Emilia Galotti: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen [Reprint 2022 ed.] 9783112638804


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Emilia Galotti: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen [Reprint 2022 ed.]
 9783112638804

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Emilia Galotti.

Ei» Trauerspiel in fünf Anfängen

Leipzig. (K. ,s Göschen'sche Perlaz-baiidlii»,;.

1857.

Bnchdrnckcrci bcr I. G. Lotta'schen Buchhandlung in Ltnttgart und AugSbnrg.

Emilia Galolti. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. 1772.

P c r f o

h

e n.

(S' ui i I i -

Ich habe zu früh Tag gemacht. —

Der Morgen ist so schön.

Ich will ausfahren.

chese Marinelli soll mich begleiten. (Der Kammerdiener geht ab.)

Ich



Mar­

Laßt ihn rufen.

kann doch nicht

mehr arbeiten. — Ich war so ruhig, bild' ich mir ein, so ruhig. — Auf einmal muß eine arme Bru­

neschi Emilia heißen: — weg ist meine Ruhe, und

alles! —

Der Kammerdiener

(welcher wieder herein tritt).

Nach dem Marchese ist geschickt.

Und hier, ein Brief

von der Gräfin Orsiua. Der Prinz.

Der Orsina? Legt ihn hin.

Der Kammerdiener. Der Prinz.

Ihr Läufer wartet.

Ich will die Antwort senden, wenn

es einer bedarf. — Wo ist sie?

In der Stadt? oder

auf ihrer Villa? Der Kammerdiener.

Sie ist gestern in die

Stadt gekommen.

Der Prinz. warten. Gräfin!

Desto schlimmer — besser, wollt'

So braucht der Läufer um so weniger zu

ich sagen.

(Der Kammerdiener geht ab.)

Meine theure

(Bitter, indem er den Brief in die Hand nimmt.)

So gut, als gelesen!

(und ihn wieder wegwirft.)

— Nun

ja, ich habe sie zu lieben geglaubt! Was glaubt man nicht alles!

liebt.

Kann seyn, ich habe sie auch wirklich ge­

Aber — ich habe!

D er Kamm erd iener (der nochmals

hcreintrin). Der

Maler Conti will die Gnade haben---------

-Z> Der Prinz.

3

Conti? Recht wohl; laßt ihn her­

einkommen. — Das wird mir andere Gedanken in

den Kopf bringen. — lSiebt auf.)

Zweiter Austritt.

Conti. Der Pritt).

Sie?

Der Prinz. Wie leben

Guten Morgen, Conti.

Was macht die Kunst? Prinz, die Kunst geht nach Brod.

Conti.

Der Prin).

Das muß sie uicht;

das soll sie

nicht, — in meinem kleinen Gebiete gewiß nicht. —

Aber der Künstler muß auch arbeiten wollen. Conti.

viel

Arbeiten?

arbeiten

müssen,

Das ist seine Lust.

kann

um

Nur zu

den

Namen

nicht Vieles,

sondern

ihn

Künstler bringen.

Der Pritt).

Ich meine

viel: ein Weniges, aber mit Fleiß. — Sie kommen doch nicht leer, Conti? Conti.

Ich bringe das Porträt,

mir befohlen haben, gnädiger Herr.

welches

Sie

Und bringe noch

eines, welches Sie mir nicht befohlen; aber weil es gesehen zu werden verdient. Der Prin).

Jenes ist? — Kann ich mich doll;

kaum erinnern — Conti.

Die Gräfin Orsina.

-o-3> 4 €-oDer Prinz.

Wahr! — Der Auftrag ist nur ein

wenig von lange her.

Conti.

Unsere schönen Damen sind

Tage zum Malen.

nicht alle

Die Gräfin hat, seit drei Mona­

ten, gerade einmal sich entschließen können, zu sitzen.

Der Prinz. Conti.

Wo sind die Stücke?

In dem Vorzimmer; ich hole sie.

Dritter Auftritt. Der Prinz. Ihr Bild! — mag! — Ihr Bild, ist sie doch nicht

selber. — Und vielleicht find' ich in dem Bilde wieder,

was ich in der Person nicht mehr erblicke. — Ich will es aber nicht wiederfinden. — Der beschwerliche

Maler! Ich glaube gar, sie hat ihn bestochen. — Wär' es auch! Wenn ihr ein anderes Bild, das nut andern

Farben, auf einen andern Grund gemalt ist, — in meinem Herzen wieder Platz machen will: — wahr­

lich, ich glaube, ich wär' es zufrieden.

Als ich dort

liebte, war ich immer so leicht, so fröhlich, so aus­ gelassen. — Nun bin ich von allem das Gegentheil.

— Doch nein! nein, nein! behaglicher: ich bin so besser.

Behaglicher, oder nicht

Vierter Austritt. Conti, mit den Gemälden, wovon er das eine verwandt gegen einen Stuhl lehnt.

Der Prinz.

Conti (indem er das andere zurecht stellt).

Ich bitte,

Prinz, daß Sie die Schranken unserer Kunst erwägen wollen.

Vieles von dem Anzüglichsten der Schönheit

liegt ganz außer den Grenzen derselben. — Trete:: Sie so!

Der Prinz

(nach einer kurzen Betrachtung).

Vor­

trefflich, Conti, — ganz vortrefflich! — Das gilt Ihrer Kunst, Ihrem Pinsel. — Aber geschmeichelt, Conti; ganz unendlich geschmeichelt!

Das Original schien dieser Meinung nicht

Conti.

zu seyn.

Auch ist es in der That nicht mehr geschmei­

chelt , als die Kunst schineicheln muß. Die Kunst :nuß malen, wie sich die plastische Natur, — wenn es eine

giebt — das Bild dachte: ohne den Abfall, welchen

der widerstrebende Stoff unvermeidlich macht; ohne

das Verderb, mit welchem die Zeit dagegen ankämpst. Der Prinz.

Der denkende Künstler ist noch eins

so viel werth. — Aber das Original,

sagen Sie,

fand demungeachtet — Conti.

Verzeihen Sie, Prinz.

eine Person,

Das Original ist

die meine Ehrerbietung fordert.

Ich

habe nichts Nachtheiliges von ihr äußern wollen. Der Prinz. So viel als Ihnen beliebt! — Und

was sagte das Original?

6 Conti.

Ich

bin zufrieden,

sagte die Gräfin,

wenn ich nicht häßlicher aussehe.

Der Prinz.

Nicht häßlicher? — O das wahre

Original! Conti.

Und mit einer Miene sagte sie das, —

von der freilich dieses ihr Bild keine Spur,

keinen

Berdacht zeigt.

Der Prinz. Das meint' ich ja; das ist es eben, worin ich die unendliche Schmeichelei finde. — O! ich kenne sie, jene stolze höhnische Miene,

die auch

das Gesicht einer Grazie entstellen würde! — Ich leugne nicht, daß ein schöner Mund, der sich ein we­ nig spöttisch verzieht, nicht selten um so viel schöner ist.

Aher, wohl bemerkt, ein wenig: die Verziehung

muß nicht bis zur Grimasse gehn,

Gräfin.

wie bei dieser

Und Augen müssen über den wollüstigen

Spötter die Aufsicht führen, — Augen, wie sie die gute Gräfin nun gerade gar nicht

hat,

auch nicht

einmal hier im Bilde hat.

Conti. Gnädiger Herr, ich bin äußerst betroffen — Der Prinz.

Und worüber?

Alles,

was die

Kunst aus den großen, hervorragenden, stieren, star­

ren Medusenaugen der Gräfin Gutes machen kann, das haben Sie, Conti, redlich daraus gemacht. —

Redlich, sag' ich? — Nicht so redlich, wäre redlicher. Denn sagen Sie selbst, Conti, läßt sich aus diesem

Bilde wohl der Charakter der Person schließen? Und das sollte doch.

Stolz haben Sie in Würde, Hohn

-o-3> in Lächeln,

7

Ansatz zu trübsinniger Schwärmerei in

sanfte Schwermut!) verwandelt.

Conti (etwas ärgerlich).

Ah, mein Prinz, — wir

Maler rechnen darauf, daß das fertige Bild den Lieb­

haber noch eben so warm findet, als warn: er es be­

stellte.

Wir malen mit Augen der Liebe: und Augen

der Liebe müßten uns auch nur beurtheilen.

Der Prinz.

Je nun, Conti, — warum kamen

Sie nicht einen Monat früher damit? — Setzen Sie weg. — Was ist das andere Stück?

Conti (intern er es holt, und noch verkehrt in ter

Hand hält).

Auch ein weibliches Porträt.

Der Pr inz. gar nicht sehen.

So möcht' ich es bald — lieber

Denn dem Ideal hier (mit dem Fin­

ger auf die Stirne), — oder vielmehr hier (mit dem Fin­

ger auf das Herz), kommt es doch nicht bei. — Ich wünschte, Conti,

Ihre Kunst in andern Vorwürfen

zu bewundern.

Conti.

Eine bewundernswürdigere Kunst giebt

es; aber sicherlich keinen bewundernswürdigere Gegen­

stand, als diesen.

Der Prinz.

So wett' ich, Conti, daß es des

Künstlers eigene Gebieterin ist. — (Indern der Maler

das Bild umroentet.) Was seh' ich? Ihr Werk, Conti?

oder das Werk meiner Phantasie? — Emilia Galotti! Conti.

Wie,

mein Prinz?

Sie kennen diesen

Engel? Der Prinz (intern er sich zu fassen sucht, aber ohne

8 cein Auge von tem Bilde zu verwenden).

So halb! — Ulli

sie eben wiederzukennen. — Es ist einige Wochen her,

als ich sie mit ihrer Mutter in einer Vegghia traf. — Nachher ist sie mir nur an heiligen Stätten wie­

der vorgekommen, — wo das Angaffen sich weniger

ziemt. — Auch kenn' ich ihren Vater.

Er ist mein

Er war es, der sich meinen Ansprü­

Freund nicht.

chen auf Sabionetta am meisten widersetzte. — Ein

alter Degen, stolz und rauh, sonst bieder und gut! — Der Vater! aber hier haben wir seine

Conti. Tochter. —

Der Prinz. gestohlen!

O,

Bei

Gott! wie aus dem

Spiegel

^Noch immer die Augen auf das Bild geheftet.)

Sie wissen es ja wohl,

Künstler dann erst recht lobt,

Conti,

daß man den

wenn man über sein

Werk sein Lob vergißt. Conti.

Gleichwohl hat mich dieses noch sehr un­

zufrieden mit mir gelassen. — Und doch bin ich wie­ derum sehr zusrieden mit meiner Unzufriedenheit mit

mir selbst. — Ha, daß wir nicht unmittelbar mit den

Augen malen!

Aus dem langen Wege, aus dem Auge

durch den Arm in den Pinsel, wie viel geht da ver­

loren! — Aber, wie ich sage, daß ich es weiß, was hier verloren gegangen, und wie es verloren gegangen, und warum es verloren gehen müssen:

ich eben so stolz,

und stolzer,

bin, was ich nicht verloren gehen lassen. jenem erkenne ich,

mehr als

darauf bin

als ich auf alles das

aus

Denn aus

diesem,

daß

ich

-o-&

9

Der Prinz.

15

€-

86

e

Grsina. Bravo! o bravo! bravo! (Sn tk Häntc

schlagend.) Marinelli. Vrsina.

Wie das?

Küssen möcht' ich den Teufel, der ihn

dazu verleitet hat! M aritulli.

Vrsina.

Wen? verleitet? wozu?

Ja, küssen, küssen möcht' ich ihn —

Und wenn Sie selbst dieser Teufel wären, Marinelli. Marinelli. Vrsina.

Gräfin!

Kommen Sie her!

Sehen Sie mich

an! steif an! Aug' in Auge!

Marinelli.

Nun?

Wissen Sie nicht, was ich denke? Marinelli. Wie kann ich das? Orsi na. Vrsina.

Haben Sie keinen Antheil daran?

Marinelli. Vrsina.

nicht.

Woran?

Schwören Sie! — Nein, schwören Sie

Sie möchten eine Sünde mehr begehen. —

Oder ja, schwören Sie nur.

Eine Sünde mehr oder

weniger für einen, der doch verdammt ist! — Haben

Sie keinen Antheil daran?

Marinelli. Vrsina.

Sie erschrecken mich, Gräfin.

Gewiß? — Nun Marinelli, argwohnt

Ihr gutes Herz auch nichts?

Marinelli. Vrsina.

Was? worüber?

Wohl, — so will ich Ihnen etwas ver­

trauen, — etwas, das Ihnen jedes Haar auf dem

Kopfe zu Berge sträuben soll. — Aber hier, so nahe

-O-I> 87

E-o-

an der Thüre, möchte uns jemand hören. Sie hieher. — Und!

(Zudem

Kommen

sie den Finger auf den

Mund legt) Hören Sie! ganz in geheim! ganz in ge­ heim! (und ihren Mund seinem Ohre nähert, als ob sie

ihm zuflüstern wollte, was sie aber sehr laut ihm zuschreit.) Der Prinz ist ein Mörder.

Gräfin,

Marinelli.

Sie

— Gräfin — sind

ganz von Sinnen?

Vrsina.

Von Sinnen? Ha! ha! ha!

lem Halse lachend.)

Ich

bin

selten,

oder

(Aus vol­

nie,

mit

meinem Verstände so wohl zufrieden gewesen, als eben jetzt. — Zuverlässig,

Marinelli; — aber es bleibt

unter uns — (leise) der Prinz ist ein Mörder!

des

Grafen Appiani Mörder! — Den haben nicht Räuber, den haben Helfershelfer

des Prinzen,

den

hat der

Prinz umgebracht! Marinelli.

Wie kann Ihnen so eine Abscheu­

lichkeit in den Mund, in die Gedanken kommen? Vrsina. Wie? — Ganz natürlich. — Mit dieser

Emilia Galotti,



die hier bei ihm ist, — deren

Bräutigam so über Hals über Kopf sich aus der Welt trollen müssen, — mit dieser Emilia Galotti hat der

Prinz heute Morgen, in der Halle bei den Domini­ kanern,

ein Langes

und Breites

gesprochen.

weiß ich, das haben meine Kundschafter gesehen.

Das

Sie

haben auch gehört, was er mit ihr gesprochen. —

Nun, guter Herr? Bin ich von Sinnen? Ich reime, dächt'

ich,

doch

noch

so

ziemlich

zusammen,

was

-O-Z> 88

€-

zusammen gehört. — Oder trifft auch das nur so von

Ist Ihnen auch das Zufall? O, Ma­

ungefähr zu?

rinelli,

so verstehen Sie auf die Bosheit der Men­

schen sich eben so schlecht, als auf die Vorsicht.

Marinelli.

Gräfin, Sie würden sich um den

Hals reden —

Vrsina. besser,

Wenn ich das Mehreren sagte! — Desto

desto besser! — Morgen will ich es auf dem

Markte ausrufen. — Und wer mir widerspricht — wer mir widerspricht, der war des Mörders Spieß­ geselle. — Leben Sie wohl. — (Indem sie sortgehen

will, begegnet sie an der Thüre dem alten Galotti, der eiligst

bereintritt.)

Sechster Austritt. Odoardo Galotti. Die Gräfin Marinelli. Vdoardo Gal. Verzeihen Sie, gnädige Frau —

Grsina. Ich habe hier nichts zu verzeihen. ich habe hier nichts übel zu nehmen —

An

Denn

diesen

Herrn wenden Sie sich. (Ihn nach dem Marinelli weisend.)

Marinelli (indem er ihn erblickt, vor sich).

Nun

vollends der Alte! —

Gdoardo.

Vergeben Sie, mein Herr,

einem

Vater, der in der äußersten Bestürzung ist, daß er so unangemeldet hereintritt.

-o-3> 89 ^-oOrsina.

Vater? (kehrt wieder um.)

Der Emilia,

ohne Zweifel. — Ha, willkommen! Ein Bedienter kam mir entgegen ge­

Odoardo.

sprengt, mit der Nachricht, daß hierherum die Meini­ gen in Gefahr wären.

daß

Ich fliege herzu, und höre,

der Graf Appiani verwundet worden,

daß

er

nach der Stadt zurückgekehrt, daß meine Frau und Tochter sich in das Schloß gerettet. — Wo sind sie, mein Herr? wo sind sie?

Marinelli.

Seyn

Sie ruhig, Herr Oberster.

Ihrer Gemahlin und Ihrer Tochter ist nichts Uebles widerfahren, den Schreck ausgenommen.

Sie befinden

Der Prinz ist bei ihnen.

sich beide wohl.

Ich gehe

sogleich, Sie zu melden. Warum melden? erst melden?

Odoardo.

Marinelli.

Aus Ursachen — von wegen

von wegen des Prinzen. wie Sie

mit dem Prinzen stehen.

freundschaftlichsten

Fuße.



Sie wissen, Herr Oberster, Nicht auf dem

So gnädig er

sich gegen

Ihre Gemahlin und Tochter bezeigt: — es sind Da­

men — wird darum auch Ihr unvermutheter Anblick

ihm gelegen seyn? Sie haben Recht, mein Herr;

Odoardo.

Sie

haben Recht.

Marinelli.

Aber, gnädige Gräfin,



kann

ich vorher die Ehre haben, Sie nach Ihrem Wagen zu begleiten?

Orsi na.

Nicht doch, nicht doch.

90

-o-£>

Der Prinz.

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