl über die Sterne Gottes erhöhen. Ja zur Hölle fähreſt du , in die Tiefe der Grube.

Wer dich ſiehet , wird dich ſcheuen und anſehn und ſagen : Iſt das der Mann , der die Welt zittern und die König reiche beben machte ? (Jeſ. XIV.) Cromwell vor dem Leichnam Karl's I. , iſt das nicht eine Scene , deren Schilderung einen Shakespear verlangen würde, einen Milton , oder einen noch er habeneren Geiſt ? .....

Uebrigens , England trug nicht allein die Schuld. „Die Mehr zahl der europäiſchen Mächte“ , ſagt ein dem Protector ſehr feind lich geſinnter Schriftſteller, „ hatte im Geheimen die Aufſtände ge nährt , ſie thaten nichts zur Abwehr der Kataſtrophe. Frankreich beſonders batte verrätheriſch in Betreff des Königs gehandelt.“ Lord Clarendon beklagt ſich beftig über dieſe Rolle der ausländi ſchen Souveräne beim Tode Karl's. Die Empörung der Unter

thanen gegen ihren Fürſten hätte von allen andern Königen als ein gegen ihre eigne Souveränetät gerichteter Angriff betrachtet werden müſſen ." Und Southey hat „die Leiden , welche Frankreich bat erdulden müſſen und die Spanien erduldet und noch erdulden

wird " , als eine von den Seiten betrachtet, die zur Unterweiſung der Menſchen in dem geſchrieben ſind , was Bacon die Historia Nemesios genannt hat. 4 1

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Man muß wenigſtens ſich erinnern , daß Karl's I. Schafot die That Mehrerer war , und jene ungerechten und beſchränkten Vor urtheile aufgeben , welche dieſes ganze Vergehen ausdrücklich einem Manne aufbürden , der es ſo lange Zeit zu verhüten ſuchte. Die lange Zeit durch Hume verfälſchte öffentliche Meinung, der in dieſem Theile ſeiner Arbeit die Unparteilichkeit des Geſchicht ſchreibers aufgiebt und zu Advokatenkünſten ſeine Zuflucht nimmt, hat jeßt in England eine beträchtliche Umwandlung erfahren. Dhne Zweifel finden ſich da noch Torys , deren Vorurtheile der Revolu tion von 1649 keine Verzeihung angedeihen laſſen ; aber der auf geklärteſte Theil der Nation iſt von den ehemaligen frrthümern zurückgekommen. Wir glauben uns nicht zu täuſchen , wenn wir für ſein Organ einen der ausgezeichnetſten Schriftſteller und be redteſten Staatsmann der Gegenwart halten. *)

Lange Zeit hindurch iſt es in England Mode geweſen , die Revolution von 1688 zu preiſen und die von 1649 zu ſchmähen. So dankt man Gott in der geſammten Episkopal -Kirche am 5. No vember dafür , ,,daß er an demſelben Tage den König Wilhelm berführte, um die Kirche und die Nation von der papiſtiſchen Ty

rannei und der Willkührherrſchaft zu befreien “ ; während man ihm am 29. Mai ganz im Gegentheil dafür dankt, „ daß er wunderbar dieſe Königreiche von der großen Rebellion befreit und den König Rarl II. auf den Thron wieder eingeſeßt hat." **) Man ſehe nun ,

wie ſich über dieſe Rebellion die Meinung der Zeitgenoſſen aus ſpricht; ſie hat ein Recht auf dem Feſtlande gehört zu werden . „Alle Beweggründe , die man zu Gunſten der Revolution von 1688 anführen kann , können mit wenigſtens gleicher Kraft auch zu

*) H. Macaulay ( Critical and historical Essays ; London, 1846 ) . Herr Macaulay , der einige Zeit Mitglied des Miniſteriums des Lord John Ruffel ge /

weſen , iſt in dieſer Sache ein unparteiiſcher Richter, den Niemand des Enthuſias mus oder des Fanatismus anklagen wird. Man weiß , daß er ſich auf das ent gegengeſeßte Extrem geworfen und unglücklicherweiſe in einen Kampf mit den evan geliſchen Männern Englands eingelaſſen hat. **) 1. das Book of common prayer . 9 *

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Gunſten jener angeführt werden, die man die große Rebellion" nennt.

„ In einer Beziehung allein können die heißeſten Bewunderer

Karl's I. zu behaupten wagen , daß er ein beßrer Souverän als ſein Sohn geweſen . Dem Namen und dem Bekenntniß nach war er kein Papiſt. Wir ſagen , dem Namen und dem Befenntniß nach; denn während ſowohl Karl , wie Laud, ſein Geſchöpf, die am we nigſten Beſorgniß erregenden Symbole des Papſtthums verwarfen, hielten ſie deſſen heilloſe frrthümer feſt, eine vollſtändige Unter

werfung der Vernunft unter die Autorität, eine dumme Bevor zugung der Form vor der Wirklichkeit, eine gößendieneriſche Ehr erbietung gegen den prieſterlichen Charakter, eine findiſche Leiden ſchaft für die Mummereien, und über dem Allen eine ſchonungsloſe Unduldſamkeit. Der Proteſtantismus Karl's I. begründet nicht den

geringſten Unterſchied zwiſchen ſeiner Sache und der Jacob's II. „Im Jahre 1688 wurde der Thron für erledigt erklärt, weil Jacob die Grundgeſeße des Königreichs verleßt hatte. Für die , welche die Revolution von 1688 billigen , iſt alſo die Frage die : Hatte Karl I. die Grundgeſeße Englands verlegt ? Niemand kann darauf mit Nein antworten , wofern er nicht allen Glauben den Berichten der glühendſten Royaliſten und den Geſtändniſſen Karl's ſelbſt verſagt.

Wenn irgend etwas in den

Berichten irgend welches Geſchichtſchreibers , was es auch ſei , wahr iſt, ſo war das Benehmen Karl's von ſeiner Thronbeſteigung an bis zur Berufung des langen Parlaments eine zuſammenhängende Reihe von Bedrückungen und Verräthereien. Man zeige eine ein zige Handlung Jacob's II., die nicht ihre Parallele in der Geſchichte ſeines Vaters hätte. Nach dem Zeugniß ſeiner eignen Freunde hat

fich Karl I. die Ausübung der geſeßgebenden Gewalt angemaßt,

Steuern erhoben ohne Zuſtimmung des Parlaments , Truppen bei ſeinen Unterthanen einquartiert, auf eine ſehr ungeſebliche, ſehr ty

ranniſche Weiſe. Keine Sißung des Parlaments war vorüber gegangen ohne irgend einen verfaſſungswidrigen Angriff auf die Freiheit der Verhandlungen . Das Petitionsrecht war gröblich ver

leßt worden. Willkürliche Gerichte, übermäßige Geldſtrafen , geſek

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widrige Verhaftungen waren tägliche Beſchwerden. Wenn derglei chen Handlungen den Widerſtand nicht rechtfertigen , ſo war die Revolution von 1688 ein Verrath ; rechtfertigen ſie ihn , ſo muß 1

man die von 1649 loben.

,, Karl I. gab , es iſt wahr, zu verſchiedenen Verbeſſerungen ſeine Zuſtimmung , und Facob II. that daſſelbe. Aber das Parla ment konnte ſich auf Karl nicht verlaſſen. Die Nation hatte es mit einem Manne zu thun , den kein Band feſſeln konnte , der mit derſelben Leichtigkeit ſeine Verſprechen gab und brach , der hundert Mal ſeine Ehre verpfändet und ſie niemals wieder eingelöſt hatte. „Hier ſteht ſogar das lange Parlament auf einem günſtigern Boden als die Convention von 1688 . Es giebt keine Handlung Jacob's II. , die man mit dem Benehmen Karl's I. in Betreff der Bitte um Recht (petition of right) vergleichen könnte. Die Pairs und die Gemeinen legen ihm eine Bill vor , in der die verfaſſungs

mäßigen Grenzen ſeiner Gewalt verzeichnet ſind. Er zaudert ; er ſucht zu entſchlüpfen ; endlich feilſcht er um ſeinen Beitritt und ver

kauft ihn für fünf Hülfsſteuern. Die Bill erhält ſeine feierliche Zuſtimmung , und die Hülfsſteuern werden bewilligt. Aber kaum iſt der Tyrann ſich ſelbſt überlaſſen , ſo kehrt er zu alle den will führlichen Maßregeln zurück, die aufzugeben er beſchworen hatte, und verleßt alle Bedingungen gerade der Urkunde, für welche er das Geld erhalten hatte. „ Länger als zehn Jahre ſah die Nation die ihr nach doppel tem Rechtstitel, als Erbgut von undenklichen Zeiten und durch

neue Erwerbung, gehörigen Rechte von dem treuloſen Könige , der ſie anerkannt , mit Füßen getreten. Endlich nöthigen die Umſtände Karl , ein neues Parlament zu berufen : eine neue Ausſicht bietet fich unſern Vätern dar. Sollen ſie dieſe verſchmähen , wie ſie es mit der erſten gethan haben ? Werden ſie von Neuem durch das „ le roi le veut“ betrogen werden ? Werden ſie von Neuem ihr Geld auf Pfänder vorſchießen , gegen die man ſo oft pflichtwidrig gehandelt ? Werden ſie am Fuße des Thrones eine zweite Bitte um Recht niederlegen ? Werden ſie thörichterweiſe die verlangte Hülfsſteuer verſchleudern , indem ſie als Wechſel dafür irgend eine

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neue und leere Cäremonie empfangen ? Und werden ſie ſich dann zurückziehen , bis daß nach zehn neuen Jahren des Betrugs und der Unterdrückung ihr Fürſt wieder einer neuen Hülfsſteuer bedarf und ſie mit einem neuen Meineid bezahlt ? Sie mußten wählen. Sie mußten entweder einem Tyrannen vertrauen oder ihn bändigen.

Nach unſrer Anſicht war ihre Wahl eine weiſe und edle. ,, Die Advokaten Karl's , wie die andrer Uebelthäter , gegen

welche man erſchwerende Beweiſe vorbringt, führen im Allgemeinen jede Streitfrage auf Thatſachen über , und begnügen ſich , von die ſen auf ſeinen Charakter ſich zu berufen. Er beſaß ſo viele Pris vat - Tugenden ! Beſaß dieſe Jacob II. nicht auch ? Und welches find nach allem die Karln zugeſchriebenen Tugenden ? Ein religiö

ſer Eifer , nicht aufrichtiger als der ſeines Sohnes , und ebenſo be ſchränkt, und ebenſo blödſinnig ; und einige häusliche gewöhnliche Anſtändigkeiten , welche die Hälfte der Grabſteine Englands denen beilegen , die ſie bedecken. Guter Vater ! Guter Gatte ! Wahrhaf I

tig eine ſchöne Vertheidigung von funfzehn Jahren von Verfolgung, Tyrannei, Lüge.

„ Wir klagen ihn an , den bei ſeiner Krönung geleiſteten Eid verleßt zu haben ; und man benachrichtigt uns , daß er ſein ehe liches Gelübde gehalten ! Wir werfen ihm vor , ſein Volk der un barmherzigen Rache von Prälaten mit dem heißeſten Kopfe und dem härteſten Herzen überliefert zu haben ; und man rechtfertigt ihn mit den Worten 1, er nahm ſeinen kleinen Sohn auf die Kniee und füßte ihn ! Wir tadeln ihn wegen Verlegung der Bitte um Recht, nachdem er verſprochen , ſie zu achten ; und man belehrt uns , daß er gewohnt war, ſein Gebet um 6 Uhr des Morgens zu verrichten ! Betrachtungen dieſer Art , ſeiner Kleidung à la Van Dyck, ſeiner ſchönen Geſtalt, ſeinem Spißbarte verdankt Karl I., wir zweifeln nicht daran , ſeine Volksthümlichkeit, die er unter un fern Zeitgenoſſen genießt. „ Was uns betrifft, ſo geſtehen wir jene Gemein - Phraſe nicht verſtehen zu können : er war ein guter Menſch , aber ein ſchlechter König. Es iſt , als wenn uns Jemand ſagte : er iſt ein guter

Menſch , aber ein unnatürlicher Vater ; ein guter Menſch , aber ein

1

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treuloſer Freund. Wenn wir den Charakter eines Mannes ſchäßen, ſo können wir nicht verfehlen , ſein Benehmen in den wichtigſten von allen menſchlichen Beziehungen in Betracht zu ziehen. Und finden wir ihn da ſelbſtſüchtig, grauſam , betrügeriſch , ſo werden wir uns die Freiheit nehmen , ihn einen ſchlechten Menſchen zu

nennen , froß ſeiner Mäßigkeit an der Tafel und der Regelmäßig 1

feit in der Kapelle.

„ Wir mißbilligen Karls Hinrichtung, nicht weil nach der Ver faſſung der König nicht verantwortlich iſt; denn wir wiſſen , daß alle Grundſäße dieſer Art , wie vortrefflich ſie auch ſein mögen, ihre Ausnahmen haben ; nicht weil wir für ſeinen Charakter eine beſondre Theilnahme fühlen , denn wir glauben , daß ſein Todes: n

urtel ihn mit vollkommnem Rechte einen „Tyrannen nennt, einen Verräther , einen Mörder , einen öffentlichen Feind " ; ſon dern weil wir überzeugt ſind, daß jene Maßregel der Sache der Freiheit ſchädlich war. Nur eine Sache konnte Karl gefährlich machen , das war ein gewaltſamer Tod. Seine Tyrannei konnte den gehobenen Geiſt des engliſchen Volkes nicht zu Grunde richten, ſeine Waffen konnten es nicht unterwerfen , ſeine Ränke konnten es 1

nicht täuſchen ; aber ſeine Demüthigung und Hinrichtung erweckten

für ihn ein edelmüthiges Mitleiden. Ein Mann , der wegen eines politiſchen Verbrechens auf dem Schafote ſtirbt, der ſtirbt faſt im mer ſchön. Tauſende von Blicken ſind auf ihn gerichtet. Seine Feinde und ſeine Bewunderer ſind gleich aufmerkſam auf die Art,

wie er ſich benehmen wird. Die geringſte Aenderung ſeiner Stimme, der geringſte Wechſel ſeiner Farbe foll auf die Nachwelt übergehn. Es iſt ihm unmöglich, der Todesſtrafe zu entgehn. Alles Bitten

würde vergeblich ſein. Man hat dann oft Stolz und Verzweiflung auch die ſchwächſten Seelen mit dem Muthe w' affnen ſehen , den dieſe Stunde heiſcht. Karl ſtarb mit Geduld und Muth ; aber uns

bezweifelt nicht mit mehr Geduld und Muth als ſeine eignen Rich ter, die ſogar die Folter erlitten, bevor ſie zum Tode geführt wur den, oder als Vane, der immer für einen feigen Menſchen gehalten worden war. · Es machte jedoch das Benehmen des Königs wäh rend ſeines Prozeſſes und ſeiner Hinrichtung einen wunderbaren

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Eindruck. Seine Unterthanen fingen an , eben ſo viel Liebe ſeinem Andenken zu ſchenken , als ſie ſeine Perſon gehaßt hatten , und die Würdigung ſeines Charakters bei der Nachwelt iſt mehr auf ſeinen Tod als auf ſein Leben begründet.

„ Wir verdammen Karl's Tod ; aber wir betrachten ihn in keiner Weiſe als eine Handlung , welche einen Schandfleck den Na men derer anhängt, die daran Theil genommen . Dieſe Handlung war die unkluge und ungerechte Aufregung eines gewaltthätigen

Parteigeiſtes ; aber ſie war keineswegs eine treuloſe und grauſame Maßregel. Man findet in ihr alle Merkmale, durch welche nie

drige und boshafte Verbrechen von den Jrrthümern furchtloſer und hochherziger Geiſter ſich unterſcheiden.“ *)

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So ſprechen jeßt in England die hervorragendſten Männer auf dem Gebiete der Politik und Literatur.

Bevor wir dieſen Ge

genſtand verließen , hielten wir es für unſre Pflicht, ihre Stimme hören zu laſſen . Jeßt laſſen wir einen Zeden für ſich ſelbſt ur theilen und gehen weiter.

*) Macaulay , Critical and historical Essays , vol. I, p . 23-38,

176-187 ; vgl. auch die Revue d'Edimbourg.

1

et

Sechſtes Kapitel. I rland.

Römiſche Grauſam Der St. Bartholomäu8 tag in frland. Cromwell Ein Prieſter. — Wundarzt oder Schlächter. ernannt. Sein Scharfſinn und ſeine gewinnende Weisheit. Cromwell's Plan. ford Broghil. Abmarſch des Heeres. Roß. Werford. Theocratie. Erſtürmung von Drogheda. Cromwell's Güte gegen ſeine Feinde. Friede und Wohlſtand. Sein Rundſchreiben an die römiſchen Prälaten . Erſte Zeit der keiten .

Verheirathung Richard's.

-

Urſache der Leiden Frlands.

Die römiſchen Katholiken hatten ſich, wie wir geſehen haben, in Frland erhoben und nach Einigen 50,000, nach Andern 100,000, nach Andern 200,000 Proteſtanten grauſam niedergemeßelt; das iſt der hiberniſche St. Bartholomäustag. Und doch hatten damals die

irländiſchen Katholiken keine Urſache fich zu beklagen ; Karl I. hatte für ſie geſorgt. Sie hatten ihre Erzbiſchöfe , ihre Biſchöfe , ihre Großvikare und beſonders Jeſuiten in großer Zahl. Bei ſolcher Sachlage geſchah es , daß die Jrländer unter dem Schleier des vollkommenſten Geheimniſſes, wie die Neger auf den Antillen, wenn ſie auf eine Verſchwörung zur Niedermegelung der Weißen ſinnen , den Plan entwarfen , nicht nur in ihrem Lande alle Spuren der engliſchen Nation und des Proteſtantismus zu vertilgen , ſondern auch nach England überzuſeßen , ſich deſſen mit Hülfe Spaniens 1

1

und des Papſtes zu bemächtigen und daſelbſt die reformierte Reli

gion auszurotten. Das Gemegel war ſcheußlich ; und man muß fich deſſen erinnern , um den Krieg , welcher Ordnung und Frieden wieder herſtellte, richtig zu würdigen.

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,, Ueberall " , ſagt ein großer Geſchichtſchreiber, ,, wurden die irländiſchen Proteſtanten unvermuthet angegriffen , von ihren Gü

tern vertrieben , verfolgt , erwürgt, eine Beute aller Gefahren, aller Todesſtrafen, welche religiöſer und patriotiſcher Haß erfinden kann ...

Ein balb wildes , für ſeine Barbarei leidenſchaftlich

eingenommenes Volk wurde gedrängt an einem Tage für Jahr: hunderte von Schmach und Unglück Rache zu nehmen , und beging mit Freude und Stolz Frevel, die ſeine alten Herren mit Schauder und Schrecken erfüllten ." *)

In der That ſteckten die Katholiken die Häuſer der Proteſtan ten in Brand , ſtießen ſie nackt hinaus mitten im Winter und lie Ben ſie vor ſich her gehn. Wenn dieſe Inglücklichen , weil ſie ſich ihrer Nacktheit ſchämten und vor der ſtrengen Kälte ſich zu ſchüßen wünſchten , in eine Scheuer fich retteten und ſich da unter dem

Stroh verbargen , ſo legte man Feuer an und verbrannte ſie leben

dig. Andere Male führte man ſie heerdenweiſe, ohne alle Beklei dung, nach irgend einem Fluß, um ſie zu ertränken ; und wenn ſie unterwegs nicht ſchnell genug gingen , ſtach man ſie von hinten mit dem Schwerdte.

Wenn ſie dann am Fluß oder am Meere an

kamen , ſtürzte man ſie in Haufen von mehrern Hunderten und ſogar Tauſenden hinab, was ohne Zweifel übertrieben iſt.

Wenn

dieſe armen Leute an die Oberfläche wieder heraufkamen , wurden fie von Männern , die am Ufer aufgeſtellt waren , von Neuem mit Flintenkolben hinabgeſtoßen, oder man ſchoß auf ſie und tödtete ſie.

Die Jrländer hieben Männer in Gegenwart ihrer Frauen in Stücke, ſchändeten Frauen und Mädchen vor den Augen ihrer theuerſten Verwandten , hingen ſieben- und achtjährige Kinder im Angeſicht der Väter und Mütter auf. Sie lehrten ſogar ihre eignen Kinder die engliſchen Kinder plündern und tödten und ihr Gehirn an den Steinen zerſchmettern. Sie begruben lebendig eine große Anzahl Proteſtanten , bis zu ſiebenzig in derſelben Grube. Ein irländiſcher Prieſter , Namens Mac Odeghan , ließ 40 oder 50 Proteſtanten ge

fangen nehmen , und überredete ſie, die reformierte Religion abzu * ) Guizot , Rév. d'Angleterre , I. p. 202.

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leugnen , indem er ihnen das Leben verſprach. Als er ſie nach ihrer Abſchwörung gefragt hatte , ob ſie glaubten , daß Chriſtus leibhaftig in der Hoſtie und der Papſt das Oberhaupt der Kirche

wäre , und ſie es bejaht hatten, ſagte er darauf zu ihnen : ,,Sehet, nun ſteht es gut mit euch ; “ und aus Furcht, ſie möchten in ihre

Reßerei zurückfallen, ließ er ihnen ſofort die Kehle abſchneiden *). Von da an hatten zehn Jahre grauſamer Kämpfe , verzweifel ter Gewaltthaten , ſchauderhaften Elends , dieſes unglückliche Land gequält. Heere , oder vielmehr wilde Horden , erfüllt von Haß, Ausſchweifung und Grauſamkeit , hatten ſich geſchlagen. Morb, Plünderung , Brand waren durch Jrland geſchritten und hatten es zu Grunde gerichtet. Dort nun ſollte Cromwell Ordnung und Friede wieder herſtellen, und dieſen Landſtrichen ein Gedeihen ver

ſchaffen , das ſie ſeit langer Zeit nicht gekannt hatten. Aber wie follte er dieſes Ziel erreichen ?

„Die ſich einbilden , daß ein ganz mit Blut bedecktes, von Räubern verheertes Land," ſagt ein Biograph des Protectors **), „durch Beſprengung mit Roſenwaſſer geheilt werden könne, werden dieſe Berichte ſchrecklich finden. Ja ," fährt dieſer Schriftſteller fort, „es tritt hier ein furchtbarer Wundarzt auf , aber das iſt hier aus drücklich die Frage : Iſt es ein Wundarzt, iſt es ein Richter ? oder iſt es ſchlechtweg ein wilder Schlächter ? Dliver Cromwell glaubte an das Gericht Gottes , er glaubte nicht an die Träumereien und roſenwäßrigen Pläne empfindſamer Menſchenfreunde. Ein bewaff neter Soldat kommt in frland an , ein bewaffneter Soldat , der in 1

1

fich das heilige Gefühl trägt, daß er ein Soldat des Gottes der

Gerechtigkeit iſt; ein bewaffneter Soldat , furchtbar wie der Tod, unerbittlich wie ein Todesurtel , der mit dem Schwerdte in der Hand die Gerichte Gottes an den Feinden Gottes vollzieht." Jeder begriff die unendlichen Schwierigkeiten , die ſich der Un terwerfung dieſes Volkes entgegenſtellten ; auch war es ein Werk, um das ſich Niemand bemühte.

Alle Parteien vereinigten fich,

Cromwell zum Lord - Lieutenant von Frland zu ernennen, mit vol *) Sir J. Temple , Irish Rebellion , p. 109. Lond. 1646. **)

Herr Carlyle , II, 52. 53. edit. II.

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ler Gewalt ſowohl für die bürgerliche als für die militäriſche Ver:

waltung. Er fühlte die ganze Schwere der ihm zugefallenen Auf gabe und erſchien am folgenden Tage mit ernſtem und geſammeltem Geiſte im Parlament. Er erklärte anfangs , wie unwürdig und unfähig er ſei eine ſolche Laſt zu tragen . Aber er gehörte nicht zu denen, welche ſich einer Pflicht entziehen , weil dieſe Pflicht ſchwer iſt. Er kündigte alſo an „ſeine gänzliche Hingebung an die Be

fehle des Hauſes und ſeine unbedingte Abhängigkeit von Gottes Vorſehung und Segen , wovon er bereits ſo viele glänzende Zeug niſſe erhalten." Jedoch verhehlte er die Hinderniſſe nicht, welche der ihm übertragenen Sendung entgegentreten würden. „Dieſes Königreich frland , “ ſagte er , „,iſt bis zu ſolch einem Aeußerſten gekommen, daß , wenn ich meine Zuſtimmung zu einer perſönlichen Betheiligung bei dieſem Feldzuge gebe , es gerade wegen der hier ſich darbietenden Schwierigkeiten geſchieht, und in der Hoffnung, mit Gefahr meines Lebens die Fortſchritte zu hemmen , welche die Rebellen ſo übermüthig machen. Alles, was ich verlange “, fügte er hinzu , ,,iſt, daß man keinen Augenblick weiter verliere , und ohne

Verzug die für ein ſo ſchwieriges Unternehmen nöthigen Vorberei tungen treffe .“ *)

Um ſich ſeinen Wünſchen zu fügen , ſchickte man ſich ſofort an unter ſeiner Leitung mit unglaublicher Emſigkeit Geld zu erheben, Schiffe herbeizuſchaffen und Truppen zu ſammeln .

Oliver beſaß die Gabe die Gemüther zu gewinnen und ſeiner Sache Freunde zui erwerben . Folgendes iſt ein ſchlagendes Beiſpiel,

das uns von mehrern Schriftſtellern berichtet wird **). Lord Bro ghil hatte die Abſicht über Meer zu gehn und Karls II. Vollmacht zu erhalten , die nöthig war um Truppen auszuheben , ihn in Ir land als König wieder einzuſeßen , und für ſich ſelbſt ſeine Güter

wieder zu erlangen. Zu dem Ende ſuchte er um die Erlaubniſ nach, ſich angeblich in die Bäder von Spa begeben zu dürfen, und *) Clarendon , livre XII .

**) · Morrice , Life of Orrery. – Collin's Peerage. of Oliver Cromwell etc.

Memoires

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nur einer kleinen Anzahl von Freunden theilte er ſeine wahre Ab ficht mit. Kaum war er in London angekommen , von wo aus er

auf das Feſtland fich begeben wollte, als ein Edelmann aus Crom wel's Hauſe kam ihn von Seiten ſeines Herrn zu fragen , um welche Stunde ſeine Herrlichkeit den General würde empfangen 1

können.

Broghil war von dieſer Botſchaft ſehr überraſcht, denn

niemals hatte er irgend eine Beziehung zu Cromwell gehabt. Er ſagt dem Edelmann , hier liege ohne Zweifel irgend ein Frrthum zu Grunde ; aber dieſer erwiderte , er ſei zum Lord Broghil ge ſchickt, und wenn das ſein Name wäre , ſo richte fich ſeine Sendung

an ihn. Broghil , genöthigt ſich darein zu ergeben , bat den Abge ſandten den General zu benachrichtigen , daß er ſelbſt zu ihm kom men würde. Es machte ihm große Unruhe , und er konnte ſich gar nicht denken , welches der Gegenſtand dieſer Zuſammenkunft ſein ſollte. Während er fo befangen war , und der Tag ſich zu neigen begann , kam Cromwell an , und erklärte ſogleich dieſem royaliſti fchen Herrn , daß der Staatsrath Kenntniß von ſeiner Abſicht habe,

fich zum König zu begeben. - Broghil unterbrach ihn mit den Worten , Seine Ercellenz täuſche fich.

Aber bliver erwiederte,

.

er habe gültige Beweiſe von dem , was er befördere , und könne ihm einige dieſe Reiſe betreffende Briefe zeigen.

Er Teşte hinzu ,

der Staatsrath habe beſchloſſen , ihn gleich nach ſeiner Ankunft in London in den Tower zu ſchicken , was ohne ſein Dazwiſchentreten wäre ausgeführt worden ; er habe aber einen Aufſchub erhalten, um fich mit ihm zu beſprechen und zu verſuchen , ihn von ſeinem Vorhaben abzubringen. Darauf bat Broghil Cromwell um Verzei hung und fragte, was er zu machen habe. Oliver entgegnete, wenn er der Republik in dem Kriege gegen die Frländer dienen wollte, ſo folle er den Grad eines Generals erhalten ; man würde von ihm

keinen Eid noch irgend eine Verpflichtung fordern , er würde nur berufen , um ſich allein gegen die Jrländer zu ſchlagen. Broghil verlangte Zeit es zu überlegen. „Sie müſſen ſich gleich jeßt ent ſcheiden , " entgegnete ihm Oliver, ,,denn der Staatsrath bat be

ſchloſſen Eure Herrlichkeit in den Tower zu ſchicken, wenn ich ihm nicht die entſchiedene Annahme des Unerbietens melde , welches

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Ihnen durch meine Vermittlung gemacht iſt.“ Da Broghil ſah , daß es für ihn kein Mittel zu entſchlüpfen gebe , ſo nahm er die Vorſchläge an, und Cromwell nöthigte ihn ſich ſogleich nach Briſtol zu begeben.

Solches war die Gabe Cromwell's die Gemüther zu

ergründen , ſolches ſeine Geſchicklichkeit und Gewalt, die widerſpen ſtigſten Herzen zu beherrſchen .

Cromwell zog an der Spiße von 12,000 Mann nach Irland. Bevor die Flotte abſegelte , feierte das Heer einen Bet- und Faſt tag. Drei Geiſtliche beteten zuerſt, dann erklärte der Generallieu tenant Cromwell und die Obriſten Gough und Harriſon einige

Stellen der heiligen Schrift. Das Yeer ſtand unter der ſtrengſten Zucht , man hörte keinen Schwur, und die Soldaten verwendeten ihre Mußeſtunden auf das Leſen der Bibel , auf das Singen von Pſalmen und auf den Beſuch religiöſer Zuſammenfünfte. Oliver beſchäftigte ſich jeßt mit Prüfung des Plans , den er zur Wiederherſtellung der Ordnung befolgen ſollte; das that er als General des Heeres. Er vermiſchte keineswegs was getrennt blei ben mußte. Er bildete ſich nicht ein , wie das gewiſſe Fanatiker gethan haben , daß zur Gewinnung eines Sieges die Handhabung des Schwerdtes unnöthig ſei. Er kannte die in einem gemeinen Sprichworte enthaltene Wahrheit : ,, Hilf dir ſelbſt, ſo wird der Himmel dir helfen."

Wie alſo wird er in Irland den Frieden

herſtellen ? Wird er einige Wochen darauf verwenden , durch Hin opferung von 5000 Menſchen , oder einige Jahre durch Hinopferung von vielleicht 20,000 Menſchen ? Das war hier die Frage. Traf er ſchnelle und furchtbare Maßregeln , geeignet überall hin Schrecken zu verbreiten , ſo hemmte er ſofort das Uebel. Wenn er es dage

gen mit abgeſtorbener, unſichrer Hand angriff, verlängerte er es in's Unendliche. Das kräftigſte Mittel erſchien Cromwell als das menſchlichſte. Er that , was man bei einem großen Brande thut, wo man die angrenzenden Häuſer niederreißt, um die entfernteren zu retten , oder in einem Krankenhauſe, wo man ein brandiges Glied abſchneidet, um alle andern zu retten. Nachdem Cromwell Mlles geprüft , entſchied er ſich für die eiſerne Hand. Dieſe Hand .

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iſt niemals liebenswürdig , aber es giebt dennoch Fälle , wo fie heilſam iſt.

Bei Annäherung des Generals der engliſchen Republik hatten fich die Parteien , welche Irland zerriſſen , vereinigt. Die Katholi ken der verſchiedenen Färbungen , die biſchöflichen , die presbyteria niſchen Royaliſten , alle hatten ſich unter die Fahnen Ormond's ge ſammelt. Auch blieben in der Zeit , wo Cromwell den Fuß auf dieſe Inſel ſeşte , der Republik nur zwei Städte , Dublin und

Londonderry , und dieſe waren noch von feindlichen Heeren um zingelt.

Die Erfolge des republikaniſchen Heeres waren wunderbar. „Oliver fiel auf Irland ,“ ſagt Carlyle , „wie der Hammer Thor's. Er traf es , und mit einem einzigen Schlage verwandelte er

alle Parteien , die es verwüſtet hatten , in Staub." Wir werden ihm nicht zu allen ſeinen Waffenthaten folgen ; aber wir müſſen wenigſtens eins oder zwei dieſer furchtbaren Blät

ter anführen , die wir in gewiſſer Rückſicht aus dem Leben des großen Mannes herausreißen würden , wenn wir es könnten , und

die von einer andern Seite , wie wir geſehn haben , zeigen , wie er den geeignetſten Weg verfolgt , um zu einer ſchnellen und allgemei

nen Herſtellung des Friedens zu gelangen.

Dieſer gegen ſeine

Freunde ſo liebevolle , gegen Frau und Kinder ſo zärtliche Held, iſt vor den Feinden der Republik unerbittlich wie der Tod. ,,Wenn

es eine durch die allgemeine Erfahrung der Nationen beſtätigte Wahrheit giebt ," ſagt Macaulay , ſo iſt es die, daß es eine

ichwächliche grauſame Politik iſt, den Geiſt des Friedens auf den Krieg überzutragen. Einen matten Krieg führen , heißt nicht Blut und Geld ſchonen , ſondern vergeuden .“ Als Vertreter der Gerech tigkeit trug Cromwell in Irland eine Binde über den Augen und ein Schwerdt in der Hand.

Es giebt jedoch noch eine andere Betrachtung, die wir bereits ſchwach angedeutet haben , welche nicht allein dieſen berüchtigten

Feldzug , ſondern auch Cromwell's ganzes Leben erklärt. Dieſer große Mann theilte einen Frrthum , der im ganzen Mittelalter der des Papſtthums geweſen, und ſich bei der Mehrzahl der Reformier

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ten während des 16. und 17. Jahrhunderts erhielt. Er unterſchied nicht genug den alten und den neuen Bund , das Alte und das Neue Teſtament. Er glaubte , der Chriſt und insbeſondere der

Staatsmann ſei berufen , ſeine Verbaltungsregeln in der Theokratie der Hebräer zu ſuchen . Die furchtbaren Gerichte , welche nach Got tes Befehl die ungläubigen Völker trafen , in den Zeiten der Richs ter und Könige von Israel , ſchienen ihn zu gleichen Gerichten nicht

allein zu ermächtigen , ſondern auch zu nöthigen. Er glaubte , wie Moſes und Joſua , den Bileam mit dem Schwerdte erwür:

gen zu dürfen ( 4. Moſ. XXXI , 8. Joſ. XIII , 32. ). Viel leicht war er ſich deſſen nicht klar bewußt, aber nach dieſem Vor urtheil und unter dieſem Antriebe handelte er. Das war ein Frrthum . Da die jüdiſche Theokratie nicht mehr beſteht, ſo ſind die für ſie entworfenen Verbaltungsregeln

zugleich mit ihr abgeſchafft. Die Vorſchriften , welche das Leben des Chriſten leiten ſollen , finden ſich in der Bergpredigt . des Hei landes und in den Briefen der Apoſtel. Aber man begreift , daß

ehrliche Gemüther zur Richtſchnur ihres Lebens leicht alle die Aus ſprüche genommen haben , die ſich in dem Worte Gottes finden , ſogar die in Betracht des veränderten Bundes heut zu Tage nicht mehr anwendbaren.

Der Marquis von Ormond hatte nicht ſobald die Ankunft des Lord - Lieutenants erfahren , als er ſein Heer aus den Umgebungen von Dublin zurückzog und beſchloß Drogheda in den Stand zu feßen dem Feinde zu widerſtehn. Er warf in dieſen ſtark befeſtig ten Plaß die Blüthe ſeines Heeres , und gab dem Ritter Arthur Ashton , einem Offizier von großem Rufe, den Befehl darüber. Gleich nach ſeinem Erſcheinen vor Drogheda befahl Cromwell am folgenden Tage einen allgemeinen Sturm ; als dieſer am Tage

darauf erneuert wurde , drang er an zwei verſchiedenen Stellen in die Stadt. Folgendes iſt das Ende ſeines Berichts an das Par lament ; er iſt vom 17. September 1649 unterſchrieben. *) *) Lettres et Discours I , p. 461. ( IÍ , 61. deux . édit . ) News papers in Part. Hist. XIX , 201 .

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„Mehrere der Feinde zogen ſich in die Citadelle Mill - Mount zurück, die ſehr ſtark, ſchwer zugänglich, ausnehmend hoch , durch einen Wall gut befeſtigt und ſtark umpfählt iſt. Der Gouverneur Sir Arthur Ahston und mehrere hohe Offiziere befanden ſich dort. 1

Unfre Leute erhielten im Augenblick, wo ſie zum Sturme ſchritten ,

den Befehl von mir , Alle über die Klinge ſpringen zu laſſen. In der That befahl ich in der Hiße des Gefechts, keinen von denen zu ſchonen , die in der Stadt Waffen trügen , und ich glaube , daß meine Soldaten während dieſer Nacht gegen 2000 Mann über die

Klinge ſpringen ließen. Mehrere der Offiziere und Soldaten ent flohen über die Brücke in andere Stadttheile ; gegen hundert unter ihnen flüchteten ſich in den Glockenthurm der Peterskirche, einige nach dem Weſterthore, und andere in den ſtarken runden Thurm

neben dem Sonntagsthore. Ich forderte ſie auf , um Gnade zu bitten ; ſie verweigerten es ; worauf ich Befehl gab , den Glocken thurm der Peterskirche anzuzünden. Einen dieſer Menſchen hörte man mitten in den Flammen ausrufen : Gott verdamme mich .... Gott verwirre mich ... Ich brenne ! Ich brenne ! „ Am folgenden Tage wurden die zwei andern Thürme (in

einem derſelben waren gegen 125 bis 150 Menſchen ) aufgefordert ſich zu ergeben ; dieſe Leute weigerten ſich ; und da wir wußten, daß der Hunger ſie bald dazu zwingen würde , ſtellten wir nur tüchtige Wachen rings herum , um ſie am Entfliehen zu hindern,

bis ihre Magen fie nöthigen würden ſich zu unterwerfen. Aus einem dieſer Thürme tödteten und verwundeten die Feinde , trog

ihrer traurigen Lage , einige von unſern Leuten. Als ſie ſich erga ben , wurden ihre Offiziere mit den Flintenkolben todtgeſchlagen, die Soldaten decimiert. Die Uebrigen wurden nach Barbados ein : geſchifft. Das Leben der Soldaten im andern Thurme wurde ge fchont, ſie ſelbſt gleichfalls nach Barbados eingeſchifft. „Ich bin überzeugt , daß dieſes ein gerechtes Gericht Gottes über dieſe Elenden , dieſe Barbaren iſt, die ihre Hände in fo viel

unſchuldiges Blut getaucht haben ; und ich zweifle nicht, daß dieſes Verfahren für die Zukunft Blutvergießen verhindern werde. Es iſt ein hinreichender Beweggrund für ſolches Verfahren , das ohne 10

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ſolche Entſchuldigungen nur Bedauern und Gewiſſensbiſſe zurücklaſ ſen würde.“

Man hat nöthig dieſe Worte zu vernehmen , die uns den Be weggrund der Strenge des Generals enthüllen .

„Und jeßt ," fährt er fort , „ laßt mich Euch ſagen, wie das Werk Statt gefunden.

Gott legte in das Herz von Einigen unter

uns die Ueberzeugung, daß eine große Sache nicht durch menſchliche Macht und Kraft , ſondern durch den Geiſt Gottes ausgeführt ſei. Er iſt es , der unſern Truppen Muth gegeben und genommen ; Er 1

iſt es , der dem Feinde Muth gegeben und genommen ; Er iſt, der

von Neuem unſern Soldaten Muth und zugleich dieſen glücklichen Sieg geſchenkt, der ihre Anſtrengungen gekrönt hat. Deshalb iſt es gut , daß Gott allein den ganzen Ruhm davon habe. Dliver Cromwell ."

Dieſer Auszug wird genügen . Cromwell hat in Irland wie ein großer Staatsmann gehandelt; die von ihm angewendeten Mit tel waren die zur ſchnellen Wiederherſtellung der Ordnung in die ſem unglücklichen Lande geeignetſten . Und doch wie ſollte man nicht bedauern , daß ein Menſch , daß ein Chriſt berufen ſein konnte, einen ſo ſchrecklichen Krieg zu führen , und dabei den Feinden ge genüber mehr Grauſamkeit zu zeigen , als ehedem manche Generale des Alterthums gezeigt haben. Selig ſind die Friedfertigen, denn ſie werden Gottes Kinder heißen. Mitten in dieſem furchtbaren Kriege giebt es Thatſachen, welche den Charakter dieſes Kampfes und des Generals , der darin befeh ligte , erheben. fft es nicht eine Thatſache, die in der Geſchichte .

bewundert zu werden verdient, daß Cromwell nach dem ſchönſten ſeiner Siege erklärte, er werde Niemanden nennen , weil ſeine Sol daten für die Sache Gottes , nicht für ihren eignen Ruhm ſtritten ?

Iſt es nicht rührend , in ſeinem Berichte an das Parlament über die Einnahme von Drogheda das beſcheidene Stillſchweigen über fich ſelbſt zu ſehn , zu fehn , wie er nicht ſagen will, daß er ſelbſt nach einem furchtbaren Verluft ſeiner Soldaten Sturm lief, und daß man ſeiner Unerſchrodenheit den Erfolg in dieſem Kampfe vers .

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dankte. Das verräth ſicher nicht den heuchlereriſchen Prahler, von welchem einige Geſchichtſchreiber ſprechen. Von Drogheda zog er gegen Werford , das er zur Uebergabe

aufforderte. Die Rebellen hatten in dieſer Gegend ihre ganze ge wöhnliche Grauſamkeit entfaltet. Sie hatten ſich aller Schlöſſer und Häuſer der Engländer bemächtigt, hatten dieſe mit ihren Frauen und Kindern geplündert und nackt vertrieben ; ferner hatten fie erklärt, jeden Jrländer mit dem Tode zu beſtrafen , der einen Engländer verbergen oder ihn lebendig entkommen laſſen würde *). Auf die Aufforderung Cromwell's fich zu ergeben, war der Gou verneur von Werford auf dem Puncte ihr Folge zu leiſten , als

dieſer Offizier nach der Ankunft neuer Hülfstruppen erklärte,, daß er den Plaß nicht übergeben würde. Cromwell, entſchloſſen,

der Sache ſchnell ein Ende zu machen , ließ ſtürmen und blieb Herr der Stadt , nachdem der Feind 2000 Mann verloren , die Cromwell hatte über die Klinge ſpringen laſſen . 1

Am 17. October zeigte er ſich vor Roß : das war der dritte Plaß , den er belagerte.

An demſelben Tage ſchickte er an den

Commandanten folgende Aufforderung : Den 17. October 1649 .

,,Mein Herr,

Seit meiner Ankunft in Irland darf ich mir das Zeugniß geben, daß ich Blutvergießen zu vermeiden mich bemüht habe , indem ich mich vor keinem Plaße gezeigt habe, ohne ihm zuerſt eine Capitula tion anzubieten , um die zu retten , welden ſie angeboten wurde.

Der Grundſatz, nach welchem id, verfahre iſt der , daß die Beſaßun 1

gen und Plätze, vor welchen id; midy zeige , nichts leiden ſollen, wenn folches ihr eigner Wunſd iſt. Um denſelben Weg rückſichtlich des

Plaßes und der Bejagung , weldie Ihr befehligt , einzuſchlagen , for dere ich Euch durd Gegenwärtiges auf , die Stadt Roß dem engli ſchen Parlament zu übergeben.

In Erwartung Eurer baldigen Antwort verbleibe id; Euer Diener,

Oliver Cromwell. " **) *) Lingard, Hist. d'Angleterre, X, not. A, $S. 4. 6. **) News Papers in Cromwelliana, p. 67. Carlyle II 83. 10 *

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Da der Commandant auf dieſe Aufforderung nicht ſogleich ant

wortete, ließ Cromwell Batterieen errichten. Ormond, Ardes , Caſt

1

lehaven, die jenſeit des Fluſſes ſtanden , warfen 1500 Mann in die Stadt , und am 19. October fingen die großen Batterien des eng liſchen Heeres zu ſpielen an. Der irländiſche Commandant , Lucas Taaff, ſchickte ſofort einen Parlementär. Cromwell antwortete mit

dem Anerbieten einer vortheilhaften Capitulation : Das irländiſche Heer durfte ſich mit Waffen und Gepäck, mit Trommeln und Fah nen zurückziehn, und der engliſche General ficherte den Einwohnern ein ruhiges Leben , ohne Gewaltthätigkeiten und Beleidigungen von Seiten der Soldaten zu.

Die beiden Lectionen von Drogheda -und Werford hatten ihre Wirkung gehabt. Dieſe Vorſchläge wurden angenommen . Und nicht allein in Roß war die von den Engländern befolgte Politik von gutem Erfolg. Die Waffen ſanken in ganz Jrland vor Crom well's gefürchtetem Namen . Um die Mitte des Mai war das ganze Land unterworfen , zwei Pläße ausgenommen , die freton ſpäter nahm ; Ormond entfloh nach Frankreich. Indem Cromwell ſo zwei furchtbare Schläge gegen Drogheda und Werford führte , lehrte er den Schlächtern die Nothwendigkeit ſich zu unterwerfen , verhin

derte ein längeres Blutvergießen und ſtellte den Frieden im alten Erin wieder her.

Geſchichtſchreiber, ſelbſt ſolche, die Cromwell's heftigſte Gegner ſind , geſtehn ein , daß kein Staatsmann jemals ſo viel als er für das Wohl dieſes armen Landes gethan hat. Man ſah eine dort 1

ſeit vielen Jahren unbekannte Ordnung und Sicherheit wieder ent ſtehn . Die Provinz Connaught , die nichts als ein verödeter, wü ſter Landſtrich war, verwandelte ſich bald in ein fruchtbares land,

und der übrige Theil frlands wurde überall mit Vertrauen und Thätigkeit angebaut. In dem Zeitraume von weniger als zwei Jahren ſah man dieſes ganze Königreich mit geſchmackvollen und nüblichen Gebäuden , ſchönen Pflanzungen und neuen Umzäunungen bedeckt. Friede , Wohlhabenheit, Thätigkeit erſchienen wieder in dieſen traurigen Gegenden. Clarendon iſt erſtaunt darüber, und nach ihm Herr Villemain . Man darf mit Recht auf die Eroberung ,

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Frlands durch Cromwell den Ausſpruch der heiligen Schrift an wenden : An der Frucht erkennt man den Baum. Dieſe Ergebniſſe werden uns nicht in Erſtaunen feßen , wenn

wir uns das Bild vergegenwärtigen , welches Milton von Crom well's Soldaten entwirft.

„ Niemals," ſagt er , „hat Jemand in ſo

kurzer Zeit ein ſo großes , und eben ſo gut an Zucht gewöhntes Es war gehorſam den Befehlen ſeiner Obern, theuer den Mitbürgern , furchtbar den Feinden , wenigſtens denen , die unter den Waffen ſtanden , und bewundrungswürdig denen , die Friede geſchloſſen ; es lag auf den Feldern und wohnte in den Häuſern, ohne jemanden zu beläſtigen ; es erfreute die Einwohner, welche in der Erinnerung an die Gewaltthätigkeit , Trunkenheit,

Heer geſchaffen .

Gottloſigkeit und an die Ausſchweifungen der Königlichen , über den

Mohamad Crow Julli WHAT

17

.

.

IK

Wechſel ihres Schicjals glücklich waren und Gäſte nicht Feinde (non hostes , sed hospites) aufgenommen zu haben glaubten ; ſie ſchüßten die Guten , feßten in Schrecken die Schlechten , und ermun terten Jedermann zu aller Tugend und Frömmigkeit *) : ſo war Cromwell's Heer beſchaffen ." fich nicht wieder gefunden.

Das Vorbild war neu und hat

Das Oberhaupt ſelbſt der königlichen Truppen erfuhr in ſeiner Familie Oliver's Güte. Die wohlwollende Geſinnung des Lord Generals gegen ſeine Feinde war ſo ſehr bekannt, daß die Marquiſe von Ormond um ſeine Gunſt nachſuchte, obgleich ihr Mann ihn offen mit Verachtung behandelt hatte. „ Da das Gerücht, “ ſchrieb ſie ihm , „mich von der Geneigtheit Eurer Herrlichkeit benachrichtigt hat , Ihre Macht zur Unterſtüßung der des Schußes und der Hülfe Be dürftigen anzuwenden, ſo wage ich es Sie um Beiſtand zu erſuchen ." Dieſe Bitte wurde erfüllt. Als Cromwell ſpäter erfuhr , daß

Lady Ormond mit dem Marquis gegen die Regierung Ränke

ſchmiede, ſagte er in einem verdrießlichen und ſpöttiſchen Tone zu Lord Broghil, der ſich für ſie verwendete : „Sie verwenden ſich wahrhaftig für eine ſchöne Perſon ! Lady Drmond verſchwört ſich -*) Virtutis etiam omnis et pietatis hortatores. ( Milt. Defensio se cunda.) p. 108.

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1

mit ihrem Manne gegen mich, obgleich ich ihr durch Ihre Vermitt lung 2000 Pfd. St. jährlich auf die Güter ihres Gemahls bewil ligt habe.“

Cromwell befolgte jenes Gebot :

Wenn dein

Feind hungert , ſo ſpeiſe ihn. Aber er hat dabei nicht feu : rige Kohlen auf das Haupt ſeiner Gegner geſammelt. Nachdem Oliver in Irland die Soldaten Karl's geſchlagen , griff er die des Papſtes an . Er war nicht allein General , er zeigte ſich

auch als Theolog.

Die papiſtiſche Hierarchie Irlands hatte ſich

im December 1649 in Clonmacnoiſe verſammelt und daſelbſt ein

Manifeſt entworfen. Cromwell antwortete , und ſeine Erklärung iſt eine von den merkwürdigſten Urkunden , die jemals von einem Soldaten verabfaßt worden ſind. In dem 16. und 17. Jahrhuns

dert war die Bewegung der Geiſter ſo gewaltig , daß alle Berufe

in einen einzigen zuſammenſchmolzen : Zwingli war Staatsmann , beinahe General, und Oliver Cromwell Doctor der Theologie. Er war , wenn man will , ſogar Biſchof und verſtand einen Hirtenbrief /

oder ein Rundſchreiben zu verabfaſſen. Laſſet uns eine gewaltige Stimme des Proteſtantismus hören , die vielleicht nicht ihres Glei chen im 17. Jahrhundert hatte. Die irländiſchen Prälaten hatten in ihrem Manifeſt von Kle : rus und Laien geſprochen. Cromwell dachte wie Luther , „daß

alle Chriſten zum geiſtlichen Stande gehörten , und daß es unter ihnen keinen andern Unterſchied gebe , als den der Aemter, welche Er glaubte an das vom beiligen Petrus an alle Gläubige gerichtete Wort : S Ihr ſeid das königliche Pries

ſie verwalteten.“

ſterthum ..... Auch gab der engliſche General den papiſtiſchen . Prälaten Frlands eine ſtarke Lection über dieſen Gegenſtand. „ Ihr ſprecht von der Nothwendigkeit den Klerus und die Paien zu verföhnen , " ſagt er. „ Das Mißvergnügen und die Spal tung , worüber ihr euch beklagt , kommen von der Meinungsverſchies denheit, die ſich jüngſt zwiſchen den Prälaten und den Laien erhoben . Ich wundere mid nid)t, daß Meinungsverſchiedenheiten,

Mißvergnügen , Spaltungen da vorhanden ſind, wo ſich ſo wider chriſtlide Unterſcheidungen , fo feparatiſtiſde Benennungen finden, wie die von Alerus und Paien. .

Das ſind allen Süngern des

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Evangeliums unbekannte Ausdrücke, welche die widerchriſtliche Kirche (Roms) und Alle, die von ihr ausgehn , allein angenommen haben. Ab initio non fuit sic. In den erſten Zeiten erkannten die Chriſten

beſſer die wahre Einheit aller Gläubigen. Auch finden wir nicht ein Wort darüber in allen an die Kirchen gerichteten Briefen der Apoſtel.

Die Mitglieder der Kirche werden darin Brüder und Heilige genannt

und alle zuſammen als Diener deſſelben Glaubens betrachtet. Es gab ohne Zweifel unter ihnen verſdiedene Aemter und Geſchäfte zur Ausführung der Anordnungen des Herrn , aber dieſe nach Anwens dung und Charakter von den unſrigen ſo verſchiedenen Geſchäfte ver leiteten ſie niemals contemptim 2, und wie um bie Andern herabzus

ſeten : der Klerus und .... die Laien , zu ſagen. Euer Stolz hat dieſen Ausdruck erzeugt ; eure verächtliche Gewinnſucht verleitet euch ihn, feſtzuhalten.. Ihr wollt dem Volke einreden , es ſei nicht ſo heilig wie ihr , damit es euch für Geld ein bischen Heiligkeit ab

kaufe. Ihr wünſcht nad, eurem Belieben dieſe armen Laien zäumen, ſatteln , reiten zu dürfen ; ihr wünſdt die Phariſäer und Schriftge lehrten nadyzuahmen , (worin ihr ſehr geſdýidt ſeit) dieſen Klerus der alten Zeiten , weldje ihren Laien die Kenntniß des Geſetzes verhebl ten und hierauf in ihrem Stolze ausriefen : Dieſes Volt , das

nichts vom Geſetz weiß , iſt verflucht!" (Joh. VII, 49.) Man ſieht, daß wenn es im 17. Jahrhundert keine Generale gab, die eben ſo gut wie Cromwell das Schwerdt zu führen wußten , es eben ſo wenig Schriftſteller gab , die beſſer als er die Feder zu führen verſtanden. Es iſt etwas von Pascal in dieſem Schreiben Oliver's. Die Erklärung erſchien ſechs Jahre früher als die Lett res Provinciales und iſt gegen dieſelben Feinde gerichtet: denn die

Jeſuiten Frankreichs und Jrlands haben immer übereingeſtimmt. Die Prälaten hatten erklärt, daß die ſich zu einer Körperſchaft vereinigten , um mit Rath und That „die Rechte ſeiner Majeſtät

und der katholiſchen Religion zu fördern .“ Cromwell will nicht, daß man zu fleiſchlichen Mitteln ſeine Zuflucht nehme , um die Re ligion zu fördern. Er zeigt ſich hier ſeinem Jahrhundert und bei nahe ſich ſelbſt überlegen. Wenn die Päpſte und ganz kürzlich

noch Pius IX. den Arm der weltlichen Macht für die Religion um Beiſtand angerufen haben , ſo will der große General , der

128

große Staatsmann des 17. Jahrhunderts , in ſeinem Rundſchreiben jene heilige Wahrheit feſtſtellen , daß nur durch eine innre geiſtige Macht die geiſtige Religion Jeſu Chriſti ſich aufrecht halten und wachſen ſoll. Wenn die irdiſden Dinge " , fährt er fort , ,,wenn die Rechte der Kirche durch eine weltlide Madyt nid )t ſollen vertheidigt werden,

wie viel weniger ſollen Glaubenslehren , das Werf des Geiſtes und der Gnade , durd) ſo unpaſſende Mittel aufredyt erhalten werden ! Der uns befiehlt ob dem Glauben zu kämpfen , der einmal den Heiligen übergeben iſt , jagt une audy , daß wir nidyt gehen follen den Weg Cain , Core ind Balaam , auf daß er uns erbaut auf unſern allerheiligſten Glauben , für welchen wir fämpfen ſollen , und nicht alles annehmen , was die

Andern ſagen mit dem kned tiſden Köhlerglauben . ( Not pinning it upon other men's sleeves. ) Man muß beten durdy den hei

ligen Geiſt, und nidyt ſeine Meſſen hermurmeln . Wir müſjen uns behalten in der Liebe Gottes , und nidit die Menſchen

ausrotten , weil ſie nicht glauben wollen wie wir. Wir müſſen warten auf die Barmherzigkeit unſers Herrn Jeſu Chriſti, die nicht grauſam , ſondern voller Mitleid iſt! ..... Aber , ach ! warum ſage ich euch das Alles ? Warum werfe ich vor eudy dieſe

Perlen ? ....

Jhr feid entſchloſſen nicht wegzulegen das Geräthe

eines thöridten Hirten ( Zachar. XI., 15 ).

Ihr ſeid Glieder

jenes Widerchriſts, deſſen Königreich nady der Sdyrift auf Blut ge baut iſt, ja auf das Blut der Heiligen. Ihr habt ſchon Ströme Bluts vergoſſen , und bald ſollt ihr Alle daraus trinken. Die

Sdale des Zornes Gottes wird über euch ausgegoſjen werden (Offenb. XVI, 10 )."

Man ſieht, kein Wort Cromwell's , das nicht aus der Schrift ge ſchöpft wäre. *) Das wird für Manche ein Gegenſtand des Spotts

ſein. Wir, die wir glauben, daß der große General, indem er die Jeſuiten Frlands durch die Schrift bekämpfte, ein Gott wohlgefäl liges Werk that, wir beklagen uns nicht, daß er ſeine Waffen dem Apoſtel Judas , oder dem Johannes , dem Schüler , welchen Jeſus

:*) Beſonders aus dem Briefe des Apoft. Judas. 3. 11. 20. 21.

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liebte , entlehnte. Nicht auf der Inſel Patmos allein entrollen fich 1

vor den Augen der Chriſten große Ereigniſſe. In der Reihenfolge der Jahrhunderte giebt es außerordentliche Zeiten, wo die Stimme des Herrn fich hören läßt , wie das Brauſen großer Waſſer

ſtrömé , und in jenen apocalyptiſchen Zeiten darf uns eine apo calyptiſche Sprache nicht überraſchen. Die Prälaten , mit welchen es Cromwell zu thun hatte, waren

zuerſt als Vertheidiger der Prieſterherrſchaft, dann des Königs auf getreten, zuleşt endlich hatten ſie vom Volke geſprochen. · Cromwell

glaubt in der That , das Volk ſei die legte ihrer Sorgen. Er ver ipottet ſie bitter darüber, und nachdem er ein Wort des Kardinals Wolſey angeführt , prophezeit er eine Zukunft, welche die franzöſi ſche Revolution von 1789 in grauſamer Weiſe verwirklicht hat. Er fügt hinzu :

„Nadıdem ihr , nach eurer Gewohnheit, zuerſt an euch ſelbſt ge dacht, dann zweitens an ſeine Majeſtät ( wie ihr ihn nennt ) , ſowie 1

es ein Mann eures Sdylages mit ſeinem berüchtigten Ego et Rex meus gethan , wollt ihr endlid aud das Volk in Betracht ziehn.

Ihr fürdytet den Anſdyein es zu vergeſſen , oder vielleicht ſoll idy glauben , daß es ſehr eure Gedanken beſchäftige. Wahrhaftig ja , es beſchäftigt fie! Ad ! arme Paien. Ihr mödtet, ihr und euer König ( der Papſt ), ſie wie ein Pferd beſteigen , ſie übertreiben , freuzlahm .

machen und zu einer elenden Sd'indmähre herunter bringen, wie eure Kirche und euer König es faſt in allen Jahrhunderten gethan haben !

Aber es iſt nicht ſchwer vorauszuſagen, daß das alſo von dem Spo ren geſtachelte Thier früher oder ſpäter hinten ausſdjlagen wird , ſo daß dieſer Zuſtand der Dinge nicht ewig dauern wird.

Die will

führlidie Gewalt der Könige und Prieſter iſt eine laſt, deren die Menſchen anfangen müde zu werden.

Die Ränke , deren fie fich zu

gegenſeitiger Unterſtüßung und zur Aufredythaltung der Tyrannei in Staat und Kirche bedienen , fangen an durchſidytig zu werden.

Es

giebt Männer, wie ihr wißt , weldie diefes doppelte 3od bereits ab geſchüttelt haben und ſich durch Gottes Gnade frei zu erhalten hoffen. Es giebt Andre , die eben damit beſchäftigt ſind. Viele Gedanken

über dieſen Punkt gähren in Vieler Herzen , und früher oder ſpäter werden ſie hervortreten und hervorbreden. Der Grundſatz, das Volt

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gehöre dem Könige, die Kirchen und die Heiligen dem Papſte und den Geiſtlichen ( wie ihr ſie nennt ) , fängt an in der Welt ausge pfiffen zu werden. Idy Ich wundre midy alſo nicht, eure Brüderſchaft ſo heftig erzürnt zu ſehn. – 3d wünſde, daß das Volt weiſe ge

nug ſei , um fid) nicht über das , was ihr ſeid , ſagt und thut , zu beunruhigen .“

Es ſcheint, daß die vom Pascal Großbritanniens geführten Schläge, was die Richtigkeit und Kraft betrifft, denen ſeines Kollegen von Port- Royal gleich kommen .

Die päpſtlichen Biſchöfe hatten von ihren Verpflichtungen rück ſichtlich ihrer Heerden geſprochen. Ueber dieſes Wort entrüſtet ſich Oliver ; die Nöthe ſteigt ihm in's Geſicht.

Er unterſucht, ob

die Biſchöfe wirklich Hirten ſind, ob ſie wirklich Heerden haben. „ Ueber dieſen letzten Punkt, id) bitte , nur ein oder zwei Worte. .

Wie hat fid) das Verhältniß zwiſden eud und dieſen Menſchen ge

bildet ? Sind ſie wirklid, Heerden und ihr Hirten ? 3a , ihr ſeid Hirten , aber xat' ivriggadi * ) a minime pascendo ! Von zwei Dingen thut ihr das Eine : ihr vernadıläſſigt gänzlich en Un

terricht des Volks , oder vielmehr ihr unterridtet ſie in der Weiſe, wie Einige unter euch dieſer Verſammlung beigewohnt haben , wohin ſie von Andern tanquam procuratores geſchickt worden ſind. Ihr

unterrichtet ſie nady römiſdier Weiſe , indem ihr ihnen einen Haufen einfältiger und unwiſſender Prieſter ſchickt, die nur die Meſje zit

leſen verſtehn , und das faum , wenn ſie es verſtändlid; madjen ; oder I

vielmehr nod , ihr unterrichtet ſie in ſolden Faſeleien , wie ſie in euern abgeſdymadten Edicten enthalten ſind !

Aber wie wagt ihr eure Heerde dieſe Menſdien zu nennen, weldie ihr in eine ſo ſchauberhafte Rebellion geſtürzt, die ihr ſo, ſie und ihr Land, in einen Trümmerhaufen faſt verwandelt habt?

Dieſe Menſdhen , die ihr geſchoren, gerupft, geſchunden habt, die ihr fortfahrt zu ſchinden und zu ſcheren, nein , ihr könnt ſie nicht weiden : ihr vergiftet ſie! Ihr vergiftet ſie durch eure falſchen , abſdeulichen und widerchriſtlichen Lehren und Praktiken. Ihr verweigert ihnen *) Nach einer Benennung, die mit dem Weſen des Benannten im Widers ſpruch ſteht.

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das Wort Gottes und gebt ihnen dafür eure lächerlichen Geſetze und 3hr predigt ihnen einen blinden Glauben , und wer ſie beſucht, findet unter ihnen eine große Zahl , die nichts von Ueberlieferungen.

eurer Religion begreifen. Seitdem id) in Irland bin, habe ich von den Mitgliedern eurer Heerden keine befriedigendere Antwort erhalten, als die : Fürwahr , wir hüten uns über das , was die Religion be trifft, uns zu beunruhigen , wir überlaſſen das der Kirche! — Seht, 1

wie ihr eure Heerden nährt. Seht, welche Ehre euch daraus er wädyſt! Sie ſollen ſich hüten , ſpredyt ihr , ihren Glauben nicht zu verlieren ! Ach ! die armen Geſchöpfe! haben ſie denn etwas zu ver lieren ? "

Die ſprochen , erwidert, und ſeit

Verſammlung zu Clonmacnoiſe hatte von der Gefahr ge die katholiſche Religion ausgerottet zu ſehn. Cromwell man fönne nur was eingewurzelt ſei ausrotten , achtzig Jahren wäre jede Meſſe in Irland verboten ge

weſen. Er ſchloß damals, nicht die Katholiken , ſondern das römi ſche Prieſterthum , nicht die Religion , ſondern die Meſſe vom Vor recht der religiöſen Freiheit aus. Er ſcheint ſpäter ſeine Meinung über dieſen Punkt geändert zu haben , wie man aus einem Briefe an Mazarin ſehen wird.

Er fährt ſo fort :

„Folglich überall, wo id die Macht haben werde, und wo es dem Herrn gefallen wird , meine Anſtrengungen zu ſegnen, werde ich die Feier der Meſſe nicht erlauben.. Ueberall , wo ich euc, als Ver 1

führer des Bolts , oder als offenbare Verletzer der beſtehenden Ge

ſeße finde, werde ich eud, nid)t dulden , ihr Papiſten. Wenn ihr in meine Hände fallt, werde id, die von den Geſetzen beſtimmten Stra fen über euch verhängen , und werde eucy, um eure eignen Worte auf eud) anzuwenden , secundum gravitatem delicti beſtrafen , und ,

mich bemühen, die Saten auf den frühern Standpunkt zurückzuführen. Aber in Betreff des Volkes iſt es eine andre Sache; id) kann nicht

wiſſen , was es im Grund des Herzens über Religion denki. Ich werde es als meine Pflicht anſehn , ſo lange die 3rländer fidh lehr

lich und friedlid; benehmen , ſie nicht im geringſten in Betreff dieſes Punktes zu beunruhigen.

Id werde mich beſtreben , mitten unter

ihnen in Geduld und Liebe zu wandeln , um zu ſehn, ob es früher oder ſpäter Gott gefallen wird , ihnen einen beſſern Geiſt zu geben.

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3dy madhe ſtreng und gewiſſenhaſt Jedermann , der unter Englands Herrſchaft ſteht, zur Pflidit, daſſelbe zu thun." *) Es war im Januar 1650 , zu Youghal, daß der Lord - Lieute nant von 3rland dieſes erzbiſchöfliche Rundſchreiben an die papiſti ſchen Biſchöfe und Prieſter richtete. Es findet ſich darin ſo etwas zugleich von Aaron und Joſua. Wie einſt die Juden bei dem Worte des Märtyrers Stephanus , der ſie Mörder und Verräther

nannte , ſo knirſchten ohne Zweifel die Biſchöfe ſrlands vor Wuth in ihrem Herzen beim Leſen dieſer ſtaunenswerthen Zuſchrift ; Innocenz X. , wenn er davon Kenntniß hätte , würde die Stirn unter ſeiner Tiara runzeln , und Emmanuel Sa , Sanchez und Es: cobar würden ſich in ihrem Grabe umwenden . Gewiß , ſtarke Schat

tierungen unterſcheiden den rauben Oliver von Pascal , und doch , wir wiederholen es , im Grunde vertheidigen ſie dieſelbe Sache und greifen dieſelben Feinde an .

Wenn der große General bewunderungswürdig als Biſchof

ſpricht, ſo ſpricht er vielleicht bewunderungswürdiger noch als Va ter und beſonders als chriſtlicher Vater.

Ich weiß nicht, wie die

jenigen , welche an dem echten Chriſtenthum Cromwell's zweifeln, ſeine Briefe an ſeine Kinder erklären können . Mögen die Mäch

tigen der Erde einige religiöſe Worte in ihre öffentlichen Reden ſeßen ; daraus läßt ſich nichts folgern , das iſt eine Form , ſagt man. Aber wenn ſich nun im Heiligthume eines Vaterherzens die wahrſten Ausdrücke chriſtlicher Frömmigkeit finden , wer anders als Gott hat ſie dahin geſtellt ? 1

Mitten in dieſem furchtbaren irländiſchen Kriege, zwiſchen dem

ſchottiſchen und engliſchen , der mit Karl's I. Tode endigte , findet ſich eine Familien - Epiſode, von der wir ſchon einen Zug angeführt haben : Cromwell verheirathete ſeinen älteſten Sohn. Es giebt keinen unter den großen Männern der Geſchichte, bei dem man das Innerſte feines Hauſes ſo deutlich ſehen könnte. Der Wunſch eines Alten iſt für ihn in Erfüllung gegangen : „ ſein Haus iſt von *) Lettres et Discours de Cromwell , II. p. 120-139.

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Glas." Es iſt das ein Glück, aus dem Nußen zu ziehn die Ge ſchichte ſich beſtreben muß.

Wir finden da ein Hirtengedicht mitten

in einem Heldengedichte, oder vielmehr eine chriſtliche Epiſode , die einem Milton oder Klopſtock als Skizze hätte dienen können .

Während der General ſich nach Frland einſchiffte , benußten Richard und Dorothea die ſchönen Tage des Juli , um ihre Hoch zeitsreiſe zu machen . Oliver iſt darüber ganz glücklich. Viele glänzende Partieen hatten ſich ſeinem Sohne dargeboten , aber er hatte für Richard die Tochter des Herrn Mayor gewünſcht, weil dieſe Familje eine fromme Familie war. Cromwell blieb von da an dieſem Chriſten aufrichtig ergeben, und ſchrieb ihm in den merk würdigſten Tagen ſeiner militäriſchen Laufbahn brüderliche Briefe.

Folgender Brief war von ihm aus Briſtol unter dem 19. Juli 1649 an den Vater der jungen Frau gerichtet. Ich bin ſehr erfreut, gute Nachrichten von Euch zu haben , und I

zu vernehmen , daß unſre Kinder Zeit gehabt, eine Reiſe zu machen, um Kirſchen zu eſſen. Das iſt bei meiner Tochter ſehr zit entſchul

digen. Ich hoffe, daß ſie dafür eine gute Entſduldigung hat ! Ich verſichre Euch, Sir, daß ich ihr viel Gutes wünſche, und ich glaube, fie weiß das. Saget ihr von meiner Seite , daß ich erwarte , daß ſie mir oft ſdyreibe; ſo werde icy Eure Neuigkeiten erfahren, und für

ſie wird es eine gute Uebung ſein. Ich habe Euch meinen Sohn anvertraut und hoffe, daß Ihr ihn berathen werdet ; er' bedarf deſſen, und in Wahrheit glaube ich , daß er gern hat , was Ihr ſagt , und 1

Eure Rathſchläge wohl aufnehmen wird. Ich wünſche, daß er ernſt fei, die Zeiten heiſchen das."

Ja , gewiß , jene Zeiten verlangten , daß junge Männer ernſt waren , und die unſrigen auch. Jedoch Oliver fürchtete, es möchten die füßen Freuden der Ehe Richard zu ſehr, an ſich ziehn. Am 13. Auguſt 1649 , am Bord des Johann , ſchrieb er von Neuem ſeinem vielgeliebten

Bruder Richard Mayor , dem Schwiegervater ſeines Sohnes : „ Ich

wünſchte, mein Sohn beſchäftigte ſich , läſe ein wenig Geſchichte, ſtudierte Mathematik und Kosmographie . Dieſe Studien ſind gut, wenn ſie den göttlichen Dingen untergeordnet werden. Sie find

134

beſſer als Müßiggang oder rein weltliche Beſchäftigungen. Sie machen geſchickt zu öffentlichen Angelegenheiten, und für dieſe iſt ja der Mann geboren.“ Man findet immer einige ernſte Gedanken in diejen kleinen Billetts.

Am 13. November 1649 iſt Cromwell in Noß , mitten im Kriege. Er iſt krank geweſen ; er denkt an ſeinen Sohn ; niemals wünſchte ein Vater lebhafter zu ſehn, ſein Sohn möchte ſein ganzes Herz Gott ſchenken . Oliver ſchrieb von Neuem an Mayor : „ Meine Ge ſundheit iſt erſchüttert geweſen , aber es hat dem Herrn gefallen mich zu erhalten. Ich flehe um Euer Gebet. Ich bitte Euch mei nen Sohn zu erinnern , daß er ſich immer mehr mit göttlichen Dingen beſchäftigen ſolle. Ach ! welche Freude giebt es denn in den Dingen dieſer Welt ! Genießt man ſie nidyt als Chriſt, ſo ſind ſie nur Fallſtricke.

Ebenſo als Chriſt wünſche ich , daß er ſeine

Frau und ſie ihn beſike.

Ebenſo wünſche ich ſelbſt ſie beide zu

genießen.“

Später iſt Cromwell ganz fröhlich ; nach Briefen , die er von feinem Sohne während des Winters erhalten , glaubt er, daß dieſer

anfange die himmliſchen Dinge zu ſuchen. Am 2. April 1650 ſchreibt der Lordlieutenant von Carrick aus an Herrn Mayor : „ Ich habe Euch meinen Sohn anvertraut. Ich bitte Euch ſein Rathgeber zu ſein . Einige Briefe , die ich kürzlich von ihm erhal

ten , haben einen guten Geruch : möge der Herr ihm ſeine Gnade 1

vervielfachen, damit aus dem guten Schaße ſeines Herzens viel Gutes hervorgehn könne.“

Aber ſeinem Sohn ſelbſt fühlt ſich dieſer chriſtliche Vater zu

ſchreiben gedrungen. Brief :

Derſelbe Courier brachte Richard folgenden

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Meinem vielgeliebten Sohn Richard Cromwell zu Hursley in Hampſhire. Carrick , d. 2. April 1650 .

„ Lieber Dic,

3d freue mich über Deine Briefe ; ich liebe die Gefühle , die

einfad; vom Herzen kommen und nicht gezwungen oder geſucht ſind. Idy bin überzeugt , daß Gottes Barniherzigkeit Dich da, wo Du biſt, hingeſtellt hat. Ich wünſdie , daß Du es fühlſt und dafür erkenntlid) biſt, indem Du Deine Pflidyten zum Ruhme Gottes erfüllſt. -

Sudie beſtändig das Angeſicht des Herrn ; das ſei das Ziel der Be mühungen Deines Lebens ; alle andre Dinge ſeien dieſer Arbeit un tergeordnet. Nur als Chriſt darfſt Du Gottes Angeſichtë betradyten ; bemühe Didy alſo Gott als Chriſt zu erkennen . Die Schrift belehrt

uns , daß dies der Hauptinhalt aller Dinge und das ewige Leben ſelbſt iſt.

Die wahre Erkenntniß iſt nidyt eine Erkenntniß des Buch

ſtabens und der Speculation : ſie iſt eine innre und wandelt die Seele um.

Dieſe Kenntniß zu beſitzen , heißt an der göttlichen Na

tur Theil nehmen. Durch diejelbe , ſagt der heilige Petrus, wer : det ihr theilhaftig der göttlichen Natur , ſo ihr fliehet die vergängliche Luſt der Welt. (2. Petr. I, 4.)

Bon dieſer Erkenntniß ſpricht Paulus , wenn er ſagt: 3 ch adyte e8 Alles für Sdaden gegen der überſd wengliden Er 1

kenntniß Chrifti Jeju , meines Herrn , um welches willen

id Alles habe für Schaden geredynet, und achte es für Dred , auf daß ich Chriſtum gewinne , und in ihm erfun

den werde , daß ich nicht habe meine Gerechtigkeit , die aus dem Geſetz,

ſondern die burdh den Glauben an

Chriftum kommt , nemlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugeredynet wird , zu erkennen ihn und die Kraft ſeiner Auferſtehung und die Gemeinſchaft ſeiner Leiden , daß id ſeinem Tode ähnlich werde. (Bbia

lipp. III, 8-10.) D mein Sohn , wie wenig dieſer Erkenntniß iſt unter uns ! Meine ſchwachen Gebete werden immer für Dich ſein. Hüte Dich vor einem leeren und unthätigen Geiſt. Suche Er

holung im Leſen der Geſchichte Sir Walter Raleigh's : Das iſt ein ganzes Geſchichtswerk, das gerade deshalb weit mehr, als Bruchs

3

136

ſtiide es than fönnten , Deinen Geiſt entwickeln wird.

1

Bemühe Didy

and den Zuſtand meiner Güter kennen zu lernen ; Deine Sache iſt es , von Allem , was darauf Bezug hat , wohl unterrichtet zu ſein. Idi habe bis zu dieſer Stunde viel gelitten , weil idy zu großes Ver trauen auf Andere ſetzte. Id weiß, daß mein Bruder Mayor in dem Allen bir nüylid, ſein wird. Du wirſt vielleidyt denken , id) braudyte Dir Liebe zu Deiner Frau nid)t zu empfehlen ! Möge der Herr Did) lehren , wie Du ſie

lieben ſollſt; ſonſt wirſt Du ſie nid)t lieben , wie Du ſollſt. Obgleid )

die Ehe kein Sacrament iſt, ſo iſt dennod; da , wo die Ehe ehr lidh gehalten wird und das Ehebette unbeflect *) , dieſe Vereinigung ein recites Bild von der zwiſden Chriſtus und ſeiner Kirde.. Wenn Du, Du Deine Frau wahrhaft lieben kannſt, wie muß denn Chriſtus ſeine Kirche lieben und eine jede Seele in ihr ! Empfiehl mich dem Andenken Deiner Frau ; fage ihr , daß ich ſie 1

zärtlid) liebe und mid; der Güte Gottes gegen ſie freue. Er madje ſie fruchtbar auf jede Art! Ich danke ihr für ihren liebevollen Brief.

Ich habe meine wohlgewogenen Gefühle meiner Schweſter und meiner Muhme Anna in meinem Briefe an meinen Bruder Mator

dargebracht. Idy wünſchte, daß er nidits in ſeinen Sadyen rüdficht

lich deſſen , was er mir ſchuldet, änderte ; er möge meinen Geldbeu tel als den ſeinigen betrachten. Mein Wunſch iſt, eine Summe für meine zwei Enkelinnen anzulegen ; dieſe Summe iſt eben ſo gut in 1

ſeinen Händen als anderswo aufgehoben.

3d weigere midy nicht zu

thun , was er wünſcht; aber ich wünſchte nicht, daß er ſich beunru higte. - Mein Sohn , der Herr fegne Dich auf alle Weiſe. 1

Dein Dir gewogener Vater Oliver Cromwell ** )."

Im Juli 1650 iſt Cromwell aus Frland zurück. Seine Schwiegertochter hat ein Kind. Da ſchreibt er an den Vater der jungen Mutter Folgendes. *) Hebr. XIII , 4 . **) Mémoires du Protecteur , par Oliv . Cromwell , I, 369.

137

An meinen vielgeliebten Bruder Richard Mayor, in Hursley . Alnwid , d. 17. Juli 1650.

Lieber Bruder,

11

Die Menge der Geſchäfte , welche ich zu London habe , iſt die

beſte Entſduldigung, die ich für mein Stilſdyweigen vorbringen kann. Fürwahr , mein Herz iſt mein Zeuge , daß es mir nicht an Liebe .

gegen Euch und die Eurigen fehlt : 3hr werdet oft in meinen Ges Keten genannt.

Idy wünſchte ſehr zu wiſſen , wie es dem Kleinen geht. Ich möchte den Vater und die Mutter darüber , daß fie mich vernachläf Daß mein Sohn faul iſt, weiß ich , aber von

ſigen , ausſchelten.

I

Doll ( Dorothea) hatte ich eine beßre Meinung. 3d fange an zu glauben , daß ihr Mann ſie verdorben hat ; ich bitte Euch, es ihm von meiner Seite zu ſagen. Hätte ich ſo viel Muße wie ſie , ich würde manchmal ſdyreiben. Wenn meine Tochter ſchwanger iſt, will id; ſie gern entſchuldigen , aber nicht wenn ſie ſtillt. Gott ſegne fie !

Ich hoffe, Ihr werdet meinem Sohne gute Rathſchläge geben ; id glaube, er hat deren nöthig. Er ſteht in einem gefährlichen Al ich .

ter , und die Welt , in ber wir leben , iſt ſehr ſchlecht. D, wie gut iſt es , ſich zu rechter Zeit mit 3eſu zu vereinigen ; das allein vers .

dient geſucht zu werden. Ich bitte Eudy ihn zu beſuchen. Sprechet mich von meiner Pflicht gegen ihn frei , zugleich auch von den Sors gen um Eure Freundſchaft; 3hr wißt , wie ſehr ich beſchäftigt bin. Man muß Mitleid mit mir haben. Ich weiß , was ich empfinde. Die Ehren und Aemter dieſer Welt verdienen die Mühe nid t, mit

der man ſie ſucht; ich würde keinen Frieden in meinen Geſchäften haben , wenn meine Hoffnung nicht auf der Gegenwart Gottes bes ruhte. Ich habe keineswegs dieſe Dinge aufgeſucht, Gott hat mich zu ihnen geführt. Deshalb hege ich einige Hoffnung, er werde ſeis nen armen Diener , der nur ein Würmchen iſt, fähig machen ſeinen Willen zu thun und die ihm geſtellte Aufgabe zu vollenden. Idy wünſche dafür die Hülfe Eures Gebetes. Id bitte mich in das lies 1

11

138

bevolle Andenken meiner lieben Schweſter, unſres Sohnes und unſrer

Todter, meiner Muhme Anna und der ganzen Familie zurückzu rufen .

3d, bleibe Euer wohlgewogener Bruter, Oliver Cromwell *).

War er So war Cromwell als Vater. Er war ein Muſter. unſ In ? ere n Tagen es auch in den öffentlichen Angelegenheiten

wird man ihm ſeine Unduldſamkeit in Betreff des Papismus in Irland fehr zum Vorwurf machen :

„ Ich werde nicht erlau :

ben , daß man die Meſſe feiere , “ ſagt er.

Prüfen

wir das.

Wenn das Wohl Jrlands Cromwell wahrhaft am Herzen lag, ſo mußte ſein Wunſch ſein , daß Frland die Meſſe und den Papſt

aufgab. Nichts iſt oberflächlicher als jene auf dem Feſtland und ſelbſt

auf den brittiſchen Inſeln ſo verbreiteten Anſichten , welche alle Uebel Jrlands der Abweſenheit der großen Herrn , dem Verfahren der engliſchen Regierung und andern Urſachen dieſer Art zuſchreiben. Man kann zugeben, daß dieſe Umſtände einigen Einfluß auf dieſes unglückliche Volk geäußert haben ; aber die wahre Urſache des Uebels muß man anderswo ſuchen . Kann man den Unterſchied

fehen , der ziviſchen dem biſchöflichen England, dem presbyteriani fchen Schottland und dem papiſtiſchen Frland beſteht, ohne daß die 1

Quelle von dem Unglück dieſes Landes in die Augen ſpringt ? Oder

wird man wohl behaupten , das irländiſche Volk gehöre zu einer Gattung , welche der der beiden andern Völker untergeordnet ſei ? Der Einfluß der Religionen iſt unermeßlich. Die Gottſelig keit iſt zu allen Dingen nüße und hat die Verheißung dieſes und des zukünftigen Lebens. ( 1. Timoth. IV , 8.) Die Prieſter haben die Jrländer zu dem was ſie ſind gemacht,

oder vielmehr eine entwürdigende Religion hat die Prieſter und *) Harris , p . 513. Lettres et Discours , II, p . 177.

139

das Volk zugleich entarten laſſen.

Ein grober Aberglaube, eine

verderbte Sittenlehre , falſche und in der Bildung weit zurücftes

hende Anſichten , haben dieſer Nation die Kraft geraubt und ihr Sorgloſigkeit, Unvorſichtigkeit und Elend eingepflanzt. Durch Jr thum verdorbene Prieſter haben das arme Volt felbſt verdorben. Wir möchten nicht die Verantwortlichkeit Englands und ſeiner Re

gierung vermindern : ſie iſt groß in jeder Weiſe ; aber jeder unpar teiiſche Richter muß einſehn, daß von der Siebenhügelſtadt Ströme von Unwiſſenheit, Aberglauben , Knechtſchaft, Elend, Niederträchtig 1

keit , von Hunger , Peſt, Tod, über dieſes Theilnahme erweckende und unglüdliche Land ſich ergoſſen haben. Das Papſtthum hat die chriſtlichen Offenbarungen verderbt, es hat von Neuem in der Welt, was das Evangelium überall abſchaffen wollte , eine Prieſterkaſte, eingeführt ; es hat die Nationen , über die es herrſcht, in ihren Fortſchritten aufgehalten , und ſie in jeder Beziehung hinter andern das Papſtthum wird vor Gott und vor den zurückbleiben laſſen ; /

2.

9

Menſchen die Armuth und Leiden zu verantworten haben , welche es

über eine Inſel ausgeſchüttet, die vor ihrer Unterwerfung unter den Papſt an der Spiße der chriſtlichen Kirche ſtand, und fich jeßt, ach , auf ihrer niedrigſten Stufe befindet. Die Oratorianer * ), entzückt, wie es ſcheint, über die Früchte,

welche die Gewäſſer des Papſtthums in Irland erzeugt haben , ha ben den frommen Vorſaß gefaßt , auch England damit zu be ſchenken. Sie graben am Quirinaliſchen Hügel, um aus der Erde das bittere , verfluchte Waſſer (4. Mol. V , 15) heraustreten zu laſſen , und ihre Freunde ſind ihrerſeits beſchäftigt, in England die Kanäle und die zur Aufnahme beſtimmten Behälter zu graben. Die beſondre Gefahr , welche aus dieſen Beſtrebungen erwachſen

kann, beſteht darin , daß die, welche es thun , in der Mitte des 1

proteſtantiſchen Lebens erzogen ſind. Es ſind die erleuchteten An

*) Herr Newmann und einige ſeiner Freunde , die vom Anglikanismus zum Papismus übertraten , waren in Rom , ale dieſe Zeilen geſchrieben wurden. Sie find ſeitdem zurüdgekehrt, um ſich in England als Mitglieder der Congregation des Oratoriums nieberzulaſſen . 11 *

140

ſichten und Kräfte des Proteſtantismus, welche ſie jeßt gegen ihn richten . Wenn es ſich um einige ſchmupige und unwiſſende Mönche handelte , wie ſie Rom in Jtalien , Spanien , Portugal und anders wo erzeugt, fo brauchte man keine Furcht zu haben . Aber dieſes Geſchmeiß wird nur kommen , um ſpäter die Bäume zu benagen und die Früchte zu verderben. Die modiſchen Oratorianer ſind be auftragt ihm die Wege zu bahnen. Wenn Staat und Kirche das Loos Irlands für England mit Sehnſucht verlangen , ſo mögen ſie ſich beeifern , zu dieſem ſchönen Plane die Hand zu bieten, der in Drford entworfen , in Nom verfolgt wurde und bald , wie man verſichert, in ganz England zur Ausführung kommen wird.

Aber

wenn Frlands Elend , wenn ſeine todten und lebenden Leichname die Herzen mit Schmerzen und Schrecken erfüllen , ſo mögen Staat und Kirche, ein jedes auf dem ihm zuſtehenden Gebiete , mit Kraft handeln und ſich beeilen Dämme aufzuführen , um die Gewäſſer abzuhalten , welche vom Wege aus Idumäa kommen und roth ſind wie Blut. Eine Frage über Selbſtmord iſt jeßt ſchwe bend in England .

Der Zuſtand andrer Völker beſtätigt dieſe traurigen Vermus thungen. Portugal , Spanien , Stalien ſind durch ihren Klerus in Sümpfe verſenkt , aus welchen ſie nur durch das Evangelium her.

ausgezogen werden. Frankreich befindet ſich auf einem Wendepunkte von Zuckungen, deren Urſache der Papismus. Hätte der Proteſtantis mus dort die Oberhand gewonnen , ſchon längſt würde er ihm mit der Freiheit auch Ordnung , Reichthum und Größe geſchenkt haben *). Seht, bald drei Jahrhunderte bezahlt Frankreich die Bartholomäus nacht und alle ihre Folgen , und es iſt zweifelhaft, ob es ſich jemals von ſeiner Schuld frei macht. Will man ſehn , was der Papismus aus den Völkern macht, ſelbſt in unſern Tagen , ſo richte 1

*) Wir haben mit Theilnahme in der Revue de deux mondes (vol. XXI, p . 736) einen ſehr merkwitrbigen Artikel unter der Aufſchrift geleſen : De la poli

tique du calvinisme en France. Wir hatten noch nie ſo viel Aufrichtigkeit über die Frage rom Einfluß der Reformation bei einem franzöſiſchen und tatholiſchen Schriftſteller gefunden .

141

man nur ſeine Augen auf Belgien , das nach Irland am meiſtert papiſtiſch unter den europäiſchen Ländern iſt. Man wird da einen

fruchtbaren Boden finden , ein Land, das unermeßliche Hülfsquellen darbietet , ein Volk, welches ebedein an der Spiße der Induſtrie

und des europäiſchen Handels ſtand, aber von dem ein Theil der Bevölkerung zur Bettelarmuth gebracht iſt und faſt Hungers ſtirbt. Wird man hier auch , wie bei England , behaupten , die Regierung trage die Schuld davon ? Unmöglich , denn die belgiſche Regierung iſt ſeit 1831 am meiſten katholiſch in Europa geweſen . Aber ſeit 1831 iſt auch die Zahl der Prieſter in dieſem Lande um 2600 ges ſtiegen ; es haben ſich da mehr als 400 Klöſter geöffnet, welche überall hin Barfüßer , Kapuziner und andere Faullenzer dieſer Art ergießen ; und dieſe Prieſter und dieſe Mönche hatten bis zu den legten Ereigniſſen Alles an ſich geriſſen und geknechtet. Die Folge hat nicht auf ſich warten laſſen. Seit dem Sturze der römiſch - katholiſchen Partei hat ſich Belgien ein wenig gehoben ; aber der Pauperismus ſteht dort noch in richtigem Verhältniß zum .

Papismus. Das Elend iſt weit mehr geſtiegen in den flandriſchen, den Prieſtern gänzlich unterworfenen Provinzen , als in den wallo niſchen ( franzöſiſchen ) ehemals proteſtantiſchen Provinzen , deren Geiſt ſich mehr dem des Proteſtantismus nähert. „ Solches iſt, " ſagt

ein belgiſcher Berichterſtatter , „ ſolches iſt die Lage, in welche Bel gien durch die Partei des Klerus in weniger als funfzehn Jahren gebracht worden iſt *)."

Wenn alſo Oliver Cromwell Jrland geliebt hat ; wenn er es glücklich und im Wohlſtand hat ſehen wollen , ſo mußte er ganz beſonders wünſchen , den Papismus und die Meſſe verſchwunden, und das evangeliſche Chriſtenthum und die Bibel eingeführt zu ſehn. Aber wenn der Zweck Cromwell's gut war , waren es gleichfalls die Mittel ? Dhne Zweifel nicht ganz. Als er zu den Häuptern des

papiſtiſchen Klerus redete, ſagte er zu ihnen : „Wenn ihr in meine

*) Man vergr. über dieſen Gegenſtand Le Semeur et le National an vers ſchiedenen Stellen .

142

+

Hände fallt , werde ich euch nach den Geſeßen beſtrafen laſſen."

(Erklärung .) Wenn dieſer Weg zu Cromwell's Zeiten einzuſchla gen war , ſo iſt er es nicht mehr in unſerm Jahrhundert.

Wenn das Evangelium das einzige Mittel iſt, Irland zu ret ten , wie ſoll man denn dieſem armen Volke dieſes untrügliche Mit .

tel mittheilen ?

Zuerſt bringe man ihm weder eine klerikale und traditionelle Religion , noch ein rationaliſtiſches und unitariſches Syſtem . Was man ihm geben muß , iſt das Evangelium , nichts als das Evange lium, aber das ganze Evangelium . Die modiſchen Leute mö

gen ſich in ihren Salons und Boudoirs an puſeyitiſchen oder ſoci nianiſchen Syſtemen ergößen, aber das Volk braucht poſitive und lebendige Elemente. Das Chriſtenthum in ſeiner ganzen Einfachheit, mit allen ſeinen Schäßen , mit ſeiner ganzen Kraft kann allein dies ſen Kranken vom Tode erretten. Wenn die Wahrheit das erſte Mittel iſt, ſo iſt die chriſtliche

Liebe das zweite. Die chriſtliche Liebe bleibt niemals ohne Wir kung ( 1. Korinth. XIII , 1-8) ; ſie iſt ein lebendiges Wort , wel ches niemals auf die Erde fällt; ſie macht immer Eindruck, einen rettenden Eindruck. Was Irland retten wird , iſt eine große Offen

barung des Geiſtes der Wahrheit in den Früchten der chriſtlichen Liebe.

Ich werde jedoch ein drittes Mittel hinzufügen. Eine achtungs würdige Kirchenverfaſſung iſt nothwendig , um die armen Katholiken

zu beruhigen; erſchrecken doch ohne Ilnterlaß die Verleumdungen ihrer Prieſter über die Uneinigkeit und Verwirrung unter den pro teſtantiſchen Secten. In ihrem Hauſe der Knechtſchaft haben ſie ſich gewiſſe Bedürfniſſe angeipöhnt, auf die man Rückſicht nehmen muß. Die beiden proteſtantiſchen Kirchen , welche in Irland die

zahlreichſten ſind, die biſchöfliche und die presbyterianiſche, bieten Alles , was man wünſchen kann ; aber ſie mögen vorſichtig ſein und zuſammengehn. Eine andre Frage bietet ſich dar. Sollte man nicht, um das

irländiſche Volk zu gewinnen, aus ſeinen Augen Alles entfernen, was ihm mißfällig iſt, die Bande zerreißen , welche die biſchöfliche

143

Kirche an den Staat knüpfen , und, indem man dieſer mächtigen Gemeinſchaft mehr Freiheit gewährt, ihr auch mehr Kraft und Le ben geben ? Ein ausgezeichneter Geiſtlicher der engliſchen Kirche hat mit großer Beredſamkeit dieſe Ueberzeugung vorgetragen *). Ich bin geneigt , ſie zu theilen. Es liegen zwar nicht alle nöthigen Auf ſchlüſſe vor mir; beſonders was das Recht betrifft; aber es iſt augenſcheinlich , daß jemehr der Proteſtantismus in frland ohne die Vorrechte auftreten wird , welche dem irländiſchen Volke zu nahe treten und es abſtoßen , um ſo mehr Freiheit und Leben wird er dort entwickeln können und müſſen , um ſo näher wird Irlands

Bekehrung ſein. Man muß das aufzuopfern verſtehn , woran unſre Brüder unnüßerweiſe Aergerniß nehmen : Aergert dich deine rechte Hand , ſo haue ſie ab und wirf ſie von dir. (Matth. V, 30.) Jeſus Chriſtus muß ſich dieſem Volke zeigen , aber ohne 1

Waffen , ohne Vorrechte, arm , ſanft und demüthigen ver jen s **).

Cromwell war dieſen Anſichten nicht fremd. Wenn er gegen die Häupter des Papismus zum Geſeß ſeine Zuflucht nehmen wollte, ſo war das etwas ganz andres , als was er im Betreff des Volkes

zu thun beabſichtigte. Wir verweiſen hier auf die ſchon oben an : geführten ſchönen Worte Cromwell's , die wohl verdienten der eng liſchen Krone im 19. Jahrhundert wiederholt vorgehalten zu werden ***).

Hier iſt das Heilmittel. „Jeßt alſo , ihr Könige, hört , und ihr , Richter der Erde, nehmet Lehre an ! " Möchten die Miniſter und das Parlament Englands thun, was ſie können, und ſogar mehr noch , um das Elend Jrlands zu mildern. Das iſt ihre 1

*) Herr Vapt. Noël in ſeinem Schreiben an den Biſchof de Caſhel. **) So urtheilt einer der geadytetſten Männer Englands Sir Robert Inglis at the Annual Meeting of the London Hibernian Society, 18th . May 1847 .

***) Vgl. oben die Stelle: „Aber in Betreff des Volkes T baſſenbe zu thun“ aus den Lettres et Discours de Cromwell, II, p . 120–139.

144

Pflicht. Gott und Europa werden Rechenſchaft von ihnen fordern ; aber nicht für das , was nicht in ihrer Macht liegt. So lange man das zur Heilung dieſes Volkes geeignete Heilmittel nur in Regierungsmaßregeln ſuchen wird , wird frland jener Frau glei chen , welche den Blutgang zwölf Jahr gehabt, die viel erlitten von vielen Aerzten , und hatte all ihr Gut drob verzehret, und half ſie nichts , ſondern vielmehr ward es ärger mit ihr. (Mark. V , 25. 26.) Ein einziges Mittel ( kann Irland retten , daſſelbe, was jene Frau rettete. Frland wird gerettet ſein , wenn es von Jeſu reden hört und ſein Kleid anrührt. Wenn dann der Papismus aus dieſer unglücklichen Nation ver ſchwunden iſt, ſo wird ſie es am Leibe fühlen , daß ſie von .

I

ihrer'Plage iſt geſund worden. Cromwell kehrte , im

Monat Mai nach London zurück und

wurde von Parlament und vom Volke wie ein Soldat empfangen, der in neun Monaten mehr Lorbeeren gewonnen , mehr Wunder ge

than hatte , ſagt ein Geſchichtſchreiber * ), als irgend einer der gro ßen Feldherrn, deren Heldenthaten die Geſchichte uns aufbe wahrt hat. *) Neal , II, p. 554. History of the Puritans. London 1837.

Siebentes Kapitel. $ chottland.

Die beiden Könige und die doppelte Treue. Sarl II. in Cromwell an die Generalverſammlung der Schote Schottland. tiſchen Kirche und an den Oberfeldherrn. Solacht bei Dunbar. Der Gefangene . Zuflucht zu Verlegen beit Cromwell'8. Gott. — Der from me Kornet. Lobpreifung Gottes. Bericht an .

das Parlament. Cromwell's Briefe.

Die Uebergeſinnten .

Die Geiſtlichen im Schloſſe zu Edinburg. Alle Chriſten ſollen Chriſtum predigen.

Zwei Briefe. rom Worceſter. Gedeihen Schotto

Cromwell frank.

well über ſeinen Sohn Nichard.

-

lande. - Militäriſche Laufbahn Cromwell'8. - Zwei Sinnbilder.

Die Schotten hatten dieſe große Bewegung angefangen, deren Zweck geweſen war , zugleich der Tyrannei der Stuarts und der

Roms fich zu widerſeßen, was für Europa von unberechenbaren Folgen ſein mußte.. Aber jeßt kehren die Schotten um und ſtellen

ſich der Republik Englands entgegen. „Was ihnen fehlte ," ſagt

Carinle, „war ein Oberhaupt. Wäre Cromwell ein geborner Schotte geweſen, was hätte nicht eine ſo heldenmüthige Nation mit einem noch heldenmüthigeren Oberhaupte gethan ! Man hat keinen

Grund zu bezweifeln , daß die ganze Welt puritaniſch geworden wäre. " * )

Dhne , was Wahres in dieſer Behauptung liegt , verkennen zu wollen, finden wir anderswo die Urſache dieſes ſchottiſchen Krieges. *) Lettres et Discours , II, p. 169. 2

146

>

In geiſtlichen Dingen erkannten die Schotten Jeſum Chriſtum als ihren König , in weltlichen Stuart.

Sie wollten nicht, daß Stuart

das Königthum Jeſu Chriſti, noch daß Cromwell das Königthum Stuarts an ſich riß. Sie hegten in ihren Herzen eine doppelte

die Treue gegen den himmliſchen , und die Treue gegen den irdiſchen König. Sie hatten die Mißbräuche der Monarchie der Stuarts , nicht dieſe Monarchie ſelbſt verworfen. Sie luden alſo Karl II., den Sohn Karls I., damals in Holland, ein , nach Schott land zu kommen und ſein Königreich in Beſiß zu nehmen . Man darf das für einen großen Fehler und für ein großes Unglück hal Treue:

ten. 3

Man kann bedauern , daß dieſe treuen Männer die Treue fo

weit trieben , daß ſie Karl II. mitten in ſeinen Ausſchweifungen aufſuchten , welchen er ſich in Breda hingab , um ihn wieder auf den Thron ſeiner Väter zu feßen : das machte eine zweite Revolu tion nothwendig. Und dennoch kann man ſich nicht enthalten , die Scotten ſelbſt in ihrem Fehler zu achten.

Karl war in jener Zeit im Einverſtändniß mit dem Mar quis von Montroſe , der Verwüſtung nach Schottland trug; und

der junge König hoffte ſo einen Thron wieder zu gewinnen , ohne Verpflichtungen übernehmen zu müſſen , die ihn in Verlegenheit feßen mußten.

Aber nach Montroſes Niederlage entſchloß fich

Stuart auf die Forderungen des ſchottiſchen Parlaments einzugehn. Ein Umſtand verdarb es beinabe.

Man hatte in den Papieren des

Marquis einen Auftrag des Königs gefunden , der ihn ermächtigte, Truppen auszuheben und das Königreich durch Waffengewalt wie der herzuſtellen . Das Parlament, darüber entrüſtet, rief ſofort ſeine Beauftragten zurück ; aber der ſchottiſche Abgeordnete , welcher dieſe Urkunde erhielt , verbarg fie treulos vor ſeinen Kollegen , und

zeigte ſie nur dem Könige, um ihm begreiflich zu machen , daß er nicht länger zaudern dürfe. Karl, überzeugt , beeilte ſich abzuſegeln , umgeben von Höflingen ohne Grundfäße. Die ernſteſten Männer in der Nation ſahen wohl, daß man von Stuart nur Doppelzün: gigkeit , Verrath und Ausſchweifungen erwarten könne. Man hat behauptet , die Schotten hätten den jungen Stuart gezwungen , ihren verabſcheuten Covenant freiwillig anzunehmen. Ohne Zwei

147

fel können die Politiker , welche ſich unter ihnen befanden , von dieſer Beſchuldigung nicht gänzlich freigeſprochen werden ; aber das

iſt nicht der Fall bei den Kirchenmännern. Als Karl auf dem Schiffe ſogar , bevor er einen Fuß an's Land gefeßt, zur Unterzeich nung des Covenant ſich bereit erklärte , bat ihn Livingſton , der

an ſeiner Aufrichtigkeit zweifelte , zu warten , bis er in Schottland angekommen wäre und Beweiſe ſeiner Treue gegeben hätte. Aber Alles war vergebens. Und als Karl im Auguſt zu Dunfermline

eine neue Erklärung unterzeichnen wollte, durch welche er dem Pa pismus, dem Episkopat entſagte und keine andern Feinde als die des Covenant zu haben erklärte , ſagte der Geiſtliche Patrick Gil lepſie zu ihm : „ Sire, wenn Sie in Ihrem Herzen und Gewiſſen von der Gerechtigkeit dieſer Erklärung nicht überzeugt ſind , ohne das geringſte Bedenken , ſo unterzeichnen Sie dieſelbe nicht! nein ,

unterzeichnen Sie nicht, ſelbſt nicht für drei Königreiche!“ – „Mein -

Herr Gillepſie, mein Herr Gillepſie, erwiderte der König, ich bin überzeugt, ich bin überzeugt , ... und folglich werde ich unter: zeichnen .“ *) Wenn Karl nur ſeinen ſchottiſchen Thron wieder zu beſteigen beabſichtigt hätte , wären Cromwell und die Engländer ruhig ge blieben ; aber Stuart gedachte ſeine drei Königreiche wieder zu er langen , und die Schotten waren geneigt , ihn zu unterſtüßen.

Cromwell erkannte ſogleich die ungeheure Gefahr, welche der Frei heit , der Religion und den Sitten Englands drohte , und er zaus derte nicht ihr zu begegnen. Am 26. Juni 1650 wurde er zum Oberfeldherrn aller republikaniſchen Heere ernannt und reiſte ab. Cromwell zog gegen Schottland nicht mit denſelben Gefühlen, welche ihn nach Irland geführt hatten. Die Schotten waren für ihn Brüder, aber Brüder, welche durch ihre Berufung des aus ſchweifenden Karl II. fich verirrt hatten. Acht und zwanzig Jahre furchtbarer Verfolgungen , von 1660 bis 1688 zeigten Schottland

*) Hetherington , Histoire de l'Église d'Ecosse , p. 117. Edin burgh 1843.

148

ſpäter, daß der Protector ſich nicht getäuſcht hatte. Dliver beſchloß Alles zu thun , was in ſeiner Macht ſtand, um Schottland fich

ſelbſt wiederzugeben . Cromwell glaubte , daß wenn die Sünde vormals Menſchen und Völker getrennt habe , das Evangelium jeßt alle Familien der Erde wieder vereinigen und Einheit unter ihnen herſtellen müſſe.

Er meinte, das wahre Chriſtenthum würde, indem es die Nationen heilige, eine ungeheure Brüdergemeinſchaft aus ihnen bilden. Ueberall wo er Jünger Chriſti jah , empfand er eine brüderliche Liebe zu ihnen . Welch trauriges Schauſpiel ſind auch für einen aufrichtigen und eifrigen Chriſten die Scenen , welche ſich damals auf Schottlands Grenzen vorbereiteten. - Ein chriſtliches Heer im

Anzug gegen ein andres chriſtliches Heer ! Dhne Zweifel hat man das oft in der Geſchichte geſehn. Aber gewöhnlich hatten dieſe Truppen , die ſo gegen einander anrücken, von einem Chriſten kaum den Namen , während die lebendigen Grundſäße des wahren Chriſten thums fich im Allgemeinen in dem ſchottiſchen und engliſchen Heere fanden

Dieſer Kampf war ein Unglüc. Cromwell erinnerte ſich , daß wenn ein Chriſt zuweilen zum Kriege gerufen werde , er dennoch immer zum Frieden geneigt ſein müſſe. Er ſchrieb folglich an die Generalverſammlung der ſchottiſchen Kirche und an den Oberbefehls haber. Hier folgt der legtere dieſer Briefe. Dem ſehr ehrenwerthen David Lesley , Generallieutenant des ſchottiſchen Heeres. Aus dem lager von den Pentlandhügeln ,. den 14. Auguſt 1650.

,,Mein Herr,

Ich habe Euer Sendidyreiben vom 13. 5. M. nebſt der Erklä rung , von der 3hr (precht, erhalten und es in Gegenwart ſo vies

ler Offiziere, als zu verſammeln möglich war, vorleſen laſſen , was Euer Trompeter bezeugen kann. Wir antworten Euch Folgendes, was Euch hoffentlich nadı der Gnade des Herrn zeigen wird , daß

wir fortfahren zu ſein , was wir teu achtbaren Männern Schottlands

149

zu ſein erklärt haben , und daß wir ihnen denſelben Segen wünſchen, um den wir Gott für unſre eignen Seelen bitten.

Unſre Sadje iſt es in keiner Weiſe , irgend Einen , wer es auch fei , zu hindern , Gott nach der Ueberzeugung ſeines Gewiſſens nadı Gottes Wort anzubeten , wie verſchieden auch ſeine Weiſe von der unſrigen ſein möchte. Aber daß unter dem Vorwande des Coves

nants , der falſch ausgelegt und auf eine Weiſe verdreht wird, daß er ſeine wahre Bedeutung verliert, ein König von Eudy angenommen

und uns aufgedrungen wird , und daß man das die Sache Gottes und des Königthums nennt, das iſt's , was wir nidit dulden können. .

Wiſſet, baß der , weldier an der Spiße der Uebelgeſinnten (malig nants , die Partei Narl's II.) ſteht, der , auf welchem ihre Hoffnung und ihr Wohl beruht , ſogar jetzt ein papiſtiſches Heer in Irland hat , welches für ihn gegen uns tämpft. Wiſſet, daß der Prinz .

.

Robert , ein Mann , der ſeine Hand in das Blut vieler unſchuldiger Bürger Englands getaucht hat , in feinem Namen die Schiffe be fehligt , die uns idhändlicher Weiſe geſtohlen wurden . Wiſſet, daß die franzöſiſchen und irländiſchen Schiffe täglich an unſern Küſten großen Raub treiben. Wiſſet, daß die Uebelgeſinnten Englands taus ſend Berechnungen machen , um Heere in unſerer Mitte auszuheben, kraft der Aufträge, welche dieſer Menſch ihnen jüngſt gegeben ! ..

Wie ? finden ſich etwa die Angelegenheiten Gottes , in Rüdſicht auf weldie ihr behauptet Karl Stuart aufgenommen zu haben , und die Angelegenheiten der Schlechten mit allen ihren Zweden und allen

ihren Folgen zuſammen in dieſem Menſchen vereinigt ? Das , man muß es ſagen , das iſt's , was wir nicht begreifen können !

Wie ? während von der einen Seite Uebelgeſinnte (malignants ), die man ſehr wohl kennt , gegen uns kämpfen und fich verídywören ,

während von der andern Seite ihr euch zu ihren Gunſten erklärt, könnten wir bezweifeln , daß ihr es mit der Partei der Uebelgeſinns

ten , mit ihrem Streite , ihren Intereſſen haltet ! wir fönnten und .

einbilden, daß ihr die Waffen ergreift, nur um auf den alten Grunds

lagen, nach den frühern Grundſätzen für die Vertheidigung der Sadie Gottes und dieſer Königreiche zu kämpfen ! ..... Nein , das kann nidit ſo ſein ! Nicht für die Sicherheit des Volkes Gottes in den beiden Nationen kämpft ihr , und durch unſern Widerſtand gegen euer Wert ſind wir keineswege Feinde der Frommen !....

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Steht unſre Hoffnung nicht auf dem Herrn , ſo iſt es um uns geſchehn. Wir überlaſſen uns und eucy Dem , der in dem Herzen lieſt und die Nieren prüft ; Dem , mit dem alle unſre Wege ſind, und der die Macht hat für uns und euch zu thun über alles unſer 1

Verſtehn. Wir wünſchen, daß alle ſeine Werke voller Barmherzigkeit für ſein armes Velt ſein mögen und zum Ruhme ſeines großen Namens .

Nach Erfüllung Eures Wunſches durch Veröffentlidung Eurer Erklärung , wie id) es oben geſagt , bitte ich Euch daſſelbe zu thun .

und dem Staate , der Kirche, dem Heere den Inhalt dieſes Briefes wiſſen zu laſſen . Zu dem Ende ſende ich Eudy zwei Abſdriften und verbleibe

Euer ergehner Diener, Oliver Cromwell. " *)

Schottland mußte ſchwere Prüfungen erdulden, es mußte die Vernichtung ſeiner Kirchenverfaſſung, die Beknechtung des Volkes und das Blut zahlreicher Märtyrer ſehen , bevor es endlich die Wahrheit der Morte Cromwell's einjah.

Dieſer Tag follte erſt

nach vielen Thränen erſcheinen . Aber für den Augenblick ſtieß Schottland die weiſen Vorſtellungen des großen Mannes von Eng land zurück. Es blieb nichts übrig als das Schwerdt zu ziehn. Das ſchottiſche Heer war eins der beſſern , welches Schottland !

jemals aufgeſtellt hatte , ſagt Burnet **). Es rückte gegen Crom well vor , der ſich , durch daſſelbe gedrängt , auf Dunbar zurückzog, wo ſich ſeine Schiffe und Vorräthe befanden. Die Schotten folgten

ihm und nahmen ihre Stellung auf einem von ihren Feinden eine Meile entfernten Hügel, wo ſie vor einem Angriff geſchüßt waren. Ein kleiner Fluß, Namens Broxburn , der aus dem Gebirge von Lammermoor kam und längs des Hügels lief , trennte die beiden Parteien. Die ſchottiſchen Geiſtlichen glaubten in ihren Soldaten ein Heer von Heiligen zu ſehn und zweifelten nicht an dem Siege. *) News Papers , part. H. XIX , 331. Lettres et Discours , II, p . 191-193 .

**)

Own Times , I , 74.

**

151

„ Der König von Schottland ", ſagte ein Gefangener , den die Eng länder aus dem Lager in der Nacht vor der Schlacht weggeführt

hatten, „ der König von Schottland wird jeden Augenblick im Lager mit den Engländern erwartet, welche er um ſich haben darf, und man glaubt allgemein, daß dieſer Fürſt und ſein Heer ohne Aufent halt auf London marſchieren werden .“ Cromwell, ſagt Burnet, war damals in großer Beklemmung.

Er konnte nicht auf Berwick marſchieren , denn der Paß war zu enge ; er konnte ſich nicht in das Land werfen , denn er würde ſich von ſeinen Schiffen und Vorräthen getrennt haben. Zu gleicher Zeit lichtete Krankheit ſein Heer ; 3000 Soldaten waren ihr erlegen und die andern waren geſchwächt. Der am wenigſten beſchwerliche Ausweg ſchien zu ſein , die Pferde zu tödten , alle Leute an Bord der Flotte zu bringen , nach England zurückzukehren und in New

caſtle anzulegen. Dieſe Schwenkung hätte bei der Stimmung , in welcher die Gemüther in England damals waren , Alles verdorben ;

denn ohne Zweifel hätte ſie eine allgemeine Erhebung zu Gunſten Karl Stuarts zur Folge gehabt.

Die Engländer hatten nur für

drei Tage Lebensmittel. Das ſchottiſche Beer , voller Geſundheit, zählte wenigſtens 6000 Reiter und 16,000 Mann Fußvolk, während das ermattete und geſchwächte Parlamentsheer nur 3500 Reiter und 7500 Mann Fußvolk zählte. Es giebt wenig Generale , die ſich jemals in einer bedenklicheren Lage befunden haben . Aber wer Herr feines øerzens iſt, gilt mehr als der Städte Cromwell war Herr ſeines Herzens. Er ſchreibt an erobert. das Parlament: ,, Der Feind hat in der Euch bezeichneten Stellung große Vortheile über uns. Wir fühlen das Schwierige unſrer Lage ; wir haben einige Schwäche im Fleiſch ; aber der Herr ſelbſt tröſtet und ſtüßt unſern ſchwachen Glauben. Wie groß auch ihre Zahl,

ihre Vortheile , ihre Zuverſicht, wie groß dagegen unſre Schwäche, unſre Verlegenheit ſein mag , wir ſtehen auf dem Berge Gottes, der Herr wird ſich da zeigen. Er wird für uns einen Weg des Heils und der Rettung finden. ( Pſalm LVIII 1, 13—18. )“ Cromwell ſtellte ſeine Truppen am linken Ufer des Brorburn

in Schlachtordnung. Im Hintergrunde des kleinen Thales werden

152

die beiden Ufer niedriger, und ihre unmerklichen Abhänge bildeten eine Furt , wo die Pferde durchwaten konnten . Zur Seite befand

ſich die Hütte eines armen Schäfers. Cromwell hatte hier ſechs Dragoner und funfzehn Fußſoldaten aufgeſtellt; aber Lesley's Rei terei ging durch die Furt, vertrieb dieſen Poſten und machte drei Gefangene , unter ihnen einen Musketier , einen ſtolzen und muthi gen Geſellen mit einem hölzernen Arme. Vor Lesley geführt, ſagte

der General zu ihm : „ Hat der Feind die Abſicht eine Schlacht zu

1

liefern ?". Der Holzarm erwiderte : „ Weshalb denken Sie denn , daß wir gekommen ſind ? Wir ſind in keiner andern Abſicht ge kommen." – „ Soldat“, ſagte Lesley , „ wie wollt ihr kämpfen , da ihr bereits die Hälfte eurer Truppen und euer ſchweres Geſchüß Mein Herr “ , entgegnete der Gefangene, eingeſchifft habt ? “ „ laſſet nur Eure Soldaten herabſteigen , die werden , ich gebe Euch die Verſicherung , Truppen und ſchwerem Geſchüß begegnen ! " Wie “ , ſagte mit Entrüſtung einer der ſchottiſchen Offiziere, „ wie n

1

I

N

könnt ihr ſo unverſchämt mit dem General ſprechen ? “

„ Ich

antworte nur “, ſagte jener , „ auf die an mich gerichteten Fragen ." Lesley ſchenkte ihm die Freiheit und ſchickte ihn mit einem Trom peter zurück. Der Musketier begab ſich ſogleich zu Cromwell und erzählte ihm was geſchehen war. Dann ſagte er ohne den Kopf zu verlieren : „ Ich habe zwanzig Schillinge bei dieſer Geſchichte verloren ; dieſe Räuber haben fie mir bei dieſem Scharmüßel ge

nommen ." Der Lord - General zog ſeine Börſe und gab ihm vier

zig Schillinge.. Der Holzarm ging ganz fröhlich von dannen. * ) Cromwell's Unruhe ſtieg. Er hoffte, aber gegen alle Hoffnung.

Enthielt ſich der Feind nur zwei oder drei Tage des Kampfes und begnügte ſich den Paß zu bewachen , was zehn Mann leichter konn ten als vierzig ihn zu erzwingen , ſo war das engliſche Heer ver loren . In dieſer bedenklichen Lage ſchrieb der General .folgenden Brief.

*) Cadwell , The army Messenger's narrative . Discours , II , p . 203. 204.

Lettres et

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An Sir Arthur Haſelrig , Gouverneur von Newcaſtle. Dunbar , den 2. September 1650. Dein lieber Herr,

Wir befinden uns in einer ſehr ſchwierigen Lage.

Der Feind

hat uns bei dem Engpaß von Copperſpath den Weg verſperrt, und wir können uns faſt nur durch ein Wunder herausziehn.

Er hat

ſich ſo auf den Hügeln gelagert , daß wir nicht wiſſen , wie wir uns einen Weg bahnen ſollen; und bleiben wir hier, ſo reiben wir unſre Peute auf , die über alle Vorſtellung krant werden . Ich weiß , daß

Ihr uns mit den unter Eurem Befehle ſtehenden Truppen nicht unterſtüşen könnt. Was aber auch ſich zutragen mag , ſammelt alle verfügbaren Truppen , und unfre Freunde im Süden ( England) mögen alle ihre Sträfte anſtrengen. Dieſe Angelegenheit nimmt die

Theilnahme aller redlichen Männer in Anſpruch. Wenn Eure Trup pen im Stande geweſen wären , ſich auf den Nachtrab des Feindes

zu ſtürzen , das hätte uns Zeit verſchafft, Verſtärkungen zu erhalten. Aber Gott, der allein Weiſe, weiß, was am Beſten iſt. Alles wird

ſich zum Beſten wenden. Obgleich unſre gegenwärtige Lage bekla genswerth iſt, ſo ſind doch unſre Şerzen , Gott ſei Dank, vergnügt.

Wir ſind voller Hoffnung in dem Herrn ; wir haben ſeine Barmhers zigkeit vielfach erfahren. Schidet uns alle Truppen, über die Ihr verfügen könnt. Schreibt den Freunden im Süden , uns noch mehr zu ichiden. Henry Vane mag erfahren , was ich ſchreibe, aber veröffentlicht es nicht; ich be

fürchte das Uebel zu vermehren. Ihr wißt , welchen Gebrauch Ihr davon machen dürft.

Gebt mir Nachricht. Ich verbleibe Euer Diener Oliver Cromwell.

Nachdrift.

Es hält für mich ſchwer, Euch eine Botſchaft zu ſchiden . Schrei. bet mir nach Empfang dieſes." *)

*) Lettres et Discours , II , 201 . 12

154

Die Lage , in der ſich Oliver befand , erinnert an einige Feld züge Napoleons. Dieſe zwei großen Heerführer gleichen ſich in ihrer Kühnheit , in der Richtigkeit ihres Blickes, in ihrer Geſchick lichkeit und Gewandtheit, aus den Fehlern ihrer Feinde Nußen zu ziehn , und in ihrer perſönlichen Tapferkeit ; aber es giebt einen Punkt , in welchem ſie ſich nicht gleichen. Cromwell war eingedenk jener Worte der Schrift : Rufe mid an in der Zeit der Noth, ſo will ich dich erretten und du ſollſt mic preiſen. Weil er ſeine Abhängigkeit und Schwäche erkannte , ſo war er gewohnt alle ſeine Stärke im Glauben und Gebet bei dem allmächtigen Gott zu ſuchen . Er näherte ſich damals Gott als ſeiner einzigen Zu flucht.

Burnet berichtet:

,, Cromwell lud auf einen beſtimmten

Tag ſeine Offiziere ein, den Herrn zu ſuchen .“ Sie vertrauten auf

Gott , und mit einem demüthigen und gläubigen Herzen ſuchten ſie Hülfe bei ihm. Nach beendigtem Gebet erhob ſich Cromwell; er fühlte ſein Herz nicht mehr beklommen und voller Frieden , und ſagte zu Lambert, zu Monk und zu Allen , die um ihn ſtanden : ,, Faſſet Muth, denn Gott hat uns ſicherlich erhört und wird ſich für uns zeigen."

Lesley und der Ausſchuß des Staates und der Kirche von Schottland betrachteten Oliver als verloren . Warriſton , Burnet's Oheim , war Mitglied des Rathes , ſo daß der Biſchof ein gut unterrichteter Geſchichtſchreiber iſt. Der ſchottiſche Ausſchuß war müde, das Heer unbeweglich auf der Höhe des Hügels zu ſehn, und glaubte , Lesley beeile fich nicht genug , dieſe Sectierer zu ver

nichten. „ Bleiben wir , wo wir ſind ", entgegnete der General, ſo haben wir nichts zu fürchten ; wagen wir es aber , tapfre und ver

zweifelte Männer anzugreifen, ſo iſt vielleicht Alles verloren.“

-

Troßdem verlangte der Ausſchuß von Neuem von Lesley , auf das engliſche Heer loszuſtürzen . * ) Die Geiſtlichen “ , ſchrieb Crom well dem Präſidenten des Staatsrathes , „ wollten , daß ihr Heer fich zwiſchen uns und England werfe ; die vornehmſten Offiziere * ) Own Times , I ,

75 .

155

dagegen wünſchten uns den Rückzug frei zu laſſen , ſollten ſie uns ſelbſt eine goldne Brücke bauen . Aber durch Gottes Güte ging der Rath der Geiſtlichen zu ihrem eignen Unglück durch .“ „ Warriſton war zu hißig , Lesley zu kalt “, ſagt Burnet; „die ſer gab zu leicht den Einfällen Warriſton's nach , was er nicht hätte thun follen . "

Am Montag , vor Sonnenaufgang, ließ Lesley ſeine Reiterei von der Höhe des Hügels herabſteigen , um das linke Ufer des Fluſſes zu beſeßen. Gegen 4 Uhr Nachmittags begann auch der übrige Theil des Heeres herabzuſteigen und ſeßte ſeinen Marſch die ganze Nacht fort. Nach dem gemeinſchaftlichen Gebet machten Crom = well , Lambert und Monk einen Spaziergang in dem Parke des Grafen von Roxburgh, der am Fuße des Hügels lag. Sie nehmen ihre Fernröhre, richten ſie auf den Feind und bemerken eine große Bewegung in dem ſchottiſchen Lager, und wie das Heer zum Fluſſe herunterſteigt. Bei dieſem Anblicke fagte Cromwell ganz bewegt zu dem ihm zur Seite ſtehenden Generalmajor : ,, Gott liefert ſie in unſre Hände.... ſie kommen herab ! " Lambert erwiderte, er habe eben dieſelbe Bemerkung gemacht. „So gefiel es Gott !" rief Crom well, „ in demſelben Augenblicke denſelben Gedanken in unſern Her

zen zu wecken .“ Sie riefen den General Monk, und indem ſie ihm das Fernrohr zuſtellten, forderten ſie ihn auf durchzuſehn ; er ſprach dieſelbe Ueberzeugung wie ſeine Freunde aus. Sofort kehrten ſie in's Lager zurück, und nachdem ſie den Offizieren , was ſie geſehn, mitgetheilt hatten , drückten alle ihre Zuverſicht und Freude aus. Man vereinigte ſich über den Plan der Schlacht, die am folgenden

Tage vor Sonnenaufgang beginnen ſollte. Während der Nacht regnete und ſtürmte es fehr. Zahlreiche

Gebete ſtiegen unter den Zelten des engliſchen Heeres zu Gott em por, und jeder rüſtete ſich zum Angriff. Um 4 Uhr wurde Befehl zum Aufbruch gegeben. Als der Major Hodgson mitten in der Finſterniß durch das Lager ritt , hörte er einen Kornet beten. Es war eine Schaar chriſtlicher Soldaten , die vor dem Rampfe unter

dem Himmelsgewölbe ihren Gottesdienſt hielt. Der Major über: 12 *

156

gab ſein amtliches Geſchäft einem ſeiner Kollegen , trat hinzu , um zuzuhören und mit dieſer gläubigen Schar Gott anzubeten. Der

Kornet betete mit ſo viel Salbung , daß Jeder , der ihn hörte, in 1

ſeinem Herzen ſich geſtärkt fühlte. +

Die Schlacht begann. Das Feldgeſchrei der Schotten war der Covenant , und das der Engländer der Herr der Heer: ſcharen.

Der Feind leiſtete anfangs kräftigen Widerſtand.

Die

Keiterei auf beiden Seiten ſtürzte gegen einander und griff ſich mit dem Degen in der Fauſt an.

Der Kampf war fürchterlich.

Dann

kam das engliſche Fußvolk heran und gab Feuer; mit Ungeſtüm von den Schotten beſtürmt , erhielt es einen leichten Stoß und zog

ſich zurück, aber bald ging es wieder zum Angriff über. Das war der Augenblick, wo Cromwell's eignes Regiment zum Kampfe vor rückte. Dieſe durch Krankheit geſchwächten Soldaten gewannen, als fie die Stimme ihres Generals hörten , ihre gewohnte Kraft wieder.

Entflammt von dem Feuer , welches aus den Augen ihres Führers ſtrahlte, ſtürzen ſie ſich mit gefällten Spießen auf die tapferſten Truppen Schottlands und drängen ſie vor ſich zurück. Zu gleicher Zeit werfen ſich die engliſchen Reiter mit Ungeſtüm auf die Mitte

des Feindes, durchbrechen ſein Fußvolk und ſeine Reiterei, und von

allen Seiten einhauend , nöthigen ſie ihre Gegner zurückzuweichen. „Der Herr der Heerſcharen bediente ſich unſrer Schwerdter “ , ſagt Cromwell, „ und zerſtreute ſie wie Stoppeln. "

Mehrere der

ſchottiſchen Reiter entflohen auf dem Wege nach Copperfpath ; aber die Mehrzahl von ihnen warf ſich auf ihr eignes Fußvolk , ſo daß das ganze Heer in eine furchtbare Verwirrung gebracht und auf's “ rief Crom Haupt geſchlagen und zerſprengt wurde. „Sie fliehen !" well, „ wahrhaftig , ſie fliehen !... In dieſem Augenblicke ging .

die Sonne auf, und ihre erſten Strahlen quollen wie ein Feuer I

meer hervor. Ergriffen von dieſem großartigen Schauſpiele, hielt Oliver ſtill, und gegen die majeſtätiſche Kugel gewendet, die ſoeben mit ihren Strahlen dieſen glorreichen Tag beleuchtete, ſprach er jene Worte David's : „ Es ſtehe Gott auf , daß ſeine Feinde zerſtreuet werden und , die ihn haſſen , vor ihm fliehen.

Vertreibe ſie , wie der Nauch vertrieben wird ; wie das

157

Wachs zerſchmelzet vom Feuer , fo müſſen umkommen die Gottloſen vor Gott.“ *) Es iſt das derſelbe Pſalm , welchen die franzöſiſchen Proteſtan

ten oft ſangen, wenn ſie in den Kampf zogen. Dreitauſend Schot:

ten bedeckten das Schlachtfeld. Der übrige Theil des Heeres floh nach allen Seiten. Cromwell ließ Halt machen ; und nachdem ſich eine Anzahl der Seinigen um ihn verſammelt hatte , fühlte er ſich

gedrungen , jenem Gebote Chriſti zu gehorchen : Preiſet euren Vater , der im Himmel iſt. Der ſiegreiche General und ſeine Soldaten prieſen Gott mit männlicher Stimme mitten in ihrem Triumphe und ſangen zuſammen den 117. Pſalm . So ſtieg auf dem Schlachtfelde ſelbſt ein Danklied zum Herrn der Heerſcharen empor. Als der Geſang beendigt , fekten der General und ſeine Reiter die Verfolgung des Feindes fort , und acht Meilen weit waren ſie ihm hart auf den Ferſen. Zehntauſend Gefangene fielen in ihre Hände. Die Schlacht von Dunbar, einer der bedeutendſten Siege Cromwell's, legte ihh Schottland zu Füßen. Kaum hatte der General die Verfolgung eingeſtellt, als er ſich beeilte, an das Parlament zu ſchreiben und die Beſorgniſſe dieſer

Körperſchaft zu beſchwichtigen , ihr den von Gott ſeinen Soldaten bewilligten Sieg zu melden, aber auch um ihr die wichtigen Folgen dieſer Rettung begreiflich zu machen . Obgleich an der Spiße des Heeres , verlor er doch die bürgerliche Ordnung und das Wohl

*) Ps . 68 :

Que Dieu se montre seulement, Et l'on verra dans un moment, Abandonner la place.

Le camp des ennemis épars,

Épouvanté de toutes parts Fuira devant sa face .

Oui , l'on verra leur camp s'enfuir, >

Comme l'on voit evanouir

Une épaisse fumée . Comme la cire fond au feu Ainsi des méchants devant Dieu , La force est consumée .

158

Englands nicht aus den Augen ( Lettres et Discours, II , 217. deux. edit. ).

„ Das iſt eine von den merkwürdigſten Barmherzigkeiten , welche

Gott England und ſeinem Volfe erwieſen hat “ , ſagte der Obers general in ſeinem Schreiben an das Parlament. „Durch ſeine glän zenden Wohlthaten hat er uns in den Stand geſeßt, ihn zu rühmen. Wir , Eure Diener , bitten Euch erkenntlich zu ſein , nicht uns , fon dern Gott allein. Ehret mehr und mehr ſein Volf, wir flehen Eudy .

1

darum , denn da ſind die Wagen und Reiter Ffraels. Erniedrigt Euch ſelbſt, aber erhebt Euer Anfehn und gebraucht es zur Unter

werfung der Stolzen und Störer , die unter weldjem Vorwande es ſei die Ruhe Englands ſtören möchten. Helft den Unterbrüdten und höret die Seufzer der armen Gefangenen. Stellet ab die Mißbräude in allen Gewerben. Giebt es welche, die viele arm machen, um eine

kleine Zahl reich zu madjen , ſo iſt das in einer Republit nicht zus träglid ( Cromwell hat hier die Procuratoren und Advokaten vor Augen). Wenn dieſer große Gott, der ſeine Diener ſtärkt, um eine Scylacyt zu liefern , aud) Eure Herzen ſtärkt , um alle dieſe Dinge 1

zu ſeinem Ruhme und zum Ruhme Eurer Republit zu vollenden , ſo werdet 3hr dann , außer der Wohlthat , die England daraus erndten

wird , in den Augen andrer Nationen glänzen , die ſich beeifern wers den, die Sdjönheit eines ſolchen Muſters nachzuahmen und Euch durch Gottes Kraft ähnlich zu werden. “

Nicht an England allein, ſondern auch an andre Völker Euro pa's denkt der große Mann . Er wünſcht für die Nationen des Feſtlandes die zwei großen Güter, welche das Ziel ſeines ganzen Lebens ſind: das Evangelium und die Freiheit. Aber Europa bat ſie nicht gewollt. Der General fährt fort :

„ Das ſind unſre Wünſche. Damit Ihr die Freiheit habt und die Macht dieſe Dinge auszuführen , ſind wir geneigt geweſen und werden es noch ſein , unter Gottes Beiſtand unſer Leben zu wagen . Seit unſerm Einrüden in Schottland iſt es unſer heißeſter

Wunſch geweſen , Blutvergießen zu vermeiden ; denn Gott hat hier ein Bolt, das, wenn auch verirrt, feinen Namen fürchtet. Zu dieſem Zwed haben wir demſelben in dem herzlichen Erbarmen Chriſti viel

Liebe gewidmet und uns auf Gott , als den Richter über die Aufs

159

richtigkeit unſrer Herzen , berufen. Aber die Geiſtlichen in Schott

land haben dieſe herzlichen Erklärungen unſrer Liebe aufgefangen und nicht zu den Herzen derer gelangen laſſen , welche wir gewinnen wollten. Wir hören, daß nicht nur dieſe getäuſchten Schotten, ſondern

auch einige von ihren Geiſtliden in der Schlacht gefallen ſind. Das hat die allmächtige Band des Herrn gethan , und das ſollte ſorg fältig von allen Dienern des göttlichen Wortes erwogen werden, welche

die Geräthe ( Werkzeuge) eines zum Narren gewordenen Hirten " (Jerem. X , 21. Badjar. XI , 15 ) in ihre Hände nehmen , d. h. die fich mit weltlicher Politik befaſſen und ſich in Sachen irdi ſcher Gewalt miſchen , und behaupten auf dieſe Weiſe Chriſti Reich zu gründen , indem ſie das Wort Gottes und das Sdjwerdt des Geiſtes, die allein mächtig ſind , jenes Reich aufzuridten, vergeſſen .... O ! 11

I

daß ſie zurüdkehren , daß fie von Neuem Chriſtum der Einfalt des Evangeliums gemäß predigen möchten ; dann ohne Zweifel werden ſie bei Euch Schuß und Ermuthigung finden. Euer ſehr gehorſamer Diener Oliver Cromwell. "

Man ſieht , wie ſehr Oliver ſeinem Jahrhundert in Unter

ſcheidung geiſtlicher und weltlicher Dinge überlegen war, und welch richtige Anſicht er ſich vom evangeliſchen Predigtamt bildete. Aber während der umfaſſende Geiſt Cromwells ſich mit ſo wichtigen Gegenſtänden beſchäftigte, blutete ſein Herz beim Anblick

der Unglücklichen, welche die Hügel von Dunbar bedeckten . Immer von Menſchlichkeit gegen ſeine Feinde und von Mitleid für alle Leiden erfüllt, unterzeichnete er auf dem Schlachtfelde ſelbſt fol gende Bekanntmachung. Bekanntmachung.

Da wir vernommen , " daß eine Anzahl Soldaten bes feindlichen

Heeres durch ihre Wunden zurüdgehalten noch auf dem Schlachtfelde liegen , ſo thun wir allen Einwohnern dieſes Landes zu wiſſen, daß ſie kraft dieſes volle Freiheit haben können und haben , ſich auf genanntes Schlachtfeld zu begeben ; und auf ihren Wagen , oder auf jede andre friedliche Weiſe dürfen ſie beſagte Soldaten an Orte

160

fortbringen , die fie für zweddienlich halten , - nur daß ſie nichts von den dort befindlichen Waffen anrühren oder wegſchaffen. Alle Offiziere und Soldaten ſollen ſich geſagt ſein laſſen , daß das erlaubt iſt. Gegeben unter meiner Unterſchrift zu Dunbar D. 4. September 1650.

Oliver Cromwell. "

Die Bauern kamen mit ihren Karren , und dieſe traurigen Leichenzüge zogen ſich in Frieden zurück. Aber Cromwell konnte ſich nicht tröſten , daß er gegen ſeine Brüder hatte kämpfen müſſen. Er hatte nicht aufgehört ſeine Arme

nach den Schotten auszuſtređen , ihnen Frieden anzubieten , und immer hatten ſie ſich abgewendet und das Schwerdt erhoben. Er ſchüttete alle ſeine Traurigkeit in einem Briefe an ſeinen Schwieger ſohn freton aus , den er als ſeinen Stellvertreter in Frland ge Laſſen hatte.

An den General - lieutenant Freton , ernannten Statt halter in frland. Dunbar , den 4. September 1650. Mein Herr ,

Obgleich 3hr mir nicht oft ſchreibt, ſo weiß ich doch, daß Ihr mich nicht vergeßt. Denket daſſelbe von mir , denn ich erinnre mich Eurer oft vor dem Throne der Gnade. Ich habe vernommen , daß die gütige Hand des Herrn mit Euch

geweſen , um Waterford, Duncannon und Carlow zu unterwerfen : ſein Name ſei gelobt ! --- Der Dienſt, zu welchem wir verwendet werden , iſt voller Prüfungen , wie ſie feinem armen Geſchöpf jemals 1

.

auferlegt worden ſind.

Wir haben laut unſre herzliche Zuneigung

erklärt, denn wir wußten, daß wir es mit vielen aufrichtig frommen Männern zu thun hatten , die über unſern Einfall entrüſtet waren .

Mehrmals ſind unſre Herzen tief bewegt geweſen. Der Herr hat ung in den Stand gefeßt , fie Worte voller Sanftmuth vernehmen zu laſſen und ſie mit der ganzen Aufrichtigkeit unfres Berzens an

161

fie zu richten ; aber jedes Mal haben ſie uns zurüdgeſtoßen. Gleid viel, wir machten immer einen neuen Verſuch: wir haben ſie flehent lich gebeten' zu glauben, daß wir ſie wie unſre eignen Seelen liebten ;

und für das Gute , das wir ihnen wünſchten , haben ſie uns oft Böſes angethan . Wir haben ſie um Bürgſchaften gebeten (rückſicht lich der Abſichten farl Stuarts über England ): ſie haben uns über dieſen Gegenſtand nicht anhören wollen , uns nicht einmal ein Wort geantwortet. . Wir haben uns oft auf Gott wegen der Güte unſrer Sache berufen : ſie haben daſſelbe hinſichtlich der ihrigen gethan. Wir ſind brei oder vier Mal nahe daran geweſen , handgemein zu

werden , aber ihre Stellung war immer zu vortheilhaft.

Die Ruhr

richtete in unſerm Heere ſchauberhafte Verwüſtungen an , und ver minderte es von 14,000 auf nur 11,000 Mann .. *)

Inmitten aller dieſer Sorgen war Cromwell nicht der Mann, ſeine Lebensgefährtin , ſeine ehrwürdige Mutter und ſeine lieben

Kinder zu vergeſſen. Niemals trat weder vor dem General noch vor dem Staatsmann der Gatte und Vater in den Hintergrund. Eliſabeth hatte damals mit ihren Kindern Codpit ( Hühnerhaus) bezogen, deſſen prachtvolle Gemächer einen Theil der Gebäude von Whitehall **) ausmachten . Dieſe königliche Wohnung war auf dem

Plaße erbaut worden , wo Heinrich VIII. ſeine Hahnenkämpfe ge halten hatte , wober ſein Name.

Ein Beſchluß des Unterhauſes

hatte Cromwells Familie während des iriſchen Feldzugs dorthin berufen.

Die Befürchtungen Englands in Betreff ſeines Heeres

drangen auch in dieſe Wohnung, und die Frau , die Mutter, die Kinder des Generals empfanden lebhafte Beſorgniſſe. Oliver ſchrieb an Eliſabeth am Tage nach der Schlacht, um ſie zu beruhigen .

Sein Brief iſt kurz , aber voller Liebe und Frömmigkeit. Hier folgt er : *) Russel's Cromwell , vol . XLVII of Constable's Miscellany , 317 ; Lettres et Discours , II,> 225 . >

**) Da wo ſich jetzt die Amtsſtuben des geheimen Staatsrathes befinden.

162

An meine geliebte Frau Eliſabeth Cromwell , in Cođpit. Dunbar, den 4. September 1650 .

Meine Vielgeliebte, 3d habe nicht Zeit viel zu ſchreiben , aber ich werde verſucht

Did darüber auszuſchelten, daß Du in mehrern Briefen mir ſchreibſt,

ich ſollte Dich und Deine kleinen Kinder nicht vergeſſen. Wahrhaftig, wenn ich Dich nicht zu ſehr liebe , ſo glaube ich wenigſtens, daß ich

nid )t ſehr nach dem andern Extrem fündige. Du biſt für mich das theuerſte der Geſchöpfe; das möge Dir genügen. wer Der Herr hat uns die größte Barmherzigkeit erwieſen ; fann ſagen , wie groß ſie iſt!! Mein ſchwacher Glaube wurde auf redyt erhalten. Ich wurde wunderbar in meinem innern Menſchen -

getragen , obgleidy idy, glaube mir , alt werde und fühle , daß des Alters Sdwächen mich pacen. Wollte Gott , daß meine Unvollkom menheiten ſich eben ſo ſchnell minderten ! Bete für midi in Betreff des leßtern Punktes. Henry Vane oder Gilbert Picering werden

1

Dir Näheres über unſre legten Erfolge mittheilen. (dyaftlichen Grüße an alle unſre liebe Freunde. Id bin immer Dein

Meine freunds

Oliver Cromwell. " *)

Cromwell rückte vor Edinburg. Ein Theil des ſchottiſchen Heeres hatte ſich in das feſte, auf abſchüſſigen Felſen , die fich mitten in jener ſchönen Stadt erheben , gebaute Schloß zurüc

gezogen , wohin die Paſtoren Edinburgs gleichfalls ihre Zuflucht genommen.. Cromwell benachrichtigte ſofort den Befehlshaber des Schloſſes , daß er den Paſtoren erlauben wolle herunterzukommen, um in ihren verſchiedenen Kirchen zu predigen , ohne daß ſie auf irgend eine Weiſe beunruhigt werden ſollten . Die Geiſtlichen er:

widerten, ſie fürchteten verfolgt zu werden , und nahmen ſein An erbieten nicht an.

Cromwell erließ darauf folgende Antwort: *) Lettres et Discours , II. p . 223 .

1

163

An den ehrenwerthen Gouverneur des Soloiſes von Edinburg. Edinburg , den 9. Sept. 1650.

, Mein Herr,

Das wohlwollende Anerbieten , welches ich den bei Euch befinds lichen Geiſtlichen gemacht habe, war aufrichtig gemeint, und ich glaubte,

daß fie es mit gleicher Aufrichtigkeit aufnehmen würden. Wenn ihres Herrn Dienſt, wie ſie es nennen , ihnen vor Allem und immer vor Augen ſtünde , fo würde die eingebildete Furcht vor perſönlidhen Ges fahren zu einer ſolchen Antwort ſie nicht veranlaßt haben.

In England haben die Geiſtlichen volle Freiheit das Evangelium zu predigen , obgleich nicht ( unter dem Borwande der Religion ) zu ſchmähen , noch ſich gegen die bürgerliche Gewalt aufzulehnen , oder nach ihrem Belieben dieſelbe herabzuwürdigen. Niemand iſt in Eng land oder Frland , weil er das Evangelium gepredigt, gefränkt, noch iſt in Schottland irgend ein Geiſtlicher ſeit der Ankunft des eng liſchen Heeres beläſtigt worden. Die Wahrheit zu verkünden iſt die

Aufgabe der Diener Jeſu Chriſti. Wenn aber Geiſtliche, die eine glorreiche Reformation ſuchen , dieſelbe durch Erlangung eigner welt licher Macht zu gründen ſich anmaßen , ſo ſollen ſie wiſſen , daß das

dem Volke Gottes verheißne Zion nicht mit ſolchem ungelöſchten Mörtel gebaut werden wird. 3ch habe Euch nichts weiter zu ſagen,

als daß ich bin Euer fehr gehorſamer Diener Oliver Cromwell. " * )

Die ſchottiſche Geiſtlichkeit, ſagt Herr Carlyle, hat niemals ſeit ihrer Einſegnung einen ähnlichen Verweis erhalten . Am 12. September ſchrieb Cromwell von Neuem an den Gou: verneur des Schloſſes , um die von den Schotten und beſonders von den Geiſtlichen erhobenen Klagen zu widerlegen .

* ) Thurloe , I , p . 159 ; Lettres et Discours , II , p. 232 ,

164

,, Ihr bedauert, wie 3hr ſagt , “ ſchrieb Cromwell, „Daß Män

ner, die bürgerliche Aemter bekleiden , zur Schmach für die reformier I

ten Kirchen, ſich den Beruf und die Verrichtungen des geiſtlichen Amtes anmaßen. - Lergert es Euch, daß Chriſtus gepredigt wird ?

3ſt das Predigen ſo ausſchließlich Eure Verrichtung ? Nimmt die reformierte und insbeſondere die ſchottiſdie Kirche an der Verbreitung des Evangeliums Anſtoß ? 3ſt dem Volte das Evangelium zu pre digen gegen den Covenant ? es ſo iſt!

... Nieder mit dem Covenant , wenn 3d) glaubte, der Covenant und deſſen Bekenner würden

fidh freuen, wenn Jedermann Gutes von dem Namen Chriſti redete. 3ft das nicht der Fall, ſo iſt es kein Covenant , der Gott gefällt, ſo ſind dieſe Kirchen , von welchen ihr ſprecht, nicht die Braut 1

1

Chriſti.

Wo findet Shr denn in der heil. Sdrift eine Stelle zur Rechts fertigung einer ſolchen Behauptung , daß das Predigen ausſchließlich

Eures Amtes ſei ? Ich glaube , Er , der auffuhr in die Höhe ; kann .

.

ſeine Gaben verleihen , wem es ihm gefällt; und wenn dieſe Gna

dengaben das Siegel einer göttlichen Sendung find, ſo feit nicht I

neidiſdy, wenn auch Eldad und Medad weißagen ( 4. Moj. XI, 27).

3hr wißt , daß uns geboten iſt, uns zu befleißigen der geiſt lichen Gaben , am meiſten aber , das wir weißagen mögen, d. h. nach des Apoſtels Erklärung , den Menſchen zur Beffe . rung , und zur Ermahnung und zur Tröſt ung zu reden *). Fürwahr 3hr täuſcht Euch, weil ihr die Schrift nicht verſteht.

Eine Einſegnung, eine feierliche Beſtätigung von Seiten der Men ſchen iſt ſchicklich zur Erhaltung der Ordnung , aber nicht nothwendig

zur Befugniß das Evangelium zu predigen.

Eure Anmaßung die

Predigt des Evangeliums zu verhindern , aus Furcht es mödyten ſich Frrthümer in das Bolt einſchleidyen , iſt der Anſicht einer Obrigkeit ähnlich , die allen Wein aus dem Lande entfernt haben wollte, aus Furdyt, es möchte fid Jemand betrinken . Es iſt ein ungerechtes

und thöridites Mißtrauen , einen Mann ſeiner natürlichen Freiheit zu berauben , in der Vorausſetzung, daß er ſie mißbrauchen könne. Wenn er ſie mißbraucyt , ſo richte man ihn. Spricht ein Mann thöridit,

*) 1. Korinth. XIV, 1. 3.

165

ſo vertraget es gern , dieweil ihr flug feid * ). Redet er Irr

thümer, ſo wird die Wahrheit um ſo einleuchtender werden , weil 3hr ihn von ſeinem Irrthum überführt. Stopft eines ſolchen Man nes Mund durd, geſunde Worte , die nicht widerlegt werden können. Spricht er gottesläſterlich oder um die öffentliche Ruhe zu ſtören , ſo laßt die bürgerliche Obrigkeit ihn beſtrafen. Redet er aber nach der Wahrheit , ſo freuet Euch der Wahrheit. Seitdem wir nach

Sdyottland gekommen , haben wir geſprodjen , haben wir uns bemüht uns gegenſeitig zur Liebe , zu guten Werken , zum Glauben an un jern Herrn Jeſum Chriſtum , zur Buße von todten Werfen zu

ernahnen , und zur Liebe gegen Eudy, zum Gebet für Euch. Wir haben uns bemüht Euern Unglauben rückſichtlidy unſrer Liebe zu Eudy zu zerſtören ; einer Liebe , wegen deren Aufrichtigkeit, wir demüthig und feierlid den Herrn unſern Gott zum Zeugen aufrufen. Ja, wir haben das Alles gethan , und wenn ihr behauptet, das fei gegen den Covenant und ein Aergerniß für die Kirdie, weil dieſe Prediga ten und dieſe Gebete von Männern gehalten werden , die weltliche Aemter bekleiden ... immerhin ! - Trot allem , was 3hr ſagen mö get , wollen wir uns deſſen , was ſie gethan, ohne Rüdhalt freuen. Euer wohlgewogener Freund und Diener, Dliver Cromwell **)."

Unmöglich kann man dem richtigen Tacte Cromwell’s ſeine

Bewunderung verſagen. Er verwirft zugleich die Ausſchreitung derer, die gar kein geiſtliches Amt wollten , und den Bigotismus jener, die nur Prieſtern die Verkündigung Jeſu Chriſti geſtatten möchten . Cromwell ſchreitet ſo ſeinem Jahrhundert voraus ; er hält das rechte Gleichgewicht inmitten der zwei äußerſten Parteien , die ihn umgaben.

Jeft theilen alle aufgeklärte Chriſten ſeine Anſicht,

und ſelbſt die biſchöfliche Kirche Englands hat ihre Evangeliſten unter den Laien.

Die Geiſtlichen Edinburgs verharrten bei ihrem Beſchluß in

dem Schloſſe zu bleiben. Da ſchickten ſich die Engländer an , *) 2. Korinth. XI, 19.

**) Thurloe, I; 158. Lettres et Discours , II, p. 236.

Mi:

166

nen in die ungeheuren Felſen des Schloſſes zu graben , als wollten ſie dieſe in die Luft ſprengen. Bergleute aus Derbyſhire arbeiteten von unten ; die Geiſtlichen Edinburgs blieben ruhig oben. Am 12. September forderte Cromwell den Gouverneur zur Uebergabe auf,

und nach einigen Unterhandlungen capitulierte dieſer. Cromwell unterſchied genau die beiden in Schottland kämpfen

den Parteien. Von der einen Seite fand er da die Freunde Karl's, wie dieſer Fürſt liederlich und zum Papismus hinneigend ( die Uebelgeſinnten ) ; aber auf der andern ſah er die frommen Män ner der Nation ,, die wahren Presbyterianer.. Er ſchrieb über dies ſen Punkt dem Sprecher des Parlaments nach London Folgendes : (Newsp. Cromwelliana, p. 64. Carlyle, II, 264.) „ Ich kann Euch verſichern , daß Euer Diener hier mehr Be friedigung im Kampfe gegen Männer dieſer Art ( die Uebelge : finnten ) als gegen die andern finden . Und , das iſt unſer Troſt, es war des Herrn Wille, was bis jeßt das Ziel unſrer Gebete und unſrer Anſtrengungen war, mit Gottes Willen eine chriſtliche Erkennt: niß unter uns und denen , die in dieſem Lande Gott fürchten , herr: ſchen zu laſſen ..... Wir können nur Mitleid mit den frommen Männern Schottlands haben , die in dieſer Sache fallen und ſter ben ; wir tragen Leid um ſie, und wünſchen , daß alle redlichen Menſchen es gleichfalls thun. Es herrſcht jeßt eine große Aufre 1

gung hier ; möge Gott mit Macht in den Herzen von mehrern der Geiſtlichen und des Volkes wirken.“ Cromwell freute ſich über dieſe Aufregung , weil er hoffte,, ſie würde zu einem Einverſtändniß

zwiſchen beiden Königreichen führen. Es hat vielleicht niemals der Befehlshaber eines Heeres feine Feinde herzlicher geliebt. Oliver hatte es ſeit ſeinem Einrücken in Schottland nicht allein durch ſeine Bekanntmachungen, ſondern auch durch ſeine Thaten bewieſen. Da das ſchottiſche Heer großen Mangel litt , hatte er Vorräthe von Erbſen und Getreide unter ſeine Feinde vertheilen laſſen . Sorgen , Arbeit, Klima ( chadeten der Geſundheit Cromwell's.

Während ſeines Aufenthaltes in Edinburg , wo er in dem ſehr großen und prächtigen Hauſe des Grafen von Murray zu Canon

167

gate wohnte , wurde er gefährlich krank. Er fühlte jene Hand Got:

tes , die ihn zu Saint - Jves ſo ſchwer getroffen hatte. Er bewies von Neuem , daß es , wie Auguſtin (De Civitate Dei , XIII , 12) ſagt : „ mehrere Tode giebt , und die Urſache von allen die Sünde iſt ." Er ſah in dieſer Krankheit eine Züchtigung des Herrn ; aber dieſe Züchtigung trug für ihn die friedliche Frucht der Gerechtigkeit. Er fühlte die Wahrheit der Worte des hei ligen Sängers Pſalm XXXIV, 19. und ſchrieb damals folgenden Brief.

An den ſehr ehrenwerthen lord - Präſident des Staatsrathes. Edinburg, den 24. März 1651 .

„ Mylord,

Wahrhaftig , 3hr bedürfet meiner nicht; idy bin ein armes Ges ſchöpf. Ich bin ein dürrer Knochen geweſen , und bin nody ein uns nüßer Diener für meinen Herrn und für Euch. Ich glaubte an dieſer Krankheit zu ſterben ; aber der Herr ſcheint anders über mich

beſchloſſen zu haben.

Wahrhaftig , Mylord ., ich wünſche nicht zu

leben ; könnte ich wenigſtens die Barmherzigkeit des Herrn erlangen, um ihm mein Leben und mein Herz mit größerer Treue und Dants barkeit und zugleich mit mehr Nußen für Euch zu weihen. Ich bitte Gott , daß Eure Herrlichkeit und Alle , die ein öffentliches Amt be kleiden , die wunderbaren Thaten des Herrn erkennen , zum Ruhme Gottes und zum Troſte ſeines Volkes. .

Oliver Cromwell *)."

Das iſt gewiß , wie mir ſcheint, die Sprache eines geneſenden Chriſten. Cromwell war noch ſehr ſchwach; er ſchien einen Rüdfall zu haben.

Seine Freunde waren darüber ſehr beſorgt.

Was ſollte

aus England werden , wenn ein ſolcher Mann fehlen ſollte? Der Staatsrath ſchickte ihm zwei ausgezeichnete Aerzte, von welchen der *)

Lettres et Discours , II , p . 302 .

1

168

eine, der Doctor Bates , obſchon zu einer andern politiſchen Partei gehörig, ſeinem Patienten ein günſtiges Zeugniß ausgeſtellt hat. Man that mehr noch. Am 27. Mai beſchloß das wegen einer ſo koſtbaren Geſundheit beunruhigte Parlament, dem General die Rüdkehr nach England freizuſtellen , um die Luft zu wechſeln. Da Cromwell ſich wohl genug fühlte, um zu bleiben , ſchrieb er folgen den Brief. An den lord - Präſident des Staatsrat bes. Edinburg, den 3. Juli 1651 .

„Mylord,

Ich brauche Euch nicht zu ſagen , bis zu weldşem Leußerſten meine Krankheit mich gebracht hat. Sie iſt ſo heftig geweſen , daß meine arme Natur unfähig war dieſe Laſt zu tragen. Aber es hat dem Herrn gefallen, mich wider alles Erwarten zu retten , und ich darf noch ein Mal zu ihm ſagen : Du haſt meine Seele aus der Grube gezogen !

Mylord , die Güte , welche mir das Parlament durch ſeine Freunds

ſchaft erwieſen , iſt eine eben ſo große als unverdiente Gunſt. Ich werde eine dankbare Erinnerung dafür bewahren. Aber es würde,

glaube ich, Dünkel von meiner Seite ſein , dem Parlament über dieſen Gegenſtand zu ſchreiben. Erlaubet mir die Bitte, dem Staates rath meinen gehorſamſten Dank darzubringen für die Zuſendung von zwei fo achtbaren Männern (den Doctoren Bates und Wright) auf eine ſo weite Entfernung, um mich zu beſuchen. Ich habe von ihnen viel Ermunterung und treffliche Leitung erhalten , um Geſund

heit und Kräfte wieder zu erlangen.

Durch Gottes Güte geht es

beſſer, und iſt es ſein gütiger Wille, ſo werde ich mich von Neuem

nach meinen ſchwachen Fähigkeiten auf dem Plaße , wohin er mich geſtellt, nüßlich machen können . 3ch wünſchte, ſeine Angelegenheiten in dieſem Lande erlangs .

ten mehr Feſtigkeit, als ſie haben können , wenn ſie zulegt von einem ſo gebrechlichen Weſen , wie ich bin , abhängen. Ich täus ſche mich; nicht von mir hängen ſie ab , noch von irgend einem Werkzeug , wer es auch ſein tönnte :

diefe dieſe Sache iſt Gottes

Sadie, fie muß gedeihen, oder wenn doch Ade , die dabei thätig,

169

überzeugt von dieſer Anſicht, ihre Lenden mit ihrer Vernunft gürten und ſidy bemühen , in allen Dingen auf eine des Herrn würdige Weiſe zu wandeln ! Das iſt's , um was ich bitte, Mylord,

Euer ſehr gehorſamer Diener, Oliver Cromwell *)."

Während er an die Häupter der Nation ſchrieb , vergaß er ſeine Familie in Cocpit nicht, insbeſondere ſeine liebe Tochter Betty ** ). Er ſchrieb an ſeine Frau: .

An meine vielgeliebte Frau Eliſabeth Cromwell in Cockpit. Edinburg , den 12. April 1651.

,, Meine Theure,

Goti ſei gelobt , die Rraft meines äußern Menſchen iſt gewachſen. Aber das genügt mir nicht , wofern nicht Gott mir ein Herz ſchenkt, meinen himmliſchen Vater inniger zu lieben und ihm treuer

zu dienen , wofern ich nicht mehr noch das Licht ſeines Antlißes ges nieße , das mehr gilt als das Leben , wofern ich nicht mehr Macht

zum Kampfe gegen meine Verderbtheit gewinne. In dieſer Hoffnung, und ich habe einige Hoffnung, warte ich auf eine gnadenvolle Ånt wort. Bete für mich; ich thue das täglich für Dich und für die liebe Familie.

Möchte der allmädytige Gott ung fegnen mit allen

ſeinen geiſtlichen Segnungen ! Laß aud die arme Betty die große Barmherzigkeit des Herrn bewundern. Ad , ich wünſdie nicht allein , daß ſie den Herrn in ihren Nöthen ſuche, ſondern auch zu ihm in Wahrheit ſich wende,

ihn feſthalte, auf ihrer Hut gegen ein Herz ſei, das immer bereit iſt, ſich von ihm zu entfernen , und ſich nicht betrügen laſſe (wie ich

*) Kimber's Life of Cromwell , 201 . II , p. 315. **) Seine Tochter Eliſabeth Claypole.

Lettres et Discours ,

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fürchte, iſt ſie dazu nur zu geneigt) durd, die Eitelkeiten und Geſell ſchaften der Welt. Ich bete häufig und ernſtlich für ſie und ihren Mann. Sie ſind mir theuer , ſehr theuer ; ich fürchte, daß der Sa

tan ſie verführe , denn id; weiß , wie ſchwach unſre Herzen , wie arga : liſtig der Feind iſt. Sie mögen den Herrn in Wahrheit ſuchen, und ſie werden ihn finden. Meine Liebe ben lieben Kleinen.

Ich bitte Gott , ihnen ſeine

Gnade zu ſchenken. Ich danke ihnen für ihren Brief ; laß ſie mir oft (dreiben. Ich kann nid )t mehr ſdireiben , ich bin müde und verbleibe

Dein Oliver Cromwell . “ *)

Was am meiſten bei Cromwell auffällt, iſt ſein Charakter als Familienvater , ſo wie er uns aus ſeinen Briefen entgegentritt. Man findet in ihm eine bewundrungswürdige Zärtlichkeit zugleich und Weisheit.

Es ſind uns andre Briefe dieſer Art aufbewahrt

worden , die wir gern anführen möchten ; aber wir müſſen darauf verzichten ; hier folgt jedoch noch einer , der uns den Obergeneral als Vater , und zwar als einen aufgeklärten, weiſen und charakter: feſten Vater zeigt : (Harris' Life of Cromwell , 513.)

Oliver Cromwell an ſeinen vielgeliebten Bruder Richard Mayor in Hursley. Burntetland , den 28. Juli 1651.

„ Idy bin glüdlid) einen Brief von Euch zu erhalten. Die von Eud, erwartete Ankunft meines Sohnes iſt aufgeſchoben. Ich wün ſdhe, daß Gott ſeiner Frau eine glüdliche Entbindung jente ; das iſt mein wiederholtes Gebet.

Ich vernehme , daß mein Sohn mehr verausgabt hat , als ihm bewilligt iſt, und daß er in Sdulden ſtedt. Ich kann das nicht

billigen.

Ich beklage nicht, ihn anſtändige Erholungen ſuchen zu .

fehn , und bei welchen er ſich anſtändig aufführt. Die Ausgaben, *) Lettres et Discours , II, p. 303.

!

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welche er mir ſo verurſachen kann , ſind es nicht ſo ſehr , was mich bedenklicy mad t. Ich bin ſehr bereit, ihm nicht nur ein behagliches Leben , ſondern mehr noch zu bewilligen. Aber wenn das Vermögen .

und das Streben nach eigner Befriedigung die Hauptſache von Ki dhard’8 Leben werden , und wenn er zu dieſem Zwecke mehr Ausga ben macht, mehr Zeit darauf verwendet , als Gott verlangt , fo fürchte .

ich einer ſolchen Neigung Nahrung zu geben. Gott verhüte , daß er, weil er mein Sohn iſt, glaube , diefer Umſtand ermächtige ihn ein von dem himmliſchen Vater verdammtes Leben zu führen , der

mich aus dem Staube gezogen , um mich zu dem zu machen , was .

1

id bin .

3dy nehme Eure Treue in Anſpruch, auf daß 3hr ihn ermahnet, in den göttlichen Geboten die Richtſchnur feines Gewiſſens zu ſuchen, und in der Gnade Chriſti die Kraft , welche nöthig iſt, dieſer Richt 1

ſchnur zu folgen. Dieſe Gebote , dieſe Gnade, die ſind es , welche .

zu etwas führen ; aber was iſt ohne ſie ein armer Chriſt ? Ein dhriftliches Leben wird uns nicht erlaubter Vergnügungen berauben, aber es wird uns ſehren , einen ſolchen Gebraudy davon zu machen ,

daß der Friede eines guten Gewiffens ſie immer begleitet.

Mein

Herr , id ſchreibe Eudy, was mein Herz fühlt , theilet es gefälligſt meinem Sohne mit. Ich liebe ihn , ich liebe ſeine Frau , und zu feinem Wohle rede ich ſo. Es wird ihnen weder an Bequemlichkei ten noch an Ermunterungen fehlen , ſo weit das von mir abhängen

kann.. Aber ich würde nicht recht zu handeln glauben , wenn ich in meinem Sohne den Geſchmack an ſinnlichen Genüſſen nährte , wenn ich ihm geſtattete, das Vergnügen zur þauptſache ſeines Lebens zu

machen , und das in einer Zeit , wo ſo viele Heilige , ſo koſtbar in Gottes Augen , ihr Blut für das Wohl Aller vergießen und ihren legten Seufzer für ſie ausſtoßen ! Ich wünſche Euer Gebet und verbleibe

Euer wohlgewogener Bruder und Diener, Oliver Cromwell. " *)

Es giebt wenig chriſtliche Väter, ſelbſt unter denen , die Crom well geringſchäßen , in deren Briefwechſel man ſo fromme und ſo *) Lettres et Discours , II, p. 325. 13 *

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weiſe Briefe finden könnte , wie die find, welche wir oft anzuführen haben. Es würde gut ſein , ſich dabei jenes evangeliſchen Gebotes zu erinnern : „ Daß man in Herzensdemuth den Andern höher ſchäße, als ſich ſelbſt."

Während ſeines Aufenthaltes in Glasgow wohnte Cromwell dem Gottesdienſte in den presbyterianiſchen Kirchen bei. Die ſchot: tiſchen Geiſtlichen , welche in Gegenwart des mächtigen und ſiegrei chen Generals predigten , trugen kein Bedenken für den König zu beten und Cromwell einen Uſurpator zu nennen . Man ſieht, daß

dieſer ihnen nichts Böſes zufügte , im Gegentheil , da er recht wohl , wußte , daß man weder dem Könige noch den Politikern Vertrauen ſchenken könnte , ſuchte er ſich der religiöſen Partei zu nähern , als der einzigen , mit der man einen wahren Frieden ſchließen könnte.

„ Obgleich ſie von den Kanzeln herab, ſogar vor unſern Soldaten, ge gen uns predigen, ſo erlauben wir es ihnen doch, ohne ſie zu beläſti gen, denn wir wünſchen ſie durch Liebe zu gewinnen,“ ſteht in einem aus dem Hauptquartier geſchriebenen Briefe.

Wir glauben nicht,

daß ſich in der Geſchichte ein zweites Beiſpiel von einer ſo feſten Haltung findet. Man hat oft bemerkt, daß, wenn die Parteiführer

der Freiheit zur Macht gelangen, ſie ſich despotiſcher als ſelbſt die jenigen zeigen , welche durch ſie geſtürzt wurden. So war es nicht bei Oliver. Er geſtattete, daß man die von ihm vertheidigte Sache von der Kanzel herab , und ſogar in Gegenwart ſeiner Truppen

angriff..... Gegen Ende des April 1651 hatten die Engländer und die Presbyterianer Schottlands eine Zuſammenkunft, um wos möglich alle zwiſchen ihnen vorhandenen Mißverſtändniſſe zu beſei tigen. An der Spiße jener waren Cromwell und der Generalmajor

Lambert ; an der Spiße dieſer die Herren Guthrie und Patrick Gil Yepſie. „ Es herrſchte auf keiner Seite weder Leidenſchaft noch Bit terkeit ; die Zuſammenkunft wurde mit aller Mäßigung und Herz lichkeit gehalten ! " ſagt ein Zeitgenoſſe * ).

Als Karl ſeine Sache in Schottland bloßgeſtellt fah , beſchloß er ſich auf England zu werfen , in der Hoffnung, es würden ſich * ) Cromwelliana , p . 102 .

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alle Royaliſten im Norden bei ſeinem Anrücken erheben. Die Bes ſtürzung in London war ungeheuer. „ Stadt und Land," ſagt Herr Hutchinſon , „waren von Schrecken ergriffen. Jeder verzweifelte an ſeiner eignen Rettung und an der Republik. Einige, blaß und niedergeſchlagen , konnten ihre feigen Befürchtungen nicht verbergen, und mehrere der Führer waren ſo zerſtreut , daß Verwirrung in ihren Berathungen herrſchte .“ *) Bradſhaw ſogar , der kühne Bradſhaw zitterte für ſeinen Kopf. Glücklicher Weiſe gab es noch einen Mann, deſſen Geiſt ruhig geblieben, deſſen Herz mit Muth

und Gottvertrauen erfüllt war. Oliver , auf dem die ganze Ver antwortlichkeit dieſer Sache ruhte , ſtürzte ſich mit ſeinem Heer auf die Ferſen des Königs ; erreichte ihn in Worceſter, und troß der dem Feinde ſebr vortheilhaften Stellung warf er ſich auf ihn , wie

ein Löwe auf ſeine Beute losſpringt. Er hielt ſich nicht bei den Förmlichkeiten einer Belagerung auf. Vorwärts ! Vorwärts ! Die Truppen umzingeln den Plaß und laufen in demſelben Augenblicke von allen Seiten Sturm .

,, Der Kampf iſt hartnäckig ," ſagt ſogar

Cromwell. „Niemals " , feßt er hinzu , wurde vier bis fünf Stun . den lang ſo heftig gekämpft.“ Zweihundert von ſeinen Soldaten (ein geringfügiger Verluſt) fallen unter den Streichen des Feindes. Endlich wird die Fahne der Stuarts niedergeworfen.

England iſt

frei. Am 3. September 1651 , ein Jahr nach der glorreichen Schlacht von Dunbar , gerade an demſelben Tage , wurde dieſer glorreiche Sieg von Worceſter gewonnen. Karl's Unternehmen war zu Ende; er entfloh nach Frankreich und eilte ſeine Schande in Ausſchwei fungen und Zerſtreuungen dort zu verbergen. Cromwell berichtet an das Parlament über dieſen neuen 1

Triumph ; im Folgenden leſen wir den Schluß ſeines Schreibens:

Die Größe dieſes Erbarmens überſteigt alle meine Gedanken. Es iſt, ſo viel ich darüber urtheilen kann , eine Gnade , die allen andern die Strone auffeßt ( a crowning mercy). Wird ſie nicht das Parlament erweden , den Willen deſſen zu thun , der ſeine Abſichten *) Mémoires du Colonel Hutchinson ; Londres, 1846, p . 356.

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für das Wohl dieſes Volkes ſo wunderbar ausgeführt hat , dieſes Gottes , der die Nation fo kräftigen und den Regierungswechſel bes feſtigen will , indem er das Bolt zu deſſen Bertheidigung geneigt

macht, und auf eine ausgezeichnete Weiſe die Anſtrengungen ſeiner Diener in dieſem letten und großen Kampfe ſegnet. Ich nehme mir die Freiheit Euch demüthig zu bitten , alle Eure Gedanken darauf zu richten , die Ehre Deſſen zu fördern, der uns dieſe große Errettung zu Theil werden ließ , damit der Reidythum ſeines fortwährenden Erbarmens uns nicht in Stolz und Zügelloſigkeit ſtürze, wie das vor Zeiten einem auserwählten Volke begegnete. (5. Moj. XXXII, 15.) Da aber Iſrael fett und ſatt ward , ward er

geil. Er iſt fett und did und ſtart worden , und hat den Gott fahren laſſen , der ihn gemacht hat. Er hat den Fels ſeines Heils gering geachtet. Möge dagegen die Furdyt des Herrn die Obrigkeiten und das Volt unter Euch gedeihen laſſen und die Einen wie die Andern glüdlid), geſegnet, demüthig und gläubig erhalten , damit Gerechtigkeit, Erbarmen und Treue mitten unter Euch wadyfen und ſich erheben , wie ein reiches Danfopfer , das einem gnadenreiden Gotte dargebracht wird. Das iſt das Gebet Eures ſehr demüthigen und gehorſamen Dieners, Oliver Cromwell. " *)

Cromwell beauftragte die frömmſten Männer ( Gillepſie und einige von ſeinen Brüdern ) , die Angelegenheiten der ſchottiſchen Kirche zu ordnen , und wünſchte, daß man bei der Wahl der Pa 1

ſtoren die Wahl des religiöſeſten Theiles der Gemeinde berückſich

tige , ſelbſt wenn dieſer Theil nicht die Mehrzahl ausmachte. Die Geſchichtſchreiber ſtimmen über den Einfluß Cromwell's in Schottland überein . Folgendes Zeugniß giebt ihm der Geſchicht

ſchreiber der Kirché Schottlands, der Doctor Hetherington : „Die bürgerliche Ruhe , welche in ganz Schottland während der Periode der Regierung Cromwell's herrſchte, übertraf faſt Alles , was man bis dahin geſehen hatte." **) *) Cromwelliana , 113. Lettres et Dicours , II, p. 341 . **) History etc. p. 120.

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Der Biſchof Burnet ſagt:

„ Das Land wurde in der größten

Ordnung während der Regierung Cromwell's gehalten. Gerechtig keit wurde gut geübt , das Laſter unterdrückt und geſtraft, ſo daß dieſe Zeit immer als eine Zeit des Friedens und der Wohlfahrt betrachtet worden iſt.“ Folgendes endlich ſagt über den religiöſen Zuſtand ein alter Geſchichtſchreiber, Namens Kirkton : „ Ich glaube wahrhaftig , daß während dieſes kurzen Zeitraums mehr Seelen zu Chriſto bekehrt worden ſind , als ſeit der Reformation in Perioden von dreifach längerer Dauer. “ Das ſind die Zeugniſſe von drei ſchottiſchen

Geſchichtſchreibern , die verſchiedenen kirchlichen Gemeinſchaften ange hören. So war das Ergebniß der Feldzüge Cromwell's in Schott land wie in frland die Wiederherſtellung der Ruhe und Wohlfahrt in dieſen zwei Ländern. Es giebt nicht viele Kriege in der Ge ſchichte, welchen man ein ſolches Zeugniß ausſtellen könnte. Hier endigt Cromwell's militäriſche Laufbahn. Sein Genie und ſein Muth hatten eine Reihe von Triumphen aus dieſer Bahn

gemacht ; aber er ſchrieb Alles der Tapferkeit ſeiner Soldaten zu , und vor Allem dem Arme des Herrn. Er ſtellte gern ſeinem Heere ein günſtiges Zeugniß aus. „ England wird ſehen,“ ſchrieb er im September 1644 dem Obriſten Walton , „ daß wir ihm inmitten der großen Sorgen , in welchen wir uns befinden , ohne Widerſtreit

dienen. Wir werden unſre Drangſale vergeſſen , die ausnehmend groß ſind und nach welchen Niemand fragt, und uns bemühen, den Ruhm Gottes zu ſuchen , ſo wie die Freiheit und Ehre des Parlaments. Das iſt der Zweck , für den wir alle einmüthig käm pfen , ohne nach unſern eignen Vortheilen zu fragen. Niemals

finden wir unſre Leute ſo fröhlich , als wenn es eine Arbeit zu thun giebt. Der Herr iſt unſre Stärke und unſre ganze Hoffnung .“ Mit ſolchen Soldaten verrichtete Cromwell Wunder.

Er hat uns in einem ſeiner Briefe eine Anecdote aufbewahrt, welche ſein Jahrhundert kennzeichnet und ſich auf eine der frühern

Schlachten bezieht. Zu Preſton ," erzählt er, „ ſtarb am Tage vor der Schlacht ein armer, gottesfürchtiger Soldat. Krank und ſeinem Ende nahe bat er die ihn bedienende Frau , ihm eine Handvoll

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Gras zu pflücken. Als die Frau das gethan , und , was ſie ges pflügt, ihm gebracht hatte , ſagte der ſterbende Soldat zu ihr : Wird jeßt dieſes abgeſchnittne Gras vertrođnen oder nicht ? – „ Es wird vertrocknen , " erwiderte die Frau .

„Ja ," entgegnete der

Soldat, deſſen drohendes Auge zum leßten Male feurig ſtrahlte, „ ja , es wird vertrocknen ! und gleichfalls wird dieſes ſchottiſche Þeer vertrocknen und zu Grunde gehn, ſobald ſich unſer þeer zei gen wird ! " Mit dieſen Worten hauchte der fromme Soldat den leßten Seufzer aus. * )

Es liegt in dieſer ſinnbildlichen Sprache des puritaniſchen Streiters etwas das an das alte Teſtament erinnert. Jeßt wurde ſeine Weifſagung erfüllt, nicht allein für die Schlacht bei Preſton,

ſondern auch für alle ſchottiſche Kriege, für alle Kämpfe Karl's II. Die mächtigen Stuarts und alle ihre Cavaliere waren nichts weiter als einige Halme vertrockneten Graſes.

Der Pachter von Hun

tingdon , der Familienvater von Saint : Jves und Ely mit einigen von ihren Pflügen weggerafften Soldaten waren groß geworden

und hatten den Sieg der Freiheit davon getragen. Und jeßt konnte Cromwell in der finnbildlichen Sprache des Alten Bundes , wie jener Soldat von Preſton ſagen : „ Auf Erden , oben auf den Bergen wird das Getreide dicke ſtehen , ſeine Frucht wird beben wie Libanon , und wird grünen in den

Städten wie Gras auf Erden. Sein Name wird ewig lich bleiben ; ſo lange die Sonne währet , wird ſein Name auf die Nachkommen reichen .“ (Pſalm LXXII,16. 17.) *) Lettre à Saint - John , 1. Septbr. 1648. ( Lettres etc. I, 385.) -

Achtes Kapitel. Das Protectorat.

l'État, c'estmoi.

Die Republit wird ausgerufen.

Die

beiben franzöſiden Einfälle. - Grwadyen der Freiheit in England. Blafe. Liebe und Furdh t. Crom Das Rumpf - Parlament. Ständeverjanimlung. well löft es auf. Reden. Cromwells Reform . Ehrlichkeit. Cromwell wünſcht den Frieden. Whi -

-

telođe Geſandter in Schweden.

Unterredung mit der Königin

Chriſtine. Das Protectorat . .- Frömmigkeit und Das Ende. Gejelligkeit. — Verfaſſung. Demuth Cromwells. Neues Para lament.

Vertheidiguug Cromwell'8.

Religiöſe Freiheit gebemmt.

Tod ſeiner Mutter.

Cromwell löſt das Parlament auf.

Sein Ziel.

Am 19. Mai 1649 war die Republik in England durch fol gende Urkunde feierlich bekannt gemacht worden : „ Es wird durch das gegenwärtige Parlament und nach ſeiner Machtvollkommenheit erklärt und zu Protokoll genommen , daß das Volk von England und aller ihm gehörigen Staaten und Gebiete durch dieſe Acte ſind und werden ſein eingerichtet, gebildet und gegründet als Republik oder als Freiſtaat, und werden hinfüro regiert werden als Repu

blik und Freiſtaat durch die oberſte Gewalt dieſer Nation , nemlich durch die im Parlament verſammelten Vertreter des Volkes , und

durch die , welche man nennen und einſeßen wird als Beamte und Diener für das Wohl des Volkes ; aber ohne König und Oberhaus."

Großbritannien iſt nicht für eine Republik gemacht; dieſe Re

gierungsform hat zu jeder Zeit in England lebhaften Einſpruch hervorgerufen. Wir ſind keineswegs geneigt , ſie zu vertheidigen . Aber trat nicht dieſe Form damals wirklich als eine geſchichtliche Entwidelung auf? Kann man behaupten , daß fie in der Zeit, wo fie vorhanden , wirklich ein Uebel war ? .

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Die alten Grundfäße Englands verſchwanden . Neue , fremde

Grundſäße fickerten in die Nation ein.

Die politiſchen Anſichten

Frankreichs wurden in England eingeführt.

Richelieu hatte das

große Werk befördern helfen , dem er ſein Leben gewidmet königliche Obergewalt , den Abſolutismus

-

die

und Ludwig XIV.

vollendete damals die von dieſem mächtigen Miniſter begonnene Re volution und verkündete laut in Europa ein neues, dem Mittelalter unbekanntes Syſtem , deſſen Artikel insgeſammt ſich auf jenen kurzen,

aber bezeichnenden Ausſpruch zurückführen ließen : L’État, c'est moi. Karl I. batte ſich aus Frankreich nicht blos eine Gemahlin

geholt, ſondern auch eine neue Politik. Henriette brachte an den engliſchen Hof franzöſiſche Sitten , Luſtbarkeiten , einen franzöſiſchen Geiſt ; aber das war noch nicht Alles. Sie wollte mehr ; fie I

wünſchte ihrem neuen Vaterlande einen König nach franzöſiſcher

Weiſe zu geben : das war das Weſentlichſte. Der Monarch ſollte eine Art von Gottheit werden , geſtellt auf ein erhabnes Fußgeſtell, und das am Fuße der Säule dicht verſammelte Volk ſollte ſich vor

ihm niederwerfen , ihn bewundern und anbeten. Karl I. legte tapfer Hand an das Werk , und eine ſeiner erſten Heldenthaten war , wie wir geſehn , die Vertreter des Volkes zum Schweigen zu bringen , von dem Unterhaus verbotene Steuern zu erheben , ohne Parlament zu regieren. Er hatte wohl noch einige Geſuche erlaubt, ſehr demüthige Geſuche, aber das war Alles. Rein Widerſtand!

Es ſollte , wie in Frankreich , ſo in England nur einen einzigen Willen geben. Die Magna Charta war in die Rumpelkammer verwieſen , und die Barone fanden einen Herrn. Der Abſolutis mus ſtieg auf den Thron Englands.

Eine wahrhafte Revolution durchzuführen , hatte Karl I. fich vorgenommen , und wenn ſich das engliſche Volk der widerſeßte, ſo widerſeşte es ſich einer Empörung - gegen die älteſten verfaſſungs mäßigen Einrichtungen der Nation . Die Cavaliere waren die Re: volutionäre, die Rundköpfe die Conſervativen. Die Aufſtellung des demokratiſchen Syſtems war ein nothwendiger Rückſchlag gegen das

Eindringen des abſoluten Syſtems. Nicht Cromwell war der Grün

der der engliſchen Republik , das war in Wirklichkeit Karl I.

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Und es handelte ſich nicht allein um Freiheit , ſondern auch Die Cavaliere waren Höflinge aus Verſailles,

um Nationalität.

mit engliſchem (Geſicht und engliſcher Sprache; die Kundköpfe waren

gute, ehrliche, alte Engländer. Karls I. Bemühungen, in England das Syſtem Richelieu's einzuführen , waren ein franzöſiſcher Ein bruch , und dieſer Einbruch hätte ſich im Falle des Gelingens weit verderblicher gezeigt als der Wilhelm's des Eroberers. Die Waffen des engliſchen Volkes waren im 17. Jahrhundert glüdlicher als die des Königs Harold. Es gab damals keine Schlacht von Haſtings ; aber , leider ! eine Schlacht von Whitehall !..... und auch ein Rö nig kam in dem Kampfe um ....., aber mit großem Unterſchied.

Der König von Haſtings kämpfte mit ſeinem Volke gegen den Aus länder ; der König von Whitehall kämpfte mit dem Ausländer gegen ſein Volk.

Der Erfolg der Schlacht war im

11.

Jahr

hundert Englands Eroberung, im 17. ſeine Befreiung . Das Ge fecht, welches die Stuarts verloren , war die Niederlage des neuen

Despotismus , des franzöſiſchen Geiſtes , der päpſtlichen Oberherr fchaft. Die Geſchichte des Abſolutismus in England war ein flüch tiger Roman , eine franzöſiſche Novelle, die dazu gedient hat, neue Romane zu ſchmieden , deren bildlicher ( graphique , beſchreibender) Charakter in ganz Europa' berühmt iſt. Aber beſtand darin ſein einziger Nußen ? Nein , er brachte ohne Zweifel noch andre Vor theile , und ſicherlich wichtigere. Die Einbrüche des Abſolutismus weckten die engliſche Freiheit auf, welche ſchlief und vielleicht noch lange geſchlummert hätte, und Europa mit ihr. Aber dieſer plumpe Schlag rüttelte ſie auf

Sie erhob ſich, ſie blieb aufrecht ftehn ;

ſie ſteht heute noch und wird mit Gottes Hülfe bis an's Ende der Zeiten ſtehn. Die Freiheit that mehr als nur erwachen. Einge taucht in die neue Zeit erhob ſie ſich vollſtändiger, ſtärker, höher. Dieſes Erwachen war faſt eine neue Schöpfung. Vielleicht ſollte dieſes Zwiſchenſpiel des Despotismus, nach der Mode Ludwigs XIV ., von Muſik, Tänzen und Balletten begleitet, zwiſchen den beiden Frei heiten des Mittelalters und der neuern Zeit aufgeführt werden , um deren große Umbildung zur Entſcheidung zu bringen.

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Es mußten alle Elemente des Feudal - Weſens, der Körperſchaf ten, der verſchiedenen Stände, in deren Rechten und Vorrechten die Freiheit des Mittelalters beſtand, gemiſcht, zerrieben werden , und eine neue Gewalt, die des gemeinſamen Geſekes , mußte ſich über

.

ihnen erheben und ſie beherrſchen. Die Freiheit der Magna Charta

und des Mittelalters war beſonders die der Ariſtokratie geweſen ; die Freiheit des Volkes ſollte jegt feierlich eingeweiht werden . Die Charte des 13. Jahrhunderts war die Entfeſſelung der Barone; die

Revolution des 17. Jahrhunderts war die Entfeſſeluug der Gemei

1

nen. Die Freiheit war nöthig für die Herren , aber ſie war es auch für die Gemeinen Gemeinen.. Dieſe waren nur zu oft in gleicher Weiſe von dem Fürſten und von dem Adel mit Füßen getreten worden.

Sie ſeşten ſich jeßt dieſen beiden Gewalten zur Seite , und Weſt minſter ſieht ſie da noch. Die Großen waren fogar oft despotiſcher als der König gegen das Volk geweſen. Sehen wir das nicht noch beut zu Tage in Schottland , wo , während die Krone edler Weiſe

die religiöſe Freiheit verkündet und aufrecht hält , eine kleine An zahl von Herren, unter welchen man Männer von edlem Charakter

und hoher Stellung zählt, den Armen der Nation die Freiheit ver ſagt, ſich in Frieden zu verſammeln , um ihre Pſalmen zu ſingen und ihren Gott anzubeten ?

Troß der Revolution des 17. Jahr

hunderts , trok dem, daß zwei Jahrhunderte ſeitdem verfloſſen , iſt dennoch der ariſtokratiſche Despotismus in Großbritannien noch

nicht gänzlich vernichtet; und während im Allgemeinen die Freiheit keine edlern Vertheidiger hat als die mächtigen perren , die unmit telbar unter dem Throne ſtehn, giebt es noch hier und da in eini gen Schlöſſern finſtre Schlupfwinkel, wo der Abſolutismus ſich ver

ſteckt hält. Aber er liegt entſchieden in den leßten Zügen, er kann . ſich nicht länger ſchüßen ; und man darf hoffen , daß dieſe edlen

Lords ſelbſt, wenn beſſer aufgeklärt, ihn aus dieſen dunkeln Höhlen hervorziehen und am bellen Tage opfern werden. * )

*) Das Parlament hat fich in dieſem Jahre mit einer Bill beſdhäftigt, die beftimmt war , die Hinderniſſe zu beſeitigen , welche von einigen ſchottiſchen Herren

der religiöſen Freiheit hartnädig in den Weg gelegt werden. Es iſt vertagt worden.

1

181

Der franzöſiſche , von den Stuarts über das engliſche Volk ausgeſchüttete Abſolutismus hatte die Wirkung von eiskaltem Waf fer, welches über den Körper gegoſſen ſofort eine gewaltige Gegen wirkung erzeugt, den Umlauf des Blutes belebt und dem ganzen Menſchen neue Wärme und neues Leben giebt.

Der Despotismus Karl's I. bildete den Uebergang von einem unvollkommnen Staate, wo man noch von Vorrechten lebte , zu .

einem wahren, vernünftigen , wo die Freiheit als ein Gut für Alle verkündet wurde.

War Karl I. die Veranlaſſung zu dieſer Umbildung, indem er die an einem jeſuitiſchen Hofe vernommenen Lehren des Des potismus befolgte , ſo wurde ſie von Oliver Cromwell durch die im Evangelium gefundenen Grundfäße des Chriſtenthums und wah rer Freiheit vollendet.

Ein Wettlauf war dem 17. Jahrhunderte durch die göttliche Vorſehung zugefallen , in welchem Dliver den Preis davon trug, nicht allein indem er die Renner aufmunterte, ſo lange es noch 1

galt den Hügel zu erſteigen , ſondern auch indem er ſie zurückhielt, als man auf dem Gipfel angelangt hinabſteigen mußte. Man wird ohne Zweifel ſagen , daß er bisweilen Mittel ergriff, welche denen Karl's I. ähnlich waren , und daß er die Gemeinen auch zu verab- ſchieden wußte. Wir wollen ihn nicht von jeder Art des Tadels frei ſprechen , aber man ſollte ſich erinnern , daß dieſelbe Handlung ganz entgegengeſepte Bedeutung haben kann , wenn ſie in zwei vera ſchiedenen Lagen zur Ausführung kommt. Es iſt ein durch trau rige Erfahrungen zum Gemeinplaß unſres Jahrhunderts gewordener Saß , daß man die Freiheit nicht nur durch Bekämpfung des Des potismus aufrecht hält , ſondern auch durch Bewahrung derſelben vor ihren eignen Ausſchreitungen. Der Soldat, welcher ſeine Fahne 1

gegen Feinde vertheidigt , die ihn von vorn angreifen , wird ſich ,

wenn er ſie beſiegt hat, umdrehen und ſich gegen andre Feinde vertheidigen dürfen , die ihn von hinten angreifen . Allerdings hat er ſich umgedreht, aber er führt immer ſein Schwerdt für die näm. liche Sache und bleibt immer ſeiner Fahne treu.

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Seitdem Jrland und Schottland beruhigt waren , richtete Trom well alle ſeine Sorgen auf den Frieden und das Wohl Englands.

Die Aufgabe war ſchwieriger als die, welche er in den beiden an dern Ländern durchgeführt hatte. Die kräftigen Elemente , welche den Despotismus in England geſtürzt hatten , wirkten noch unter dem Volke und ſchienen aus ihm Ordnung und Ruhe verbannen zu follen.e Eine Zeit lang hatten die auswärtigen Angelegenheiten g abgezogen. Die Flotte unter dem Befehl des Admirals die Geiſter Blake hatte ſo eben einen glorreichen Sieg über die holländiſche

Marine davon getragen. Aber jeßt richteten ſich alle Gedanken von Neuem auf das Innre des Reichs wie auf einen Mittelpunkt. Nachdem Cromwell auf den Schlachtfeldern befehligt , ſollte er in den Berathungen herrſchen. Aber inmitten von alle dem iſt er vor allem ein Chriſt, ein Vater. Der folgende Brief an Fleet wood, den Obergeneral in Irland, der Cromwell's Tochter Brigitte, greton's Wittwe, geheirathet , erinnert an einen andern , worin der zärtliche Vater dieſelbe ängſtliche Beſorgniß für die Seele ſeiner Tochter zeigt. Kein Chriſt kann ihn ohne Bewunderung leſen. An den ſehr ehrenwerthen Fleetwood , General- Lieute nant und Ober - General der Truppen in Irland. Cođpit, im December 1652.

,, Lieber Karl,

Ich danke Euch für Euren liebevollen Brief.

Die Wünſche

und Hoffnungen , welde 3hr mir an den Tag legt , find jegt dies felben, welche ich ſeit Eurem Eintritt in unſre Familie erfahren habe, Es hat jedoch dem Herrn gefallen, daß es gegenwärtig anders würde ; 1

und ich wünſche mich ſeinem Willen zu unterwerfen, ohne die Hoff nung aufzugeben , daß Gott uns eines Tages den friedlichen Genuß

unſrer gegenſeitigen Zuneigung gewähren wird. Er kann uns dafür durch ſeine füße Gegenwart reichlich entſchädigen ; ſie füllt unſre Leere

aus ; ſie iſt die Freude von allen unſern Freuden und die Bürgſchaft für unſer Glüd.

Grüßet von mir Eure liebe Frau , gebet ihr einen Wint , fich

vor einem knechtiſchen Geiſte zu wahren , aus dem nur Furcht

183

-fidh erzeugt ; ſein Gegengift iſt die Liebe. Die Furcht ſagt uns : wenn idy das gethan , wenn ich jenes vermieden hätte, wie würde ich I

mich wohl befinden ! .... Ich weiß , daß es oft die eitle Weije Aber höret nun, wie die Brigitten's ſo zu urtheilen geweſen iſt. Liebe urtheilt. Welch ein Chriſtus, weld, ein Heiland iſt der mei Welchen Vater beſige id) in ihm und durch ihn ! Was nige !

für Namen ſind , die mein Vater führt : Barmherzig und gnä dig , geduldig und von großer Güte , Vergeber von uns recht , Uebertretung und Sünde ! - Und welches Weſen iſt .

Er iſt liebe : – freie , unbegränzte , unwan

das meines Vaters ?

delbare Liebe ! .... Welder Bund iſt der zwiſchen ihm und Chri fto beſiegelte! ... ein Bund für ſein ganzes Volk und für einen fidge 3eben in dieſem .... ein Bund , in dem er alle Laſt auf ſich nommen und die arme Seele keine trägt. Das Weſen des neuen Bundes iſt Gnade , Gnade für die Seele und in der Seele. zu nur . ,„Ich hat 3d werde ihre Sünden empfangen Seele Die auslöſchen . Ich werde mein Gefeß in ihr Herz ſchreiben. -

Sie werden niemals von mir abſteh n .11

Was die Liebe

Gottes erhöht , iſt, daß Chriſtus für die Meniden freiwillig ſtirbt, dann wann ſie Sünder , wann ſie Feinde ſind. Könnten wir noch I

die Quelle unſres Troſtes in uns ſelbſt ſuchen ? -- Nein ! was Gott gethan hat, was er für uns in Chriſto iſt, das iſt die Quelle unſres Troſtes ; da findet ſich die Feſtigkeit, in uns die Schwachheit. Unſer

Gehorſam iſt nicht vollkommen und kann folglich keine vollkommne Gnade erzeugen . Der Glaube erzeugt nicht die Gnade als Werk,

ſondern indem er uns zu Dem führt, der unſre ſidhre und vollkommne Ruhe iſt, zu Dem , aus liebe zu welchem wir vom Vater aufgenom men werden .... wie -wenn wir Chriſtus ſelbſt wären Das iſt unſre erhabne Berufung. Auf dieſer Zuverſidst muß unſre Seele ruhen , nicht anderswo.

Meine Gewogenheit an Harry Cromwell -- (fein zweiter Sohn) Ich bitte Gott, daß er gedeihe, daß er fortſchreite in der Erkenntniß und in der Liebe zu Chriſto. Grüßet alle Offiziere. Ich bete täglich

für ſie. Ich wünſche, daß fie fich vor einem bittern Geiſte hüten und vor Allem , was nicht mit dem Evangelium überein ſtimmt. Der Herr ſchenke uns Reichthum an Glauben, Weisheit und Geduld. Wachet aud) über jene natürliche Geneigtheit, burd Andre fich leicht

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beſtimmen zu laſſen. Betet für midy. Ich empfehle Euch dem Herrn und verbleibe

Euer gewogener Vater Oliver Cromwell. *)

Nadhidrift. Der Knabe und Betty find wohl. Bezeuget unſer Wohlwollen dem Obriſten Clayton , meinem Neffen Gregor und dem Bruder Claypole's ."

Dieſer Brief zeigt uns den großen General , den Sieger von Dunbar und Worceſter , wie er hinabſteigt in die tiefſten Tiefen

des chriſtlichen Glaubens, wie es jemals die gläubigſten Chriſten und frömmſten Reformatoren der Kirche gethan haben.

Rehren

wir nun nach dieſer Abſchweifung in die chriſtliche Welt zur poli tiſchen zurück. Das lange Parlament, gewöhnlich das Rumpf - Parlament genannt, näherte ſich ſeinem Ende. Dieſe Verſammlung war im Grunde nur ein Wrack des Parlaments . Sie enthielt nur eine kleine Anzahl von Mitgliedern , den Bodenſaß nach der Reini gung des Obriſten Pride , die , wie man ſich erinnern wird, während Cromwell's Abweſenheit beim Heere ſtattfand. Dieſe Ver ſammlung war bei der Nation durchaus nicht beliebt, und alle

Parteien griffen fie an. Von allen Seiten drängte man ſie zur Auflöſung und erklärte ihr, daß ſie nichts dem Volke Angenehmeres thun könne. Aber das lange Parlament konnte ſich nicht ent ſchließen zu ſterben . Jedermann wartete auf die Hand , die den dünnen Faden zerſchneiden würde , an welchem fein gebrechliches 1

Leben noch hing.

Für die neue jeßt zu löſende Aufgabe bedurfte es einer neuen Gewalt. Dieſe mußte weſentlich eine einzige ſein ; denn wenn auch mehrere niederzureißen vermögen, ſo iſt doch eine einzige befähigter zu bilden und aufzubauen. Später erſt erhielt Cromwell den * ) Lettres et Discours II , 376 .

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Namen Protector , aber in der That beginnt ſein Protectorat ſofort nach ſeiner Rückehr aus Schottland.

Da der Rumpf zur Niederlegung ſeiner Gewalt ſich nicht ent ſchließen konnte, ſo glaubten Cromwell und ſeine Offiziere einen Wint ſich ſelbſt aufzulöſen geben zu müſſen. Eine neue Anmaßung dieſer Körperſchaft beſchleunigte ihr Ende. Am 20. April 1653 kam der Obriſt Ingdalosby den Lord General zu benachrichtigen, das Parlament beſchäftige ſich mit einer Bil, die ſeine Dauer ver

längern folle. Bewegt und entrüſtet rief Cromwell: „ Das iſt nicht ehrlich ! nein , das verräth nicht die gewöhnlichſte Ehrlichkeit!.... Darauf erhob er ſich , befahl einer Compagnie Musketiere ihm zu folgen , ließ dieſe an der Thür zurück und trat in den Saal. Er trug ſchwarze Kleidung und grauwollne Strümpfe , die gewöhnliche Tracht der Puritaner. Er ſegte ſich an ſeinen gewohnten Plaß und hörte aufmerkſam den Verhandlungen zu. Etwa eine Viertel ſtunde darauf brachte man die berüchtigte Bill zur Abſtimmung. Dieſe Hartnäckigkeit fich, trok dem Geſchrei eines ganzen Volkes, im Beſitz der Macht zu erhalten , empörte Cromwell. Durch die Abſtimmung, zu welcher der Rumpf jeßt ſchreiten wollte, gab er

ſelbſt das Zeichen zu ſeinem Sturze, ,,Das iſt der Augenblick “, ſagte Cromwell bewegt, indem er ſich gegen den General- Lieutenant þarriſon niederbeugte ; „ ich muß es thun "!“ – „ Als ich in's Par lament trat “, ſagte er ſpäter, „hatte ich nicht die Abſicht etwas zu thun ; aber der Geiſt Gottes wurde ſo mächtig in mir , daß ich mich nicht länger mit Fleiſch und Blut berathen konnte.“

Cromwell hatte die Ueberzeugung , daß er durch die kühne Zhat , die er ausführen wollte , den göttlichen Willen ſelbſt erfülle.

Er ſtand auf, nahm ſeinen Hut ab, wendete ſich an das Parlament und ſpendete ihm anfangs einiges Lob. Aber in dem Maße als er ſprach belebte er ſich ; die lebhafte Aufregung ſeines Herzens ſtrömte in ſeine Worte über. Bald wurde ſeine Rede heftig. Er

ſprach zu den Mitgliederri von ihren Ungerechtigkeiten , ihren ſelbſt ſüchtigen Geſichtspunkten ; er erklärte ihnen , daß er gekommen ſei, um einer Gewalt ein Ende zu machen, von der ſie einen ſo ſchlech ten Gebrauch gemacht hätten . Er war ſehr aufgeregt. Er ging, 14

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er kam , ſtampfte von Zeit zu Zeit mit den Füßen. Er glaubte nicht, daß die zur Leitung eines Volkes Berufenen ſich ſelbſt regie: ren könnten . Er meinte , daß die Leidenſchaften und Fehler, welche

einen Menſchen Gerechtigkeit und guten Ruf vergeſſen laſſen , ihn auch gerade dadurch der Macht verluſtig machen. Er erinnerte fich,

daß nach der Schrift der Mächtige ſein ſoll ein Freund deſſen , der Lauterkeit liebt , und daß der Thron , auf welchem er fißen ſoll , der der Gerechtigkeit ſein ſoll. „Ihr habt zu

lange geſeſſen , rief Cromwell entrüſtet. Ihr ſeid kein Parlament. Einige unter Euch ſind Trunkenbolde (und er bezeichnete diejenigen,

welche er im Auge hatte) ; Andre ſind verdorbene Menſchen und betragen ſich anſtößig (und er warf auf ſie einen furchbaren Blick). Ich ſage Euch , Ihr ſeid kein Parlament. Fort ! Fort ! Macht ehrenwerthen Männern Plaß."

Der Sprecher Lenthall erklärte

nur der Gewalt weichen zu wollen ; da ergriff ihn Harriſon alsbald bei der Hand, und Lenthall ſtieg von ſeinem Lehnſtuhl herab. ,,Was

ſollen wir hier mit dieſem Spielzeuge thun ? " ſagte Cromwell, in dem er das Scepter des Sprechers zeigte. „ Nehmt es weg.“ Er gab es einem Musketier. Nachdem alle Mitglieder des Rumpfes, achtzig an der Zahl , hinausgegangen waren , ſchloß Cromwell den Saal , ſteckte den Schlüſſel in ſeine Taſche und kehrte nach White

hall zurück. Was Cromwell dem Parlament ſagte , enthielt Wahrheit. Es war gut , daß dieſe Verſammlung ein Ende nahm , und wenn der General eine andere wünſchte , ſo ſuchte er wahrhaft das Wohl

ſeines Volkes. Dennoch verlegte er nicht allein bei dieſer Gelegen heit die Grundſäße , durch welche Staaten regiert werden , ſondern wich auch von denen ab , durch welche die Religion die Menſchen Leiten will. Die Beweggründe ſeines Handelns waren nach dem , was er ſelbſt ſagt , von Neuem , wie bei andern Vorfällen , innre Antriebe , die er als von Gottes Geiſt ausgehend betrachtete. Ohne Zweifel muß der göttliche Geiſt die Menſchen führen , aber er führt ſie, wir wiederholen es noch ein Mal , durch die Gebote des gött lichen Wortes , nicht durch mehr oder weniger unbeſtimmte Erleuch tungen , welche von den Menſchen für die Stimme Gottes ſelbſt

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gehalten werden , während ſie vielleicht nur die Stimme ihrer Lei: denſchaften ſind. Jedoch ,1 welches auch der Beweggrund vor dem innern Richterſtuhl Cromwell's war , zum Beſten des Volkes war, was er gethan hatte. Zahlreiche Schreiben von dem Heere , von der Flotte und von andern Seiten noch billigten ſein Verfahren, und drückten ſo auf dieſe kühne That das Siegel der öffentlichen Meinung. Ein berühmter Biſchof, Warburton , nennt Cromwell „den hochherzigſten der Uſurpatoren .“ Vielleicht werden ihn noch unparteiiſchere Stimmen den nothwendigſten und größten unter den Beamten nennen .

As Cromwell die Gewalt in der Hand hatte, ſuchte er ſofort

fich ihrer zum Wiederaufbau der Nation zu bedienen. In Ueber einſtimmung mit einem Staatsrath von 12 Mitgliedern unternahm er die Bildung einer Ständeverſammlung , der das große Werk, welches er vor Augen hatte , gänzlich überwieſen werden ſollte. Da er die beſten Männer berufen zu ſehen wünſchte, um ſich mit dem Wohle ihres Vaterlandes zu beſchäftigen , ſo glaubte er nur ſich ihre Wahl anvertrauen zu können. England war des Parlas ments , wie der Anarchie überdrüſſig. Cromwell ſuchte alſo überall die durch ihren Glauben , ihre Ergebenheit , ihre bellen Anſichten ,

ihr Entſagen den Leidenſchaften der Welt erprobten Männer, um ſie zum Wiederaufbau des Staates zu berufen. Man wählte 139 in England , 6 in der Landſchaft Wales , 6 in Frland und 5 in 1

Schottland.

Am 4. Juli 1653 eröffnete Cromwell, umgeben von den vor nehmſten Offizieren des Heeres , dieſe Verſammlung in dem Zim mer des Staatsrathes zu Whitehall. Folgendes iſt ein Bruchſtück ſeiner Rede:

,,Meine Herrn, Ich beſchwöre Euch, und ohne Zweifel habe ich nicht nöthig das zu thun , Sorge zu tragen für die ganze Heerde ! Liebet Liebet Alle, liebet Alle zärtlid), die Schafe, liebet die Lämner. 14 *

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bejdsützet Alle in allen guten Dingen.

Und wenn der ärmſte

Chriſt, wenn der rückſiditlich ſeiner Sonderanſid ten verirrteſte Chriſt friedlid) und ehrlid; unter Eurer Regierung zu leben wünſdit, id) wiederhole es , wenn irgend wer ein frommes und ehrbares Leben zu führeri wünſdyt, - ſo jo bedüşe man ihn ! Ich habe nicht nöthig Euch zu rathen , noch weniger Euch zu

bejdywören Alles zu thun, um den Einfluß des Evangeliums zu förs dern , und die Geiſtlid )feit zu ermuthigen. 3d rede hier von gläu bigen Geiſtliden , von Männern , die den wahren Charakter von Dienern Gottes an ſich tragen , - von Männern , die den heiligen Geiſt empfangen haben. 3d Ich rede nicht (und ich danke Gott dafür aus Herzensgrunde) ich rede nidit zu Gunſten einer Geiſtlichkeit, die ihren Urſprung vom Papſte ſelbſt ableitet , und auf jene apoſtoliſdie 1

Nachfolge : Anſprudy madit , auf die man ſich ſo ſehr ſteift. Die wahre Nadyfolge geſdieht vermittelft des Geiſtes.. Der Geiſt wird geſchenkt , auf daß man übereinſtimmend mit der ewigen Wahrheit Gottes ſprede ; das iſt die wahre Nachfolge .......

Nach dieſem Vekenntniß über die wahre Nachfolge, die auch in unſern Tagen in Erinnerung gebracht zu werden verdient, bewun bert Cromwell als etwas in der Geſchichte Unterhörtes ; was er

felbſt niemals zu hoffen gewagt, das Schauſpiel vor ſeinen Augen, eine Verſammlung von Chriſten , um England zu regieren. Er ſagt : „ Ich geſtehe, niemals hätte ich erwartet, einen Tag wie dieſen za ſehn , und ohne Zweifel Reiner unter uns : einen Tag , wo Jeſus Chriſtus erkannt und bekannt werden würde , wie

er es heute iſt durch die Berufung eines jeden von Euch. Gott läßt dieſen Tag als den Tag ſeiner Macht erſcheinen. Nach ſo viel Blutvergießen , nach ſo viel Prüfungen , die über dieſe Nationen ergangen , ſchenkt Gott Euch heute einen herrlichen Ausgang. Er beruft Euch heute zur höchſten Machtvollkommenbeit. Das iſt, nach dem Geſchenk ſeines eignen Sohnes , die größte ſeiner Barmherzig keiten.

Vielleicht kennet 3hr euch einander nicht von Angeſicht,

da Ihr aus allen Provinzen dieſes Königreichs kommt. Aber wir

können Euch ſagen , daß wir uns die Wahl keiner einzigen Perſon erlaubt haben , ohne von ihr die ſchöne Hoffnung zu begen , daß

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ſie an Jeſum Chriſtum glaube , und ihr ganzes Volk aufrichtig liebe *)."

Sind dieſe Worte Cromwell's der Ausdruck der Wahrheit , ſo war es in der That eine ſolche Verſammlung, wie ſie niemals in der Welt Statt gefunden hatte.

Ein berühmter Schriftſteller nennt dieſe Rede und dieſe Rüh rung Cromwell's Thorheiten **). Aber er ſeßt hinzu : „ Auf der Grundlage aller dieſer Thorheiten bildeten ſich die neuen Sit ten , ſchlugen die neuen Einrichtungen Wurzel. Dieſe Charaktere waren lächerlich nur weil ſie eigenthümlich waren, nun aber hat alles feſt Begründete einen Lebenstrieb. Die Höflinge Karlºs II. konnten lachen, aber dieſe gläubigen Fanatiker ließen Urenkel zu rück, welche Höflingen Beſcheid gethan haben .“ Das iſt eine ſchöne von einem berühmten Gegner dargebrachte Huldigung. Obgleich emporſteigend, fuhr Cromwell dennoch fort die ftrengſte Ehrbarkeit zu zeigen. Er war weder geizig noch verſchwenderiſch. Der Mammon war nicht ſein Gott , wie er es bei ſo vielen Män nern geweſen , die zur Macht gelangten, und ſeine Nachkommen ſind weit entfernt zu den reichſten Familien Englands zu gehören ***). Als Richard Mayor eine vortheilhafte Erwerbung Cromwelln vorſchlug, ſchrieb ihm dieſer folgenden Brief.

*) Milton , State Papers , 106 — 114 ; Lettres et Discours , II, p. 411 .

**) Les Quatre Stuarts, par M. de Chateaubriand , p. 179. ***) In Poschiavo , in einem der verſteckteſten Thäler des Kantons Grau binden , welches die Reiſenden ſelten beſuchen , nahe beim Engadin , nicht weit von Tyrol , kann man in dem Gemeindearchiv folgende Note leſen : „1675 , Ai 20 d'agosto. Dato ad un gentilho Inglese della casa de Cromwell , espulso , li 7

2, s . 10.“ Wer war dieſer Edelmann aus der Familie Cromwell's, der als ein 1

Bertriebener nach Poschiavo kam , 4000 Fuß über dem Meeresſpiegel , und von dies ſen armen Leuten ein Almoſen von 3 bis 4 Franken empfing ? War es vielleicht

ein Abenteurer , der ſich die Gunſt zu Nuße machte, weldhe Cromwell's Name unter den Proteſtanten des Feſtlandes genoß ? Es iſt nicht leicht zu entſcheiden. Ich ver danke dieſe Note dem Doctor Marriott , der den See Poschiavo. im Sommer des Jahres 1847 beſucht hat.

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An meinen lieben Bruder Richard Mayor, Stallmeiſter, zu Hursley in Hampſhire. Whitehall, den 4. Mai 1654 .

,, Lieber Bruder,

Ich habe Euren liebenswürdigen Brief erhalten und danke Euch dafür. Wenn es mir zuſagte dieſe Angelegenheit weiter zu verfolgen, ſo würdet 3hr nur die Mühe, nicht die Ausgabe dafür gehabt

ben ; denn mein landgut Eſſer und einiges Geld , was id, in den Händen habe , würde dazu verwendet worden ſein . Aber es witers ſteht mir weltlichen Dingen nadyzujagen , da mich der Herr mit ſo

vielen Gunſtbezeugungen überhäuft hat , die ich niemals erbeten habe, und es mir widerſteht die Leute auf den Gedanken zu bringen , daß

ich mit Unruhe dieſe Dinge ſuche, was ſie zu glauben nicht erman geln werden , wenn Ihr nur ein wenig Eud, in die Sache miſcht. Es widerſteht mir das ſo ſehr , daß ich nidt wage in dieſer Sache 3d) habe Eudy meine zu handeln , noch mich darein zu miſchen. Idy

Anſicht ganz offen gejagt.

Meine zärtliche Freundſchaft Euch und

meiner Schweſter, meinen Segen und meine Freundſchaft meiner lieben Dorothea und ihrem Kinde. Meine Freundſchaft Allen. Ich bin Euer wohlgewogener Bruder, Oliver P. "

Oliver wußte , daß die Begierde nach Reichthum die Wurzel alles Uebels fei. Wir ſehen ihn oft beträchtliche Summen ſchenken ,

aber niemals bemerken wir in ihm jene thörichten und ſchäd lichen Lüſte, welche , wie der Apoſtel ſpricht, ſich bei denen fin den , die reich werden wollen.

Das Parlament , denn die Abgeordneten legten ſich dieſen Na men bei, zeigte ſich auf der Höhe feiner Berufung und bemühte

ſich mit gewiſſenhaftem Eifer die wichtigſten Verbeſſerungen in die Republik einzuführen. Es ſtellte Ordnung und Sparſamkeit in den Finanzen wieder her , milderte das Loos der Gefangenen und hob einen der Willkühr angeklagten Gerichtshof auf. Es wollte der Nation ein Geſeßbuch , eine unſchäßbare Wohlthat , ſchenken , das

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Patronat aufheben , ſo daß jede Kirche ihren Paſtor wählen könnte ; den Zehnten abſchaffen , das Heer vermindern und die Geiſtlichkeit

reinigen. Aber alle dieſe Pläne erregten lebhaften Widerſtand. +

Betrübt die Hinderniſſe zu ſehn , welche der Ordnung und Freiheit in England entgegentraten , bemühte ſich Oliver die aufge regten Geiſter zu beruhigen. Er ſuchte den Segen , welcher den Friedfertigen verheißen iſt. Er ſagte wie ein Fünger : Erfül let meine Freude, daß ihr eines Sinnes feid , gleiche

liebe habt, einmüthig und heilig feid. (Philipp. II, 2.) Aber Alles war vergebens ; ſeine Feinde verkannten den Geiſt der Liebe , der ihn beſeelte. In einem Briefe an ſeinen Schwiegerſohn Fleetwood ſchüttete er ſein Herz darüber aus. Es giebt, man kann es nicht zu oft bemerken , keinen Staatsmann, in deſſen Seele man ebenſo gut wie in der Cromwell's leſen könnte. Alles iſt darin

klar und durchſichtig. Es giebt ſo zu ſagen in ſeinem Herzen keine einzige Neigung, die uns verborgen bliebe. Und ſolchen Mann haben die Geſchichtſchreiber der Heuchelei angeklagt! Folgenden 1

Brief ſchrieb er an ſeinen Schwiegerſohn bei Gelegenheit der von dem kleinen Parlament erregten Streitigkeiten.

Dem ſehr ehrenwerthen Generallieutenant Fleetwood ,

Obergeneral des Heeres in Irland. Cođpit, d. 22. Auguſt 1653.

„lieber Karl, Obgleid, id) Euch nicht ſo oft Nachridit gebe als icy wünſchte, zweifle id doch nicht, daß 3hr für mich betet, damit ich in allen Dingen nach dem Evangelium wandle. Fürwahr , niemals habe ich

mehr als jeßt der Şülfe meiner chriſtlichen Freunde nöthig gehabt. Ich wünſcyte, meine Dienſte würden von den Heiligen angenommen, wenn ſolches der Wille des Herrn wäre ; aber es iſt nicht ſo. Seder

iſt verſchiedener Meinung , Jeder ſucht die ſeinige geltend zu machen; fodaß der Geiſt der reinen Liebe , die ich für Alle habe , kaum von irgend einem anerkannt wird. Mein Leben , ich kann es ſagen , iſt

ein freiwilliges Opfer geweſen , das ich für Alle dargebracht habe.

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Jedoch es geht mir beinahe wie dem Mofes , als er die beiden þes bräer , welche ſicy ſtritten , ſchalt. Ihr wißt , gegen wen ſich damals ihr Zorn richtete. Aber der Herr iſt weiſe und wird hoffentlich allen fund thun, daß ich kein Feind bin ! Ad ! wie leicht wird die Barmherzigkeit +

verkannt. Ueberredet die Freunde in Eurer Umgebung , nicht bitter, nicht ſchmähſüchtig zu ſein. Wenn der Tag des Herrn ſo nahe iſt, als einige behaupten , wie groß müßte nicht unſre Mäßigung -ſein !

Wenn jeder , anſtatt zu ſtreiten , ſeine Anſdauungsweiſe mit Liebe und Demuth rechtfertigte , ſo würde die Weisheit durch ihre Kinder gerechtfertigt. Aber leider ! ...... I

Ich möchte oft in meinen Streitigkeiten ausrufen2 O hätte ich Flügel wie Tauben , daß id flöge und etwa bliebe ! Siehe , ſo wollte id mich ferne weg machen und in der Wüften bleiben. 3d wollte eilen , daß ich entrönne vor dem Sturmwind und Wetter. (Pi. LV, 7. 8. 9.) Aber ich

fürchte, dieſe Flucht käme aus mir ſelbſt. 3d preiſe den Herrn, daß es etwas giebt , das meinen Muth aufrecht hält , einige Funken , die mir das Licht ſeines Antlitzes zeigen. Ich lobe ihn , daß er mir I

einige Geradheit des Herzens giebt , die mich über das Urtheil der

Menſchen erhebt. Entſchuldiget meine Offenheit gegen Euch. ' Betet für mich, unt veranlaßt meine Freunde , daſſelbe zu thun. Meine väterliden , freundſchaftlichen Grüße Eurer lieben Frau , die ich von ganzem Herzen liebe , ſowohl nady den Banden der Natur als nadky .

den höhern.

Meinen Segen , wenn er etwas werth iſt, auf das

Haupt ihres kleinen Kindes !

Ich fende mein herzliches Andenken allen Offizieren. Der Herr ſegne Euch, das iſt das Gebet Eure8 Euch aufrichtig liebenden Baters, Dliver Cromwell.

Nachſdrift. Alle hier lieben Euch und befinden ſich wohl, Eure Kinder und alle Andern *).

*) Harl. mss. no. 7502. f. 13. Lettres et Discours , II , 424. >

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Bald nachher wurde Whitelocke als Geſandter nach Schweden

geſchickt. Einige auf dieſe Geſandtſchaft bezügliche Umſtände beweis feriden gewaltigen Einfluß, den Cromwell auf ſeine Umgebung ausübte , und ſind geeignet einiges Sicht auf den Geiſt zu werfen, der dieſe ſo merkwürdige Zeit kennzeichnet. Whitelocke iſt niemals des Enthuſiasmus noch der Heuchelei angeklagt worden ; Hume ſchildert ihn als einen hochverdienten und ſehr gewandten Mann. Die größte Wichtigkeit legte er auf den Beſiß von befähigten , frommen und gelehrten Kapellanen. Auf ſeinen Befehl vereinigte ſich ſein ganzes Gefolge vor ſeiner Abreiſe in der Kapelle in Whitehall, um den göttlichen Schuß und Segen für die bevorſtehende Reiſe zu erflehn. „ Ich und mein Haus wir

wollen dem Herrn dienen “, ſagte Whitelocke zu ihnen. „Durch die Gnade Gottes bin ich entſchloſſen Ordnung in meinem Haus regiment aufrecht zu erhalten , und weder Entweihung , noch Zügel loſigkeit , noch Schwören , noch zank oder etwas Aehnliches darin zu dulden . Ich ſage euch alſo, was goſua zu ſeinem Volke ſagte :

Gefället es euch nicht, daß ihr dem Herrn . dienet, ſo erwählet euch heute , welchem ihr dienen wollt." Whiteloce kam im December 1653 in Schweden an , und am 26. dieſes Monats gab ihm die berühmte Königin Chriſtine ihre erſte ·Audienz.

Die Unterredung zwiſchen der Königin und dem

Geſandten iſt merkwürdig.

Nach der gewöhnlichen Begrüßungen

ſagte Chriſtine zu Whitelocke:

„ Ich habe ſagen hören , daß meh

rere von den Offizieren Eures Heeres vor den Soldaten beten und predigen. Iſt das wahr ? “ Whitelocke. Ja , Madam , das iſt die Wahrheit. Während ihre Feinde ſchwören , plündern und ſich den Ausſchweifungen über laſſen , pflegen die Offiziere und Soldaten der Parlamentsarmee fich

zu vermahnen , ſich gegenſeitig durch das göttliche Wort zu ermun tern , gemeinſchaftlich zu beten, daß der Herr der Heerſcharen ſeinen Segen über ſie ausgieße. Gott hat ihnen ſeinen Beifall durch den Erfolg geſchenkt,1 den er ihnen gewährt hat. Die Königin . Sehr gut. Pfleget Ihr auch daſſelbe zu thun ?

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Wh. Ja , bei mehreren Gelegenheiten , in meiner eignen Fa milie. Mir , als ihrem Haupte kommt es zu , zu ermahnen , wenn .

es ſich nöthig macht. Das iſt, meine ich , beſſer, als dieſe Pflicht einem Kapellan zu übertragen .

Die K. Thun der General und die Offiziere daſſelbe ? Wh. Ja, Madam , ſehr oft und ſehr gut. Sie haben ka pellane und Geiſtliche in ihren Häuſern und Regimentern. Aber mehrere redliche Männer unter uns glauben , daß ein langer Prie

ſterrock, ein ſeidner Gürtel und ein langer Bart noch keinen guten Prediger machen, wenn der Mann , der das trägt , die Gaben des göttlichen Geiſtes nicht empfangen hat, um in ſeinem Weinberge zu arbeiten. Wer die heilige Schrift ſtudiert und ſich tüchtig fühlt, den Seelen Andrer Gutes zu erweiſen , glaubt nicht, daß ihm die Bibel das verbiete.

Die Offiziere und Soldaten des Parlaments

halten es für erlaubt ſich einander durch das Wort Deſſen zu er muntern , der über uns Alen ſteht, beſonders wann ſie ihr Leben

auf einem Schlachtfelde ausſegen. Das göttliche Wort iſt wirkſa mer als jedes andre , und ſein Gebrauch iſt den Gläubigen niemals verboten geweſen , ausgenommen durch die papiſtiſchen Prieſter , die durchaus nicht wollen , daß die Laien , wie ſie dieſelben nennen , in ihm Belehrung und Troſt ſuchen , der anderswo nicht gefunden werden kann.

Die R. (ohne Zweifel etwas ſpöttiſch ). Wahrhaftig , ich finde, daß jhr ſelbſt ſehr gut predigt und mir eine treffliche Predigt hal tet ; ſie gefällt mir ſehr , ich verſichre. Aber ich bitte Euch mir zu ſagen , wo Euer General und Ihr , die Offiziere dieſe Art zu beten und zu predigen gelernt habt ?

Wh. Wir haben ſie von einem Manne gelernt, der Ihrer Majeſtät ſehr nahe ſteht, einem Manne , deſſen Andenken zu ehren alle Proteſtanten Urſache haben. D. K. (lebhaft und erſtaunt). Wer ſteht mir nahe ? Wer iſt es denn ? ich bitte.

Wh. Ihr Vater , Madam , der große König Guſtav Adolph, der, als er in Deutſchland landete , am Ufer des Meeres ſein Knie

beugte und ſelbſt Gott für ſichre Ueberfahrt dankte. Er betete vor

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ſeinen Soldaten , und bat Gott, ſein Unternehmen zu ſegnen .

Die

ſer große Fürſt hatte die Gewohnheit , ſeine Leute oft durch das göttliche Wort zu ermahnen , und der Herr billigte laut ſein Ver fahren durch den wunderbaren Erfolg , den er dieſem tapfern Rö

nige ſchenkte. Auf dieſe Worte erwiderte die Königin nichts weiter.

Sie

hatte Whitelocke in Verlegenheit zu ſeßen geglaubt , und wurde jegt felbſt verlegen gemacht; ja mehr noch , ſie wurde bewegt. Die

Nehnlichkeit zwiſchen Guſtav Adolph und Cromwell wurde der Toch ter des Einen von dem Freunde des Andern angedeutet. Nicht Whitelocken allein war dieſe Aehnlichkeit aufgefallen. Der deutſche Kaiſer ſagte in dem Augenblicke, wo er die Nachricht von der eng liſchen Revolution erhielt , zu einem ſeiner Höflinge gewendet : ,, Nun , muß man nicht an eine Seelenwanderung glauben ? Sehet Ihr nicht den Geiſt Guſtav Adolph's , unſres alten Feindes in Cromwell übergegangen ? " *) Wilhelm von Oranien , Guſtav Adolph, 1

Oliver Cromwell ſind drei große Männer von demſelben Gepräge.

Warum hielt dieſe ſchöne, dem Schwedenkönige vom engliſchen Ges ſandten dargebrachte Fuldigung die unglückliche Tochter dieſes gros ßen Königs vom Kinabgleiten in den Abgrund nicht zurück, in welchen ſie bald fanf ! **)

Es giebt noch andre Unterredungen zwiſchen der Königin und dem Geſandten . Bei Beantwortung einer Frage , welche eines Tags Chriſtine an ihn richtete, ob das Tanzen in England verboten ſei, ergriff Whitelocke die Gelegenheit ſeine Mißbilligung über Bälle

und andre Vergnügungen auszuſprechen , welche des Sonntags in Schweden Statt fänden.

,,Es würde ," ſagte er , „ eine fromme,

für eine chriſtliche Königin wohlanſtändige Handlung ſein, wenn ſie die in ihren Staaten zu ſehr geſtattete Entheiligung des Sabbaths, das Schwören , die Ausſchweifungen unterdrückte.“

* ) Perfect Politician , p . 50.

**) Ein leſenswerther Aufſatz über die Königin Chriſtine findet ſich in Gel zer’s Proteſt. Monatsblättern. 1855. BD. 6. S. 100. P.

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Bald bot ſich ihm eine Gelegenheit ein Beiſpiel zu geben . Der 29. Januar war ein Sonntag , für die Schweden ein Werkeltag und ferner ein Jahrmarkts- und Feſttag. Die Königin kehrte zur Galla in ihre Reſidenz zurück. Jeder kaufte , verkaufte, trank , aß, reiſte mehr als gewöhnlich . Das Volk, Bürger und Höflinge lach:

ten , erluſtigten ſich und überließen ſich ihren Schlemmereien. Am Hofe ging es ſehr geräuſchvoll zu , auch Whitelocke war eingeladen. 1

Aber der Freund Cromwell's ſchloß ſich in ſein Haus wie in eine

Kirche ein , verſammelte ſeine Familie und Dienerſchaft, und ihre friedlichen Geſänge ſtiegen gen Himmel. Man benachrichtigte Whis

telocke von der Rückkehr der Königin ; aber er ging nicht aus ſei nem Hauſe und erlaubte auch ſeinen Leuten nicht auszugehn. Alle hielten gemeinſchaftlich ihren Gottesdienſt. Whitelocke wollte noch mehr thun. Er wollte verſuchen dieſe

Seele , welche ſich bald dem Papſte zu Füßen werfen ſollte, dem göttlichen Worte zu unterwerfen . Der Geſandte überreichte der Kö

nigin eine Bibel mit den Worten, ſie würde mehr Befriedigung und Troſt in dem Studium dieſes Buches als in einem andern

finden , und er empfehle demüthig Ihro Majeſtät die häufige Rectüre deſſelben. Aber er hatte gut reden , Chriſtine verſtand

nichts vom wahren Chriſtenthum . Eines Tages ſagte ſie ſehr hißig zu Whitelocke: Heuchler ſeid ihr und Verführer. Whitelocke , ein wenig erſtaunt, erwidert: Welche Abſicht könnte ich haben , Madam , zu heucheln, beſonders in Ihrem Lande? Ich habe immer die Heuchelei als etwas eines Chriſten und Edel

mannes Unwürdiges gebaßt , und mein General iſt niemals dieſes gehäſſigen Fehlers beſchuldigt worden .

Die Königin. Ich rede weder von Eurem General noch von Euch ſelbſt. Aber ich glaube, daß in England es viele Perſonen

giebt , die nur deshalb aus der Religion ein Gewerbe machen , weil ſie daraus einigen Vortheil zu ziehen hoffen.

Whitelocke. Es kann deren in England geben , beſonders in dieſen Zeiten , wo durch Gottes Güte die Religion die Hauptanges

legenheit der Nation geworden iſt. Es giebt deren auch in andern Ländern .

Aber wenn bei uns ſolche Perſonen erkannt werden ſoll

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ten (und ſie können nicht lange verborgen bleiben ), ſo verfehlen ſie ihren Zweck, verlieren ihren guten Ruf, und ihre Heuchelei wird verachtet und beſtraft. - Der Geſandte ſchwieg *) . Dieſe Frömmigkeit , welche Whitelocke im Auslande zeigte,

ließ Cromwell in Whitehall hervortreten , beſonders beim Empfang eines Geſandten . Als jongeſtall in London war , um einen Frie

densvertrag zwiſchen den Holländern und Engländern zu ſchließen, frieb er an den Grafen von Naſſau Wilhelm Friedrich : „ Geſtern

waren wir zu einem Mittagsmahl bei Seiner Eminenz dem Lord Protector eingeladen ; die Muſik ſpielte während des ganzen Mahles. *) „ Ohne Zweifel," ſagt Th. M' Crie , „ mögen manche Heudiler unter der

Maske ſtrenger Frömmigkeit verborgen geweſen ſeilt, aber es kann nidyt bezweifelt werden , daß die Frömmigkeit jener Periode niđt allein inniger, ſondern audy all gemeiner verbreitet war , als ſie jemals ſeit der Zeit in Schottland geweſen iſt. I

.

Dieſer blühende Zuſtand religiöſen Lebens unter Cromwell's Herrſchaft beſchränkte fich jedoch nicht auf Schottland. Auch England war zu jener Zeit ein reides Feld ſchöner Blüthen und Früchte lebendigen Chriſtenthums. Ungeacytet der mandierlei

religiöſen Ausſchweifungen und der oft in wunderlider Weiſe angewandten , nur z11 häufig auch von der Heucherei als Maske benutzten bibliſchen Phraſeologie , die den dortigen Gläubigen jener Tage eigenthümlid) war , läßt ſich bezweifeln , ob England jemals ſo reich an wahrer Frömmigkeit, echter Sittlicykeit und Gewiſſenhaftigkeit geweſen iſt,1 als zur Zeit Cromwell's (Vaughan , Memorials II , p . 220).

„ Man kann unbedenklich einräumen ," ſagt ein Schriftſteller jenes Landes (Orme, Life of Owen p. 245) , „ daß keine Religion nöthig war , um Jemanden 311 befä higen , fromme Redensarten zu führen , oder ihn zu veranlaſſen , viele Predigten zu hören . und ſelbſt lange Gebete zu halten. Alle dieſe Dinge geſchahen von Vielen, die durch ihren Wandel offenbarten , daß ihre Anſprüche für fromm zu gelten, mehr als zweifelhaft waren . Aber wenn wir neben ihnen brennenden Eifer für die Friidste der Gerechtigkeit, für die Ehre Gottes und für die ewige und zeitliche Wohlfahrt der Menſden , Emſigkeit in Verkündigung des Evangeliums und geduldiges leiden

für daſſelbe ſehen : ſo iſt es unmöglich, die Aufrichtigkeit ſoldier Bekenner zu be !

Solche gab es in Menge in den Tagen Cromwell's. Gerade ſie, die man nur zu häufig als fanatiſdie und trugvolle Buben geſchmäht hat , waren es , die

zweifeln .

unter Karl II. und ſeinem Bruder Facob Bekenner und Märtyrer der Wahrheit wurden .

Die 2000 vertriebenen Geiſtliden und die zehn Tauſende des Volkes,

welche den Verluſt ihres Vermögens und ihrer Freiheit , ihres Vaterlandes und ſelbſt ihres Lebens erduldeten , waren mehrentheils aus der Zeit des Protectorates

hervorgegangen. Ihr Benehmen , ihre Beharrlichkeit und ihre leiden zeugen , daß ſie nicht die krankhaften Träumer waren , für die ſie gehalten worden ſind, ſondern Män

ner voll erhabner evangeliſcher Frömmigkeit ." (v. Rudloff Geſch. D. Reformation in Schottland. Neue Ausg. Berlin 1854. Th. II. S. 197. 198.) P.

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Der Lord - Protector führte uns hierauf in einen andern Saal, wo wir ebenfalls Muſik und Geſang hatten. Dann ſang man einen Pſalm. Seine Eminenz gab uns ein Buch in die Hand mit den Worten : Das iſt das beſte Papier , was jemals zwiſchen uns ausgewechſelt worden iſt .“ So brachte Cromwell jene Worte in Ausübung : „ Ich werde von deinen Zeugniſſen vor den Königen .

reden und mich deiner nicht ſchämen ."

Kehren wir nun zu den öffentlichen Angelegenheiten zurück. Der Widerſtand , auf welchen das kleine Parlament ſtieß,

lähmte ſeine Bemühungen.

Von allen dort verhandelten Gegen

ſtänden regte der die Sichtung der Geiſtlichkeit betreffende die Ge

müther am meiſten auf. Man verhandelte zehn Tage darüber. Als endlich Montag Morgens am 12. December die ſtreng evangeliſche Partei im Parlameut ſich noch nicht vollzählich fand, ſchlug man einen Antrag vor und ließ ihn durchgehn , kraft welches das Parlament , weil es nicht länger das Wohl der Republik zu wahren vermöge, dem Lord - General Cromwell die von ihm über

tragenen Gewalten zurückgab. Dieſe Verſammlung hatte fünf Mo nate und zwölf Tage Sißungen gehalten.

Hierauf wendeten ſich alle Parteien - die Gleichmacher aus genommen -, die Königlichen , Biſchöflichen , Soldaten , Rechtsge lehrten an Cromwell, als zu dem einzigen Rettungsmittel, welches England übrig blieb . Als Cromwell den Beſchluß der Verſammlung vernahm , zeigte

er ſich ſehr überraſcht und bewegt , und nichts ermächtigt uns an der Aufrichtigkeit ſeiner Gefühle zu zweifeln , wie das die Mehrzahl der Geſchichtſchreiber thut. Da ſich die Führer des Heeres von Neuem mit Gewalt bekleidet ſahen , ſo beſchloſſen ſie einſtimmig eine Regierungsform anzunehmen , die ſich mehr der Monarchie nähern würde , deren Nothwendigkeit Jeder damals fühlte. Es wurde beſtimmt, Cromwell ſollte den Titel: Lord - Pro : tector der Republik England , Schottland und Frland annehmen , und ein Parlament von 460 Mitgliedern ſollte aller drei Jahre gewählt werden. Unterlaſſe der Protector ſeine Zuſam

menberufung, ſo ſollte das Großſiegelbewahr - Amt berufen ſein es

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zu thun , und in deſſen Ermangelung die Sherifs der Grafſchaften ; alles bei Strafe des Hochverraths. Das Parlament konnte in den fünf erſten Monaten ſeiner Sizung ohne ſeine Zuſtimmung nicht vertagt werden .

Die europäiſchen Höfe erkannten den neuen Herrſcher Englands an und begrüßten ihn. Die berühmteſten Männer des Jahrhun derts ließen ihre Beiſtimmung und Huldigung an ihn gelangen. Der große Condé, der Sieger von Rocroi , Freiburg und Nörd lingen , der Freund von Racine und Boileau ſchrieb damals (im December 1653) an den Protector folgenden Brief : „ Ich freue mich unendlich über die Gerechtigkeit, welche dem Verdienſte und der Tugend Eurer Hoheit zu Theil geworden . Das

rin allein konnte England ſeine Rettung und Ruhe finden , und ich 1

halte die Völker der drei Königreide für vollkommen glücklich, da ich

jeßt ihre Güter und ihr Leben der Leitung eines ſo großen Mannes anvertraut ſehe. Ich für mein Theil bitte Eure Hoheit zu glauben, daß ich mich ſehr glücklicy ſchätzen würde , wenn ich Euch bei irgend einer Gelegenheit dienen und Eudy erkennen laſſen könnte , daß Nies maud jemals in dem Grabe , wie idy, bin Eurer Hoheit

ſehr wohlgewogener Diener, Ludwig von Bourbon." *)

So ſprach Ludwig von Bourbon, über deſſen Grabmal fich dieſelbe Stimme erhob , welche auf dem Henriettens , der Königin von England , die Nichtigkeit irdiſcher Größen verkündete. In vieler Beziehung ſind die folgenden Zeitalter ſtrenger gegen Oliver geweſen als ſeine Zeitgenoſſen . Dieſe ſaben die Ereigniſſe unvers hüllt, die Nachwelt aber hat ſie oft durch die Dünſte der Vorur theile und den blind machenden Staub der Parteien betrachtet. Cromwell iſt perſönlichen Ehrgeizes beſchuldigt worden, und dieſe Beſchuldigung bezieht ſich beſonders auf die Zeit ſeiner Erhe

* ) Revue nouvelle , 1846 , p. 399.

200

bung zum Protectorat. Um ſeine damaligen Gedanken kennen zu lernen , wollen wir ſeine vertrauten Unterhaltungen mit ſeinen al ten Freunden , jenen frommen Republikanern hören , von welchen uns der Biſchof Burnett, ein in Betreff Cromwell's vorurtheils

voller Schriftſteller Einzelheiten aufbewahrt hat ; wir haben ſie nur ohne Vorurtheil zu leſen. Burnett ſchreibt: „Er ſagte ihnen mit Thränen in den Augen , wie einige mir berichtet haben , er würde weit lieber den Hirtenſtab des Schäfers als das Protectorat neh men , denn nichts wäre ſeiner Natur mehr zuwider als Entfaltung von Größe. Aber er hielt es in dieſem Augenblick für nothwendig zu verhindern , daß die Nation in die äußerſte Verwirrung ſtürzte und die Beute des gemeinſamen Feindes wurde. Er ſtellte ſich als Sieger zwiſchen die Lebendigen und die Todten , wie er ſich nach 4. Moſ. XVI , 48 ausdrückte, bis daß Gott Allen zeigen würde, auf welchem Grunde ſie ſich erbauen ſollten . - Er verſicherte ſie, -

daß er ſich dann von der ſchweren Laſt, die auf ihn drückte, mit einer dem Schmerze, welchen er empfinde, gleichen Freude befreien würde , jeßt müſſe er das Gewicht dieſer Ehrenſtellen auf ſich neh Warum ſoll man an der Aufrichtigkeit dieſer Sprache men.“ zweifeln ? Wer wird nicht glauben , daß ein ſtarker Geiſt, eine feſte Hand zum Wohle des Vaterlands in einem ſo bedenklichen Augenblicke durchaus nothwendig war ? Giebt es nicht in Europa friſche Beiſpiele, welche es begreiflich machen können ? Oder wird man wohl glauben, daß für einen ſo frommen Mann , wie Crom well, die Sorgen , Zerſtreuungen und die an die oberſte Stellung geknüpften Ehren wirklich ſehr wünſchenswerth waren ? Er blieb einfach und beſcheiden , als er mit der höchſten Gewalt bekleidet /

1

war.. Er erinnerte ſich oft der Worte Chriſti : ,,Seße dich unten

an , denn wer ſich ſelbſt erhöhet , der ſoll erniedriget werden ; und wer ſich ſelbſt erniedriget , der ſoll erhöhet werden . " ,,Wenn er mit fronımen Männern unter den Republikanern zu thun hatte, pflegte er ſich gern auf den alten Fuß der Gleichheit mit ihnen zu -

feßen,“ ſagt Burnett. „Er verſchloß die Thür und ließ ſie mit bedecktem Haupt neben ſich ſeßen , um ihnen zu zeigen , wie geringen

Werth er auf Auszeichnungen lege , zu deren Beobachtung gegen

201

Andre er durch die in der Welt eingeführten Formen genöthigt 11

war. " Dieſe vertrauten Unterhaltungen eines Bruders mit Brü dern ſchloſſen gewöhnlich mit einem Gebet.

Die Wahlen für das Parlament fanden Statt . , und am

4. September 1654 trat dieſe Körperſchaft zuſammen. Der Pro tector begab ſich im Feſtzuge in die Weſtminſter - Abtei , darauf in den Gemalten Saal , wo die Verſammlung ihre Sißungen hal ten ſollte. Lenthall, Fairfar , die berühmteſten Männer der Revo

lution waren da. „Meine Herrn ,“ ſagte der Protector in einer dreiſtündigen Rede (länger als die Botſchaft des Präſidenten der Vereinigten Staaten ), Shr ſeid unter den feierlichſten Umſtänden ,

die England jemals geſehn , hier verſammelt. Ihr tragt auf Euern Schultern die Angelegenheiten von drei großen Nationen , und ich könnte ſogar, glaube ich , ohne Uebertreibung ſagen , die Angele genheiten des geſammten Volkes Gottes in der ganzen Welt. " *) Das Ergebniß entſprach wenig einer ſo hohen Erwartung. Anſtatt ſich mit der Einrichtung und der Wohlfahrt der Nation zu beſchäftigen , fing es an zu prüfen , ob die Regierung in den Händen einer einzigen Perſon bleiben dürfe oder nicht. Am 12. September erſchien der Protector wieder. 1

Meine Herrn ,“ ſagte er , „ ich habe mich nicht ſelbſt auf die

n

ſen Plaß berufen ,

Gott iſt mein Zeuge ,

und es giebt noch

Andere , die ihr Leben laſſen könnten , um dieſe Wahrheit zu be ſtätigen. Wenn meine Berufung von Gott kommt, mein Zeugniß vom Volke , ſo wird Gott und das Volk mir wieder nehmen kön nen , was ſie mir gegeben . Aber kein Andrer wird es mir entrei ßen können . Ich war Edelmann von Geburt und lebte weder in

ben oberſten Stellen noch in Dunkelheit. Ich bin zu verſchiedenen Unternehmungen berufen worden ; ich habe mich bemüht die Pflich

ten , eines ehrlichen Mannes zu erfüllen , indem ich für den Dienſt Gottes und den Vortheil dieſes Volkes bandelte. Ich habe um * ) Parl. Hist. XX, 318. Lettres et Discours , III , p. 23. 15

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Enthebung von meinen amtlichen Geſchäften gebeten, ich habe zu Gott ſei Richter zwiſchen verſchiedenen Malen darum gebeten. mir und allen Menſchen , wenn ich lüge !

„In jedem Regiment giebt es drei weſentliche Grundlagen, eine Magna charta , die unveränderlich ſein muß. Hier find einige von denen , auf welchen dieſer Staat ruht. Die erſte Grundlage: Das Parlament hat nicht das Recht ſich ſelbſt für ſtändig zu er

klären . Zweite Grundlage: Die Gewiſſensfreiheit muß aufrecht erhalten werden , in gleichem Abſtande von Zügelloſigkeit und von Verfolgung. Dritte Grundlage : Der Protector und das Parla ment theilen ſich in die Verfügung über das Heer." *) Zu dieſen weſentlichen Grundlagen fügte Cromwell eine andre ; er verlangte von den Mitgliedern des Hauſes durch ihre Unterſchrift anzuerken nen , nemlich Treue gegen den Protector und die Republik. Drei hundert unterſchrieben , der Sprecher an der Spiße , die Andern verließen das Parlament. Ein häuslicher Vorfall ſollte Cromwell von dieſen Sorgen ab Seine 94jährige Mutter wohnte bei ihm in Whitehall. Dieſe ehrwürdige Frau verband mit dem lebendigſten Glauben die ziehn.

zärtlichſte Mutterliebe , und kümmerte ſich wenig um die ſie umge

bende königliche Pracht.

Ein Flintenſchuß ſegte ſie in Schrecken,

denn ſie glaubte , er ſei auf Oliver gerichtet geweſen.

Sie konnte

auch keinen Tag ruhig ſein , wenn ſie nicht wenigſtens ein Mal ihren Sohn geſehn hatte. Ihr Ende näherte ſich. Am 15. No:

vember des Abends ließ ſie den mächtigen Protector neben ihr Bett kommen , der für ſie die ehrfurchtvollſte und lebendigſte Liebe fühlte. !

Sie breitete über ihn ihre zitternden Hände und ſegnete ihn mit den Worten : „Der Herr laſſe ſein Angeſicht über dir Leuchten und

tröſte Dich in allen Deinen Nöthen , und mache dich tüchtig große Dinge zum Kuhme unſres höchſten Gottes , und zur Unterſtüßung ſeines Volkes auszuführen.

Mein Sohn, ich laſſe mein Herz bei

**) Parl. Hist. XX, 349. Lettr. et Disc . III, p. 51 .

203

dir : Gute Nacht." *) Sie entſchlief in dem Herrn, und ihr Sohn vergoß Thränen mit gebrochenem Herzen . Das Parlament entſprach weder den Erwartungen der Nation noch Cromwell's. Es vergaß für das Volk zu ſorgen und hielt es für ſeine einzige Pflicht gegen den Protector zu kämpfen , indem es ihm , ſo weit es in ſeiner Macht ſtand , weder Þülfsſteuern noch Gewalt bewilligte. Es ging weiter und machte einen Verſuch die religiöſe Freiheit zu ſchmälern. Es beſchloß nur allein die zu dul den , die ſich zu den Grundlehren des Chriſtenthums bekennen wür

den , und ernannte einen Ausſchuß , der beauftragt wurde, dem Parlament das Verzeichniß dieſer Lehren vorzulegen. Dieſer Aus ſchuß ſeşte 16 Grundartikel auf , welche von der bürgerlichen Dul dung die Deiſten , die arianiſchen oder ſocinianiſchen Unitarier , die Antinomiſten , Papiſten , Quäker und noch Andre ausſchloſſen.

So

wurde der ſchöne Grundſaß der Religionsfreiheit, welchen in der Welt triumphieren zu laſſen Cromwell berufen war, in große Ge fahr gebracht. Die Revolution ſchritt zurück zum Bigotismus und zur Unduldſamkeit. Konnte der dem einen wie dem andern feind ſelige Cromwell dergleichen Verirrungen geſtatten ? Als am 22. Januar 1655 die fünf von der Verfaſſung ge ſtatteten Monate abgelaufen waren (aber nur fünf Mondmonate ), vereinigte Cromwell von Neuem die Verſammlung in dem Ge malten Saale , um ihre Auflöſung anzukündigen . — .Zahlreiche -

Gefahren bedrohen die Nation ," ſagte er , „ und das Parlament hat nichts zu ihrer Abwehr gethan. Die Partei der Cavaliere ſucht von Neuem England im Blute zu baden . Die Gleichmacher werden unruhig , und dieſe beiden äußerſten Parteien verſuchen ſich zu ver einigen. Man hat das Heer bearbeitet, man bemühte ſich es auf zuwiegeln , und die Feinde des Staates haben erklärt , daß ſie auf

das Einverſtändniß des Parlaments rechneten .

In der That,“

fuhr Cromwell fort, „Ihr habt Ihnen große Vortheile gewährt, indem Ihr die koſtbaren Mittel verlort , die Euch zu Gebote ſtan *)

Lettres et Discours, III , p . 80 . 15 *

204

den um für das Glück dieſes Volkes zu arbeiten . Ihr härtet Frie den allen denen ſchenken können , die fromm leben , heilen können

die Wunden dieſer Nationen , ſie ruhig , glücklich und zufrieden machen können ; aber ſtatt deſſen habt Ihr Euch in vader über Sachen eingelaſſen , die von der Verfaſſung bereits feſtgeſtellt ſind. Ihr habt alſo alle Eure Zeit vergeudet und nichts gethan ." Mit nicht weniger Nachdruck warf Cromwell dem Parlament ſeine Angriffe auf die religiöſe Freiheit vor. „Findet ſich jeßt nicht in den Herzen der Menſchen ein ſonderbarer Kißel ? “ ſagte er. „,Nichts befriedigt ſie, wofern ſie nicht mit ihren Händen das Ge wiſſen ihrer Brüder zermalmen können . Fürwahr, das war keiner von den Zwecken der Schlacht, die wir unſerm gemeinſchaftlichen Gegner zu liefern hatten. Handelte es ſich nicht im Gegentheil für alle der Tyrannei der Biſchöfe überdrüſſigen Klaſſen von Proteſtan ten um die Erlangung der Freiheit , Gott nach ihrer helleren Er kenntniß anzubeten ? Aus Sehnſucht nach dieſer Freiheit haben ſo viele Brüder ihr Vaterland verlaſſen , ſind ſo viele fortgegangen ihr Brod in der Fremde zu ſuchen , und ſogar in Einöden zu leben, !

mitten unter dem Geheul wilder Thiere , während mehrere der Zu

rückgebliebenen eingekerkert, gemißhandelt und ein Spott des Vol kes geworden ſind.

Müſſen nicht die am Glauben Geſunden an

der Gründung einer gerechten Freiheit arbeiten , ſo daß Keiner, weil er ſeinem Gewiſſen gehorcht, mit Füßen getreten wird ? Wir ſelbſt, haben wir nicht ganz kürzlich den Druck der Verfolgung er: tragen ? Geziemt es uns jeßt , dieſe ſchwere Laſt Andern aufzu bürden ? Heißt das aufrichtig ſein , wenn wir die Freiheit für uns verlangen , Andern aber nicht gewähren wollen ? O ! welch große Heuchelei iſt es , wenn die von den Biſchöfen Unterdrückten ihrer: ſeits die größten Unterdrücker werden, ſobald das auf ihnen laſtende Joch zerbrochen iſt! Wenn nun die , welche jeßt die Freiheit bean ſpruchen , bald zu Macht gelangten, könnten ſie ſich nicht von dem Aber, ſelben Geiſt der Unduldſamkeit gegen uns beſeelt zeigen ? was die Unheiligen betrifft, die Gottesläſterer, die Aufruhrprediger, die Verläumder , die Schmähſüchtigen , die Verderber guter Sitten

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durch ſchlechte Reden, die Liederlichen , das iſt etwas Anderes. Die

bürgerliche Obrigkeit iſt da, ſie niederzuhalten und zu züchtigen." *) So fprach Cromwell. Die Parteigänger der Tyrannei , des Papismus und der Ausſchweifungen der Stuarts haben es in Mode bringen können , ſolche Sprache zu verabſcheuen. Wir Sagegen, wenn wir ihn mit ſolchem Nachdruck Duldung für ſeine Gegner in der Religion fordern hören, können ihm den Zoll unſrer Bewunde rung nicht verſagen. „ Ich halte Eure längere Sißung für das allgemeine Wohl nicht für zuträglich ,“ fügte er am Schluſſe hinzu. „ Demzufolge erkläre ich das Parlament für aufgelöſt.“ Cromwell wurde für das Wohl und den Ruhm Englands zu arbeiten getrieben ; wenn er alſo dieſes Parlament auflöſte, ſo ge ſchah es, um es freier thun zu können. Dieſes Ziel hatte er ſchon bei ſeinen Kriegen verfolgt. Auf ſeine Schaumünzen und Geldſtücke ließ er die bezeichnenden Worte feßen : Pax quaeritur bello ; und dieſen Wahlſpruch , den er in den Tagen ſeiner Schlachten auf ſei nem Wappen getragen , mußte er in's Leben einführen. Der Friede und die Wohlthaten des Friedens waren Alles, was er im Kriege vor Augen hatte ; er wünſchte ſie ſeinem Volke zu verſchaffen :

Friede auf Erden.

Man wird in der Auflöſung des Parla

ments einen Fehler gegen die verfaſſungsmäßigen Grundfäße finden ; man wird behaupten , daß unter ihrem Einfluß der Fürſt - und Cromwell war Fürſt

das Gute nicht thun darf , wenn die andern

verfaſſungsmäßigen Gewalten es nicht wollen . Das iſt möglich ; aber wenn Cromwell einen Fehler beging , was noch zu entſcheiden iſt, ſo war es ein tugendhafter Fehler. Uebrigens hätte England weder von Heinrich VIII.,I noch von Eliſabeth , noch von den Stuarts dieſe Pflicht des Fürſten , von ſelbſt in den Hindergrund zu treten , lernen können ; die Entwicke lung dieſer neuen Lehre und ihre Darſtellung im Leben , ſollte die *) Histoire parlamentaire , XX , 404. Lettres et Discours , III , p . 103 .

206

Aufgabe des 18. und 19. Jahrhunderts ſein. Das 17. hatte eine andere.

4

Cromwell hatte verſchiedene Wege zur Vollendung des Werkes verſucht, welches der Zuſtand Englands nöthig machte. Er hatte anfangs zu einem ſtändiſchen , von ihm ernannten Ausſchuß ſeine Zuflucht genommen ; darauf zu einem von der Nation gewählten Parlament. Das Ziel wurde weder auf die eine , noch auf die andre Weiſe erreicht. Er glaubte alſo , daß , weil den Andern ent weder die Kraft oder der Wille fehlte , etwas zu thun I, er ſelbſt

das Werk in die Hand nehmen müſſe. Und man ſieht ihn dann beim Einrichten und Aufbauen dieſelbe Thätigkeit entwickeln , die er auf das Auflöſen und Niederreißen verwendet hatte.

Cromwell war nicht der Einzige, welcher einen Ruf vom Him mel erhalten zit haben glaubte : Mebrere der größten Männer des

Jahrhunderts glaubten daſſelbe. Milton insbeſondre glaubte , das Protectorat ſei beſchloſſen durch die dringenden Bedürfniſſe der Zeit und von den ewigen Geſeßen , und der Protector müſſe jeßt den hohen Auftrag erfüllen , den er von der Nation erhalten , als ein chriſtlicher Held, wie er es früher bei minder wichtigen Dingen ge than. Es ehrt Cromwell, dieſes Zeugniß von Achtung und Billi gung von Seiten des Sängers des verlornen Paradieſes er halten zu haben . Er wußte einer ſo großen Erwartung zu ent ſprechen .

In einem Lande wie England , nach einer derartigen Nevolu: tion , welche es ſo eben erſchüttert, mußte man ſich vor Allem mit der Religion und Kirche beſchäftigen . Der Episkopat war geſtürzt,

und doch der Presbyterianismus nicht aufgerichtet. Oft beſtanden alte Mißbräuche neben neuen Irrthümern. Cromwell hielt die Kirche für unfähig , fich ſelbſt zu geſtalten , und achtete es für ſeine Pflicht, Hand an dieſes Werk zu legen. Wir hätten es vorgezogen ,

wenn er der Kirche das Selbſtregiment gelaſſen hätte ; aber Crom well konnte glauben, daß ohne ſeine gewaltige Hand Ordnung und Geſtaltung ſchwerlich aus dieſem Wirrwarr, in dem ſich England damals befand, hervorgehn würden . Das war alſo einer der erſten

Gegenſtände, welcher die Sorge des Protectors beſchäftigte.

Neuntes Aapitel. Geſtaltung der Kirche und des Staats.

Nothwendigkeit einer Geſtaltung. Irrthümer. well's .

Der

Kirchliche Commiſſion. Unparteilichkeit. Zeugniß Barter's 110 Crom Staat. Aeußerungen von Mißvergnügen. Brief Nachſicht.

an Fleetwood.

Beangſtigungen Brigitten's.

General -Majore.

Zufdrift der Körperſchaft von Guildford. Cromwell's Verzeihung. Sein Syſtem in Ir

Mordverſuche. land.

Amtlicher und wolf8thümlicher Proteſtantism 18.

Die

Fehler

und Größe der Puritaner.

Schon vor der Auflöſung des Parlaments hatte ſich Cromwell

ernſtlich mit der Geſtaltung der Kirche beſchäftigt. Am 20. März 1654 hatte er 38 ausgewählte Männer ernannt, die , im Allgemei: nen geſprochen , die Blüte des engliſchen Puritanismus waren und einen Ober - Ausſchuß zur Prüfung der Geiſtlichen bilden ſollten. Jeder , der auf eine Pfründe, auf Zehnten oder kirchliche Zinſen Anſprüche machte, ſollte zuerſt von dieſen Stegreif - Biſchöfen geprüft und ſein Anſpruch genehmigt werden . Unter dieſen 38 Männern waren 9 Laien und 29 Geiſtliche. Nach Cromwell's Meinung ſollte dieſer Ausſchuß nicht blos aus Presbyterianern beſtehn , weil er in dieſem Falle die Begünſtigung dieſer allein befürchtete. Es gab unter ihnen Presbyterianer , Independenten und ſogar Baptiſten.

Nur auf Eins hatte der Protector ſein Augenmerk gerichtet, daß es weiſe, von Liebe zum Evangelium erfüllte Männer wären. Zu . ihnen gehörte Owen, Sterry, Marſhall, Manton und Andere. Die ſer Verfügung ließ er am folgenden 28. Auguſt eine zweite folgen, welche unter den puritaniſchen Edelleuten gewählte Commiſſare be

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ſtellte. Dieſe von den kirchlichen verſchiedenen Commiſſare waren 35

in jeder Grafſchaft Englands. Sie ſollten nach unfähigen , unwiſ:

ſenden, durch ihren Lebenswandel Anſtoß gebenden Geiſtlichen Nach: frage halten, einen Gerichtshof über ſie bilden und ſie nöthigen falls abſeßen. Im Falle der Abfeßung ſollte man den Verheirathe ten ein kleines Jahrgehalt bewilligen. Dieſe Commiſſare richteten und ſtießen aus die unwürdigen Geiſtlichen , bis ſie nach und nach die Kirche gereinigt hatten. Ohne Zweifel war dieſe Anordnung wenig republikaniſch , aber es gab auch große und zahlreiche Miß bräuche zu verbeſſern . Eine Regierung hat nur zwei Mittel zu er greifen : entweder die Kirche ſich ſelbſt zu überlaſſen , indem ſie ſich vom Staate trennt ; oder , wenn ſie ihr Unterſtüßung bewilligt , es ſo einzurichten , daß ſie nicht zur Unterhaltung der Mißbräuche und Ungerechtigkeiten dienen. Sind dergleichen Mißbräuche vorhanden, ſo muß die Regierung die Aufgabe des Reformators übernehmen ; für die bürgerliche Gewalt ohne Zweifel eine fremdartige Aufgabe ! Das Leştere nun that Cromwell; denn die Anſicht von der Unab

hängigkeit des Staates und der Kirche war, wie wir ſehen werden, noch nicht zu ſeiner Reife gediehen. Läßt man ſeine Rolle als Reformator einmal gelten , ſo füllte er ſie auf die möglichſt beſte

Weiſe aus. Nicht der eigentlich ſogenannte Staat verbeſſerte, ſon dern aus dem Schooße der Kirche ſelbſt erwählte Ausſchüſſe , in welchen oft vom Staate unabhängige Männer ſaßen. Ja , noch mehr : unter den weltlichen Commiſſaren gab es eine gute Anzahl von Cromwell's politiſchen Feinden. Gleichviel, es waren redliche und rechtſchaffne Männer , und das genügte dem Protector. Die Wirkung dieſer reformatoriſchen Maßregel war nach den Geſchicht chreibern ſehr wohlthätig. Es war dieſe Arbeit der Commiſſare keine leichte, und nichts

geeigneter eine große Anzahl von Mißvergnügten zu ſchaffen. Auch gab es Klagen ſowohl von Seiten einiger Biſchöflichen , als auch

von Seiten einiger andersgläubigen Diſſidenten. Man warf den Commiſſaren eine geringe Berückſichtigung der Kenntniſſe vor , und

eine zu große Nachfrage nach dem Geheimniß der Herzen in der Abſicht, zu entdecken , ob die göttliche Gnade darin wohne. Dhne

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Zweifel begingen ſie einige Mißgriffe , die waren unvermeidlich ; aber man könnte auch eine große Anzahl von Fällen anführen , die zur Widerlegung der gegen ſie erhobnen Anklagen geeignet ſind. Der berühmte Geſchichtſchreiber Fuller zum Beiſpiel , der als An es

hänger des Königs ſeine Stelle unter dem Parlament verloren hatte, Seſſen Grundſäße nicht nur die des Episkopats, ſondern auch die der ſogenannten Hochkirche waren , Fuller, der ſich ſpäter ſo thätig für die Zurückberufung Karls II. zeigte , der Kapellan die

les Fürſten wurde, der Biſchof geworden wäre, hätte nicht der Tod im Jahre 1661 feiner Laufbahn ein Ende gemacht, Fuller er hielt eine Pfründe durch die Beſtimmung der Commiſſare und un ter Cromwell's Einfluß.

Man erkannte jedoch keinen andern Bes

weis der Gnade Gottes in ihm an als den „gewiſſenhaft und treu ſeiner Ueberzeugung zu ſein." (That he made conscience of his thoughts .)

Folgendes Zeugniß ſtellt der ausgezeichnete Baxter den Eramis Då dieſer Prüfungs - Ausſchuß ( the Triers , les Trieurs ) ſtark beſchuldigt worden iſt, ſo werde ich die Wahrheit ſagen ; und ich denke , daß man meinem Worte Glauben ſchenken natoren aus :

wird, da Mehrere unter ihnen mich als einen ihrer frechſten Gegner

betrachten . Die Wahrheit iſt, daß, obgleich es unter ihnen einige zu ſtrenge Independenten gab , zu hart gegen alles Arminianiſche, zu kleinlich in Prüfung der Kennzeichen der Heiligung, zu bereitwillig in Zulaſſung von Männern, die wenig unterrichtet, ſogar irgend einer Jrrlehre ergeben waren, und den Antinomianismus und Anabap tismus begünſtigten , man dennoch, wenn man ihnen gerecht werden will, ſagen muß , daß fie der Kirche überaus viel Gutes erwieſen haben. Sie haben die Gemeinden gerettet, indem ſie dieſelben von unwiſſenden , gottloſen , trunkliebenden Geiſtlichen , von jener Klaſſe 1

von Menſchen ſäuberten , welche meinen , das geiſtliche Amt beſtehe

in Ableſung der ſonntäglichen Predigt , in der ganzen übrigen Woche dürfe man mit den Leuten in die Schenke gehen und ſie ſo in der Sünde verhärten . Die Commiſſare wieſen in der Regel die Geiſtlichen zurück, welche gegen ein heiliges Leben predigten , oder

wenigſtens wie Leute ſprachen , welche keinen Begriff davon haben ;

210

und ſie ſeşten an ihre Stelle fähige, ernſte Männer, von frommem Lebenswandel, zu welchem Glauben ſie ſich auch bekennen mochten, wofern er nur ein chriſtlicher war. Einige unter ihnen zeigten viel leicht etwas Parteilichkeit zu Gunſten der Independenten , der Se paratiſten , der Männer der fünften Monarchie, der Anabaptiſten, und gegen die Prälatiſten und Arminianer ; jedoch das Gute, wel ches ſie der Kirche erwieſen , übertrifft das daraus möglicherweiſe entſtehende Uebel ſolchermaßen , daß mehrere tauſend Seelen Gott für die treuen Hirten geprieſen haben, welche die Commiſſare ihnen gaben, und in Trauer verſeßt wurden , als die Prälatiſten dieſelben ſpäter vertrieben. " *) Man muß bemerken , daß die von den Commiſſaren abgelegten

Geiſtlichen nur der Vorrechte ihres Amtes , keineswegs ihrer reli giöſen Freiheit beraubt waren.

Beſonders ſittliche Untüchtigkeit verfolgte der Prüfungs - Aus ſchuß. Die Verordnung vom 28. Auguſt 1654 ſchrieb die Zurück weiſung aller Geiſtlichen vor , die ſich des Meineids ſchuldig ge macht, des Schwörens, des Ehebruchs, der Unzucht, der Trunkſucht, des Beſuchs der Wein- und Bierhäuſer , der unaufhörlichen Zänke reien , der Schlägereien u. 1. w . Auch der Papismus wurde aus:

geſchloſſen . Die Biſchöflichen wurden nicht vertrieben , aber ein häufiger und öffentlicher Gebrauch des Gebetbuchs war ein Grund ſie auszuſchließen , was zugleich Unduldſamkeit und Folge: widrigkeit verrieth. Es giebt jedoch einige ſcheinbare Gründe für dieſe Ausſtoßung, und man hat ohne Zweifel -niemals behauptet, daß es unmöglich ſei , mit gutem Gewiſſen ein Biſchöflicher ohne das Prayer - Book zu ſein. Das hieße es der Bibel gleichſtellen. Cromwell ſprach ſelbſt über dieſe Verordnungen in ſeiner am 21. April 1657 im zweiten Parlament gehaltenen Rede. „ Ich glaube“ , ſagt er , „ daß wir endlich erreicht haben, Ordnung in Be treff des geiſtlichen Amtes zu ſchaffen. Giebt es irgend ein Werk, deſſen ich mich vor dem Herrn freuen kann als über etwas Gutes, =

* ) Baxter's Life , part. I , 72 .

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ſo iſt es dieſes. Ich kann das aus Herzens Grunde ſagen , und ich weiß, ich ſage die Wahrheit. Behaupten Andre das Gegentheil,

ſo mögen ſie mir erlauben meine eigne Meinung feſtzuhalten , mich in meinem

Gewiſſen und meinem Herzen deſſen was geſchehen zu

freuen und laut ein Zeugniß dieſem Werke auszuſtellen. Ein eben ſo großer Dienſt iſt England ſeit Einführung des Chriſtenthums daſelbſt nicht erwieſen worden. Ich behaupte das keck, obgleich da bei etidas Leidenſchaft und frrthum hat unterlaufen können.

Die

Geiſtlichen ſelbſt werden Euch ſagen , daß , wenn ſie in einen Jrr thum verfielen , weil ſie ſich von zu viel Eifer hinreißen ließen, oder wenn ſie ſich in bürgerliche Sachen miſchten , dieſes wider die ihnen gegebenen Vorſchriften geſchehen iſt.

Und wenn die Grund:

fäße , welchen wir anhängen , uns nicht rechtfertigten, ſo würde der Erfolg das reichlich thun.

Gott iſt durch dieſes Werk hoch ver

herrlicht. Betrachtet Euch die Männer, welche zur Zeit des Epis: kopats ein geiſtliches Amt bekleideten.

Ach ! was für erbärmliche

Zeugniſſe reichten hin , ſie zu Geiſtlichen zu machen ! Wußte man Lateiniſch und Griechiſch, ſo war man ſicher zugelaſſen zu werden , aber ſeitdem hat man keinen Candidaten aufgenommen , ohne we nigſtens etwas von Gnade in ihm unterſcheiden zu können und

über ſeinen Lebenswandel ein ſehr gutes Zeugniß von vier oder fünf benachbarten Geiſtlichen, die ihn gut kannten , zu haben. Er mußte überdieß ſelbſt von ſeiner Hoffnung auf Chriſtum Rechen ſchaft ablegen können.“ *) Aber wenn es nothwendig war , Ordnung in die Kirche zu bringen , ſo war das nicht weniger im Staate der Fall. Die Rö

niglichen und Gleichmacher vereinigten fich, und dieſe jagten laut, daß fie ſelbſt den Karl Stuart dem Cromwell vorzögen. Einige

von den Männern, für welche der Protector die meiſte Liebe fühlte,

neigten ſich auf die Seite der mißvergnügten Republikaner. Unter ihnen befand ſich ſein Schwiegerſohn der Lord - Deputy von Frland. Cromwell bemühte ſich die Vorurtheile zu zerſtreuen und den Frie den zu erhalten . Er ſchickte an Fleetwood ſeinen zweiten Sohn *) Somer's Tracts , VI , 389 ; Lettres et Discours , III , p. 360.

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Heinrich, einen durch ſeinen Scharfſinn , ſeine Geradheit und Ent: ſchloſſenheit ausgezeichneten Mann, und zugleich ſchrieb er folgenden Frief , worin er ſeine ganze Bekümmerniß um Erhaltung der Ein tracht an den Tag legt.

An Lord Fleetwood, Lord Deputy von Frland. Whitehall, d. 22. Juni 1655. Lieber Karl,

3d ſchreibe nidt oft , aber ich wünſche , daß 3hr ein für alle Mal wißt , daß ich Eud, zärtlich liebe. Mein Herz iſt aufrichtig in

der Liebe zu Eudy, ſo ſehr als das Eurige es wünſden fann ; es möge Eudy alſo in dieſer Hinſicht nichts beunruhigen.

Die böſen

Eiferſüchteleien , der Geiſt der Verleumdung , die mitten unter uns find, verwandeln Alles in Galle und Wermuth. Mein Herz ſchlägt für das Volk Gottes. Der Herr weiß das und wird es zu ſeiner Zeit an den Tag bringen. Jedoch von dieſer Seite her erhalte ich .

meine Wunden. Das betrübt mich, aber , durch Gottes Gnade, ent muthigt mich nicht gänzlich.

Es giebt gute Leute , die über alles

murren , aber aud) Andere, die zufrieden ſind und uns fortwährende .

Genugthuung gewähren. Der Wille des Herrn wird das Gute zur idiglichen Zeit erſcheinen laſſen.

Man hat behauptet , Ihr ſolltet zurückberufen und Heinridy an Eure Stelle geſegt werden. Fürwahr , niemals iſt mir das in den Sinn gekommen. Der Herr weiß , daß es mein Wunſch war , fo wohl in Bezug auf ihu ( Heinric ) , als auf ſeinen Bruder , fie bes

ſdheiden auf dem Lande als Privatleute leben zu ſehn. Heinrich) weiß das ſehr wohl ; er weiß auch, wie viel Mühe ich gehabt , ihm die Stelle, weldie er jetzt bekleidet, zu verſchaffen. Ich ſage das aus

einfältigem, aufridytigem Herzen. Die Gerüdyte über meine Krönung u . ſ. w. ſind ebenfalls boshafte Erdichtungen . Lieber Kart, meine zärtliche Liebe gehört Euch und meiner lieben

Biddy (ſeine Tochter Brigitte), welche die Freude meines Herzens iſt, nad Adem , was , wie ich vernehme, der Herr an ihr thut. Rathet ihr glüdlich zu ſein und ſich in dem Serrn zu freuen jeßt und im merdar. Kennt ſie den Bund der Gnade , ſo muß ſie ſich freuen, denn dieſer Bund iſt unabhängig von uns. Er iſt feſt und geſichert

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zwiſchen dem Vater und dem Mittler burd fein Blut. Wenn wir uns auf den Sohn verlaſſen , wenn wir auf ihn hinblicken , wenn

wir durch ihn umgewandelt werden und ihn gläubig umfaſſen , ſo ſind wir ſein Saame.

Nun aber iſt der Bund allem Saamen zu

geſichert. Gott iſt nach ſeiner Treue in Hinſicht auf Chriſtus ges bunden und in ihm in Hinſicht auf uns. Der Bund iſt ohne uns gemacht : er iſt zwiſdjen Gott und Chriſto geſdhloſſen. Blicke auf zu dieſem Bunde. Gott verpfliditet ſich in ihm uns zu verzeihen, ſein Geſetz in unſre Herzen zu ſchreiben , ſeine Furdit darein zu pflanzen , ſo daß wir niemals von Ihm geſchieden ſind. Wie groß auch immer die Schwere aller unſrer Sünden , aller unſrer Schwä dhen ſein mag, wir können täglich zu unſrer Rettung einen Chriſtus, I

einen vollkommnen Retter ihm vorhalten .

So haben wir Friede,

Heil und die Kundgebung der Liebe eines Vaters , der einen Bund geſchloſſen hat und fich nicht ſelbſt verleugnen kann. Da iſt mein Er iſt es , der mir die Größe meiner Laſt tragen hilft. Wenn Ihr die Abſicht habt mit Eurer lieben Frau zu kommen, ſo wählet den günſtigſten Zeitpunkt, ſei es hinſichtlich des öffentlichen

Heil.

-

Wohles , oder Eurer eignen Bequemlichkeit. Der Herr ſegne Euchy Ade ! Betet für midy , auf daß der Herr mid leite und bewahre,

als ſeinen Diener. Ich preiſe den Herrn , daß ich nid)t mir an gehöre ; aber meine Lage iſt ſehr ſdywer , was Fleiſdy und Blut an betrifft. Betet für mich, ich bete für Euc Ane. Empfehlet mid) allen Freunden .

Ich verbleibe

Euer wohlgewogener Vater

Oliver , P. "* ) Dieſer dem Anſehn nach etwas dunkle Brief erſcheint uns für die Kenntniß von Cromwell's chriſtlichem Charakter wichtig. In der That haben wir ihm einen gewiſſen Myſticismus vorgeworfen, ziemlich ähnlich dem frommer , aber wenig aufgeklärter Chriſten , welche das , was ſie das innre Wort nennen , über das von ihnen ſo genannte äußere Wort ſtellen , und die Richtſchnur ihres Ver haltens nicht weſentlich außer ſich ſuchen , in den uns von Gott in ſeiner Bibel gegebenen Geboten, ſondern vorzugsweiſe in ſich ſelbſt, *) Lettres et Discours , III , 136.

1

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in Antrieben und Gefühlen , über deren Richtigkeit man ſich leicht täuſchen kann . Der Myſticismus des Protectors konnte weiter gehn. Es giebt in der That Chriſten , für welche die Sache des Heils durchaus nicht weſentlich das vom Erlöſer am Kreuz vollbrachte

Werk iſt, ſondern das vom heiligen Geiſte in dem Herzen voll brachte. Dieſe zwei Werke ſind durchaus nothwendig ; aber die Sache des Heils iſt das erſte , das zweite iſt das Mittel der An wendung oder Aneignung , ohne welche das Heil eine dem Einzel weſen fremde Sache bleibt. Wer nun glaubt, der Chriſt müſſe auf das , was in ihm iſt, hinblicken , um Gewißheit über ſein Heil zu haben , wie es fowohl papiſtiſche als proteſtantiſche Myſtiker thun,

und nicht auf das Blut des Opfers auf Golgatha , der entzieht ſo der Rechtfertigung und Frieden ſuchenden Seele jede wahre Quelle des Troſtes bei der ſie beſtürmenden Unruhe. Das Werk der Sühnung Chriſti iſt allerdings vollkommen , aber das Werk unſrer

Heiligung iſt immer von großem Elend begleitet, und kann folglich ein geängſtetes Herz nicht beruhigen. Nun aber ſpricht ſich Crom well kräftig gegen einen ſolchen Frrthum aus. Indem er ſeine Tochter Brigitte tröſten will, die in ihrem Herzen beunruhigt und geängſtigt zu ſein ſcheint, läßt er ihr ſagen auf den Bund der Gnade hinzublicken ; er erinnert ſie, daß dieſer Bund unabhängig von ihr ſelbſt ſei , daß er zwiſchen Vater und Sohn durch das Blut des Mittlers beſteht; daß er ſich außer uns findet als ein und man Vertrag zwiſchen Gott und Chriſtus. Dieſer Brief hat noch andre Erklärungen Cromwell's in dieſem Sinne — ſcheint mir alſo wichtig, um zu beweiſen, daß, wenn er in einem beſondern Punkte, nemlich der Richtſchnur des Verhaltens eines Chriſten , von dem durch das Evangelium vorgezeichneten Wege etwas abgewichen iſt, er in Betreff der Grundlagen des Glaubens , dem Werke der Erlöſung treu geblieben iſt. Die Königlichen und die Gleichmacher wühlten unaufhörlich.

Die Leßtern beſonders machten viel Lärm ; und doch zeigte ihnen Dliver immer viel Milde. Als Chriſt über den Zeitgeiſt erhaben,

war er geneigt , das Unrecht ſeiner Feinde zu vergeſſen. Die Re publikaner beklagten ſich ſogar über ſein Wohlwollen gegen die

1

215

Königlichen. Ludlow ſagt : „ Cromwell wurde jogar mit denen ſehr vertraut, welchen er früher die größte Abneigung zu erkennen ge

geben ; er bemühte ſich die Königlichen zu gewinnen, indem er ihnen die günſtigſten Bedingungen machte, wofern ſie nur das Parla ment mit Recht bewilligen konnte. Als Vorwand gebrauchte er die Nothwendigkeit , die Geiſter zu beruhigen und neuen Unruhen vor: zubeugen. Zu dieſem Zweck beſchleunigte er aus allen Kräften eine Amneſtie - Acte. Einige Mitglieder thaten , was ſie konnten, um ſie auf einige Monate hinauszuſchieben , damit ſich der Staat bei dieſer Gelegenheit Geld verſchaffen könnte, was ihm ſehr nöthig war. Aber nichts konnte den General aufhalten. So ging die Acte durch, weil das Parlament ihm nichts verweigern wollte, was nur den geringſten Anſchein von Weisheit hatte.“ Da wird alſo Cromwell einer allzugroßen Geneigtheit ſeinen

Gegnern zu verzeihen angeklagt. Es lag ohne Zweifel in dieſer Mäßigung einige politiſche Schonung. Es würde jedoch ſchwer ſein, in der Welt ähnliche Geneigtheit zu finden.

Nichts deſto weniger mußte er , wenn Nachficht zeitgemäß war, auch Ordnung aufrecht erhalten. Zu dem Ende theilte der kro tector ganz England in zwölf Bezirke , und ſtellte in jedem dieſer politiſchen Kreiſe unter dem Titel General - Major einen ſorg fältig gewählten , gottesfürchtigen Mann an , von erprobter Weis heit und unbeſtrittner Rechtlichkeit. Dieſe General - Majors waren mit einer allgemeinen Beaufſichtigung beauftragt , die ſich ſogar bis auf die Hirten erſtreckte. „ Die General - Majore“, ſagt der Protec tor in ſeiner Rede vom 17. September 1656 , „ ſind zur Erhaltung des Friedens ſehr nüßlich geweſen ; ſie ſind zur Unterdrückung des Laſters und Begründung der Religion wirkſamer als Alles ge weſen , was ſeit 50 Jahren geſchehen iſt. Ich werde ſie halten trop des Neides und der Verleumdung der Unverſtändigen .“ Def ſen ungeachtet beſchränkte er ſpäter ihre Gewalt, die Gelegenheit zu einigen Mißbräuchen gegeben hatte ; und als der Zuſtand des Lans des befriedigender geworden war , hob er ſie endlich ganz auf. Das waren Cromwell's erſte Arbeiten zu Englands kirchlicher und politiſcher Wiedergeburt und Geſtaltung. Dieſe Thätigkeit,

216

beſonders in Betreff der Kirche, haben ihm die meiſten Feinde er: weckt und die ſtärkſten Vorwürfe zugezogen .

Man muß geſtehn,

daß eine politiſche Gewalt, die es unternimmt die Religion zu vers beſſern , ſehr ſchlechten Dank erndet und ſich eine Arbeit aufbürdet, für welche ſie nicht geſchaffen iſt. Aber , wird man ſagen , wie könnte ſie ſich derſelben entziehn , wenn ſie ihren Geiſtlichen einen Gehalt bewilligt. Sobald als es in der Kirche, wie jeßt in Frank reich zum Beiſpiel , Mißbräuche, Aergerniſſe, Entartung giebt, ſieht ſich der Staat genöthigt, eben ſo eine Ordnung der Dinge aufrecht zu erhalten , die , weit entfernt zur Wohlfahrt des Volkes beizutra ?

gen, nur darauf abzielen kann es irre zu machen und zu Grunde

Wenn der Staat die Kirche verbeſſert, ſo iſt das .

zu richten.

ſchlimm , und wenn er es nicht thut , ſo iſt das noch ſchlimmer. Es giebt ein Mittel, das ſicherlich , weil es das Schlimme vermei det , geeigneter iſt, vielleicht allein geeignet , das Gute , was man ſucht, zu verſchaffen. Wenn der Staat auf jede Einmiſchung ver zichtend die Kirche ſich ſelbſt überläßt, ohne Hülfsgelder, ſo verſekt

er fie in eine Lage, in der ſie am beſten eine heilſame Verbeſſerung zu Stande bringen kann . Die Hülfsgelder unterhalten die Miß bräuche. Werft dieſe übel angebrachten Stüßen nieder , und es werden die ſich daran hängenden giftigen Pflanzen durch ihr eignes 1

Gewicht zur Erde fallen .

Sobald die Kirche durch ihre inneren

Kräfte, von ihren eignen Mitteln leben muß , wird ſie genöthigt ſein , der Wahrheit fich zu nähern , vom Despotismus, Aberglauben und Aergerniſſen zu laſſen , und ſich kräftig alle dem anzuſchließen, was für die Seelen heilſam iſt. Es giebt im 19. Jahrhundert nur eine wirkſame Maßregel, durch welche der Staat die Kirche

verbeſſern kann , nemlich ihr zu ſagen : Lebe wohl ! ſiehe zu, wie du fort kommſt!

Die Nation jedoch würdigte des Protectors Bemühungen . Folgende Thatſache liefert einen Beweis dafür: Eine Erklärung der Körperſchaft von Guildford wurde am 18. April 1654 von

dem Bürgermeiſter und vier Magiſtrats - Perſonen nebſt dem Amt mann der Stadt nach Whitehall gebracht. Dliver trat an das Fenſter und las mit Aufmerkſamkeit die Erklärung , welche Folgen des enthielt :

217

An Seine Hobeit Oliver , lord : Protector der Republik England , Schottland und Frland. Demüthige Bitt: ſchrift des Bürgermeiſters und der von der Stadt Guil ford gewählten Männer, in der Grafſchaft Surrey. „,Ungeachtet Eure Hoheit , teren Ruhm fich über die Grenzen

der chriſtlichen Welt erſtredt, große und zahlreiche Siege durdy Got tes Gnade durch Eure Tapferkeit und Klugheit über unſre Feinde davon getragen hat , ſo waren wir body der Gefahr ausgeſetzt, in eine wo möglid, ntody ſchlimmre Page zu ſtürzen als in der wir uns beim Ausbruch der Unruhen befanden. Als Eure Weisheit das ent

dedte , ſo nahmet Ihr , mehr aus Aufopferung als weil es Euer Wunſd) war , die dwere laſt der Regierung dieſer drei Nationen

auf Eure Sdyultern. Aus der Sorgfalt , die Ihr auf Erhaltung frommer und unterrichteter Geiſtlicher und auf die Ernennung von

redytſchaffnen und weiſen Ridhtern verwendet, ſehen wir deutlid ), daß Ihr entſchloſſen ſeid , Religion und Geredytigkeit, welches die Haupt pfeiler , die echten Säulen des Staates ſind, zu ſtützen. Aber das Gewicht dieſer hohen Aemter laſtet dywer auf Euch. Deshalb er

klären wir, Einwohner dieſer Stadt , uns bereit , wenn Feinde gegen Eure Perſon fid) zu erheben wagen , unſer Leben für Euch auf's .

Spiel zu ſeßen , der Ihr ſo oft das Eurige für uns mit ſo viel

Edelmuth und Tapferkeit der Gefahr ausgeſetzt habt.“ Nachdem der Lord Protector dieſe Zuſchrift geleſen , gab er folgende Antwort :

„ Meine Herrn , ich habe Eure Erklärung geleſen. Was 3hr in Betreff meiner Erhebung äußert , iſt wahr. Ich habe ſie nicht ge wünſcht.

Ich bedarf Eures Gebetes , damit ich fortfahren fann zu

handeln , wie id nad Eurer Behauptung gethan habe , denn Gott allein iſt mein Grund , und auf ihu ſebe ich meine Hoffnung. *) Wir glauben an die Aufrichtigkeit dieſer Worte. In derſelben Zeit richteten ſich die Blicke des Protectors auf Frland , gegen welches unglückliche Land er eine Politik der Ge duld , Mäßigung und Feſtigkeit befolgte. Frland regte ſich wieder ; 1

*) Cromwelliana , 139, 140. 16

218

er mußte dort Haß, Aufruhr und Anarchie bekämpfen. Oliver gab ſeinem Sohne Heinrich folgende Anweiſungen: An meinen Sohn Heinrich Cromwell in Dublin , Irland. Whitehall, 0. 21. November 1655.

Mein Sohn,

Ich habe einen Brief an den Secretär Herrn Thurloe geleſen und ſehe daraus , daß Du einige Perſonen in Deiner Umgebung und ihr Benehmen zu würdigen verſtehſt, ſowohl Dir ſelbſt gegen über, als audy bezüglid, der öffentliden Angelegenheiten . Ich bin überzeugt, daß es dort Leute geben kann , die von dem gegenwärtigen Stand der Dinge nid)t befriedigt ſind und gern die Gelegenheit ergreifen , ihre Unzufriedenheit an den Tag zu legen ; aber das ſollte nid)t zu großen Eindruck auf Didy machen. Zeit

und Geduld können ſie zu einer günſtigern Stimmung und zur Er kenntniß deſſen führen, was ihnen zur Zeit verborgen zu ſein ſcheint. Das wird insbeſondre geſchehn , wenn ſie Deine Mäßigung, Deine

Liebe für ſie ſehn , während ſie ſich in ihren Gefühlen ſo feindſelig gegen Dich finden. 3d veranlaſſe Did ; ernſtlid ), dieſem Werke der Verſöhnung Dich zu witmen ; verwende darauf alle Deine Bemühungen.

Du und idy, wir werden die Früdyte dieſer Handlungsweiſe erndten, weldies auch der Ausgang und der Erfolg ſein mag. Was die von Dir verlangte Hülfe betrifft, ſo denke ich ſchon lange Zeit daran , und ich werde nid )t ermangeln , eine neue Ber: ſtärkung für den Staatsrath zu ſenden , ſobald ſich zu dieſem Poſten geeignete Männer finden. Ich gedenke auch Dir eine Perſon zu ſchiden , die fähig iſt, im Norden Irlands zu befehligen , in einem Lande , das , wie ich glaube , deſſen ſehr bedarf. Id halte , wie Du, Trevor und den Obriſten Mervin für ſehr gefährlidhe Männer, die .

Häupter eines neuen Aufſtandes werden könnten .

.

Deshalb veran

laſſe ich Dich, den Sitz des Staatsrathes zu ändern , damit er ſich unter Sduß an irgend einem ſichern Orte befinde ; je weiter er von dem Aufenthalt dieſer Menjden entfernt fein wird , umſo beſſer wird es ſein .

Ich empfehle Dich dem Herrn und bin Dein wohlgewogener Oliver , P .... " *)

Vater,

*) Thurloe , I , 736 ; Lettres et Discours , III, 165 .

219

Cromwell erniedrigte ſich niemals bis zur Grauſamkeit , troß der Herausforderungen , denen er ausgeſeßt war. Die von Thur loe herausgegebenen Staats - Acten ( State Papers ) berichten über zahlreiche Verſchwörungen gegen Cromwell's Leben. Ein Schreiben des Herzogs von York an Karl Il. aus Paris vom 14. Mai 1655,

und von dem Könige ſelbſt entziffert und umgeſchrieben , benachrich tigt dieſen Fürſten , daß vier römiſche Katholiken durch einen feier lichen Eid ſich verpflichtet hätten , Cromwell zu tödten und alle Papiſten der Stadt und des Heeres für Wiedereinſeßung des Kö nigs aufzuwiegeln. Thurloe ſagt in einem Schreiben an Heinrich Cromwell , der damals in Irland , unter dem 9. December 1656 : „Die Gleichmacher ſind rührig und haben ſich mit dem Könige von Spanien verſtändigt; der von ihnen als der erſte angenommene

Plan war , den Protector zu ermorden . “ Wir werden ein Beiſpiel dieſer traurigen Mordverſuche anführen. Lord Broghil berichtet uns in ſeinen Denkwürdigkeiten , daß er mit Cromwell in ſeinem Wagen ſaß , als dieſer von Weſt

minſter nach Whitehall fuhr ; das Gedränge war ſo groß , daß ſie nicht vorwärts konnten , und die Straße ſo eng , daß die Hellebar dierer genöthigt waren , ſich vor oder hinter den Wagen zu ſtellen , da ſie aus Mangel an Plaß auf beiden Seiten ſich nicht halten konnten. Während ſie langſam vorrückten , bemerkte Lord Broghil die halb offene Thür einer Schuhflicker - Bude , die darauf ſich ein wenig ſchloß ; und jedes Mal , wenn ſie ſich öffnete, ſah er etwas glänzen , wie wenn es ein Degen oder ein Piſtol wäre. Broghil

nahm ſeinen Degen ohne ihn aus der Scheide zu ziehn , klopfte an die Thür und fragte , wer da wäre. Kaum hatte er die Frage

gethan , als ſich ein großer Mann auf die Straße ſtürzte, einen Degen an der Seite. Cromwell befahl ſeiner Leibwache ihn feſt zunehmen , aber er ſchlich ſich in dem Gedränge davon . Broghil glaubte einen Offizier des irländiſchen Heeres zu erkennen , dem Cromwell Urſache zum Mißvergnügen gegeben , und der ſich in den þinterhalt gelegt hatte , um ihn zu töbten . 16 *

220

Die Cavaliere , ſagt Frau Hutchinſon , entivarfen täglich Auf ſtands- und Mordpläne gegen Cromwell ; aber dieſe beim Schwel:

gen gefaßten , von Memmen entworfenen Pläne gelangten immer zur Kenntniß des Protectors. 書

Aber nicht blos den Stößen der

Königlichen und der Gleichmacher war Cromwell ausgeſeßt.

Er

hatte auch die einiger ehrgeizigen Männer zu fürchten , die , wie er,

durch die Revolution empor gehoben , die Hauptrolle beanſpruchten. Der General Lambert, ein ehemaliger Rechtsanwalt, war der Mann, welcher nach Cromwell den meiſten Einfluß gehabt batte. Er

wünſchte ſpäter Cromwell's Nachfolger im Protectorat zu ſein , und zur Zeit des Abfalls von Monk zog er gegen dieſen General. Aber er wurde gefangen , zum Tode verurtheilt , dann mit dem Leben begnadigt und nach Guerneſey verwieſen. Aber ſchon zu der Zeit , von der wir jeßt ſprechen , hatte Lambert den ehrgeizigen Plan , ſich an Cromwell's Stelle zu ſeßen , und zu dieſem Zweck wurde eine Verſchwörung angezeddelt. Leute ſeiner Partei ſollten dem Protector in Whitebal eine Bittſchrift überreichen. Während er ſie läſe , ſollten ſie über ihn herfallen und durch ein Fenſter des Palaſtes, das nach der Themſe ging , ihn hinab ſtürzen ; dort

ſollten andre Perſonen bereit ſtehn , um ihn in einer Decke aufzu fangen , damit die Verſchwornen , wenn er im Fallen das Genick

nicht gebrochen , ihn eiligſt in einem bereit gehaltenen Fahrzeug ent führen könnten , um ihn nach den Umſtänden zu tödten oder am

Leben zit erhalten. Darauf ſollte Lambert eingeſeßt werden. Dieſe Verſchwörung wurde ſo geheim angezeddelt, daß ſie auf dem Punkte

ſtand, ausgeführt zu werden , bevor der Protector Kenntniß davon hatte. Nur zufällig hörte der Obriſt Hutchinſon davon ſprechen ; Oliver wurde ſofort von der Gefahr , in der er ſchwebte, benach: richtigt, und ſo entging er ibr.

Inmitten aller dieſer Verſchwörungen war Cromwell's Muth und Mäßigung gleich merkwürdig. ,, Da er erfahren hatte " , ſagt der Biſchof Burnet , ,, daß mein Vater des Rufes großer Frömmig

keit und Rechtſchaffenheit ſich erfreute, ſo bat ihn der Protector um die Annahme einer Richterſtelle, obgleich er ihn als einen König lichen kannte. Er bat ihn nur , nichts gegen ſeine Regierung zu

221

unternehmen, verlangte aber keinen Eid. Mein Vater ſchlug dieſes Anerbieten auf eine feine Weiſe aus und lebte fort , ohne nur im

Geringſten beunruhigt zu werden. Als Overton , einer von Crom well's General-Majoren und eifriger Republikaner " , fährt der Bi fchof fort , „ nach Aberdeen , wo wir damals lebten , gekommen war,

um einige Zeit daſelbſt zu wohnen, fanden ſich mein Vater und er oft zuſammen ; und insbeſondre brachten ſie gegen zwei Stunden in einem Zimmer eingeſchloſſen zu , in der Nacht, als man von Cromwell den Befehl erhielt , Overton feſtzunehmen. Howard , ſpä

ter Graf von Carlisle , war zur Unterſuchung der von Overton und andern in Schottland geſchmiedeten Complote abgeſchickt wors

den , und hatte Kenntniß von dieſer langen geheimen Unterredung. Als er aber den Charakter meines Vaters kennen gelernt hatte, kümmerte er ſich nicht weiter um die Sache und ſagte, es verdrieße Cromwelln , wenn rechtliche Männer auf irgend eine Weiſe beun

ruhigt würden. Dieſe Mäßigung trug außerordentlich zur Berubi gung der Gemüther wegen Cromwell's bei. " *) Dieſer kannte jenen ſchönen Grundſaß der Schrift :

So dei

nen Feind hungert , ſo ſpeiſe ihn ; dürſtet ihn , ſo tränke ibn. Wenn du das thuſt, ſo wirſt du feurige Koblen auf ſein Haupt ſammeln. Laß dich nicht das Böſe überwin

den,, ſondern überwinde das Böſe mit Gutem. Welche Anweiſungen ertheilt er ſeinem Sohne für dieſes ſchreckliche Irland, wo ſich die hartnädigſten Feinde der Republik fanden ? Wir haben

es geſehn : Geduld , Mäßigung , Liebe, ſelbſt gegen die, welche für ihn ganz entgegengeſepte Gefühle begen : das iſt das Geſet ,

welches er ſeinem Stellvertreter vorſchreibt. Kein Haß, keine Rache! Gerade das Gegentheil ; Heinrich ſoll ſuchen die Herzen zu gewinnen.

Seitdem das Chriſtenthum dieſe erhabenen Grundſäße in der Welt verkündet, hat man nicht oft Regierer von Ländern ſie in dem Grade üben ſeyn , als der Protector es that.

*)

Burnet , Own Times , p . 112 .

222

Nichts deſto weniger ſind wir weit entfernt, unſern vollen Beifall dieſer Art von Religion zu ſchenken , die damals in England

herrſchend wurde. Es lag in ihr ein Uebel , das ſich überall mer ken ließ , und wir müſſen es ein für alle Mal bezeichnen :

Die

Religion war zu ſehr mit der Politik vereinigt. Wir ſympathiſieren weder mit dem , was man damals die Staatsreligion nannte , noch was man die Religion des Volkes nennen könnte.

Dieſe beiden

religiöſen Formen litten an demſelben Uebel , obſchon in entgegen geſeßtem Sinne. Der biſchöfliche oder amtliche Proteſtantismus ſtand in inni gem Verein mit dem politiſchen Grundſaß von der unumſchränkten Gewalt der Krone. Es beſtand zwiſchen der millkührlichen Monar

chie und Laud's Episcopat ein Vertrag .und wechſelſeitige Verpflich tung. Daraus entſprang für das unabhängige und volksthümliche Chriſtenthum ein gleichartiges Uebel.

Man ſah es fich mit der

parlamentariſchen Gewalt und der Freiheitsparthei vereinen . Die Politik vermiſdite ſich mit der Religion :

Die Generalmajore was

ren , wie wir ſoeben geſehen haben , eine Art von Biſchöfen. Dieſe zwei weltlichen Bünde übten einen ärgerlichen Einfluß

auf den doppelten Proteſtantismus Englands. Wenn ein religiö ſes Syſtem ſich in den Dienſt eines politiſchen begiebt, ſo verliert

es gerade dadurch ſeine hohe Bedeutung , ſeine Freiheit , ſein Leben ; es verkrüppelt und verfällt dem Zwange und der Dienſtbarkeit. Das lebendige Chriſtenthum entwickelte ſich keineswegs in der Bes feſtigung (établissement) , wie man es von einer Kirche hätte er warten können , die Männer wie Latimer und Ridley zu den ihrigen gezählt hatte. Der Staatscultus ſchloß ſich im Gegentheil Formen und einem Gepränge an , der ihn einigermaßen dem Königthum näherte. Ein ähnliches, obgleich dem Anſcheine nach ganz entgegen

geſeptes Uebel fand ſich in dem unabhängigen Chriſtenthum .

Die freie Entwickelung, welche immer die evangeliſche Kirche kenn zeichnen ſoll, fand ſich da gehemmt. Statt deſſen hatte man ohne Zweifel ein wahrhaftes , achtungswerthes Chriſtenthum , aber ein

ſolches, in welchem ein jüdiſcher und geſeßlicher Geiſt zu ſehr herrſchte ; man hatte ein puritaniſches Formelweſen, eine gewiſſe

223

bibliſche Ziererei in der Sprache und in allen äußeren Erſchei nungen und Formen. Dieſe Schuld iſt von weltlichen Schriftſtellern übertrieben , und ſelbſt die echte Frömmigkeit durch ſie lächerlich gemacht worden. Eine große Anzahl derer , welche dieſe unechte Farbe trugen , insbeſondere der vortreffliche Oliver, waren aufrich

tige , lebendige Chriſten , aber dieſe Färbung verunſtaltete dennoch die Schönheit ihres Chriſtenthums. Ja noch mehr; unter dieſem von den Chriſten des. 17. Jahrhunderts angenommenen Modelleide

konnten Manche , deren Herz nicht wiedergeboren war , ihre Bosheit bisweilen verſtecken und Unrecht begehn.

1

Das von uns bezeichnete

Uebel war ein Flecken auf einem ſchönen Kleide. Leichtfertige und weltliche Schriftſteller haben , durch dieſen ärgerlichen Fehler zurück geſtoßen , das Kleid ſelbſt verwerfen wollen. Was uns betrifft, wir möchten den Flecken wegbringen , aber ſeinetwegen das weiße

Gewand , welches er verunſtaltet, nicht verachten. Die Romanſchreiber haben ſich auf Koſten der Puritaner luſtig

gemacht, und das große Publikum, das ſeine Geſchichte aus Roma nen lernt , hat ſich von ihnen die ſeltſamſten Vorſtellungen gemacht. Aber ernſtere Schriftſteller unter unſern Zeitgenoſſen haben den Albernheiten , mit welchen man lange Zeit Europa unterhalten , ihr

Recht widerfahren laſſen. Kunſtrichter ſogar , die von Vorurtheilen gegen Männer erfüllt ſind, welche von ihnen als die jeßigen Puri.

taner angeſehen werden , haben denen des 17. Jahrhunderts glän zende Gerechtigkeit widerfahren laſſen. „ Die Puritaner," ſagt einer von ihnen , „ſind vielleicht die merkwürdigſte Gattung von Men ſchen , welche die Welt jemals erzeugt hat. Was etwa lächerlich und widerwärtig in ihrem Charakter war , das fand ſich auf der Oberfläche. Jeder konnte es ſehn , und es hat nicht an hämiſchen

und aufmerkſamen Beobachtern gefehlt, die es aufgezeichnet haben. Die Puritaner waren der ganzen Zügelloſigkeit der Preſſe und des Theaters in einer Zeit ausgeſeßt , wo das Theater und die Preſſe ſehr zügellos waren . Aber nicht in der Schule der Spötter lernt

man die Philoſophie der Geſchichte. Wer dieſen Gegenſtand ſtudiert, muß ſich vor dem Einfluß dieſer mächtigen Waffe des Lächerlichen

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in Acht nehmen , der ſchon ſo viele ausgezeichnete Schriftſteller irre geführt hat *).

Die Puritaner waren Männer, welchen die tägliche Betrachtung des höchſten Weſens und der ewigen Angelegenheiten einen beſon

dern Charakter aufgeprägt hatte. Nicht zufrieden in allgemeinen Ausdrücken die Wirkſamkeit einer Vorſehung anzuerkennen, ſchrieben ſie jedes Ereigniß dem Willen jenes allerheiligſten Gottes zu , für deſſen Macht nichts zu groß , für deſſen Aufmerkſamkeit nichts zu klein . Ihn erkennen , ihn dienen , ihn beſißen , war für ſie der hohe Zweck ihres Daſeins. Sie verwarfen mit Verachtung jene

ceremonielle Huldiging , welche andre Secten an die Stelle einer rein geiſtigen Anbetung ſepten. Anſtatt einige zufällige matte Strah

len zu erfaſſen und die Gottheit durch halb zu ſehn , tſachteten ſie darnach Glanzes mit feſtem Auge zu betrachten zu Angeſicht in Gemeinſchaft zu ſtehn. irdiſcher Auszeichnungen .

einen dunkeln Schleier nur die Fülle ihres blendenden und mit ihr von Angeſicht Daher kam ihre Verachtung

Die Entfernung zwiſchen den Größten

und Kleinſten unter den Menſchen ſchien ihnen im Vergleich zu dem unbegrenzten Zwiſchenraum zu verſchwinden , welcher das geſammte

Menſchengeſchlecht von Dem trennt , auf welchen ihre Augen beſtän dig gerichtet waren . Es gab für ſie keinen andern Anſpruch auf

Ueberlegenheit , als ſeine Gunſt, und ihres Beſiges verſichert, ver achteten ſie alle Vollkommenheiten und Sürden der Welt.

In einem Puritaner gab es zwei Menſchen ; der eine war de: müthig, bußfertig, erkenntlich , leidenſchaftlich; der andere ſtolz, ruhig , unbeugſam , voller Scharfſinn. Er warf ſich in den Staub vor ſeinem Schöpfer , aber ſeşte ſeinen Fuß auf den Hals ſeines

Königs. In der Einſamkeit ſeines Zimmers betete er unter Zit tern , unter Thränen und Seufzern . Wie Fleetwood rief er mit

kummervollem Herzen, daß Gott ſein Antlig vor ihm verberge. * ) Ecco il fonte del viso , ed ecco il rio Che mortali perigli in se contiene ; Hor qui tener a fren nostro desio, Ed esser cauti molto a noi conviene .

225

Aber wenn er ſeinen Siß im Staatsrath einnahm , oder ſich das Schwert für die Schlacht umgürtete, konnte man nicht mehr die geringſte Spur von den Stürmen ſeines Innern unterſcheiden. Wer nur ihre unfreundlichen Geſichter ſah , nur ihre øymnen oder ihre Seufzer hörte , konnte auf ihre Unkoſten lachen ; aber

zum Lachen fühlte ſich nicht verſucht , wer ihnen im Ständeſaal oder auf dem Schlachtfelde begegnete. Dieſe ,, Fanatiker brach ten zu bürgerlichen und militäriſchen Angelegenheiten ein ruhiges Urtheil, einen unveränderlichen Entſchluß , den manche Schriftſteller als unvereinbar mit ihrem religiöſen Eifer betrachtet haben, der aber im Grunde die nothwendige Folge davon war. Die Lebhaf tigkeit ihrer Gefühle für einen einzigen Gegenſtand machte ſie ruhig für alle andern."

(Macaulay Eſſays I , 49--52 .)

Wir würden nur unvollkommen unſre Aufgabe vollendet zit

haben glauben , wenn die Ehrenrettung Cromwell's nicht die der

Puritaner zur Folge hätte . Gleichwohl werden wir ihre Schwächen anerkennen. In dem großen Kampfe zwiſchen den Puritanern und den Stuarts ſind zwei Dinge für jene bezeichnend. Von der einen Seite war es ein erhabner Grundſaß der Frei

heit und chriſtlichen Wahrheit , für deren Triumph die Puritaner kämpften , und das erheiſcht unſre Bewunderung. Aber von der

andern Seite kann, wie man weiß , der Roſt ſich an das edelſte Schwert anſeßen. Wird das Chriſtenthum in den Dienſt einer po litiſchen Idee gebracht, ſo nimmt es , wie wir geſehn , etwas Be ſchränktes und Geſuchtes an. Nun aber erzeugten dieſe zwei Ele ein jedes ſeine Frucht. Das mente , das gute , wie das böſe gute erzeugte jene bürgerliche und religiöſe Freiheit, jene politiſchen und chriſtlichen Einrichtungen , welche der Ruhm Englands find, .

und die in unſern Tagen zu einer immer ſchöneren Entwickelung berufen ſind. Das böſe , der Roſt des Schwertes , das beſchränkte und geſegliche Formelweſen , führte in Folge des Gegendruckes das

Gegentheil herbei, nemlich eine Freigeiſterei ohne Leben , eine in der Religion übertriebene Freiſinnigkeit, eine beklagenswerthe Er ſchlaffung der Sitten.

1

226

Der menſchliche Geiſt, der zugleich des übertriebenen Purita: nismus und des amtlichen Chriſtenthums überdrüſſig und durch die Parteikämpfe zurückgeſtoßen war, der weder die knechtiſchen Formen einer Staatsreligion noch den Fanatismus der Secten wollte, ſuchte eine andre Atmoſphäre , wo er leichter athmen konnte, und man

ſah die Freidenker in einen Unglauben ſich ſtürzen , der , ernſt in England , in Frankreich in einen niedrigen Materialismus um ſchlug.

Glücklicherweiſe waren die Folgen des Uebels nur vorüberge: bend , während die des Guten dauernd ſind.

Aufgefordert das Gemälde des Chriſtenthums in England wäh rend der Revolution wieder vor Augen zu führen , glaubten wir es gegen ungerechte Vorwürfe vertheidigen zu müſſen , aber ficherlich

nicht, um es unſerm Jahrhundert als ein untadelhaftes Muſter darzuſtellen. Unſre Zeit ſoll aus den heilſamen Lehren der Ver gangenheit Nußen ziehn. Wir bedürfen eines beſſern , freieren Chri

ſtenthums, das evangeliſcher, weiter , geiſtiger, erleuchteter, fittli 1

cher iſt, und ſich von jedem politiſchen Vorurtheil frei gemacht hat. Möge uns Gott daſſelbe ſchenken !

Zehntes Kapitel . Religiöſe Freiheit. Milton an Cromwell.

Cromwell'8 Rolle in Betreff der

religiöſen Freiheit. - Widerſtand gegen den politiſchen und reli . Religion gegründet und Freiheit. Kämpfer für die Trennung der Kirche und des Staates .

giöſen Radicalismus.

Ein Mil Die beiden

Cromwell's Syſtem über religiöſe Freiheit. Ratholicität des Protectors. widtigen Angelegenheiten. ton.

Mayor. Georg For und Cromwell. Die römiſchen Katholiken. ich öflichen.

Cromwell und die Bi Der Die Juden. Eine Ges Principia vita e. Staat und der Proteſtanti8 m 118 . Rathe Wirkſame Weiſe das Evangelium zu verbreiten. fabr Der Staat und die Kirche. – Die Kirche und das drale von Ely. Volk.

Die Arbeiten Cromwell's beſchränkten ſich nicht auf Geſtaltung

der Kirche und des Staates. Er that mehr noch. Er wurde ein Werkzeug in der Hand Gottes , einen neuen , bis dahin gänzlich verkannten Grundſag in die Welt einzuführen. Der große Barde Englands richtete damals folgendes Gebet an ihn in ſeinen melo diſchen Geſängen : To Oliver Cromwell. Cromwell , our chief of Men >, that thro? a cloud Not of war only , but distractions rude,

Guided by faith and matchless fortitude, To peace and truth thy glorious way hast plough'd, And on the neck of crowned fortune proud Hast rear'd God's trophies, and his work pursued, While Darwen streams with blood of Scots imbrued, And Dunbar fields resound thy praises loud,

1

228

And Worcester's laureate wreath . Yet much remains Peace has her victories

To conquer still.

an war .

No less renown'o

New foes arise

Threatening to bind our souls in secular chains : Help us to save free conscience from the paw Of hireling wolves , whose Gospel is their maw. *)

Cromwell bedurfte dieſes Aufrufs nicht. Ohne Zweifel ſtellte ſich ihm die Frage der religiöſen Freiheit unter anderem Geſichts

punkte dar , als unſern Zeitgenoſſen . Sie hat jegt etwas mehr Abſtractes und Abſolutes. Die Liebe zur Wahrheit war in Crom wells Herzen lebendiger noch als die Liebe zur Freiheit.

Nichts

deſtoweniger wußte er fremde Ueberzeugungen zu achten. Dieſe Grundſäße waren damals ſehr nothwendig. Die Mitglieder des Parlaments , traurige Nachfolger der Hierarchen , hatten die Unter drückung dieſer „ neuen , Gewiſſensfreiheit genannten Keßerei“ verlangt und Sorge dafür getragen. gentheil.

Cromwell that das Ge

*) Milton , Poetical Works , II , p . 346 . Haupt unſrer Männer, Cromwell , der durd, eine Wolfe Von Schlachten , wie von Aufruhr, in dem Volke

Boshaft erregt , Dir glorreich eine Gaſſe Gefurchet haſt , geführt auf dieſe Straße Vom Glauben und vom Muthe ohne Gleichen, I

Um Frieden und die Wahrheit zu erreichen. Der auf gekrönten Reichthums Nacen haſt geſtellt

Stolz Gottes Siegeszeichen troß der argen Welt, Und haſt ſein Werk betrieben , während wind und todt Der Schotte färbte Darwen's Fluthen roth, Auf Dunbar ' & Feldern laut Dein Lob ertönte, Und Worceſter's Lorbeer Deine Stirne krönte. Doch ſind der Kämpfe viel Dir noch beſchieden ;

Ruhmvolle, wie der Krieg , hat Siege auch der Frieden. Hilf uns , zu retten aus der Miethlings - Wölfe Rachen, .

Sie , deren Bauch ihr Gott und Evangelium ,

Die Heiligen , die gottgeweihten Sachen , Und der Gewiffen freies Heiligthum .

229

Die herrſchende Leidenſchaft des Protectors war die religiöſe Freiheit.

Sie zu gründen , war vor Allem ſein Werk.

Unter allen

Männern der vergangenen Jahrhunderte und des gegenwärtigen hat keiner ſo viel wie er dafür gethan. Unter den proteſtantiſchen Nationen hat ſie beinahe triumphiert und wartet ſehnlichſt auf ihren Triumph unter den Nationen des römiſchen Glaubens; und

nächſt Gott ſind weſentlich dem Protector die Gewiſſen der Men ſchen zu Dank verpflichtet. Oft geſchieht es, daß die, welche am eifrigſten die Freiheit predigen , ſo lange ſie in der Opoſition ſtehn , kaum daß ſie zur Gewalt gelangt ſind , ſich ihrer zur Unterdrückung der Freiheit Andrer bedienen.

Bei Cromwell war das nicht der Fall. Oft auch

wenn die Sache der Freiheit triumphiert , übertreiben ſie ihre An hänger und ſtürzen ſich in thörichte Lehrgebäude von Gleichheit und Gütergemeinſchaft. Cromwell war von dieſen zwei Klippen gleich weit entfernt.

Man findet in den Reden des Protectors Worte

von bewundernswerther Weisheit über die übertriebenen Ausſchwei fungen der Köpfe in weltlichen wie in geiſtlichen Dingen . Niemand äußerte ſich ſo kräftig als er über die von Grund aus zerſtörenden und gleichmachenden Grundſäße , welche jeden fittlichen und geſell ſchaftlichen Unterſchied umſtürzen wollen.

Er wußte, es ſei eben ſo

Leicht ein Schiff ohne Bauholz zu haben , einen Leib ohne Anochen , Gebirge ohne Felſen , als eine Nation ohne Obrigkeit und Ge horſam .

„ Welchen Anblick gewährten damals unſre Angelegenheiten in Betreff des Wohles der Nation ? " ſagt er in ſeiner zweiten Parla mentsrede * ). „ Wir hatten Gleichmacher, welche die menſchlichen Unterſchiede, Obrigkeiten, Rang und Stände der Menſchen , ſo, wie man ſie ſeit Jahrhunderten in England gekannt hat , verkennen

wollten. – Ein Adeliger , ein Vornehmer, ein Freiſaſſe ...., dieſe Unterſchiede gewähren der Nation einen großen , einen heilſamen

Vortheil. Iſt nicht die natürliche Obrigkeit dieſes Volkes faſt unter

*)

Parl. Hist. XX, 318. Lettres et Discours , III , p. 26. 30.

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die Füße der Verachtung und des Spottes von Menſchen getreten worden , welche die Grundſäße der Gleichmacher theilen ? Ich bitte Euch dringend , euch zu Gunſten menſchlichen Ranges, menſchlicher Stände auszuſprechen , denn dieſer gleichmachende Grundſaß zielt auf Zurückführung aller Menſchen zu derſelben Gleichheit.“

In den geiſtlichen Dingen beklagt ſich Cromwell ebenſo über dieſelbe von Grund aus zerſtörende Richtung , und tritt einem frü hern Uebel entgegen , dem Episkopat und dem Papismus .

,, Der

frühere Gegenſaß , der , unter welchem wir gelitten haben , beſtimmte, daß kein Menſch predigen dürfte , welch günſtiges Zeugniß er auch von Allen erhalten , welche Gaben ihm auch Jeſus Chriſtus geſchenkt

haben möchte, wofern er nicht geweiht wäre. Jeßt kommen wir auf einen andern Gegenſat: Mehrere behaupten , daß der Geweihte

gerade dadurch eine Ungültigkeit im Dienſte Gottes bekommt , und von da an einen widerchriſtlichen durch ſeine Berufung aufgeprägten Charakter , ſo daß er weder predigen noch gehört werden darf." Man ſieht , es giebt nichts Neues unter der Sonne. Jene ſonder: baren Forderungen der religiöſen Gleichmacher des 17. Jahrhun

derts finden ſich bei einer Secte unſrer Tage wieder, die mehrere von ihren Eingeweihten als eine neue Entdeckung betrachten . " *) Dieſe weiſe Feſtigkeit, mit welcher Cromwell die Gegenfäße in

einer Zeit bekämpfte , wo ſie ſo mächtig , und die wahren Grund fäße der Freiheit noch keineswegs allgemein anerkannt waren , ver

dient gerechte Bewunderung. Seine Gegner ſogar haben das ge: fühlt. Der gekrönte Dichter Southey , ein eifriger Biſchöfli cher, ein Gegner der Republik , der die heillofe Wiedereinſeßung Karl's II. als ein Glück für England anſieht, ſagt in ſeinem

Buche von der (anglikaniſchen) Kirche: „Cromwell befreite das Land von der presbyterianiſchen Unduldſamkeit, und bändigte die Fanatiker , welche Chriſtum als König ausrufen wollten und ſich anmaßten, inſofern ſie ſeine Heiligen , das Land unter ſich zu

*) Die Brüder von Plymouth.

231

theilen. Es bedurfte der ganzen Kraft Cromwell's , um ſo den Geiſt des politiſchen und religiöſen Fanatismus zu unterdrücken .“ *) Vielleicht iſt dieſer Eifer Cromwell's um ſo merkwürdiger, als er nicht ſo weit wie einige ſeiner Freunde ging , nemlich zur Tren nung der Kirche und des Staates. Obgleich er ſich in ſeiner drit ten Rede zur Lehre von einer Staatsreligion bekennt , fordert er doch mit Nachdruck Gewiſſensfreiheit für Alle zurück. „ Wenn die höchſte Behörde ſelbſt Gewiſſensfreiheit hat , und die Bedürfniſſe des eignen Gewiſſens befriedigen darf, indem ſie das Kirchenregi ment einführt, welches ſie für das beſte hält , warum ,“ ſagt er, „ ſollte ſie nicht dieſelbe Freiheit Andern gewähren ? Die Gewiſſens freiheit iſt ein natürliches Recht. Wer es für ſich haben will, ſoll es auch den Andern laſſen . Man hat dieſen Grundſaß verkannt, und das iſt eine von den hauptſächlichſten Nichtigkeiten unſrer

Kämpfe geweſen. Jede Secte hat geſagt : O , gebt mir die Frei I

heit !

Aber , - gebt ſie ihr , - und , ſobald ſie dieſelbe beſißen

wird , wird ſie Andern ſie nicht geben. Wo iſt hier unſre Aufrich tigkeit ? Gewiſſensfreiheit iſt ein Gut , was gegenſeitig ſein muß.

Ich darf behaupten , meine Herrn , alle Schäße dieſer Nation wä ren nicht im Stande geweſen zu dem Kampfe , welchen ſie gekämpft haben , die Männer zu verpflichten , welche ihr Blut für das Va

terland vergoſſen haben , wenn ſie nicht Gewiſſensfreiheit zu erhal ten gehofft hätten , eine Freiheit ſchöner als die , welche der Epis:

kopat ihnen bewilligt, oder die engliſchen oder ſchottiſchen Presbyte rianer ihnen gewährt hätten. Ich wiederhole es , die religiöſe 1

Freiheit iſt die Grundlage der Dinge. Sie muß es ſein ; das bleibt

eine Wahrheit für uns und für die künftigen Geſchlechter. Wenn die Behörde dem Volke eine Religion aufdringt, auf eine unum ſchränkte Weiſe, ohne Freiheiten und Ausnahmen von der Regel zu geſtatten , ſo wird ſie das Volk in die Wüſten treiben. So ſind arme und bekümmerte Menſchen verbannt worden , die ihre Güter verlaſſen , das Erbe geopfert haben , in deſſen Schooße ſie bis da

* ) Southey , Book of the Church , p. 508.

232

bin in Wohlſtand und Ueberfluß gelebt hatten , und die, um die Freiheit zu genießen , zur Flucht in eine weite, ſchreckliche Wüſte genöthigt worden ſind, nach Neu - England , wo ſie ſich aller Be: quemlichkeiten beraubten , weil ſie den Berluſt ihrer Freunde und die Verſeßung in Noth und Elend geringer achteten als den Sturz

in die Schlingen und Banden der Ungerechtigkeit." *) Warum hielt aber Cromwell , troß ſeiner Vertheidigung der

religiöſen Freiheit , den Grundſaß einer beſondern Staatskirche auf: recht?

Man hat geglaubt, er habe das als Staatsmann gethan,

weil er die Staatsgewalt nicht aller Leitung in den religiöſen An gelegenheiten berauben wollte, die einen ſo großen Einfluß auf ein Volk ausüben. Der Doctor Wilkins, ſpäter Biſchof zu Cheſter, der Cromwell's Schweſter heirathete , ſagt zu zil Burnet, daß kein

weltliches Regiment feſt gegründet werden könnte , wenn es nicht durch eine National- Kirche geſtüßt wäre. In den ſoeben ange führten Reden giebt uns Oliver einen andern Beweggrund.

„Um

die Bedürfniſſe ſeines Gewiſſens zu befriedigen ,“ ſagt er , „ ſoll die oberſte Behörde das Kirchenregiment gründen können , welches ſie für das beſte hält." Vielleicht vereinigten ſich beide Beweg gründe in Cromwell's Kopfe. Die Lehre von der vollſtändigen Trennung der Kirche und des

Staates fand damals andre berühmte Vertheidiger. Der Secretär des Protectors , der große Dichter Englands, war im 17. Jahrhun dert ihr fühner Verfechter. Milton glaubte , der Staat dürfe ſich 1

nicht in die religiöſen Angelegenheiten miſchen. Er ſagt in ſeiner durch Herrn Sumner , gegenwärtigen Biſchof von Wincheſter , her:

ausgegebenen Abhandlung über die chriſtliche Lebre : „ Wer glaubt , es bedürfe der Waffengewalt der Obrigkeit zur Regierung der Kirchen , der würdigt die Macht der Kirche herab und mißtraut ihr.“ **) Der große Dichter hat ſeine Anſichten darüber beſon: *) Parl. Hist. Lettres et Discours , III ,

68 .

** ) Derogant ita multum potestati Ecclesiae atque diffident.

( J. Mil

toni De doctrina christiana libri duo post humi. Edid . Carol. Ricard . Sumner. A. M. p. 371.)

233

ders dargelegt in ſeiner Abhandlung über die bürgerliche Gewalt in geiſtlichen Sachen , und in ſeinen Betrachtungen

über die beſten Mittel die Miethlinge aus der Kirche zu entfernen , wo die Frage über die Schicklichkeit der Beſoldung der Geiſtlichkeit behandelt wird. Vier Gründe ſtüßen nach ihm ſeinen Saß auf unumſtößliche Weiſe. Der erſte Beweisgrund iſt, daß jeder Einzelne das ausſchließliche Recht hat , ſich durch ſich ſelbſt in der Wahl ſeiner Ueberzeugung zu beſtimmen ; der zweite beruht auf der durchaus geiſtigen Natur des Chriſtenthums; der

dritte wird aus den Folgerungen gezogen , welche die chriſtliche Freiheit mit ſich bringt; der vierte entſpringt aus dem Schaden oder der Gefahr eines Verfahrens der bürgerlichen Gewalt in geiſt lichen Dingen , ſelbſt wenn dieſe Gewalt eine ſchüßende iſt. Milton begnügte ſich nicht mit der Verabfaſſung von Abhand lungen ; er forderte vom mächtigen Protector die vollſtändige Un abhängigkeit der Kirche. „Wenn Ihr die Kirche der Kirche über laßt ," ſagt er zu ihm , , ſo wird Eure Weisheit Eure Laſt und die der Behörden um die Hälfte , und zwar um eine Hälfte, die Euch fremd bleiben ſoll, vermindern. Ihr werdet nicht geſtatten, daß zwei ſo verſchiedene Gewalten , die bürgerliche und die geiſtliche, eine ehebrecheriſche Verbindung mit einander eingehn. Wenn Ihr alles Gewaltthätige aus der Kirche entfernt, ſo werdet Ihr verhindern, daß dieſe beiden Gewalten , obgleich ſie ſich wechſelſeitig durch falſche und verkehrte Hülfsleiſtungen zu kräftigen ſcheinen , in der That ſich erſchüttern und am Ende zerſtören. Das Gewaltthätige wird nie aus der Kirche entfernt werden , ſo lange es da Geld ge ben wird : Geld , dieſes Gift der Kirche, dieſe Erſtickung der Wahr

heit , dieſer für die Predigt des Evangeliums ausgezahlte Gehalt. Wenn Ihr es verbannt, werdet Ihr aus der Kirche jene Wechsler

und Krämer treiben , deren Geſchäft fürwahr nicht iſt, Tauben zu verkaufen , ſondern die Taube ſelbſt, welche iſt der Heilige 1/

Geiſt." *) *) Pecunia , Ecclesiae toxicum , veritatis angina , enuntiandi Evangelii eieceris ex Ecclesia nummularios illos , non columbas sed Co. >

merces

17

234

So ſprach Milton , aber er konnte den Protector zur Annahme dieſer fühnen Anſichten nicht bewegen , bei welchen dieſer große Dichter Englands angelangt war, und deren berühmteſter Vertreter er lange Zeit geweſen iſt und noch bleibt *).

Wenn jedoch der Protector das Siſtem der Trennung der Kirche und des Staates nicht annahm , jo zeigte er doch den aus: dauerndſten Eifer zu Gunſten der religiöſen Freiheit. Denkt man

an die Zeit, in der er dieſe lange verkannten Grundfäße ausſprach, ſo kann man ſich einem Gefühl von Bewunderung nicht entziehn . Dliver ſpricht ſich darüber in einer fünften Rede vom 17. Septem ber 1656 aus , wie folgt :

„ Ich werde Euch die Wahrbeit ſagen. Unſre Richtſchnur und

Gewohnheit ſeit dem legten Parlament iſt geweſen , dieſer Nation begreiflich zu machen , daß alle religiöſen Secten, die ſich rubig ver

halten , Gewiſſensfreiheit genießen ſollen. „Wir haben nicht geſtatten wollen , daß man aus der Religion

einen Vorwand zur Ergreifung der Waffen und zu Blutvergießen mache. Alles was darauf zielt , Ränke und Parteien hervorzurufen, werden wir mit Gottes Gnade unterdrücken , wie ſcheinbar auch der Vorwand ſein mag , und wen wir auch als Schuldigen finden

mögen. Ich erkläre , ich bin gegen jede Gewiſſensfreiheit , welche dieſem Grundſaße entgegen ſein wird. 1

„ Aber wenn Männer in Frieden zu ihrer Religion fich beken nen wollen , mögen ſie Baptiſten , Independenten , Presbyteria

ner ſein , darauf kommt wenig an ! - in Gottes Namen , ermun tert ſie!

Beſchüßt ſie , ſo lange als ſie in aller Aufrichtigkeit fort

fahren gegen Gott erkenntlich zu ſein und ihre Freiheit zu dem einzigen Zweck zu genießen, die Forderungen ihres Gewiſſens zu

lumbam , Sanctum ipsum Spiritum cauponantes. » (Milton , Defensio se cunda , anno 1654.)

*) Das Syſtem Milton's iſt ſehr gut von Herrn Alb. Nilliet in Genf bar

geſtellt worden , in den Artikeln des Semeur von Paris unter dem Titel : Un individualiste oublié , in den Nummern vom 18. und 25. Februar, und vom 18. März 1847.

235

befriedigen ; denn man hat es heute ausgeſprochen (in der Predigt, welche der Doctor Owen vor dem Parlament gehalten hat) , das fei insbeſondere der Gegenſtand , für den wir ſo lange gekämpft 1

hätten."

„ Menſchen, welche an Jeſum Chriſtum glauben und dieſem Glau ben gemäß wandeln ; Menſchen , welche an die Vergebung der Sün den und an die freie Rechtfertigung durch das Blut Chriſti glau ben ; Menſchen , welche von Gottes Gnade Leben und dieſer Gnade

gewiß ſind, folche Menſchen ſind die Glieder Jeſu Chriſti und ſein Augapfel. Jedwedem , der dieſen Glauben hat , laßt auch die Form haben , welche er vorzieht. Wenn er ruhig wandelt , ohne denen Unrecht zu thun , welche andre Formen angenommen haben , ſo möge er frei ſein ! Das ſind wir Gott und Chriſto ſchuldig; und wenn ein ſolcher Chriſt ſeiner Freiheit fich nicht erfreut , ſo wird Gott, ja Gott ſelbſt, uns darüber zur Rechenſchaft ziehn !.... " „ Aber wenn ein Maun , der für ſeinen Cultus eine beſtimmte Forin gewählt , die, welche andre Formen gewählt haben , mit Fü ßen treten will; wenn ein Independent zum Beiſpiel fich anmaßt, den zu verachten , zu beleidigen , zu reizen , der nur die Erwachſenen taufen will, ſo werde ich das nicht dulden. Reine Unduldjam keit ! .... Gott ſchenkt uns einen Kopf und ein Herz , um alle

Dinge gleich aufrecht zu halten ! Das iſt meine Handlungsweiſe geweſen. Ich habe einigen Kampf, einigen Tadel zu ertragen ge habt , ſei es von dieſer Seite , ſei es von einer andern . Ich habe 1

geduldig dieſe Vorwürfe getragen ; und durch Gottes Gnade habe ich nicht geringen Erfolg gehabt zu verhindern , daß eine Secte die andre unterdrückte ." *)

Cromwell empfand das Gefühl eines gerechten Stolzes beim Gedanken an dieſe erhabenen Grundſäße der Freiheit , die er in der

Mitte ſeines Volkes gleichſam geſchaffen hatte ; und er erklärte laut

*)

Burton's Diary , I , CLVIII.

Lettres et Dicours , III , p .

220 -- 222 ,

17 *

236

dieſe Aufgabe von Gott, dem er darüber Rechenſchaft ablegen würde, empfangen zu haben. In ſeiner Rede vom 3. April 1657 ſagt er : „Mylords, Ihr ſeid voller Eifer für die zwei größten Gegenſtände geweſen,

die Gott der Welt geſchenkt hat. Der erſte iſt die Religion und der gerechte Schuß , der ihren Bekennern bewilligt werden muß, auf daß ſie alle ihnen gebührende Freiheit beſißen und zu gleicher

Zeit die Wahrheit Gottes erhalten werde.

Ich bitte Gott , ſeinem

Volke nicht anzurechnen , wenn es welche giebt, die nicht hoch ge

nug , was jeßt geſchieht, ſchäßen , und was niemals ſeit der Zeit I

Jeſu Chriſti in derſelben Weiſe geſchehen iſt. Ich werde über dieſe wahrhaft katholiſche Theilnahme ſprechen, welche Ihr für das Volk

Gottes gefühlt habt, und die Euch geneigt gemacht hat, allen denen die Freiheit zu gewähren, welche den Herrn friedlich anbeten , unter welcher äußern Form ſie es auch thun mögen. Das Andere , wo für Ihr geſorgt, iſt die bürgerliche Freiheit und das Intereſſe der Nation , was , obſchon es dem Intereſſe Gottes untergeordnet wer: den muß , dennoch nach dieſem das erſte Gut iſt, welches Gott dem Menſchen in der Welt geſchenkt hat. Wenn man zweckmäßige Sorge

für dieſe bürgerliche Freiheit trägt, ſo iſt ſie ſtärker als ein Felſen, um die andern menſchlichen Intereſſen zu ſchüßen . Solches ift meine Ueberzeugung; und wenn Manche das Intereſſe der Chriſten und das der Nation für zwei verſchiedene Dinge halten , ſo be

wahre mich Gott jemals ſolchen. Einfällen beizuſtimmen . „ Mylords, für dieſe beiden Intereſſen , wenn Gott mich jemals deſſen würdig achtet, bin ich bereit zu leben und zu ſterben. Und

werde ich abgerufen , um vor einem höhern Gerichtshof, als alle irdiſche , Rechenſchaft abzulegen , ſo achte ich dafür , daß ich als ſchuldig verurtheilt werde , wenn fich -nicht findet , daß ich dieſe Güter geachtet und vertheidigt habe.“ *) Niemals vielleicht hat ein Staatsmann eine edlere und chriſt lichere Sprache geführt. Dieſe weite Katholicität , welche der Protector in ſeinen Reden an den Tag legte, verwirklichte er auch * ) Parl. Hist. , XXIII , 161 ; Lettres et Discours , III, 273 , 274.

237

in ſeinem Leben. Er war Chriſt, proteſtantiſcher Chriſt, aber bei feiner Partei ſchlug er ſeine feſte Wohnung auf. Independent aus

Grundſaß, hielt er alle reformierte Kirchen für Theile der allgemei nen Kirche, und mit derſelben Gunſt empfing er die Independenten, Presbyterianer und Baptiften . Seine Kapellane gehörten zu dieſen verſchiedenen Parteien . Dieſe aufrichtige Katholicität des Protecs tors ſtand ſo hoch über ſeinem Zeitalter, daß ſie Herrn Villemain

folgende, ſonderbare Bemerkung an die Hand gab. Wenn man dieſe Parteiloſigkeit Cromwell's für die Cultusform mit dem bren : nenden Eifer vergleicht, welchen er immer erkünſtelt, ſo würde ſie allein zur Entlarvung ſeiner Seuchelei hinreichen . In dieſem fana

tiſchen Zeitalter war der Glaube von Unduldſamkeit nicht getrennt; und wäre Cromwell aufrichtig geweſen , ſo hätte er die Secte, der er folgen wollte, gewählt .“ * ) Da ſieht man , wie man über Cromwell geurtheilt hat. Wir ertappen hier auf der That ſeine blinden Verkleinerer. Sogar ſei ner Tugenden hat man ſich zum Beweis ſeiner Laſterhaftigkeit be dient. Wo ſollte man unter den Menſchen einen Charakter finden, zu deſſen Béfleckung die Geſchichte nicht gelangen würde , wenn ſie eine ſo gehäſſige Methode befolgt ? Ohne Zweifel hat man in dem ſo eben angeführten Fall nicht die Abſicht gehabt, den Protector zu verleumden ; aber heißt es nicht ziemliche Unkenntniß von der Macht und dem Geiſte des Evangeliums zeigen , wenn man wie der be redte Biograph Cromwell's in den angeführten Zeilen ſpricht? Oliver verſagte keinem Chriſten ſeine Bruderliebe , wie fern dieſer auch den kirchlichen Formen ſtand , welchen er ſelbſt anhing. Insbeſondre den Quäkern zeigte er viel chriſtliche Liebe.

Georg For hatte ſich , obgleich er die Schafe ſeines Herrn hütete , religiöſen Betrachtungen hingegeben , und den Fall der Chriſtenheit verkündet , weil er fand , daß die Kirche das Innere

über dem Neußern vergaß ; darauf hatte er ſeine Sendung begonnen. Eine Stimme, die ſich in ſeinem Innern hören ließ, hatte ihn, wie

er glaubte , gerufen , mitten in der Welt der Prediger der Buße *) Villemain , Cromwell , II, p. 200.

238

zu ſein. Demzufolge ſprach er mit Begeiſterung und beſchwor die Menſchen , auf die innre Offenbarung zu hören , eine Offenbarung, die nach ihm die Quelle des Lebens war. Es waren das Meinun gen, die Cronwelln nicht fremd waren. Die Predigten des For regten das Volk auf und es entſprang daraus einige Unordnung im Cultus. Der Quäfer wurde feſtge nommen 1, in's Gefängniß geſteckt, durch die Unterbeamten der Po: lizei von Rerker zu Kerker geſchleppt und oft genöthigt in einer Höhle oder unter dem Sternenhimmel zu ſchlafen. Mitten unter dieſen Verfolgungen fand er ein Mittel an den Protector zu ſchrei ben und ihn um eine Zuſammenkunft zu bitten. Cromwell bewil ligte ſie. Eines Morgens, als man den Protector ankleidete , trat der Quäker ein mit dem Ausruf:: „ Der Friede ſei in dieſem ,, Dank, Georg !" erwiderte Cromwell mild . - „ Ich komme, Dich zu ermahnen “, entgegnete Georg , „in der Furcht Got

Hauſe ! "

tes zu bleiben ; das wird dir die für einen Regenten fo nothwen dige Weisheit von Oben verſchaffen . - Amen !“

,, Er hörte

mich ſehr gern an “ , fährt For fort *) ; ,,ich ſprach mit ihm lange und ohne Furcht von Gott und ſeinen Apoſteln in der Vorzeit, von ſeinen Prieſtern und Geiſtlichen in der Gegenwart, vom Leben

und vom Tode, vom unbegrenzten Al, vom Strahl und vom Lichte, und oft unterbrach mich der Protector mit den Worten : Das iſt

recht gut , das iſt wahr ! Er benahm ſich gegen mich mit viel Mäßigung. Als mehrere Perſonen von denen , die ſich Adlige

nennen, in das Zimmer traten , ergriff er meine Hand und ſagte zu mir mit thränenbefeuchteten Augen : „. „ Beſuche mich wieder. Wenn du und ich eine Stunde zuſammen zubrächten , würden wir

uns ſehr nähern. Ich wünſche dir nicht mehr Uebles, als meiner eignen Seele." Leihe alſo Gott dein Dhr , ſagte ich zu ihm im Weggehn. Der Hauptmann Drury bat mich zu bleiben und mit Oliver's Leibwache zu Mittag zu ſpeiſen . Ich ſchlug es aus, 7/

weil mir es Gott nicht geſtattete."

Mit ſolcher Milde , folcher

Miſchung von Frömmigkeit, Theilnahme und Achtung behandelte das Haupt der Republik die Secten, zu welchen er nicht gehörte. *) Fox, Journal , 1636, Leeds, 265 ; Lettres et Discours, III, 149.

239

Mehrere Quäker jener Zeit überließen ſich großen Ausſchrei

tungen , insbeſondre Nayler , der ſich von ſeinen Anhängern „ die

ewige Sonne der Gerechtigkeit, den Friedensfürſten , den einzigen Sohn Gottes “ nennen ließ ; dem ſeine Schüler göttliche Ehre un ter dem Rufe erwieſen : Heilig , heilig , heilig iſt der Herr der Heerſcharen !

Als das Parlament nach zahlreichen Sißungen den fanatiſchen Quäker, weil er in Briſtol Chriſti Einzug in Jeruſalem nachgeahmt, verurtheilt hatte , wollte Cromwell vermitteln. Er war , wie es ſcheint, über die Gerechtigkeit des gegen Nayler gefällten Urtels ungewiß , und hatte ihn ſchonen wollen. Er richtete daher an das Parlament . folgende Botſchaft: An unſern Freund und lieben Getreuen Sir Thomas Widdrington , Sprecher des Parlaments, zur Mitthei lung an das Parlament. 2

O. , P.

„ Sehr geliebter und ſehr Getreuer , Wir , von unſrer Seite , grüßen Euch. Wir haben das kürzlidy von Eudy ( dem Parlament ) gegen einen gewiſſen James Nayler gefällte Urtel geleſen. Obichon wir den Ges

banken verwünſdien und verabſcheuen, den geringſten Schutz Perſonen zu gewähren oder gewähren zu laſſeh, die derartige Meinungen hegen und derartige Handlungen begehen , oder die ſich mit Verbrechen be

laſten , wie ſie öffentlich dieſem Menſchen Sduld gegeben werden ; jo wünſden dennod, wir , denen das Regiment zum Wohle dieſer Na tionen gegenwärtig anvertraut iſt, da wir nicht wiſſen , bis wie weit ſich die Folgen eines gänzlid, ohne uns eingeſchlagenen Verfahrens erſtrecken fönnten , - wir wünſchen , daß das Haus uns erkennen laſſe, nach welchen Grundjägen und nach welchen Gründen es ver fahren iſt. Gegeben zu Whitehall , d. 25. December 1656. " *) 0

*) Burton , I , 370 ; Lettres et Discours , III, 265.

240

Es ſcheint jedoch Nayler nicht losgeſprochen worden zu ſein. Man betrachtete ihn als einen Gottesläſterer ; und die Freiheit ging

damals nicht ſo weit zu glauben , daß die Gottesläſterer ungeſtraft bleiben dürften. Es wäre gerechter geweſen , in ihm einen Narren zu ſehn. Die Biſchöflichen waren von den weiten und wahrhaft katholis ſchen Geſinnungen des Protectors keineswegs ausgeſchloſſen. Er zeigte gegen ſie Achtung und Wohlwollen , obgleich die von der

Mehrzahl unter ihnen ausgeſprochne Anhänglichkeit an das König thum zu einer gewiſſen Zurückhaltung ihn nöthigte. ,, Der Protec tor “ , ſagt Doctor Bates *) , ein hervorragender Anhänger des Kö nigs und großer Feind Cromwell's, „ der Protector geſtattet in den Familien und Privatverſammlungen den Gebrauch der Gebetbücher;

und wie traurig auch der Zuſtand der Kirche Englands war, man kann nicht leugnen , daß die Biſchöflichen unter ſeiner Herrſchaft

einer bei weitem größern Gunſt und Nachſicht als unter dem Par lament ſich erfreuten. Sie würden ſich deren immer erfreut haben,

wenn ſie nicht durch ihre aufrühreriſchen Praktiken und ihre un aufhörlichen Verſchwörungen gegen des Protectors Perſon und Re

giment dieſen beleidigt und ihre Freiheit bloßgeſtellt hätten. “ Als die Königlichen zu den Waffen gegriffen hatten , erfolgte eine Verordnung vom 24. November 1655 , welche den Dienſt der biſchöflichen Geiſtlichkeit beſchränkte. Der deswegen vom Erzbiſchof Usher und vom Doctor Gauden mit Bitten beſtürmte Protector

verſprach die Zurücknahme der Verordnung , „ wofern die Geiſt lichkeit ſich nicht in Staatsangelegenheiten miſchte ." Als aber Cromwell die Sache vor ſeinen Staatsrath gebracht hatte, war die

ſer der Anſicht, daß die Zurücknahme der Verordnung die Feinde der Regierung ermuthigen würde , und gab ſeine Zuſtimmung nur zu einer Ausſeßung der Vollſtreckung für alle die Geiſtlichen, welche durch ihr Betragen es verdienen würden . Deswegen erlaubte Crom

well das Predigen den biſchöflichen Geiſtlichen, die ſich in ihren *) Neale , II , 624.

:

241

politiſchen Geſinnungen gemäßigt zeigen würden. Der Doctor Pear

ſon , Biſchof von Cheſter, der Doctor Hall, ſein Nachfolger , die Doctoren Ball, Wild , Hardy , Griffith und Andre predigten öffent lich in den Kirchen zu London und in den Provinzen. Der Pro

tector hegte große Achtung für Uſher , Erzbiſchof von Armagh und Primas von Irland , den er oft über Ergreifung der beſten Maß regeln zur innern und äußern Förderung des Proteſtantismus um Rath fragte. Es lag in Oliver kein beſchränkter Bigotismus. Als Uſher in ſeinem 76. Jahre, am 21. März 1655 ſtarb, wurde dieſer Prälat in der Weſtminſter - Abtei begraben, und Cromwell ſchenkte

zit den Koſten ſeines Leichenbegängniſſes 200 Pfd. Sterling. „, Es iſt gewiß “ , ſagt der Biſchof Kennet , „ daß der Protector der Frei heit günſtig war und fie in der größten Ausdehnung für alle Par teien wünſchte , ſo weit es möglich war , ſie mit dem Frieden und der Ruhe ſeiner Perſon und ſeines Regiments zu vereinigen . Wenn er Vorurtheile gegen die Biſchöflichen hatte, ſo war das mehr, weil fie Anhänger des Königs waren , als weil ſie zur guten alten Kirche gehörten ." *) Herr Southey behauptet ſogar , Cromwell habe die biſchöfliche Kirche in England wieder aufrichten wollen . **) Cromwell ging weiter. Wenn er den römiſchen Katholiken entgegentrat, ſo geſchah das nicht ſowohl wegen ihrer Lehren , als weil ſie Feinde der Regierung und Englands waren. Die Jeſuiten /

1

vielmehr als die Katholiken ſtieß er zurück. Hier folgt der Beweg

grund , auf welchen ſeine Erklärung vom 31. October 1655 fich ſtüßt :

Man hat allgemein bemerkt " , ſagt er darin , ,, und man hat dafür beſtimmte Beweiſe, daß die Jeſuiten unter den Mißver

gnügten dieſer Nation ſich befinden , welche jede Regierungsform in Kirche und Staat angreifen. " ***) Cromwell bekannte ſich ſogar zu freiſinnigeren Grundſägen in dieſer Hinſicht als einige Staatsmänner und Geiſtliche der Gegen wart , was folgender Brief zu beweiſen ſcheint. * ) Neale , II , 651 .

**) Book of the Church , p. 509. ***) Neale , II, p. 651 .

242

Oliver Cromwell

an ſeine Eminenz den Kardinal Mazarin. Whitehall, d. 26. December 1656 .

„ Die Verbindlid) feiten und zahlreid)en Beweiſe von Wohlwollen, die ich von Eurer Eminenz erhalten , verpflidyten mich auf eine 3hren Verdienſten angemeßue Weiſe zu antworten. Aber trog meines Wun ſches Ihre Bitte zu berückſichtigen, kann id; es nid )t unter den gegen wärtigen Verhältniſſen ; und id) darf behaupten , daß dieſe Unmöglid keit von meinem Willen gar nidyt abhängt. Angeſichts des Standes

unſrer Angelegenheiten kann id, Ihrer Bitte um Duldung zu Gun ſten der Katholiken Englands nicht willfahren. 3d ſage , daß ich es nicht kann , wenigſtens wenn Sie eine öffentlide Erklärung ver langen. Denn außerdem «glaube ich, daß unter meinem Regiment Eure Eminenz hinſidytlich der Katholiken und der gegen ihre Ge

wiſſen gehandhabten Strenge ſid) zu beklagen weniger Urſache hat als unter dem Parlament. Idy habe Mitleid mit einigen, ſogar mit einer ſehr großen Anzahl gehabt , und zwiſchen den Frommien und

Verſchwörern einen Unterſd,ied gemad )t. Ja , id) kann es freudig und vor dem allgegenwärtigen Gott behaupten , der mir in meinem

Herzen die Wahrheit meiner Verſidherungen bezeugt. Id, habe dieſen Unterſchied gemacht ; idy habe , wie der heilige Apoſtel Juda ſpricht, mehrere aus den Feuer gerüdt , nemlid) aus dem verzehren !

ten Feuer der Verfolgung und Tyrannei, weldie über die Gewiſſen herrſchte und durch willführlidye Gewaltmaßregelu ihren Angriff auf die Güter der Einzelnen ridytete.

Sobald ich gewiſſe Hinderniſſe

und mandie beläſtigende Einflüſje werde beſeitigen fönnen, beabſichtige ich von Neuem auf dieſem Wege fortzuſdhreiten , und mich ſo des Ich Eurer Eminenz gegebenen Verſprechens zu entledigen . ſchließe mit der Verſidyerung , daß Sie midy niemals hinter 3hrer

Erwartung finden werden , ſobald es ſich darum handelt , mid; jo zu zeigen , wie es dem geziemt, der Ihr Bruder und 3hr Verbün I

deter iſt. Ihr Diener Oliver Cromwell. * ) P. "

*) Thurloe V, 735 ; Lettres et Discours , III, 249. ,

243

Man kann nun allerdings behaupten, nicht in öffentlichen Ur kunden dürfe man die geheimſten Gedanken eines Staatsmannes

ſuchen . Aber Cromwell's Handlungen ſtimmen mit den gegen den Kardinal Mazarin ausgeſprochnen Geſinnungen überein. Der Doc tor Harris und Herr Prynne berichten uns, daß er die Strafgeſeke gegen die katholiſchen Prieſter nicht ausführte , daß er ſogar meh rere unter ihnen ſchüßte.

In Betreff der religiöſen Freiheit hätte Cromwell ſogar mehr zu thun gewünſcht ; aber er konnte es nicht. Ein gelehrter portu gieſiſcher, aus Amſterdam gebürtiger Jude , Manaſſe Ben Jsrael, lebte ſeit einiger Zeit in England , von wo die Juden 400 Jahr zuvor vertrieben waren . *) Er hatte ſowohl beim langen als beim kleinen Parlament um die Erlaubniß für die Juden , ſich in Groß britannien niederzulaſſen , gebeten , aber vergebens.

Der Protector

zeigte ſich dieſem Anſuchen günſtig und verſammelte am 12. De cember 1655 in Whitehall einen aus Baronen, Rechtsgelehrten und Geiſtlichen zur Prüfung der Frage feſtgeſepten Ausſchuß. Cromwell ſprach ſich zu Gunſten der Freiheit aus, und niemals, ſagt ein Zeuge, hatte er ſo ſchön geſprochen. „ Da die Bekehrung der Juden in der Schrift verheißen wird “ , ſagt er , „ ſollte da nicht die Predigt der chriſtlichen Religion , wie ſie jeßt in England Statt findet, ſie bewirken können . “ Aber die Mehrzahl des Ausſchuſſes ſprach ſich gegen Cromwell's Vorſchlag aus.

Die Theologen und die Rauf

Leute widerſekten ſich in gleicher Weiſe. Die Juden durften in England nur mit beſonderer Erlaubniß des Protectors fich auf halten. **)

Dliver's Eifer für Gewiſſensfreiheit bietet eine der ſchönſten Seiten ſeiner Geſchichte und der aller Jahrhunderte.

Wo der

Geiſt des Herrn iſt , da iſt Freiheit. Dieſe von Cromwell geſchenkte Freiheit war ein Gut. Sie war jedoch auch von Uebel, weil ſie nicht vollſtändig genug war. Auf der einen Seite wurde die biſchöfliche Kirche zu ſehr gedrückt, von der andern die Kirche *) Unter der Regierung Eduard's I. , im Jahre 1290. P. **) Harl. Miscell , VII , 617 .

244

der Independenten zu ſehr geſchüßt. Dieſer Druck und dieſer Schuß ſchadeten der einen wie der andern . Cromwell entging nicht gänz lich der Klippe ſeiner Vorgänger , nemlich ſeine Partei zu begünſti gen und die der Gegner zu beſchränken . Er that vielleicht Alles, was man vernünftigerweiſe von ihm erwarten konnte. Er befürch

tete , wenn er die Religion ſich ſelbſt gänzlich überlaſſe, ſie möchte durch den Kampf der Secten und Parteien zerriſſen und gleichſam

vernichtet werden ; aber nach einem allgemeinen Saße ſind freie, von dem göttlichen Worte allein beherrſchte Bewegungen für das Gedeihen der Religion nothwendig. Es giebt Gefahren , die einer National - Kirche eigenthümlich ſind ; und die eine ſolche Kirche lieben , vor allem die fie leiten, ſollen ſich bemühen , dieſe Gefahren kennen zu lernen . Die engliſche

Staatskirche war im 16. Jahrhundert und in der erſten Hälfte des 17. dieſen Klippen nicht entgangen , und daher kamen weſentlich

die beträchtlichen Abweichungen , welchen ſie ſich unter Laud's Lei tung überließ. Das Uebel war ſchwer. Unglüdlicherweiſe verfehlte das von Cromwell angewendete Heilmittel zum Theil ſeine Wir kung , weil er ſich ſelbſt von der Krankheit, die er heilen ſollte, er griffen fand. Das verlangt einige Erklärung. Der Staat hatte ſich mit dem Proteſtantismus verſchmolzen. 1

Die Kirchenlehre , die 39 von einem freien und lebendigen Glau

ben erzeugten Artikel hatten eine rechtliche Bedeutung, ein politi ſches Daſein erhalten. Dieſe unter Eduard VI. von Cranmer und

Nidley entworfenen , unter Eliſabeth von der Londoner Synode im Jahre 1562 wieder durchgeſehenen Artikel , waren im Jahre 1571

durch eine Parlaments - Acte ein Staatsgeſet und ein Theil der Verfaſſung Englands geworden. Seitdem beherrſchten ſie die po litiſche, wie die religiöſe Geſellſchaft.

Welches war nun aber der wahre Urſprung des Proteſtantis Etwa eine Parlaments - Acte ? Nein , einem inneren Leben , einer fittlichen Kraft , einer geiſtigen Macht, auf das Jn nigſte mit einander verbunden, batte der Proteſtantismus ſein Ent mus ?

!

-

ſtehen verdankt.

Dieſe brei Grundſtoffe waren die Quellen ſeines

Lebens geweſen . Damit er lebendig bleibe , mußten dieſe drei

245

principia vitae durch das ihm eigenthümliche Leben in ihrer urſprünglichen Thätigkeit erhalten werden. Das geſchah in einzel nen Fällen , aber nicht immer , und oft ſogar gab es ein entgegen geſeptes Ergebniß. În der That ſah man bald eine Gefahr ſich zeigen, an die man nicht gedacht hatte.

Kirche und Staat ſchienen für immer

von der Wahrheit Beſiß genommen zu haben ; man war ſeiner Sache gewiß. Wer hätte der Verſammlung der Kinder Gottes die lebendigen Heilslehren entreißen können ? Sie waren ihnen ja durch die Parlaments - Acte vom Jahre 1571 geſichert. Die Kirche war durch den Staat im Beſit ihrer Glaubenslehren , ihrer Formen,

ihrer Einrichtung, kurz von Allem , was zur Entwicklung ihres re ligiöſen Lebens nöthig war. Die Gleichförmigkeits -Acten von 1562 und 1563 wahrten ihr ſehr reichlich dieſe Güter. Die Krone , das Ober- und Unterhaus , alle drei Gewalten verbürgten ſie ihr. Aber bisweilen , wenn man mit Gewalt einen Schap wahren will, 1

ſeßt man ſich der Gefahr aus ihn zu verlieren. Nicht durch dieſe drei Gewalten hatte ſich der wahre Proteſtantismus gebildet ; das war durch die Kämpfe der Väter geſchehen , durch ihre Bekenntniſſe, durch ihre Schafote, durch das Wort ihres Zeugniſſes und durch das Blut des Lammes ( Offenb. XII , 11 ).

Nun aber :

konnte wohl die koſtbare Frucht dieſer Kämpfe den Kindern auf dem Wege der Nachfolge überliefert werden ? Konnten ſie dieſelbe

erhalten, wie man Ländereien und Häuſer von ſeinen Vorfahren 1

erhält ? Reichten die wilden und blutigen Kämpfe der Reformation hin , daß die durch dieſe frommen Siege gewonnenen Güter ein

gewiſſer und unveräußerlicher Beſig wurden ? Ohne Zweifel konn ten die Proteſtanten in der zweiten Hälfte des 16. und in der erſten des 17. Jahrhunderts Leicht ſich einbilden , daß nach der Zeit des Krieges endlich die Zeit des Friedens (Pred. III, 8) gekommen wäre; nach der Eroberung

der Genuß.

Dieſe Ein

bildung lag in der menſchlichen Natur; aber ſie war nicht weniger falſch und trügeriſch. Was mußte die Folge dieſer Täuſchung ſein ? Das Bedürfniß zu genießen ſtürzt gewöhnlich in eine gefähr liche Sicherheit. Man will befißen , ohne ſich die Mühe zu geben

1

246

zu erwerben ; man will eſſen ohne zu arbeiten , -- und doch hat das Wort Gottes geſagt : So Iemand nicht will arbeiten , der ſoll auch nicht eiſen ( II. Theſi. III , 10 ).

Die chriſtliche

Wahrheit iſt ein einem Wettkämpfer geſchenkter Preis, der ſich nicht ohne einen innern Kampf erwerben läßt ; dieſer allein macht die

Wahrheit in uns lebendig , und macht uns theilhaftig des bimmliſchen Berufes ( Hebr. III , 1 ).

Man beſaß den Epis:

kopat , die Liturgie, die Artikel ; man knüpfte an dieſe Dinge eine übertriebene Wichtigkeit; man legte den Gebräuchen der Kirche eine eigenthümliche und ſchöpferiſche Wirkſamkeit bei , die ſie in fich ſelbſt und ohne den belebenden Hauch des Geiſtes nicht haben. Denn der Wind bläſet wo er will, und du höreſt ſein Sauſen wohl, aber du weißeſt nicht, von wannen er kommt und wohin er fähret. Alſo iſt ein jeglicher, der aus dem Geiſt geboren iſt ( Joh. III , 8 ).

Es giebt von dem Haupte der Kirche eingeführte Mittel, durch die allein das Reich Gottes ſich ausbreitet und erhält. Dieſe Mit tel find weder die biſchöfliche Nachfolge, noch das opus operatum

der Sacramente, noch andre kirchliche Einrichtungen. Man muß treu Gottes Wort predigen ; man muß das Volk unterrichten ; man muß ohne Unterlaß zum Herrn beten ; man muß das Leſen der heiligen Schrift begünſtigen und verbreiten ; man muß in frommen Unters redungen die Köpfe erleuchten und die Gewiſſen überzeugen ; man muß ſich eifrig der Heilung und Tröſtung der Seelen widmen ; man muß das Licht eines chriſtlichen Lebens leuchten laſſen , und durch ſein Beiſpiel die Menſchen geneigt machen , Chriſti Nachfolger zu werden . So iſt der gute Same in die Herzen eines jeden Ge ſchlechtes ausgeſtreut worden ; ſo bringet die Erde zum erſten das Gras , darnach die ehren , darnach den vollen Wei

zen in den Aehren (Mark. IV , 28). So entfaltet ſich das evan geliſche Leben. Eine Kirche dauert nur in derſelben Weiſe fort, I

wie ſie begonnen .

Kein Proteſtant kann dieſe Wahrheiten leugnen ; denn ſie ſind das Weſen des Proteſtantismus .

Cromwell hatte dafür ein ſehr

richtiges Gefühl. Er hatte die geiſtige Kraft des göttlichen Wortes

247

an die Stelle des Gepränges und der mehr oder weniger mechani îchen Gebete feßen wollen, die der Erzbiſchof Laud begünſtigt hatte. Wir werden ein Beiſpiel anführen , das aus der Zeit gewählt iſt, in der er Gouverneur von Ely war. Der hochwürdige Herr Hitch

hielt den Gottesdienſt in der Kathedrale mit allen Formen , welche der Erzbiſchof von Canterbury anempfohlen hatte ; der Gouverneur Cromwell richtete an ihn folgendes Schreiben .

An den hoch würdigen Herrn Hitch in Ely. Ely , 0. 10. Januar 1643.

Mein Herr Hitd), Aus Furcht, es mödyten die Soldaten auf eine unſchidliche und

ſtürmiſche Weiſe die Reformation in der Kathedral - Kirde unterneh men , verlange ich von Euch die Einſtellung des Chordienſtes, der .

ſo wenig erbaulid) und ſo aufreizend iſt; und ich mache Euch für jede Unordnung verantwortlich , die , wenn Ihr es unterlaßt , vor fallen fönnte.

3dy empfehle Euch zu katedyiſieren , die heilige Schrift dem Volke vorzuleſen und zu erklären , indem ich nicht zweifle, das Parlament .

werde Euch durch den Rath der Doctoren - Verſammlung anderweitige Anweiſungen geben. Ich wünſdie auch, daß 3hr häufiger predigt. Euer wohlgewognener Freund, Oliver Cromwell. "

1

Demnach empfiehlt Oliver die Katechiſation , das Leſen und Erklären der heiligen Schrift und häufigere Predigten ; das wünſchte er an die Stelle des Chordienſtes zu feßen. In der That belebt und erbaut man eine Kirche durch ſolche Mittel, und ſelbſt das

Papſtthum nahm zu ihnen ſeine Zuflucht (wenigſtens zu den Ka techismen und Predigten) , wenn es ſich angegriffen fühlte. Aber das Uebel , welches in dieſer Maßregel lag , war , daß dieſer Befehl von einem General, von einem Gouverneur ausging, daß Oliver auf die Anordnungen des Parlaments verwies. Dahin war man in der That gekommen. Der Proteſtantismus war durch die Stimme der Gefeßgebung Landesgeſek geworden , und wie ein

248

Geſeß wurde er anbefohlen. Nun aber kann ein derartiges Geſek kein Leben erzeugen. Das göttliche Geſep ſogar erzeugt es nicht, wie viel weniger ein menſchliches ! Habt ihr den Geiſt em :

pfangen durch des Gefeßes Werke oder durch die Pre : digt vom Glauben ? ſagt der heilige Paulus ( Gal. III , 2 ). I

Die ungeſchickte und rohe Hand der bürgerlichen Gewalt , wenn ſie nach dem Baume des Glaubens greift, wird bewirken , daß manche ſchöne Blüthe herabfällt, wird manchen edlen Aſt abbrechen , aber ſie wird ihm nicht jenen Saft geben, der allein viel Früchte tragen

läßt ( Joh. XV, 5 ). Es iſt ein Einziger , der Leben giebt ; es iſt Der , welcher der wahre Weinſtock iſt, und außer welchem wir nichts erzeugen können. Sogar wenn die bürgerliche Gewalt Gutes zu thun , wenn ſie wahrhaft evangeliſche Einrichtungen zu treffen ſucht, wird der Par

teigeiſt ſich hinein miſchen und einen furchtbaren Widerſtand her vorrufen. Dieſe Erfahrung machte Cromwell oft. „ Ich würde viel zu erzählen haben “, ſagt er , „wollte ich alle die Schwierigkeiten aufzählen , die wir hatten , als wir in Wales

Prediger einſeben wollten, was ich für mein Theil ſehr wünſchte. — Ich würde nicht alle die Leiden nennen können , welche dieſe An gelegenheit dem armen Volke Gottes verurſachte, das von Menſchen

belauert wurde , die reißenden Wölfen glichen , bereit die Lämmer, ſobald ſie zur Welt gekommen, zu zerreißen. Ich denke nur mit Schmerz daran, wie das Parlament dieſe Angelegenheit mit Füßen trat, zur Demüthigung rechtſchaffner Leute und zum Ruhm ihrer Gegner in der ganzen Republik ! " Das Weſentliche für eine Kirche, nach ihrer Vereinigung mit Chriſtus, iſt ihre Stellung dem chriſtlichen Volke gegenüber, find ihre geheimen und dauernden Beziehungen zu den Seelen ; denn das Feld iſt die Welt. Nichts iſt betrübender, als wenn die Kirche das vergißt, und wenn ihre Stellung dem Staate gegenüber Wichtigkeit für ſie erhält. Die Kirche wird ſich dann einbilden,

ihre Pflicht erfüllt zu haben , wenn ſie den Staat in einer ſtrengen Hechtgläubigkeit erhält. Aber was liegt daran , daß das Parlament

der Vorkämpfer des Proteſtantismus iſt, wenn der wahre Proteſtan :

249

tismus , wenn das geiſtige und chriſtliche Leben ſich nicht mehr

unter dem Volke findet ?? Eine Kirche wird dann von weitem blühend , glänzend erſcheinen können. Aber Der , welcher die

ſieben Sterne Gottes hat , wird jenes Wort an ſie richten : Du haſt den Namen , daß du lebeſt, und biſt todt ! (Offen barung III , 1. )

Die Summe deſſen , was wir ſo eben geſagt haben , iſt Fol gendes : Eine National- Kirche iſt nur in Sicherheit, wenn ſie, weit entfernt ſich ihrer Vereinigung mit dem Staate zu rühmen, fich keineswegs auf die Bürgſchaften večläßt , welche die Verfaſſung ihr giebt , und einzig und allein ihr Leben und Gedeihen in der Vereinigung mit ihrem Haupte ſucht und in der Kraft, welche in ihr Gottes Wort und Geiſt entwickeln ſoll, und in der freien und

kräftigen Uebung der geiſtigen und ſittlichen Kräfte eines jeden ihrer Glieder, ſowie der ganzen Gemeinſchaft. Das iſt eine treffliche Lehre für die Gegenwart. Cromwell ging weit hinſichtlich der religiöſen Freiheit , aber noch nicht weit genug. Er hatte Unrecht, wenn er die politiſche Schußherrſchaft aufrecht hielt und ſie einfach von dem Episkopat auf den Independentismus übergeben ließ. Hätte er alle Secten frei gelaſſen , ohne Schuß wie ohne Beſchränkung; hätte der evan geliſche Episkopat insbeſondere fich frei bewegen können : ſo hätte ſich die Religion einfacher und breiter entwickelt, und man hätte

i

wahrſcheinlich jene beſchränkte und gezierte Manier vermieden, jenes Rothwälſch ( cant ) , was die Weltmenſchen ihr oft vorgeworfen haben , bisweilen vielleicht mit Recht. Der Puritanismus hätte einen belebenden Einfluß auf die biſchöfliche Religion ausgeübt, und der Episkopat einen regelnden Einfluß auf den Puritanismus. Und doch hat Cromwell, in Betracht der Zeit, in der er lebte, ein ungeheures Werk in dieſer Beziehung gethan. England ſollte als einen Triumphbogen , ihm jeßt ein Denkmal errichten ,

ha

C

Dem Gründer der religiösen Freiheit. Wir legen dieſen Gedanken denen vor, welche aus dem Wahl ſpruch Canning's und dem Werke Cromwell's Ernſt gemacht haben .

Birici 18

Elftes & a pite l. Sittlichkeit, Ruhm und Antipapismus Englands. Der Der Ruhm Englands. Leben8 quelle Seine Sittſamkeit und Sittlichkeit. Handel. Blake in Malaga. Triumph Großbritanniens. Beidigung der Wijjenidaften. - Gerechtigkeit, Widerſtand gegen Spanien . Antipapismus. Was den Triumph der

Der Staat.

Hof Cromwell's.

-

Stuartå herbeigeführt hatte.

Cromwell's Name.

Der Löwe

aus dem Stamme Fuda.

Der Staat war für Cromwell eine göttliche Stiftung , deren

Erhaltung und Regierung in oberſter Stelle Gott zukomme. Er wollte in ihm nicht, wie ſo Manche , eine rein menſchliche Geſellſchaft

ſehn. Er glaubte nicht, daß der Staat auf ſchlechthin irdiſchen Thatſachen ſich gründe , wie auf Eroberung , auf Verträgen , Ver faſſungen . Den Einfluß derſelben erkannte er an , aber für ihn ſchwebte darüber die Dazwiſchenkunft der Gottheit. Er ging zu weit in einigen Anwendungen dieſes Grundſages. Der Staat iſt eine Stiftung gegen das Böſe. Der Fürſt iſt Gottes Diener, um den Uebelthäter zu ftrafen. Demnach könnte man glauben , Staat und Kirche hätten denſelben Zweck, weil Chriſtus , das Haupt der Kirche, ebenfalls gegen das Böſe erſchie nen iſt,

um der Welt Sünde hinweg zunehmen . Aber

dieſer Widerſtand gegen das Böſe, welcher Staat und Kirche glei cher Weiſe kennzeichnet, ſoll ſich in ganz verſchiedenen Kreiſen er: füllen. Auf ſehr verſchiedenen und ſogar ganz entgegengeſekten Wegen gelangen dieſe beiden großen Geſellſchaften zu dem gemein ſamen Ziele , das ſie ſich vorſeben . Das Gefeß des lebendi gen Geiſtes , der in Jeſu Chriſto iſt, bat mich befreit von

!

251

dem Gefeß der Sünde und des Todes. Durch dieſes Verfah ren unterdrückt die Kirche das Böſe. Nun aber findet ſich hier keine Beziehung zum Schwerte, welches in die Hände des Staats gelegt iſt, zugleich mit dem Zwange, auf welchem Wege er vor ſchreitet.

Aus dieſen fo verſchiedenen Wegen , welche dieſe beiden Geſell ſchaften kennzeichnen , entſpringt eine oft verkannte Regel. Staat und Kirche tragen um ſo ficherer zum Guten bei , das ſie vor Augen haben ſollen , als ihre beiden Wirkungskreiſe gänzlich geſchie den bleiben. Der Staat hüte fich , das erzeugen zu wollen , was nicht in ſeiner Macht ſteht. Die Kirche maße ſich nicht an , das zu thun , deſſen ſie ſich enthalten ſoll. Ebenſo muß der Staat , damit Alles in ihm in Uebereinſtimmung geſchehe, die drei Gewalten rein unterſcheiden , die geſeßgebende , die richterliche, die vollziehende. Ebenſo muß man , auf daß die Nation in Gerechtigkeit und Frieden gedeihe, den Wirkungskreis des Staates von dem der Kirche genau .

unterſcheiden.

Ohne Zweifel bat Cromwell nicht geglaubt , er könne das gei: ſtige Wohlſein der Nation auf dem Wege des Zwanges , der vom Staate ausgeht, vermehren : dazu war er zu aufgeklärt. Jedoch würden wir nicht leugnen können , daß er uns bisweilen als Staatsoberhaupt in Sachen der Religion ſcheint zu weit gegangen zu ſein . Aber eine Wahrheit , von der er die richtigſten Begriffe hatte, ſah er mit großer Klarheit, daß nemlich das Gedeihen und die Macht einer Nation weſentlich auf ihrer Sittlichkeit und ihrem Glauben beruhe. Er begriff richtiger als vielleicht irgend ein Volks oberhaupt, daß ein Volk, wenn es leben und wachſen folle, in ſich ſelbſt eine wahre Lebensquelle , die ſich entwickeln dürfe , beſißen müſſe. Man fängt in unſern Tagen an zu ſehn , was den Natio nen begegnet , wenn ſie ohne das Chriſtenthum gehen ſollen , und man an die Stelle des geiſtigen und belebenden Einfluſſes des Evangeliums die Mummereien des Aberglaubens, die Trugbilder einer rein amtlichen Kirche feßt, oder jenen dürren Wind , der in

ben Wüſteneien des Unglaubens weht. 18 %

252

Cromwell hatte noch andere , nicht weniger edle und glorreiche Leidenſchaften als die für die religiöſe Freiheit. Das Gedeihen, die Größe und der Ruhm Englands waren für ihn ein eben ſo

ſtarkes Bedürfniß , das er auf würdige Weiſe befriedigte. „ Ich hoffe ," ſagte er eines Tages in ſeinem Staatsrath , ,, ich hoffe den engliſchen Namen eben ſo groß zu machen , als der römiſche es jemals geweſen." In der That vermehrte er die allgemeinen Hülfs: quellen und die Seemacht der Nation in ſolcher Weiſe , daß er England einen Namen und einen europäiſchen Einfluß verſchaffte,

der jenem , welchen es unter irgend einem ſeiner Fürſten beſeſſen, ſehr überlegen war.

Der Protector wußte , Gerechtigkeit erhöht ein Volk , und durch ſie wollte er das feinige erhöhen. Gott ſelbſt redete zu

dieſem Volke. Wir finden oft in den amtlichen Schriften jener Zeit Bemerkungen , die den folgenden ähnlich ſind: ,,Den 3. Seps Seine Hoheit der Lord - Protector hat heute zu Whitehall ein beſonderes Faſten mit ſeiner Familie gehalten .

tember 1654.

Nachdem Seine Hoheit von einem Streite Kenntniß erhalten , der wahrſcheinlich einen Zweikampf zwiſchen dem Grafen von Midleſſer und einem Herrn Seymour veranlaſſen D. 5. April 1655 .

würde, ſo hat er ſie holen laſſen und das Verſprechen von ihnen

erhalten , der Sache keine weiteren Folgen zu geben .

D. 2. Mai

1656. Seine Hoheit und der Staatsrath brachten dieſen Tag mit Faſten und in beſondern Gebeten zu , um Gottes Segen für unſre Angelegenheiten und Heere zu erflehn .“

Das Heer war einer bewundrungswürdigen Sittenzucht unter: worfen , und dieſe mit Frömmigkeit gepaarte Ordnung , welche eine große Anzahl von Soldaten und Offizieren beſeelte , trug zur Er

haltung von Sitten bei , die von unerhörter Reinheit bis in die Garniſonen und Feldlager waren.

Dieſe Sittlichkeit fand ſich auch am Hofe des Protectors wie

der. Alles war dort ehrenwerth und wohlanſtändig ; alles bildete dort einen Gegenſat zu der Leichtfertigkeit und Liederlichkeit, mit

welcher ſich der unglüdliche Sohn Karl's I. bis zum Vefremden

253

umgeben hatte , und wofür der katholiſche Hof Frankreichs bald ein ſo beklagenswerthes Muſter aufſtellte. ,, Der Hof Cromwell's war frei von jedem laſter , " ſagt der Doctor Harris , „ Alles athmete dort Sittſamkeit und Mäßigkeit ;

dort ſah man keine Ausſchweifungen , keine Zänkereien, noch hörte man davon ſprechen ." Cromwell ging ſogar zu weit , wenn wir dieſem Gewährsmann Glauben ſchenken. Wenn es ein Uebel iſt, fromme Männer von öffentlichen Aemtern auszuſchließen , wie das bisweilen der Fall iſt; ſo iſt es ebenſo ein Uebel, aus der Religion eine nothwendige Eigenſchaft zu machen , um bei Hofe gern geſehen zu werden . Man feßt ſich ſo der Gefahr aus die veuchelei zu be günſtigen , welche Gefahr ſelbſt in unſrer Zeit fromme Fürſten nicht immer zu vermeiden gewußt haben. ,, Während es ehedem , " ſagt derſelbe Gewährsmann , „ ſehr ſchwer war an dem Hofe zu leben, ohne daß die Frömmigkeit dabei litt , ſo war es jeßt unmöglich ein guter Hofmann zu ſein , wenn man nicht fromm war. Jedwe der, der nach Gunſt am Hofe ſtrebte, mußte Frömmigkeit mitbringen, 1/ und nicht Geld , wie ehedem.“

Aber es iſt gefährlich für einen Fürſten , Auszeichnungen denen zu gewähren , welche aus der Religion ein Gewerbe machen, und dennoch iſt es ſeine Pflicht, ſittliche Männer mehr zu ehren , als ſolche, deren Benehmen Tadel verdient.. Wer ein treu Herz und liebliche Rede hat , deß Freund iſt der König . (Sprüch wört. XXII , 11.) „ Der Hof des Protectors ," ſagt der Doctor Bates , der unter der Reſtauration einer von den Verkleinerern

Cromwell's wurde , „war nach den Regeln der ſtrengſten Zucht ge ordnet. Kein Trunkenbold , kein Wüſtling, kein Mann , der durch Geſchenke zu beſtechen ſuchte , oder ſelbſt empfänglich für Beſtechun: gen war , wurde daſelbſt geduldet." Die Sittlichkeit, welche die Zeit des Protectors auszeichnete, iſt eine Thatſache von hoher Wichtigkeit. In der That ſollte man h ?? die vom göttlichen Worte aufgeſtellte Regel anwenden : Jeder hier gute Baum trägt gute Früchte; aber der ſchlechte Baum trägt ſchlechte Früchte. Wenn Ungläubige und Wüſtlinge auf /

der einen Seite fich für die Regierung Karl's II. erklären , die

254

durch eine große öffentliche Unſittlichkeit ſich kenntlich macht, und andrerſeits gegen das Protectorat , das durch chriſtliche Tugenden ſich auszeichnet, ſo begreifen wir das ; aber wenn das ſittliche und religiösgeſinnte Leute thun , ſo geht das über unſern Verſtand. Dieſer Punkt iſt von ſolcher Wichtigkeit, daß wir darüber die An: ſichten von Schriftſtellern glauben anführen zu müſſen , die ſehr katholiſch , eifrige Anhänger des Königs, heftige Gegner des Pro

tectors ſind , ſowohl in England als in Frankreich. Ein unverdächtiger Zeuge, der Doctor Lingard , giebt der Sittlichkeit, welche die Regierung des Protectors begleitete , die

Ehre , obgleich .er ; nach der bei ultramontanen Schriftſtellern im Allgemeinen gewöhnlichen Aufrichtigkeit, nur Schein darin ſehen wollte. „ Unter den unmittelbaren Folgen der Reſtauration (im Jahre 1660 unter Karl II.) erſchien dem verſtändigen Beoba achter nichts außerordentlicher ," ſagte er , als die beinahe

plößliche Revolution , welche ſie in den ſittlichen Ge wohnheiten der Nation bewirkte. Unter der Regierung von Männern , welche aus der Heiligkeit ein Gewerbe machten , war das Laſter gezwungen ſich unter der Hülle der Tugend zu verſteden ;

aber ſobald es keinen Zwang mehr gab , erſchien es wieder ohne

Verkleidung und war überall ſehr willkommen. Die Cavaliere ergaben ſich, um ihren Triumph zu feiern , der Schlemmerei und Trunkſucht, und die neuen Königlichen bemühten ſich , zum Beweis

der Aufrichtigkeit ihrer Bekehrung , die Cavaliere in Zügelloſigkeit zu übertreffen. Karl , der die Aufnahme nicht vergeſſen hatte , die

er einſtmals in Schottland gefunden, ergriff eifrigſt die Gelegenheit, ſich ſeinen Lieblingsneigungen zu überlaſſen .“ * ) Dieſes Zeugniß iſt das eines engliſchen Schriftſtellers; laſſen

wir das eines franzöſiſchen folgen. Herr von Chateaubriand iſt, troß aller Vorurtheile gegen den Proteſtantismus , von dem Unter ſchiede betroffen , welchen unter dem Geſichtspunkte der Sittlichkeit I

die beiden Revolutionen von Frankreich und England darbieten .

* ) Lingard , Hist. of England , XI , 244. Lond. 1839.

11

255

„ Dieſe kurzdauernde Republik,“ ſagt er , von England ſprechend, „war nicht ohne Ruhm nach außen , noch ſelbſt ohne Tugend ; Frei heit und Gerechtigkeit nach innen. Dieſer Unterſchied zwiſchen den beiden Revolutionen, die jedoch als leßtes Ergebniß dieſelbe Frei

heit erzeugt haben , kommt von der religiöſen Stimmung, welche die Neuerer Großbritanniens beſeelte." - Herr von Chateaubriand fügt weiter unten hinzu : „Abgeſehn von der Ungeſeßlichkeit der Maßregeln Cromwell's , einer Ungeſeßlichkeit, von der er nach Allem zur Erhaltung ſeiner ungeſeblichen Gewalt vielleicht Gebrauch ma chen mußte , war die Uſurpation dieſes großen Mannes eine glor reiche. Im Innern ließ er die Ordnung herrſchen . Wie viele

Despoten war er ein Freund der Gerechtigkeit in allem , was ſeine Perſon nicht berührte, und die Gerechtigkeit dient dazu , die Völker über den Verluſt der Freiheit zu tröſten .“ *) Solches ſind die Geſtändniſſe, welche die Wahrheit ausgezeich

neten, aber durch hartnäckige Vorurtheile verblendeten Schriftſtellern entriſſen hat.

Dieſe höhere Sittlichkeit , welche zur Zeit Cromwell's Eng land kennzeichnete, zeigte ſich auch in Europa durch unbeſtreitbare Beweiſe.

Die engliſche Nation, welche das Ausland unter den zwei erſten Stuarts für feigherzig zu halten anfing , entfaltete auf ein

Mal zu Waſſer und zu Lande die glänzendſte Tapferkeit. Die in gleicher Weiſe von Seeleuten und Soldaten werthgehaltene Freiheit und Frömmigkeit gab ihnen eine ganz neue Kraft und machte ſie geneigt , überall wie für die heiligſten Rechte zu kämpfen. „Um der Ehre der Nation im Auslande Achtung zu verſchaffen ," ſagt

Burnet , „ ſchmeichelte Cromwell. der den Engländern ſo natürlichen Und wiewohl er kein gekröntes Haupt war , erhielten ſeine Geſandten alle den Geſandten der Könige bewilligten Ehren bezeugungen ." **) Eitelkeit.

*)

Les Quatre Stuarts.

**) Burnet , Own Times , I , 113.

256

Wir werden nicht alle Großthaten erzählen , durch die England der Welt die Erneuerung ſeiner Macht ankündigte : wir ſchreiben nicht eine Geſchichte Großbritanniens.

Die über Holland von der

engliſchen Flotte unter Blake's und Monke's Befehl errungenen Siege ; der tapfere Admiral Tromp , welcher mit dem Degen in der Þand auf dem Oberverdeck ſteht und von einer Musketenkugel nie dergeſtreckt wird, während ſeine Schiffe in Unordnung mit vollen

Segeln nach dem Terel entfliehn; Cromwell, der ſelbſt dem Parla ment den Bericht über dieſe Siege vorlieſt und zu Gunſten der fiegreichen Admirale Nationalbelohnungen in Vorſchlag bringt ; die Vereinigten Staaten, welche die Ueberlegenheit der engliſchen Flagge anerkennen und den Engländern eine verſpätete Genugthuung für alte Unbilden gewähren , und bis zur Ausſchließung des Hauſes Oranien von der Statthalterſchaft wegen ſeines Bündniſſes mit den Stuarts gebn ; Spanien , welches zuerſt auftritt um dem Protector

ſeine Huldigung darzubringen und ihn ſogar auffordert ſich offen der Krone von England zu bemächtigen , eine Schmeichelei, die Cromwell nur mit einem verächtlichen Stillſchweigen erwiderte ; – Portugal , Frankreich , der damals in Europa faſt unbekannte Rur:

fürſt von Brandenburg , alle andern Staaten , und Chriſtine von Schweden ſelbſt, die auf dem Wege nach Rom war, wie alle Dieſe Großbritannien und ſeinem Oberhaupte ihre Achtung und Bewun: derung zollen; die zu wiederholten Malen geſchlagenen Flotten Spa niens ; der von ſeinen Schäßen umgebene , auf ſeinen Schiffen mit: ten in den Flammen ſterbende Vicekönig von Mexiko ; Millionen in Goldbarren , die nach London als Denkmal des Triumphes gebracht 1

werden ; andre Fahrzeuge und andre Galionen , die von Neuem die

Reichthümer der weſtlichen Welt herbeiführen , und zum zweiten Male in der Bai von Teneriffa verbrannt und in den Grund ge

bohrt werden ; Gibraltar , welches den durchdringenden Blick des Protectors auf ſich zieht („Wenn wir uns der Stadt und des Schloſſes Gibraltar bemächtigen und es feſthalten könnten , würde das nicht ein Vortheil für unſern Handel und ein Nachtheil für die Spanier werden ? " (chreibt Cromwell)

: das ſind einige von den

Thatſachen , welche zeigen , wie der Protector die Macht und den

257

Ruhm Englands in den Augen des Auslandes zu erhöhen und aufrecht zu halten wußte.

Nicht allein in den großen Angelegenheiten der auswärtigen Politik ſuchte Cromwell die Ehre ſeines Vaterlandes , ſondern auch in den kleinſten Einzelheiten und durch den Anſtoß , den er feinen Geſandten , Generalen und Admiralen zu geben verſtand. Als vor dem ſpaniſchen Kriege Blake mit ſeiner Flotte in Malaga fich be fand , begegneten einige ſeiner Matroſen , die an's Land gegangen waren , einer Prozeſſion , welche das heilige Sacrament trug; und ſie erwieſen ihr nicht nur kein Zeichen von Achtung, ſondern er 1

1

laubten ſich ſogar über ſie zu ſpotten. Einer von den Prieſtern forderte das Volk zur Rache wegen dieſer Beleidigung auf , und

die Spanier fielen über die Engländer her und ſchlugen ſie. Als die Matroſen an Bord zurückkehrten , beklagten ſie ſich über das, was ihnen begegnet war ; worauf Blake einen Trompeter an den Vicekönig mit der Forderung Schickte, ihm den auszuliefern, welcher die Haupturſache der von ſeinen Matroſen erlittenen Behandlung

wäre. Der Vice -König antwortete, daß er den Prieſter, über den er keine Gewalt habe, nicht ausliefern könne. Blake erwiderte, es kümmere ihn wenig zu wiſſen , wer dieſe . Gewalt habe ; aber wenn in Zeit von drei Stunden der Prieſter nicht in ſeinen Hän den wäre , ſo würde er die Stadt anzünden. Da die Spanier nicht in der Lage waren Widerſtand zu leiſten , ſo ſchickten ſie den Pfar

rer , der ſich durch Berufung auf das gewaltthätige Betragen der Matroſen entſchuldigte. Blake entgegnete, daß er ſie würde ftreng beſtraft haben , wenn er ſich bei ihm beklagt hätte , denn er würde

nicht erlauben , daß ſich ſeine Leute irgend einer Beleidigung der Religion der Länder ſchuldig machten , wo ſie landeten. „Worüber ich mich beklage ," fuhr er fort , ,,iſt, daß die Spanier ſelbſt die Züchtigung verhängt haben ; denn alle Welt ſoll wiſſen , daß ein Engländer nur von einem Engländer geſtraft werden darf."

Nach

dem er den Prieſter mit großer Höflichkeit behandelt, verabſchiedete er ihn , zufrieden damit , daß man ihn ſeiner Gnade überlaſſen hatte. Cromwell war über dieſe Geſchichte ſehr erfreut und las im

Staatsrath mit großer Genugthuung das Schreiben del Admirals

258

vor.

Die von Blake aufgeſtellte Regel kann beſtritten werden.

Jede Nation bat das Recht, die auf ihrem Gebiete begangenen

Uebelthaten zu beſtrafen , jedoch ſoll es nicht durch die Hände des Pöbels , ſondern durch den Ausſpruch der Gerichtshöfe geſchehen.

Der Mangel des gerichtlichen Verfahrens rechtfertigte alſo Blake: Der Königin Eliſabeth und dem Protector Cromwell verdankt Eng land dieſe Empfänglichkeit und dieſert Nationalſtolz, der in der

ganzen Welt ſeiner Flagge Achtung verſchafft hat. Cromwell begnügte ſich nicht mit dem Triumph der Heere. Sein geübtes Auge unterſchied leicht, was das Gedeihen Großbri tanniens begründen mußte , nemlich der Handel ; und der Eifer,

mit welchen er ihn zur Blüthe zu bringen ſuchte , übertraf Alles, was die vorigen Herrſcher gethan. Er ernannte insbeſondere einen Ausſchuß von Raufleuten , die beauftragt waren die Hülfsquellen

des brittiſchen Handels zu entdecken. Dieſer Ausſchuß verſammelte ſich das erſte Mal am 27. November 1655 im

Gemalten Saale

und ſeşte ſeine Arbeiten bis zum Tode des Protectors fort. Man fand in den Schreiben dieſelbe kräftige Anregung wie

der , welche überall durch eine gewaltige Hand gegeben wurde. Southey erkennt an , daß „ der geſunde Verſtand und das glüdliche Naturell Cromwell's ihn leiteten billig und mild zu regie ren , Künſte und Wiſſenſchaften zu beſchüßen und Wein und Del in die Wunden der Nation zu gießen." Er fügt hinzu , daß allein

die Gefahren , welchen der Protector ausgeſegt war , ihn an der Ausführung aller ſeiner Pläne hinderten ." *) Gleichwohl muß man anerkennen , daß er Großes vollendete, wenn auch nicht Alles ge ſchah, was er wünſchte. Er beſtimmte eine Summe von 100 Pfd .

für einen theologiſchen Lehrſtuhl in Orford. Er machte der Bod lejaniſchen Bibliothek ein Geſchenk mit 24 ſehr ſeltenen griechiſchen

Handſchriften.

Er baute ein Gymnaſium in Durham für die

nördlichen Grafſchaften und ſtattete es aus; er verhinderte den Ver:

kauf der Bibliothek des Erzbiſchofs Uſher an Ausländer, die ſo *) Vid de Cromwell , p. 77.

259

reich an Kupferſtichen und Handſchriften war, er ließ ſie ankaufen und nach Dublin ſchicken in der Abſicht, fie einem neuen Gymna ſium , das er in dieſer Stadt zu bauen und auszuſtatten fich vor genommen hatte , zu ſchenken. Dieſe und andre Pläne , welche Oli .

ver zu Förderung der Wiſſenſchaften entworfen hatte , ſtarben mit ihm .

Er bewilligte dem ſogenannten Vater der engliſchen Unitarier,

Biddle , jährlich die Summe von 100 Kronthalern. Er bezahlte den gelehrten Uſher , troß ſeiner Anhänglichkeit an die Episkopalkirche,

und legte ihm einen Gnadengehalt aus , ebenſo dem Polen Hartlib, Milton's vertrautem Freunde. Milton war ſein lateiniſcher Secre

tär und täglicher Geſellſchafter. Der achtbare Andreas Marvel wurde oft an ſeine Tafel gezogen. Der Dichter Waller, ſein Vet ter , und der berühmte Dryden genoſſen ſeinen vertrauten Umgang. Selbſt der Junruhige und wunderliche Sir Kenelm Digby, ein römis ſcher Katholik , wurde ſeiner wiſſenſchaftlichen Verdienſte wegen unter ſtüßt. Cromwell liebte die Muſik, und sie ausgezeichnetſten Künſtler

wurden an ſeinen Hof gezogen. In andernt, für die Wohlfahrt einer Nation noch wichtigern Gebieten übte Cromwell einen nicht minder beilſamen Einfluß.

Die Richter erfüllten ihre Pflichten mit Billigkeit; die Geſeße hatten ihren Verlauf, ohne daß etwas ihre Vollſtreckung aufhalten konnte; der Schaß wurde mit Sparſamkeit verwaltet ; das Heer und die Marine wurden regelmäßig bezahlt; und Alles blühte in dem Kö nigreiche.

Man hat behauptet, Cromwel hätte nicht den Geiſt eines Ge ſeggebers wie Napoleon , ſein Gegenbild , entfaltet , und ſeinen Ruhm nicht darein gefeßt, die Verbeſſerung der geſeßlichen Einrich tungen zu ſuchen . Es iſt nicht ſchwer darauf zu antworten . „Der Unterſchied zwiſchen Oliver und Napoleon entſpringt nicht aus dem Charakter dieſer zwei großen Männer , ſondern aus dem Charakter

der Revolutionen , durch die ſie zur Gewalt gelangt waren . Der Bürgerkrieg in England war zum Vertheidigen und Wiederherſtellen unternommen worden , während die Republik in Frankreich ſich auf das Zerſtören geworfen hatte. In England waren die Grundfäße des gemeinen Geſeges niemals verkannt worden , und mehrere

260

ſeiner Formen waren als geheiligte ſtehn geblieben . In Frankreich war das Geſeß gleich wie ſeine Diener verſchwunden: In Frank reich alſo wurde eine neue Geſeßgebung nothwendigerweiſe die erſte Beſchäftigung der erſten regelmäßigen Regierung , die ſich auf den Trümmern des frühern Syſtems erheben würde.

Die Bewun

derer des Inigo Jones haben oft behauptet , daß ſeine Bauwerke denen des Sir Chriſtoph Wren nachſtänden , und zwar weil der große Brand von London dem Leşteren -eine Gelegenheit zur - Ent: faltung ſeiner Talente darbot , wie ſie keinem andern Baufünſtler, deſſen die Geſchichte erwähnt, jemals zu Theil geworden iſt. Der ſelbe Fall war es bei Cromwell.

Wenn er wenig neue Bauten

aufgeführt hat , ſo geſchah es , weil es keinen allgemeinen Brand gegeben hatte , der den Raum vor ihm reinigte. Dennoch verbeſ ſerte er das Syſtem der Stellvertretung unter den gegebenen Um ſtänden auf die verſtändigſte Weiſe , und ſtellte Gleichförmigkeit der Rechtspflege in ganz Großbritannien her * ). Die Geradheit Cromwell's und die ihn beſeelende chriſtliche Geſinnung ließen ihn ſeine Þand auf die Wunden der brittiſchen

Gefeßgebung legen , auf Wunden , die noch lange nach ihm , mitten in der ungläubigen Philoſophie des 18. Jahrhunderts vorhanden waren, und ſogar jeßt noch nicht völlig geheilt ſind. Er hatte als Gefeßgeber einen Blick, der ihn weit ſeinem Jahrhundert voranſtellte. Folgende Stelle aus einer im September 1656 an das Parlament gerichteten Rede erhebt ihn vielleicht über die Mehrzahl der Staats: männer im früheren und neueren England. ,, Es giebt eine allgemeine Beſchwerde unter der Nation. Sie betrifft das Gefeß. Ich glaube und kann behaupten , daß ich eben ſo ausgezeichnete Richter habe , als England ſeit vielen Jahren ge habt hat. Aber wahr iſt, daß es ſchlechte und abſcheuliche Geſeße giebt , deren Abänderung in eurer Macht ſteht. Einen Menſchen wegen ſechs, wegen drei Sou zu hängen , ich weiß nicht was ; .... *) Maccaulay, Essays . vol. I. ,> p . 180. (edit. Tauchnitz . Leipz. 1850. Vol. I., p . 175.)

261

wegen einer Kleinigkeit ihn hängen und den Mord begnadigen, das zeigt ſich bei der Handhabung der Gefeße in Folge ihrer fehlerhaf

ten Abfaſſung. Ich habe abſcheuliche Mörder frei laſſen und Men ſchen um Nichts zum Tode führen ſehn ! Dafür wird uns Gott Rechenſchaft abfordern. Ich wünſche, daß dieſe Ungerechtigkeit auf der Nation nicht einen Tag länger laſte als man ein Heilmittel dagegen in Anwendung bringen muß. Ich hoffe Euch meine herz liche Theilnahme zu dieſem Werke zu ſchenken . "

So richtete Cromwell , der auf dem politiſchen Gebiete durch das Instrument of government und durch die Humble petition and advice treffliche Einrichtungen traf, Cromwell, der nach dem Ausdruck eines der befugteſten Richter, des Herrn Macaulay , ,,ob gleich außer der gewöhnlichen Regel die Grundlagen eines bewun derungswürdigen Syſtems legte ," Cromwell richtete ſeinen Adler blick auch auf die Geſeßgebung ſeines Volkes. Nichts entging ihm. Die Bewunderung war allgemein ; „ Cromwell,"“ ſagt ein Ge ſchichtſchreiber, „ ſchien ein funkelnder Stern zu ſein , welchen die Vorſehung am Horizont hatte erſcheinen laſſen , um dieſe Nation auf die höchſte Stufe des Ruhms zu erheben und die ganze übrige Welt mit Schrecken zu erfüllen . "

Frankreich und Spanien ſtritten fich um ſein Bündniß. Er blieb nicht unſchlüſſig und verband fich mit Frankreich. Der Ver trag wurde am 23. October 1655 unterzeichnet. So groß war die Achtung und Furcht, welche England damals einflößte, daß Crom well in dieſem Vertrage unter andern Titeln den „des Protectors des Königreichs Frankreich “ annahm , und ſein Name vor dem des ſtolzen Ludwigs XIV. ſtand. Während Cromwell das Bündniß mit Frankreich ſeinem Lande ficherte, bot er ihm zu gleicher Zeit die Macht und die Reichthümer 1

Spaniens dar. Er hatte den Beruf ſeines Vaterlandes , an die Stelle der mächtigen Halbinſel in der Welt zu treten , begriffen und er beſann ſich nicht. Niemand ohne Zweifel hat mehr als er zur Beſchleunigung der Doppelten Bewegung des Fallens und Steigens gethan , die damals eintrat, und die Spanien zu einer erniedrigen den Schwäche, in die wir es geſtürzt fehn , demüthigen , und Eng

{

262

land an die Spiße der Völker: ſtellen ſollte. Als Spanien ſich eif rig um das Bündniß mit dem Protector bewarb , hatte Cromwell

zwei Bedingungen geſtellt. Er hatte Handelsfreiheit in Weſtindien und die Unterdrückung der Inquiſition verlangt , ſo daß Jeder in Spanien die Bibel leſen und Gott frei verehren könne. Beim Hören dieſer ungewöhnlichen Forderungen hatte der ſpaniſche Geſandte ganz erſchrocken ausgerufen :

„Aber das heißt die beiden

Augen meines Herrn verlangen !“ Das eine dieſer beiden Augen bat Spanien verloren , und Spanien ſelbſt hat das andere ver: loren.

Cromwell hatte für ſeinen Widerſtand gegen Spanien zwei

Beweggründe. Wenn er die Kräfte dieſes Staates zu Grunde rich: ten wollte, ſo geſchah es nicht allein um ſie für England zu gewin nen , ſondern vielmehr, um dem Papſte ſeinen am meiſten fanatiſchen

Bundesgenoſſen zu entziehn. Von dieſen zwei Beweggründen ſcheint der zweite der ſtärkſte geweſen zu ſein . „ Ihr Hauptfeind , " ſagte

der Protector dem Parlament am 17. September 1656 , ,,iſt der Spanier *). Er iſt Euer natürlicher Feind. Er iſt es in Folge jener Feindſchaft, die ihn kennzeichnet und gegen Alles, was Gottes iſt, empört. Gott ſelbſt hat dieſe Feindſchaft in ihn gelegt : Und ich will Feindichaft ſeßen zwiſchen deinem Saamen und ihrem Saamen. (1. Moj. III , 15.) Dieſe Betrachtung hat nur 1

geringe Wichtigkeit für die Politiker , aber ſie iſt doch von einem

größern Gewicht als Alles , was man ſich denken kann. Kaum hatte unſre Nation die uneigentlich reformiert **) genannte Religion

eingeführt, nach dem Tode der Königin Maria , zur Zeit der Kö: wir dürfen uns nicht nigin Eliſabeth berühmten Andenkens , als der Spanier ſich vornahm ſchämen , ſie ſo zu benennen ***) ,

* ) Lettres et Discours, III , 196 .

**) Cromwell fand ohne Zweifel die anglikaniſche Reform nicht volftändig genug , um dieſen Namen zu verdienen.

***) Obgleich Cromwell zu Republikanern ſprach, glaubte er doch den Aus druď der Bewunderung für dieſe Mönigin aus kleinlicher Søonung nicht unter brüden zu müffen.

263

und durch unwürdige und widernatürliche Mittel jeder Art fich be mühte , die Macht dieſer Fürſtin und dieſer Königreiche zu vernich ten. Damit kann man den Krieg gegen Spanien rechtfertigen. Ja noch mehr: Schließe man einen Vertrag , mit welchem Staat es

iſt er dem Papſte unterworfen – ſo iſt man gebunden, und jener Staat iſt frei. Der Friede dauert nur , ſo lange der Papſt ſei,

Amen ſagt.“

„ Ale ehrlichen Sachen , alle Angelegenheiten der Proteſtanten in Deutſchland, Dänemark , in der Schweiz, alle Angelegenheiten der Chriſtenheit ſind auch die Eurigen. Wenn Ihr gut handelt , wenn Ihr in der Ueberzeugung, daß Eure Sache Gottes Sache ſelbſt ſei, ausdauert , ſo werdet Ihr dann finden , daß Ihr für eine große

Menge , für das Volk Gottes gearbeitet habt. Alle Eure Gefahren kommen von außen , von dem gemeinſamen Feinde (Spanien ), wel cher das Haupt des päpſtlichen Heeres iſt, der Anführer der Sache

des Antichriſts. Wofern Ihr nicht die Wahrheit der Heiligen Schrift leugnet, müſſet Ihr anerkennen , daß die in der Bibel (Brief an die Theſſal. und Offenbarung ) geſchilderte Macht des Antichriſts die des Papſtes. iſt. Ich ſage alſo , daß Euer Hauptſtreit der mit dieſem Feinde , mit dem Spanier iſt ." * ) So war Rom für Cromwell die geiſtliche widerchriſtliche Ges

walt , und Spanien die weltliche Macht, die ihr zu Hülfe kam. Vielleicht werden Manche behaupten, das finde fich nicht in der

Offenbarung ; aber Niemand wird es als eine geſchichtliche That ſache beſtreiten. Der Ausſpruch der Nachwelt hat Cromwell's An ſicht gerechtfertigt. Wenn der von Cromwell dem brittiſchen Staate gegebene po : .

ſitive Grundſaß Sittlichkeit und Glaube war, ſo erhielt England von ihm als negativen den Widerſtand gegen das Papſtthum . Dieſe zwei Grundſäße hatten für den Protector gleiche Wichtigkeit, denn im Grunde ſtießen ſie in einem Mittelpunkte zuſammen , im Evangelium . Durch Hülfe dieſer zwei Mächte hat England die -

*) Burton , Diary , I, CLVIII. Lettres et Discours , III, 196.

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Tage ſeiner Erhebung geſehn ; wenn ſie ihm entriſſen werden , wird man die Tage ſeines Sturzes ſehn.

Der Triumph der Stuarts war, menſchlich geredet , durch die Zerſtörung des evangeliſchen Glaubens und der Triumph des Pa pismus nicht allein in England, ſondern auch in der ganzen Welt herbeigeführt worden. Solches war die Anſicht ſelbſt derer , welche in der Umgebung der Stuarts während ihrer Verbannung lebten. Der Marquis von Noncy , aus einer der vornehmſten Familien Frankreichs , der dem Proteſtantismus treu geblieben , wurde von ſeinem Vetter und Freund , dem Kardinal von Reg , die Religion zu wechſeln dringend aufgefordert. Unter den Gründen , welche dieſer voranſtellte, war auch der : „daß die proteſtantiſche Religion .

ſicher bald zu Grunde ginge , und daß die Proteſtanten keinen

Schuß von England zu erwarten hätten , da die zwei Fürſten (Karl II. und ſein Bruder Jacob) ihn ſchon aufgegeben hätten ." *) Cromwell war das große Hinderniß , welches die göttliche Vorſe bung im 17. Jahrhunderte ( jener Zeit der Siege Roms) den Ein fällen des Papſtthums entgegenſtellte.. Oliver hatte den feſten Glauben , dieſe Gewalt ſei die des Fürſten dieſer Welt ; und er hielt es für ſeine Pflicht, der apoſtoliſchen Vorſchrift zu gehor chen : Widerſtehe dem Teufel, fo flieht er vor dir. (Ia cob. IV, 7.)

Wie Cromwell mit Spanien Krieg führte , ſo nicht minder mit Rom. Dafür trug er in England Sorge , wenn er den evangeli ſchen Geiſt entwickelte. Aber er verſchmähte es nicht, dem Papſt

thum auch. andre Unruhe zu verurſachen , und aus allen Gelegen heiten , die ſich ihm darboten , um ihm ſeine Macht fühlen zu laſſen, zog er Nußen. Der Admiral Blake war mit einer Flotte in das mittelländiſche Meer geſchickt worden , um ſich Genugthuung vom Bey von Tunis zu verſchaffen , bei Gelegenheit eines Verluſtes, den türkiſche Seeräuber England zugefügt hatten. Blake drang in den Hafen von Tunis ein , und obgleich das Ufer mit ſchwerem Burnet , Owa Times , vol. I , p . 104.

1

265

Geſchüß befekt war , verbrannte er doch neun türkiſche Schiffe und

brachte den Bey zur Vernunft. Aber er beſchränkte ſeine Sendung nicht darauf. Er verbreitete rings um ſich her den Schrecken des

engliſchen Namens und trug ihn ſogar bis nach Rom. Die be ſtürzten Römer bemühten ficheiligſt Civita - Vecchia in Vertheidi gungszuſtand zu ſeßen , weil ſie zitternd jeden Augenblick der An kunft Blake's und ſeiner 24 Schiffe' entgegenſahn. Zu gleicher Zeit hielten ſie in Rom endloſe Proceſſionen und ſtellten 24 Stunden lang das heilige Sacrament aus, um die Gerichte des Himmels abzuwenden und das Erbe des heiligen Petrus vor den furchtbaren Schlägen des Protectors zu ſchüßen.

Rom hatte kurz zuvor bei Gelegenheit der Ausrottung des

Proteſtantismus in Calabrien und im Veltlin große Freude an den Tag gelegt. Cromwell dachte an Vergeltung. „ Ihr vorſchnel ler Triumph wird ſich in Proceſſionen der Demüthigung und Trauer verwandeln," ſchrieb Herr Pell am 9. Juni 1655 an den

Staatsſecretär Thurloe , „wenn , während ſie die alten evan geliſchen Kirchen auszurotten gedenken , ſie eine engliſche Kolonie in einem ihrer Häfen fich niederlaſſen fehn , was nicht unmöglich iſt, wenn England es nur verſuchen will .“ *) Nicht blos in Malta, wie im 19. Jahrhundert, ſondern auch ſo zu ſagen unter den

Mauern des Papſtes gedachten England und Cromwell fich damals niederzulaſſen. ,, Erhebet Eure Banner im Namen Chriſti , “ ſchrieb der Pro tector dem Vice - Admiral Goodſon im October 1655 , denn ſicher iſt unſre Sache die feinige. Möchten die Vorwürfe und die Schande, die wir uns durch unſre Sünden und auch , wie ich glaube, durch die ſchlechten Befehle Einiger zugezogen haben , das Vertrauen auf Gott in uns erneuern und die Zuverſicht, er werde ſeine Ehre

wieder einlöſen, an welche die Menſchen Hand anzulegen gedachten .“ Cromwell macht hier eine Anſpielung auf einen gegen eine ſpaniſche Beſişung in Amerika , Hispaniola , gerichteten Angriff, ein zwar *) The Protectorate , I, p. 194. 19

266

mißlungenes Unternehmen , das aber doch mit der Eroberung von Jamaika endigte. Cromwell erwidert : „ Gott hat uns zer: riſſen , er wird uns auch heilen ; er hat uns geſchlagen, er wird uns auch verbinden. Er macht uns lebendig nach zween Tagen , er wird uns am dritten Tage auf : richten , daß wir vor VI , 1. 2.)

ihm

leben

werden.“

(Hoſeas

„ Der Herr ſelbſt ſtreitet mit unſern Feinden ; er kämpft mit dieſem römiſchen Babylon , deſſen Hauptſtüße der Spanier iſt. Die Schlachten , welche wir liefern , ſind die des Herrn ; die Heilige Schrift ſpricht deutlich darüber. Der Herr kräftige uns nur durch den Glauben und reinige uns von allem Uebel. Zweifelt nicht, daß er im Stande , und ich wage zu ſagen , auch geneigt iſt, Euch

einen eben ſo ausgezeichneten Erfolg zu gewähren , wie der Euern Feinden gegen Euch gewährte.

Nur eine einzige Furcht erfülle

uns , welche die Erkenntniß des Herrn giebt.“ *) Cromwell hatte den Ruhm , in Rom den Hauptfeind der Frei beit, des Gedeihens und der Frömmigkeit der Nationen zu erkennen . Das nennt man heutzutage Vorurtheil und Aberglauben. . In einer ſtrengen Schule werden die Völker auf ihre eignen Koſten von ihren gegenwärtigen Häuptern oder vom großen Manne des 17. Jahr hunderts lernen , wer Necht hat.

So war Cromwell. „Herr dieſer drei Königreiche; ohne Wi derrede der mächtigſte Herrſcher Europas ," ſagt Southey , „ und auch ficherlich der größte Mann eines Jahrhunderts, in welchem das Geſchlecht großer Männer in keinem Lande erloſchen war ; kei: ner verdiente mehr als er die Stellung, welche er einnahm .“

Sein

Ruhm blieb nicht auf Großbritannien beſchränkt. Er erfüllte Eu : ropa , er durchdrang Aſien, und der Wiederball gelangte bis zu den

Küſten Amerikas. Ein franzöſiſcher Schriftſteller, welcher Oliver mit Napoleon vergleicht, ſagt, daß der erſte ausſchließlich ein eng liſcher Held war , während der zweite ſeinen Namen in alle Theile *) Thurloe , IV, 633. Lettres et Discours , III , p. 57.

267

der Welt getragen. Allerdings ſchleuderte Cromwell ſeine zerſtören den Legionen nicht nach Spanien , nach Rußland, noch bis nach Egypten . Allerdings achtete er es als das Köſtlichſte als Chriſt zu leben , um Gott zu preiſen in allen Dingen , und wie Si meon von Cyrene das Kreuz und die Schmach des Herrn zu tragen. Aber es iſt ein Jrrthum ſich einzubilden , daß ſein Name über die brittiſchen Inſeln hinaus kaum bekannt geweſen ſei. Seine Flotten erfüllten die Welt mit ſeinem Ruhm. Sein Ruf breitete ſich ins beſondere in die entfernten Steppen Aſiens aus , und die Nachkom

men Abrahams fragten dort einander mit innrer Bewegung , ob er der von ihnen erwartete Diener des Ewigen wäre , das dem David verheißene Gewächs. ( Jerem . XXIII , 5.)

So groß ," ſagt Southey , „war der Ruf, welchen Cromwell auswärts durch ſeine wunderbare Erhöhung , durch die Weisheit ſeines Regiments und durch die Stärke ſeiner Waffen fich erworben , daß ein Jude aus Aſien nach England zu dem Zwecke kam , das Ge

ſchlechtsregiſter des Protectors zu prüfen , in dem Glauben in ihm den Löwen aus dem Stamme Juda zu entdecken ." *) Mit dem Namen Oliver's verbreitete ſich der Englands. Er machte ihn zuerſt fernen Nationen bekannt. Er öffnete den brittiſchen Völkern jene Pfade des Ruhms und der Macht, auf

welchen jeßt ihre Schiffe alle Meere durcheilen. Großbritannien , das unter den Stuarts ſeine ganze Kraft verloren , wurde durch

denſelben Lebenstrieb, der ſein Oberhaupt beſeelte , wieder aufge weckt, ſo zu ſagen elektriſiert. Und man jah noch ein Mal jene den

Völkern , die Gott lieben , gegebene Verheißung fich erfüllen : „ Der Herr dein Gott wird dich erhöhen über alle Völker der Erde.“

*)

Southey , Life of Cromwell , p . 81 .

19 *

2

1

Zwölftes Kapitel. Der Vertheidiger des Glaubens. Bertheidigung des Proteſtantis m 118. - Schreiben an einen proteſtantiſchen Fürſten. - Gemetel in Piemont. ---- Das Verfahren des Protectors. Genf. Cromwell's Rath für die Proteſtanten. Portugal.

Frankreich.

Nis me8 ; Vermittlung.

Die

Deſtreich. Rath für die allgemeinen Schweiz. Deutſchland. Lebendiges Chriſtenthum Angelegenheiten des Proteſtantismu8. Pompeji , Ninive und Ewige Wahrheiten. des Protectors . die Bibel.

Cromwell begnügte ſich nicht damit , den Papſt „ in ſeinem Babylon" zittern zu machen und ſeine Bemühungen nach allen Seiten gegen die römiſche Macht zu richten , er verfolgte zu gleicher Zeit mit Eifer die große Angelegenheit des Triumphes des Pro

.teſtantismus in Europa und in der Welt. Cromwell hatte drei große Leidenſchaften , und das war die dritte : Religiöſe Frei heit ;

Englands Größe ;

das Gedeihen des Pro

teſtantismus. Wer iſt der große Mann , der fich in ſeinem Le ben edlere und wohlthätigere Zwecke vorſekte ?

Der Protector hatte dieſelbe Liebe für die proteſtantiſchen Air chen im Auslande wie für die in Großbritannien . Als er an einen proteſtantiſchen Fürſten ſchrieb , beglückwünſchte er ihn wegen

feines unerſchütterlichen Eifers für die reformierten Kirchen , „ein Eifer , der um ſo mehr Lob verdient ,“ fügte er hinzu , „als man fich bemühe , ſo viel ſchmeichelhafte Hoffnungen Perſonen ſeines Standes vorzuhalten , die den rechten Glauben verlaſſen würden ,

und dagegen ſo viele Noth unaufhörlich die bedrohe, welche darin

269

beharrten.

-

Ich nehme Gott zum Zeugen ," fuhr Cromwell fort,

,,daß ich nichts wünſche , als der günſtigen Meinung , welche die

Kirchen von meinem Eifer und meiner Frömmigkeit haben , entſpre chen zu können , und ich werde es thun , indem ich mich bemühe den wahren Glauben zu verbreiten und für den Frieden und die Ruhe der Kirche zu ſorgen. Bleibet feſt bis an's Ende in der rechtgläubigen Religion , die Ihr von Euern Vätern empfangen habt.

Nichts wird Euch mehr Ruhm bringen , als ſie zu ſchüßen ,

ſo lange es in Eurer Macht ſteht.“ *) Cromwell hielt es für ſeine Berufung , in der ganzen Welt, und nicht allein in England der große Vorkämpfer der religiöſen Freiheit zu ſein.

,,Seine Hobeit ," ſchrieb der Staatsſecretär Thur

loe den 7. Juli 1654“, fährt fort in ſeinem frühern Eifer für die proteſtantiſche Religion. Niemand darf daran zweifeln , noch das geringſte Bedenken darüber haben ; Jeder im Gegentheil fann und

foll darauf mit der 'vollkommenſten Zuverſicht rechnen ." **) Eine herrliche Gelegenheit bot ſich bald dar , dies der Welt zu zeigen. Am 3. Juni 1655 gelangten ſchreckliche Nachrichten aus Pie mont nach England und erfüllten alle proteſtantiſchen Herzen und vor allen das mit Schmerz, welches am lebhafteſten für die Sache des Proteſtantismus ſchlug, das des Protectors ſelbſt. Die Nach kommen der Waldenſer , jener großen Evangeliſten des Mittelalters, wohnten zuſammen in den armen Thälern von Luſerne, Pérouſe, Sait-Martin zwiſchen Piemont und Savoyen. Jenes jahr gerade brach die Verfolgung gegen ſie mit unbegreiflicher Heftigkeit aus. Die Urſache davon war der Wunſch die Keßer zu bekehren , der unter jenen Völkern durch das große Jubiläum im Jahre 1650 angeregt war. Der Papſt hatte , um dieſe Verfolgung auszuwirken,

einen beſondern Beweggrund vorangeſtellt, den nemlid ), das Gebiet *) Dieſer Brief an den Fürſten von Tarent wird von Neale , II, p. 640 angeführt. **) Protectorate , I, p . 21 .

270

der Waldenſer den Jrländern zu geben , welche wegen Niedermeße lung der Proteſtanten aus Frland vertrieben waren. Zu Anfang des Jahres 1655 war den reformierten Familien, die in Saint - Jean , in la Tour und in andern Dörfern des Lu

ferner Thales wohnten , von dem Turiner Hofe anbefohlen worden, binnen drei Tagen ihre Wohnungen zu verlaſſen , und ſich in die ihnen bezeichneten Ortſchaften zurückzuziehn . Die Uebertreter des Be fehls follten binnen zwanzig Tagen nachweiſen , entweder, daß fie

römiſche Katholiken geworden wären , oder ihre Güter an Katholi ken verkauft hätten. Nicht ein Einziger verließ ſeinen Glauben. Mehrere hundert Familien verließen das Haus ihrer Väter mitten unter Schneegeſtöber und der ganzen Strenge des Winters . Ein Heer von 15,000 Mann rückte im Frühjahr in die Thäler ein, unter dem Befehl des Marquis von Pianezza. Zwei und zwanzig Dörfer wurden in Aſche gelegt.

Man verbrannte Greiſe und Wei:

ber in ihren Häuſern; man hieb Männer in Stücke ; Andern ganz nackt band man den Kopf knäuelartig zwiſchen die Beine , rollte ſie von den Bergen und ſtürzte ſie von hohen Felſen . Man miß

brauchte Frauen und Mädchen ; man ſpießte fie ganz nackt; dieſe Menſchenfreſſer ſchnitten ihnen die Bruſt ab , brieten und aßen ſie; Andern füllte man den Leib mit Pulver und zündete es an. Man riß Kinder aus den Armen ihrer Mütter und zerſchmetterte ſie an

den Felſen ; oder vielmehr ein Soldat ergriff dieſe unſchuldigen Ge ſchöpfe an dem einen Beine , und ein andrer an dem andern , ein jeder zog dann nach ſeiner Seite ; fie riſſen ſie mitten auseinander, warfen ſich gegenſeitig mit den Stücken , oder ſchlugen bisweilen die Mütter damit. Man enthauptete 150 Frauen und Kinder und nahm die Köpfe zum Poule - Spiel .....

*).

Der Barde Englands , der Sänger des Verlornen Para dieſes , ergriff bei der Nachricht von dieſem Gemegel ſeine Leier und rief die Gerechtigkeit Gottes in trefflichen Verſen an : *) Histoire des Vaudois , par Léger (témoin oculaire). Die Herrn Villemain und V. Hugo haben die Waldenſer Piemonte mit den Einwohnern des Cantons Wadt in der Schweiz verwechſelt.

271

Avenge, o Lord , thy slaughter'd saints , whose bones 2

Lie scatter'd on the Alpine mountains cold ; Even them who kept thy truth so pure of old, When all our fathers worshipt stocks and stones. Forget not : in thy book record their groans, Who were thy sheep , and in their ancient fold Slain by the bloody Piedmontese , that rollid Mother with infant down the rocks.

Their moans

The vales redoubled to the hills ,2 and they Their martyr'd blood and ashes sow O'er all the Italian field's, where still doth sway

To heaven.

The triple tyrant; that from these may grow A hundredfold who , having learn'd thy way,

Early may fly the Babylonian woe. * )

Dieſe Prophezeihung , mit welcher der Dichter ſein Geſicht ſchließt, erwartet noch ihre Erfüllung. In dieſer großen Betrübniß richteten die armen Waldenſer,

nachdem ſie auf Gott ihre Augen gerichtet, ihre Blicke auf England. Ihre Augen waren nach dem Protector hin gewendet ; ſie ſagten *) Milton , Poetical Works , II , p. 347 .

Rädy' Deine Heiligen ,1 o Herr , die man erſchlagen ! Auf Alpenhöh’n zerſtreut und kalt liegt ihr Gebein ; Die , als die Väter all’ verehrten Holz und Stein,

Die Wahrheit hielten rein , vererbt aus alten Tagen. .

Vergiß ſie nicht; ſchreib! ihre Seufzer in Dein Buch, Sie waren Deine Schaafe, die in ihrem Pferche Semordet Piemonts blutgier'ger Scherge ;

Vom Felſen ſtürzt er Mutter , Kind. Es ſchlug Auf zu den Hügeln ihre Klag' vom Thal. Auf zu den Sternen ſtieg ſie von den Hügeln. Geuß auf Italiens Gefilde, überall, Wo Prieſter uns des Himmels Thür verriegeln, 1

Das Blut der Märtyrer , ſtreu ihre Aſch' umher,

Daß hundertfach aus ihr ein heilig Volk erſtehe, Das !, wenn es Dichy erkannt aus Deines Sohnes Lehr, Bald kann entfliehu dem Babylon'ſchen Wehe.

272

ſich unter einander, daß er ohne Zweifel einige Theilnahme für ihre Kirchen fühlen würde , obgleich ſie ſelbſt nicht wagten ſeine Hülfe anzurufen. *)

In der That vergoß der Protector Thränen , als er dieſe

ſchauberhaften Nachrichten erfuhr. „ Die Leiden dieſer armen Leute“, ſagt er, „, rühren mein Herz eben ſo ſehr , ja ſogar noch mehr , als wenn ſie meine nächſten Verwandten in der Welt betroffen hätten .“ Gerade an dieſem Tage ſollte Cromwell den Vertrag mit Frank reich unterzeichnen. Er verweigerte es , bis daß der König und der Kardinal Mazarin ſich verpflichtet hätten , ihn zu unterſtüßen , um dieſen armen Proteſtanten Recht zu verſchaffen. Er ſchickte ihnen 2000 Pid. Sterl. aus ſeiner Taſche, und ließ durch Milton an

alle proteſtantiſche Staaten ſchreiben : an die Könige von Schweden und Dänemark, an die Staaten von Holland, an die proteſtanti

îchen Cantone der Schweiz , an die reformierten Kirchen Deutſchlands und Frankreichs. Er ſelbſt ſchrieb an den König von Frankreich, an den Kardinal Mazarin und den berzog von Savoyen. Er ver ordnete endlich einen Faſt- und Bußtag und eine algemeine Geld ſammlung durch ganz England. Dieſe Sammlung erreichte die be trächtliche Summe von 37,097 Pfd. St. , 7 Sch. 3 Den. „ Ich glaube, daß wir endlich das Bedürfniß einer Vereinigung begreifen, einer herzlichen Vereinigung“ , ſchrieb der Staats - Secretär Thurloe an Herrn Pell , Englands Geſandten in der Schweiz.

„Was ſo eben gegen die armen Piemonteſen geſchehen , das wird man uns Allen anthun , ſobald ſich nur Gelegenheit und Mittel

finden .“ **) Seine Hoheit “ , ſagt der Mercurius Politicus vom 3. Januar 1656 , „ hat ſich durch ſeine Handlungen der chriſtlichen Liebe und des Mitleidens als den Beſchüßer der reformierten Kir

chen in England und im Auslande dargeſtellt.“ Als man auf dem Feſtlande vernahm , daß Cromwell die An gelegenheiten der Waldenſer ſo ſehr zu Herzen nehme , fing man an einen heftigen Schrecken zu empfinden. Die Piemonteſen und *) Lettres de Pell à Thurloe ; The Protectorate , p. 140. **) The Protectorate , by Dr. Vaughan , I , p . 186 .

273

ihre Verbündeten ſaben ſchon ein engliſches Heer aus ſeinen Schif fen ſteigen und fich auf ihre Länder ſtürzen. Englands Geſandter in der Schweiz ſprach in der That von dieſem Plane als einem leicht ausführbaren , und verlangte zu dieſem Zweck ein Bündniß Großbritanniens mit den Vereinigten Staaten . *) Das war auch Cromwell's Abſicht, und er beſtand darauf, mit dieſer Angelegen heit ſich ernſtlich zu beſchäftigen. Sie leicht zu behandeln , würde weder ehrenvoll für uns , noch vortheilhaft für dieſes arme Volk ſein. Die Anſicht hier “ , ſagt Thurloe , er bezeichnet ſo den Protector , - ,, iſt die , dieſe Sache gar nicht anzufangen , wofern .

-

man nicht den feſten und beſtimmten Entſchluß hat , fie mit Erfolg zu einem guten Ende zu führen ." **) Unterdeſſen ſchickte der Protector Samuel Morland an den

Herzog von Savoyen mit einem Briefe , in welchem er ſagte , nach dem er ihm die Ungerechtigkeit und Grauſamkeit ſeines Verfahrens gegen die Proteſtanten in den Thälern vorgeſtellt hatte , „ daß der

Schmerz ſein Herz zerriſſen habe bei der Nachricht von den Leiden der Waldenſer , mit welchen er nicht allein durch die gemeinſamen

Bande der Menſchheit, ſondern auch durch das Bekenntniß deſſelben Glaubens vereint ſei, und die er als ſeine Brüder betrachten müſſe." Er fügte hinzu , „ er würde ſeinen Pflichten gegen Gott , gegen die chriſtliche Liebe , gegen die Religion zu fehlen meinen , wenn er ſich nur mit einer Rührung des Mitleids mit dieſen armen Menſchen begnügte ; ihre Lage ſei ſo beklagenswerth , daß ſie das Mitleid ſelbſt der roheſten Menſchen erregen müßte ; er glaube deshalb Alles thun zu müſſen , was in ſeiner Macht ſtünde, um ſie aus ihrem Elend zu befreien." Auf dem Feſtlande ſelbſt nahm keine Bevölkerung lebhafteren Antheil an dem Looſe der Thäler, als die von Genf. Als man in dieſer Stadt die Nachricht von dieſem Gemeßel erhielt, wurde ein Fafttag gehalten ( d. 10. Mai 1655 ) ; Geldſammlungen wurden 11

veranſtaltet von Haus zu Haus, um den leidenden Brüdern Unter *) Bell an 0. Staats - Secretär Thurloe , D. 20. Juli 1655. **) Thurloe an Herrn Pell, 0. 8. Novbr. 1655.

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ſtüßung zu ſchicken ; und man rief eine beſtimmte Zahl Männer unter die Waffen , denn man glaubte , Savoyen beabſichtige einen Angriff auf Genf.

Morland verweilte auf ſeiner Rückreiſe von

Turin lange Zeit in dieſer Stadt , die gleichſam der Mittelpunkt von Cromwell's proteſtantiſcher Wirkſamkeit auf dem Feſtlande war. Die Nachrichten über die Bedürfniſſe der Proteſtanten gelangten nach England am öfterſten durch die Vermittlung des Profeſſors Tronchin , und das Geld wurde den Waldenſern durch die Ver:

mittlung des Banquier Jacob Tronchin geſchickt. Die Herrn Col ladon und Calandrini werden ebenfalls in dieſem Briefwechſel ge nannt. Herr Pell, engliſcher Geſandter in der Schweiz, begab ſich ſelbſt nach Genf. Er war da einige Monate nach den Meßeleien, und insbeſondere am 12. December 1655 , dem

Tage des Dank

feſtes für die Rettung aus der auf Leitern verſuchten Erſtürmung Genfs durch die Savoyarden im Jahre 1602.

Nach der Früh

predigt zeigten zwei Räthe dem Herrn Pell die Befeſtigungen der Stadt , und machten ihm ihre Schwäche auf der favoriſchen Seite bemerklich , indem ſie ihm zu verſtehen gaben, ſie hofften , der Pro

tector werde zur Vervollſtändigung dieſer Werke etwas beitragen. Einen Monat darauf ließ Cromwell durch Thurloe antworten , ſeine

Hoheit wünſche nicht nur von ganzem Herzen , das Wohlſein und das Gedeihen Genfs, ſondern ſei auch bereit mit allen Mitteln, die

Gott ihm gewähren würde , dazu beizutragen ." *) Als Cromwell ein Jahr ſpäter Morland zurück rief ( d. 23. Oct. 1656 ) , ließ er von Neuem Genf dieſelbe Verſicherung geben . Der Eifer Cromwell's wurde mit Erfolg gekrönt.

Auf ſein

Anſtiften ſchrieb der Kardinal Mazarin ſelbſt ſehr nachdrücklich an

den Turiner Hof. Ein Vergleich wurde zu Pignerol geſchloſſen, welcher den Waldenſern die religiöſe Freiheit wiedergab. Es gab in Europa keinen Herrſcher, der fühn genug wagte, ſich dem Miß vergnügen des Protectors auszuſeßen und ihm ſeine Geſuche ab zuſchlagen . *) The Protectorate , I , p. 333.

275

Da der Vertheidiger des proteſtantiſchen Glaubens zu gleicher Seit dem Papſte und den kleinen Fürſten Jtaliens eine Lection

geben wollte, die geeignet war , ſie zu erſchrecken , ſo erklärte er öffentlich, daß er, überzeugt wie er es wäre von ihrer Begünſtigung dieſer Verfolgung , es im Gedächtniß bewahren und die erſte Ges legenheit benußen würde, um ſeine Flotte in's mittelländiſche Meer zu ſchicken , Civita - Vecchia und andere Orte des Kirchenſtaats zu beſuchen , ſo daß man den Donner ſeiner Kanonen ſogar in Rom hören ſollte. Er fügte hinzu , er würde nicht dulden , daß der proteſtantiſche Glaube , in welchem Theile der Welt es auch ſein 1

möchte, verhöhnt würde. *)

In Cromwell's Augen — und er war damals der hellſehendſte Staatsmann – handelte es ſich nicht allein um einen vereinzelt ſtehenden Verſuch gegen den Proteſtantismus , ſondern um eine all

gemeine Verſchwörung , deren Zweck feine Vernichtung war. Er kam oft auf dieſen Gedanken zurück und ließ allen ſeinen auswär tigen Geſandten ſchreiben , den Proteſtanten die ihnen drohende 1

Gefahr recht begreiflich zu machen . Das that er insbeſondre in einem an ſeinen Geſandten in der Schweiz gerichteten Brief vom 7. Juli 1655. „ Ich wünſche“,

ſchrieb er , „ vollſtändig und bis in's Einzelne durch Thurloe's Ver mittelung zu erfahren , welches die Meinung und Abſicht der pro teſtantiſchen Kantone in der Schweiz über dieſe Angelegenheit iſt. Sicher iſt der Plan

den Proteſtantismus zu vernichten ,

all

gemein . Sich begnügen mit einem Uebereinkommen mit dem Her zog von Savoyen , würde ein leichtſinniger Gedanke ſein.

Dieſe

armen Waldenſer müſſen ſichrere Bürgſchaften erhalten. Es iſt Zeit , daß die Proteſtanten der ganzen Welt recht erwägen , was ihre eigne Sicherheit betrifft. Wenn das uns nicht aufweckt, ſo iſt es augenſcheinlich , daß wir in einen Schlaf verſunken ſind, der für uns verhängnißvoll werden wird. Die ganze Nation iſt darüber mit dem Protector einverſtanden “ **) , fügt Thurloe hinzu . *)

Neale , II , p . 654. 655 .

**) The Protectorate , I , p. 215 .

276

Demzufolge ſuchte der Protector in allen ſeinen Verträgen den Proteſtanten die religiöſe Freiheit zu ſichern . Er verlangte von Portugal die freie Ausübung des evangeliſchen Glaubens , ſtieß

aber auf Schwierigkeiten , die ihm von Neuem Gelegenheit boten, ſeine Meinung über den Papſt auszuſprechen. Folgendes ſchrieb er am 6. Mai 1656 an die Generale Blake und Montague , da

mals auf der Flotte : „ In einem der Artikel des Vertrags , auf welchen wir in Uebereinſtimmung mit dem portugieſiſchen Geſandten gekommen waren , war für die (engliſchen) Kaufleute (in Portugal) Gewiſſensfreiheit , freie Religionsübung in den Häuſern wie am Bord der Schiffe, und der Gebrauch engliſcher Bibeln und andrer guten Bücher feſtgeſtellt worden, jedoch mit aller Vorſicht gegen den Mißbrauch dieſer Freiheit. Jeßt , nachdem wir Herrn Meadows ( Unter - Staatsſecretär ) abgeſchickt, erfahren wir , daß man dieſen

Artikel nicht bewilligen kann , wofern wir nicht erlauben , ihn der Genehmigung des Papſtes unterzuſtellen. So möchte man uns zur Anerkennung des Papſtes führen ! ... Wir hoffen durch die Gnade Gottes , daß man uns niemals dahin bringen wird , was uns auch

begegnen möge.“ *)

Ohne Zweifel hat niemals ein Staatsmann

entſchiedener über den Papſt ſich ausgeſprochen.

Der Protector beſchränkte ſich nicht auf ein einziges Land. Er zeigte für die franzöſiſchen Proteſtanten denſelben Eifer , wel chen er für die in den Thälern entwickelt hatte. >

Beim Beginn der engliſchen Revolution fingen die ſo grauſam behandelten franzöſiſchen Proteſtanten an einige Hoffnung zu faſſen und baten ihre britiſchen Brüder um Hülfe. Bordeaur war da mals der Mittelpunkt dieſes proteſtantiſchen Widerſtandes.

Maza

rin war durch dieſe Pläne ſehr beunruhigt. „Man verſichert mir“, ſchrieb er an einen ſeiner geheimen Geſchäftsträger in London , an Herrn von Gentillot, ,, daß wenn die Bürger von Bordeaur ihre Hinneigung und Theilnahme für den Fürſten und das Königthum aufgegeben , um nur die Sache ihrer eignen Freiheit und der des * ) The Protectorate , I , p. 2- 21 .

277

armen Volkes zu erfaſſen , man ſich ohne Zweifel mit ihnen ver binden würde. " *)

Das Beiſpiel Englands reizte die franzöſiſchen Proteſtanten. Sie hätten dieſelben Wege der Freiheit und der Entfeſſelung be

treten mögen. Ein ſchottiſcher Arzt, Namens More, ſcheint ſie dazu ermuntert zu haben. Man entwarf in Nieder - Languedoc und in

Bordeaur den Plan , ein Parlament aus 100 Perſonen , ähnlich dem engliſchen, zu errichten. More überreichte dieſe Erklärung dem Staatsrath in London im November 1653 und ſuchte deſſen Unter ſtüßung nach.

Andre vom Protector nach Frankreich geſchickte Geſchäftsträger drängten ihn , ſich zu Gunſten der verfolgten Religion zu erklären. Die einflußreichſten franzöſiſchen Paſtoren unterhielten einen Brief wechſel mit den vornehmſten Mitgliedern des Staatsrathes in Eng land. Die Gährung und die Begeiſterung waren allgemein im ſüd lichen Frankreich. Die Proteſtanten, welche ſich am Vorabend ihrer Befreiung glaubten , faſteten und beteten öffentlich für die Erhal tung des Protectors. Sie nannten ihn laut „ ihre einzige Hoff nung nächſt Gott.“ **) Der Prinz von Condé erbot ſich gegen Croin well Proteſtant zu werden , indem er hinzu fügte, daß , wenn der Protector ihm eine Flotte und gute Truppen zur Verfügung ſtellte, er in Guienne einfallen würde, wo er der Unterſtüßung der Pro teſtanten ſicher ſei, und daß er Frankreich in ſo große Noth brin gen würde , daß er für die Hugenotten und für England die Be dingungen erhielte , welche Cromwell ſelbſt vorzuſchreiben belieben würde. ***)

Aber Cromwell war ein eben ſo kluger als großmüthiger Mann. Er wußte, daß , wenn man den Proteſtanten unklugerweiſe die Hand böte , man ſo ihren völligen Untergang herbeiführen könnte. Er * ) Revue nouvelle , 1846 , p. 403.

**) Man vergl. ebendaſ. eine Depeſche des H. von Bordeaux, Geſandten des Königs von Frankreidy, an Herrn von Brienne. ***) Búrnet, Own Times , I , p. 101.

278

erinnerte ſich jener Worte des Herrn : Welcher König will ſich

begeben in einen Streit wider einen andern König , und fißt nicht zuvor und rathſchlaget, ob er könne mit zehn tauſend begegnen dem , der über ihn kommt mit zwanzig tauſend ?

Der Protector hatte unter ſeinen Beamten in der Abtheilung der auswärtigen Angelegenheiten einen, Namens Stoupe, aus Grau

bünden, anfangs Geiſtlicher der franzöſiſchen Kirche in London, dann General- Major in den franzöſiſchen Heeren. Er war ein ränkevoller

Mann , der nur den Schein des Proteſtantismus an ſich trug , wię der Biſchof Burnet ſagt , dem er ſehr wohl bekannt war. Oliver glaubte, und wie es ſcheint , mit Recht, daß ihm dieſer Mann gute Dienſte in dieſer Angelegenheit leiſten könnte. Er ließ ihn nach Whitehall kommen : „ Ihr werdet eine Rundreiſe durch ganz Frank reich machen“ , ſagte er zu ihm ; „ Ihr werdet Euch mit den vor: nehmſten Proteſtanten beſprechen ; Ihr werdet die Hülfsquellen der hugenottiſchen Partei , ihre gegenwärtige Stimmung , den Grad des Druces , unter welchem ſie ſeufzt, und das Vertrauen , welches fie dem Prinzen Condé ſchenkt, ſorgfältig prüfen.. Ihr werdet die : Re formierten unſeres Eifers und unſrer Sorge, ihnen Glaubensfreiheit zu verſchaffen , verſichern ; aber " , fügte Oliver hinzu , ,,„ nur als ſchlichter Reiſender werdet Ihr darüber ſprechen .“ I

Stoupe reiſte ab und kam in Paris an ; von da ging er die Loire hinunter, kam nach Bordeaur , ging durch Montauban und

durchſchnitt den ſüdlichen Theil Frankreichs, um ſich nach Lyon zu begeben. Er war erſtaunt über Alles , was er ſah. Mazarin , der aus Furcht vor Cromwell an ſich hielt, ließ die zu Gunſten der Proteſtanten erlaſſenen Verordnungen mit einer bis dahin ihm un bekannten Genauigkeit beobachten . Wir ſind nicht unzufrieden “, ſagte man im Allgemeinen zu Stoupe , „ und wenig geneigt, Unruhe zu ſtiften. Wir haben kein Vertrauen zum Prinzen Condé; er iſt 1

ein Ehrgeiziger , immer bereit, ſeinen Abſichten auf Größe feine

Freunde und ihre Sache aufzuopfern ! "

279

Stoupe berichtete an den Protector , und das war genug , um I

dieſem eine beſtimmte Richtung zu geben. *) Er begriff, daß er auf mit andre Weiſe den Proteſtanten zu Hülfe " kommen müſſe: ſeinem Einfluß, nicht mit ſeinen Waffen ; und dafür trug er Sorge. Im Mai 1654 ſchrieb Thurloe an Herrn Pell: Die Fran zoſen machen hier große Anſtrengungen , um uns zur Abſchließung eines Bündniſſes mit ihnen zu bewegen ; aber wir haben ihnen bis jeßt nichts bewilligt und werden nichts bewilligen , ohne daß man

uns vollſtändig die Religionsfreiheit der Proteſtanten zugeſichert hat. Sie dürfen verſichert ſein , daß dieſe immer bei jeder Gelegenheit die Richtſchnur unſers Verfahrens ſein wird . “ **) Der franzö fiſche Geſandte verweigerte entſchieden die geſebliche Zuſicherung der freien Ausübung der reformierten Religion in ihrem vollen Um fange. Wenn er auf dieſem Beſchluß beſteht" , ſchreibt Thurloe am 14. Juli , , ſo wird der Vertrag nicht abgeſchloſſen .“ ,, Der Protector“, fügt 'er unter dem 24. November hinzu , „ wünſcht ſehn lichſt, ſich mit dem Könige von Frankreich zu verbinden , aber er kann die Angelegenheiten der Proteſtanten weder vergeſſen , noch, um einen äußern Vortheil zu erlangen , etwas thun , was für ſie nachtheilig ſein würde. “ Im Jahre 1656 entſtand ein Streit zwiſchen den proteſtan

tiſchen Bürgern von Nismes , dem Magiſtrat und Biſchof dieſer Stadt. Als der Intendant der Provinz hatte vermitteln wollen ,

war ein Aufſtand erfolgt, von welchem der Hof ſofort benachrichtigt wurde.

Die Proteſtanten unterwarfen ſich und baten um Gnade,

aber der über dieſe ſich darbietende Gelegenheit entzückte Hof be ſchloß ihren Untergang. Die Proteſtanten ſchickten ſofort insgeheim einen Boten an Cromwell und baten um ſeine Vermittlung. Nach dem der Protector den Boten angehört, ſagte er zu ihm : „Ruht ein wenig von der Reiſe aus , und bevor Ihr nach Frankreich zu rückkehren könnt , wird Eure Sache abgemacht ſein ." Demzufolge * ) Burnet , 89. 99 .

**) The Protectorate , I , p. 2. 21.

280

wurde ein Eilbote nach Paris unmittelbar abgeſendet mit einem Briefe an den König von Frankreich , der in folgendem , an den

Kardinal Mazarin gerichteten Briefe eingeſchloſſen war.

An ſeine Eminenz , Hochwürdige Gnaden den Aardinal Mazarin. „ Da id) es für nöthig eradítet, dieſen Edelmann mit beiliegen dem Sdyreiben an den König zu dyicfen , ſo habe id) ihm befohlen,

Eure Eminenz von meiner Seite zu grüßen.. Ich habe ihn beauf tragt , Eudy gewiſſe Angelegenheiten mitzutheilen , die ich ihm anver traut habe. 3d) bitte demnach Eure Hoheit , ſeinen Worten Slau ben beizumeffen , da er mein volles Vertrauen beſigt. .

Eurer Eminenz ſehr wohlgewogener

Oliver Cromwell, Protector der Republik England 2c. Whitehall , December 1656."

Cromwell hatte eigenhändig hinzu geſchrieben : „ Ich bin von dem Aufſtande in Nismes unterrichtet ; ich empfehle Eurer Hoheit die Angelegenheiten der Reformierten ." *)

Zu gleicher Zeit ſchickte der Protector ſeine Anweiſungen an ſeinen Geſandten in Frankreich, trug ihm auf , entſchieden zu ver langen , daß der Aufſtand in Nismes vergeſſen werde, und befahl

ihm , im entgegengeſeyten Falle den Hof Ludwigs XIV. unmittel bar zu verlaſſen . Mazarin erhob fich laut gegen ein Verfahren, „das doch ", ſagte er , zu hochmüthig und befehlshaberiſch wäre. " Aber der Kardinal hatte eine ſolche Furcht vor dem Protector, daß er die Farbe wechſelte, wenn man nur ſeinen Namen in ſeiner Gegenwart ausſprach. „ Mazarin “ , ſagte man ſprichwörtlich in Frankreich, „bat vor Cromwell mehr Furcht als vor dem Teufel." Frankreich gab nach und ſchickte Befehl an den Intendanten , die Sache in Nismes ſo gut wie möglich beizulegen . *) Clarendon , Rébellion , livr. XV. a. f .; Neale , II , 668.

281

Wenn dieſer edle Wunſch die Schwachen zu ſchüßen in unſern

Tagen die Starken beſeelt hätte, ſo würde die Ungerechtigkeit gegen Otaheiti nicht begangen worden ſein, und man hätte nicht die fran zöſiſche Prieſterpartei, welche die drei nordiſchen Mächte wegen Ver nichtung der Unabhängigkeit Krakaus gebrandmarkt , ſelbſt die Un abhängigkeit eines Volkes angreifen ſehn, das niemals einen Herrn gekannt, und das nach ſeiner fittlichen Macht, nach ſeinem politi

ſchen und religiöſen Leben ſicherlich höher ſtand als die Bürger von Krakau. Die Thatkraft, mit welcher dieſes kleine Volk meh rere Jahre hindurch das tapferſte Volk der Welt in Schach ge

halten , beweiſt hinlänglich , daß Otaheiti die Unabhängigkeit ver dient. Indem die franzöſiſche Prieſterpartei gegen die Beſignahme Krakaus Widerſpruch erhob , und zu der von Otabeite aufforderte, hat fie in den Augen der gebildeten Welt die traurige Ehre ge habt , in neuerer Seit das glänzendſte Beiſpiel von jener Verblen dung aufzuſtellen , welche Mücken ſeiht und Kameele ver fchludt. Rönnte doch die Republik , welche den Sclaven die Frei heit ſchenkt , den Völkern die Unabhängigkeit wiedergeben , welche das Königthum ihnen geraubt hat ! Cromwell führte im 17. Jahrhundert jenen berühmten Wahl ſpruch in's Leben , der im 19. Jahrhundert eine von den Glorien eines der großen Männer Englands geweſen iſt: Bürgerliche und religiöſe Freiheit in der ganzen Welt. Die Praxis iſt, unſrer Meinung nach , immer noch beſſer als die Theorie ; aber

das vom Protector , der keinen Vorgänger gehabt hatte , gegebene Beiſpiel fand unglüdlicherweiſe keine Nachahmer. Die franzöſiſchen Proteſtanten wurden im Stich gelaſſen , ſowohl im Ryswicker Frie den im Jahre 1697 , als auch im Utrechter im Jahre 1713 , ob gleich damals ſo viele Hugenotten auf den Galeeren und in den Kerkern duldeten. Hätte Cromwell's Geiſt England zu regieren fortgefahren, der Widerruf des Edicts von Nantes hätte nicht Statt gefunden. Es ſei uns vergönnt , einen ſchwachen Zoll unſrer Ach tung dem großen Manne zu entrichten , welcher der Beſchüßer unf rer Vorfahren war , und der es für das ganze reformierte Frant 20

282

reich geweſen wäre , wenn er gelebt oder wenigſtens in Nachfolgern fortgelebt hätte , die ſeiner würdig waren .

Die Hingebung Cromwell's an die große Sache des evange liſchen Proteſtantismus machte die Runde durch Europa.

In der

Schweiz bemühte ſich der Protector die proteſtantiſche Theilnahme zu wecken und zu beleben. „Ihr fürchtet Euch dermaßen vor Euern papiſtiſchen Nachbarn " , ſagte ſein Geſandter zu den proteſtantiſchen Schweizern am 12. Mai 1655 * ), „ daß Ihr nicht wagen würdet,

einen Fuß zu Gunſten einer proteſtantiſchen Kirche zu regen , aus Furcht , es möchten die papiſtiſchen Kantone über Euch herfallen.

Wenn Genf Eurer Hülfe bedürfte , ſo würde die Mehrzahl von Euch antworten : Wir können nicht, aus Mangel an Geld ; wir 17

wagen es nicht, aus Furcht vor unſern Nachbarn ! "

Da Cromwell zu gleicher Zeit wußte, daß die katholiſchen Ran tone von Fürſten ihres Glaubens kräftig unterſtüßt wurden, ſo gab er ſeinem Geſandten Befehl , unter dem 22. Februar 1656 , den

evangeliſchen Kantonen beizuſtehn , ſo daß ſie einen günſtigen und ehrenvollen

Frieden ſchließen , und ſo durch ſeine Anſtrengungen

dem Beiſtand andrer Fürſten zu Gunſten der papiſtiſchen Kantone die Wage halten könnten. *)

Auch in Deutſchland trat der Protector zur Vertheidigung der Religionsfreiheit der Proteſtanten in's Mittel. Ein von einer aus: gezeichneten Perſönlichkeit geſchriebener und an den Protector ge 2

ſchickter lateiniſcher Brief vom Januar 1654 enthielt unter andern : Die ganze papiſtiſche Cohorte finnt auf eine wahre Verſchwörung gegen uns und die Unſrigen. Man muß Alles erwägen, Ales mit Klugheit ergründen. Man muß über die Mittel berathen, welche zu

unſrer gegenſeitigen Erhaltung anzuwenden ſind; denn wir kennen das Ziel unſrer babyloniſchen Feinde ..... Möchte der Herr der Heerſcharen der Protector des Protectors und der Kirche ſein !" **) — * ) Protectorate , I , p. 355. ** ) Tota cohors papistica veram molitur coniurationem in nostros , in nos . Omnia prudenter consideranda , penetranda. Deliberandum de modis

283

Man ſekte zu dieſem Briefe hinzu, daß die Verfolgung in Deſtreich und Böhmen fortdaure , und daß man einen allgemeinen Bund der Papiſten gegen die Proteſtanten Deutſchlands und der Schweiz vor her fehn könne.

Der Protector traf ſeine Vorkehrungen dagegen. Konnte er auch nicht überall hin zu den Proteſtanten den Arm ſeiner Macht

ausſtrecken , fo ſchickte er ihnen wenigſtens Pfänder ſeines Mitleids. Geldſammlungen wurden auf ſeinen Befehl für die verfolgten Pro

teſtanten Böhmens veranſtaltet, und als im Jahre 1657 Abgeord nete der Proteſtanten Polens und Schleſiens in London angekom

men waren , um ſich über die gegen ſie gerichteten Verfolgungen zu beklagen , wurden ſofort in ganz England Geldſammlungen für ſie anbefohlen. *) Da Cromwell alle ſeine Bemühungen in eine gewiſſe Ordnung

bringen wollte, ſo faßte er den Gedanken einer großen Stiftung, zu Gunſten des evangeliſchen Glaubens. Er nahm ſich vor , die ver ſchiedenen Glieder des proteſtantiſchen Körpers in der Welt zu vers einigen , und ſie ſo in den Stand zu ſeßen , Kom Widerſtand zu leiſten , welches damals im Zuge zu erobern war. **) Er beſchloß zu dieſem Zweck die Gründung eines Rathes für die allgemeinen 1

Angelegenheiten des Proteſtantismus, und vielleicht war er auf die

fen Gedanken durch die Gründung der römiſchen Geſellſchaft zur Verbreitung des Glaubens geführt worden.

Er theilte die pro

teſtantiſche Welt in vier Provinzen , außerhalb England. Die erſte umſchloß Frankreich , die Schweiz und die Thäler von Piemont. Die zweite umfaßte die Pfalz und andre calviniſtiſche Länder. In der dritten befand ſich der übrige Theil von Deutſchland, der Nor

nostrae conservationis mutuae ,> quia scopum adversariorum Babylonicorum scimus .... Sit Deus Zabaoth protector Protectoris . et Ecclesiae .... Protectorate , I , p. 114. ) -

( The

*) Protectorate , II , p. 258 .

**) Man vergl. den Unionsvorſchlag des Dr. 6. Mniewel in ſeinen „ Reiſe ſkizzen vornemlich aus dem Heerlager der Kirche ." Th. I , S. 206 bis 221. ( Leipz. 1843 ) P.

20 *

284

den und die Türkei

Die weſt- und oſtindiſchen Kolonien ( Amerika

und Aſien) bildeten die vierte. Vier Schriftführer und ſieben Räthe bildeten den Rath dieſer Stiftung. Die Schriftführer ſollten den Briefwechſel mit der ganzen Welt beſorgen und überall -nach dem

Zuſtande der Religion ſich erkundigen , ſo daß England nach jedem Orte bin mit Einſicht und Erfolg ſeine Ermunterung , ſeinen Schuß,

ſeine Hülfe könnte gelangen laſſen . 10,000 Pfd. Sterling jährlich ( 250,000 Frk. ) nebſt außerordentlichen Hülfsſteuern im Falle der Noth , ſollten zur Verfügung des Rathes geſtellt werden , der im Gymnaſium von Chelſea ſeine Sißungen halten würde. * )

Ohne Zweifel ließe ſich Manches gegen dieſen Plan einwenden. Es war vielleicht zu fürchten , daß in gewiſſen Fällen dieſe diplo:

matiſche Vermittlung dem geiſtlichen Charakter und wahrem Leben der Reform ſchadete; aber Cromwell's Ziel war vor Alem Reli gionsfreiheit überall ſowie in England. Die Proteſtanten des Feſt landes ſollten wiſſen , welchen Freund ſie in den berühmten Pro tector beſaßen. Ein katholiſcher Geſchichtſchreiber, einer von denen ſogar , welche Cromwell's Character zu würdigen am wenigſten ver ſtanden haben , kann eine Anwandelung von Bewunderung hier nicht unterdrücken.

Wenn man " , ſagt Herr Villemain , an die

Rämpfe der proteſtantiſchen Religion gegen den katholiſchen Glau: ben denkt, ſo iſt es ohne Zweifel ein edler und ungebeurer Ge danke, die Beſchüßung aller abweichenden Secten an ſich zu reißen 1

und nach einer beſtimmten und dauerhaften Weiſe die Unterſtüßung zu regeln , welche England ihnen mehr als ein Mal gewährt hatte. Wäre Cromwell nicht durch den Tod verhindert worden , ſo hätte er dieſen Plan ohne Zweifel wieder aufgenommen , der mit ſeinem Genie im Einklang ſtand , und den muthig zu verſuchen ſeine Macht ihm geſtattete.“ Solches war Cromwell's Thätigkeit.

Ueberall zeigte er ſich

als den Samariter , der die Wunden der Unglücklichen verbindet, welche in die Hände der Böſen gefallen find, und Del und Wein

hineingießt. Cromwell iſt der größte Proteſtant, der je feit Calvin's *) Burnet >, vol . I , p . 109.

285

und Luther's Tagen gelebt hat. Mehr als irgend ein Herrſcher Englands hat er den glorreichen Titel : Vertheidiger des Glau bens verdient.

Und Cromwell war der Vorkämpfer nicht bloß eines äußer

lichen und amtlichen Proteſtantismus. Hätte ſich ſeine Aufgabe darauf beſchränkt, ſo würde ſie bei uns wenig Theilnahme erwecken und keine großen Dinge gewirkt haben. Niemand ſtellt vielleicht mehr die Ehre des wahren Proteſtantismus bloß , als die , welche ihn auf nichts als auf ein politiſches Syſtem zurückführen, weil ſie die geiſtige Natur der Bewegung des 16. Jahrhunderts vergeſſen. Der Proteſtantismus der Reformatoren iſt der Evangelismus der Apoſtel, weder mehr noch weniger. Hüten wir uns , daraus ein halb geiſtliches , halb weltliches Baſtard - Weſen zu machen . Crom well gebrauchte ſeine Macht zur Beſchüßung der Religionsfreiheit in ganz Europa , aber die Quelle ſeiner äußern Thätigkeit lag da

rin , daß ſeine Seele die Wahrheit jenes Wortes erfahren hatte: Wo der Geiſt des Herrn iſt, da iſt Freiheit. (2.Kor.III, 17.) Das frühere religiöſe Leben der Reformation hatte ſich ver loren ; ein Hängen an Formen war an ſeine Stelle getreten. Man 1

forſchte eifrig , ob es eine apoſtoliſche Nachfolge bei den Dienern

der Kirche gebe oder nicht; man prüfte , ob die Gebete , die Sacra mente , der Kultus mit den Glaubensregeln und der Liturgie über einſtimme; man legte die Hand auf Alles , um Alles zu prüfen, ausgenommen auf ſein eignes Herz, um zu ſehn, ob es noch ſchlüge. Leidenſchaftlich beſchäftigte man ſich mit jeder Art von Gleichför migkeiten ( conformités ) *) ; man vergaß jedoch eine , die, welche uns Jeſu Chriſto gleichförmig macht. Ein religiöſes Erwachen fand Statt ; die chriſtliche Wahrheit und das chriſtliche Leben erſchienen wieder. Auf eine trodne Recht gläubigkeit, auf ein kirchliches Syſtem folgte ein Chriſtenthum des Herzens. Oliver iſt einer von denen , in welchen jene geiſtige 1

*) Man weiß , daß die Diffidenten in England Nonconformiſten genannt werden .

286

Revolution am

ſtärkſten hervortrat.

Ueberall in dieſer Geſchichte bieten ſich Beweiſe ſeines Glaubens dar. Es hat jelten in der

Welt ein Herz gegeben, das ſtärker für die ewige Wahrheit ge ſchlagen hätte. Dieſer Glaube, deſſen Vertheidiger Cromwell wurde, kann nicht

untergehn. Er kann verdeckt und verſchleiert werden , bald durch den ausgedörrten Sand des Unglaubens, bald durch die ſtürmiſchen

Fluthen menſchlicher Leidenſchaften , bald durch die Bilder, Chorhem den und die Reliquien des Aberglaubens; aber immer von Neuem wacht er wieder auf , erhebt er ſein Haupt , erſcheint er wieder. Die göttlichen Offenbarungen ſind für alle Zeiten , und haben in allen Jahrhunderten dieſelbe ewige Wahrheit, dieſelbe ewige Schön heit. Sie gleichen jenen Felſen mitten im Ocean, welche allerdings die hohe Fluth bedeckt und die dann auf immer verſchwunden ſchei nen , aber immer wieder zum Vorſchein kommen . Vergebens bildet ſich ein Geſchlecht ein , in ſeinen neuen Lehrgebäuden den ewigen Felſen der göttlichen Wahrheit wieder gefunden zu haben , unter dem folgenden Geſchlechte verſchwindet er wieder. Es findet ein fortwährender Wechſel Statt, ein beſtändiger Kampf zwiſchen Finſter niß und Licht, aber das Licht hat das leßte Wort. Und ſogar wenn eine Zeit einträte, welche glaubte die gött

liche Wahrheit auf immer begraben zu haben , wenn irgend ein vulkaniſcher Ausbruch der Geſellſchaft unter der Aſche eines neuen Veſuvs ſie verſchlungen hätte,. ... hat nicht Pompeji nach ſiebenzehn

Jahrhunderten ſeine Häuſer , ſeine Grabmäler, ſeine Paläſte, ſeine Tempel, ſeine Circus , ſeine Amphitheater wieder an's Tageslicht treten laſſen ? Und glaubt man , daß die Wahrheit und das Leben,

welche Gott uns in ſeinem Evangelium geſchenkt, weniger Lebens kraft befäßen als die vergänglichen Wohnungen des Menſchen ? Es giebt vielleicht jeßt unterirdiſche Feuer , welche die göttliche Wahrheit bedrohen. Eine vermeßne , pantheiſtiſche, ſociale Philo ſophie glaubt mit dem Gefreuzigten fertig geworden zu ſein ; aber ſelbſt wenn es ihr gelänge, etwas Staub auf die ewige Lehre zu werfen , der Herr des Himmels wird darüber hauchen , und der Staub wird verſchwinden .

287

Cromwell iſt als Chriſt der Vertreter einer jener Zeitabſchnitte, in welchen das Licht nach der Finſterniß wieder erſchien , nach dem

Wahlſpruch einer Stadt , welche mit neuer und heller Klarheit in den Tagen der Reformation ſtrahlte. *) Und nicht allein ſeinem Vaterlande wünſchte Oliver die evangeliſche Lehre wieder zu geben,

er ſtellte das Licht auf den Leuchter, und das Haus (Matth . V , 15), welches er ſo erleuchten gewollt, war Europa, war die Welt. Man hat ihn mit Bonaparte verglichen , und in der That finden ſich zwiſchen ihnen Züge von ſchlagender Aehnlichkeit. Beide begnügten ſich nicht damit, in ihren Ländern thätig zu ſein , ſie ließen ihre Thätigkeit auch nach außen wirken .

Aber während Napoleon ans

dern Völkern die Zwingherrſchaft und die franzöſiſche Gleichgültig keit brachte, hatte Cromwell ihnen die Religionsfreiheit und das

Evangelium ſchenken wollen. Als die ewigen Offenbarungen in England wieder erſchienen waren , mit den begeiſterten Huldi gungen eines ganzen Volkes , war es Cromwell's Streben geweſen, ſie aller Welt leſen zu laſſen. Es gelang ihm nicht , und für die Mehrzahl der Nationen Europa's iſt die Bibel immer noch ein im

Scooße der Erde vergrabnes Buch. Aber dieſe hochherzige Abſicht, die Cromwell nicht durchführen konnte , iſt von Neuem in unſern

Tagen an den Ufern der Themſe in's Auge gefaßt worden . Die göttlichen Offenbarungen ſind in allen Sprachen aller Völkerſtämme der Welt geſchrieben worden . Es wird eine Zeit kommen , in wel cher die dichten Schleier, welche für ſo viele Völker die heiligen Buchſtaben noch verhüllen , endlich zerriſſen ſein werden . Erhebt ſich nicht jeßt Ninive aus dem Sande der Wüſte mit ſeinen un ermeßlichen Mauern , ſeinen ſtolzen Höfen, ſeinen prächtigen Säulen hallen ? Stellt es nicht wieder an’s Tageslicht ſeine Inſchriften von zwei, drei und viertauſend Fahren , bietet es nicht den gebil deten und erſtaunten Söhnen des weit entfernten und barbariſchen

Europa die uralten Schriftzeichen, welche Ninus , Sardanapal oder *) Post tenebras lux , iſt Genf's Wahlſpruch. Es findet ſich auch in ſei nem Wappen eine Sonne , welche in ihrem Mittelpunkte den Namen Jeſu trägt. I. H. S.

288

Nabopolaſſar zeichneten ? .... Die Bücher, welche Moſes angefan

gen, eben ſo alt als jene aſſyriſchen Inſchriften, haben mehr Leben als ſie, deſſen mögen wir gewiß ſein ; und die künftigen Zeiten, welche Europa Religionsfreiheit geben , werden den großartigen Plan verwirklichen , den Cromwell nicht ausführen konnte.

Dreizehntes Kapitel. Die Königs würde. Neues Parlament.

A118 chließungen .

Ludlow .

Reden des Protectors .

Anträge in Betreff der Königswürde.

Ver

handlungen darüber zwiſchen dem Parlament und dem Protector . Kämpfe. Weigerung Cromwell's ſie anzunehmen . Hatte

er Recht ?

Sein Charakter. – Ehrgeiz.

Nicht ohne Mühe erfüllte der Protector die Aufgabe , die er

fich geſtellt hatte. Troß der religiöſen Freiheit , welche er England im Innern ſchenkte , troß des Ruhmes , mit welchem er es nach

außen umgab , waren dennoch die ſtrengen Republikaner mißver gnügt und ſagten ihm oft in's Geſicht, ſeine Herrſchaft ſei unrecht mäßig, und ſie und ihre Freunde hätten ſo viel Blut nicht vergoſ ſen , um von Neuem die Gewalt eines Einzigen auf den Thron zu feßen.

Im Jahre 1656 beſchloß Cromwell ein neues Parlament zu verſammeln. Er bedurfte ſeiner zur Genehmigung des Krieges ge gen Spanien und zur Erlangung der nöthigen Hülfsſteuern. Aber er fürchtete, die Republikaner, entſchieden ſich Allem zu widerſeßen, möchten gegen den Krieg ſtimmen , der in ſeinen Augen ſo ruhmvoli, für England ſo vortheilhaft war. Der Protector ließ den General

major Ludlow , das Haupt dieſer Partei, bitten, ſich zu verpflich ten , nichts gegen die gegenwärtige Regierung zu unternehmen.

„ Ich wünſche,“ erwiderte Ludlow , „daß die Nation nach ihrer eig - „Und ich auch ,“ ſagte der Pro nen Genehmigung regiert werde.“" — tector , „aber wo werden wir dieſe Genehmigung finden ? Bei den

290

Episkopalen , oder bei den Presbyterianern , oder bei den Indepen denten , oder bei den Baptiſten oder bei den Gleichmachern ?" -- „ Bei allen benen ," erwiderte der Republikaner, ,, welche mit Liebe und

Treue für das Volk gehandelt haben .“ Der Protector , überzeugt, daß Ludlow von Neuem England in Unordnung und Verwirrung ſtürzen wollte , ſagte zu ihm : „Jeder genießt ſo viel Freiheit und

Schuß als er wünſchen kann; aber ich bin entſchloſſen zu verhin: dern , daß die Nation von Neuem in ihrem Blute ſich bade.

Ich

will Euch nicht mehr Zwang auflegen als mir ſelbſt. Ich ſuche nur Eins , den Frieden und die Sicherheit dieſes Volkes. Was meine Angelegenheiten betrifft , ſo wiſſen dieſe Herren , " ſagte er, indem er auf ſeinen Rath zeigte , „ daß ich ſie nicht ſehr gefördert 1/

habe." *) In alle dem ſprach Cromwell die Wahrheit. Nach dem Šturme einer Revolution ruht die Freiheit vor Allem in der Ord ning , und für die Ordnung bedarf es der Macht. Als am 17. September 1656 das Parlament fich verſammelt

hatte , hielt der Doctor Owen , Vicekanzler von Drford , in der Weſtminſter - Abtei eine Predigt über den Tert :

Was werden

die Boten der Heiden hin und wieder ſagen ? Nemlich : Zion hat der Herr gegründet, und daſelbſt werden die Elenden ſeines Volkes zuverſicht haben. (Jeſ. XV, 32.) Aber nicht bloß die Elenden ( Bekümmerten , Bedrückten) ſeines Vol

kes , ſondern auch die Elenden andrer Völker waren es , die ſich unter den Schuß Englands ſtellten . Stimmen konnten ſich hören laſſen von den Küſten Frankreichs

und aus den Thälern der Alpen und dieſer Predigt antworten : Ja , es iſt wahr... Amen.

Als ſich das Parlament in den Gemalten Saal begeben hatte , nahm der Protector den Hut ab und hielt eine der verſtän digſten , edelſten , kräftigſten und religiöſeſten Reden , die jemals ein

Staatsmann gehalten. Cromwell ſprach nach einander über Spa

*) Neale , II , p . 658 .

291

nien , die Papiſten, die Gleichmacher, die Gleichheit aller Secten, über die Spiele und ihre Unſittlichkeit, die Verbeſſerung der Sit ten , über die Nothwendigkeit ſchnelle und außerordentliche Heilmit tel gegen ſchnelle und außerordentliche Uebel anzuwenden , und er

ſchloß dieſe Rede wie folgt : * ). „Deshalb beſchwöre ich Euch im Namen Gottes , widmet Euer Wenn Ihr das thut , werdet Ihr dann Luther's Pſalm ſingen (Pf. 46). Es iſt ein ſchöner Pſalm für einen Chriſten . Wenn der Chriſt ein offres Herz hat , ein Herz, verz dieſem Werke.

1

an dem Gott Wohlgefallen findet, ſo werden wir es wie den Re formator ausrufen hören : Gott unſre Zuverſicht und

Stärke , unſre ýülfe in den großen Nöthen , die uns troffen haben. Wenn der Papſt und der Spanier , wenn der Teufel und die ganze Welt ſich gegen uns verſchwören , ſollten ſie uns ſogar umgeben wie Bienen , - wie der 118. Pſalm ſagt,

im Namen des Herrn werden wir ſie zerhauen ; und wie es in jenem Pſalm Luther's heißt :

Darium fürchten wir

uns nicht, wenn gleich die Welt unterginge , und die Berge mitten in's Meer ſünken. Wenn gleich das Meer wüthete und wallete , und von ſeinem Ungeſtüm die Berge einfielen. Dennoch ſoll die Stadt Gottes fein luftig bleiben mit ihren Brünlein .

Gott iſt bei ihr

drinnen , darum wird ſie wohl bleiben. Und dann wieder holt der Pſalmiſt zwei oder drei Mal :

Der Herr Zebaoth iſt

mit uns , der Gott jacob iſt unſer Schuß. Cromwell hatte Recht , Luthers Andenken zu erneuern . Lieſt

man Cromwell, ſo glaubt man den Reformator zu hören , auf dem Schloſſe zu Coburg , während des Reichstags zu Augsburg im Jahr 1530. Vom politiſchen Standpunkte aus gab es zwiſchen dieſen beiden großen Männern die hervorſtechendſten Unterſchiede, aber in den weſentlichſten Beziehungen und in ihrem Ankämpfen ge .

*) Lettres et Discours , III , p. 238 .

292

gen das Papſtthum bietet die neuere Geſchichte keine zwei gleichar tigern Geiſter.

„ Ich bin zu Ende ," fährt der Protector fort ; „was mir noch zu ſagen übrig bleibt , iſt, Gott zu bitten , daß er Euch ſegne , und daß der , welcher Eure Herzen und das meinige beſißt, ſeine Ge: genwart mitten unter uns offenbare. Ich wünſche, daß Ihr zur Wahl Eures Präſidenten Euch verſammelt."

Da ſich der Protector an frühere Vorfälle erinnerte, und wie viele der Ordnung feindſelige Köpfe Unruhe im Staate leicht erre gen könnten , ſo war er entſchloſſen die nöthigen Maßregeln zu ergreifen , damit das Parlament ſeine Schritte nicht bemmte und das Gedeihen und den Ruhm Englands aufhielte. Zu dieſem Zwecke

nahm er ſeine Zuflucht zu einem Mittel , das in unſern Tagen ein gerechtes Erſtaunen hervorrufen würde.

Er ließ die Thüren des

Verſammlungsortes durch ſeine Wachen beſeßen , und wer nicht einen Schein des Staatsrathes vorzeigte , durfte nicht eintreten. Ungefähr 100 Mitglieder wurden ausgeſchloſſen. Niemand kam dem Protector gleich , die Menſchen zu unter

ſcheiden. Er beſaß einen Scharfſinn und eine Kenntniß der Köpfe,

die in der That merkwürdig war, und zeichnete ſich in England irgend Jemand durch irgend ein Talent, irgend eine Wiſſenſchaft

aus, er wußte ihn zu finden , anzuſtellen und nach ſeinem Verdienſte zu belohnen.

Aber er kannte auch ſeine Feinde und die des öffent:

lichen Wohls , und ſeine feſte Hand wußte ſie zu entfernen oder zu zügeln . Dieſes that er in dieſem beſondern Falle. Nichts deſto: weniger war er bereit der Freiheit der Volksvertretung Unterpfän

der zu geben . Man kam überein , daß fünftig Niemand außer mit Bewilligung des Hauſes vom Parlament ausgeſchloſſen werden könnte. Der ſpaniſche Krieg wurde genehmigt , und 400,000 Pfd. St. bazu bewilligt.

Wenn man eingeſteht, wie man es muß, daß die von Crom well angewendete Maßregel mit der Freiheit des Parlaments und

den Grundfäßen der conſtitutionellen Regierung unvereinbar war, ſo muß man doch zu gleicher Zeit einräumen , daß dieſe Eingriffe der Gewalt damals nothwendig waren , um eine feſte Regierung zu

293

haben , und daß die Nation ohne dieſes ziemlich despotiſche Ver 1

fahren in Krieg und Verwirrung unvermeidlich geſtürzt worden wäre. Es giebt eine gewiſſe Freiheit, die damit anfängt, Alles, was das Wohl eines Volkes bewirken kann , bloß zu ſtellen und

ſogar zu zerſtören , und die damit endigt, den Despotismus in ihrem Schooße aufzurichten. Die kleinen Geiſter wiſſen die drohen den Folgen einer zügelloſen Freiheit nicht zu entdecken , aber die

großen erkennen ſie, und verſtehen , wenn man ihnen zuvorkommen muß , kräftige Mittel anzuwenden . Das that der Protector. Man muß auch bedenken , daß der den ſtellvertretenden Regierungen nothwendige Zügel, ein Oberhaus , damals England fehlte.

Die

Gewalt, welche Cromwell beanſpruchte, ſollte nach ſeiner Meinung das Oberhaus erſeßen. Es lag alſo in dieſer ausſchließenden Maß regel ein conſtitutioneller Grundſtoff. Der Anfang des Jahres 1657 bätte beinahe die traurigen

Vermuthungen des Protectors verwirklicht. Einer der Haupt Gleichmacher, der Quartiermeiſter Sindercomb , ſuchte nach verſchie denen fruchtloſen Mordverſuchen Feuer in Whitehall anzulegen. Er wurde ergriffen , aber es gelang ihm ſich der Strafe durch Gift zu entziehn. Das Parlament kam insgeſammt dem Protector Glück zu wünſchen , daß er der Gefahr entgangen war, und dieſer ant wortete ihm nach ſeinem geſunden Verſtande und ſeiner gewöhnli chen Frömmigkeit * ).

Man fühlte jeßt das Bedürfniß, die Ordnung und das Ge deihen Englands auf eine feſtere Grundlage zu ſtellen, und mehrere unter den Republikanern ſelbſt hielten die Königswürde zu dem Ende für nothwendig. Der Antrag in dieſer Angelegenheit ging

nicht von Cromwell, ſondern vom Parlament aus. Der Obriſt

Jophſon , einer der Abgeordneten Jrlands , verlangte , dem Pro tector die Krone zu übertragen ; der Alderman Pack, einer der Ver treter der Londoner City , unterſtüßte dieſen Antrag. „Als Crom well davon unterrichtet worden war ," ſagt der Republikaner Lud:

*) Discours VI. Lettres et Discours , III, p. 254.

294

1

:)

low , „ verwies er es dem Obriſten leiſe bei Tiſche und ſagte ihm : „ „ Ich begreife nicht, woran Jhr gedacht habt , als Ihr einen derar tigen Antrag ſtelltet." " Als Jophſon geantwortet, er verlange die Freiheit den Regungen ſeines Gewiſſens zu folgen , klopfte ihm Cromwell auf die Schulter und ſagte zu ihm : ,,Geht , Ihr ſeid „ nichts als ein Narr ! “ “ – Die ſtrengen Republikaner widerſekten ſich dem Antrage mit großer Heftigkeit , beſonders Lambert , Desbo: rough und Fleetwood, Cromwell's Schwiegerſohn. „ Dieſe Männer, welche zu ſeiner Familie gehörten und ſein Vertrauen genoſſen , rühmten ſich zu wiſſen , " ſagt Clarendon , „daß Cromwell ſelbſt nie /

mals für Annahme dieſes Titels ſich erklären würde , ſo daß es

ſehr ſonderbar wäre , wenn jemand dieſe Frage auf's Tapet bringen wollte." Aber da die Mehrzahl der Rechtsgelehrten , deren Stimme in einer derartigen Frage von großem Gewicht ſein mußte , für die Königswürde ſich ausſprach , ſo ging der Antrag durch . 1 1

Als der Graf Orrery den Protector während dieſer Verhand lungen beſuchte, ſagte er ihm , er ſei den ganzen Tag in der Stadt geweſen. Cromwell fragte ihn nach Neuigkeiten . „Man verſichert," antwortete Orrery , „ daß Ihr mit dem Könige unterhandelt , und daß Karl wieder auf den Thron geſeßt werden und Eure Tochter heirathen foll."

Da Oliver ſchwieg fuhr der Graf fort :

Bei der

jeßigen Lage der Dinge ſehe ich kein beßres Auskunftsmittel. Ihr könnt von Karln beliebige Bedingungen erhalten und dieſelbe Macht behalten , die Ihr zur Stunde genißt , aber mit weniger Beſchwerde.“ ,, Der König ," ſagte Cromwell , „ wird nie den Tod ſeines Va ters verzeihen.“ Orrery erwiderte : „hr ſeid nur ein Einziger unter allen jenen , die für den Tod des Vaters geſtimmt haben , und Ihr würdet der Einzige fein , der das Verdienſt haben würde, den Sohn wieder einzuſeßen." - ,,Mein Herr," erwiderte Oliver, „ /

„ Karl iſt ein ſo verdammter Wüſtling, daß er uns Alle wird hän gen laſſen .“ Nach dieſen Worten wendete er die Unterhaltung auf einen andern Gegenſtand ohne die geringſte Aufregung zu verrathen. Orrery war überzeugt, Cromwell habe oft an dieſes Auskunftsmit tel gedacht.

295

Am 31. März wurde dem Protector vom Parlament ein Sdreiben überreicht, um ihn zur Annahme des königlichen Titels und Amtes einzuladen , aus verſchiedenen Gründen ; nemlich, weil ein König das Chriſtenthum auf dieſer Inſel zuerſt eingeführt

habe * ); weil die Königswürde von der Nation ſeit langer Zeit gut geheißen worden ſei ; weil die Erfahrung zeige , daß ſie mit den öffentlichen Freiheiten mehr im Einklang ſtünde; weil es ein von dem Geſep anerkannterer und der engliſchen Verfaſſung und dem Charakter des engliſchen Volkes angemeſſnerer Titel ſei **). Crom

well batum Zeit , dieſes Geſuch in Erwäguug zu ziehn : „Ich habe, " ſagte er , „den legten Theil meines Lebensmitten unter Unruhen zugebracht, gleichſam wie in einem Schmelzofen.

Aber

alle Prüfungen , die ſeit meiner Theilnahme an den Angelegenhei ten dieſer Republik an mich herangetreten ſind , haben mich nicht

in dem Grade aufgeregt, und mein Herz mit jener Furcht vor Gott, welche dem Chriſten wohl anſteht, als dieſes Anerbieten , von wel 1

chem 3hr jeßt zu mir redet. „Wenn ich Euch ſofort meine Antwort ertheile , ohne Den zu

fragen , der bis zu dieſer Stunde mein Gott und mein Führer ge weſen , ohne ihn ſelbſt das , was ich Euch ſagen ſoll, in mein Herz und auf meine Lippen legen zu laſſen , ſo würde es leicht den An

ſchein gewinnen , als hätte ich nur mein eignes Gelüſten befragt, als ſuchte ich nur mich ſelbſt.

Wären nun aber derartige Beweg:

gründe für mich beſtimmend , ſo würde dieſe Entſcheidung ein Fluch für mich und für dieſe drei Nationen ſein . “ Als drei Tage ſpäter , am 3. April 1657 , ein Ausſchuß des

Parlaments , in dem ſich der Lord Broghil , der General Montague, die Lords Twenddale , Whitelocke und viele Andere befanden, dem Protector ſich vorſtellte, ſagte er zu ihnen : „ Ich bitte Euch , dem Parlament meinen Dank auszudrücken ; aber was Euch zuträglich erſcheinen kann mir anzubieten , das anzunehmen kann mir nicht 1

*)

Mercurius Politicus , 26. März 1657.

**) Burton , Diary , I, 413. Lettres et Discours , II , 271 .

296

zuträglich ſein. Ich bin nicht fähig , ein ſo erhabnes Amt zu verwalten , und einen ſo koſtbaren mir anvertrauten Schaß zu hüten *).

)

}

Am 11. April erſchien der, vom Parlament ernannte Ausſchuß zu Whitehall, um dem Protector die Beweggründe vorzulegen, welche zu Gunſten des Parlamentsgeſuchs ſprachen. Der Lord Whitelocke, der Lord - Präſident der Juſtiz Glyn , der Lord -Com miſſar Lenthal , der frühere Präſident des langen Parlaments, ſprachen abwechſelnd. Dieſer Leştere machte beſonders geltend, daß der Titel Protector von den Landesgeſeßen nicht anerkannt ſei. Nolumus Angliae leges mutari! rief er.

Der Protector bat um

Bedenkzeit .

Dieſer lektere Beweggrund konnte nicht ermangeln von großem Gewicht in ſeinen Augen zu ſein . Auch er wollte Englands Gefeße nicht ändern.

Troß des widerſprechenden Anſcheins war Cromwell's

Geſinnung eine hervorragend erhaltende. Wenn er minder wichtige Dinge aufopferte , ſo geſchah es um böhere zu erhaiten. Der Pro teſtantismus und die Freiheit waren in ſeinen Augen das Recht und gleichſam das Weſen Englands. Ein Fürſt und ſelbſt ein Herr ſcherhaus waren im Vergleich mit dieſen Gütern nur Nebendinge. Die ganze Frage kam darauf zurück: Was muß man in einer Na tion erhalten ? - Das Weſentliche oder die Nebendinge ? Am 13. April erſchien der aus 93 Mitgliedern beſtehende

Ausſchuß von Neuem im Palaſt. Damals hielt Cromwell ſeine elfte Rede. Auf der einen Seite begriff der Protector die Tüchtig keit der vom Parlament , beſonders von den Rechtskundigen , auf geſtellten Beweggründe; aber auf der andern hielt er es für ſeine Pflicht, die frommen Männer ſich nicht zu entfremden , mit welchen er unter Gottes Hülfe Ordnung und Ruhe dem Lande wieder ge ſchenkt hatte.

„ Wenn ich die Stellung angenommen , die ich jeßt inne babe,“ ſagte er , ſo geſchah das nicht ſowohl in der Hoffnung etwas ,

*) Lettres et Discours , III, 275 .

297

Gutes zu thun , als weil ich Böſes zu verhindern wünſchte, 1

Uebel , die bald , wie ich jahe , die Nation treffen mußten. Wir

hätten uns in Verwirrung , wir hätten uns nothwendiger Weiſe in Blutvergießen geſtürzt..... Ich ließ alſo diejenigen gewähren, welche wünſchten , daß ich den Plaß , auf dem ich zur Stunde ſtehe, einnehmen möchte. Ich werde keineswegs für den einen Namen mehr als für

• den andern ſtreiten , noch mich für ihn ausſprechen. Ich habe nichts auf die Beweiſe zu antworten , deren man ſich bedient, um den

Vorzug zu ſtüßen , welchen man dem Titel eines Königs vor dem des Protectors giebt. Aber ich glaube, daß Alles mehr gilt als mein Name , und daß jede andre Perſon zur Durchführung dieſes großen Werkes befähigter ſein würde als ich. Das iſt kein leeres Compliment.... Gott weiß es !

„Was ich ſage iſt das : Dieſe Nation verlangt von Euch nach drücklich , ihrem Frieden und ihrer Freiheit Beſtand zu geben. Darauf müßt Ihr Eure Bemühungen richten , denn außerdem wird Englands Macht gebrochen ſein. Um zu dieſem Ziele zu gelangen, bin ich bereit , wenn es ſein muß , irgend welchen Plaß auszufüllen, um zu dienen, nicht als König , ſondern als Conſtabel, wenn es Euch beliebt. Ich habe oft vor Gott gedacht, daß ich nicht beſſer /

mein Amt und den Plag , den ich einnehmen ſollte, bezeichnen

könnte , als wenn ich mich mit einem guten Conſtabel vergleiche, der zur Erhaltung der Ruhe in ſeinem Kirchſpiel angeſtellt iſt. „Nun aber glaube ich dieſes Ziel erreichen zu können , ohne den Königsnamen anzunehmen .

„Es ſei mir jedoch erlaubt etwas Vertrauteres hier zu ſagen ; ich werde ernſt ſprechen , gleichſam wie vor Gott. „ Einige unter Euch, wenn nicht Alle , wiſſen , welches vom erſten Tage an bis jeßt meine Laufbahn geweſen iſt; und wie das auch ſein mag , ich, ich kenne ſie. Ich bin ein Mann , der ſeit ſei ner erſten Anſtellung von einer niedern Stellung zu einer höhern

reißend ſchnell befördert worden iſt. Ich war anfangs Reiterhaupt mann , ich habe damals ſo gut als ich konnte meine Pflichten zu erfüllen mich bemüht, und Gott hat mich bei dieſer Arbeit geſegnet 21

298

nach ſeinem Wohlgefallen. Einfalt

Ich wünſchte ernſtlich, in thörichter

wie große , kluge und gute Männer es nennen

1

ich

wünſchte, daß Alle die , welche ich anſtellte, mich in dem mir ob liegenden Werke unterſtüzten. Ich hatte damals einen ſehr würdi einen ſehr edlen Mann , deſſen Andenken , ich weiß gen Freund , es , Euch Allen angenehm iſt,

1

Herr John Hampden.

Als ich

mid) auf jene Unternehmung einließ , ſah ich unſre Soldaten auf allen Seiten geſchlagen. Ich wünſchte , mein Freund möchte einige neue Regimenter dem Heere des Lords Eſſer zuführen , und ſegte 'hinzu , daß ich verſuchen würde ihm Männer zu verſchaffen , die von einem Geiſte beſeelt wären , der ſie in den Stand ſeßen würde, etwas Gutes in dieſer Sache zu thun. Das iſt Wahrheit : Gott

weiß , daß ich nicht lüge. – Eure Truppen , ſagte ich zu Herrn 1

Hampden , find der Mehrzahl nach alte, ganz gebrochne Bediente, Kellner und andre Leute der Art. Die königlichen Truppen dage gen beſtehn aus Söhnen von Edelleuten und Leuten vom Stande. Glaubt Ihr , daß dieſe Elenden , welche Jhr bei Euch habt , im

Stande ſind Edelleuten die Spiße zu bieten , die Ehre , Entſchlos ſenheit, Muth in ſich tragen ? - Ihr müßt , fuhr ich fort , Män

ner finden , die in ſich eine ſittliche Kraft haben. Nehmet meine Worte nicht übel. Ich weiß , Ihr werdet es nicht thun. Wir brauchen in unſern Soldaten einen Geiſt, der ſie auf eine eben ſo edle Weiſe führt als das Ehrgefühl die Edelleute Karl's ! — Wir

So ſprach ich brauchen ihn , oder Ihr werdet immer geſchlagen. zu John Hampden. Er war ein kluger , achtungswürdiger Mann : er geſtand zu , daß meine Anſicht gut ſei , aber er hielt ſie für uns ausführbar.

Ich glaube , erwiderte ich , für ihre Verwirklichung etwas thun zu können. Ich that es , und das Ergebniß war, I

- denkt davon was Ihr wollt,

daß ich gottesfürchtige Männer

auf die Beine brachte , die ihr Werk aus Gewiſſensgrundlag thaten.

Von dieſem Augenblicke an wurden wir niemals mehr geſchlagen .... Wo auch die Unſrigen mit dem Feinde zuſammentrafen , ſie ſchlugen 1

ihn immer. Das geſchieht zu Gottes Ruhme und foll uns Lehren die frommen Leute zu würdigen, die geneigt ſind ruhig und demü thig zu leben , indem ſie ſich den Gefeßen des Evangeliums unters

299

werfen , nach welchen man gehalten iſt der Obrigkeit zu gehorchen. Außerhalb dieſer Regel kenne ich keine Frömmigkeit.

Ohne dieſe

Geſinnung iſt Alles teufliſch , fließt Alles aus dem Abgrunde des Satans ſelbſt." — Das iſt conſervativ !

„Jeft brauche ich Euch nicht zu ſagen , daß der Grundſat , von dem ich in meiner Unterredung mit Herrn Hampden ausging , ſich

auf die vor uns liegende Angelegenheit vollkommen anwenden läßt. Es giebt noch ſolche Männer in unſrer Nation , fromme, von dem ſelben Geiſte der Aufopferung beſeelte Männer , Männer , die eine weltliche und Fleiſchliche Geſinnung nicht in dem Grade beſiegen könnte , daß ſie ihre Aufrichtigkeit nicht bewahrten. Ich rede ſchlicht und treuherzig mit Euch. Ich kann nicht glauben , daß Gott irgend welches Unternehmen ſegne , die Herſtellung der Königswürde, zum Beiſpiel, oder ein andres der Art, — wenn dieſes Unterneh men geeignet wäre derartige Männer mit Recht zu kränken. Ich weiß , daß im Allgemeinen rechtſchaffne Männer den Königstitel nicht verbauen können . Meine Pflicht, mein Gewiſſen nöthigen mich alſo Euch zu bitten , mir nicht allzu harte Dinge aufzulegen, Dinge, die ſie nicht verbauen könnten. Es giebt Gleichmacher, welche die öffentliche Ruhe ſehr bedrohen ; Jhr werdet dieſe eher unterdrücken, wenn Ihr jene ehrlichen Leute nicht mißvergnügt macht, und Schonung für ihre Schwäche zeigt , wenn es eine -

I

Schwäche iſt.“ So verweigerte Cromwell die Annahme eines Königstitels,

obſchon er von den zahlreichen und gewichtigen Gründen des Parla ments , den Königstitel an die Stelle eines Protectors zu feßen, ohne Zweifel betroffen war.

Die Befürchtung , die ehrlichen Re

publikaner mißvergnügt zu machen , welchen er ſo leicht hätte Still ſchweigen auferlegen können , und ſo dem Wohle Englands zu ſcha den , hielt ihn zurück. Es ließ ſich vieles für und wider ſagen. „Man glaubte , “ berichtet uns Clarendon , „daß , wenn Cromwell die Krone annahm , mehrere der Königlichen ſich ihm angeſchloſſen hätten ; man behauptet , daß die vornehmſten Adligen des König reichs ihm dieſe Verſicherung gegeben hätten.“ Aber Cromwell .

21 *

1

300

konnte ſich nicht entſchließen ſeinen alten Freunden zu mißfallen, um ſeine alten Gegner zu gewinnen. Als Oliver eines Morgens in dem Park von Saint - James mit Fleetwood und Desborough , ſeinem Schwiegerſohne und Schwa ger , ſpazieren ging und ſich mit ihnen über die beſten Mittel die Wohlfahrt der Nation ſicher zu ſtellen unterhielt, ſagte er : „Es

heißt Gott verſuchen , dem Tode und der Armuth ſo viele ſchäßbare Männer Preis zu geben , wenn es ein ſichres Mittel ſie zu retten giebt.“ Seine Freunde hielten ihm damals die Eide vor , welche ſie geleiſtet. „ Dieſe Eide ſind gegen die Gewalt und Tyrannei der Könige gerichtet," antwortete Oliver, „ nicht gegen die fünf Buch:

1

ſtaben , welche das Wort König bilden ." Da Fleetwood und Des: borough aus dieſen Worten Cromwell's ſchloſſen , daß er die Abſicht habe die Königswürde anzunehmen , ſo ſagten ſie zu ihm : „Wir fehen voraus , daß große Unruhen die Folge Eurer Entſcheidung ſein werden. Wir würden Euch bei der Aufrichtung eines Gößen nicht unterſtüßen können , den wir umgeſtürzt, und den nicht wie der aufzuſtellen wir geſchworen haben. Wir werden nichts gegen Euch unternehmen , aber bei Seite bleiben.“ Zu gleicher Zeit reichten ſie ihre Entlaſſung ein ; aber Cromwell bat ſie dringend zu warten , bis ſie ſeine Entſcheidung hätten. Dieſe ſtand im Einklang mit ihren Wünſchen. Ein Gewalthaber hat ſelten ſo viel Nachgie bigkeit gegen die Anſichten Andrer gerade in dem Augenblicke ge 1

zeigt, wo er ſie für unbegründet hielt. Das iſt nicht das Verfah ren eines Despoten. Der Kampf zwiſchen dem Parlament und dem Protector dauerte

fort. Der große Ausſchuß hielt ſich nicht für geſchlagen und machte einen neuen Verſuch. Am 16. April fand eine neue Unterhandlung Statt. Whitelocke" ſtellte dem Protector vor , daß er , wenn er die Königswürde ablehne, etwas thun würde , was niemals ein König

von England gethan : er würde nemlich den Rath ſeines Parla ments verwerfen . Ein Andrer der Ausſchußmitglieder erklärte ihm , es fei ſeine Pflicht den Titel anzunehmen und vor der Pflicht dürfe

er nicht zurückweichen. Andre brachten noch andre Beweggründe vor ; aber Cromwell gab durchaus nicht nach.

301

Am 20. April fand eine neue Unterhandlung Statt , in wel

cher der Protector die ihm vorgelegten Gründe , widerlegte. „ Ich wünſche nicht ," ſagte er , „weder unter dieſem Titel noch unter I

einem andern die Fortdauer meiner Gewalt.

Ich rede nicht wie

ein Thor, ſondern gleichſam wie in Gottes Gegenwart ſelbſt. Wenn die Weisheit dieſes Parlaments , ſich ſtüßend auf Gerechtig 1

keit, Wahrheit und Freiheit, ein Mittel finden könnte, die Angeles genheiten dieſer Nation zu wahren , ſei es nun in Betreff des Vol kes Gottes , ſei es mit allgemeiner Berückſichtigung der Bürger Englands , ſo würde ich mich beeilen meine Gewalt zu den Füßen dieſer Verſammlung , oder jeder andern Körperſchaft niederzulegen, glüdlich die Angelegenheiten einen neuen Lauf nehmen zu ſehn. Ich weiß , daß der Tadel der Welt mich treffen kann. Ich weiß, daß er mich bereits getroffen hat. Aber, Gott ſei dafür gedankt, ich weiß auch, wo ich dieſen Haufen von Vorwürfen, Verachtung und Beleidigungen niederlegen muß, die man ohne Unterlaß auf

mich häuft ...... " *) Wer hat das Recht Cromwell der Falſchheit in dem Augen blicke zu beſchuldigen , wo er dieſe feierlichen Verſicherungen giebt ? Verleumdete man ihn in den Tagen ſeiner Macht, ſo iſt es noch leichter, ihn jeßt nach ſeinem Tode zu verleumden, und das laſſen /

fich Mehrere angelegen ſein. Wir fühlen keinen Beruf für eine ſo wenig ehrenwerthe Arbeit. Wolle man doch anfangen , den Cha rakter des Protectors mit mehr Unpartheiligkeit zu ſtudieren , wie man ſie ſelbſt dem unnüßeſten und unbekannteſten Menſchen ſchuldig iſt, und man wird , ich zweifle nicht daran, von den Vorurtheilen , die ſein Andenken noch verdunkeln , zurückkommen. Cromwell übergab der Deputation ein Schreiben , in welchem

er ſeine Gründe für Ablehnung des Königstitels auseinander geſeßt batte. Es handelte ſich in der That nur um einen Titel. In ſeinen Augen , und nach ſeinem richtigen und maleriſchen Ausdruck,

den er anwendete , war die Frage zu wiſſen, ob er ſeinen Hut

*) Somer's Tracts , VI, 387. Lettres et Discours , III , p. 320.

302

mit einer Feder ſchmückte oder nicht. Unglücklicher Weiſe iſt dieſes der Deputation von ihm zugeſtellte Schreiben verloren ge gangen.

Eine Krone war keineswegs Cromwell's Ziel geweſen .

Was

er gewollt hatte , war die Freiheit , die Ruhe, der Ruhm Englands. Und was er ſo heiß gewünſcht, hatte er auch gefunden.

Am 21. April hielt er eine neue Rede, in der er ſeinen Le benslauf, und welchen Weg die Vorſehung ihn geführt, durchging.

1

„ Nachdem es Gott gefallen hatte ," ſagte er , „ dem Kriege ein Ende

i

1

zu machen , was in Worceſter geſchah , wünſchte ich damals , ob gleich in parlamentariſchen Dingen wenig bewandert , weil ich ge gen zehn Jahre auf den Schlachtfeldern geweſen war , Alles, was das Volk beunruhigte, zu einem guten Ende zu führen. Ich hielt alles vergoßne Blut, alle gelieferten Schlachten nicht für den Zweck, ſondern für das Mittel. Ich glaubte , dieſes Mittel müſſe ein Ende haben , und dieſes Ende ſei die Herſtellung einer guten Drd nung der Dinge." Dliver Cromwell zeigt hier eine erhabnere Einſicht als Napo

leon Buonaparte , der niemals aufgehört hat Schlachten zu liefern, und daraus mehr einen Zweck als ein Mittel gemacht hat. Jedoch man mußte zu einem Ende kommen.

Der Kampf zwi

ſchen dem Parlament und dem Protector konnte nicht länger dauern.

Am 7. Mai übergab der Ausſchuß nochmals dem Pro

tector eine neue Bittſchrift, und am folgenden Tage ſprach dieſer, nachdem er das ganze Parlament hatte kommen laſſen , die ent ſcheidenden Worte : „ Ich kann mich bei dieſer Regierung mit dem Königstitel nicht. befaſſen . Solches iſt meine Antwort für dieſe Cromwell lehnte es alſo ab, große und wichtige Angelegenheit.“ die Krone der Stuarts und der Tudors auf ſein Haupt zu ſeßen .

Es giebt wenig Männer in der alten und neuen Geſchichte, die einer ähnlichen Verſuchung in derſelben Weiſe hätten widerſtehen können. Die Nachwelt hat ihm dafür keine lebendige Dankbarkeit bewahrt ; ſtatt jeder Belohnung hat ſie ihm eine Schmähung in's

Geſicht geworfen. Wir werden billiger ſein ; wir werden dem Ge

303

rechtigkeit widerfahren laſſen , dem Gerechtigkeit, und Ehre, dem Ehre gebührt.

Königlich geſinnte Schriftſteller haben Cromwell wegen Nicht annahme der Königswürde getadelt.

„ Indem er ſo ſchwächeren

Geiſtern, als der ſeinige war , nachgab “, ſagt einer ſeiner Geſchicht ſchreiber * ), ,,verfiel er in denſelben Jrrthum , der ſchon für Karl

ſo verhängnißvoll geweſen war. Der kühnſte Entſchluß wäre der ficherſte geweſen. Die helſehendſten Freunde der königlichen Familie glaubten , daß , wenn er ſich zum König de facto gemacht und Alles auf den alten Fuß wieder hergeſtellt hätte , er auf eine für die Sache der Stuarts verhängnißvollſte Weiſe gehandelt haben würde. "

Derſelbe Schriftſteller fügt hinzu :

„Wenn ſich Crom

well's Geiſt mit ſeinem Glück erweitert hätte , ſo würde er die Wiederaufrichtung die Monarchie, die Wahl eines Oberhauſes und die Wiederherſtellung der biſchöflichen Kirche gewollt haben.“ Son derbares Schickſal, dieſes Schickſal Cromwell's! Einige Schriftſtels ler werfen ihm vor , König zu werden gewünſcht, andre es nicht gewünſcht zu haben ..... Dieſe wie jene haben Unrecht. Dliver, das iſt augenſcheinlich, hielt die Monarchie für die für Großbri tannien nothwendige Regierungsform ; aber es mußte nach ſeiner Anſicht eine verfaſſungsmäßige Monarchie ſein , wie ſie jeßt beſteht. Er wollte weder die Republik der Einen , noch die unumſchränkte Gewalt der Andern. Bei Lebzeiten konnte er dieſe Regierungsform nicht einführen , aber er hat es nach ſeinem Tode gethan. Oliver

iſt der eigentliche Gründer der verfaſſungsmäßigen Monarchie des 18. und 19. Jahrhunderts. Dieſer Theil von Cromwell's Leben iſt derjenige, in welchem

man am hartnäckigſten Heuchelei geſucht hat , obgleich man ihm dieſe auch bei vielen andern Gelegenheiten vorgeworfen hat.

ver konnte mit Paulus ſagen :

Aber Oli

Unſer Kuhm iſt der , nem

lich das Zeugniß unfres Gewiſſens , daß wir in Einfäl: tigkeit und göttlicher lauterkeit , nicht in fleiſchlicher

*) Southey ( Life of Cromwell), der darin mit Clarendon übereinſtimmt.

304

Weisheit , ſondern in der nade Gottes auf der Welt

gewandelt haben , allermeiſt aber bei euch. Seit den erſten Zeiten ſeiner öffentlichen Laufbahn ſagte er zu ſeinem Freunde Herrn Saint John (den 11. September 1643) :

„ Ich ſuche nicht meinen eignen Ruhm .“ In der Zeit , wo die Ges müther am aufgeregteſten waren, die Schmähungen am häufigſten, blieb er gelaſſen , und öffnete ſein Herz gegen Fairfar. Er ſchrieb 1

ihm mit chriſtlicher Milde und Feſtigkeit (den 11. März 1647) :

„ Niemals ſind die Gemüther erbitterter geweſen als jeßt. Sicher hat der Teufel nur wenig Zeit zu handeln. Es iſt gut , daß das Herz feſt werde gegen alle ſeine liſtigen Anſchläge. Die Einfalt Chriſti, die Klugheit und Weisheit , die er uns nach ſeinem Wohl gefallen ſchenken wird , wird alle Dinge überwinden ." 1

Niemals verlor Oliver ſeine Zuverſicht auf Gott ; niemals bes zweifelte er , daß der gerechte Richter ihn früher oder ſpäter recht fertigen würde. - „ Obgleich für den Augenblick ein Gewölk die wahren Beweggründe unſrer Handlungen den Augen Mehre-: rer verhüllen kann ,“ ſchrieb er dem Obriſten Jones am 14. Sep tember 1647, „ ſo zweifeln wir doch nicht, daß Gott , wenn er das

Gewölk vertreibt, eines Tages unſre Aufrichtigkeit offenbart und zeigt , daß wir uns kein andres Ziel als ſeinen Ruhm und das Das Gewölk hat lange Zeit öffentliche Wohl geſekt haben .“ auf Cromwell's Andenken ſchwer gelegen ; aber endlich hat es Gott, wie ſeine feſte Zuverſicht war , zerſtreut, und die verblendetſten Augen müſſen jeßt an der Stelle des „Ungeheuers“, das ſich ihre eigne Einbildung geſchaffen hatte einen ehrlichen , aufrichtigen einen Chriſten – zugleich und einen Helden . Oliver wußte aus den Schmähungen der Menſchen Nußen zu

Mann erblicken ,

ziehn ; ſie erzürnten ihn keineswegs , wie das oft der Fall iſt; im Gegentheil ließen ſie ihn noch lebhafter ſeine Armuth und Schwäche fühlen , ohne ihn niederzudrücken. Die römiſche Kirche ertheilt den Namen von Heiligen faſt übermenſchlichen Weſen , und verehrt ſie. Dieſen Sinn hat die heilige Schrift dieſen Worten nicht beigelegt; ſie verſteht darun

ter alle Chriſten , Alle die, deren Heiligung der heilige Geiſt begon

305

nen , ſelbſt wenn dieſes Werk noch nicht vollendet iſt. In dieſem Sinne nahm Cromwell dieſen Ausdruck , wenn er ihn auf ſeine Brüder anwendete. Man hat oft über dieſen Namen geſpottet, be ſonders in Frankreich ; und doch wird ſogar in unſrer (franzöſiſchen ) Sprache Heilig im Allgemeinen von Menſchen geſagt, welche dem göttlichen Geſeke gemäß leben , welche treu ſeinen Geboten und Rathſchlägen folgen. Cromwell ſelbſt hatte ſich nicht in dieſe leka tere Klaſſie geſtellt.

„ Wenn wir an unſern Gott denken , wer ſind wir ? " ſchrieb er dem Lord Wharton , den 2. September 1648. – „ 0 ! welches Erbarmen zeigte er gegen ſeine Heiligen , gegen die verachteten, -

verſtoßenen Heiligen ! - Man ſpottet darüber! immerhin. -

Wollte

Gott , wir Alle wären Heilige ! Die beſten unter uns , Gott weiß es , find nur arme, elende Heilige ; aber dennoch ſind ſie Heilige. Sind ſie nicht Schafe, ſo find ſie Lämmer , aber man muß fie weiden. Wir haben unſer tägliches Brod und werden es immer baben allen unſern Feinden zum Troß. Es giebt große Güter in 1

dem Hauſe unfres Vaters , und er iſt es , der darüber verfügt.“

Beſaß denn Cromwell keinen Ehrgeiz? Beſaß er ihn insbeſon dere nicht bei dieſer die Königswürde betreffenden Angelegenheit ? Das gänzlich leugnen zu wollen , würde heißen , ihn außerhalb aller Bedingungen des menſchlichen Daſeins ſeßen zu wollen. Es giebt keinen Menſchen ohne Sünde , ſagt die Schrift. Was wir behaupten iſt , er war gerade und aufrichtig in dieſem Kampfe , und wenn das Fleiſch ftritt wider den Geiſt, ſo ſtritt auch der Geiſt wider das Fleiſch. Oliver hatte einen lebendigen Glauben ; dieſer Glaube iſt eine Macht, und eine Macht, die von Tage zu Tage

in dem Herzen wächſt. Der Zweck, zu welchem Gott dieſe himm liſche und göttliche Macht in einen Menſchen pflanzt, iſt, die irdi [ chen , menſchlichen , ſinnlichen Mächte in ſeinem Herzen zu beſiegen. Die Frage iſt alſo niemals, ob dieſe beiden entgegengeſeßten Grund

ſtoffe, - der neue und der alte Menſch, - zu gleicher Zeit in demſelben Einzelweſen ſind, ſondern ob der Kampf zwiſchen die ſen beiden Mächten ein ehrlicher und rechtſchaffner iſt.

306

Nun aber war der Kampf in Cromwell ein ehrlicher. Der Ehrgeiz Cromwell's iſt ein Lieblingsthema der Schrift:

ſteller geweſen , welche ſich mit dieſem großen Manne - beſchäftigt haben. Aber ſeit einiger Zeit iſt man in England (auf dem Feſtlande hängt man noch im Allgemeinen an den albernen Ueber

lieferungen der Cavaliere ) – endlich dahin gekommen , eine ſehr einfache Wahrheit zu begreifen , daß man nemlich in der geſchicht lichen Würdigung , wie Cicero ſich ausdrückt, ex bono et aequo urtheilen müſſe. Wir halten es für unſre Pflicht, die gegenwärtige Anſicht der ausgezeichnetſten Köpfe in dem Vaterlande des Pro tectors hier zu bemerken. „Olivers Ehrgeiz," ſagt man jeßt dort,

}

1

„,war.nicht von gewöhnlicher Art.

Er ſchien niemals nach einer .

despotiſchen Gewalt lüſtern geweſen zu ſein. Anfangs kämpfte er ehrlich und muthig für das Parlament, und verließ es nur , als es ſelbſt ſeiner Pflicht untreu geworden . Wenn er bis zu deſſen

!

gewaltthätiger Auflöſung ſchritt, ſo geſchah das nur , weil er er kannt hatte , daß einige noch überbliebene Mitglieder , nachdem ſo viele fich zurückgezogen hatten , geſtorben , ausgeſtoßen waren , ſich eine Gewalt aneignen wollten , die ihnen nicht anvertraut war, und auf England einen der größten Flüche laden , indem ſie eine Oligarchie nach Art der venetianiſchen aufdrängten. Aber ſelbſt als fich Cromwell durch Gewalt an die Spiße der Angelegenheiten ge

ſtellt ſah , errichtete er keineswegs eine unbeſchränkte Gewalt. Er .gab ſeinem Lande eine vollkommnere Verfaſſung als irgend einer von denen , von welchen man bis dahin in der Welt hatte ſprechen hören .

Er verbeſſerte das Syſtem der Stellvertretung und auf

ſolche Weiſe , daß ſeine Verbeſſerungen ſogar dem Lord Clarendon Lobſprüche entriſſen haben. Zwar verlangte er für ſich den erſten Plaß in der Republik , aber mit Gewalten , die kaum ſo beträchtlich waren als die eines holländiſchen Statthalters oder eines amerika:

1

niſchen Präſidenten. Er gab dem Parlament eine Stimme bei der Wahl der Miniſter, und ließ ihm alle geſeßgebende Gewalt , ohne ſich ſelbſt das veto vorzubehalten . Niemals war vorher die Frei heit der Verhandlung ſo groß geweſen. Er verlangte nur die Erb lichkeit der erſten Stelle in ſeiner Familie. Man hat keinen Grund

307

zu glauben , daß wenn ſeine Mäßigung einer gleichen begegnet wäre, er jemals die Linie , die er ſich ſelbſt gezogen , würde über ſchritten haben. Aber wir befürchten ſehr , daß in der Zeit, von

der wir ſprechen, die Heftigkeit der politiſchen und religiöſen Feind ſchaften ein glückliches und dauerndes Einverſtändniß der Parteien faſt unmöglich machte. Wenn man die Zeitverhältniſſe und die Gelegenheiten zu perſönlicher Vergrößerung, die fich Oliver darbo: ten , in Erwägung zieht, ſo wird man finden , daß er nichts durch die Vergleichung verliert, wenn man ihn neben Washington und 1

Bolivar ſtellt.“ *) *) Macaulay , Essays , I , p. 45.

}

Vierzehntes Kapitel. fetztes Parlament und Cod des Protectors.

3 wei Häufer. - Die große Ange.

Einweihung in's Amt.

Kleine Streitigkeiten . Das Parlament wird auf legenheit. Tod des Verſchwörung. Häusliche Prüfungen. gelöſt. Tod der Lady Ein frommer Sohn und Vater. Herrn Rich. Crom Troſt. Fox in Hamptoncourt, Fieber. Claypole. Der Sturm. Z uverſicht. well's Rede auf ſeinem Sterbebette. Smer 3. Tod. Nachfolger . Letzte Worte. Gebet. Sein militä Cromwell's Bild. Die dreißig Jahre nach her. Oliver und der Seine religiöſe Sinne8art. riſcher Geiſt. Evangeliſche Mittel. Veredelung der Menſdyheit. Papſt. 3 wei Männer des jie Cromwell's und des Papſtes Grundſätze. Schluß. benzehnten Jahrhunderts . -

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Am 26. Juni 1657 wurde Cromwell nach Ablehnung der Königswürde von Neuem feierlich als Protector in ſein Amt ein gewieſen. Der Sprecher des Parlaments übergab ihm nacheinander

ein purpurnes Amtskleid , eine Bibel , ein Schwerdt und ein gold nes Scepter. Hierauf wurde die Verſammlung bis zum 20. Ja nuar des folgenden Jahres vertagt. Das Parlament wurde dann mit zwei Häuſern eröffnet. Cromwell hatte dem Unterhauſe erklärt , daß er ſich mit der Re gierung nicht befaſſen würde ; wofern nicht einige Perſonen , die zwiſchen ihn und das Unterhaus geſtellt wären , die Macht hätten, die unruhigen und aufrühreriſchen Köpfe in Zaum zu halten. Man hatte es ihm bewilligt. Nachdem dieſe zügelnde Gewalt ein mal gefunden war , glaubte Cromwell die Ausnahms -Maßregel

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wieder einführen zu müſſen , durch welche er damals die Zuſammen berufung der Gemeinen erſegt hatte. Dieſe wurden um hundert Mitglieder vermehrt, die ausgeſtoßen worden waren , was ohne

Zweifel eine kühne und gefährliche Bewilligung war. Das andre Haus , – ſo nannte man das der Lords ,

beſtand aus 63 erb=

lichen , vom Protector ernannten Mitgliedern , unter welchen ſich ſeine beiden Söhne und Schwiegerſöhne befanden. Cromwell eröffnete dieſes neue Parlament am 20. Januar

1658, wobei er die Mitglieder deſſelben mit den unter dem König thum gebräuchlichen Ausdrücken anredete : ,,Mylords und Herrn

vom Hauſe der Gemeinen.“ Der Protector dankte Gott für

feine Gnadenbezeugungen , unter welchen er den Frieden und die Segnungen des Friedens, nemlich den Beſiß der bürgerlichen und geiſtigen Freiheit , voranſtellte. Wie die Religion für ihn immer die Hauptangelegenheit war , ſo erinnerte er , als er von dieſer Macht, worin die Stärke der Nationen beſteht, ſprach, daran, „ daß England eine fromme , eine erleuchtete, eine ſolche Geiſtlichkeit be fäße, von der man ohne Eitelkeit behaupten könne, daß die Welt eine ihr gleiche nicht habe. Wenn Gott“, fügte er am Schluß hinzu, „in dem Euch obliegenden Werke Euch ſegnet,

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ſo werden die

künftigen Geſchlechter Euch legnen ." *) Dieſes Parlament entſprach keineswegs Cromwell's Erwartung : die Gemeinen wollten nichts vom andern þauſe wiſſen.

Ein

Republikaner Hasrelig hatte ſich geweigert, Pair zu werden , und nahm ſeinen Plaß im Hauſe der Gemeinen .

Cromwell ſuchte die

Gedanken der Parlamentsmitglieder über alle dieſe Kleinlichkeiten zu erheben und ſie auf die großen Fragen hinzuweiſen , welche Englands Theilnahme erregten. Als er beide Häuſer auf den 25. Januar zuſammenberufen ,

ſagte er zu ihnen : **) „ Das Wohl und ſogar das Beſtehen dieſer Nationen ſchwebt in Gefahr. Blickt nach außen.

Die große Ans

gelegenheit , in Vergleich mit welcher alle andere nichts ſind , iſt, *) Lettres et Discours , III, 399.

**) III, 403.

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zu wiſſen , ob die chriſtliche Welt ganz und gar dem Papſtthum unterworfen werden ſoll. Iſt es nicht wahr , daß die Sache des Proteſtantismus außerhalb England mit Füßen getreten wird ? Das Geld , welches Ihr ſo edelmüthig den armen Waldenſern in Piemont dargeboten , die Gerechtigkeit, die Ihr ihnen ſo chriſtlich

bewieſen habt, beweiſen hinreichend, welches Eure Ueberzeugung iſt, )

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nemlich , daß wenn alle Proteſtanten Europa's nur einen einzigen Kopf hätten , und die Waldenſer dieſer Ropf wären , er auf einen Hieb abgeſchlagen und ſo Alles zu Ende geweſen wäre. Aber giebt es nur dieſe piemonteſiſche Angelegenheit ? Nein , blickt auf das Haus Deſtreich , in den beiden Theilen der Chriſtenheit , in Deſtreich und in Spanien , - Ihr werdet es furchtbar gewaffnet ſehn und ganz bereit, die Sache des Proteſtantismus zu vernichten .“ *) Cromwell beweiſt ſeinen Saß und fährt dann fort : Aber ſehet auch auf den , welcher ſich ſelbſt ihr Haupt , ihren Führer

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nennt, - den Papſt! Er ſucht auf alle Mächte, auf alle Fürſten

Europa's Einfluß zu gewinnen , um dieſes Werk der Zerſtörung zu vollenden , ſo daß überall in Europa jeßt alle papiſtiſche Mächte nur darin übereinſtimmen , nur darauf ausgehn , Alles , was ſich

ihnen widerſeßt, zu unterdrücken .“ Alles das war vollkommen wahr. Die Männer der Gewalt in England ſahen damals keine Geſpenſter. Der Protector hatte Ohren, um zu hören , und Augen , um zu ſehn.

Nachdem Cromwell die Gefahren nach außen bezeichnet, prüfte er darauf die , welche im Innern drohten. Er unterſuchte die Gü : ter , welche man wahren und wie man es angreifen müſſe. Alle ſeine Gedanken waren auf das Glück ſeines Volkes gerichtet. Er ſagte : **) ,,Wir haben zwei Güter, den Frieden und das Evangelium ! Laßt uns ein Herz und eine Seele ſein , ſie zu bewahren . Laßt es uns ſein, uin die wahren Rechte dieſer Ration aufrecht zu erhalten. Wenn fhr Euch in eine neue Sündfluth von Krieg und Blut ſtürzt,

ſo wird dieſes Volk unvermeidlich und elendiglich zu Grunde gehn. *) Lettres et Discours , III >, 405 .

**) III , 422. 422.

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Ich beſchwöre Euch im Namen des allgegenwärtigen Gottes , an dieſe Dinge zu denken. Wenn Ihr den Frieden nicht ſucht, ſo daß die Frucht der Gerechtigkeit allen Friedfertigen ſich vervielfältigt, dann , ach ! wird man bald von dieſer armen Nation ſagen : Actum est de Anglia , es iſt aus mit England !.... „Ich für mein Theil werde , ſo lange ich lebe, mit Euch zu

ſiegen oder zu ſterben bereit ſein. Ich habe geſchworen dem Geſetz gemäß zu regieren, und ich hoffe dieſem Schwure treu zu bleiben . Merket wohl, ich habe den Plaß , welchen ich behaupte , nicht ge ſucht. Ich ſage das vor Gott, vor den Engeln und vor den Men fchen : Ich habe ihn nicht geſucht. Ihr habt mich für ihn ge ſucht, Ihr habt mich dahin geführt ! “ . Dieſe edlen Worte brachten nicht die Wirkung hervor, welche man erwarten konnte.

Der Adlerblick Cromwell's fehlte den Män

nern des Unterhauſes. Anſtatt, wie er, das geſammte Europa und deſſen Beſtimmungen zu umfaſſen , ſteiften ſie ſich auf armſelige Angelegenheiten und kleinliche Eiferſüchteleien. DasSodHaus verlor Die Mißhellig fich in unnüßen und gefährlichen Streitfragen. keiten, Streitigkeiten , der Bürgerkrieg ſtanden vor der Thüre, wenn das ſo fortging " , ſagt ein Geſchichtſchreiber * ), und die engliſche,, von Spanien ſo zärtlich geliebte , Hydra , der Einfall des Karl Stuart, würde bald bis zum Himmel geziſcht haben." Man ſprach von einem Heere von 20,000 Mann, das erſchei nen und die Wiedereinführung der Stuarts verlangen würde ; man ſprach von einem andern Heere von 10,000 Mann, welches „ die Eiferſucht ( um nichts Schlimmeres zu ſagen ) unſrer lieben Nach barn “ an Englands Rüfte ausſeßen müßte , ſchrieb Hartlib, Milton's Freund, an Herrn Pell. Außerdem wurde eine Bittſchrift in der City unterzeichnet, um eine recht demokratiſche Republik zu erlangen ; „ und dieſe Bittſchrift wuchs wie ein Schneeball " , feßt Hartlib hinzu .

* ) Carlyle , III , p. 426.

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Vergebens bemühten ſich die wohlgeſinnten Mitglieder des

Parlaments , die Drdnung aufrecht zu erhalten und das Haus zur Beſchäftigung mit einer nüblichen Geſeßgebung zu bewegen ; fie konnten nicht dazu gelangen. Man griff das andre baus an , das ſeinerſeits zu ſeiner Vertheidigung entſchloſſen war. Man ver gaß das hohe Ziel des Protectors :

die Freiheit, das Gedeihen,

den Ruhm Englands , und man verlor ſich in elenden Perſönlich: keiten .

Cromwell war ſeinem Jahrhundert weit voraus geeilt; ſeine Zeitgenoſſen konnten ihm nicht folgen. Die Staatsmänner Eng lands bedurften eine verfaſſungsmäßige Erziehung, welche der Geiſt und das Evangelium dem Protector verliehen hatten. Dieſe Er ziehung haben ſie erhalten und verdanken ſie vor Allen Cromwell. 1

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Jedoch für den Augenblick fand ſich England von Neuem zwi ſchen die Demokratie der Gleichmacher und den Despotismus der Stuarts geſtellt, wie zwiſchen Ambos und Hammer. Aus dieſer Lage mußte man herauskommen. Am 4. Februar 1658 , in einem Augenblick, wo das Haus ſeine Würde vergaß, kam der Pedell (l'huissier de la verge noire) ihm anzukündigen , daß ſeine Hoheit der Protector im Oberhauſe ſei und mit den Gemeinen zu ſprechen wünſche. Das erſte Haus

(la prenière chambre ), ſo nannte man die Gemeinen , begab ſich eilig dahin .

Mylords und Herrn “ , ſagte der Protector , „ ich hätte lieber auf meinen Gütern gelebt oder eine Schafbeerde gehütet, als mich

mit einer ſolchen Regierung, wie dieſe iſt, befaßt ; aber da ich mich auf Euren Rath und auf Euer Verlangen damit befaßt habe , fo

erwartete ich wenigſtens, daß Ihr mir das angebotene Regiment leicht machen würdet.

Statt deſſen ſeid ihr nicht nur unter Euch entzweit, ſondern Ihr habt auch die ganze Nation entzweit ; und während der vier zehn Tage Eurer Sißungen hat es mehr Unruhen gegeben , als ſeit dem Beginn der leßten Sißung bis auf dieſen Tag. Man hat das þeer aufzuiiegeln geſucht , was nichts anders heißt , als das Spiel des Königs der Schotten ſpielen , wenn ich ihn ſo nennen

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darf. Ich halte mich vor Gott verpflichtet, zu thun, was ich kann , um dieſem Uebel zuvorzukommen . Ich glaube , daß es Zeit iſt,

Eurer Sißung ein Ende zu machen. Ich löſe dieſes Parlament auf. Gott ſei Richter zwiſchen Euch und mir ! .... " *) Das waren die leßten , von Cromwell öffentlich geſprochnen Worte. Er näherte ſich von da an reißend ſchnell dem Augenblick, wo das leßte Gericht, auf das er ſich berief, ſich erfüllen ſollte.

Die aufgeklärteſten Männer dachten wie Cromwell. Hartlib ,,Die Auflöſung des Parlaments war ſo nothwendig , daß wenn die Sißung nur zwei oder drei Tage länger gedauert hätte, die Stadt und die Provinzen um Karl Stuart's willen mit Blut überſchwemmt worden wären.“ **)

ſchrieb wenige Tage nachber: .

Cromwell, überzeugt, daß dieſe Unruhen hauptſächlich von den

Führern des Heeres ausgingen , entfernte Harriſon und Ludlow , rief Fleetwood von ſeiner Regierung in Frland zurück, zog Lam bert's Auftrag zurück und ließ die andern Offiziere ſchwören , der Regierung ſich nicht zu widerſeßen .

Alle dieſe Maßregeln zügelten die fanatiſchen Republikaner keineswegs. Da ſie das Parlament nicht mehr bearbeiten konnten, ſo beſchloſſen ſie den Protector zu tödten und Jeſum als König auszurufen . Die Verſchwörung wurde entdeckt und die Häupter verhaftet.

Ein noch furchtbareres Complot bereitete ſich unter den Ca valieren vor.

Der Marquis von Ormond befand ſich ſeit drei

Wochen in London, um die Angelegenheiten des Königs zu fördern . Karl Stuart hatte 22 Schiffe mit 8000 Mann zur Abfahrt bereit. Drei von den Verſchwörern wurden ergriffen , und am 8. Juni

wurde einer von ihnen , der Doctor Hewet , zu Town- Hill ent hauptet.

Obgleich Cromwell in England ſo beſchäftigt war , vergaß er doch die evangeliſchen Chriſten des Feſtlandes nicht. Der zu Gun

ften der Waldenſer erlangte Friede war von keiner Dauer. Die *) Burton , II , 465 ; Lettres et Discours , III >, 427-432. ** ) Vaughan's Protectorate , II , 442. 22

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Piemonteſen hatten ein Fort in La Tour gebaut , und im Wider ſpruch mit den Verträgen eine Veſabung binein gelegt.

Die Solo

daten verbreiteten ſich von da in die Thäler , verwüſteten die Weinberge und Baumgärten , drangen in die Häuſer, betranken fich darin und verübten ſogar Nothzucht und Mord. Im Jahre 1657 verbot man in der ganzen Gemeinde Saint - Jean jede öffentliche

Religionsübung und ſogar jede Schule. Die erſchrockne Waldenſer: )

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Kirche hielt im März 1658 einen feierlichen Faſt- und Bettag ; Keiner, die Kranken ausgenommen , verließ vom Aufgang bis zum Untergang der Sonne die Kirchen. Bis zum leßten Augenblic ſchlug Cromwell's Herz für dieſe bedrängte Schaar. Er hatte nur noch einige Wochen zu leben ; aber gleich ſeinem göttlichen Meiſter liebte er ſie bis an ſein Ende, wie er ſie während ſeines Lebens geliebt hatte. Er hörte das Wehſchreien der Waldenſer in der Tiefe ihrer Thäler. Eine von den legten Urkunden , die ſich auf

Oliver's auswärtige Politik beziehn , iſt ein Zeugniß für ſeine chriſtliche Liebe gegen ſeine leidenden Brüder. Er ließ durch Mil ton folgenden , an Ludwig XIV. gerichteten Brief ſchreiben. *) .

An den Durchlauchtigſten und mächtigen Fürſten Ludwig , König von Frankreich. Durchlauchtigſter und mächtiger König , ſehr erhabner Freund und Bundesgenoſſe,

Eure Majeſtät kann ſich erinnern , daß während der Unterhandlung, die zwiſchen uns über die Erneuerung eines Bündniſſes Statt fand (eines Bündniſſes, deſſen Nußen ſich durch die Vortheile bewährt hat, welche es unſern beiden Nationen verſchafft , und durch den Schaden,

welchen es ihren gemeinſamen Feinden gebracit hat ) , daß während dieſer Zeit , ſage ich, das ſchauberhafte Niedermeşeln der Waldenſer 1

Statt fand. Wir empfahlen inſtändigſt dieſes Volt Eurer Barmher zigkeit und Eurem Scuß, obgleich ſeine Sache damals verlaſſen und 1

von allen Seiten mit Füßen getreten wurde.

Wir zweifeln nicht,

*) Oeuvres en prose de Milton , p. 816. Londres 1, 1833.

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daß Eure Majeſtät nadı Kräften vermittelt und bei dem Herzog von Savoyen durch Ihr Anfehn und inſtändige Bitten Einfluß gehabt

haben. Wir ſelbſt, ſowie mehrere andere Fürſten und Staaten, haben nicht ermangelt, durch Geſandte, Briefe und Bittſchriften um die Frei heit dieſer Thäler dringend zu bitten.

Nach dieſer blutigen Meßelei, die weder Alter noch Geſchlecht donte , wurde ein Friede , oder vielmehr unter dem ſcheinbaren Na men von Frieden, eine verkleidete Feindſeligkeit bewilligt. Die Frie bensbedingungen wurden in Ihrer Stadt Pignerol entworfen. Dieſe Bedingungen waren in Wahrheit hart , aber das Elend dieſer armen

Leute nady ſchrecklichen Grauſamkeiten und Leiden aller Art , die ſie erduldet , war ſo groß , daß ſie voller Freude ſich dabei beruhigten. Aber ſogar dieſe harten und ungerechten Bedingungen wurden nicht gehalten. Der Sinn derſelben wurde unaufhörlich durch falſche Aus .

legungen und gebäffige Ausflüchte umgangen und verlegt.

Mehrere dieſer armen Leute ſind aus ihren Wohnungen ver trieben. Andern verbietet man die Ausübung ihrer Religion , und .

neue Auflagen werden eingeführt. Eine neue Feſtung wurde gebaut ſie zu beherrſchen ; und die Soldaten machen häufige Ausflüge, um zu plündern und Teden , der ihnen begegnet , zu tödten. Ferner, neue Truppen ſind jüngſt und insgeheim gegen die Waldenſer aus gehoben worden , und die unter ihnen lebenden römiſchen Ratholiken .

ſind aufgefordert worden , rich anderswohin zurückzuziehn zu einer ihnen feſtgeſeßten Zeit , ſo daß Alles die gänzliche Ausrottung dieſer Unglüdlichen, welche dem vorangegangenen Gemeßel entgangen ſind, 1

anzufündigen ſcheint.

Und jeßt , allerchriſtlichſter König , beſchwöre und bitte ich Euch inſtändigſt, bei der Rechten , die Ihr uns als Pfand Eures brüder lichen Bundes gegeben , - bei der heiligen Ehre , die ſich an den Titel des allerchriſtlichſten Könige , den 3hr führt , knüpft , – er 1

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laubt dieſe Dinge nicht! Erlaubt nicht, daß Ströme von Blut von Neuem vergoſſen werden ; ich ſage nicht von einem Fürſten , ſondern

von verfluchten Mördern , denn eine ſolche Grauſamkeit würde nicht in den Kopf eines Fürſten gelangen können , beſonders eines ſo jun

gen Fürſten, in einem ſo zarten Alter , noch weniger würde ſte ſich des erzens ſeiner Mutter bemächtigen können . Dieſe verfluchten Fanatiker geben fitch für Diener und Nachahmer Chrifti, unſeres 22 *

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Seilande8, aus , der in die Welt fam , die Sünder zu erretten , und .

ſie bedienen ſich ſeiner Gebote und ſeines Namens, voller Barmher zigkeit , um auf die grauſamſte Weiſe arme Unſchuldige zu morden. Reißt , die 3hr das könnt , und die 3hr durd, Euern Hochſinn verdienet das zu können , reißt dieſe armen Sduflehenden aus den Händen ihrer Mörder , und geſtattet njdt die Gewaltthätigkeiten die fer Elenden , die , nachdem ſie fid kürzlid) im Blute berauſcht, die Sache nod dazu verfälſcht haben und auf ihre Fürſten die Schande ihrer eignen Grauſamkeit mödyten zurücfallen fallen laſſen . Duldet nicht, daß die Grenzen Eures Königreich und ſogar die Titel , die Ihr führt , von ſolcher Schande beſudelt werden , und das

Evangelium des Friedens unter Eurer Regierung durdy derartige Grauſamkeiten erniedrigt werde. Erinnert Eudy, daß dieje Waldenſer Eurem Großvater Heinrich unterworfen waren , jenem großen Freunde

der Proteſtanten , als Lesdiguières ſiegreidy den Savoyarden mit ten durch die Alpen verfolgte , und gerade durch dieſe Thäler zog, die einen ſo natürliden Weg darboten , um nach Italien zu ge langen. – Die Urkunde ihrer Unterwerfung iſt noch in den Staats archiven Eures Königreichs vorhanden , und Ihr werdet barin unter

andern deutlich angegeben finden , daß der Bevölkerung dieſer Thäler niemals andre Bedingungen auferlegt werden ſollen , als die find, unter weldien Euer unbeſiegbarer Großvater ſie in Lehnspflicht nahm. Sie flehen jetzt um dieſen Sdu . 3a , dieſen von Eu rem Großvater verheißenen Schuß , dieſen fordern ſie jeßt von ſeinem .

Enkel. Sie würden es wünſchen , es vorziehn , lieber unter Eurer Herrſchaft zu ſtehn , wenn das durch Austauſch möglich wäre, als unter der , unter welcher ' ſie ſich zu dieſer Stunde befinden. Und iſt

das nicht möglich, ſo bitten ſie, daß Ihr wenigſtens Euren Shug ihnen angedeihen laſſen, Euer Mitleid , Eure Hülfe ihnen ſchenket. Es giebt auch Staatsgründe , welche Euch veranlaſſen fönnten, dieſes Volk , das ſeine Zuflucht zu Euch nimmt , nicht zurückzuſtoßen. Aber id möchte nicht, daß ein König wie Ihr zur Bertheidigung

dieſer Unglüdlichen durch andre Beweggründe veranlaßt würde als durch das von Euern Vorfahren gegebene Verſprechen , durch Eure eigne Frömmigkeit, burd Euer fönigliches Wohlwollen und burd, die Größe Eures Charakters. So wird das Lob und der Ruhm dieſer Handlung von jeder Beimiſchung rein bleiben ; unb 3hr werdet finden,

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daß der Vater der Barmherzigen und ſein Sohn Jeſus Chriſtus, deſſen Ruhm 3hr rächt , deſſen Lehre 3hr gegen die Angriffe einer

teufliſchen Grauſamkeit ſchüßt, während Eures ganzen Lebens Euchy gewogen und gnädig ſein werden. Möge der Allmächtige zu ſeinem eignen Ruhm , zum þeil für

ſo viele unſchuldige Chriſten und zu Eurer wahren Ehre Eure Mas jeſtät geneigt machen , dieſen Entſchluß zu faſſen ! Eurer Majeſtät ergebenſter Freund Oliver ,

Protector der Republik England. Weſtminſter , d. 26. März 1658.

Dieſer Brief iſt gewiß voll von edler Geſinnung. Ludwig XIV. hat ohne Zweifel niemals einen ähnlichen erhalten.

Wie erhebt

ſich hier Cromwell's Größe über die Größe eines großen Königs ! Wäre man nicht verſucht zu glauben , es beſtehe zwiſchen ihnen

ganz der Unterſchied wie zwiſchen einem Theaterhelden und einem Helden nach dem Herzen Gottes ? Das Einzige, was man Oliver in dieſem Briefe an den König von Frankreich vorwerfen könnte, iſt jener Fehler hochherziger Seelen , der ſie geneigt macht, diejeni gen , mit welchen ſie zu thun haben , zu günſtig zu beurtheilen. Aber man muß bedenken , daß dieſer Brief im Jahre 1658 ge ſchrieben war , daß Ludwig XIV. damals erſt 20 Jahre alt war, daß die ſcharfen Klauen dem jungen Löwen noch nicht gewachſen waren , oder daß er ſie wenigſtens' noch zurückzog und verſteckte. Als ſpäter derſelbe Fürſt, welchen Oliver damals , aber leider ver geblich , für edle und freie Gedanken zu bilden ſuchte, als dieſer Fürſt, deſſen königliches Wohlwollen , deſſen großen Charakter er anrief, zur männlichen Kraft gelangt war , und vor ſeinen Augen die beſten ſeiner Unterthanen Jeſum Chriſtum dem Papſte vor ziehen ſah , ſtredte er ſeine Krallen heraus , wegte ſeine Zähne, brüllte er , ſträubte ſeine Mähne , ſtürzte mit furchtbarem Sprunge auf die Unſchuldigſten ſeines Volkes , zerriß und verſchlang Tau ſende von ihnen.

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Als Cromwell dieſen Brief an Ludwig XIV. ſchrieb, richtete er zu gleicher Zeit an Sir William Lockhart, ſeinen Geſandten am franzöſiſchen Hofe , die dringendſten Empfehlungen . Wir wollen nur den leßten Abſchnitt daraus anführen , der einen Gedanken

entwickelt, welchen man Ludwig XIV, an die Hand gab. * ) „Eins der wirkſamſten Heilmittel, welches angewendet werden könnte , würde ein Tauſch ſein , welchen mit dem Herzog von Sa

voyen zu. treffen der König von Frankreich für gut befinden würde ; indem er ihm für dieſe Thäler einen andern Theil ſeiner Krongü ter überließe , wie unter der Regierung Heinrichs IV. das Marquiſat von Saluces gegen La Breſſe ausgetauſcht wurde. Ein ſolcher Tauſch würde gewiß ein großer Vortheil für Seine Maje ſtät ſein , ſowohl zur Sicherheit von Pignerol , als um den franzö fiſchen Heeren einen Durchgang nach Italien zu verſchaffen . Ein folcher Durchgang in den Händen eines ſo mächtigen Fürſten , und 1

Angeſichts der natürlichen Stärke der Pläße , welche er ſchon beſißt, würde nothwendiger Weiſe uneinnehmbar ſein." Cromwell's Gedanke war ohne Zweifel ein glücklicher. Wenn die geographiſche Lage : eine Vereinigung der Waldenſer mit der :

Schweiz zum Beiſpiel geſtattet hätte , ſo wäre das ein großer Vor theil für das arme Volk geweſen. Aber man durfte es nicht unter das Scepter Ludwigs XIV. ſtellen.

Im Jahre 1685 , als der

große König nicht mehr von dem großen Protector , der ſchon lange Zeit in der Erde ruhte , im Zaume gehalten wurde , wurden auf Frankreichs Antrieb neue Verfolgungen über die armen Proteſtan ten Piemonts verhängt.

Man hat vor Kurzem oft behauptet , bei Gelegenheit eines

Bündniſſes mit Spanien und Frankreich , daß die franzöſiſche Re gierung das Bedürfniß der Gegenwart verkannt habe ; daß vor Alters Frankreich mit Spanien ſich verbinden mußte , weil es mit England Krieg führte, daß aber jeßt zwiſchen Frankreich und Groß britannien dem herzlichen Einverſtändniß (à l'entente cordiale ) i

*) Ayscough , Mss. 4107, f. 89. Lettres et Discours , III , 446.

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jeder andre Schritt zwiſchen beiden Völkern untergeordnet werden

müßte. Man hat Recht. Aber wenn die franzöſiſche Regierung damals einen Fehler begangen hat, was ſoll man von Cromwell's Scharfſinn ſagen , der , ſeiner Zeit um zwei Jahrhunderte voraus eilend , das Bündniß Frankreichs und Englands vor zweihundert Jahren gleichſam feierlich einweihte ? Die Geſundheit des Protectors neigte ſich zu Ende; er erlag /

dem Gewicht der Sorgen und Beſchwerden . England , ſeine Größe, 1

ſein Gedeihen , ſeine Macht drückten ihn zu Boden und tödteten ihn.

Herr Rich , Enkel des Grafen von Warwich, hatte am 11. November 1657 eine von Cromwell's Töchtern , Franzis , geheirathet. Er ſtarb am 16. Februar des folgenden Fahres. Oliver theilte den Schmerz feiner vielgeliebten Tochter , und ſein Sohn Heinrich ſchrieb ein

Beileidsſchreiben an den Grafen von Warwich, in welchem wir Etwas von dem chriſtlichen Geiſte ſeines Vaters finden .

„Mylord, “ ſagte er , „ ich bedaure , daß ich das Andenken Eu res Sohnes nicht ehren kann , ohne mit einer Art Grauſamkeit ge

gen Euch zu verfahren. Wenn ich nicht wüßte, Mylord , daß die Religion mehr Gewalt über Euch hat , als jede weltliche Rückſicht,

und daß Ihr nicht ſowohl auf Euern Verluſt als auf den Gewinn Eures geliebten Sohnes achten , nicht ſowohl auf Euern Schmerz als auf die Erfüllung des Willens Deſſen , dem wir Alle uns

unterwerfen ſollen ; ſo würde ich an der Ergebung Ew. Gnaden in den göttlichen Willen faſt verzweifeln , da Ihr von ſo ſchwerer

Prüfung überwältigt ſeid. Aber ich weiß , daß , wenn Ihr weint, das nicht iſt wie bei denen , welche keine Hoffnung haben ; ich weiß, daß Ihr den Willen Gottes in den Spendungen ſeiner Vorſehung leſet, und daß Ihr glaubt, daß alle Dinge denen , die ihn fürchten , zum Beſten dienen .“

Heinrich Cromwell ſchrieb zu gleicher Zeit an die Gräfin von Devonſhire , die Großmutter des Herrn Rich.

„ Ich habe die ge

wiſſe Zuverſicht, daß Ihro Gnaden Chriſtum , die Welt und den Nußen der göttlichen Spendungen kennen gelernt haben ; daß Ihr im Stande ſeid dieſes Kreuz zu tragen, ſelbſt mehr als man vom Fleiſch und Blut und dieſer zärtlichen Liebe erwarten könnte, die

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bei Ihro Gnaden ſo hervorragend iſt. Dieſe Betrachtungen allein, Madam , hemmen meine Thränen .“

Es iſt anziehend zu ſeyn,

daß die Sorge Cromwell’s um die Bekehrung ſeiner Kinder beru

higt war , wenigſtens in Bezug auf Heinrich. Die chriſtliche Frei willigkeit (spontanéite) und Eigenthümlichkeit athmen ohne Zweifel nicht in dem Grade in dieſen Briefen , wie in denen Cromwell's ; nichts deſto weniger kann man ſich nicht enthalten zu glauben , daß er der fromme Sohn eines frommen Vaters war. Ein andrer häuslicher Schmerz ſollte Cromwell's Herz verwun

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den . Lady Claypole , ſeine zärtlich geliebte Tochter, wurde im Palaſt von Hampton Court gefährlich frank. Vierzehn Tage hin durch verließ der unglückliche Vater , der nicht im Stande war

irgend ein öffentliches Geſchäft zu beſorgen , das Bett ſeiner Tochter nicht. Am 6. Auguſt ſtarb Eliſabeth. Cromwell's Herz wurde das durch gebrochen ; aber er fand den Troſt des Chriſten. Als er ſich in ſein Zimmer zurückgezogen , verlangte er ſeine Bibel und bat eine fromme Perſon , die ſich bei ihm befand, im Briefe an die

Philipper die Verſe 11 , 12 , 13 des vierten Kapitels vorzuleſen : Ich habe gelernt , bei welchem ich bin , mir genügen zu laſſen. Ich kann niedrig ſein und kann hoch ſein ; ich bin in allen Dingen und bei allen geſchickt, beide ſatt ſein

und hungern , beide übrig haben und Mangel leiden. Ich vermag Alles durch den , der mich mächtig macht, Chriſtus. Als dieſe Verſe vorgeleſen waren , ſagte der betrübte Vater : ,, Dieſe Stelle der Schrift hat mir ſchon ein Mal , es ſind viel Jahre her , das Leben gerettet. Das war als mein älteſter Sohn , der arme junge Oliver ſtarb. Ach ! ſein Tod war wie ein -

Schwert, das durch meine Seele ging .“ – So enthüllt uns Crom-: well, ſchon nahe ſeinem Ende , die ganze Größe jenes erſten Schmer zes , welchen die Bibel die Betrübniß um ein erftes Rind

nennt. ( Zachar. XII, 10.) Er erklärte , damals auf dem Punkte

geweſen zu ſein vor Traurigkeit zu ſterben. Er ſeßt hinzu , er i

finde ſich noch ein Mal auf dieſem Punkte , in demi Palaſte von

Hampton- Court, zurückgeführt; aber zu gleicher Zeit ruft er mit dem

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König David aus :

Dein Wort

erquidet mich. mich.

( Pſalm

CXIX , 50.)

Nach dieſen Worten begann Cromwell ſelbſt die Verſe 11 und 12 zu leſen , über die Zufriedenheit des heiligen Paulus und ſeine Ergebung in Gottes Willen in allen Lagen ſeines Lebens. Hierauf ſagte er : „Das iſt wahr, Paulus ! Du haſt das gelernt; du 1

baſt dieſes Maaß der Gnade erlangt ! ... aber ich .... was foll

ich thun ? ... Ach ! armes Geſchöpf!.... Das iſt eine harte Lehre, welche ich jekt empfangen ſoll.... Ich finde ſie fo !.... “ Der troſtloſe Vater , troſtlos wie Rahel , weil ihre Kinder nicht mehr leben, fing an den 13. Vers zu leſen , wo Paulus ſagt : Ich vermag Alles durch den , der mich mächtig macht, Chriſtus. Dieſes Wort begann ſeinen Glauben wieder zu beleben. Die Allmacht Chriſti ließ ſich in ſeiner Seele ſpüren ; ſein Herz fand einigen Troſt, er rief aus : „O ja , ich fühle ihn, ich ſehe Er iſt auch ihn. Der , welcher der Chriſt des Paulus war, mein Chriſtus ....

//

Welch herrliches Wort , welch rührende

Scene! Giebt es viel große Männer in der Geſchichte , die ſich eben ſo chriſtlich in ihrem Schmerze gezeigt haben ? Die Frömmig keit Karl's des Großen , des heiligen Ludwig , der Kurfürſten von Sachſen zur Zeit der Reformation , übertraf ſie die des Protectors von England ?

Das Gefühl der Leiden ſeiner Tochter hatte einen tiefen Ein druck auf Oliver gemacht. „,Er war immer der nachſichtigſte, der zärtlichſte Vater , “ ſchreibt ein Mann , der ihn ſehr genau kennt. *) ,,Seine Liebe war geregelt durch eine chriſtliche Weisheit und Klugheit , die in allen Beziehungen zu den Seinigen hervorſtrahlte. Seine Theilnahme für ſeine ſterbende und grauſam geprüfte Toch ter ; ſeine großen Arbeiten , ſeine Aemter und Sorgen in der Re -

*) Der Kammerdiener des Protectors , der in ſeinen leßten Augenblicken ihm zur Seite ſtand. A Collection of several passages concerning Oliver Cromwell's sickness , by ' one who was the Groom of his Bedchamber , I, Londres , 1659 .

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gierung ; der ſtrenge Tadel, die bittern Vorwürfe und die unge rechten Verleumdungen ſeiner Freunde; die Complote , Verſchwö: rungen und die Undankbarkeit ſeiner Feinde , von welchen er eine

beſſre Behandlung verdient hatte ; das tiefe Mitleid , welches er für die Leiden der Chriſten in andern Theilen der Welt fühlte , beſon

ders ' wo die proteſtantiſche Sache gefährdet war ; alle dieſe Schmer zen und viele andre noch, die in einem ſo liebevollen Herzen wie dem ſeinigen eingeſchloſſen waren , mehr hätte es nicht bedurft, um

den unbezwinglichſten Muth in der Welt niederzuſchlagen ." Am 21. Auguſt überfiel ihn ein Fieber.

Er machte jedoch =

noch einige Spaziergänge in dem Parke von Hampton - Court. Bei einem derſelben erhielt er den leßten Beſuch von Georg For. Man hatte einige Quäker in's Gefängniß geworfen ; und ſchon vor her, als der Protector noch in London war, hatte For einige Vor ſtellungen an ihn gerichtet. Als Cromwell „ in ſeiner großen Kutſche und von ſeinen Wachen umgeben ſeine Abendſpazierfahrt in Hyde Park machte“, war For herangetreten und von den Wachen an fangs zurückgewieſen worden ; aber Crommell hatte die Kutſchenfen

ſter herabgelaſſen und ihn ſehr herzlich empfangen. Am folgenden Tage ſtellte ſich For , der ſich ſeiner Sache ſicher glaubte, in Whi tehall vor ; aber die Scene änderte ſich. „ Cromwell ſprach etwas leichtſinnig gegen mich “ ," - ſagt der Quäfer. ....Als ich neben

dem Tiſche ſtand, trat er ein , ſeşte ſich an das andre Ende , ſagte mir unbedeutende Dinge . ... und behandelte mich ſtolz. 1

Er

ſagte mir , daß mein übermäßiges Selbſtvertrauen (er wollte ſagen, mein Vertrauen auf Gott , das ich in mir trug) nicht die geringſte meiner Eigenſchaften wäre.“ Der Quäker ging wenig befriedigt hinweg. For beſchreibt ſeine leßte Zuſammenkunft mit Cromwell zu Hampton - Court folgendermaßen. „Ich nahm einen Nachen und

fuhr die Themſe bis nach Kingſton hinauf , von wo ich mich nach Hampton -Court begab , um mit dem Protector über die Leiden der

Freunde zu ſprechen . Ich begegnete ihm in dem Park ; er war zu Pferd , an der Spiße ſeiner Leibwachen , und bevor ich mich ihm

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näherte , bemerkte und fühlte ich wie einen Todeshauch *) , der ſich ihm entgegenwarf und die Luft durchſchnitt, und als ich vor ihm ſtand, glich er einem Todten. Als ich ihm die Leiden der Freunde auseinander geſeßt und ihn davon benachrichtigt, ſo wie ich getrie ben war es zu thun , hieß er mich in ſein Haus kommen. Als ich am folgenden Tage dahin kam , ſagte man mir , er ſei krank, und ich ſah ihn niemals wieder."

Dieſe Teşten Zuſammenkünfte Cromwell's mit For ſind merk würdig. Eine den Quäfern ziemlich ähnliche Lehre hatte ihn irre geführt. Er hatte einer innern Stimme folgen zu müſſen geglaubt, anſtatt einfach zu fragen : Was hat Gott in ſeinem Worte vorge ſchrieben ? Jeſt tadelt Oliver den Quäker wegen dieſer Anſicht, daß Gott in ihm ſei , daß Gott in ihm ſpreche, „ ein übermäßiges Selbſtvertrauen .“ Ließen die Ausſchreitungen , zu welchen dieſe Lehre die Freunde führte, und welche Oliver anfangs ſelbſt ge liebt , ließen ſie den Protector davon zurückkommen ? Gab er vor ſeinem Tode dieſes irrthümliche Lehrgebäude auf , daß ihn ſo weit geführt hatte ? Starb er als ein einfältiger und demüthiger Chriſt, der mit Jeſaiaš aušrief: Dem Geſeß und dem Zeugniß ! Alles ſcheint uns das anzudeuten. Man könnte ſogar weiter gehn und fragen , ob Cromwell, der ſo geſunde Anſichten über ſo viele andre religiöſe Gegenſtände hatte, jemals über das Gebet jene enthuſiaſtiſchen Meinungen hatte, welche gegen ihn eingenommene Zeitgenoſſen ihm beilegten , und die Hat er er ſelbſt in Georg For verwarf. Man könnte ſagen : jemals etwas Anderes gethan , als ernſtlich gebetet , das heißt in der feſten Zuverſicht, daß der welcher bittet empfähet. Des Chriſten Pflicht iſt, Gott um Alles zu bitten was er bedarf. Crom well hat es gethan. Des Chriſten Pflicht iſt, die erbetene Gnade zu erwarten , wie der Landmann nach der Ausſaat die Erndte er

wartet. Cromwell hat es gethan. Des Chriſten Pflicht iſt in Noth *) A waft of death

Soll man darunter eine Erſcheinung verſtehn , oder

einen Hauch , einen Wind (whiff ) ?

324

und Bedrängniß den Herrn zu bitten , ihm den Weg zu zeigen , auf welchem er wandeln ſoll. Cromwell hat es gethan. Gott

RE

1

antwortet auf ſolche Gebete , ſei es durch äußere Umſtände , die er herbeiführt, ſei es daß er die Gläubigen in der Anwendung fegnet,

DI

die ſie von ihrem eignen Urtheil machen ; - und gewiß , Cromwell hat ſeine treffliche Einſicht, ſeinen bewunderungswürdigen Scharf

de

ſinn nicht ſchlafen laſſen, wenn er irgend einen Entſchluß zu faſſen batte : man darf das glauben. Aber geben wir weiter. stann

De

gle

man behaupten , daß Gott den , welcher ihn anruft, nicht auch durch eine innre Segnung ſeines Geiſtes führt ? Behauptet nicht Calvin, wenn er von dem Gebete ſpricht, „ daß Gott mit ſeinen Gnaden die inneren Regungen unſrer Seele erfreuen werde.“ Und lehrt



nicht die Schrift , indem

eir

ſie ſich eines ſchönen Bildes bedient,

2

da

des Königs Herz iſt in der Hand des Herrn wie Waſſer bäche, und er neigets , wohin er will. (Sprichw. XXI , 1.) 1

Es iſt das eine Lehre der Bibel , welche alle Chriſten bekannt und

Des

geübt haben , und Cromwell hat nichts Anderes gethan.

ish

Eine ſolche Vertheidigung Cromwell's würde der Wahrſchein lichkeit nicht ermangeln , und wir geben allen dieſen Grundſäßen ohne Rückhalt unſre Beiſtimmung. Wir glauben , daß Cromwell

01

je

Det

dieſe herrliche Anſicht vom Gebet auf die ausgezeichnetſte Weiſe in Ausübung brachte. - Gleichwohl könnten wir nicht beſtätigen , daß

1

er niemals die ſo feinen Grenzen überſchritten hätte , und insbeſon

of

dere , wie wir bemerkt haben , ſeit dem Tode des Königs.

ii:

Cromwell's Uebelbefinden wurde ſchlimmer. Bald ließ man ihn das Bett hüten , und als das Fieber ſich vermehrte, ſchaffte man ihn nach Whitehall. Zahlreiche Gebete wurden öffentlich und privatim ohne Unterlaß für ihn gehalten.

Die Reden Cromwell's auf ſeinem Krankenbette enthüllten die

Lieblingsgedanken und Beſchäftigungen ſeines Herzens. Nach dem die Annäherung ſeines Endes.

nt

Worte des heiligen Paulus dachte er an das , was droben iſt, und nicht an das , was auf Erden iſt. Er ſah ohne Furcht Er ſprach ſeinen Glauben aus,

ius

„daß ſchönere Wohnungen , ein ſchöneres Erbe , eine ſchönere tur

325

Krone , ein ſchönerer Thron , im Himmel, der ſich ihm öffne, ihn erwarteten * ).

Der vom Fieber geplagte Kranke beſchäftigte ſich gewöhnlich

mit dem zwiſchen Gott und ſeinem Volke geſchloßnen Bunde. Auf der einen Seite ſah er den Bund der Werke ; aber auf der an dern begrüßte er freudig den Bund der rettenden Gnade. ,, Es

giebt deren zwei, ſagte er in der Aufregung des Fiebers.

Zwei

.... aber vereinigt zu Einem , vor der Erſchaffung der Welt!" – Dann ſchwieg er eine Zeit lang; hierauf ſagte er wieder : „ Es iſt das eine heilige und wahrhafte Sache !.... Wer hat ſie heilig und

wahrhaftig gemacht? Der Mittler des Bundes !" Neues Still „ ſchweigen. Cromwell ſpricht wieder : „Es giebt nur noch einen einzigen Bund. Der Glaube im Bunde iſt meine einzige Stüße. Wenn ich untreu bin , - Er , er bleibt getreu ." .“

So ruhte alle Hoffnung des gedemüthigten Cromwell in Dem , der ſich nicht ſelbſt verleugnen kann. Jenes Wort der Schrift ſchien in ſeinem Herzen wiederzuklingen : Aus Gnade ſeid ihr ſelig worden durch den Glauben , und dasſelbige nicht aus euch , Gottes Gabe iſt es. (Epheſ. II, 8.) Der Protector vernahm ſterbend dieſen Ausſpruch des Apoſtels und antwortete, Amen !

Nichts konnte ihn tröſten als jene große Wahrheit des göttli chen Wortes : Wenn eure Sünde gleich blutroth iſt, ſoll

ſie doch ſchneeweiß werden , und wenn ſie gleich iſt wie Rojinfarbe , ſoll ſie doch wie Wolle werden. (Fel. I , 18.) Luther ſagt in einem Schreiben an Agricola : ,, Die Welt und die Vernunft können nicht begreifen , wie ſchwer die Erkenntniß , daß 1

Chriſtus unſre Gerechtigkeit iſt: ſo ſehr iſt der Glaube an die Werke mit uns verwachſen , verwandt und angeboren" ** )." Der Glaube

*) A Collection etc,; by the Groom of the Bedchamber, 3.

Sie

enthält den Bericht über die legten Augenblice des Protectors. **) Mundus et ratio non capit , quam sit cognitio ardua , Christum esse iustitiam nostram ; ita operum opinio nobis incorporata agnataque et inna turata est. (Luther Agricolae , 3 Aug. 1627.)

326

an die Werke war in Cromwell's Herzen nicht vorhanden : er wußte, daß ein lebendiger Glaube nothwendigerweiſe die Liebe und die Werke erzeugt ; daß aber der Glaube der Anfang ſei , und daß allein da , wo eine Verſöhnung durch Vergebung der Sünden,

Wiedergeburt , Heiligung und gute Werke ſein könnten. Zu Einem , der neben ſeinem Sterbebette ſtand, ſagte Oliver :

Welches auch

Eure Sünden ſein mögen , vergangne , gegenwärtige oder zukünftige, wenn Ihr Euch nur auf die unverdiente Gnade Gottes ſtüßt, ſo

feið Ihr gerettet. Aber wenn Ihr zu den Werken Eure Zuflucht nehmt , ſo ſtellt Ihr Euch unter das Geſeß und unter den Fluch, und ſeid verloren.“ *) Oliver wollte nicht behaupten , daß man aufrichtig fündigen könne. Nein ! ſich auf die Gnade ſtüßen , zieht in den Glauben hinein , und da , wo der Glaube , iſt die alleinige mächtige Triebfeder zu allem Guten . Cromwell wußte , daß der Gläubige feſt und reich ſei in dem Werke des Herrn , im Verhält: niß zu der Erkenntniß , welche er von der göttlichen Barmherzigkeit gegen den Sünder habe ; während er dagegen ſeine Pflichten unter laſſe, wenn ſeine Hoffnungen ſchwach und matt wären. „ Sollen wir alſo fündigen , auf daß die Gnade deſto mächtiger werde ?

tu

10

Das ſei ferne !"

Seine Frau und ſeine Kinder ſtanden um ſein Bett und ver goſſen viele Thränen. Er ſagte zu ihnen : „Kinder ! lebt als Chriſten. Bleibet in Chriſto, damit wir, wenn er erſcheint, bei ſeiner Ankunft nicht beſtürzt ſind. Wenn ihr wißt , daß er gerecht iſt, ſo wißt ihr auch , daß Alle, die gerecht leben , aus ihm ge boren . ſind. Meine kleinen Kinder laßt auch Niemand verführen.

LLC

‫ܬ‬

Der , welcher thut was gerecht iſt, iſt gerecht wie Er ſelbſt gerecht iſt....**). liebt nicht dieſe Welt , ich ſage es euch : es iſt nicht gut , daß ihr dieſe Welt liebt. Ich hinterlaſſe euch den Bund mit Gott zu eurem Unterhalt .“ 2

*) Collection etc. , by the Groom of the Bedchamber, 6. **) Gbendafelbft

327

Welch ein Vermächtniß !

Cromwell wußte , daß es beſſer ſei

als das des Protectors von England. Was der ſterbende Chriſt

für ſeine Kinder erbat, war jenes unvergängliche und uns befledte und unverwelkliche Erbe , das behalten wird im Himmel , von welchem der heilige Petrus redet. „ Þerr “, rief er , „du weißt , wenn ich zu leben wünſche , daß ich es wünſche um dein Lob zu verfünden und deine Werke kund ,

zu thun."

Einen andern Augenblick feßte er hinzu :

„ Kann

Der Einer ſagen : Wer wird mich aus der Gefahr erretten ? Menſch kann nichts thun. Gott kann machen , was er will." So verließ ſich der Protector auf Gott , jenem apoſtoliſchen Worte ge mäß : Wenn im Fleiſch leben dienet mehr Frucht zu

ſchaffen , ſo weiß ich nicht, welches ich erwählen ſoll. Chriſtus iſt mein Leben und ſterben iſt mein Gewinn.“

Cromwell kehrte jedoch auch zu der Erde zurück, aber angeſichts ſeiner Verantwortlichkeit und des göttlichen Gerichtes. In dieſer feierlichen Stunde , wo er gleichſam an der Pforte der Ewigkeit ſtand , erklärte er Alles , was er gethan , für das Wohl des Volkes gethan zu haben, um es vor der Anarchie und vor einem neuen Kriege zu ſchüßen . Er zeigte kein Bedauern über ſeine Handlungen als Staatsmann. Wir haben geſehn , daß er Alles in der aufrich tigen und feſten Ueberzeugung gethan hatte , daß es mit dem gött

lichen Willen übereinſtimme, wobei er fich ohne Zweifel täuſchte. Er konnte jedoch der Unruhe nicht entgehn , die ſo oft lautere See len im Augenblicke des Todes quält. Er wußte , daß er ein Sün der ſei. Er konnte wie der Pſalmiſt ſagen : Meine Sünde iſt vor dir.“ Eben ſo durfte er wie Hiob ausrufen : „ Die Schreck niſſe Gottes ſind auf mich gerichtet." (Hiob VI , 4). Ein mal ſprach er drei Mal hintereinander jene Worte der Schrift: Schre & lich iſt's , in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen." Aber die Unruhe hielt nicht an. Cromwell kannte Den , der ein Mal für die Sünde geſtorben iſt; und konnte mit David ſagen : Glüdlich iſt der , dem die Sünde be

dedet iſt! Er fing wieder an : „Alle Verheißungen Gottes find in Chriſto, ja in ihm. - Amen ! Zum Ruhme Gottes , burch

328

uns, – durch uns , in Jeſu Chriſto.

-

Der Herr hat mich mit ſo viel

Zuverſicht auf ſeine Verzeihung und ſeine Liebe erfüllt, daß meine Seele ſich nicht enthalten kann ...... Ich glaube , daß ich der ärmſte

Elende bin , der je gelebt hat ; aber ich liebe Gott , oder vielmehr, ich .

1

werde von ihm geliebt ! - Ich bin Sieger, und mehr als Sieger, durch Chriſtum , der mich mächtig macht." *) -

Das waren die Meinungen Cromwell's in jenen feierlichen Augenblicken , wo die Seele , nicht mehr ihrer ſelbſt mächtig , ſich ſo zeigt , wie ſie in Wirklichkeit iſt. Alle ſeine Gedanken waren auf den Heiland , auf ſeinen Bund und den Himmel gerichtet. Nicht ehrgeizige Entwürfe, oder die Pläne ſeiner Gegner beſchäftigten ihn, er dachte nur an Gott. Das iſt eine entſcheidende Probe. Man hat Männer , die eine gewiſſe Rolle in der Welt geſpielt

hatten , in den aufgeregten Träumen , welche dem Tode vorangehn, ſich entſchleiern ſehn . Ein gewiſſer Kardinal z. B. , der ein aus:

ſchweifendes Leben geführt hatte , ließ in ſeinen lezten Augenblicken nur unzüchtige Worte hören .... Der glänzende Schleier ſeiner Macht und ſeines Ruhmes war zerriſſen. Seine Feßen ließen nur Schande und Verderbniß feben. Ebenſo war für Cromwell der

Schleier zerriſſen , wenn es hier einen Schleier gab. Man konnte

in dieſen feierlichen Stunden bis auf den Grund ſeiner Seele leſen , und man fand darin nur die Liebe zu Gott und zu ſeinem Evan gelium. Möge Gott ſeinen Anklägern verleihen , eben ſo wie er eine eben ſo furchtbare Probe ablegen zu können ! Am 30. Auguſt, Montags , brach ein furchtbarer Sturm über

London aus. Der Wind blies mit ſolcher Heftigkeit , daß die Rei ſenden ſich fürchteten ſich auf den Weg zu machen , und daß die Zimmer von Whitehall von unheimlichem Brauſen wiedertönten.

Das ſchien eine unglüdliche Vorbedeutung zu ſein. Thurloe fragte den Sterbenden im Namen des Staatsrathes , wer ſein Nachfolger

ſein ſollte ? Er antwortete , der Name ſeines Nachfolgers fände fich in Hampton Court in einem verſiegelten Papier, und an einem

*) Collection etc. p . 6

1

329

Plaße , den er bezeidynete.

Das Papier hat ſich niemals gefunden .

Man glaubt, daß Richard , ſein älteſter Sohn , der bezeichnete Nach folger war. Aber warum behandelte es Cromwell ſo geheimnißvoll, wenn es ſich um ſeinen natürlichen Nachfolger handelte ? Wir können uns nicht enthalten eine Vermuthung auszuſprechen , viel leicht umſonſt.

Der in den geheimniſvollen Papier enthaltene

Name, war er nicht der Heinrichs ? – Heinrich , der zweite Sohn des Protectors , und der mit allen großen Eigenſchaften ſeines Va ters ausgeſtattet ſchien ? Wenn man Cromwell's Charakter und

ſeinen Scharfſinn kennt , wenn man bedenkt, daß ſein Wille war, ſeinen Nachfolger erſt nach ſeinem Tode bekannt werden zu laſſen, ſo kann man ſich des Gedankens nicht erwehren , daß Heinrich es war , der frühere Statthalter und Friedenisſtifter in Frland , wel chen der große Protector als allein geeignet bezeichnet hatte , ſein

Werk der Freiheit , des Gedeihens und des Friedens in England fortzuſeßen. Als an demſelben Abende während des Sturmes mehrere Pers ſonen , unter andern der Major Butler , in Oliver's Zimmer ſich befanden , hörte man den Sterbenden ein feierliches Gebet ſprechen, von dem man behauptet hat , wie um ihm daraus einen Vorwurf

zu machen, es ſei mehr die Anrufung eines Mittlers zwiſchen Gott und ſeinem Volfe , als die eines armen Sünders geweſen . Ob Cromwell fich für einen Sünder hielt oder nicht , wird das Gebet felbſt zeigen. Aber wenn man das Gebet eines ſterbenden Vaters

für ſeine Kinder als etwas Nührendes und Feierliches betrachtet, mit welchen Rechte wird man dem Oberhaupte eines großen Vol kes einen Vorwurf machen wollen , wenn er für dieſes Volk in einem Augenblicke betet, wo Goit die in ſeine Hände gelegten Zügel

wieder an ſich nimmt und in die Ewigkeit ihn abruft ? Man kann ſich des Wunſches nicht enthalten , Gott möge allen Herrſchern der

Völker dieſe Liebe für ihr Volk ſchenken , die ſtärker iſt als der Tod , und von welcher der Protektor eines der ſchönſten Beiſpiele, welche die Geſchichte bietet , hinterlaſſen hat. 23

330

Ge be t.

„ Herr, obſdyon idy ein armes und elendes Geſchöpf bin, ſo ſtehe

id doch im Bunde mit Dir durch die Gnade. Ich kann , id) will zu Dir kommen und Dich für Dein Volk bitten. Du haſt mich, obgleich ſehr unwürdig, ein ſchwaches Werkzeug ſein laſſen , dieſem Volfe einiges Gute zu thun und Dir zu dienen.

Mehrere dagen

mich zu hod ); ſie möchten , daß ich leben bliebe ; ſie glauben , das

wäre für ſie beſſer, und würde mehr zu Deinem Ruhme gereichen, und ſie thun Alles bafür , was ſie können . Andre dagegen wünſdien Herr, meinen Tod , it mein Ende würde ihnen angenehm ſein. auf weld)e Weiſe Du auch über mid) verfügſt, fahre fort ihnen

Gutes zu thun ! Verzeihe Deinen unverſtändigen Kindern ; vergieb ihnen ihre Sünden , vergiß ſie nicht, ſondern liebe ſie, ſegne fie. Sdhenke ihnen ein feſtes Urtheil, ein ergernes Herz, eine gegenſeitige Liebe. Schütze ſie , ſie und das Werk der Reformation , und madhe den Namen Chriſti glorreich in der Welt ! Lehre die , welche zit ſehr auf Deine Werkzeuge fehn , mehr auf Did ſelbſt ſehn! Verzeihe denen , weldie den Staub eines armen Wurmes , wie id) I

bin , mit Füßen zu treten wünſdyen ; denn auch ſie ſind Dein Volk ! !

Verzeihe die Thorheit dieſes kurzen Gebetes , ſchenke mir Ruhe um der Liebe Jeſu Chriſti willen ! weldiem

wie Dir im Geiſte ſei alle

Ehre und aller Kuhn , jegt und immerdar , Amen ! " *)

So verzieh Cromwell ſeinen Feinden und betete für die ver irrten Republikaner ; er betete in der That ſogar für Karl Stuart und die unglücklichen Henkersknechte, welche ſpäter die Aſche des

erlauchten. Protectors mit Füßen traten. Als am folgenden Don nerstag der Kammerdiener des Protectors , der uns ſo köſtliche Einzelnheiten über ſeine legten Augenblicke aufbewahrt hat , neben ihm ſtand , hörte er ihn mit ſchwacher Stimme folgende Worte ſprecheu : „ Gewiß , Gott iſt gut ; er iſt es. Er will nicht .... Hier verſagte dem Kranken die Stimme ; das Wort, welches er nicht ausſprechen konnte , war ohne Zweifel mich verlaſſen. Er 11

ſprach jedoch noch von Zeit zu Zeit , mitten unter den Leiden , mit

*) Lettres et Discours , III , 457 ; Neale , 696.

331

viel Liebe und Inbrunſt.

„Ich möchte leben“, ſagte er , „um Gott

und ſeinem Volke noch zu dienen ; aber mein Werk iſt beendigt. Jedoch Gott wird mit ſeinem Volke ſein."

Bald darauf zeigte er in ſeinen Bewegungen jene Aufregung, die oft dem Tode vorausgehts und als man ihm etwas zu trinken darbot mit den Worten , daß er darauf ſchlafen würde, erwiderte .

er : – ,,Meine Abſicht iſt weder zu trinken noch zu ilafen ; meine .

Abſicht iſt, meine Abreiſe zu beſchleunigen .“ Gegen Morgen zeigte er in den abgerißnen Worten , die ihm entſchlüpften , viel Troſt und Friede ; er richtete und demüthigte ſich ſelbſt vor Gott. „Es würde eine zu ſchwere Aufgabe, beſonders

für mich , ſein “ , ſagt der ihm Beiſtand leiſtende Kammerdiener, „ von alle den Gnaden, die damals auf ihm ſtrahlten, zu berichten ." Einige behaupten , Oliver habe ein Mal den neben ſeinent Bette ſtehenden Doctor Goodwin gefragt, ob ein Menſch aus dem Stande der Gnade fallen könne ; und als der Doctor es verneint, 1

have der Protector geſagt : „ Dann bin ich gerettet ; denn ich habe die Gewißheit , ein Mal im Stande der Gnade geweſen zu ſein .“

Man hat Augenblicke des Zweifels und der Furcht das Sterbebett der ſtandhafteſten und frömmſten Chriſten vorübergehend beunruhi gen ſehn. Es iſt alſo möglich , daß das Licht, welches in Crom well's Herzen ſtrahlte, ſich auf einen Augenblick verfinſterte. Es iſt jedoch merkwürdig, daß der treue Zeuge vom Tode des Protectors, der uns mit ſo viel Sorgfalt feine Worte und ſeine Gebete be richtet hat , dieſe Unterredung mit dem Doctor Goodwin gar nicht

erwähnt. Ferner würden dieſe Worte in Widerſpruch mit den Unterredungen ſtehen , die er auf ſeinem Sterbebette batte , und noch mehr mit ſeinem ganzen Leben. Cromwell war ein zu vor geſchrittener, zit gekräftigter, zu erleuchteter Chriſt, um eine ähnliche Frage , wie die ihm beigelegte , zu thun. Um in ſich die Zeichen

des chriſtlichen Lebens zu finden , hatte er nicht nöthig , auf die erſten Jahre ſeiner Laufbahn zurückzugebn ; alle Jahre ſeines Lebens,

und ganz beſonders die legten , bieten uns in Fülle unzweifelhafte Zeichen ſeines lebendigen Chriſtenthums und ſeiner Annahme an 23

*

332

Kindes Statt bei Gott. Wir müſſen alſo die Zuverläſſigkeit dieſer Anecdote beſtreiten. *) Es war damals der 3. September, der fahrestag der berühm ten Schlachten von Dunbar und Worceſter, ein Feſttag zum An

denken an dieſe wichtigen Siege.

Als die Sonne aufging, verlor /

Oliver die Sprache, und ziviſchen 3 und 4 Uhr Nachmittags ſtarb

er. Gott brach alle ſeine Kraft an dieſem Jahrestage ſeines Ruhms und ſeiner Triumphe.

Man kennt Pascal's Anſicht über den Tod des Protectors : ,, Cromwell war auf dem Punkte die ganze Chriſtenheit zu beeren , die königliche Familie war verloren und die ſeinige auf

immer mächtig, ohne ein kleines Sandkorn, das ſich in ſeine Harn röhre ſeşte : Nom ſogar follte unter ihm zittern. Aber dieſer kleine

Kies , der anderswo nichts war , an dieſen Ort gebracht, ſiehe, da war er todt, ſeine Familie erniedrigt und der König wieder ein geſeßt. “" - Dieſe Worte beweiſen , daß Pascal weniger in der Geſchichte, als in Chriſtenthum und in der Mathematik bewandert

war. Statt eines Sandforns war es ein Fieberanfall , der ihn in demſelben Palaſte ergriff, wo ſeine zärtlich geliebte Tochter ſoeben

den leßten Seufzer ausgehaucht, welcher den großen Mann Eng lands im 17. Jahrhundert wegraffte. Unter dieſer oder unter einer andern Geſtalt, immer iſt es der Wurm , der menſchlichen

Ruhm und menſchliche Macht ſtechen ſoll: Alles Fleiſch iſt Heu, * ) Lingard ( Hist . of England , Vol . XI , p . 351 ) erzählt dieje Anekdote llocs dem Berichte eines angibliden Augenzeugeit.

,,Selbſt wenn man die Rida

tigkeit dieſer Angabe annimmt, läßt ſich für Cromwell's Clarafter ais Chriſten nichts daraus folgern. Die Beiſpiele ſind nid )t jelten , daß aud) den entſchiedenſten und frömmſten (Gläubigen auf ihrein Sterbelager , wenngleich nur vorübergebend, ihr Gnadenſtand verdunfelt wird , daß ſie aud in dein mein Gott , mein Geit, warım haſt du mich verlaſſen !" ihrem Heilinde nacijoigen mußten , um dann in den letzten Augenblicei ihres irdiſden Daſeins wieder um ſo freudiger ihrer Be 1

guadigung gewiß zit nerden . llnd daß dieß jedenfalls die richtige Deutung ſein dürfte , ſheint alis dem nach Lingard's Berichte unmittelbar nacı jener Aeußerung von Cromwell , für das Volf Gottes“ gejprodjenen ſchönen Gebete unzweifelhaft

hervorzugehnt.“ ( v. Nudloff Geſd . der Neformation in Schottland. Neue Ausg., Th . II , S. 58. – . ) P.

333

und alle feine Güte iſt wie eine Blume auf dem Felde. Das Heit verdorret , die Blume verwelket , denn des

Herrn Geiſt bläſet drein. Der Schmerz der Freunde des Protectors und des größten Theiles der Nation läßt ſich nicht beſchreiben . Die Erſchütterung und Beſtürzung von Jedermann ſind unausſprechlich " , -- ſchrieb

Fauconberg, Oliver's Schwiegerſohn , an Heinrich Cromwell; „ die Herzen ſind zerriſſen. Wenn es auch draußen ſo iſt, ſo können ſich Eure Gnaden vorſtellen , in welchem Zuſtande fich die Familie Seiner Hoheit und ſeine Freunde befinden. Was meine arme Frau ( Marie , Cromwell's dritte Tochter ) betrifft , ſo weiß ich in der Welt nicht, was ich mit ihr machen ſoll. Manchmal ſcheint ſie ſich zu beruhigen ; dann plößlich bricht ihre Liebe in ſolcher Weiſe aus , daß ihr Herz davon gebrochen zu werden ſcheint. Ich kann ſie nicht tadeln , wenn ich an das denke , was ſie verloren. Kaum

beſſer geht es mit den Andern . Gott wird , ich hoffe es , für uns Alle dieſen bittern Kelch heiligen."

,, Ich habe weder Kraft zu

ſprechen noch zu ſchreiben “ , ſchrieb Thurloe , „ fo grauſam und un erwartet iſt dieſer Schlag, ſo unerforſchlich iſt Gottes Vorſehung, wenn man bedenkt , was für ein Mann geſtorben iſt, was für ein Augenblick es iſt, in dem Gott ihn abberufen , und ſo viele andre Umſtände. Es bleibt mir nichts übrig , als meine Lippen in den

Staub zu legen und zu ſprechen : Das iſt der Herr ! .....

Man

kann die Betrübniß des Heeres und des Volkes nicht beſchreiben.

Sein Name iſt ſchon geheiligt. Niemals war ein Menſch der Ge genſtand ſo vieler Gebete .“ *)

Wir haben erzählt , daß kurz vor Cromwell's Tode ein wüthender Sturm über London ausbrad). Mehrere der ſtärkſten Bäume im Saint - James Park wurden entwurzelt. Der Dichter Waller meldete in ſchönen Verſen , daß die leßten Seufzer des

Protectors die Inſel der Bretonen erſchüttert hätten , daß der auf geregte Ocean, als er ſeinen Herrn verlor, fich erhoben, und Crom

well, wie der Gründer Rom's, in einem Sturme verſchwunden wäre. * ) Brief an Heinr. Croniwell, in den State Papers von Thurloe, VII, : 72.

334

We must resign ! Heaven his great soul doth claim In storms , as loud as his immortal fame :

His dying groans, his last breath shakes our isle ; And ,trees , uncut , fall for his funeral pile ; 5 About his palace their broad roots are tost Into the air.

So Romulus was lost !.

New Rome in such a tempest miss'd her king

And , from obeying, fell to worshipping. On Oeta's top thus Hercules lay dead, 10 With ruin'd oaks and pines about him spread. The poplar, too , whose bough he wont to wear On his victorious head , lay prostrate there. These his last fury from the mountain rent :

Our dying hero from the continent,

15 Ravish'd whole towns, and forts from Spaniards reft, As his last legacy to Britain left. The ocean ,

which so long our hopes confined, Could give no limits to his vaster mind ; Our bound's enlargment was his latest toil 20 Nor hath he left us prisoners to our isle : Under the tropic is our language spoke, And part of Flanders hath received our yoke. From civil broils he did us disengage, Found nobler objects for our martial rage,

25 And , with wise conduct , to his country show'd The ancient way of conquering abroad. Ungrateful then ! if we no tears allow, To him that gave us peace and empire too. Princes that fear'd him grieve , concern'd to see 30 No pitch of glory from the grave is free. Nature herself took notice of his death ,

And , sighing , swell’d the sea with such a breath That, to remotest shores her billows roll’d ,

The approaching fate of their great ruler told. — *)

*) Laßt entjagen ins ! der Himmel fordert ſeinen großen Geiſt Laut im Sturm , wie laut ſein Naine durch die Welt unſterblich freiſt ;

335

So ſang der Dichter. Und in der That hat uns die Ges ſchichte nicht viel Namen von Fürſten aufbewahrt , welche wie Dli ver ihrem Volke „ im Innern Frieden , nach außen Herrſchaft “ ge geben haben.

Alle über das wahre Wohl des Volkes aufgeklärte

Männer wiederholten in ihrem Schmerze dieſe erhabene Elegie.

Wie Waller andeutet , legte die Mehrzahl der Herrſcher Eu ropa's Trauer an ; und Ludwig XIV . ſelbſt kleidete ſich ſchwarz.

Die europäiſchen Freiheiten , die religiöſe Freiheit und die große Und die Seufzer ſeines Todes unſer Eiland tief eridüttern, Und ſein letzter Hauch läßt hohe Wipfel in der Luft erzittern. 5 Rings um den Palaſt die Bäume, deren Wurzeln , deren Zweige Nie die Art gefühlt , fie ſtürzen wie zum Holzſtoß für die Leidye. Rom verlor ſo ſeinen König Romulus im Sturmeswetter, Und ,. die ihm gehordjt, ſie ehrten ihn wie des Olympus Götter. So lag hingeſtreckt im Tode Hercules auf Deta's Gipfel, 10 Rings um ihn geſtürzter Eichen und der Þinien hohe Wipfel ; Auch die Pappel , deren Zweige ſeine Siegerſtirn umwanden, Lag geſtreďt um ihn ,. deß Name laut erſcholl in allen Landen ;

Dieje riß ſein letztes Withen nieder von der Berge Spißen ; Unjer Held entführte ganze Städte vou des Feſtlands Siten .

15 Und die Schlöſſer, die dem ſtolzen Spanier er fühn entriſ, Läßt zurück er ſeinen Britten ſterbend als ſein lett' Vermädytniſ. Der ſo lange nuſer Hoffen hat begrenzt, der Ocean Konnte keine Grenzen ſetzen ſeines Geiſtes weiter Bahn.

Die Erweitrung unſrer Grenzen ſeiner Thaten war die letzte,

20 Unſer Eiland war kein Kerker , wo er uns gefangen ſetzte. Wo die Palme wächſt, die ſchlanke,I unſre Sprache wird geſprochen, 1

Und von Flandern wohl die Hälfte that der Held uns unterjochen .

Er hat uns befreit von Schlachten , die der Bürger Blut ſahn fließen, Hat ein edler Ziel den Söhnen unſres Landes angewieſen . 25 Hat gezeigt , ein weiſer Führer ,. der Erobrung alte Bahnen Unſern Kriegern , daß im Ausland ſie entfalten unſre Fahnen.

Undank wär's , wenn feine Thränen wir dem Mann als Opfer brächten, Der uns Frieden gab und Ruhe , uns zu Herrn gemacht aus Kned)ten.

Fürſten , die ror ihm gezittert , trauern , du ſie fehn erliegen 30 Helden , von des Ruhmes Gipfel in das Grab binabgeſtiegen. Und Natur verſinkt in Trauer , klaget laut den Tod des Helden, Und ihr Seufzen ſdhwelt die Wogen , daß ſie fernſten Küſten melden , Wie ſich ſein Geſchick erfülle , wie des Starken Haupt bedroht, Dem als Herrſder ſie gehuldigt , unerbittlich ſchon der Tod.

336

Sache des Proteſtantismus hätten noch weit mehr Recht gehabt ſich mit Trauerflor zu bedecen . Aber der Tod ihres erlauchten Unterſtüßers ſollte ſie nicht mit ihm in das Grab hinabſteigen laſſen. Das Heu verdorret , die Blume verwelket , aber

das Wort Gottes bleibet in Ewigkeit. Richard veranſtaltete für ſeinen Vater ein prächtiges Leichen

begängniß.

Der einbalſamierte Leichnam des Protectors wurde

zwei Monate lang im Palaſt von Sommerſet, in einem mit ſchwar

zem Sammt ausgeſchlagenen , von tauſend Wachsfackeln erleuchte: ten Saale ausgeſtellt.

Eine Inſchrift enthielt folgende Worte : Er

ſtarb mit großer Zuverſicht und Lauterkeit der Seele. Dieſe Worte ſind wahr, und die Thatſache, welche ſie feſtſtellen, war glorreicher für den Protector als Sammt und Wachsjackeln, glorreicher ſelbſt als ſeine Siege und Eroberungen. Aber es giebt etwas anderes , das , in den Augen der Welt wenigſtens , Oliver's Ruhm mehr noch ſollte hervortreten laſſen.

Iſt man ſchon immer geneigt die Reize eines ſchönen Klimas und einer erhabenen Natur lebhaft zu fühlen , fo würdigt man . ſie dod)

noch weit mehr, wenn man bald nachher in Gegenden verſeßt wird, die wild , nadt, jumpfig und mit ſchädlichen , peſtartigen Dünften

angefüllt ſind. Die dem Hintritt Oliver Cromwell's folgenden Zei ten halten eine beredtere Leichenrede auf ihn , als Boſſuet es hätte

thun können ; und die Harfe der Waller, Dryden und Milton ließ niemals ſo ausdrudsvolle Klänge zu ſeinem Lobe ertönen. Der Gegenſaß war auffallend , und die Geſchichte hat ihn endlich in unſern Tagen anerkannt. „,Die ſeinem þinſcheiden folgenden Ereigniſſe ſind die vollſtän

digſte Rechtfertigung derer , welche ſich bemühten ſein Anſehn auf recht zu erhalten.

Sein Tod brachte das ganze Gebäude der Ge

ſellſchaft aus den Fugen. Das Heer erhob ſich gegen das Parla ment , und die verſchiedenen Abtheilungen des Heeres gegen ein : ander . Secte wüthete gegen Secte ; Partei verſchwor fich gegen Partei. Die Presbyterianer, ungeduldig fich an den Independen ten zu rächen , opferten ihre eigne Freiheit auf und fielen von all

ihren früheren Grundſäßen ab. Ohne einen einzigen Blick auf die

1

4

2

337

Vergangenheit zu werfen , oder eine einzige Bürgſchaft für die Zu kunft zu fördern, warfen ſie ihre Freiheit unter die Füße des leicht ſinnigſten und herzloſeſten Tyrannen. ,,Dann kamen jene Tage , an die man ſich nicht ohne zu errö

then erinnert kann, die Tage der Knechtſchaft ohne Treue , der Sinnlichkeit ohne Liebe , der zwerghaften Talente und rieſenhaften Laſter , des Paradiſes der kalten Herzen und beſchränkten Seelen, das goldne Zeitalter der Feigen , Bigotten und Sclaven. Der Kö

nig kroch vor ſeinem Nebenbuhler ( in Saint- Cloud ), um ſein Volk mit Füßen treten zu können ; er " ſank zu einem Vicekönig von Frankreich herab , und mit höflicher Ehrloſigkeit ſteckte er die ernied 1

rigenden Beſchimpfungen dieſes Hofes und fein noch mehr erniedri

gendes Gold in die Taſche. Die Liebkoſungen von Huren und die Späße von Poſſenreißern regelten die Politik des Staates.

Die

Regierung beſaß gerade Gewandtheit genug um zu betrügen , und Religion genug um zu verfolgen. Die Grundſäße der Freiheit wurden der Gegenſtand des Spottes eines jeden Geſichter ſchneiden den Höflings , und der Bannfluch ( Anathema Maranatha, 1. Cor.

XVI , 22) jedes ſchwänzelnden Dekans. An jeder hohen Stelle betete man Karl und Jacob an , Belial und Moloch , und England beſänftigte dieſe unzüchtigen und grauſamen Gögen mit dem Blute

ſeiner beſten und tapferſten Söhne.

Verbrechen folgte auf Verbre

chen , Schande auf Schande , bis dieſes von Gott und Menſchen verfluchte Geſchlecht zum ziveiten Male vertrieben wurde, um auf

der Erde umher zu irren , daß es ein Sprichwort wäre inter den Völkern , und die Völker das Haupt über dasſelbe

fáütteln ." *) — Die dem Protector folgenden dreißig Jahre wa ren die ſchwärzeſten und ſchimpflichſten , welche Englands Jahrbücher enthalten . Selten iſt ein großer Mann auch ein Chriſt: Cromwell war

der Eine wie der Andre. Daher ſchreibt es ſich, daß die Weltleute ihn als einen Heuchler verworfen haben. Er hat mit dem heiligen

*)

Macaulay, Essays , t. I. , p . 46. Leipz. Tauchnitz edit. 1850.

1

338

Paulus ſagen können :

Durch Ebre und Schande , durch böſe

Gerüchte und gute Gerüchte, als die Verführer und doch wahrhaftig. Es würde eine große Feigheit ſein, eine ſtrafbare

Lüge , wenn die , welche aus dem Studium des Lebens dieſes gro ßen Mannes fein gerades Herz , ſeine lautere Frömmigkeit erkannt haben , ihre Stimme mit der ſeiner Verkleinerer vereinigten. Wir unſrerſeits , wir wünſchen uns, ſo viel an uns liegt , von jeder Theilnahme an dieſer groben Verleumdung rein zu waſchen . Wir

wollen mit dem berühmten Dryden in der legten ſeiner Stanzen auf den Tod Cromwell's ſprechen : His ashes in a peaceful urn shall rest ;

His name a great example stand to show How strangely high endeavours may be blest, Where piety and valour jointly go. *)

Man kann ſich nicht enthalten zu bemerken , bis zu welchem Grad Cromwell die Begeiſterung großer Geiſter ſeines Jahrhunderts geweckt hat , - Dryden , Waller und vor allen andern Milton.

Solche Sänger fehlten Napoleon. Ohne Dichter zu ſein , darf man ſich ihrer Bewunderung anſchließen.

Cromwell's Größe , welche von ſeinen Zeitgenoſſen gewürdigt, dann durch die Vorurtheile, durch die kleinlichen Geſinnungen und

Schwächen mehrerer Menſchenalter verhüllt war , beginnt in unſern Tagen von Neuem fich zu zeigen und die Augen der einſichtsvoll ſten und unpartheiiſchſten Richter zu treffen. Ohne Zweifel bleibt noch einiger Schatten auf dem Gemälde, den der helle Tag zer ſtreuen wird ; aber das beſſer unterrichtete England fängt an auf ſeinen Oliver ſtolz zu ſein und ſtellt ihn fühn den größten Män

d

b

nern aller Völker zur Seite.

*) Die Alịche ſein wird in der Urne ruhn in Frieden,

Sein großer Name ſtehn als Beiſpiel da , zu zeigen , Wie hoch geſegnet iſt ein Streben ſchon hienieden, Wo Frömmigkeit und Kraft die Hand ſich reichen.

il

339

,,Niemand , " ſagt man dort *) , behauptet eine ſo glänzende

Stellung in der Geſchichte, als jene außerordentlichen Geiſter, welche wilde , an kein Joch gewöhnte Nationen gleichſam wie durch einen Zauber bändigten , und wüthende Partheien nöthigten ihrem Zügel zu gehorchen und ihren Triumph zu erhöhen.

Ein ſolches

Unternehmen , mag es gut oder ſchlecht ſein , verlangt einen wahr haft großen Geiſt. Drei Männer behaupten hier den erſten Rang in den Jahrbüchern der Völker , - Cäſar , Cromwell, Bona : parte .....

„ Napoleon war in den beſten Militärſchulen erzogen ; das Heer, welches er nach Italien führte , war eins der ſchönſten , die es

jemals gegeben. Cromwell verlebte ſeine Jugend und die Blüte ſeines Mannesalters in einer bürgerlichen Stellung. Er mußte Aus unerfahrnen

zuerſt ſich ſelbſt bilden , dann ſeine Soldaten.

Neulingen ſchuf er ein Heer, das lenkſamſte im Frieden , das furcht barſte im Kriege , welches Europa je geſehen hatte. Er rief dieſe Phalangen in's Leben , und führte ſie dann zum Sieg. Niemals lieferte er eine Schlacht, ohne ſie zu gewinnen , und niemals ge wann er eine , ohne die ihm entgegenſtehenden Kräfte zu vernichten . Aber ſeine Siege waren nicht der höchſte Ruhm ſeines militäriſchen

Syſtems. Die Achtung ſeiner Truppen vor dem Eigenthum , ihre Anhänglichkeit an die Geſeße und die Religion ihres Landes , ihre Mäßigung , ihre Einſicht, ihre Geſchidlichkeit find ohne Gleichen. Nach der Reſtauration ſah man den Geiſt, den ihr großer Führer I

ihnen eingebaucht hatte , auf die ausgezeichnetſte Weiſe ſich entfalten. Auf den erſten Befehl der eingelegten Regierung, einer Regierung,

die kein Mittel hatte Gehorſam zu erzwingen , legten 50,000 Sol daten ihre Waffen nieder , deren Rücken niemals ein Feind geſehn hatte , weder in den innern noch in den äußern Kriegen , und sogen ſich unter die Maſſe des Volks zurück, von nun an von den an dern Mitgliedern des Gemeinweſens , welches ſie gerettet, nur durch den größern Eifer für ihre Pflichten, durch ihre Mäßigung und ihre Ordnung in den Arbeiten des Friedens unterſchieden ... *)

Macaulay, Essays , I. , p . 172 figdd. edit. Tauchnitz. Leipz . 1850 .

340

In dem allgemeinen Geiſte und Charakter ſeiner Regierung balten

wir Cromwell Napoleon

überlegen .

„ In der

bürger

lichen Verwaltung," jagt ein dem Protector wenig günſtiger Schriftſteller * ), „ „ kann man keine Parallele ziviſchen einem Manne

1

ziehn , der nur die vefen eines bethörten Fanatismus eingelogen

hatte , und zwiſchen dem , welchem die Schätze der Vernunft und

Philoſophie offen ſtanden.

Dieſe Ausdrücée ſcheinen uns die

größte Lobrede auf unſern großen Landsmann zu enthalten. Ver: nunft und Philoſophie lehrten den Eroberer Europas nicht, ſeine Leidenſchaften zu beherrſchen , oder das Glück ſeines Volkes als ſein Hauptziel zu verfolgen . Sie hinderten ihn nicht, ſeine Macht und

feinen Ruhm in einem thörichten Kampfe gegen die Grundfäße der menſchlichen Natur, und gegen die Geſeße der phyſiſchen Welt, ge gen die Wuth des Winter : ind gegen die Freiheit des Meeres, auf's Spiel zu ſeßen .

Sie entzogen ihn nicht dem Einfluß eines

vermeſſenen Fatalismus, des verderblichſten Aberglanbens unter allen. Sie bewahrten ihn nicht vor der Berauſchung des Glücks,

noch hielten ſie ihn von unanſtändiger Klagſucht im Unglück zurück. Auf der andern Seite ſtürzte der Fanatismus Cromwell's ihn nie mals in unausführbare Unternehmungen , noch verdunkelte er jemals jene Einſicht für das öffentliche Wohl , welche er in ſo hohem Grade beſaß. Unſer Landsmann, in der Erfindung Bonaparte untergeord

net, 19ar ihm in Weisheit weit überlegen. Der franzöſiſche Kaiſer iſt unter den Eroberern , was Voltaire unter den Schriftſtellern iſt,

ein Wunderkind. Sein glänzender Geiſt wurde oft von Anfällen der Laune umwölkt , die eben ſo abgeſchmackt wie der Verdruß des

Säuglings , der um ſeine Nahrung zankt oder ſein Spielzeug in Stücke ſchlägt. Aber Cromwell iſt im echten Sinne des Worts ein Mann geweſen . Er beſaß in einem ausgezeichneten Grade

i 1

jene männliche Seelenſtärke, jene gleichmäßig vertheilte geſunde Einſicht, die , wenn unſre nationale Parteilichkeit uns nicht täuſcht,

vorzugsweiſe die großen Männer England ; kennzeichnet. Niernals war irgend ein Herrſcher ſo angenſcheinlich für Oberherrſchaft ge 1

* ] Herr Hallam bei Macaulay i. a.. 0. S. 176, |

341

boren. Der Becher , welcher faſt alle Andern berauſcht , machte ihn nüchtern. Sein Geiſt, in der niedern Sphäre durch die ihm ange borne , nach oben drängende Kraft bewegt, ruhte in einem majeſtä

tiſchen Frieden aus, ſobald er die wagerechte Fläche erreicht hatte, die ihm geiſtesverwandt war. Er hatte nichts mit jener zahlreichen Klaſſe von Menſchen gemein , die ſich in einer untergeordneten Stellung auszeichnen , aber deren Unfähigkeit ſofort fichibar wird,

ſobald die öffentliche Stimme ſie zur Uebernahme der Leitung be ruft. Wie reißend ſchnell auch ſein Glück wuchs , ſein Geiſt erwei terte ſich noch ſchneller. Unbedeutend als Privatmann , wurde er ein großer General und bald ein noch größrer Fürſt.

„Napoleon hatte eine gewiſſe theatraliſche Weiſe , in der ſich die Plumpheit einer Revolutions - Wachſtube mit der Förmlichkeit des alten Hofes von Verſailles miſchte ; Cromwell zeigte , ſelbſt

nach dem Geſtändniß ſeiner Feinde , in ſeinem Benehmen den ſchlichten und natürlichen Adel eines Mannes, der fich weder ſeiner

Abkunft ſchämte, noch auf ſeine Erhebung eitel war, eines Mannes, der den ihm gebührenden Plat in der Geſellſchaft gefunden hatte, und ſich ficher fühlte ihn auszufüllen. Gefällig , ſelbſt bis zur Ver traulichkeit , wo es ſich nur um ſeine eigne Würde handelte, ver langte 'er viel nur für ſein Land. Seinen Charakter ließ er ſich

ſelbſt vertheidigen ; er überließ es ihm , ſich durch ſeine Siege im Kriege und durch ſeine Verbeſſerungen im Frieden zu vertheidigen . Aber er war der eiferſüchtige und unverſöhnliche Hüter der Natic nalehre.

Er duldete, daß ein verrückter Quäker in der Gallerie

von Whitehall ihn beſchimpfte, und rächte ſich nur dadurch , daß er

ihn frei ließ , und ihm ein Mittagsmahl gab. Aber er war be reit allen Unfällen des Kriegs ſich auszuſeßen , um das Blut eines ſchlichten großbritanniſchen Bürgers zu rächen . Niemals brachte ein Herrſcher eine ſo lebhafte Theilnahme Gefühle und Angelegenheiten ſeines Volkes mit auf den die für Thron. Er wurde bisweilen zu willkührlichen Maßregeln gedrängt ; aber er hatte ein edles , ſtarkes, aufrichtiges Herz. Deshalb um gab er gern ſeinen Thron mit Männern wie Hale und Blake. Des halb bewilligte er auch ſeinen Unterthanen ein fo reiches Maaß

342

politiſcher Freiheit , und ſelbſt wenn ein Widerſtand, der gleichzeitig ſeine Macht und ſeine Perſon bedrohte , ihn beinahe nöthigte mit dem Schwerte zu regieren , war er noch ängſtlich beſorgt einen Keim übrig zu laſſen , aus welchem ſich zu einer günſtigern Zeit freie Einrichtungen entwickeln könnten . Wir glauben beſtimmt,

daß , wenn ſein erſtes Parlament nicht damit begonnen hätte , ihm ſeinen Titel ſtreitig zu machen , ſein Regiment eben ſo mild im Innern geweſen wäre, als es nach außen thatkräftig war. ,,Er war Soldat und durch den Krieg emporgehoben. Wäre ſein Ehrgeiz unrein und ſelbſtſüchtig geweſen , ſo würde es ihm leicht geweſen ſein , ſein Vaterland in große auswärtige Kriege zu ſtürzen und durch den Glanz ſeiner Siege die unruhigen Parteien, weiche er zu regieren hatte , zu blenden und zu zügeln. Einige ſeiner Feinde haben mit einem höhniſchen Lächeln bemerkt, daß er an den unter ſeinem Regiment errungenen Erfolgen keinen perſön lichen Antheil hätte.

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Als wenn ein Mann , der ſich von einer

Meierei auf einen Thron geſchwungen, einzig und allein durch ſeine

80

militäriſchen Talente , durch etwas Anderes als durch die edelſten Beweggründe hätte bewogen werden können, vor militäriſchen Un

ternehmungen zurückzuſchrecken. Dieſer Vorwurf iſt ſein größter Ruhm . An den Siegen der engliſchen Marine konnte er keinen ſelbſt ſüchtigen Antheil nehmen ; ihre Triumphe fügten nichts zu ſeinem Ruhme; die große Entwicklung, welche er der Seemacht Englands gab , vermehrte nicht die Mittel, ſeiner Feinde Herr zu werden ; der große Führer unſrer Flotte war nicht ſein Freund. Dennoch fand er eine beſondre Freude darin , dieſen edlen Dienſt aufzumuntern, der unter allen von einer engliſchen Regierung ange:vendeten Werk zeugen der Macht am ohnmächtigſten iſt für das Böſe, am mäch: tigſten für das Gute Seine Verwaltung war ruhmvoll, aber es war kein gewöhnlicher Ruhm. Es war nicht eine von jenen Perio den einer zu weit ausgedehnten krampfhaften Anſtrengung , welche nothwendig Schwäche und Ermattung erzeugt. Seine Thatkraft war eine natürliche, geſunde, gemäßigte. Cromwell ſtellte England an die Spiße der proteſtantiſchen Sache und auf den erſten Plag

unter den chriſtlichen Mächten. Er lehrte jede Nation ſeine Freund

MO

311

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ſchaft ſchäßen und ſeine Feindſchaft fürchten . Aber er vergeudete

nicht ſeine Hülfsquellen thürichterweiſe in dem eitlen Streben nach einer Oberherrſchaft, welche in dem neuen Syſtem von Europa keine Macht ohne Gefahr erſtreben noch erwerben kann, ohne ſie bald zu verlieren.

„ Dieſe edle und gemäßigte Weisheit blieb nicht unbelohnt. Wenn er nicht wie im Triumph die Fahnen der Republik bis in die

entfernteſten Hauptſtädte trug ; wenn er nicht Whitehall mit der Beute des Louvre und der Statthalterſchaft ſchmückte; wenn er Flandern und Deutſchland nicht in Fürſtenthümer theilte , um ſie ſeiner Familie und ſeinen Generalen zu ſchenken : ſo ſah er auch

auf der andern Seite ſein Vaterland nicht von den Heeren der Nationen überſchwemmt , welche ſein Ehrgeiz herausgefordert hatte ; ſo ſchleppte er nicht die leßten Jahre ſeines Lebens als Verbannter und Gefangener hin , unter einem ungeſunden Himmelsſtrich und unter einem herzloſen Kerkermeiſter , raſend vor dem ohnmächtigen Verlangen nach Rache und brütend über den Trugbildern eines erloſchenen Ruhmes. Oliver ſtieg in's Grab in der Fülle feiner Macht und ſeines Ruhmes und hinterließ ſeinem Sohne eine Ge walt, welche jeder Mann von gewöhnlider Feſtigkeit und Klugheit zu erhalten gewußt hätte. „ Ohne die Schwäche dieſes einfältigen Mephiboſeth würden die ſo eben ausgeſprochenen Anſichten , wir ſind deſſen gewiß , jeßt der orthodore Glaube jedes guten Engländers ſein. Wir würden jegt ſchreiben unter der Regierung ſeiner Hoheit Oliver's V. , oder Ri chard's IV. von Gottes Gnaden Protectors der Republik England, Schottland und Irland und der dazu gehörigen Länder. Die Rei terſtatue des großen Gründers dieſes Herrſcherhauſes , wie als er den Angriff bei Naſeby leitete , oder zu Fuß , wie als er das Scep ter vom Tiſche des Unterhauſes wegnahm , würden unſre öffentli chen Pläße ſchmücken und von Charing - Croß aus ſeine forſchenden Blicke auf die Staats - Miniſterien richten. Predigten würden regel mäßig an ſeinem Glückstage, am 3. September , von den Goffa pellanen gehalten werden , die ſich vor der Befleckung durch das Chorhemd in Acht nehmen würden .

1

344

,,Aber obſchon ſein Andenken unter den Schuß einer Partei

nicht geſtellt iſt, obſchon alle Ränke angewendet wurden , es zu ſchwärzen , obgleich ihn zu loben lange Zeit ein ſtrafwürdiges Ver

brechen pflegte geweſen zu ſein , - endlich ſiegt doch die Wahrheit und das Verdienſt . Feiglinge, die gezittert , wenn ſie nur ſeinen Namen gehört hätten ; Maſchinenmenſchen , die ſtolz auf die Ehre geweſen wären , als Bediente hinten auf ſeiner Kutſche zu ſtehn, durften in gehorſamen Reden und Adreſſen ihn beſchimpfen. Lohn didter durften auf den König die ſchon verbrauchten Lobſprüche

übertragen , die ſie an den Protector verſchwendet hatten. Eine wankelmüthige Menge durfte mit ihren aufgeregten Haufen, mit ihrem Geſchrei und Spott den Galgen umringen , an welchem man die irdiſchen Ueberreſte des größten unter den Fürſten und Solda ten ſeines Jahrhunderts aufgehängt hatte. Als aber das holländi ſche Geſchür einen weibiſchen Despoten in ſeinen eignen Palaſte in Sdrecken jeßte , als die von Cromwell's Heeren gemachten Erobe

rungen verkauft wurden , um Karls Huren reichlich zu füttern ( pamper the harlots of Charles) , als Engländer ausgeſendet wurden , um unter fremden Fahnen gegen Europa: Unabhängig keit und die proteſtantiſche Religion zu kämpfen , da hoben ſich viele edle Herzen im Geheimen bei dem Gedanken an Einen , der

niemals gelitten , daß ſein Vaterland von irgend jemand als von ſich ſelbſt gemißhandelt würde. Es muß in der That für einen Engländer ſchwer geweſen ſein zu ſehii , wie der beſoldete Vicekönig von Frankreich in der entſcheidendſten Stunde ſeines Geſchics durch

ſein Harem ſchlenderte, beim Leſen einer Depeſche gähnte oder Un ſinn ſchwagte , in Anfällen einer weinbenebelten Liebe ſeinen Bruder

oder ſeine Hofleute mit albernen Liebkoſungen überhäufte ; welcher Engländer hätte dieſe Schändlichkeiten ſehen können , ohne eine zärt liche und ehrfurchtsvolle Erinnerung an den Mann, vor deſſen Geiſt der junge Stolz Ludwigs XIV. , und Mazarin's alte Schlaubeit ſich gebeugt, der Spanien zu Land , auf dem Meere Holland ge demüthigt, vor deſſen Herrſcherſtimme die Lybiſchen Piraten die Segel geſtrichen und das verfolgungsſüchtige Nom ſeine Scheiter haufen ausgelöſcht hatte. Iſt doch bis zu dieſem Tage ſein,

!

345

obgleich unaufhörlich angegriffener und faſt niemals vertheidigter Charakter bei dem größten Theile unſrer Landsleute volksthümlich 0

geblieben.“ *)

Solches war Cromwell's Größe als General und als Fürſt; aber was ihn insbeſondere vor allen großen Männern auszeichnet, was ihn über Cäſar und Napoleon erhebt , iſt das in ihm herr fchende evangeliſche und chriſtliche Element. Ueber dieſen Punkt haben wir das Zeugniß einer Perſon , die

ihn ſehr genau kannte. Es war dem Protector vorbehalten jenes bekannte Sprüchwort Lügen zu ſtrafen , „ daß es keinen Helden für ,,Seine Stärke als Chriſt und als ſeinen Kammerdiener giebt.“ den Leuten ſeines Hauſes , wel von Knecht Gottes ,“ ſagt derjenige , „ war nur zur Hälfte be gegenwärtig war cher bei ſeinem Tode kannt. Die Tiefe, die Richtigkeit und die Gründlichkeit ſeines Ur theils waren von der Art , daß er über die höchſten göttlichen Wahrheiten mit großer Klarheit und Kraft ſprechen konnte. Seine Reden waren immer mit Demuth und Inbrunſt gewürzt, und fo

eindringlich , daß ſie nicht verfehlen konnten in den Herzen derer, die ſie hörten , einigen Eindruck zu hinterlaſſen ; er war zu einer ſo

bewundrungswürdigen Erkenntniß des Bundes der Gnade gelangt, daß ich bisweilen, wenn ich ihn hörte, bei mir dachte : Wenn fich dieſe Dinge ſo verhalten , wenn jene Gnade ſo vollſtändig iſt, wenn ſie als eine fo'unverdiente den Sündern geſchenkt wird , welcher Grund bleibt dann noch dem Unglauben übrig , und wo wird er noch eine Stelle finden ? Und alle dieſe Eigenſchaften waren nur wie ein Buchſtabe ſeines Namens , wie einige armſelige Bruchſtücke deſſen , was man von ihm ſagen könnte ! „Wie ſeine Erkenntniß , ſo war auch ſein Glaube.

Oder viel

mehr , es war ſein Kopf nicht ſo erfüllt von dem einen , wie ſein

Herz von dem andern. Was Chriſtus zu dem Kananitiſchen Weibe ſagt, das konnte man von ihm ſagen :

Dein

Glaube iſt

groß ! .... Seine Frömmigkeit war die wahre Urſache, ſeiner Macaulay i. a. D. S. 180. Tauchnitz , Asge. 176 . 24

:

346

Größe ,

der Boden , auf dem er ruhte, von dem aus er ſich

mitten in die öffentlichen Angelegenheiten ſtürzte.“ *) Dieſes chriſtliche Element findet ſich nicht allein in Cromwell's Perſon , ſondern auch in ſeiner Regierung. Wir ſehen in ihm die wahre Vereinigung von Kirche und Staat ; das heißt die göttliche Liebe und Weisheit in den Herzen der Regierenden . Cromwell glaubte , daß die politiſche und nationale Größe Großbritanniens

auf eine gründliche Weiſe nur dann errichtet werden könnte , wenn das reine Evangelium dem Volke mitgetheilt würde und ein wahr haft chriſtliches Leben in den Adern des Volkes ſtrömte. Das Blut war erſtarrt; er meinte , daß , um dem engliſchen Volke ſeine erſte Lebenskraft wieder zu geben , das Chriſtenthum von Neuem in ſei nem Herzen ſchlagen müſſe. Unter allen politiſchen Syſtemen bat dieſes denſelben Werth wie jedes andre.

1

Die Reformation und die römiſche Kirche, Oliver und der Papſt, haben beide geglaubt, daß der Einfluß der Kirche für den

Staat gedeihlich ſein müſſe. Aber wenn ſie auch über die Noth wendigkeit dieſes Einfluſſes übereinſtimmten , ſo waren doch ihre Anſichten über ſein Weſen gänzlich verſchieden .

In dem Syſtem Cromwell's iſt der Einfluß der Kirche auf den Staat ein rein innerlicher , er iſt ſittlich oder religiös ; während er

in dem Syſtem des Papſtes ein weſentlich äußerlicher iſt: – er iſt kirchlich oder politiſch . Für Cromwell war die Kirche hauptſächlich

die unſichtbare Kirche mit ihren geiſtlichen Gewalten ; für den Papſt war ſie die ſichtbare Hierarchie Roms mit ihren Verſchwörungen und Ränken .

Die Menſchheit ſoll geheiligt und verklärt werden : das iſt das

Amt des Chriſtenthums. Aber nach Oliver und dem Proteſtantis mus ſoll dieſes hohe Ziel durch die Bekehrung jedes Einzelnen erreicht werden.

Der Glaube bringt dem Menſchen ein neues Les

und ben ; dieſes Leben reinigt alle ſeine natürlichen Fähigkeiten , heiligt ſie Gott. Ohne Zweifel iſt die Kirche das Mittel, durch

1

1

*) Collection etc. par le Valet de chambre du Protecteur , 3. 4. 5 , 20.

347

welches dieſes Werk der Erneuerung vollzogen wird. Aber ſie be wirkt dieſe Dinge nicht durch ihre äußere Einrichtung , nicht durch

die Aufrichtung geiſtlicher Blutgerüſte, durch magiſche , in den Sa cramenten verborgene Kräfte : ſondern durch die Predigt des Wor tes und die Wirkſamkeit des Heiligen Geiſtes . Dieſes Werk der Wiedergeburt gehört nicht ausſchließlich zu dein Gebiet der Diener der Kirche, es kommt allen Chriſten zu. Wir haben geſehn , wie Oliver in Schottland auf dieſem Punkte

beſtand. Chriſtus wohnt in jedem Gläubigen ; und da fann er nicht müßig ſein. Wenn er im Himmel für das Heil der Seinigen Pro phet , Opferprieſter, König iſt, ſo ſollen die Seinen ihm nachahmen und eben ſo ſelbſt auf der Erde für ſeinen Ruhm Propheten , Kö

nige und Opferprieſter ſein. Wenn ſo Leben und Thätigkeit , 1

ein mit dem göttlichen

durch das evangeliſche Chris ſtenthum in jeden Einzelnen getragen iſt, ſo werden ſie durch das felbe auch in die Geſellſchaft, in die Kirche, in den Staat getragen . Gebote übereinſtimmendes Leben , -

In Völkern, wo der evangeliſche Geiſt herrſcht, wird ſich das fitt lide , religiöſe , intellectuelle Leben entwickeln, alle Kräfte werden in Bewegung geſegt werden ; die Freiheit auf der einen Seite, die Unterwerfung unter das Geſeß auf der andern , werden die erwor benen und dauernden Güter fein ; und die Nation wird zu einer Stufe der Macht , Größe und des Ruhmes gelangen , welche andere Völker nicht erreichen können.

Obgleich das evangeliſche Chriſtenthum ſehr weit entfernt iſt, in dem Schooße proteſtantiſcher Völker die Vollkommenheit erreicht zu haben , welche es ſollte, ſo reicht doch eine Vergleichung dieſer

Völker mit andern hin , " um die Wohlthaten erkennen zu laſſen, welche wir ſo eben im Allgemeinen als die Frucht der Grundfäße

bezeichnet haben , von denen Dliver einer der berühmteſten Anwalte geweſen iſt. Spanien und Großbritannien gegenüber geſtellt ſind die ſchlagendſten Beiſpiele von dieſer von uns behaupteten großen

Wahrheit. Die Freiheit iſt unzertrennlich vom Evangelium. Das lebendige Chriſtenthum iſt der Ballaſt, mit welchem man den Grund

des Fahrzeugs beladen muß , um ihm Feſtigkeit zu geben. Dhne 21 *

348

dieſen Ballaſt werden ſtürmiſche Winde das Schiff heftig bewegen, hin und her ſchütteln , auf Riffe ſchleudern und da zerbrechen. Alle andern Heilmittel, durch die man das Leben von Republiken ſichern will, ſind ſchmerzlos , und bisweilen ſchlimmer als das Uebel. Wenn eine Nation wahrhaft frei ſein will, muß ſie ſich entſchlie:

ßen zuerſt chriſtlich zu ſein. Gott hat dem Näthſel keine andre

Löſung gegeben als dieſe. Alles Uebrige iſt Marktſchreierei. Aus gezeichnete Köpfe haben in unſern Tagen dieſe Wahrheiten er kannt *) .

Wenn Cromwell die engliſche Nation als „ein großes Volk, als das beſte Volk der Welt“ begrüßt , ſo geſchieht das , ſagt er, „,weil es dasjenige iſt, welches am lauteſten und reinſten den wahr: ſten und größten von allen Ruhmen , nemlich die Religion, bekennt."

Wenn die Engländer , welche Pferderennen , Hahnenkämpfe und ähnliche Dinge haben wollten, ſagten : „In Frankreich machen ſie es eben ſo ! " erwiderte Oliver : „Haben ſie wie wir das Evange lium ? Sie haben etwas von der Sonne geſehn , aber nur ſo halb. Wir haben ein großes Licht !“ Es ſind zwei Jahrhunderte , daß Oliver ſo den Grund dar legte , warum Frankreich nach ſeiner Anſicht nicht frei ſein könnte. Er gab ferner das Hauptmittel an , welches er angewendet, um

dem brittiſchen Volke Gutes zu erweiſen. „ Ich habe bei Gott,“ ſagte er, – ,,bei dem großen Gott , einen Segen für uns (das

Parlament) und für unſre Nation geſucht.“

In ſeinem Zimmer,

allein , auf den Knieen , kämpfte er mit Gott für das Wohl ſeines Volkes.

Nur Eins ſtand für ihn über allen dieſen politiſchen An 1

gelegenheiten, die Sache Chriſti. Er wußte, daß er einzig und allein , wenn er ihm treu blieb , das wahre Glück ſeiner Nation ſicherte. „Das iſt Euer Ruhm ,“ ſagte er zum Parlament, „und das

iſt der meinige, wenn ich welchen in dieſer Welt habe .... Ja, das

*) Herr von Tocqueville insbeſondere in ſeinem Werke über die Vereinigten Staaten von Nordamerika .

349

iſt mein Ruhm , etwas zu kennen , das wir bis zu dieſer Stunde

nicht verloren haben . Ich hoffe, daß wir unſre Freude darein ſeßen , unſer Leben eher zum Opfer zu bringen als es zu ver lieren !.... "

Welches war Oliver's Hoffnung und Zuverſicht in dem gro Ben Kampfe, den er zu beſtehen hatte ? Dieſe Sache, oder dieſe Angelegenheit, “ ſagte er zum Parlament am 22. Januar 1655, „kommt entweder von Gott oder von den Menſchen. Wenn ſie von den Menſchen kommt , wünſchte ich ſie niemals mit den Fingerſpißen berührt zu haben. Ja , hätte ich nicht die gewiſſe Hoffnung, daß dieſe Sache von Gott iſt, ſo würde ich ſie vor mehrern Jahren aufgegeben haben. Nun aber, wenn ſie von Gott iſt, wird Gott ſie aufrecht erhalten . Aber iſt ſie von den Menſchen , ſo wird ſie fallen , wie Alles , was von Menſchen iſt ſeit der Erſchaffung der Welt. Welche Geſchichten , welche Ueberlieferungen haben wir von den alten Zeiten ? Gewaltige Offenbarungen Gottes , durch die er uns zeigt , daß er Alles , was er nicht ſelbſt gepflanzt, erſchüttert, niedergeſchlagen und zu Boden geſtreckt hat. Wenn der Herr Freude an England hat , wenn er uns Gutes thun will, - ſo iſt er auch

im Stande uns zu tragen. Welches auch die Schwierigkeiten ſein mögen , mit ſeiner Kraft können wir ſie überwinden. Ich preiſe Gott , daß er mich gegen Hinderniſſe und Schwierigkeiten abgehärtet hat. Ich habe nie gefunden , daß Gott mir je gefehlt , wenn ich

mich auf ihn verließ. Mein Herz darf vor Freude hüpfen und ſingen , wenn ich mich über dieſe Dinge mit Euch und Andern uns terhalte. Ich betrachte dieſes Volk als den Segen des Herrn , ein von

Gott geſegnetes Volk. Das iſt es geweſen , das wird es ſein. ' Das wird es ſein wegen ſeiner unſterblichen Saat , die ſich mitten unter ihm findet; wegen jener Wiedergebornen der Erde , die Chriſti Heerde und die Lämmer Chriſti ſind. Sie gehören ihm ,, obgleich vielleicht ſtörrige Leidenſchaften und Verwirrungen des Geiſtes fie noch aufregen und durch ſie auch Andre. Aber was ſie in der Menſchen Augen ſind , das ſind ſie nicht in Gottes Augen : Gott

iſt für uns ein Gott aller Geduld ; er hält viel von dem ſchwäch

350

ſten Schimmer der Wahrheit , welchen er in den Herzen der Seinen entdeckt ."

Nichts brachte ihn ſo auf , als wenn er ſagen hörte , er habe durch ſeine Weisheit , durch ſeine Geſchicklichkeit ſeinem Volfe Freiheit, Macht und Ruhm erworben. Er riß den Kranz herab, den man ſo auf ſein Haupt ſeßen wollte , und gleich jenen geheim nißvollen Perſonen in der Offenbarung , warf er ihn vor den Stuhl und ſprach: Herr du biſt würdig zu nehmen Preis , und Ehre , und Kraft !

„Die Geſchidlichkeit des Protectors , ſagen Einige ( ſie ſprechen nemlich von mir) , ſeine Geſchicklichkeit und die ſeiner Parthei haben

die Sachen auf den Stand gebracht, wo ſie ſtehn.

-

Es giebt,

ſagt man in andern Ländern , es giebt in England fünf oder ſechs geſchickte Männer ; und dieſe haben alle dieſe Dinge ausgeführt. Dh ! welche Gottesläſterung ! erwidert Dliver. Woher kommt es ? Weil es Menſchen giebt , die ohne Gott in der Welt leben , die nicht mit ihm wandeln , die nicht wiſſen , was Beten oder Glauben heißt . Daß dieſe Menſchen , welche von ihrem mumpsimus und

sumpsimus *) , von ihren Meſſen und Gebetbüchern , von ihrem todten und fleiſchlichen Kultus leben , daß dieſe Gott , und den Got den geiſtlichen Gnadengaben fremd ſind , wie Werken tes und kann man ſich darüber wundern ? Weil ſie ſo ſprechen , ſo denken, follen wir , wir daſſelbe thun ? Wir , die wir in dieſem Lande wohnen , wir ſind ganz anders belehrt , wir ſind es geworden durch Gottes Wort , durch ſeine Werke und durch ſeinen Geiſt. Man wagt zu behaupten , die Menſchen machten die Dinge, während Gott es iſt, der ſie ausführt.... Urtheilet ſelbſt, ob Gott

eine ſolche Beleidigung ertragen kann ! Ich wünſchte, daß die ſelbſt, welche ſich haben verſuchen laſſen , dieſe Sache Gottes aufzugeben, fich in Acht nähmen , ſeinen Zorn durch ſolche Läſterungen heraus:

zufordern , um nicht ſo in die Hände des lebendigen Gottes zu *) Anſpielung auf die Abgaben und den Ffründemwucher , durch den die rö miſchen Prieſter die Güter der Gläubigen an ſich reißen .

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fallen. Im zehnten Kapitel des Briefes an die Hebräer ſteht: So wir muthwillig ſündigen , nachdem wir die Erkenntniß

der Wahrheit empfangen haben , haben wir fürder kein ander Opfer mehr für die Sünde ! Ein furchtbares Wort ! Die , welche dieſe großen Dinge , die Gott unter uns gethan , auf

dieſe oder jene Perſonen übertragen , und ihnen nicht allein deren Vollendung, ſondern auch den Plan und die Erfindung beilegen ;

die , welche ſich einbilden , daß dieſe Dinge nicht die Werke und Umwälzungen Chriſti ſelbſt geweſen ſind , Chriſti, auf deſſen Schultern die Herrſchaft ruht (Jeſ. IX, 6) dieſe erheben

fich wider Gott , und werden in ſeine Hände fallen , ohne einen Mittler zu finden .

Verleugnen den Geiſt Jeſu Chriſti, verleugnen den Rubm ſeiner Werke in der Welt , die Macht, durch welche er die König reiche regiert , und die Ruthe ſeiner Kraft , das heißt den Mittler herausfordern, und ihm Veranlaſſung geben uns eines Tages zu ſagen : Du haſt die Oberherrſchaft und die Macht , die mir über: geben iſt, verworfen ; nun gut , ich werde mich nicht für dich ver wenden , du wirſt in die Hände des lebendigen Gottes fallen ! Man wird vielleicht meinen , daß ich zu lange bei dieſem Gegen 1

ſtande verweile.

Bewahre Gott !

Ich bitte Gott , daß er dieſe Ge

danken in Euren Herzen und in dem meinigen feſt mache , daß er ſie uns wieder und wieder auf die Seele binde. Der Weltinenſch kennt dieſe Dinge nicht, ſie ſind ihm

fremd ; daher kommt ſeine

Gottesleugnung und ſein Murren gegen die, die nur Werkzeuge ſind, und gegen Gott ſelbſt. Uebrigens darf man ſich über dieſe blinde Verirrung nicht wundern , denn der Herr hat unter uns ſo

wunderbare Dinge gethan , wie man dergleichen ſeit Tauſenden von Jahren in der Welt nicht geſehn hat. Und dennoch ſträuben wir uns ſie anzuerkennen ! "

Wenn Oliver den Ruhm Gottes in Anſpruch nimmt , ſo be ſteht er nicht weniger auf der Pflicht des Menſchen . Wenn er die

Religion als die mahre Quelle des Gedeihens eines Volkes voran ſtellt, ſo ſpricht er nicht blos von einer Gefühlsreligion , von einer enthuſiaſtiſchen und fanatiſchen , ſondern von einer weſentlich ſittlichen

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Die Sittenlehre iſt in ſeinen Augen ebenſo wichtig als die Glau benslehre. Er weiß , daß der Glaube ohne Werke ein tod : ter iſt.

„ Ich muß Euch meine Anſicht über die Verbeſſerung der Sit ten geben ,“ ſagt er im Parlament am 17. September 1656. „Die unter unſrer Nation vorhandenen Mißbräuche, die aus fittlicher

Unordnung hervorgehn , ſind etwas , das Ihr zu Herzen nehmen müßt. Gegen derartige Uebel habt Ihr gekämpft, als Ihr Euch der Sache der Cavaliere widerſektet. Ja , wogegen Fhr weſentlich Krieg führtet , das war der Schuß, den überall Gottloſigkeit, Aus: ſchweifung, Niederträchtigkeit fand, alle die Ungerechtigkeiten, welche darauf einigen Bezug haben , Ungerechtigkeiten , welche auf der einen Seite das Papſtthum begünſtigt, auf der andern der gemeine Theil des hoben und niedern Adels dieſer Nation !

Bei meinem Gewiſ

fen , man hielt es in unſerm Lande während der legten 15 , 16 oder 17 Jahre für eine Schande ein Chriſt zu ſein , ſei es in dem þauſe des Cäſar , ſei es anders wo. Ja das galt für einen Schandfleck, und man gab einem ſolchen Manne (einem Chriſten ) .

den Spottnamen Puritaner.

Wir wollen den hohen und niedern

Adel aufrecht erhalten ; aber das einzige Mittel das zu thun iſt, die Herrn und Edelleute zu hindern , die Stüßen und Beſchüßer von Ausſchweifungen und Unordnungen zu ſein ! Thut das , und Ihr werdet wahrhaftig ein Werk der Erhaltung thun. „Man kann voraus ſagen , was aus und werden wird , wenn wir , ich weiß nicht unter welchem leeren Vorwande , gleichgültig und ſchlaff werden , ſobald es ſich um Unterdrückung des Laſters handelt.

Es giebt eine Sache, die unter uns Leben haben , die

unſrer geſammten Nation am Herzen liegen muß, eine Sache , von der , ich bin deſſen gewiß , unſre Freiheit und unſre Wohlfahrt ab hängt : dieſe Sache heißt Reformation . Wenn Menſchen frech fün digen und gottlos find, ſo muß das ihnen zur Schande gereichen. Dann wird Gott Euch legnen. Ja, wenn Ihr darum Euch be

müht , werdet Ihr dieſem Volke ein Segen ſein , und ſo mehr Bre ichen ipieder herſtellen , als durch alles andre in der Welt. Der Geiſt, das iſt der Menſch.

3ft der Geiſt rein , ſo iſt der Menſch

1

353

etwas. Iſt er es nicht, ſo möchte ich wohl wiſſen , welcher Unter ſchied zwiſchen ihm und einem Thiere beſtände! Er beſißt nur et was mehr Thätigkeit , um mehr Böſes zu thun .“ Oliver gebrauchte alle ſeine Beredſamkeit, um das Parlament zu überzeugen , daß Frömmigkeit und Entſchiedenheit für die Sache Gottes allein England und den Proteſtantismus ſchüßen könnten . Niemals vielleicht war wohl Jemand entſchiedener als Cromwell. Er hätte dieſe heilige Entſchloſſenheit allen denen mittheilen mögen, die in irgend einer Weiſe auf das Wohl Großbritanniens und der proteſtantiſchen Welt Einfluß haben konnten. „ Wenn ich mit Engelzungen reben könnte , " ſagt er in einer

von uns weiter oben angeführten Rede , „ wenn ich wirklich ſo be

geiſtert wäre, wie es die Heiligen Gottes geweſen ſind, ich würde glüdlich ſein aus Liebe zu Euch , zu unſerm Volke, zu Gott und I

ſeiner Sache (dieſer guten Sache , an der wir uns alle ſo lebhaft betheiligt haben) ., ich würde glücklich ſein in Euch jene heiligen Re gungen der Liebe zu erwecken , die allein Euch in den Stand ſeßen können dieſe Nation zu retten. Wenn Eure Herzen nicht feſt blei ben , dann werdet Ihr allem Anſchein nach dieſes Volk mit Allem , was für ſein Glück und ſeine Wohlfahrt wichtig iſt, – Ihr werdet dieſes Volk, und mithin alle Proteſtanten der Welt, in unvermeida .

liches Verderben ſtürzen. Deshalb alſo , ich beſchwöre Euch in Chriſti Namen , zeigt

Euch als Männer ! Þandelt als Männer! Ich glaube nicht, daß ein unentſchiedener Geiſt und halbe Maßregeln das Werk, welches Ihr in der Hand habt , ausführen können. Ein ſolcher Geiſt iſt ähnlich dem von Laodicea , und wir wiſſen , was Gott von jener Kirche jagt:

Weil du aber lau biſt und weder kalt noch

warm , werde ich dich ausſpeien aus meinem Munde. Kein unbetheiligtes Herz darf unter uns ſein , noch viel weniger ein erſchlaffter , abgeſtumpfter Geiſt, der uns , wäre es ſelbſt in der unbedeutendſten Sache, auf einen ſchlimmen Weg mit fortreißen I

würde !

„Es giebt Menſchen , die täglich in ihrem Gewiſſen Schiffbruch leiden rückſichtlich ihrer Treue gegen Gott. Man darf ſich nicht

354

wundern , wenn ſolche Perſon denen die vand reichen , deren Sache

verworfen iſt, und geſtattet mir zu glauben , daß die papiſtiſche Sache dahin gehört. Nein , nicht mit einem getheilten Geiſt wird man dieſes Werk fördern können .

Man bedarf hier Männer , die

ſich auf einem chriſtlichen Standpunkte befinden , Männer, welche die Werke mit dem Glauben haben , Männer , die ſich einfach

auf Chriſtum wegen der Vergebung ihrer Sünden zu ſtüßen wiſſen , bis ſie wadiſend im Glauben dahin gelangen in der Hoffnung ihren Ruhm zu ſuchen.

„ Wenn ein Menſch , dem die Wahrheit in ihrer Einfachheit vorgelegt wird , Bedenken erhebt , ſo iſt es unnüß, ſich mit einem .

folchen Menſchen zu verbinden.

Er denkt an etwas Anderes.

Er

fagt vielleicht: Ja , wenn wir allein durch unſre Weisheit die bür gerliche Freiheit gewinnen könnten ; die Religion würde dann ſchon folgen. – Aber , wären wir dahin gekommen , wo wir jeßt ſtehn, wenn wir auf dieſe Weiſe vernünftelt hätten ? Ich muß behaupten, daß ich dieſe Lauheit für eine größere Schwierigkeit auf der chriſt lichen Laufbahn halte , als alle Kämpfe gegen Fleiſch und Blut. Unentſchiedene, inſchlüſſige Menſchen ſind nicht geſchickt zu dieſem

Werke. Ihr dürft nicht erwarten , daß unſichre Herzen , von Zwei feln und Bedenklichkeiten umhergeworfne Menſchen fähig ſein könn ten es auszuführen ; noch weniger die, welche ganz fleiſchlich geſinnt ſind , Menſchen der Natur und nicht der Gnade ,

die von wels

chen der Apoſtel ſo oft redet , die ſich äußerlich fromm ſtellen , die aber Feinde des Kreuzes Chriſti ſind , welchen der Bauch ihr Gott iſt, und deren Ehre zu Scanden wird. ,, Geſtattet mir Euch das zu ſagen. Die zu dieſem Werke be rufen ſind, werden es nicht durch Formen ausführen , noch durch abſtracte Begriffe, noch durch Reden.

Was man braucht, das ſind

Männer von redlichem , gottergebenem Herzen ; die durch ſeine Vor ſehung gekräftigt , durch den Heiligen Geiſt erleuchtet ſind, um ſein Wort zu verſtehn , jenes Wort , auf welches Er ſein Siegel ge drückt, das er mit dem Blute ſeines Sohnes und ſeiner Diener

beſiegelt hat. Das ſind die Männer, das iſt der Geiſt, welche dieſes Werk zu einem guten Ende führen werden."

1

6

355

Man ſieht, welch' eine thatkräftige Ueberzeugung Oliver hatte, und wie er überzeugt war , daß allein das Chriſtenthum ſein Volk frei machen , daß man nur durch die Wahrheit zur Freiheit gelan

gen könne.

Die Vereinigten Staaten von Amerika , welche das

· Werk dieſes Geiſtes ſind, dieſes chriſtlichen Geiſtes , oder , wenn 套

man chem ten, licht

ihn ſo bezeichnen will, dieſes puritaniſchen Geiſtes, von wel der Protector ſo viele Male ſpricht, — die Vereinigten Staa Schottland und ſelbſt England haben ſeine Wünſche verwirk und ſeine unaufhörlichen Ausſagen gerechtfertigt. Was im

17. Jahrhundert eine Wahrheit war , das iſt es noch im neun 1

zehnten. Was wahr geweſen iſt in Schottland, in England , in Amerika, das würde auch in Frankreich , in Deutſchland, in Italien 1

wahr ſein.

Freiheit und Ordnung kann in dieſen Ländern nur

durch jenen chriſtlichen Geiſt verwirklicht werden , von welchem der große Protector ſprach. Aber wen giebt es in dieſen Ländern , wen giebt es in der Welt , der daran denkt ?

„ Ich beſchwöre Euch demnach,“ fährt er fort , „nicht zu ſtrei ten über unfruchtbare und unnüße Dinge , die Euch von einer ſo

ruhmvollen Unternehmung ablenken könnten. Ich glaube, daß alle Einwürfe, die man erheben könnte, einer Erwiderung nicht bedür fen , und überdieß würde ich keine Muße dazu haben. Statt jeder Erwiderung begnüge ich mich zu ſagen : Blicket auf Gott , und

haltet Frieden unter Euch! Es beſtehe zwiſchen Euch und mir eine

Einigkeit des Geiſtes durch das Band des Friedens; daß Ihr und ich im Glauben und in der Liebe mit Jeſu Chriſto vereinigt ſind, um ſeine Sache in dieſer Welt aufrecht zu halten , das wird auf eine dauerhafte Weiſe den Grund dieſes Werkes legen. Hätte ich irgend eine perſönliche Theilnahme, die nicht dem allgemeinen Wohle diente , - ſo müßte ich mich ſelbſt verflucen , denn ich

weiß , daß Gott felbſt mio verfluchen würde. Ich habe zu gut Gott kennen lernen , um ſeiner zu fpotten.

„ Ich hoffe , daß ich niemals frech , vermeſſen -gegen ihn fein werde , obgleich ich es gegen Menſchen ſein könnte , wenn es Chriſti Wille iſt mir beizuſtehn. Wenn unter uns Liebe wohnt , wenn dieſe drei Nationen von uns ſagen können : Sie ſind unter fich ganz

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einig , Gottes Ruhm gegen den gemeinſamen Feind zu fördern, alles Böſe zu unterdrücken , um alles, was der Frömmigkeit ge mäß , aufzumuntern ; dann werden dieſe Nationen Euch ſegnen ! Nur das vermag das Mißvergnügen zu zerſtreuen, was ſo viele Gemüther und ſo ſtark beunruhigt. Ich weiß , was ich ſage. Wenn ich von dieſen Dingen rede , ſo breite ich mein Herz offen vor Gott aus. Ich habe ein wenig Glauben ; ich habe ein wenig durch den Glauben gelebt, und in dieſen darf ich einige Kühnheit haben. Deshalb ſage ich Euch in der Furcht Gottes : Wandelt in Liebe und Lauterkeit , tretet Allem entgegen, was dem Euch bezeichneten S

2

Ziele entgegen tritt , gleiten ! ..... ;

und dann wird Gottes Segen Euch be:

„ Ich habe nur noch ein Wort hinzuzufügen , ich weiß, daß ich Eure Geduld ermüde: aber ich habe geſtern einen Pſalm geleſen, der mir gleich paſſend erſcheint, für mich , ihn Euch zu ſagen , für Euch , ihn zu hören und zu beobachten. Es iſt der 85. Pfalm. Er iſt ſehr lehrreich und bedeutungsvoll , und da ich ihn nicht im Vorbeigehn anführen kann, ſo wünſche ich, daß Ihr ihn aufmerk

1 1

1

ſam und mit Muße leſet. "

So hat der Gründer des neuen England geſprochen. Wir be dauern , dieſe Reden nicht in der kräftigen Sprache Cromwell's vor: tragen zu können. Wir haben geſehn , wie ein Dichier ihn mit Romulus , dem Gründer Roms vergleicht. Aber wenn Cromwell .

anfangs mit dem Schwerte die neuen Geſchicke ſeines Volkes vorbe reitete, ſo trug er noch mehr zu ihrer Gründung und Befeſtigung bei , durch den religiöſen und echt freiſinnigen Geiſt, den er über ſeine ganze Nation hauchte. Es war in dieſem Manne zugleich etwas von Romulus und von Numa. Er begriff, wie Pompilius, daß die Religion die Grundlage der Nationen ſei, aber nicht auf die Dffenbarungen einer Nymphe Egeria gründete er die künf .

tige Größe der Republik, ſondern auf die wahrſten und heiligſten

1

Drakel. Numa und Cromwell blieben bis zum vierzigſten Jahre im Privatleben , wohnten auf dem Lande, der Eine nahe bei Cures, der Andere bei þuntingdon , in ländlicher Rube , Studien und Ar beiten ; der Eine pflegte den greiſen Vater , der Andere die greiſe

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Mutter , und aus dieſer lieblichen Zurückgezogenheit traten ſie nur 1

heraus, um ſich für Gott aufzuopfern , den ſie anbeteten, und ſeine Befehle ihrem Volke zu bringen . Wenn der Schwiegerſohn des Ta tius Tempel gründete , Prieſtercollegien des Mars , der Beſtalinnen , der Pontifices , der Fetialen einſekte , ſo wurde der Sohn des Nef fen vom erſten Miniſter Heinrich's VIII. von dem Verlangen ver zehrt, mit Macht in der Mitte ſeines Volkes fich ausbreiten zu ſehn

„ jenes auserwählte Geſchlecht, jenes königliche Prieſter thum , jenes heilige Volk , das , wie der Apoſtel Petrus ſagt,

überall verkündigen ſoll die Tugenden Jeſu Chriſti. Nicht in heiligen Hainen ſollte er die Anweiſungen ſeines Gottes erhalten ; ſein Zimmer war ſein Bethaus , wie wir mehrere Male geſehn haben. Beide ſchwuren , das an den Strahlen der Sonne angezündete Feuer unter ihrem Volke zu erhalten . Wenn Oliver in der Paulskirche zu London kein vom Himmel gefallnes ehernes Ancile aufhing , ſo wußte er ſeinen Mitbürgern ein wirkſameres Palladium als Pfand für die Größe der Herrſchaft zu geben , und dieſes Palladium ſchüßt noch jeßt Großbritannien vor dem Durſt nach Gold und vor der Wuth der Leidenſchaften , die dort mit jo viel Kraft herrſchen. Vor Numa und Cromwell betrachtete das Ausland Rom wie England als ein drohendes Lager : unter ihrer

Regierung ſah man in ihm einen weiſen Staat , einen gerechten

Gerichtshof, einen heiligen Tempel.

Ein Weiſer des Alterthunis

hat geſagt : „ die Welt würde nur dann glücklich ſein , wenn man die Philoſophie auf dem Throne ſehen würde.“ Wenn Numa dieſen Ausſpruch verwirklichte, ſo Oliver folgenden : Wenn des Königs Herz iſt in der Hand des Herrn wie Waſſerbäche und er neiget's , wohin er will , – ſo wird der König das Land ſtark machen durch Gerechtigkeit ! Das Grab Cromwell's wie das Numa's wurde nach ſeinem Tode entweiht, und wenn

man aus dem Grabe des Pompilius am Fuße des Janiculus Hand ſchriften zog , welche der Senat als gefährlich für das Volk mit erheucheltem Schrecken in die Flammen warf, ſo wurden die Gebeine des Protectors ausgegraben und mit Schmähungen nieders trächtiger Schmeichler einer verdorbenen Macht überhäuft. Aber

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was ſchadet das ! der Name Cromwell's , wie der Numa's bleibt

und wird bleiben als die Verleiblichung des religiöſen Geiſtes und der freiſinnigen Geſeßgebung eines großen Bolkes .

Cromwell,

wir wiederholen es , - iſt der wahre Gründer des neuern Eng lands, ihm verdankt das Volk ſeine Freiheit ; ihm verdankt die

Krone ihre Feſtigkeit. Und Cromwell'n hat in dem neuen Palaſte von Weſtıninſter keine Bildſäule errichtet Victoria ! .... Ingrata salutis ! *)

Wir haben Cromwell's Politik geſehn : „ Seid einig im Glau ben und in der Liebe Chriſti , " ſagte er.

„ Unterdrückt alles Böje

und ermuthigt alles Gute, das der Frömmigkeit gemäß ." Solches war nicht des Papſtes Politik. Das Reich Gottes , ſagt er, iſt in der Kirche; die Kirche iſt in der Hierarchie, und die Hierarchie in

dem Papſte. Die Kirche findet den Staat fern von Gott , ohne Le ben von Oben. Sie theilt ihm dieſes Leben mit , nicht durch Um: bildung der Einzelnen , aus welchen er beſteht, ſondern indem ſie

dieſe in Maſſe an ihre Kirchenverfaſſung anſchließt. Wenn ſich der Staat der Kirche unterwirft , ſo iſt er ein rein chriſtlicher; wenn

der Staat der Kirche, d. h. dem Papſte, entgegentritt , ſo ſteht er außerhalb des göttlichen Bundes.

Allerdings ſchließt das Papſt

thum nicht ausdrücklich das innere Wirken aus , welches das Weſen des Proteſtantismus iſt, aber es legt darauf kein großes Gewicht. Alles was es verlangt , iſt Unterwerfung unter das Papſtthum und

eine äußere, geſerliche Sittlichkeit. Nun aber weiß man , bis zu welchem Punkt die in den Prieſterſeminarien erklärten Bücher das Niveau dieſer Sittlichkeit herabdrücken **).

Während der Proteſtantismus einem Volke Freiheit, Leben, Ordnung giebt , bringt ihm dagegen der römiſche Katholizismus

Knechtſchaft, Verwirrung und Tod. Die römiſche Kirche will den Staat bevormunden , und ſchleicht ſich überall ein , um ihn zu leiten . Daraus entſtehen in jedem *) Virgil , Aen. X, 666.

**) Ueber das Verhältniß der Kirche zum Staat vergl. V. Kniewel i. a. B. Th. II. S. 225. 218. P.

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Augenblicke Reibungen , Streitigkeiten. Der Staat ſchreit, die Kirche verſuche ſeine Rechte zu ſchmälern ; die Kirche dagegen, der Staat greife die Religion an ; und da Staat wie Kirche ihre Anhänger haben , ſo kann das zu einem Bürgerkriege führen . Solche Reibun gen ſind häufig in den dem römiſchen Katholizismus unterworfenen Ländern , und Frankreich , Spanien und andre papiſtiſche Länder bieten zahlreiche Beiſpiele. Die Vereinigung in einem Punkte, welche der eigenthümliche Zug des Papismus iſt, giebt ihm eine große Macht. Allerdings iſt die Zeit nicht mehr, wo eine päpſt liche Bulle das Interdict gegen ein ganzes Volk ausſpricht, und 1

wo ſelbſt Könige ihr Knie vor ihr beugen müſſen.

Jedoch die An

reden , Rundſchreiben , die Amtswürde haben noch ihre Kraft, und die Staaten , welche mit Rom zu thun hatten , Preußen zum Beis ſpiel , haben in unſrer Zeit traurige Erfahrungen gemacht. Die römiſche Kirche iſt um ſo furchtbarer für die Ruhe und Wohlfahrt

der Völker , als ſie keine politiſchen, ihr eigenthümlichen Grundfäße hat , als ſie nur ihre Macht ſucht, und ſich willig allen Par theien anſchließt, wofern ſie nur einigen Nußen daraus zieht.

Sie

wird ſich mit den Königen gegen die Völker verbinden , und mit den Völkern gegen die Könige , je nachdem ihr Vortheil es verlangt. Sie will nur das Eine, dem Könige und dem Volke unter dem Throne des Vatikans die Hände binden und ſich über ſie ſtellen ,

und den einen Fuß auf die Hand des Königs , den andern auf das Herz des Volkes ſtüßen. ,

Aus dieſer Knechtſchaft, welche der Papismus den Nationen bringt, entſpringt für dieſe ein fittlicher und intellectueller Tod,

der bald zu einem politiſchen und induſtriellen wird .... Das un glückliche Frland iſt, wie wir ſchon geſagt haben , das rechte sub stratum des römiſchen Katholizismus. Das iſt das Syſtem , welches Oliver Cromwell verwarf und an deſſen Stelle er das Evangelium feßte.

Man ſpricht viel von Cromwell's Ehrgeiz. Ehrgeiz läßt ihn die Waffen ergreifen ; Ehrgeiz läßt ihn Protector werden ; Ehrgeiz,

ſagt man , treibt ihn damals bei der Frage über die Königswürde. Ehrgeiz eines Mannes ..... Kann man in ſeinem Leben nichts

360

Anderes ſehn ? Es verräth eine ſehr armſelige Geſinnung , ſo die

Geſchichte zu betrachten. Bei Oliver handelt es ſich wahrhaftig um eine ganz andre Sache. Es iſt keine Feder auf ſeinem þute, die ihn beſchäftigt... Er liefert die große Schlacht gegen das Bapſt:

thum und Königthum des Mittelalters. Nach der Einführung des Chriſtenthums und nach der Reformation des 16. Jahrhunderts

hat die Geſchichte keinen bedeutendern Kampf gefehn. Das Ergebniß dieſer Schlacht iſt die Befreiung der gegenwär tigen Zeit und der zukünftigen geweſen. Dhne Cromwell war, menſchlich geredet, die Freiheit verloren , nicht allein für England, ſondern auch für Europa. Þume ſchreibt zum Theil den Purita: nern dieſes ungeheure und ruhmvolle Ergebniß zu. Aber man muß hinzuſeßen , daß die Niederlage der Freiheit zu gleicher Zeit die des Evangeliums geweſen wäre. Es giebt im 17. Jahrhundert nur zwei Männer : Ludwig XIV . und Cromwell ; der Erfte iſt der Vertreter der Willkühr: herrſchaft und des römiſchen Katholizismus ; der Zireite iſt der Vertreter des evangeliſchen Chriſtenthums und der Freiheit. Ohne Zweifel giebt es in jenem Jahrhundert noch andere große Geſtalten, und wer ſollte ſich nicht des hochherzigen Guſtav Adolph erinnern ! aber die beiden großen Geſtalten ſind Ludwig und Oliver. Zwi: ſchen ihnen , zwiſchen ihren Syſtemen , wenn auch nicht zwiſchen ihren Perſonen, - beſtand der Rampf ; und der Sieg , wiewohl

langſam , wiewohl lange Zeit ſtreitig gemacht, beſonders in Frank reich, iſt Oliver geblieben. Dieſe zwei Männer ſind die Vertreter von zwei Grundfäßen ,

von zwei Welten.

Dieſe zwei großen

Geſtalten ſind, der Eine wie der Andere, auf ein in die Augen fallendes Fußgeſtell erhoben , und ihr Schatten fällt nicht allein auf ihr Jahrhundert, ſondern verlängert ſich über alle künftige Fahr hunderte.

Ich bin in England geweſen. Ich habe in ſeinen großen ge werbthätigen Städten die Wunder dieſer Thätigkeit geſehn, welche

die ganze Welt mit den Erzeugniſſen einer kleinen Inſel Europas bedeckt. Ich habe in den Gewäſſern von London , von Liverpool

und noch von andern Orten jene ſchwimmenden Inſeln betrachtet,

1

361

jene Tauſende von Maſten , die über alle Meere den Reichthum und die Macht der Nation tragen. Ich habe in Schottland ein

ſchlichtes, thatkräftiges Volk bewundert , das entſchloſſen iſt eher Alles aufzudpfern , als Chriſtum und ſein Wort aufzugeben. Ich habe in Weſtminſter den Verhandlungen der Fäuſer von drei Kö: nigreichen beigewohnt , und habe überall, von den niedern Klaſſen des Volkes an bis zur höchſten Stufe der Großen und Fürſten, Begeiſterung für die Freiheit gefunden. Ich bin durch jene Säle gewandert, aus welchen die für alle Länder der Welt in allen bes

kannten Sprachen gedruckten Bibeln ausgehn.

Ich habe in den

Bethäuſern gebetet , und bin in den religiöſen Verſammlungen (meetings) von der gewaltigen Beredſamkeit der Sprecher und dem Beifallsruf des Volkes entzückt worden. Ich habe in den Familien

Großbritanniens eine vergleichungsweiſe größere Sittlichkeit ange troffen als anderswo. Ich habe fromme, häusliche und öffentliche Gewohnheiten allgemeiner verbreitet geſehn. Ich war von Bewun derung ergriffen , wenn ich das Volk dieſer Inſeln die ganze Welt umſchließen ſah , Bildung und Chriſtenthum überall hin tragen, in den entfernteften Meeren befehlen und die Welt mit der Macht und dem Worte Gottes erfüllen .

Beim Anblick von ſo viel Wohlfahrt und Größe habe ich ge ſagt : Es iſt dein ſtarker Gott , der dir dieſe Stärke ge geben hat ! Es iſt das Werk der Reformation , es iſt der Pro teſtantismus , es iſt der evangeliſche Glaube, der dieſe Nation ſo erhoben , ſie mit ſo viel Einfluß bekleidet hat. Aber Gott handelt durch Werkzeuge, und wenn es ein Menſch iſt, der in den vergan genen Zeiten vor allen andern zu den Wundern der Gegenwart beigetragen hat , ſo iſt dieſer Menſch Driver Cromwell.

Die

gegenwärtige Größe Englands iſt nur die Verwirklichung des Plans, den er gefaßt hatte.

Wenn die Begeiſterung für das Evangelium , wenn der Wi derſtand gegen das Papſtthum , dieſer zwei Kennzeichen , welche Cromwell auszeichneten , und die er den Völkern Großbritanniens aufgeprägt hat , in England aufhören ſollten, wenn ein verhängniß voller Sturz den ruhmvollen Lauf dieſer Nation unterbrechen, wenn 25

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Rom , das ſchon ſo viele Völker zu Grunde gerichtet, die Huldi Dann, gung der Königin der Meere empfangen ſollte..... wenn ich jemals nach England zurückkehrte, würde ich dort nur noch einen erloſchnen Ruhm , eine entthronte und verfallene Macht finden.

Aber dieſe traurige Ahnung wird ſich nicht verwirklichen. Großbritannien wird ſeiner Laufbahn , welche Gott durch des gro

ßen Oliver's Geiſt ihm vorgezeichnet hat , treu bleiben. Es wird bleiben eine Stadt gebaut auf einem Berge , die nicht ver: borgen ſein kann , und die in alle Welt Licht, Bildung und Glauben fendet.

bolt.

Vorrede des Ueberſeters Vorrede des Verfaſſers

Seite I XI

Einleitung

1

Erſtes Rapitel. Das Privatleben Cromwell's. Streben der Stuarts.

- Das proteſtantiſche Intereſſe. - Chriſtliche Fas

Brief eines Landedelmanns. Eine Familie an den Ufern des Duſe. Der Graf von Effer. Dliver. Seine Geburt und Eine Jagd . ſeine Verwandtſchaft. Der König Jacob. Oliver Seine Sittlichkeit. auf der Univerſität. In London. Seine Heirath. Seine Befehrung. – Seine Verbindungen. - Scherze. milien.

-

.

-

Karl I. – Seine Ehe und zwölf Kapuziner. – Einfluß der Königin.. Oliver'8 Gewiſſen.

17

3 weites Kapitel. Cromwell's parlamentariſches Leben.

Cromwell's erſte Erwählung und erſtes Auftreten im Parlament.

Sein

Kampf in dem Parlament. Portrait. Tonnen- und Pfundgeld. Wilführ und Auflöſung. Verweigerung des John Hampden .

Papismus eingeführt. - Geiſtliche oder Evangeliſten.

Verfolgungen :

1

364

Seite.

Leighton , Prynne , Baftwid , Burton.

Schottland und der Bund Karl ohne Treu Strafford. (covenant). - Neues Parlament. Vorſtellung. Bil in Be Blutbab in Irland. und Glauben.

treff des Heeres. — Cavaliere und Rundköpfe. — Verfolgung der fünf Mitglieder.

Was Cromwel war. Die Revolution beginnt. Nothwendigkeit. — Þampben's Er wird mit ſeinen Söhnen Soldat. Anſichten über Cromwell.

30

Drittes Kapitel. Spaltung zwiſchen dem Könige und dem Parlament . Cromwell's Aufrichtig Beginn des Krieges. Seine Verwendung für Kapton . feit. Sein Brief an Barnard. Das Waffen Unentſchiedene Vortheile. – Cromwell's Mittel. Cromwell verweigert die Theilnahme an Aus glüd ändert ſich. Die zwei Cromwell's Muth. ſchweifungen. Hampden's Tod . Parlamente. Schlacht bei Marſton - Moor. Ein Brief und eine Epiſode. Rauhheit und Mitleid. Militäriſcher Cha Anecdote. rakter Cromwell's. Er wird der eigentliche General. Schlacht bei Die geöffnete Brieftaſche. Naſeby. Erſtürmung vou Briſtol. Ehre ſei Gott ! chriſtliche Union. Disciplin. Frömmigkeit.

Eroberung der Freiheit.

-

-

-

-

-

Der König begiebt fich zum ſchottiſchen Heere. Das Direktorium. Der König Cromwell's Brief an ſeine Tochter Brigitte. wirb dem Parlament ausgeliefert. – Cromwell's Krankheit. – Brief Freton.

an Fairfar.

Cromwell und ſeine Soldaten.

Einheit des Mannes .

43

Viertes Kapitel. Sspaltung zwiſchen dem Parlament und dem Heere. Presbyterianer und Independenten. Einſpruch

Dic beiden Partheien .

- Joyce. – Finneigung des Königs zu den Independen Erklärung des Heeres. - Religiöſe Freiheit. Elf Mitglieder

des Heeres. ten.

angeklagt. - Mißverſtändniſſe und Uebertreibungen. – Ungeſebliche Das Heer widerſeßt fich. Einmiſchung der Presbyterianer. Ein Cromwell für den König günſtig geſtimmt. fluß der Independenten.

Karl's Verblendung. Der Brief in dem Sattel. Das ſeidene Knieband uud der hanfene Strick. Cromwel verzweifelt an Karl. Flucht des Königs. Seine Ankunft auf der Inſel Wight. Grom well unterdrückt die Gleichmacher. Vertrag mit den Schotten. Antwort Harl's an das Parlament. Wer eine Grube gräbt , wird hineinfallen .

64

365

Seite.

Fünftes Kapitel. Der Tod des Königs.

Die Häuſer beſchließen , ſich nicht mehr an den König zu wenden . Verein zum Gebet in Windſor. Gefühl und Gebot. Zweiter Bürgerkrieg. Einfal der Schotten . Aufſtand der Königlichen. Cromwell's Siege. Unterhandlungen des Parlaments mit dem Könige. Rarl's Falſchheit. Widhtige Wahl. Einſpruch des Heeres beim Barlament. Die Thatſachen rechtfertigen Cromwell. Der Holzhauer und der -

-

Cromwell an Hammond. Irrthum und Wahrheit. Das Parlament verwirft den Einſpruch . Reinigung. Natur des Heeres. Das Heer in London. Crom well's Bedenken rüdſichtlich des Königs. Religiöſer frrthum Croms Der Wille well'8 . Gebete. Howe’s Predigt vor Cromwell. Säemann.

-

Der König in Hurſt.

-

Enthüllung von Das beſchimpfte Schafot. Grundfäße Grundfäße der römiſchen Kirche. Karl'8 Verräthereien . Cromwell an ſeine Schwiegertochter. – Milton's. Karl's Ninder. Gottes .

Todesurtel.

Cromwell und Karl's Leichnam .

77

Die europäiſchen Mächte.

Sechſtes Kapitel. Jrland. Ein

Der St. Bartholomäustag in Frland. Römiſche Grauſamkeiten. Cromwell ernannt. Wundarzt oder Schlächter. Prieſter.

Scharfſinn und ſeine gewinnende Weisheit. Cromwell's Plan. marſch des Heeres. Roß. Werford. von Drogheda.

Cromwell's Güte gegen ſeine Feinde.

Sein

Lord Broghil Abs Theokratie. Erſtürmung

Friede und Wohlſtand. Sein Rundſdreiben an die

römiſchen Prälaten . - Erſte Zeit der Verheirathung Richard's.

Urs

113

fache der Leiden Irlande .

Siebentes Kapitel. Schottland.

Die beiden Könige und die doppelte Treue.

Karl II, in Schottland.

Cromwell an die Generalverſammlung der ſchottiſchen Kirche und an den Oberfeldherrn.

Schlacht bei Dunbar. Zuflucht zu Gott.

Cromwell's Berlegenheit. Der fromme Kornet. Die Geiſtlichen Bericht an das Parlament. Lobpreiſung Gottes. Cromwell's Briefe. im Schloſſe zu Edinburg. Alle Chriſten ſollen Zwei Cromwel krank. Die Uebelgeſinnten . Chriſtum predigen. Briefe. Cromwell über ſeinen Sohn Richard. Ses Worceſter. beihen Schottlands. Militäriſche Laufbahn Cromwell'8 . Zwei Sinnbilder.. Der Gefangene.

-

-

145

366

Seite.

Adtes Kapitel. Das Protectorat.

Die Republik wird ausgerufen . – L'État , c'est moi. franzöſiſchen Einfälle.

Liebe und Furcht . Ständeverſammlung. auf. -

Reform. Schweden . .

Die beiden

Erwachen der Freiheit in England. Blake. Cromwell löft e8 Das Rumpf - Parlament . .

Cromwell's Ehrlichkeit. Reben . Cromwel wünſcht den .Frieden. Whitelode Geſandter in

Unterredung mit der Königin Chriſtine.

Das Ende.

Das Protectorat. Frömmigkeit und Demuth Cromwell'8. Geſelligkeit. Neues Parlament. Vertheidigung Verfaſſung. Cromwell's. Tod ſeirer Mutter. Religiöſe Freiheit gehemmt. Sein Ziel. Cromwell löft das Parlament auf.

177

Neuntes Kapitel. Geſtaltung der Kirche und des Staats . Irrthümer. Nothwendigkeit einer Geſtaltung. Kirchliche Commiſſion. Der Unpartheilichkeit. Zeugniß Barter'8 und Cromwell's. Staat. Aeußerungen von Mißvergnügen. Brief an Fleetwood. Beängſtigung Brigittens. – Nadyſidst. Die Generalmajore. Zuſchrift der Körperſdjaft von Guildford. Mordverſuche. Crom well's Verzeihung. Sein Syſtem in Irland. Amtlicher und volfs thümlicher Proteſtantismus. Fehler und Größe der Puritaner. .

207

Zehntes Kapitel. Religiöſe freiheit.

Cromwell's Rolle in Betreff der religiöſen Frei

Milton an Cromwell.

heit.

Widerſtand gegen den politiſchen und religiöſen Radicalismus.

Religion gegründet und Freiheit. nung der Kirche und des Staates .

über religiöſe Freiheit.

Ein Kämpfer für die Tren Cromwell's Syſtem

Milton .

Die beiden wichtigen Angelegenheiten.

- Rar

tholicität des Protectors. Georg For und Cromwell. Mayor. Cromwell und die Biſchöflichen . Die römiſchen Katholiken. Die Juden. Der Staat und der Proteſtantismus. Principia vitae. Eine Gefahr. Wirkſame Weiſe das Evangelium zu verbreiten . Der Staat und die Kirche. Die Kirche und Kathedrale von Ely. -

-

227

das Volk.

Elftes Kapitel. Der Staat.

Sittlichkeit, Ruhm und Antipapismus Englands. Der Ruhm Englands. Lebensquelle. Der Hof Croms

well's.

Seine Sittſamkeit und Sittlichkeit. – Triumph Großbritan

367

Seite niens.

Blake in Malaga.

-

ſchaften. pismus.

-

Handel.

Beſchüßung der Wiſſen Antipa Widerſtand gegen Spanien.

Gerechtigkeit. Was den Triumph der Stuarts herbeigeführt hatte.

Cromwell's Name.

Der Löwe aus dem Stamme Juda.

-

250

.

Z wölftes Kapitel. Der Vertheidiger des Glaubens.

Bertheidigung des Broteſtantismus. - Schreiben an einen proteſtantiſchen Das Verfahren des Protectors. Gemepel in Piemont. Fürſten . Portugal. Genf. - Cromwell's Rath für die Proteſtanten . Schweiz. Die – — Deutſchland. Frankreich. – Nismes, Bermittelung. Rath für die allgemeinen Angelegenheiten des Bro Deſtreich. teſtantismus.

Wahrheiten.

Lebendige8 Chriſtenthum bes Protectors.

Ewige

Pompeji, Ninive und die Bibel.

268

Dreizehntes Kapitel. Die Königswürde. Reben des Protectors. Ausſchlies fungen. – Anträge in Betreff der Königswürde. – Verhandlungen darüber zwiſchen dem Parlament und dem Protector. Kämpfe. Weigerung Cromwell'8 fie anzunehmen . Hatte er Recht ? Sein Charakter. Ehrgeiz.

Neues Parlament.

Ludlow.

289

Vierzehntes Kapitel. Letztes Parlament und Tod des Protectors.

Einweiſung in's Amt. Zwei Häuſer. – Die große Angelegenheit. Kleine Streitigkeiten. Das Parlament wird aufgelöft. Verſchwö rung. - Säusliche Prüfungen. Tod des Herrn Rich. Ein frommer Sohn und Vater. Tod der Lady Claypole. Troft. Fieber. – Fox in Hamptoncourt. Cromwell's Rede auf ſeinem Sterbebette. Zuverſicht Nachfolger. Der Sturm. Gibet. -

-

Leßte Worte.

Tod.

Sďmerz.

Die dreißig Jahre nachher.

Cromwell's Bild. Sein militäriſcher Geiſt. Oliver und der Papſt. Veredelung Sinnesart.

Seine religiöſe der Menſchheit.

Cromwell's und des Papſtes Grundſäße. Evangeliſche Mittel. Zwei Männer des ſiebenzehnten Jahrhunderts. Schluß. . .

308

Drud ber bof - Buchdruderei in Weimar .