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German Pages 474 [480] Year 2008
Robert Oberheid Emil O. Forrer und die Anfänge der Hethitologie
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Robert Oberheid
Emil O. Forrer und die Anfänge der Hethitologie Eine wissenschaftshistorische Biografie
Walter de Gruyter · Berlin · New York
앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪 das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
ISBN 978-3-11-019434-0 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 Copyright 2007 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co, Göttingen
Vorwort Die schwierige Suche nach Spuren Emil Forrers – eine kleine Detektivgeschichte mit positivem Ausgang.
Schon zu Beginn meiner eigenen hethitologischen Studienzeit – Mitte der 1980er Jahre in Bochum – wurde mein Interesse für den Forscher und Menschen Emil O. Forrer geweckt. Bereits zu jener Zeit recherchierte ich – ohne die Absicht, dass daraus je eine Publikation erwachsen würde – über diesen Pionier der Hethitologie, der das Fach mit begründete und über dessen Thesen sich seinerzeit die Fachwelt so außerordentlich leidenschaftlich auseinandersetzte. Auch fragte ich mich, was ihn dazu bewogen haben mochte, nach Mittelamerika auszuwandern, und was er in all den Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkrieges bis zu seinem Lebensende dort wohl getrieben hatte. Als dann 19891 O. Szemerényis sehr persönlicher und in die Frühzeit der Hethitologie führender Nachruf auf Emil Forrer erschien, der Gelehrte wie Johannes Friedrich und Ferdinand Sommer des unfairen Umganges mit einem Forscherkollegen anklagte, glaubte ich, alles, was man zur Forscherpersönlichkeit und zum Menschen Emil Forrer recherchieren könne, sei nun gesagt. Schließlich hatte Szemerényi brieflichen Kontakt zu seiner letzten Frau, Dorothea Forrer-Haupt, einer direkter Augenzeugin, die vier Jahrzehnte an der Seite dieses Mannes gelebt hatte. Das Thema schien somit weitgehend behandelt und so verfolgte ich es zunächst nicht weiter. Im Zuge fachgeschichtlicher Recherchen begann ich mich zu Beginn des Jahres 2002 wieder intensiver mit dem Forscher Emil O. Forrer zu beschäftigen. Ich erinnerte mich des Hinweises Szemerényis auf eine unpublizierte Biografie Emil Forrers sowie an die dort publizierte Adresse des Autors Earl H. Lubensky, der Emil Forrer während seiner diplomatischen Tätigkeit in El Salvador persönlich kennen gelernt hatte. Ich nahm per eMail Kontakt zu Earl H. Lubensky in den USA auf, der glücklicherweise seit dem Erscheinen des Szemerényi-Artikels nicht umgezogen und somit 1
O. Szemerényi, 1989, p. 257–291.
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über die publizierte Adresse ausfindig zu machen war. Auf meine Anfrage hin sandte mir Dr. Lubensky freundlicherweise eine Kopie seines Werkes und beantwortete meine Fragen, soweit er dies aus der Erinnerung vermochte.2 Das Material bot zwar einiges an Neuigkeiten, insbesondere was die Zeit Forrers in Mittelamerika betrifft, jedoch für die Beantwortung der offenen Fragen zur Berliner Zeit und zum „frühen“ Hethitologen Emil Forrer fanden sich keine neuen Hinweise. Die am Ende des Nachrufes formulierten Fragen Szemerényis zu Forrers Ausbildung in Deutschland und die genauen Umstände seiner Ausreise aus Berlin 1945 nahm ich nun wieder zum Anlass, erneut auf die Suche nach greifbaren Spuren zu gehen. Es gestaltete sich schwieriger als erwartet, über den doch nahe liegenden Ansatz weiterzukommen, nach den Angehörigen Forrers in El Salvador zu fahnden und diese über jene Zeitabschnitte zu befragen. Die von Szemerényi 1989 publizierte Adresse in San Salvador erwies sich als nicht mehr gültig, so dass ein direkter brieflicher oder telefonischer Kontakt nicht möglich war. Nun ist der Name Forrer auch nicht so selten anzutreffen wie man zunächst annehmen möchte, so dass sich im Internet an den verschiedensten Stellen auch zahlreiche Hinweise zu diesem Namen fanden, die aber zunächst alle nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führten. Ich hoffte nun, durch Kontakt zur Tageszeitung, die in San Salvador erscheint, und für die Emil Forrer vor allem in den sechziger Jahren als freier Mitarbeiter zahlreiche Beiträge geliefert hat, auf verwertbare Spuren Emil Forrers zu stoßen. Möglicherweise gab es dort ein geordnetes Archiv des Blattes oder unter älteren noch tätigen Redakteuren jemanden, der Hinweise oder Informationen liefern könnte. Aber auch diese Anfragen verliefen im Sande und brachten keine verwertbaren Spuren, sondern zumeist weitere Enttäuschungen. Zeitgleich wandte ich mich an das Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin, mit der Bitte um Prüfung, ob dort Vorgänge oder Unterlagen zu Emil O. Forrer aus seiner Berliner Zeit vorhanden seien und man mir diese zukommen lassen könnte. Ich erhielt eine erste positive Antwort. Diese mir daraufhin zugegangenen Unterlagen erwiesen sich dann als sehr wertvolle Quelle. Die Humboldt-Universität schickte mir einen umfangreichen Aktenvorgang in Kopie, der von der Immatrikulation über die Promotion/Habilitation bis hin zu umfangreichen Korrespondenzen mit verschiedenen Vertretern und Institutionen der Universität reichte. Dieses Ergebnis ermutigte mich, die Recherchen intensiver fortzusetzen.
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An dieser Stelle sei ihm dafür herzlich gedankt.
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Ein kleiner Hinweis bei der Rekonstruktion eines möglichst lückenlosen Schriftenverzeichnisses Forrers brachte schließlich den Durchbruch, der letztendlich zu einem wahren Dokumentenschatz führen sollte. Im „Karlsruher Virtuellen Katalog“3 stand hinter einem Werk Forrers, das sich noch heute in der Schweizer Nationalbibliothek befindet und im Selbstverlag in El Salvador erschienen war, der kurze Eintrag „eingeliefert durch Frau Mariana Forrer“ sowie eine Züricher Adresse. Dieser Hinweis führte mich zu Mariana und Wolfgang Forrer, die noch heute in der Schweiz leben. Letzterer ist der erstgeborene Sohn Emil O. Forrers aus erster Ehe mit Gretl Sommer. Gleich im ersten Telefonat stellte sich heraus, welchen Glücksgriff ich getan hatte. Nicht nur, dass ich den ältesten Sohn Emil Forrers und dessen Frau ausfindig gemacht hatte, die sich außerordentlich gut in der Familiengeschichte auskannten; Mariana und Wolfgang Forrer waren auch im Besitz von hunderten von Briefen, offiziellen Dokumenten und unpublizierten Forschungsunterlagen aus seiner Berliner Zeit von 1916 bis 1945. Dies war weit mehr, als ich zu Beginn meiner Recherchen zu hoffen wagte. Dieses umfangreiche Material bildet das Fundament dieser biografischen Untersuchung, die ich nun aufgrund der neuen Materiallage nicht mehr ruhen lassen konnte. Im September 2002 besuchte ich Wolfgang und Mariana Forrer in der Nähe von Zürich, um dieses Material zu sichten und mit Wolfgang Forrer ein ausführliches Gespräch zu führen, das auch sehr interessante Einblicke in das Leben des privaten Menschen Emil O. Forrer gewährte. Auch die hier präsentierten Fotos sind zum größten Teil aus ihrem Besitz. Ohne ihre selbstlose Unterstützung und ständige Hilfsbereitschaft wäre dieses Buch nie entstanden und dürre Dankesworte an dieser Stelle erscheinen mir allzu gering für all das, was mir an Unterstützung durch Mariana und Wolfgang Forrer zu Teil wurde. Durch ihre aktive Hilfe kam ich in den nächsten Monaten und Jahren mit einem weiteren Familienmitglied in engeren Kontakt, Frau Rhea Forrer, eine Tochter aus vierter Ehe, die in El Salvador aufwuchs und neben weiterem Fotomaterial viele Hinweise aus der mittelamerikanischen Zeit Emil Forrers beisteuern konnte. Auch bei der weiteren Materialbeschaffung aus El Salvador, insbesondere aus dem Archiv des Museo Guzmán in San Salvador, wohin die Familie den wissenschaftlichen Nachlass Forrers nach seinem Tode brachte, hat Frau Rhea Forrer so vieles ermöglicht, dass auch ihr an dieser Stelle aufrichtig gedankt sei. Das Material wuchs aber noch weiter. Ich hatte Kontakt zu Theo van den Hout vom Oriental Institute der University of Chicago. Ich berichtete ihm von meinem außergewöhnlichen Fund und auch darüber, dass ich nun 3
www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html
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im Besitz von Korrespondenzen Forrers mit James H. Breasted sowie seinem Bruder Charles war. Daraufhin sichtete Theo van den Hout das im Archiv des Oriental Institutes befindliche Material. Dort fanden sich zahlreiche mir fehlende Gegenstücke aus der umfangreichen ChicagoKorrespondenz Forrers, die das Material außerordentlich bereicherten. Theo van den Hout lud mich daraufhin nach Chicago ein und ermöglichte mir das ausführliche Studium des dort befindlichen Materials. Für seine große Gastfreundschaft und seine stetige freundschaftliche Begleitung des nun vorliegenden Werkes bin ich ihm zu großem Dank verpflichtet. Eine weitere nennenswerte Erweiterung des Materials erhielt ich durch Frau Susanne Heinhold-Krahmer, die mir die bisher unpublizierten und von ihr bearbeiteten Reisetagebucheinträge Forrers in Kopie übersandte. Die maschinenschriftlichen Einträge umfassen den Zeitraum vom 20. August bis 28. Oktober 1926 und enthalten die Notizen einer Forschungsreise durch Kleinasien, die Forrer 1926 unternahm. Auch danke ich Frau Heinhold-Krahmer für die Überlassung eines Kapitels aus ihrem noch unpublizierten Buch zur Geschichte der AΔΔijawa-Frage. Im Jahre 2004 erschien die Gedenkschrift Ç arnikzel – Hethitologische Studien zum Gedenken an Emil Orgetorix Forrer,4 die bereits einiges an bisher unbekanntem Material publizierte und Stationen aus dem Leben Emil Forrers darbot.5 Im Großen und Ganzen fußt die Würdigung Forrers auf dem Beitrag Szemerényis, was auch explizit so formuliert wird. Den Herausgebern ist es dankenswerter Weise gelungen, viele Forscher unterschiedlicher disziplinärer Ausrichtung zu Fachbeiträgen zu gewinnen und bisher auch mir nicht zugängliches unveröffentlichtes Material wie z.B. Forrer Aufsatz zur Harudenfrage allgemein zugänglich zu machen. 6
Das Material Bei dem Material, auf das sich diese Biografie nun im wesentlichen stützt, handelt es sich um zwei große, randvoll gefüllte Kisten mit Briefen, Postkarten, Telegrammen, Notizen, Memoranden, diversen Lebensläufen, Reisebeschreibungen, Zeichnungen sowie zahlreichen persönlichen Unterla4 5
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Hrsg. von Detlev Groddek und Sylvester Rößle, Dresdener Beiträge zur Hethitologie Bd. 10, 2004. Siehe vor allem den Beitrag von Detlev Groddek, Emil O. Forrer – Ein bewegtes Leben im Dienste der Forschung, Dresdener Beiträge zur Hethitologie, Bd. 10, 2004, p. 13–42. E. Forrer, Die Haruden, oder eine neue Art vergleichender Sprachenwissenschaft: Ethnolinguistik, Dresdener Beiträge zur Hethitologie, Bd. 10, 2004, p. 123–127.
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gen wie Rechnungen, Mitgliedschaftsunterlagen, Bestellungen, Privatdozentenabrechnungen und dergleichen mehr, aus dem Zeitraum zwischen 1916 und 1945. Insgesamt umfasst das Material 1937 Briefe, Postkarten und Notizen, die Rechnungen und Bestellungen nicht mitgerechnet. Darunter finden sich Briefwechsel mit nahezu allen namhaften Altorientalisten vor dem Zweiten Weltkrieg, aber auch mit zahlreichen Forschern anderer Disziplinen, zu denen Forrer über viele Jahre mitunter sehr intensiven Kontakt hielt. Korrespondenzen führte er u.a. mit: William F. Albright, Theodor Bossert, Wilhelm Brandenstein, Charles Breasted, Friedrich Dornseiff, Erich Ebeling Han Ehelolf, Johannes Friedrich, Albrecht Götze (Goetze), Bruno Güterbock, Hans Güterbock, Oliver R. Gurney, Hans F.K. Günther, Franz Köcher, Paul Koschaker, Paul Kretschmer, Ernest Lachmann, Carl F. Lehmann-Haupt, Ernst Lewy, Oswald Menghin, Bruno Meissner, Piero Meriggi, Eduard Meyer, Max Freiherr von Oppenheim, Hans-Henning von der Osten, Anton Poebel, Hans Reinerth, Fritz Schachermeyr, Ferdinand Sommer, Arthur Ungnad, Otto Weber, Ernst F. Weidner und Heinrich Zimmern. Zu den institutionellen Kontakten, die durch das Briefmaterial belegbar sind, gehören u.a. das Oriental Institue Chicago, dasBryn Mawr College Pennsylvania, die Johns-Hopkins University in Baltimore, das Collège de France, die Deutsche Morgenländische Gesellschaft, die Deutsche Orientgesellschaft, die Notgemeinschaft der , die Universitäten zu Berlin, Zürich, Genf, Neuchâtel und Brüssel, die Schweizerische Gesandtschaft zu Berlin, die türkische Regierung sowie zu zahlreiche deutschen Behörden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Briefe von Freunden und Bekannten, die zum einen das eher private Leben Emil Forrers beleuchten, aber auch Hinweise und Erklärungen zu Vorhaben hethitologischer Art enthalten, oder sich auf Reise-Erlebnisse beziehen, die dort näher erläutert bzw. geschildert werden. Nachrichten über private Reisen mit seiner ersten Frau oder aber auch Briefe mit seiner Familie befinden sich ebenfalls darunter. Hinzu kommt ein Kopierbuch, das Briefe von seiner Hand an verschiedenste Adressaten in Durchschlag oder Abschrift enthält und sich als sehr wertvolle Quelle erwies. Dieses Buch erhielt seinen ersten Eintrag am 25. September 1916 und endet am 22. September 1922. Es enthält auf 957 hauchdünnen Seiten 902 Briefe an eine Vielzahl von Korrespondenzpartnern, sowohl beruflicher als privater Natur, wobei letztere Kategorie überwiegt. Als besonders aufschlussreich stellten sich die Briefe an seine erste Frau Margarete Sommer („Gretl“) und an seinen Vater, Prof. Robert Forrer heraus. Ihm berichtet er oft über seine Pläne, den Stand seiner universitären Forschungen, sein dortiges kollegiales Umfeld, seine Zukunftspläne, und dies in der typischen Rolle des Sohnes, nämlich oftmals rechtfertigend, teils aber auch begeistert. Gerade diese Briefe mit dem Vater spiegeln sehr
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deutlich den doch recht schwierig zu nennenden Charakter des Emil Forrer wider, der auch später in vielen Briefen an Institutionen oder deren Repräsentanten zum Ausdruck kommt. Aber auch die Briefe an seinen wissenschaftlichen Mentor, Eduard Meyer, bieten in vielfacher Hinsicht tiefer gehende Einsichten und wichtige Erkenntnisse, vor allem, was den Weg Emil Forrers in die junge Wissenschaft der Hethitologie betrifft und seine Position in dieser Disziplin, die er ja anfangs entscheidend mit prägte. Heutige Leser, die immer seltener noch Briefe mit der Hand schreiben, dürften staunen, dass der Verfasser den größten Teil dieser Briefe meist zweimal (oder manchmal auch noch öfter) geschrieben, also eine nicht unerhebliche Fleißarbeit geleistet hat, um seine eigene Korrespondenz zu archivieren. Nach Auszählung dieses Kopierbuches, zusammen mit den Briefen, hat Emil Forrer in den frühen zwanziger Jahren beinahe täglich Briefe geschrieben und kopiert und teilweise in einer dritten Abschrift zum jeweiligen Antwortschreiben des Korrespondenzpartners beigefügt. Darüber hinaus liegt – wie erwähnt – sehr aufschlussreiches Material aus dem Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin sowie dem Archiv der Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Potsdam vor, welches das briefliche Material ergänzt und einen nicht unwesentlichen Blick auf die Person und den Charakter Emil Forrers ermöglicht. Unter all diesen Dokumenten befindet sich ein ausführlicher maschinenschriftlicher Lebenslauf, ein Abstammungsnachweis sowie die handschriftlichen Gutachten der Professoren Eduard Meyer und Friedrich Delitzsch zu Forrers Promotionsverfahren. Auch zahlreiche Briefe, die Forrers ständige Auseinandersetzungen mit der Berliner Universität hinsichtlich der Gewährung von Stipendien oder Festanstellungen dokumentieren, finden sich darunter, ebenso Aktenvermerke verschiedener Dekane zu Gesprächen mit Emil Forrer und deren Einschätzung seiner Person. Des weiteren beinhaltet das Material Kopien über Beurlaubungen für Gastprofessuren in Chicago und Baltimore sowie für verschiedene Forschungsreisen in den Vorderen Orient. In diesen Unterlagen fanden sich auch zum ersten Mal Hinweise auf abgelehnte oder gescheiterte Habilitationsvorhaben in München und Berlin. Zugleich hatte ich die Vorlesungsverzeichnisse der Berliner Universität für die Jahre 1925 bis 1945, soweit vorhanden, in Kopie angefordert, um die von ihm gehaltenen Vorlesungen während seiner Berliner Zeit möglichst vollständig zu rekonstruieren, was für die Zeit von 1925 bis 1944
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auch möglich war.7 Auch für die Übersendung weiterer Unterlagen zu Persönlichkeiten der damaligen Zeit, wie etwa die Dokumente zu Hans Ehelolf, bin ich dem Archiv der Universität Berlin sehr zu Dank verpflichtet. Diese Monografie hat seinen inhaltlichen Schwerpunkt in der Zeit von 1917 bis 1945. Diese Tatsache ergab sich zwangsläufig aus dem nachgelassenen Material, das 1945 endet. Deshalb gibt es zwei sehr unterschiedlich aufgebaute und umfangreiche Teile. Die Schilderung des Lebens Emil Forrers nach 1945 in Mittelamerika beruht auf weitaus weniger schriftlichem Material, sondern vielmehr auf Interviews und Berichte seiner noch lebenden Familienangehörigen und hat auch inhaltlich fast nichts mehr mit der Entstehungs- und Forschungsgeschichte der Hethitologie zu tun. Dennoch ist dieser Teil der Lebensgeschichte des Forschers Emil Forrers ein nicht minder spannender und erzählenswerter. Abschließend sei noch erwähnt, dass ein nicht unbedeutender Teil der Biografie auf zahlreichen Briefen, Telefonaten sowie einem mehrstündigen Interview mit Wolfgang und Mariana Forrer, das ich am 5. September 2002 mit ihnen führen konnte, basiert.
Der lange Weg des Briefmaterials Interessant und einer Erwähnung wert sind auch die Umstände, wie diese zahlreichen Briefe und Dokumente in den Besitz des ältesten Sohnes gelangt und somit letztendlich einer Auswertung zugänglich geworden sind. Im Jahre 1988 fanden sich bei einer Aufräumaktion in einem alten Lagerhaus des Springer-Verlages in Berlin die Kisten mit den Briefen und Nachlässen Emil Forrers. Da der Lagerist mit den Kisten nichts anzufangen wusste, sandte er die Kisten nach Heidelberg zu einem Redakteur namens Michael Knoche, der im weitesten Sinne „Historisches“ betreute. Er untersuchte das Material und stellte fest, dass der Inhalt nichts mit dem Springer-Verlag zu tun, sondern das Thema Alter Orient zum Gegenstand hatte, und die Briefe immer an denselben Empfänger adressiert waren: Emil Forrer, Semnonenring 47, Erkner bei Berlin. Er fand schnell heraus, dass es sich dabei um einen aus Straßburg stammenden Gelehrten handelte. Nach einigen weiteren Nachforschungen stellte Michael Knoche den Kontakt zu Odile Schaeffer-Forrer, der in Paris lebenden jüngeren Schwester Emil Forrers her, die mit Claude Schaeffer, dem Ugarit-Ausgräber, ver7
An dieser Stelle sei dem Archivar der Humboldt-Universität, Herrn Dr. W. Schulze sehr herzlich für seine große Kooperationsbereitschaft und die Überlassung des Archivmaterials gedankt, das einen wichtigen Beitrag zur Erschließung der Biografie Emil Forrers liefern konnte.
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heiratet war. Odile Schaeffer-Forrer konnte die Aufklärung bezüglich der ominösen Kisten liefern und berichten, wie sie in das Lagerhaus des Springer-Verlages gelangten. Die Verbindung zwischen den Forrerschen Kisten und dem SpringerVerlag war Fritz Süffert, der ab 1936 Herausgeber der Zeitschrift „Naturwissenschaften“ beim Springer Verlag in Berlin und zudem mit Marie Forrer, einer weiteren Schwester Emil Forrers verheiratet war. Als 1945 Fritz Süffert für den Springer-Verlag ein Ausweichlager für die ausgebombten Lagerbestände des Verlages suchte und in Dahlem fand, muss auch sein Schwager Emil Forrer mit der Bitte an ihn herangetreten sein, Unterlagen und Briefe, wohl zunächst nur vorübergehend, dort ebenfalls einlagern zu können. Diese blieben dann liegen, bis sie dreiundvierzig Jahre später an jenem Ort gefunden wurden. Als Wolfgang Forrer von dem Fund erfuhr, meldete er sein Interesse an dem Nachlass seines Vaters an und bat seinerseits von allen noch lebenden Familienangehörigen schriftlich um Verzicht auf diese Unterlagen. Nachdem auch dies geschehen war, wurden ihm die Dokumente am 26. Mai 1988 übergeben und befinden sich seitdem in seinem Hause. Es bleibt letztendlich offen, warum Emil O. Forrer nach dem Kriege nicht versuchte, seine wertvolle Korrespondenz und seine Unterlagen wieder zu erlangen. Möglicherweise glaubte er, dass alles im Bombenhagel auf Berlin zerstört wurde, oder er scheute die Mühen und Kosten, diese Sammlung nach San Salvador zu holen. Selbst in einer so breit angelegten Biografie wie dieser, ist es eine unabweisbare Notwendigkeit, Material auszusortieren und die Kunst des Beschränkens und Auslassens walten zu lassen. Es können unmöglich alle Aspekte, in die das nun zusammengetragene Material Einblick gewährt, einfließen. Ich habe mich daher bemüht, die wichtigsten wissenschaftlichen und persönlichen Stationen in Forrers Leben nachzuzeichnen und in erster Linie wissenschaftsgeschichtliche Fragestellungen zu berücksichtigen. Die zum Teil sehr privaten Einblicke in Forrers Leben, die das Material gestattet, habe ich ausgelassen. Ich hoffe dennoch, Forrers interessantes und erzählenswertes Leben dem Leser ausreichend dargeboten zu haben. Für weiterführende Einzeluntersuchungen bietet das Material noch reichlich Gelegenheit. Da es sich bei dem Nachlassdokumenten um archivarisch noch nicht aufgearbeitetes Material handelt – die Arbeiten dazu haben aber bereits begonnen – und diese daher keine Bestandssignaturen aufweisen, werden die Briefe und Doumente nach Adressat und Datum zitiert. Die Briefe sind ohne Änderungen und Modernisierungen übernommen worden. Unleserliche Stellen sind mit einem Fragezeichen in der Transskription gekenn-
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zeichnet. Zum Verständnis notwendige Ergänzungen fehlender Satzbestandteile sind entsprechend ausgewiesen. Für diejenigen, die der Hethitologie und der Altorientalistik etwas ferner stehen, habe ich die wichtigsten Forscherpersönlichkeiten, mit denen Forrer im Laufe seines Wissenschaftlerlebens Kontakt hatte oder die für die Einordnung besprochener Inhalte von größerer Bedeutung sind, in einem eigenen Anhang kurz biografisch skizziert. Ich halte dies bei der zum Teil umfangreicheren Darstellung einiger Lebensläufe für die leserfreundlichste Lösung, da ansonsten der Fußnotenapparat zu sehr ausgedehnt würde. Ich habe auch darauf verzichtet, bei der Erwähnung eines Namens im Text jeweils in den Fußnoten auf den biografischen Anhang zu verweisen. Der Anhang wurde als gesonderter Teil konzipiert und listet die für das weitere Verständnis der Forrer-Biografie wichtigeren Personen in alphabetischer Reihenfolge auf. Ansonsten habe ich die Lebensdaten der übrigen Personen in den Fußnoten vermerkt. Dem Buch ist eine CD-ROM beigegeben. Dort finden sich Originaldokumente in digitalisierter Form aus dem Nachlass Forrers, die zum größten Teil bereits im Buchtext zitiert sind. Vielleicht können diese Dokumente im Rahmen weiterer fachgeschichtlicher Untersuchungen noch späteren Forschern nützlich sein. Da auch der Speicherplatz einer CD-ROM begrenzt ist, kann hier nur eine kleine Auswahl an Dokumenten beigegeben werden. Im Fußnotenapparat habe ich an den entsprechenden Stellen auf die zugehörige Dokumentennummer der CD-ROM verwiesen, so dass das Auffinden der gescannten Dokumente für den Leser sichergestellt ist. Die Anregung zu dieser Form der Publikation der Originale verdanke ich Frau Dr. Sabine Vogt vom Verlag Walter de Gruyter, die mir darüber hinaus auch in vielen weiteren Detailfragen zum Manuskript freundlicherweise wertvolle Hinweise gab. Danken möchte ich Prof. Jörg Klinger, der mir stets mit fachlichem und kritischem Rat zur Seite stand und in zahlreichen Fragen freundlicherweise weiterhalf. Auch Herrn Dr. Joachim Marzahn, Kustos der Vorderasiatischen Abteilung zu Berlin sowie Prof. Horst Klengel in Berlin danke ich herzlich für ihre Auskünfte und Anregungen. Das Werden und Entstehen dieses Buches hat Peter Raulwing von Beginn an begleitet und vieles ist nur durch seine Hilfe und Unterstützung entstanden. Durch seine fruchtbaren Anregungen und seine hilfreiche Kritik letztlich zur Vollendung beigetragen. Hierfür sei ihm mein besonderer Dank ausgesprochen. Für die mühselige und undankbare Arbeit des Korrekturlesens sowie ständige kritische Durchsicht des Manuskriptes danke ich Andrea van Staa und meinem langjährigen Freund Dr. Stefan Georg, dem ich diese Arbeit als Dank für eine nunmehr vierzigjährige Freundschaft widme.
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Danken möchte ich auch meinen Eltern, denn ohne sie wäre meine Ausbildung und mein beruflicher Werdegang nicht möglich gewesen. Zum Schluss danke ich Conny, Lina und Theresa. All das wäre ohne die geduldige Unterstützung meiner Familie nicht möglich gewesen. Oberhausen im Frühjahr 2007
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ..................................................................................................... 1 Die Wiederentdeckung der Hethiter ....................................................... 4 Kindheit und Jugend .................................................................................... 9 1915–1917. Die ersten Jahre in Berlin ................................................. 17 Die Promotion....................................................................................... 20 Der Einstieg in die Hethitologie ................................................................. 27 Die Jahre 1918–1924 ................................................................................. 37 Die Anfänge der Hethitologie............................................................... 37 Die Staatlichen Museen zu Berlin und die Vorderasiatische Abteilung................................................................... 38 Die Ehe Forrers mit Gretl Sommer....................................................... 43 Die ersten Publikationen: Die acht Sprachen der Bo©azköiInschriften und die Textedition KBo IV ............................................... 44 Organisatorische Veränderungen in der Vorderasiatischen Abteilung. Hans Ehelolf wird der Herr der Tafeln ............................... 48 Die Denkschrift zur Herausgabe der Texte von Emil Forrer ................ 55 Der erste Habilitationsversuch in München – annus horribilis 1921 .. 60 Leipzig 1921 – Der erste deutsche Orientalistentag ............................. 70 Der zweite Habilitationsversuch – Inschriften und Sprachen des Hatti Reiches im Jahre 1922........................................................... 76 Der Thesaurus Hethiticus...................................................................... 83 Der unfreiwillige Auszug aus der Vorderasiatischen Abteilung........... 87 Die Anfänge der Entzifferung des Hieroglyphenluwischen ................. 89 Die luwischen Hieroglyphen ................................................................ 90 Die ersten Erkenntnisse Forrers ............................................................ 92 Das Haus in Erkner und der erste Nachwuchs...................................... 98 Die AΔΔijawa-Frage und die Geografie des Hethiterreiches.................... 101 Die ersten Gedankenspiele Forrers ..................................................... 101 Troia – Zwischen Wissenschaft und Boulevard ................................. 104 AΔΔijawa – eine Aufführung in drei Akten ........................................ 106 1924 – Erster Akt – Die Ouvertüre. Forrer veröffentlicht die Griechenhypothese ............................................................................. 106
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1927–1932 – Der zweite Akt – Mit „Trommel und Cinelli“............. 114 1932–1935 – Der dritte Akt – Ferdinand Sommers AΔΔijavaUrkunden und AΔΔijavafrage und Sprachwissenschaft sowie ein ehrenwerter Vermittlungsversuch von Fritz Schachermeyr.......... 124 Die tieferen Ursachen des Streites ...................................................... 132 Forrer versus Sommer: Das „respektlose Doktorlein“ gegen den Herrn Geheimrat ................................................................ 134 Das Netzwerk Ehelolf, Sommer, Friedrich und Götze sowie die organisatorischen Veränderungen in der Vorderasiatischen Abteilung............................................................... 137 Die drei Habilitationsversuche – ein Makel in den Augen Sommers? ..................................................................... 142 Gab es unmittelbare negative berufliche Auswirkungen der AΔΔijawa-Diskussion für Forrer? ....................................................... 143 1929–1932. Schwierige Jahre in Berlin ................................................... 165 Die erste Forschungsreise nach Kleinasien......................................... 170 Die Hoffnungen auf eine Fortsetzung der deutschen Grabung in Bo©azköi ........................................................................................ 171 1929–1933. Die „amerikanischen“ Jahre ................................................ 177 Das Oriental Institiute der University of Chicago .............................. 179 Die kretischen Inschriften und Forrers Aufenthalt auf Kreta.............. 188 Die mykenischen Linearinschriften .................................................... 190 Forrers intensive Reisetätigkeiten 1930 und die Verknüpfung diverser ad-hoc Projekte im Nahen Osten .......................................... 191 Emil Forrer und die Entdeckung von Ugarit....................................... 193 Forrer wird Grabungsleiter auf Zypern............................................... 196 Zwei Schicksalsschläge in kurzer Zeit................................................ 203 Die „Entzifferung der hethtischen Hieroglyphen“ im Jahre 1932 ...... 206 Forrer wird Gastprofessor an der Johns Hopkins University in Baltimore....................................................................... 211 Die Bryn-Mawr-College Episode ....................................................... 215 1933–1940. Bewegte Jahre ...................................................................... 223 Die Vortragsreihe in Genf und Lausanne ........................................... 223 Die Auswirkungen des NS-Diktatur auf die deutschen Universitäten...................................................................... 228 Die Nachfolge Bruno Meissners in Berlin .......................................... 236 Die Tell ˆalaf-Grabungen Max von Oppenheims.............................. 251 Die Gründung eines türkischen „Hatti-Institutes“ .............................. 255 Die neue Hochschulpolitik in der Gründerzeit der Türkei.................. 256 Forrers dritte Ehe ................................................................................ 263 Forrers kurze Beamtenkarriere............................................................ 263
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Die Maya-Inschriften.......................................................................... 275 1941–1948. Die letzten Jahre in Europa .................................................. 281 Der Beginn der Tätigkeiten für Wehrmachtsund Parteidienststellen ........................................................................ 284 Die Hohe Schule der NSDAP ............................................................. 290 Die Forschungsstelle Orient................................................................ 294 Die „Manda-Leute“ und die Indogermanisierung des Orients ........... 295 Forrers Kriegslist – ein Vorschlag an das Oberkommando der Wehrmacht......................................................... 298 Forrers vierte Ehe mit Dorothea Haupt............................................... 299 1945 – der Zusammenbruch des Dritten Reiches und Forrers letzter Versuch, in der Berliner Wissenschaft unterzukommen ..................... 300 Forrers Bemühungen, im Museum Fuß zu fassen,scheitern erneut .... 308 Forrer verlässt im Juli 1945 Deutschland ........................................... 309 Forschungen V – Forrers Forschungen für die Hohe Schule der NSDAP.................................................................... 312 Familienzuwachs und der Beginn eines neuen Lebensabschnittes ..... 316 1948–1986. Die Jahre in Mittelamerika .................................................. 317 Der Aufbruch nach Mittelamerika – eine lange Abenteuerreise ........ 319 Die Grundzüge der „Meropisforschung“ ............................................ 323 Die Großfamilie Forrers, die verschiedenen beruflichen Aktivitäten und die Mühsal des täglichen Lebens ................................................. 326 Forrer wird Mitarbeiter des Außenministeriums ................................ 328 Der Fußballkrieg ................................................................................. 330 Forrer meldet sich noch einmal in Ugaritica zu Wort ........................ 331 Forrer wendet sich an Hans Gustav Güterbock .................................. 332 Forrers Tod und späte Würdigungen eines Forscherlebens ................ 337 Was bleibt... ........................................................................................ 341 Anhang Biografien........................................................................................... 349 Schriftenverzeichnis Emil Forrers ...................................................... 411 Vorlesungen Emil Forrers 1926–1944 ............................................... 421 Ehen und Kinder ................................................................................. 425 Ausgewählte Bibliografie ................................................................... 427 Dokumentenverzeichnis...................................................................... 437 Indices Sachindex........................................................................................... 443 Personenindex..................................................................................... 446 Geografischer Index............................................................................ 451
Einleitung Die Geschichte der Erforschung der kulturellen und materiellen Hinterlassenschaften des Alten Orients beginnt mit der Entschlüsselung und Entzifferung der schriftlichen Zeugnisse der verschiedenen Kulturvölker zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Jean Fran~ois Champollion8 entzifferte in den Jahren von 1813 bis 1822 die damals als geheimnisvoll geltenden ägyptischen Hieroglyphen, lieferte den Passepartout zum tieferen Verständnis der ägyptischen Kultur und etablierte die Ägyptologie als eigenständigen Wissenschaftszweig. 9 Die Entzifferung der verschiedenen gebräuchlichen Keilschriften des Alten Orients ist eines der aufregendsten und spannendsten Kapitel der Geschichte der Errungenschaften menschlichen Forschergeistes. Der Italiener Pietro della Valle10 brachte 1621 die ersten Ziegel mit Keilschriftzeichen nach Europa und 1767 veröffentlichte der dänische OrientForscher Carsten Niebuhr11 umfangreiche Abschriften von Keilschrifttexten aus Persepolis. Der deutsche Griechischlehrer Georg Friedrich Grotefend12 machte den Anfang und entzifferte 1802 die altpersische Keilschrift anlässlich einer Wette unter Freunden. Die Entzifferung dieser vereinfachten persischen Keilschrift mit Hilfe des in der Behistun-Inschrift gefundenen dreisprachigen Textes führte letztendlich auch zur Entzifferung der komplexeren Keilschriften Elams und Babyloniens. Die Entzifferung der mesopotamischen Keilschriften ist mit den Namen Jules Oppert13, William Henry Fox Talbot14, Henry Creswicke Rawlinson15 sowie dem genialen irischen Reverend Edward Hincks16 verbunden. Vier Männer, die entschei8 9
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*23. Dezember 1790 (Figéac) – †4. März 1832 (Paris). Am 12. März 1831 erhielt er den ersten Lehrstuhl für Ägyptologie in Europa am Collège de France in Paris. Bereits ein Jahr später starb Jean François Champollion im Alter von nur 42 Jahren. *2. April 1586 (Rom) –† 21. April 1652 (Rom). *17. März 1733 (Lüdingworth) –† 26. April 1815 (Meldorf). *9. Juni 1775 (Hannoversch-Münden) –†15. Dezember 1853 (Hannover). *9. Juli 1825 (Hamburg) –†19. August 1905 (Paris). *11. Februar 1800 (Melbury)–†17. September 1877(Dorsetshire). *11. April 1810 (Chadlington, Oxfordshire)–† 5. März 1895 (London). * 19. August 1792 (Cork) – † 3. Dezember 1866 (Killyleagh).
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dend dazu beitrugen, diesen beeindruckenden Schritt zu vollbringen und hunderttausende Tontafeln, die in der Erde schlummerten und noch heute zahlreich von internationalen Archäologenteams an das Tageslicht geholt werden, zum „Sprechen“ zu bringen und uns nach Jahrtausenden einen imponierenden Einblick in die Vielfältigkeit der Literaturgenres gewähren. Die Geschichte der Erforschung der Keilschriften ist aber auch ebenso eine spannende Abenteuergeschichte der unterschiedlichen Charaktere der frühen Protagonisten. Ein irischer Reverend, ein Pionier der modernen Photographie und Abenteurer, ein englischer Adliger und Diplomat sowie ein Sprachwissenschaftler und Gelehrter sind die Hauptdarsteller in diesem wissenschaftsgeschichtlichen Krimi. Im Jahre 1857 zeigte sich, dass die Entzifferung der Keilschrift als gelungen angesehen werden kann. Die Royal Asiatic Society in London überreichte allen vier genannten Protagonisten der bisherhigen Entzifferungen in einem versiegelten Umschlag einen identischen Keilschrifttext, den alle unabhängig bearbeiten und übersetzen sollten. Keinem von ihnen konnte der Text bekannt sein, da dieser erst kurz zuvor bei Ausgrabungen zum Vorschein gekommen war. Die Royal Asiatic Society wollte mit diesem Vorgehen herausfinden, ob die Forscher zu vergleichbaren Ergebnissen kommen und die Entzifferung der mesopotamischen Keilschriften wirklich als erfolgreich vollbracht betrachtet werden kann. Es war die erste große Bewährungsprobe und die Geburtsstunde der Assyriologie. Das Ergebnis dieses Wettbewerbs war eindeutig. Die angefertigten Übersetzungen der vier Forscher waren in den wichtigsten Punkten nahezu identisch und die Assyriologie als neue Wissenschaft anerkannt. In der heutigen Medienwelt könnte man sich den Rummel um eine solche Veranstaltung, wie diese der Royal Asiatic Society, gar nicht groß genug vorstellen. In Sondersendungen wäre ein solches Ergebnis verbreitet worden: Bestückt mit sogenannten „Experten“, die den Fernsehzuschauern die wichtigsten Rahmendaten erläutern, wartet das große Publikum auf die entscheidende Liveschaltung nach London, wo in einem großen Saal spannungsgeladen die Umschläge mit den Übersetzungen geöffnet würden. Die Kameras präsentierten dann das sensationelle Ergebnis – vielleicht ähnlich wie bei Auslosungen zu sportlichen Großereignissen. Die Abendnachrichten machten mit der Meldung auf „Wissenschaftliche Sensation – Keilschrift erfolgreich entziffert“. So weit dieses nette Gedankenspiel. Aber all dies geschah 1857, ohne die modernen elektronischen Massenmedien, aber nichts desto weniger nahm dennoch die ganze Welt daran Anteil. Die Meldung von der erfolgreichen Entzifferung der mesopotamischen Keilschrift ging um den Globus und die großen Zeitungen aller Industrienationen berichteten ausführlich darüber, dass die 4000 Jahre alten Quellen, geborgen aus dem Sand des Nahen Ostens, ihre Botschaften preisgeben. Die vier
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Forscher verewigten sich mit ihrer Arbeit in den heiligen Hallen der Wissenschaft. In diesem Buch findet sich eine ganz ähnliche Geschichte, nur dass diese weltweit kaum Aufmerksamkeit erlangte. Sie vollzog sie zwar nicht gerade im stillen Kämmerlein, aber das Medienecho war doch weit geringer, berührte doch die Erschließung des Hethitischen zu jener Zeit nur einen sehr speziellen Teil der Keilschriftforschung. Und diese galt in der allgemeinen öffentlichen Wahrnehmung seit einem Jahrhundert als entziffert, also war es weniger aufregend, nicht mehr als eine Meldung auf Seite drei des Feuilletons. Hinzu kam, dass diese Erschließung während des Ersten Weltkrieges gelang, als die Meldungen über die Schlachten an den zahlreichen Fronten die Medien Europas und Amerikas beherrschten. Es finden sich aber alle Zutaten, die zu einer aufregenden und bisweilen auch abenteuerlichen Erzählung gehören. Wir finden starke Charaktere, die sich auf dem Felde der wissenschaftlichen Ehre duellieren, heimtückische Intrigen und Ränkespiele und geniale Geistesblitze. Das Entstehen und Werden einer spezialisierten neuen wissenschaftlichen Disziplin kann nun genauer nachgezeichnet werden, vor allem, weil wir aus nachgelassenen Briefen und Dokumenten die damaligen wenigen forschenden Protagonisten wieder zu Wort kommen lassen können und in Teilen deren persönliche Einschätzungen mancher Sachverhalte wiedergewinnen. Es ist gleichsam ein Blick in den „Kreissaal“, als die „Wehen“ einsetzen und die Hethitologie geboren wurde. Einer dieser Mitbegründer der Hethitologie war ein junger Schweizer, der während des Ersten Weltkrieges in Berlin begeistert und sehr ambitioniert seinen assyriologischen Studien nachging und voller Zuversicht und hoffnungsfroh auf die vor ihm liegende akademische Karriere schaute. Geboren in Straßburg, das bis 1918 noch zum deutschen Kaiserreich gehörte, entstammte er dem gehobenen Bildungsbürgertum. Sein Vater war ebenfalls Altertumskundler und ein bedeutender Gelehrter seiner Disziplin. Von ihm „erbte“ er auch die Schweizer Staatsbürgerschaft. Emil Forrer, so der Name jenes jungen Helden, wählte nach zwei Jahren intensiven Studiums an der Straßburger Universität die Metropole Berlin als zukünftigen Wirkungsort, da dort das Zentrum der Altorientalistik in Europa – ja sogar weltweit – lag. Dort saßen die meisten namhaften Forscher und Lehrmeister der verschiedenen Keilschriftdisziplinen und in die dortigen Museen und Forschungsinstitute floss jährlich reichlich neugefundenes Textmaterial aus Assur, Bo©azköi und Babylon. Hier befand sich zu jener Zeit das Mekka für angehende wie auch gestandene Altorientalisten. Der damals knapp zwanzigjährige Forrer war eine dynamische, sportliche Gestalt und sein hervorstechendstes äußerliches Merkmal waren seine großen Augen sowie sein klarer und markanter Blick. Sein scharf konturiertes Gesicht
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vermochte es, Menschen in seinen Bann zu ziehen, was insbesondere für den weiblichen Teil der Gesellschaft galt. Ein weiteres typisches Merkmal Forrers – seit Schulzeiten bereits – war sein Hang zu großen Ideen und zu ausladenen Gedankengebäuden, die einen weiten Bogen spannend, Lösungen für viele, manchmal zu viele offene Fragen in einem Wurf boten. Mit einer an Dickköpfigkeit grenzenden Beharrlichkeit hielt er an seinen Thesen fest, auch wenn sich die erwiesenen Fakten dann gegen ihn wandten. Man kann sagen, Emil Forrer war ein genial veranlagter Forscher, der sein Umfeld polarisierte, so wie es oft bei solchen Charakteren der Fall ist. Zwischentöne gab es in seinem Leben nur wenige. Entweder man war sein Anhänger und persönlicher Freund oder man war sein erbitterter Gegner. An Letzteren hat es Forrer nie gemangelt. Und dennoch hat er auf dem Gebiet der Hethiterforschung entscheidend zur Etablierung des Faches als eigenständigem Wissenschaftszweig beigetragen und sich dort große und bleibende Verdienste erworben. Dies sichert ihm einen ehrenvollen Platz in der Geschichte der Hethitologie, die bis nach dem Zweiten Weltkriege eine überwiegend deutsche Geschichte ist.
Die Wiederentdeckung der Hethiter Im 14. Jahrhundert v. Chr. gehörte das hethitische Reich zu den Großmächten des Vorderen Orients und war ebenso bedeutend und mächtig wie das Reich der ägyptischen Pharaonen. Sie pflegten intensiven diplomatischen Kontakt mit den Herrschern anderer altorientalischer Großreiche wie Assyrien oder Babylonien, verfügten über eine beeindruckende Gesetzessammlung und hielten über Jahrhunderte ein riesiges Staatsgebiet durch ein ausgeklügeltes Vertragswesen wie durch militärische Stärke zusammen. Dennoch verschwand innerhalb weniger Jahrhunderte jede tiefgreifendere Erinnerung an jenes bedeutende Volk und dessen Großreich. Aus der Bibel ist die Bezeichnung Hethiter bekannt, denn Personen wie Ephron der Hethiter spielen Nebenrollen in der biblischen Überlieferung. Da aber das Alte Testament erst Jahrhunderte nach dem Untergang des hethitischen Großreiches schriftlich fixiert wurde, kann es sich bei den dort genannten Hethitern nur um die Nachfahren jener Großreichshethiter handeln, die hethitische Namen und Teile ihrer Kultur bewahrt haben. Bis vor nahezu einem Jahrhundert war es den Altertumskundlern, Historikern und Archäologen nicht möglich, überhaupt ein Bild von jenen Hethitern nachzuzeichnen, die so völlig aus dem Gedächtnis der Menschheit verloren gegangen waren. Jenen Hethitern, denen es gelang, Babylon zu plündern und gleichrangig neben den so berühmten und mächtigen Pharaonen Ägyptens standen.
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Die Wiederentdeckung der Hethiter begann 1834, als der französiche Entdecker, Abenteurer und Handelsreisende Charles Félix Marie Texier17 das anatolische Hochland mit Genehmigung der osmanischen Behörden durchstreifte und auf unbekannte Ruinen beim Dorf Bo©azköi stieß. Eigentlich war Texier auf der Suche nach Spuren des römischen Tavium, als er die Ruinen bei Bo©azköi entdeckte. Zwar konnte er seinen Fund nicht richtig zuordnen, da er glaubte, auf die medische Stadt Pteria gestoßen zu sein, aber wir verdanken ihm die erste Dokumentation und Skizzierung des Stadtareals sowie des Felsheiligtums Yazilikaya, das aufgrund der Darstellung der Götterprozession berühmt geworden ist. 18 In den nachfolgenden Jahrzehnten besuchten weitere Forschungsreisende die Ruinen bei Bo©azköi, darunter Heinrich Barth, 19 der in einer der Kammern des Felsheiligtums Yazilikaya weitere Reliefdarstellungen freilegte, Ernest Chantre20, der die ersten Photographien von den Ruinen machte und auch die ersten Keilschrifttafeln aus Bo©azköi publizierte sowie die deutschen Architekten und Archäologen Carl Humann21 und Otto Puchstein22, die einen ersten topographischen Plan der Ruinenstadt erstellten und Gipsabdrücke von zahlreichen Reliefdarstellungen machten. Im Jahre 1906 unternahm der deutsche Assyriologe Hugo Winckler 23 zusammen mit Theodor Makridi24 erste umfangreiche und systematische Grabungen in Bo©azköi, in der Hoffnung, die Hauptstadt der Hethiter dort zu finden. Vorausgegangen war ein deutsch-britisches Diplomatenscharmützel um die Grabungslizenz. Aufgrund der engen wirtschaftlichen und politischen deutsch-osmanischen Beziehungen sowie der Einflussnahme des deutschen Kaisers Wilhelms II. wurde die Angelegenheit zu Gunsten der Deutschen Orientgesellschaft entschieden. Der britische Altertumsforscher und Altorientalist John Garstang25 hatte 1905 mit einer Anfrage an den osmanischen Herrscher dieses Wettrennen um die begehrte Grabungslizenz in Gang gesetzt, musste sich aber letztendlich mit einer Absage abfinden. Bei dieser ersten Grabung, die auf dem Ruinenhügel der hethitischen Könige, dem Büyükkale, durchgeführt wurde, kamen bereits ca. 17 18
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*1802 (Versailles) – † 1871 (Paris). Charles Texier hat die Ergebnisse seiner Reise veröffentlicht: Asie Mineure, Déscription Géographique, Historique et Archéologique des Provinces et des Villes de la Chersonnese Asie, Paris 1882. * 16. Februar 1802 (Hamburg) – † 25.11. 1865 (Berlin). * 1843 – † 1923. * 4. Januar 1939 (Essen-Steele) – † 12. April 1896 (Izmir). * 6. Juli 1856 (Lades) – † 9. März 1911 (Berlin). * 18. Juli 1863 (Gräfenhainichen) – † 19. April 1913 (Berlin). * 1872 (Istanbul) – † 1940 (Istanbaul) * 5. Mai 1876 (Blackburn) – † 12. September 1956 (Beirut).
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2.500 Keilschrifttafeln und Fragmente zum Vorschein, die unzweifelhaft bewiesen, dass die Ruinen bei Bo©azköi definitiv zu der Hauptstadt der Hethiter Hattuça gehörten und das politische Zentrum dieses hethitischen Großreichs gefunden war. In den Jahren 1907, 1911 und 1912 erfolgten weitere Grabungen, die nun in Kooperation des Deutschen Archäologischen Institutes (DAI) und der Deutschen Orientgesellschaft (DOG) durchgeführt wurden, die weitere zahlreiche Tafelfunde hervorbrachten und das Inschriftenmaterial auf mehr als 10.000 Tafeln erweiterten. Neben den in hethitischer Sprache abgefassten Dokumenten fanden sich auch zahlreiche Urkunden in babylonischer Sprache, die zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres gelesen und verstanden werden konnten. Diese Urkunden belegten nun, dass die Herrscher der Hethiterreiches neben Babylonien, Ägypten und Assyrien einst zu den Großmächten des Alten Orients gehörten. 1915 gelang es dem tschechischen Gelehrten Bed√ich HroznŸ, sich tiefer in das Verständnis des Hethitischen einzuarbeiten und die Erschließung der Sprache und für das genauere Verständnis der Texte die wissenschaftliche Basis zu bieten. Dabei stellte er fest, dass es sich beim Hethitischen um eine indogermanische Sprache handelte, und so legte er seine wichtigen Erkenntnisse 191526 und ausführlicher nochmals 191727 vor. Von nun an setzte eine intensive Erforschung tausender Keilschrifttexte der Hethiter ein. Die bis dahin aus dem Gedächtnis der Menschheit verloren gegangene Kultur wurde aus dem Dunkel der Geschichte – Stück für Stück und Täfelchen für Täfelchen – zurückgeholt. Genau an diesem Punkt der Forschungsgeschichte setzt diese Biografie ein. Als HroznŸ 1917 den fundamentalen Schritt zur Erschließung der hethitischen Sprache, umfangreicher als noch 1915, publizierte, betritt der junge Schweizer Assyriologe und Althistoriker Emil Orgetorix Gustav Forrer die Bühne und beginnt sich in einsamen Nächten die Inhalte von abertausenden Keilschrifttafeln anzueigenen und systematisch auf Karteikarten zu notieren. Bis Ende 1918 ge26 27
Die Lösung des hethitischen Problems, in: Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft, 1915, Bd. 56, p. 17 – 50. Die Sprache der Hethiter, ihr Bau und ihre Zugehörigkeit zum indogermanischen Sprachstamm. Ein Entzifferungsversuch, in: Boghazköi-Studien, Bd. 1 (2/1), Leipzig 1917.
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schah dies sogar weitgehend unbemerkt von der sehr kleinen Fachwelt der Keilschriftspezialisten, die sich im Zentrum der Keilschriftforschung, in Berlin, versammelt hatte, ganz zu schweigen von der großen Öffentlichkeit. Sehr bald aber sollte Emil Forrer auch über die Grenzen des kleinen und unbekannten Faches hinaus wahrgenommen werden.
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Die Straßburger Jahre zur Kaiserzeit, der familiäre Hintergrund, die Geschwister und der Weg nach Berlin 1894–1915. Beeinflusst durch den Beruf des Vaters, begibt sich Forrer schon als Schüler auf geisteswissenschaftliches Terrain. Nach dem Abitur entscheidet sich Forrer die Fächer Alte Geschichte, Philosophie, Ägyptologie und Geographie zu studieren. Der alte Orient rückt in den Mittelpunkt seines Interesses.
Die elsässische Stadt Straßburg, eine Stadt mit langer und wechselvoller deutsch-französischer Geschichte, gehörte um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert zu den wichtigsten Zentren sowohl von Handel und Industrie, als auch von Kunst und Wissenschaft im damaligen Deutschen Reich. Insbesondere die Universität trug dazu bei, dass die Stadt innerhalb des Reiches einen sehr guten Ruf, weit über die Grenzen des Elsass hinaus, genoss. Hinzu kam eine Art Lebensgefühl, das man als weltoffen und wenig provinziell beschreiben kann. Dies hat seine Ursachen natürlich in der geografischen und damit auch kulturellen Nähe zu Frankreich und der zwischen diesen beiden Ländern wechselnden Herrschaft über das Elsass. Auch wenn es Lokalpatriotismus gab und eine gewisse „Deutschtümelei“ in jener nationalistisch geprägten Zeit zum guten Ton gehörte, so waren die Elsässer immer ein wenig liberaler in ihrem Lebensstil, als andere Regionen des damaligen Reiches. Es verwundert daher keineswegs, dass namhafte wissenschaftliche Persönlichkeiten jener Zeit zur Straßburger Dozenten- und Professorenschaft gehörten, zumal mit der ausgesprochen guten elsässischen Küche und den ausgezeichneten regionalen Weinen ein gewisses Savoir Vivre diese gesellschaftlichen Kreise kennzeichnete. So vertraten u.a. Carl Frank die Assyriologie, Wilhelm Spiegelberg28 die Ägyptologie sowie Enno Littmann die Semitistik.
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Wilhelm Spiegelberg (*1870–†1930) war von 1899–1918 Professor für Ägyptologie in Straßburg, lehrte von 1919 bis 1923 in Heidelberg und ab 1923 in München.
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Kindheit und Jugend
Auch der Vater Emil Forrers, Robert Eduard Forrer,29 gehörte zu den wissenschaftlichen Persönlichkeiten, die an dieser Universität lehrten und mit ihrem gesamtem Wirken auch außerhalb der Universität zu diesem Ruf beitrugen. Die Familie Forrer stammte ursprünglich aus einem kleinen Ort namens Meilen in der Nähe von Zürich, wo Robert Forrer 1866 geboren wurde. Schon früh interessierte er sich für die Archäologie, einer damals in ganz Europa, vor allem seit den Aufsehen erregenden Funden Schliemanns in Troia oder Layards in Assur, sehr populären Disziplin, über die praktisch die ganze damalige gelehrte und gebildete Welt sprach. Das allgemeine Interesse ging so weit, dass Robert Forrer im jugendlichen Alter von 16 Jahren in Zürich bereits seine erste archäologische Zeitschrift, die Antiqua, gründete. Dies ermöglichte ihm auch die finanzielle Unabhängigkeit, die sein vermögender Vater Robert Melchior Forrer, 30 ein erfolgreicher Kaufmann, der Familie geschaffen hatte. Nachdem er in Bern seine Promotion erfolgreich abgeschlossen und sich als erfolgreicher Antiquitäten- und Kunsthändler etabliert hatte, siedelte Robert Forrer im Jahre 1887 nach Straßburg über und begann an der dortigen Universität seine eindrucksvolle wissenschaftliche Laufbahn. 1893 unternahm er eine ausgedehnte Forschungsreise, die ihn u.a. nach Ägypten und nach Byzanz, dem damaligen Konstantinopel führte. Sein zentrales wissenschaftliches Interesse aber war die Vor- und Frühgeschichte Europas, insbesondere des Elsass. Dabei deckte er neben der Archäologie auch die Kunstgeschichte, die Numismatik und die Kulturgeschichte bemerkenswert fundiert ab. Robert Forrer, ein sachkundiger und begeisterter Sammler wertvoller Münzen, Gemälde und weiterhin auch Antiquitäten, war einer der führenden Vor- und Frühgeschichtler seiner Zeit. Er gründete in Straßburg das Museum für römische und vorgeschichtliche Altertümer und leitete diese Institution jahrzehntelang als geschäftsführender Direktor. Aufgrund seiner detaillierten Kenntnisse und seines hohen Ansehens, gleichermaßen als Wissenschaftler wie als Bürger, war Robert Forrer auch viele Jahrzehnte lang als Generalkonservator des Elsass tätig. Dies war damals eine wichtige, anerkannte wie einträgliche Position, deren Ansehen in weiten Kreisen der Gesellschaft spürbar war. Er veröffentlichte
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*9. Januar 1866 in Meilen – †9. April 1947 in Zürich. Eine ausführliche Biografie über Robert Forrer hat Bernadette Schnitzler, Robert Forrer (1866-1947) archéologue, écrivain et antiquaire, Straßburg 1999 vorgelegt, die auch zahlreiches Bildmaterial aus der Besitz der Familie Forrer zeigt, u.a. auch Kinderfotos von Emil Forrer. *1836 – †1893.
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zahlreiche Aufsätze und Schriften, darunter Werke grundlegender Bedeutung31, die bis heute ihren Wert als Handbücher nicht verloren haben. Anlässlich einer Reise nach Berlin lernte Robert Forrer die Modezuschneiderin Emilie Albertine Hager (1861–1925), die ursprünglich aus Bendorf am Rhein (nahe Koblenz) stammte, in einem Berliner Modehaus kennen und lieben. Näheres über diese Verbindung ist nicht zu erfahren, fest steht aber, dass die beiden bald heirateten und insgesamt fünf Kinder aus dieser Ehe hervorgingen. In diesem großbürgerlichen und wissenschaftlich geprägten Milieu, mit der Universität und ihren zahlreichen Instituten und Einrichtungen (Bibliotheken, wissenschaftlichen Sammlungen etc.) in direkter Nähe des Elternhauses, wuchs Emil Orgetorix Gustav Forrer mit seinen Geschwistern auf. In der Universitätsstraße 4 in Straßburg bewohnte die Familie ein standesgemäßes Haus, in welchem die Kinder frei von materiellen Sorgen aufwachsen konnten und beinahe selbstverständlich einen höheren Bildungsweg einschlugen. Emil Forrer wurde am 19. Februar 1894 als drittes Kind der Eheleute Forrer geboren. Seine älteste Schwester Clara Amalie Emilie, geboren 1888, starb bereits im Geburtsjahr Emil Forrers an Diphtherie. Sein älterer Bruder war Robert Carl Eberhard Forrer, geboren am 5. Juli 1891, der sich später den Naturwissenschaften zuwandte und in Physik promovierte. Er arbeitete dann am Physikalischen Institut der Universität Straßburg und wurde später korrespondierendes Mitglied der Société Scientifique Fran~aise. Das Verhältnis von Emil Forrer zu seinem älteren Bruder Robert kann aufgrund der wenigen Quellen, die zur Verfügung stehen, nur unzureichend beurteilt werden. Auffallend ist, dass Emil Neuigkeiten, die ihm auf der Seele liegen und die er unbedingt jemandem in der Familie mitteilen möchte, selten an seinen Bruder schreibt. Fast immer ist seine jüngste Schwester Odile diejenige, die er zuerst ins Vertrauen zieht. Eher selten taucht auch der ältere Bruder als Ratgeber in den Briefen auf, weder gefragt noch ungefragt. Die nächst jüngere Schwester Maria Clara Forrer (genannt Mariechen) wurde 1897 ebenfalls im Straßburger Elternhaus geboren und assistierte dem Vater später beim Ankauf und der Verwaltung seiner zahlreichen Antiquitäten. Sie war allem Anschein nach auch so etwas wie der Liebling des Vaters, 32 heiratete später den Biologieprofessor Fritz Süffert und lebte mit ihm in Berlin. Nach dem Tod ihres Gatten im Jahre 1945 kehrte sie nach Straßburg in das elterliche Haus zurück. An Mariechen 31 32
Als das wohl bedeutendste Werk Robert Forrers gilt das Reallexikon der prähistorischen, klassischen und frühchristlichen Altertümer, Berlin/Stuttgart 1907. Siehe B. Schnitzler, op. cit. 1999, p. 200.
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sind später einige Briefe Emils adressiert, die überwiegend familiärer Art sind, die auf ein normales Bruder-Schwester Verhältnis hindeuten. Die jüngste Schwester Emil Forrers, Magdalena Odila Carolin Forrer (genannt Odilchen) wurde am 22. Dezember 1902 geboren. Sie unterstützte ihren Vater im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Straßburg und heiratete später den berühmten Archäologen Claude Frédéric Schaeffer, der 1928 eine Expedition der Pariser Akademie nach Syrien leitete, in dessen Verlauf Ras Schamra als das antike Ugarit identifiziert werden konnte.33 Sie begleitete ihren Mann regelmäßig auf seinen Reisen. Das Verhältnis Emils zu seiner jüngsten Schwester kann zumindest nach den Briefen und den Erzählungen von Familienangehörigen als sehr herzlich und eng beschrieben werden. Regelmäßig schrieb er während seiner späteren Berliner Studentenzeit Briefe an „Odilchen“, in denen auch gemeinsame Erinnerungen an die Straßburger Zeit vorkommen und auch die gegenseitige Vorfreude auf anstehende Besuche Emils in Straßburg das Thema sind. Wenn unter den Geschwistern ein engeres Verhältnis bestand, dann war dies sicherlich das zu „Odilchen“. Der Kontakt zu ihr riss nie ab, auch nicht während seines Aufenthaltes in El Salvador. In dieser Zeit unterstützte Odile ihren Bruder auch weiterhin finanziell und half ihm, seine mittlerweile große Familie zu ernähren. Als der Vater im Jahre 1947 starb und den Kindern das Erbe vor allem in Form von Antiquitäten und wertvollen Kunstgegenständen zufiel, da war es seine jüngste Schwester, die Emil seinen Erbteil an diesen Gegenständen abkaufte, damit er sein Vorhaben, nach Mittelamerika zu gehen, realisieren konnte.34 Allen Kindern offenbar gemeinsam, soweit die Briefe diesen Schluss zulassen, war die Liebe zur Musik und insbesondere zum Klavierspiel. In allen Korrespondenzen Emils mit seinen Geschwistern kommen immer wieder Ausführungen zu verschiedenen Musikvariationen und Eigenkompositionen vor sowie der rege Austausch von Notenmaterial. Vor allem die beiden Brüder Emil und Robert scheinen sich auf dem Gebiete des Arrangierens und Komponierens betätigt zu haben, denn ein nicht unerheblicher Teil ihrer aus den Jahren 1917–1922 überlieferten Korrespondenz enthält fundierte musiktheoretische Überlegungen. Diese Leidenschaft Emil Forrers ist während seines ganzen Lebens erhalten geblieben. In seinem Arbeitszimmer in dem Haus in Erkner stand ein Harmonium, das er in den 33
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Bezüglich der Entdeckung Ugarits und dem Anteil Emil Forrers daran, siehe C.F.A. Schaeffer, 1932, Syria, Bd. XIII (1932) 24–27: „M. Émile Forrer, le premier, m…avait suggéré ce rapprochement il y a tantôt deux ans. Je dois avouer que je n…y avais pas attaché l…importance que méritait son indication.“ So Mariana Forrer, die Frau Wolfgang Forrers, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 6. September 2002.
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Pausen seiner anstrengenden wissenschaftlichen Arbeit zur Entspannung spielte. Über die eigentliche Kindheit Emil Forrers sind die Informationen, die sich aus den vorliegenden Materialien gewinnen lassen, allerdings recht spärlich. Bis auf wenige von ihm selbst publizierte Hinweise35 und gelegentliche Informationen aus den Briefen späterer Jahre lässt sich leider nicht viel zusammentragen. Soweit feststellbar, verbrachten die Kinder allesamt eine meistenteils unbeschwerte Kindheit. Aufgrund der Tätigkeit und des Einflusses des Vaters kamen sie schon recht früh mit wissenschaftlichen Arbeitsmethoden im weitesten Sinne in Berührung und diese fielen – dies legen auch die Lebensläufe aller Kinder Robert Forrers nahe – auf fruchtbaren Boden. Eine Besonderheit, die der Vater sich in der elterlichen Wohnung geschaffen hatte, hinterließ beim jungen Emil einen tiefen Eindruck. Der Vater hatte sich sehr auffällig gestaltete Räume eingerichtet, die z.B. in ägyptischem Ambiente oder ganz im gotischen Stil gehalten waren und im Falle des letzteren wie eine Art Kirchenschiff gewirkt hat. Zahlreiche wertvolle und imposante Kunstwerke und Antiquitäten schmückten diesen Raum und verliehen ihm eine ganz besondere Atmosphäre. Auch scheint der junge Emil nachhaltig von seinem Vater und dessen Beruf beeindruckt gewesen zu sein, da er sich schon früh auf dem gleichen Arbeitsgebiet betätigte und ihm nachzueifern suchte. Dabei unternahm er schon früh eigene und zum Teil sehr detaillierte historische Forschungen. Schon während seiner Abiturientenzeit sammelte er Ortsnamenbelege aus römischen Quellen und versuchte diese zu etymologisieren und entsprechend geografisch zu lokalisieren. Nach eigenen Angaben umfasste seine diesbezügliche Zettelsammlung mehrere hundert Einträge. Neben der historischen Geografie, der er lange treu bleiben sollte, faszinierten ihn aber in dieser Zeit vor allem Fragen der ethnologischen Struktur Galliens und Helvetiens. Auch zu diesem Themengebiet sammelte er Personen- und Stammesnamen. Seine Überlegungen und Schlussfolgerungen diskutierte er schon als Schüler mit dem Vater. Etwas ausführlicher beschreibt er seinen Einstieg in die geisteswissenschaftliche Arbeitsweise im Jahre 1975:36 „Ich begann mit dem graecoromanischen Geographen Strabo, 65 vor bis 19 nach Chr., dessen Werk ich gut kannte; denn als vierzehnjähriger Junge sah ich es auf 35
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Siehe Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft, Bd. 63, 1924, p. 29: „Alle Probleme und Methoden der Vorgeschichtsforschung und Archäologie sind mir infolgedessen (gemeint ist die Tätigkeit des Vaters) früh selbstverständlich geworden.“ E. Forrer, Homerisch und Silenisch, 1975, p. 75. und Detlev Groddek, Çarnikzel, Dresdener Beiträge zur Hethitologie, Bd. 10, 2004, p. 15.
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Kindheit und Jugend dem Schreibtisch meines Vaters Dr. Robert Forrer sen. liegen, begann es aus Neugier zu lesen, und mit solcher Begeisterung, dass ich damals, dem Rate meines Vaters folgend, begann einen Zettelkatalog der geographischen Namen Strabos anzulegen, der seitdem immer neue Gebiete einbeziehend, schon vor jahrzehnten mehr als hunderttausend Zettel umfasste.“
Dabei hatte er offenbar schon recht früh um die Anerkennung seines Vaters zu ringen, wie so manche seiner Briefe aus der Studentenzeit zeigen. Auch das Gespräch des Verfassers mit Emil Forrers ältestem Sohn Wolfgang bestätigte dies. Der Vater hielt Emil oftmals für zu euphorisch und phantastisch in seinen Schlussfolgerungen und riet oft zur Mäßigung. 37 Ein Brief vom 18. Januar 1918 von Emil an seinen Vater anlässlich seiner Promotion in Berlin scheint dafür auch Beleg zu sein. Dort heißt es: „Deine früher häufig geäußerten Ermahnungen zu sorgfältigem Abwägen der Fakten und nüchterner Beurteilung dessen, was man an Schlussfolgerungen ziehen darf, waren mir dabei stets in bester Erinnerung und haben mich diesmal geleitet. Also keine Phantastereien, wie Du vielleicht argwöhnen könntest.“
Insgesamt erscheinen die Briefe an seinen Vater sehr oft als Rechtfertigung und Erläuterung seiner wissenschaftlichen Tätigkeiten in Berlin, so dass hier die Vermutung geäußert werden darf, dass der Vater als eine Art strenge Instanz bei Emil galt. Emil Forrer besuchte das Straßburger Lyzeum und schloss seine Schulausbildung im Jahre 1911 erfolgreich mit dem Abitur ab. Er war ein sehr sportlicher junger Mann, ein Charakteristikum, das ihn auch später auszeichnen sollte. Für die Familie und damit für die Kindheit Emils waren die zahlreichen Ausflüge und Exkursionen an den Straßburger Hausberg Mont Sainte-Odile prägend. Vielleicht stammt daher auch seine Verbundenheit zur Natur. Die wenigen publizierten Familienfotos38 zeigen die Familie Forrer einige Male auf gemeinsamer Ausflugstour an diesem Berg. Weitere Einzelheiten aus der Kindheit bzw. frühen Jugendzeit lassen sich leider nicht anführen, da das briefliche Material auch erst Ende 1916 einsetzt und sich kaum mit Rückblicken auf die eigene Kindheit befasst. Nach dem Abitur am protestantischen Gymnasium seiner Heimatstadt begann der Achtzehnjährige 1912 seine Studien zunächst an der Universität Straßburg. Es verwundert nicht, dass aufgrund der frühen Prägung durch den Vater auch Emil sich für die Geisteswissenschaften entschied. In seinem Lebenslauf, den er später seiner Dissertation beifügte, 39 heißt es :
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Wolfgang Forrer deutete mehrfach an, dass Robert Forrer in diesem Punkt mehr als kritisch mit seinem Sohn Emil umging. Siehe B. Schnitzler, op.cit.1999, u.a. p. 192, 194. Archiv der Humboldt-Universität, Bestand Phil. Fak. 590.
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„Mein schon in der Schulzeit betätigtes Interesse für antike Geographie führte mich auf die Geschichte und die Sprachen des alten Orients, deren eingehendem Studium ich mich nunmehr neben dem der Philosophie und der modernen Geographie vorzugsweise hingab.“
In Straßburg waren gerade die Fächer, die sich sowohl sprachlich als auch historisch mit dem Alten Orient befassten, darunter die Semitistik, durch namhafte Vertreter ihrer Fächer hervorragend vertreten. Assyrisch hörte Forrer bei Carl Frank, dem er später wieder in Berlin begegnen sollte und Ägyptisch wurde von Wilhelm Spiegelburg gelehrt. Altpersisch vertrat Albert Thumb, Arabisch und Persisch hörte Forrer bei Enno Littmann, Geographie bei Karl Sapper sowie antike Geschichte bei Karl Johannes Neumann. All seine Lehrer waren renommierte Gelehrte jener Zeit, so dass der junge Forrer schnell ein tieferes Verständnis vom Wesen der orientalischen Sprachen und der verschiedenen gebräuchlichen Schriftsysteme, insbesondere der assyrischen Keilschrift und der ägyptischen Hieroglyphen, gewann. Anscheinend aber reichte ihm das, was seine Straßburger Alma Mater zu bieten hatte nicht aus, oder aber einer seiner akademischen Lehrer riet ihm zum Universitätswechsel, denn im Herbst des Jahres 1913 siedelt der damals neunzehnjährige Forrer nach Berlin über. 40 Leider geben die vorliegenden Dokumente keinen definitiven Aufschluss darüber, was der Grund hierfür war und wie er diesen bis dahin doch wichtigsten Lebensschritt vorbereitete. Einen kleinen Hinweis jedoch hält ein ausführlicher maschinenschriftlicher Lebenslauf aus dem Jahre 1939 bereit. 41 „Im Herbst 1913 siedelte ich nach Berlin über, um in Eduard Meyer den gesuchten Führer auf dem Gebiet der altorientalischen Geschichte zu finden. Zugleich entschied ich mich zwischen Ägyptisch und Assyrisch, die bis dahin im Vordergrund gestanden hatten, für letzteres, für das ich nun Fr. Delitzsch zum Lehrer hatte.“
Es bleibt offen, ob es Forrer selbst war, der Eduard Meyer als den „gesuchten Führer“ klassifizierte, oder ob es nicht doch auf Anregung seines Straßburger Lehrers Wilhelm Spiegelberg zurückgeht.42 Immerhin war 40
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Dies könnte man vermuten. Denn Carl Frank, der die Assyriologie in Straßburg vertrat, war Schüler des wohl bekanntesten und angesehensten Assyriologen seiner Zeit, Friedrich Delitzsch. Delitzsch hatte eine ganze Schule von Assyriologen in Berlin ausgebildet und war zugleich nebenamtlich Direktor des Vorderasiatischen Museums in Berlin. Möglicherweise erkannte Frank das zweifellos vorhandene Talent des jungen Forrer und riet ihm, nach Berlin zu Delitzsch zu gehen, um dort seine Studien zu beenden. Dies ist aber aus den Dokumenten nicht direkt zu belegen. Archiv der Humboldt-Universität Berlin, Bestand UK PA F 95, Bd. II vom 2. April 1939. In einem Brief an James Henry Breasted erwähnt Forrer den Tod seines Straßburger Lehrers Spiegelburg und fügt an, dass dieser „mithalf seinen Weg nach Berlin zu Eduard Meyer zu finden.“
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Berlin zu jener Zeit das Zentrum der Keilschriftforschung in Deutschland. Hinzu kam das renommierte Königliche Museum mit seinen umfangreichen Beständen an Originalfunden und einer schon damals großen Keilschriftsammlung sowie den damit verbundenen idealen Forschungsmöglichkeiten. Und nicht zu vergessen, auch die auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Erschließung und Veröffentlichung der Funde äußerst aktive Deutsche Orientgesellschaft hatte ihren Sitz in Berlin und gehörte zu den renommiertesten Institutionen innerhalb der Keilschriftforschung, die zum damaligen Zeitpunkt sogar über ansehnliche finanzielle Mittel für die Realisierung größerer Forschungsvorhaben verfügte. Der stetige Zustrom an neuem, unveröffentlichtem Material aus den verschiedensten Grabungsorten floss wie selbstverständlich nach Berlin. Junge Forscher erhielten früh die Gelegenheit, an der Spitze der Forschung mit unveröffentlichtem Textmaterial zu arbeiten und sich mit Publikationen einen Namen zu machen. Möglicherweise spielten diese Punkte bei der Entscheidung nach Berlin zu gehen eine Rolle. Fest steht, dass Forrer nach dem Wechsel nach Berlin gleich auf zwei Gebieten die weltweit führenden Vertreter ihrer Fächer als Lehrer hatte und in ein wissenschaftliches Umfeld zog, das für die Altorientalistik im deutschsprachigen Raum kein zweites Mal vorhanden war. Zum Sommersemester 1915 siedelte Emil Forrer endgültig nach Berlin über.
1915–1917. Die ersten Jahre in Berlin C
Während in Folge der kriegerischen Ereignisse seit 1914 in Europa „die Lichter ausgingen“, arbeitete Forrer an seiner Promotion bei Eduard Meyer und Friedrich Delitzsch. Ein ganz besonderer Händedruck ermöglicht ihm die unverhoffte Teilnahme an den Examina.
Im Sommer des Jahres 1914 überschlugen sich die Ereignisse in Europa. Mit dem Attentat auf das österreichische Thronfolgerpaar im bosnischen Sarajewo explodierte die ohnehin angespannte politische Situation in Europa mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Die Mittelmächte Deutschland, Österreich-Ungarn und anfangs auch Italien auf der einen, sowie Frankreich, England, Russland auf der anderen Seite mobilisierten ihre Massenheere und das millionenfache Sterben einer ganzen Generation junger Männer nahm im August 1914 seinen Anfang. Auch an den Universitäten überall in Europa rückten die Studenten, meist freiwillig, in die Kasernen ein, um ihrem jeweiligen Vaterland einen Dienst zu leisten. Viele junge Altorientalisten und Hethitologen, die später diese Wissenschaft prägten, nahmen an verschiedenen Fronten und in unterschiedlichsten Funktionen an diesem Krieg teil.43 Nachdem Forrer zunächst zwei Jahre in Straßburg studierte, siedelte er im Jahre 1913 nach Berlin über, ohne dass sich detaillierte Spuren von ihm in den nachgelassenen Unterlagen finden ließen. Die wenigen Hinweise für seinen frühen Berlin-Aufenthalt finden sich, wie erwähnt, in einem maschinenschriftlichen Lebenslauf aus dem
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Die Reihe der Kriegsteilnehmer aus dem Fachgebiet Altorientalistik ist lang; hervorgehoben seien an dieser Stelle nur Hans Ehelolf, der spätere Kustos der Vorderasiatischen Abteilung des Berliner Museums und Albrecht Götze (nach 1933 Goetze geschrieben), die vier Jahre in der kaiserlichen Infanterie an verschiedenen Fronten gedient haben und z.T. schwer Verwundungen erleiden mussten.
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Jahre 193944 sowie in einer Semesteraufzählung der offiziellen Urkunde anlässlich seiner Anmeldung zur Promotion in Berlin.45 Als in „Europa die Lichter ausgingen“ und die Massenheere nahezu aller damaligen europäischen Großmächte einen mörderischen Krieg zu führen begannen, wurden zahlreiche, vielversprechende junge akademische Karrieren abrupt unterbrochen. Auch der junge Emil Forrer musste sein Studium in Berlin unterbrechen und wurde von den Schweizer Militärbehörden im August 1914 zur Schweizer Armee eingezogen. Die Schweiz nahm zwar aufgrund ihrer bekannten und traditionellen Neutralitätshaltung nicht als kriegführende Partei am Kriege teil, zog aber zur „präventiven Sicherung“ ihrer Staatsgrenzen, wie es offiziell hieß, viele junge wehrfähige Männer ein. Aufgrund des Schweizer Passes, den Forrer Dank der Staatsbürgerschaft seines Vaters besaß, sicherte er nur neun Monate lang verschiedene Schweizer Grenzabschnitte bis er und seine Einheit durch eine neu aufgestellte Divison im April 1915 abgelöst wurden.46 Auf diese Weise blieb ihm ein Einsatz auf einem der blutigen Schlachtfelder, die dieser Krieg so zahlreich hervorbrachte, erspart. Im April 1915 kehrte er zunächst nach Straßburg zu seiner Familie und zu seiner ersten Alma Mater zurück. Er nahm seine Studien dort bei Carl Frank unverzüglich wieder auf. Die Entscheidung aber, erneut nach Berlin zu wechseln, musste zu diesem Zeitpunkt schon gefallen sein. In einem Brief vom 12. April 1915 schreibt Forrer an Eduard Meyer in Berlin, dass er beabsichtige, im Herbst seine Studien bei ihm fortzusetzen, und schildert knapp sein Vorhaben, eine Arbeit über die Provinzeinteilung des Assyrischen Reiches bei ihm zu beginnen. An dieser Stelle wird seine spätere Promotionsschrift erstmals, soweit die erhaltenen Unterlagen diesen Schluss zulassen, erwähnt, so dass der Schluss naheliegt, dass die Idee zu dieser Arbeit bereits bei Carl Frank in Straßburg oder noch früher bei Eduard Meyer in Berlin entstanden ist.
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Dieser Lebenslauf, der sich unter den überlassenen Unterlagen aus dem Archiv der Humboldt Universität befindet, trägt das Datum vom 2. April 1939, Bestand UK PA F95 Bd. II. Bestand Phil. Fak. 590, Dekanatsjahr 1916/17, Doktoranden-Buch, Nr. 19, JournalNr. 103, vom 19. Januar 1917. Dort werden vier Semester in Straßburg, zwei Semester in Berlin und eines wieder in Straßburg zum Nachweis des akademischen Trienniums ausgewiesen. Ansonsten gibt es keinerlei Hinweise im gesamten Nachlass auf diese frühe Berliner Zeit. Bei D. Groddek, Çarnikzel, Dresdener Beiträge zur Hethitologie, Bd. 10, 2004, p. 16 findet sich der Februar 1915 als Ende der Militärdienstzeit. Es kann des Öfteren festgestellt werden, dass Angaben Forrers bezüglich gewisser Ereignisse hinsichtlich ihrer exakten zeitlichen Einordnung divergieren.
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Mit dem Zug, über das Rheinland, reiste Emil Forrer im Sommer 1915, inmitten der gigantischen Truppenverschiebungen des Ersten Weltkrieges, die sich in der Regel per Zug vollzogen, nach Berlin und immatrikulierte sich dort für die Fächer Alte Geschichte und Assyriologie. Er war beseelt von der Vorstellung, eine große akademische Karriere anzustreben und sich ganz und gar der Wissenschaft zu widmen. Sein Tatendrang und sein Wissensdurst waren groß und Berlin war das Zentrum seiner Disziplinen, an dem alle Hoffnungen sich erfüllen sollten. Seine beiden akademischen Lehrer waren nun wieder Eduard Meyer (Alte Geschichte) und Friedrich Delitzsch (Assyriologie), zwei der führenden Vertreter ihres jeweiligen Faches. Außer der ersten Adresse in Berlin47 ist über die Wohnverhältnisse Forrers wenig überliefert. Forrer bewohnte ein für die Zeit typisches Einzelzimmer, sehr wahrscheinlich sogar möbliert, in einer Pension oder zumindest bei einer Zimmerwirtin. Seine Vermieterin hieß Frau Rose und gewährte neben der möblierten Unterkunft auch verschiedene häusliche Dienste, wie z.B. das Waschen der Wäsche. Finanziert wurde das Studium vom Vater, der monatlich Geldzuwendungen nach Berlin anwies und dem Sohn so das Auskommen sicherte. Zum Zeitpunkt, als die Briefe des Kopierbuches einsetzen, ist Forrer schon mit seiner späteren, ersten Frau Margarete („Gretl“) Sommer liiert, allerdings noch nicht verheiratet. Margarete Sommer lebt noch in Straßburg und so findet ein intensiver und regelmässiger Briefwechsel zwischen dem jungen Paar statt. Wie sich dieser Korrespondenz entnehmen lässt, sorgt Gretl Sommer für einen steten Nachschub an Lebensmittelkarten, die den Briefen offenbar beigefügt wurden. Diese waren auch dringend notwendig, denn im Jahre 1916 – und noch drastischer dann im letzten Kriegswinter 1917 – entwickelte sich die Versorgungslage der Bevölkerung im Deutschen Reich. Der sogenannte „Hungerwinter“ oder „Steckrübenwinter“ gestaltete das alltägliche Leben zu einem mühseligen Ringen. Auch gelegentliche Lebensmittelpakete, die aus Straßburg abgeschickt worden waren und wohlbehalten ankamen, werden in den Briefen des öfteren dankbar erwähnt. Gretl Sommer ist, so scheint es, eine Jugend- und Schulfreundin Forrers und auch im Familienkreise der Forrers wohlbekannt. Seit Anfang 1917 taucht in den Briefen so etwas wie eine gemeinsame Lebensplanung sowie konkretere Heiratspläne auf, ohne dass zu dieser Zeit ein Termin ins Auge gefasst wird. Ab April 1917 schmieden Gretl Sommer und Emil Forrer auch Pläne für eine bevorstehende Übersiedlung 47
Berlin Charlottenburg, Goethestr. 83 I. Im Januar 1917 wird diese Adresse als Absender in den Briefen genannt, wechselt aber bereits im Februar 1917 in BerlinCharlottenburg, Potsdamerstr. 11.
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Gretls nach Berlin. In diesem Zusammenhang werden diverse Möglichkeiten des Arbeitens erwogen, so etwa die Aufnahme einer halbtäglichen Sekretärinnentätigkeit. Zu Beginn des Jahres 1918 wird dann erstmals der Termin 1. August 1918 für die Hochzeit festgelegt und dem Vater Robert Forrer und den Geschwistern in Straßburg mitgeteilt.
Die Promotion In dieser Situation und unter diesen eher widrigen äußeren Umständen arbeitet Forrer noch an den letzten Feinheiten seiner Promotionsschrift48. Er berichtet sowohl an seinen Vater als auch an Gretl, dass er viele Stunden und Tage mit der akribischen Fertigung von (Land-)Karten zubringt und darunter die Vorbereitungen auf die mündlichen Prüfungen leiden. Er versichert aber, dass man sich daheim keine Sorgen machen solle, die Arbeit schreite insgesamt voran und ein Ende des Promotionsvorhabens stehe in absehbarer Zeit bevor. Am 10. Januar 1917 schreibt Forrer dann schließlich an Eduard Meyer: „Hochverehrter Herr Professor! Endlich habe ich heute morgen meine Dissertation eingereicht & das mündliche Examen wird voraussichtlich Ende Februar stattfinden. Da bleibt mir für die mündliche Vorbereitung nicht gerade viel Zeit. Da muss halt tüchtig gearbeitet werden. In Assyrisch wird mich Delitzsch und in Philosophie Riedl prüfen.“
Die erwähnte Arbeit über die Provinzeinteilung des assyrischen Reiches wurde dann im Januar 1917 an der Kaiser-Wilhelm Universität Berlin als Promotionsschrift eingereicht. Der größte Teil der Arbeit entstand im Laufe der Jahre 1915/16. Forrer zeigt in dieser Arbeit bereits, was ihn auch später auszeichnen sollte, nämlich eine umfangreiche Quellenkenntnis und die Fähigkeit, die Inhalte der verschiedenen Texte und Textgattungen in Beziehung zu setzen und zu einem größeren, umfassenderen Bild zusammen zu fügen. Er untersucht akribisch und auf breiter Basis erstmals die Distrikt- und Provinzeinteilung des assyrischen Reiches in der Zeit von 889–746 v. Chr. Neben der eigentlich geografisch angelegten Hauptuntersuchung, die anhand von Eponymenlisten geführt wird, untersucht er die Abfolge überlieferter Namen von Beamten und Distriktfürsten sowie deren unterschiedliche Funktionen und Kompetenzen. Dabei werden so unterschiedliche Textgattungen herangezogen wie Verwaltungs- und Wirtschaftstexte, Briefe, Verträge, Annalen und natürlich die assyrischen Eponymenlisten. Das Ergebnis der Arbeit ist eine Aufstellung der 48
Gedruckt in Leipzig 1920 als Provinzeinteilung des assyrischen Reiches.
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verschiedenen assyrischen Distrikte und Provinzen sowie einer wertvollen Gesamtliste der damals belegbaren Provinzbeamten und Fürsten. Zwei selbst hergestellte und auf das detaillierteste handgezeichnete Karten vervollkommnen das Werk des jungen Forrer. Eine an der Spitze der damaligen Forschung stehende Arbeit, die auch mit der herausragenden Note eximium beurteilt wurde. Über den bleibenden Wert dieser Arbeit kann an dieser Stelle der Altorientalist, Hethitologe und Zeitgenosse Forrers, HansGustav Güterbock zitiert werden, der in seinem Nachruf auf Forrer schrieb „Die Provinzeinteilung des assyrischen Reiches (Leipzig 1920), a work that has kept its value to the present day.“49 Aufgrund der Kriegsauswirkungen und der politischen Veränderungen beim Zusammenbruch des Kaiserreiches im November 1919, konnte die Arbeit erst 1920 in Leipzig gedruckt werden. Nachdem Forrer die Arbeit der Universität im Januar 1917 eingereicht hatte und ihn wegen der offenkundig geringen noch zur Verfügung stehenden Vorbereitungszeit Prüfungsängste plagten, sorgten Forrer auch noch Terminprobleme, da die mündlichen Prüfungen nur während der Vorlesungszeit abgenommen wurden. Forrer drängte es aber zum Examen und zum endlich erfolgreichen Abschluss seines Studiums. Er bemühte sich also um einen Termin noch im Wintersemester 1916/1917. Eine anekdotenhaft anmutende Geschichte trägt sich dann bei der Terminierung seines mündlichen Examens zu. Zunächst schreibt Forrer am 13. Februar 1917 noch mit dem Ausdruck tiefer Enttäuschung über die bevorstehende Verzögerung seiner Examensprüfung an seinen Vater in Straßburg.
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Archiv für Orientforschung, Bd. 33, 1986, p. 309
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Abb. 1 Forrers Meldung zur Promotion vom 12. Januar 191750
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Siehe auch Dokument 1 auf der CD-ROM.
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„Lieber Papa! E. Meyer ist immer noch krank, er hat meine Arbeit dem Dekan noch nicht zurückgegeben. Delitzsch hat sie ebenfalls noch nicht geprüft. Der 22. Februar ist der letzte Termin dieses Semesters. Der Pedell meint, es sei ausgeschlossen, dass bis dahin alles erledigt sei; dann kann die Prüfung erst im nächsten Semester sein, also Mitte Mai. Und ich habe mich so gefreut bald fertig & einmal wieder frei zu sein“.
Der junge und in diesem Punkte ungeduldige Forrer ließ bereits die Hoffnung fahren, noch im Wintersemenster 1916/17 die Examina hinter sich bringen zu können, da ein Prüfungstermin scheinbar nicht mehr zu Stande kommen sollte. Er fand sich gerade damit ab und gewann dieser misslichen Situation bereits Positives ab, da sie ihm ja nun noch einige Monate für die ausgiebige Vorbereitung auf das mündliche Examen bescherte, da begab sich folgende kleine Geschichte, die er kurz darauf an seine Verlobte Gretl nach Straßburg schreibt. „...am Dienstagmorgen war ich beim Pedell & hörte, dass - weil Ed. Meyer infolge seiner Krankheit (meine Arbeit) nicht hatte durchlesen können, es unmöglich sei, dass ich noch in diesem Semester ins Examen komme. Traurig kam ich heim und wollte mich schon ins Unvermeidliche fügen, da telefonierte ich Trudl (eine Freundin) an, damit sie mich tröste. Sie meinte aber, dass noch nichts verloren sei; ob ich denn dem Pedell genügend Geld gegeben hätte. Das war nicht der Fall!! Ich müsse Ed. Meyer selber aufsuchen und meinen „Fehler“ betreffs des Pedells nachholen. Ich stürzte also in die Universität, wo der Pedell aber nicht war, dann in seine Privatwohnung. Hier verrichtete ein (zehn)markiger Händedruck Wunderdinge; er wolle auf den Dekan einwirken. Ich stürzte weiter zu Ed. Meyer, wurde empfangen (er lag nicht mehr zu Bett). Er unterhielt sich 2 Stunden nett mit mir und sagte dann schließlich zu, dass er die Arbeit in wenigen Tagen prüft und ich sicher noch dieses Semester ins Examen komme. Ich stürzte hinaus - halbverhungert wie ich war. Trudel wurde angerufen und ihr der vollständige Sieg an dieser Front verkündet.“
Am 8. März 1917 war es dann endlich soweit. Das ersehnte mündliche Examen fand an diesem Abend statt. Aus den Briefen, die Forrer kurz danach an Gretl und seine jüngste Schwester Odile geschrieben hat, lässt sich der Ablauf und die Stimmung des Prüfungsverfahrens gut nachzeichnen. Auch die Atmosphäre rund um das mündliche Examen wird aus den persönlichen Schilderungen Forrers greifbar. Pünktlich um 18.00 Uhr begann die Prüfung im Hauptfach Alte Geschichte bei Eduard Meyer in einem Lehrsaal der Universität Berlin. Forrer hatte sich vorher große Sorgen gemacht, da er – wie er fand – zu wenig griechische und römische Geschichte gelesen hatte. Die üblichen Ängste eines Examenskandidaten, nicht ausreichend vorbereitet zu sein, befielen auch Forrer, der eine halbe Stunde vorher im Gebäudetrakt der Universität nervös auf- und ablief. Es begleiteten ihn Freunde zur moralischen Unter-
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stützung. Dann betraten sie den Flügel der Berliner Universität und begaben sich zum festgelegten Saal, wo Forrers Examensprüfung stattfinden sollte. Man erwartete ihn bereits und er wurde durch den Pedell in den Prüfungssaal gebeten. Die Professoren Delitzsch, Meyer und Riehl waren anwesend und blickten schweigend auf den Kandidaten. Meyer blätterte zu Beginn der Prüfung in der eingereichten Dissertationsschrift Forrers. Ein gewisse Spannung im Saal war zu spüren. Dann blickte Meyer zu Forrer auf und sagte, Forrer näher heranwinkend: „Wollen wir uns ein wenig unterhalten - z.B. über babylonische Geschichte.“ Forrer schreibt am 9. März 1917 an seine Schwester: „E. Meyer....nahm fast nur babylonische Geschichte und die konnte ich natürlich. Sowie ich aber in etwas hineingeraten zu sein schien, das ich scheinbar nicht wußte, übernahm Meyer das Wort und lenkte mich sofort wieder auf sicheren Boden.“
Der Prüfungsverlauf hätte also besser nicht sein können. Meyer erwies sich als wohlgesonnener Prüfer und Forrer konnte auf sicherem Terrain punkten. Nach einer einstündigen Prüfung, die eher einer lockeren Unterhaltung glich, gönnte man dem Kandidaten eine kurze Pause, die Herren Professoren blieben hinter verschlossen Türen im Saal zurück. Nervös ging Forrer vor den verschlossenen Türen auf und ab und wartete darauf, dass der Pedell ihn erneut hinein bat, damit der nächste Teil der Prüfungen beginnen konnte. Nach einer Weile durfte Forrer wieder den Saal betreten. Den nächsten Prüfungsabschnitt – in Assyriologie – nahm Delitzsch ab. Forrer schreibt an Gretl am 9. März 1917 folgendes dazu: „...Anfang des Semesters hatte ich für das Assyrische die ersten zehn Seiten der assyrischen Lesestücke „Delitzschs“ übersetzt und dann nichts mehr gemacht, bis vorgestern, wo ich Delitzsch im Museum aufsuchte und mir Herr Schröder sagte, am wahrscheinlichsten werde er mich etwas aus dem Sanherib-Prisma übersetzen lassen. Delitzsch trug mir auf, diese Lesestücke zur Prüfung mitzubringen. Da die beiden letzten Stücke davon für meine Arbeit wichtig waren, dachte ich, dass er wohl diese nimmt...und Delitzsch nahm das zweite Stück, weil er glaubte, dass ich das für meine Dissertation sicherlich mehr als einmal übersetzt hatte. Die schwierigen Stellen sagte er mir und so ging es. Nun ist Delitzsch doch schwerhörig. Und nett, wie er ist, machte er immer wenn ich etwas falsches sagte ein schiefes Gesicht, so als ob er es schlecht verstanden hätte. Er hat mir dann noch grammatische Fragen gestellt. Es ging so einigermassen, da bei ihm der gute Wille da war, das falsche nicht zu hören. Die anderen Professoren konnten natürlich nicht beurteilen, ob ich es recht oder falsch machte, da ich sehr kaltblütig war und keine Miene verzog.“
In einem weiteren Brief an seine Schwester Odile brachte Forrer zum Ausdruck, dass ihm alle „nur Gutes“ wollten, scheinbar „beseelt“ von dem Gedanken, ihn „gut dastehen“ zu lassen. Alle seien mehr als zuvorkommend gewesen. Es folgten noch zwei weitere mündliche Examina, in Geo-
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grafie bei Eduard Meyer und in Philosophie bei A. Riehl, die in ähnlicher Weise positiv und wohlwollend verliefen. Während der Prüfung in Philosophie bei Prof. Riehl, die, wie Forrer schreibt, ausgedehnte Vortragspassagen Riehls enthielten, bekam er die Diskussion zwischen Meyer und Delitzsch mit, die sich über die zu vergebende Note zu einigen suchten. Nach Ablauf der Prüfungen wurde Forrer vom Pedell wieder vor die Tür gebracht, während die Prüfungskommission die Noten evaluierte. Forrer wurde nach einer kurzen Wartezeit hereingebeten und bekam die Note magna cum laude mitgeteilt. Alle Professoren beglückwünschten den Kandidaten mit Handschlag zum exzellenten Examen und Forrer vermerkte stolz, dass ihm Eduard Meyer anerkennend auf die Schulter klopfte. An Gretl Sommer schrieb er zum Schluss, dass ihm zuviel des Guten widerfahren sei und er diese guten Noten eigentlich nicht verdiene.
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Abb. 2 Protokoll des mündlichen Examens vom 8. März 191751
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Siehe auch Dokument 2 auf der CD-ROM.
Der Einstieg in die Hethitologie
D Eduard Meyer sowie der TroiaSpezialist und Archäologe Wilhelm Dörpfeld weisen auf einer „Gartenparty“ dem jungen Forrer den Weg in die Hethitologie. Otto Weber, Direktor der Vorderasiatischen Abteilung der königlichen Museen zu Berlin, bietet Forrer die Edition von KBo IV an. Forrer wird Hethitologe. Im Frühjahr 1917 arbeitete Forrer hauptsächlich an der Herstellung von detaillierten Landkarten, die Teil seiner Arbeit über die Provinzeinteilung werden sollten und verbrachte Tage und Wochen mit mühevollen Skizzierungen und Zeichnungen. Private Kontakte wurden in dieser Zeit – nach seiner eigenen Aussage in den Briefen an Gretl – immer seltener wahrgenommen, da die Arbeit ihn sehr anstrengte und auch äußerste Konzentration verlangte. Der Druck seiner Dissertation ist zu jenem Zeitpunkt immer noch ungeklärt und gestaltet sich im Kriege auch aufgrund der zunehmend schwierigeren Wirtschaftslage, da an allem Mangel herrschte, mühsam. Verschiedene Versuche die Arbeit in einem Verlagshaus als Monographie oder als Band einer wissenschaftlichen Reihe unterzubringen, waren nicht von Erfolg gekrönt. Zwei Briefe weisen darauf hin, dass neben dem Mangel an Materialien auch das Personal zur Herstellung von Druckerzeugnissen nicht zur Verfügung stand, da die meisten ausgebildeten Drucker ihren Kriegsdienst ableisteten. Die gesamte persönliche Situation ist für den ungeduldigen Forrer äußerst unbefriedigend. Um endlich einen Fortschritt zu erzielen, reist er kurz entschlossen im April 1917 zu Carl Bezold52 nach Heidelberg, um ihn für eine Veröffentlichung seiner Arbeit in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift für Assyriologie (ZA) zu gewinnen. Bezold nimmt ihn zwar freundlich auf, aber 52
Carl Bezold *18. Mai 1859 (Donauwörth) – †21. November 1922 (Heidelberg) studierte in München und Leipzig und promovierte in Assyriologie bei Friedrich Delitzsch. 1883 wurde er Privatdozent in München und widmete sich von 1888 bis 1894 semitischen und literarischen Studien im British Museum in London. 1984 erfolgte der Ruf als ordentlicher Professor nach Heidelberg.
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Der Einstieg in die Hethitologie
auch er kann Forrer nicht die erhoffte positive Antwort geben, da auch die ZA mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hat überhaupt zu erscheinen. Forrers Provinzeinteilung ist auch zu umfangreich für einen Zeitschriftenbeitrag und an eine monographische Herausgabe, etwa als Sonderheft der ZA, ist erst recht nicht zu denken. Bezold sagt ihm freundlich, aber sehr bestimmt ab. Zurück in Berlin sucht Forrer Anfang Mai 1917 Eduard Meyer auf, um die drängenden Fragen, die ihn so sehr umtreiben, in einem persönlichen Gespräch zu klären. Er hofft auf die Unterstützung Meyers bei der Publikation seines Werkes und ist nach glänzender Promotion aber sehr unsicher und auch von ganz allgemeinen, menschlichen Zukunftsängsten befallen, wie sein weiterer beruflicher Weg aussehen soll. Soll er Berlin und seinen bisherigen Förderer Eduard Meyer verlassen und sich an einer anderen Hochschule habilitieren oder soll er sich im vertrauten Umfeld und mit Unterstützung seines Mentors in Berlin habilitieren und versuchen, dort eine bezahlte wissenschaftliche Position zu errreichen? Diese Gedankengänge sind wohl schon damals kaum anders gelagert gewesen, als bei heutigen Akademikern, die sich für eine Hochschulkarriere entscheiden. Für Forrer kam belastend hinzu, dass grundlegende Veränderungen und Interessen privater Natur konkretere Gestalt annahmen. Die Hochzeit mit seiner Straßburger Verlobten Gretl Sommer wurde nun ernsthafter thematisiert und damit natürlich auch die Übernahme familiärer Verpflichtungen, die in einer in Aussicht genommenen gemeinsamen Lebensführung in Berlin bevorstanden. Berlin allerdings schien ihm zunächst mit seinen vielfältigen Möglichkeiten das bessere Umfeld zu bieten. Jede Woche gab es regelmäßige Zusammenkünfte in den Arbeitsräumen des Berliner Museums, in denen Delitzsch die um ihn versammelte Schar aufstrebender Assyriologen einbestellte, um neue Keilschrifttexte und aktuelle Forschungsarbeiten zu besprechen. Für jeden, der sich damals mit dem Alten Orient wissenschaftlich befasste, eine außerordentlich bereichernde Zusammenkunft. Die junge assyriologische Forschergarde tauschte sich hier untereinander aus und lernte sich näher kennen und so bildeten sich Freundschaften, die über den beruflichen Rahmen hinaus reichten. Forrer baute in diesem Zirkel vor allem zu Ernst. F. Weidner einen engeren Kontakt auf, der sich auch über Jahrzehnte als stabile Freundschaft erweisen sollte. Zahlreiche Briefe an Weidner sind ein Beleg dafür. Von besonderer Bedeutung für Forrer war aber das innige Verhältnis zu Eduard Meyer, seinem wichtigsten akademischen Lehrer und Förderer, das ihn sicherlich prägte und seinen Werdegang als Forscher stark beeinflusste. Aus vielen Briefen an Meyer wird deutlich, dass über den wissenschaftlich orientierten Ton hinaus, die angesprochenen Themen und Mitteilungen durchaus ins Private gehen. Bisweilen kann man aus der Diktion
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der Antworten Meyers erkennen, dass hier auch der Rat in väterlicher und fürsorglicher Art ausfiel, der auch Anteil an Forrers privatem Leben und Sorgen nahm. Eduard Meyer gehörte bis seinem Tode zum Kreise der wichtigsten Bezugspersonen in Forrers Umfeld. So ist ein durchaus größerer Teil der Korrespondenz von sehr privaten Gedankengängen und Ängsten Forrers geprägt, die sich mit seiner eigenen Zukunft befassen oder in denen er Rat und Hilfestellung bei Meyer einholt. Diese Treffen und Kontakte waren im Frühsommer und Sommer 1917 regelmässig und intensiv und trugen in entscheidender Weise zu Forrers Weg in die Hethitologie bei. Weitere aufschlussreiche Quellen hinsichtlich der Frage, wie Forrer seinen Weg zu den Hethitern fand, sind die Briefe an seinen Vater und vor allem an seine Verlobte Gretl Sommer. Beiden teilte er in zum Teil sehr ausführlichen Schilderungen den Gang der Ereignisse im Frühjahr/Sommer 1917 mit. In dem bereits erwähnten Gespräch bei Eduard Meyer am 10. Mai 1917 findet sich zunächst die erhoffte Klärung des Problems hinsichtlich seines Dissertationsdruckes, da Meyer ihm zusagt, mit Otto Weber, dem Direktor der Vorderasiatischen Abteilung der staatlichen Museen zu Berlin, sowie Felix Ritter von Luschan Kontakt aufzunehmen, der zu diesem Zeitpunkt auch Vorsitzender der Vorderasiatischen Gesellschaft in Berlin war. Zu beiden pflegte Eduard Meyer freundschaftliche und kollegiale Kontakte, die er nun für Forrer nutzbringend einzusetzen versprach. Meyer vermittelte auch daraufhin für die folgende Woche, etwa Mitte Mai 1917, ein persönliches Treffen mit Otto Weber im Museum, um über die Einzelheiten der Drucklegung in der Reihe Mitteilungen der Vorderasiatischen Gesellschaft zu sprechen. Aus einem Brief, den Forrer am gleichen Tage und direkt nach dem Treffen mit Eduard Meyer an Gretl Sommer schrieb, geht hervor, dass Forrer und Meyer sich rege und teilweise „leidenschaftlich“ über die Perspektiven der beruflichen Zukunft des jungen Wissenschaftlers austauschten. Forrer machte dabei deutlich, dass ihm kurzfristig an der Möglichkeit des Geldverdienens liege, da auch die Heirat mit seiner Verlobten bevorstehe und er Einkommen anzustreben gedenke, auch wenn dies eher gering ausfalle. Das Gespräch kam durch Meyer auf die Möglichkeit, in Berlin eventuell eine Dozentur für historische Geografie zu erlangen, da am betreffenden Lehrstuhl diese in den nächsten Monaten eingerichtet werden solle. Forrer zeigte sich sofort interessiert, jedoch wies Meyer im weiteren Verlauf der Überlegungen diese Möglichkeit zwar nicht gleich als unpassend ab, gab Forrer aber zu bedenken, dass dies einen neuen Schwerpunkt in der Ausrichtung seiner Studien bedeute. Am 14. Mai 1917 schreibt Forrer an seinen Vater nach Straßburg über die gleiche Unterhaltung:
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„Er (Ed. Meyer d. Verf.) ist der Ansicht, dass es unsinnig wäre jetzt Geld verdienen zu wollen... man kann halt nie wissen, was sich in Zukunft alles ergibt. Es sei das Beste, sich die nächsten zwei oder drei Jahre ganz den wissenschaftlichen Arbeiten zu widmen und eine Habilitation anzustreben. Denn würde ich jetzt eine Stellung bekommen, so würden mir täglich fünf - sechs Stunden Arbeitszeit für nichts als Geld abgeknöpft und auf diese Weise käme ich nicht zu den Arbeiten, die meine Zukunft begründen sollen. Wie die Verhältnisse nach dem Kriege würden, könne man ja noch gar nicht sagen. Wir sprachen auch viel über Habilitationen und Professuren überhaupt. Als ich dann von der Möglichkeit des ewigen Privatdozententums redete, lächelte er fast. Er hält es für selbstverständlich, dass ich vorläufig in Berlin bleibe, aber wenn ich mich habilitiere, sei es besser in einer anderen Stadt, wo ein intimeres Universitätsleben sei. Zum Schluß lud er mich ein, immer wenn ich Lust habe, ihn Sonntag Nachmittags unaufgefordert zum Kaffee zu besuchen, um zu plaudern.“ In verschiedenen Briefen dieser Tage, die Forrer an Freunde und Bekannte schreibt, drehen sich seine Ausführungen nahezu ausschließlich um diese Themen und seine berufliche Zukunft. Er ist hin- und hergerissen, ob er sich für die Fachrichtung historische Geografie entscheiden und somit durch eine mögliche gezielte Einflussnahme Meyers eine bezahlte Dozentur annehmen soll oder ob er sich auf eine Habilitation konzentriert, die vielleicht in einigen Jahren eine professorale Lebensstellung begründen könnte. Am 19. Mai 1917 schreibt Forrer schließlich an Gretl Sommer, dass er bereits Otto Weber zum Gespräch getroffen habe. Meyer hätte diesen Termin arrangiert und Weber habe ihn herzlich empfangen. Die Frage des Druckes seiner „Provinzeinteilung“ in den Mitteilungen der Vorderasiatischen Gesellschaft war nach nur wenigen Minuten „bestens“ in seinem Sinne „geklärt“. Weber bot Forrer 350 Mark Autorenhonorar für die Arbeiten und die Veröffentlichung an. Forrer schreibt dazu: „...jetzt will mich Weber für die hethitischen Texte haben und ich will nicht recht bzw. weiß ich nicht, was ich nun tun soll. Verlockend ist diese Arbeit natürlich trotz aller evtl. Zukunftsentscheidung in anderer Richtung, aber tue ich sie, so bleibt mir für meine andere wissenschaftliche Arbeit wenig Zeit. Das diese aber nicht zu kurz kommen darf, ich aber Philosophie und Musik keinesfalls aufgeben will, gestern ist das Finale der Violonsonate fertig geworden, muss ich wohl dann die Siedlungsheim-Arbeit aufgeben. Damit bin ich auch unzufrieden. Also ich 53 weiß wirklich nicht wie ich mich entscheiden soll.“ 53
Die angesprochene Arbeit im „Siedlungsheim“, die Forrer hier erwähnt, taucht in den Dokumenten vor 1920 häufiger auf. In solchen Siedlungsheimen wohnten vor allem junge Menschen und junge Familien aus weniger privilegierten Schichten der Berliner Gesellschaft, Arbeiter, Angestellte, Studenten und Jungakademiker, die dort Zimmer oder kleinere Wohnungen bezogen. Typisch für solche Siedlungsheime war der hohe Grad an Selbstorganisation und Selbstverwaltung der Bewohner. Man bildete Ausschüsse und kümmerte sich um die Belange des Um-
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Weber wusste von Forrer und seinen Fähigkeiten, da er aus dem Kreise der Delitzsch-Studenten stammte und es kann als sicher angenommen werden, dass Weber auch Delitzsch über Forrers Person befragte. Weber suchte dringend wissenschaftliches Personal, das in der Lage war, sich dem umfangreichen hethitischen Textmaterial, das in großen Mengen aus der Türkei vereinbarungsgemäss nach Berlin geschickt worden war, zu widmen. Forrer hatte eine glänzende Promotion abgelegt und sich bereits mit dem Hethitischen beschäftigt. Auch wenn Forrer in seinen Briefen nichts über hethitologische Studien schreibt, so erwähnt er gegenüber seinem Vater in einem Brief vom 12. Januar des Jahres 1917, in dem er seine offenbar hohen Ausgaben zu rechtfertigten hatte, dass einiges an Literatur anzuschaffen war. Darunter erwähnt er auch „Keilschriften aus Boghazköi“ womit nur die ersten Hefte der Keilschrifttexte aus Boghazköi gemeint sein können. Da es nur wenige Forscher überhaupt gab, die sich bis dahin mit dem Hethitischen befasst hatten, schien Forrer der geeignete Kandidat für diese Aufgabe. Anzumerken ist, dass auch aufgrund des Krieges einige der wissenschaftlichen Hilfskräfte des Museums, wie z.B. Hans Ehelolf, im Felde standen und somit die Auswahl an wissenschaftlichem Personal 1917 eingeschränkt war. Das zentrale Anliegen und wohl auch der eigentliche Grund, warum Weber einem so kurzfristigen Treffen mit Forrer zustimmte, war weniger der Druck der Dissertationsarbeit als vielmehr die Möglichkeit, einen Mitarbeiter für die hethitologischen Arbeiten gewinnen zu können. Forrer blieb zunächst unentschieden. In seiner Unschlüssigkeit suchte Forrer eine Entscheidungshilfe. So berichtet er Gretl Sommer in einem Brief vom 20. Mai 1917 von einer Einladung bei Meyer zu einem Gartenfest in dessen Villa. „Heute nachmittag war ich bei Ed. Meyer zum Tee. Prof. Dörpfeld, der auf Korfu & Ithaka die bekannten Ausgrabungen gemacht hat, bei denen der Kaiser war, war auch dort und habe ihn dabei gut kennen gelernt. Papas Name war ihm natürlich gut bekannt und er sagte sein Reallexikon sei für die griechische Zeit sehr gut. Wir unterhielten uns über den Krieg und alles mögliche andere. Ich fragte ihn in dem Dilemma, in dem ich wegen der hethitischen Dinge bin, um Rat, den er aber zunächst nicht geben wollte. Ich sagte ihm etwa folgendes: diese hethitische Arbeit
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feldes wie auch der Wohn- und Versorgungssituation des Siedlungsheimes. Forrer hatte seit Anfang des Jahres 1917 eine „Vorstandsposition“ in einem der Ausschüsse in seinem Siedlungsheim in der Potsdamer Straße inne. Zusammen mit drei anderen Mitbewohnern reifte die Idee der „erweiterten Volksbildung“ aller Mitbewohner des Heimes. Diese sollte nach den Vorstellungen Forrers in speziellen Abendkursen sich einer ganzen Bandbreite von Themen widmen, die von der politischen Bildung bis hin zur abendländischen und orientalischen Geschichte reichten. Als Vorbild diente den Aktiven dort, dass sogenannte „schwedische Volkshochschulmodell“, dass Forrer offenbar von einem Mitbewohner aufgriff und in seinem Siedlungsheim umzusetzen gedachte.
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Der Einstieg in die Hethitologie ist eine glänzende, seltene Gelegenheit etwas gänzlich Neues mit großem Erfolg zu bearbeiten, so dass es außerdordentlich verlockend ist, diese, wo sie jetzt doch bietet, zu ergreifen. Tue ich es, verliere ich am Tag sechs Stunden Arbeitszeit mindestens, da ich trotz alledem, will ich meine Zukunft nicht ganz in Frage stellen, auch die historisch-geographischen und andere Arbeiten leisten muss. Ed. Meyer sagte auch, dass ich die Hethiter laufen lassen könnte, da es mehr oder weniger aus dem Rahmen der von ihm und mir beabsichtigen Zukunft fällt. Man müsse aber bedenken, dass auf dem Gebiete der Hethiter so vieles zu leisten und auch an Erfolg zu ernten möglich sei, dass man zügig die Spitze der Forschung erreichen kann. Hier liegen auch viele Chancen, aber wer wisse schon, was die Zukunft bringe. Tue ich es dagegen nicht, so lasse ich mir zwar wissenschaftlich Verlockendes und dazu Geldbringendes entgehen...Als ich mich verabschiedete, legte ich ihm die Frage nochmals vor und Dörpfeld kam auf den genialen Gedanken, ich solle nur ein paar Stunden, nicht mehr als fünf, daran täglich arbeiten. Denn wenn ich es anfinge, dann müsse ich schon mindestens zwei Jahre daran bleiben. Das ist der erlösende Ausweg. ...So werde ich Weber den Vorschlag machen 3 Stunden täglich, von 10 bis 1 daran zu arbeiten. Geht er nicht darauf ein, so lasse ich es sein, aber er hat ja niemand anders als mich. Ich bin ganz glücklich ob dieses Ausweges aus dem Dilemma. Erzähle aber Papa von der Hethiteranstellung noch nichts, weil ich nicht Lust habe mich dann von ihm finanziell schlechter stellen zu lassen. Erst wenn ich über alles wirklich Klarheit habe, vielleicht in ein paar Monaten, will ich es ihm sagen.“
So begann die Tätigkeit Forrers als Hethitologe und er verdankt dies dem Hinweis Dörpfelds und der argumentativen Schützenhilfe Eduard Meyers. Denn das Argument, dass im Rahmen der Hethitologie noch viel zu leisten und auch zu ernten sei, wiederholt Forrer anschließend in einigen seiner Briefe an Freunde als Grund für den Einstieg in dieses Gebiet. Nebenbei spielte es auch eine nicht zu unterschätzende Rolle, dass damit nicht nur Ruhm und Ehre zu verdienen war, sondern diese Tätigkeit auch bezahlt wurde. Angesichts der geplanten Heirat und der gemeinsamen Lebensführung, ein nicht zu unterschätzendes Argument für Forrer. Aus den folgenden Briefen an Gretl zeigt sich dann, dass Forrer die Lage scheinbar ganz richtig eingeschätzt hatte. Denn er unterbreitet Weber seinen bzw. Dörpfelds Vorschlag, auf den Weber aber nicht einzugehen bereit war. Er stellte zunächst Forrer vor die Wahl, ganz oder gar nicht in die Sache einzusteigen, drei Stunden täglich seien keine Lösung für die Arbeiten, die anstünden. Forrer blieb standhaft und sagte, es gebe derzeit keine andere Wahl für ihn. Sollte Weber dieser Vorschlag nicht recht sein, so müsse er sich schweren Herzens gegen diese reizvolle Aufgabe entscheiden. Zunächst gingen beide ohne befriedigendes Ergebnis auseinander. Forrer schreibt an Gretl am 28. Mai 1917: „Im Stillen kalkulierte ich, er werde schon nachgeben, da er sonst niemanden hat.“ Wenige Tage später dann bat Weber erneut um ein Gespräch und machte in der Tat einen neuen Vorschlag. Beide einigten sich letztlich auf einen täglichen Ar-
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beitsrahmen von fünf Stunden bei entsprechender Bezahlung und bei sofortigem Beginn. Am 4. Juni 1917 beginnt Forrer mit seiner neuen Tätigkeit im Museum und schreibt gleich spät abends noch an Gretl in aufgeregter Diktion von diesem Tage: „Heute morgen habe ich mit Weber geredet und bin auf folgendes eingegangen: Ich liefere ein Heft von 80 großen Seiten Boghazköi-Texten autographiert, kann daran arbeiten so oft und soviel ich Lust habe und erhalte dafür 600 Mark von der DOG, 400 Mark vom Verlag also für ein Heft 1000 Mark!! Ich habe heute die erste Tafel bekommen, ein hethitischer Staatsvertrag, schrecklich interessant !! Ich denke, dass ich etwa ein halbes Jahr dafür brauche, also für das Heft. Das Material ist äußerst faszinierend, so dass ich statt der vereinbarten fünf, elf Stunden geblieben bin! “
Es bedarf nicht viel Phantasie sich vorzustellen, mit welch' leuchtenden Augen und mit welchem Enthusiasmus sich Forrer in die hethitischen Texte einarbeitete. Bereits hier zeichnet sich ab, dass Forrer seine endgültige Bestimmung gefunden hat, auch wenn es für ihn selbst noch nicht so offenkundig war. Auch von der täglichen Begrenzung der Arbeitszeit im Museum auf fünf Stunden ist bald überhaupt keine Rede mehr. Forrer arbeitet oft den ganzen Tag und bis in die Nacht hinein. Möglicherweise hat Weber diese Entwicklung sogar mit ins Kalkül gezogen oder geahnt, als er sich auf die von Forrer vorschlagene Teilzeitlösung einließ. Forrer war von den hethitischen Texten auf das Äußerste fasziniert. Er war derart begeistert, dass er noch am gleichen Tage seinem Vater in wenigen Zeilen seine Aufgabe im Museum mitteilte, obwohl er diese Tätigkeit zunächst noch verschweigen wollte. Von nun an bestimmen die Arbeiten am hethitischen Material im Museum seinen Lebensrhythmus. In den Briefen an Gretl, an seinen Vater und auch seine Geschwister berichtet er über die „schrecklich spannende und faszinierende Arbeit“. 54 Offenbar begeistert er auch Eduard Meyer für die Idee, dass er sich ausschließlich dem Hethitischen zuwenden wolle, so dass er in einem Brief an eine Freundin Ed. Meyer mit dem Satz zitiert: „Er ließ mich wissen, wenn ich nur genug daran arbeite, wird er für mich sorgen.“ 55 Das Verhältnis Forrers zu Otto Weber zu jener Zeit ist als kollegial und durchaus freundschaftlich zu charakterisieren. An seinen Vater schreibt Forrer, dass Weber die „reine Freundlichkeit“ sei.56 Die Arbeit im Museum an den hethitischen Texten hat nach wenigen Wochen Forrers ungeteil54 55 56
So z.B. an seinen Vater am 21. Juni 1917. Brief an Lolly Bartels vom 11. Juni 1917. Brief an Robert Forrer vom 24. Juni 1917.
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te Aufmerksamkeit. Von allen seinen Überlegungen und Erwägungen, die ihn anfänglich zögern ließen, sich überhaupt für das Hethitische zu entscheiden, findet sich nun in den Briefen nichts mehr. Es fällt vielmehr auf, dass er an verschiedene Freunde und Bekannte immer häufiger entschuldigende Einleitungen verfasst, warum er sich schon so lange nicht mehr gemeldet hat. Oft heißt es „ich arbeite und arbeite, meist von früh bis spät, ich vergesse meist alles andere um mich herum“.57 Auch an seinen Vater schreibt Forrer nun seltener. Am 30. Juni 1917 schildert ihm Forrer aus dem Museum, dass er eifrig und fleißig sei und „von der Welt und dem Geschehen nichts mehr mitbekomme.“ Er bearbeitet immer mehr Tafeln und liest über das von Weber bereitgestellte und zur Bearbeitung vorgesehene Material hinaus. „Weber gestattet mir praktisch Tag und Nacht Zugang zu den Texten, ich habe völlig freie Hand. Meist bin morgens als erster da und gehe abends als letzter. Ab und zu bekommt man von der Verzettelung der Worte und Textstellen genug, denn es geht doch sehr langsam, aber jede auf Entzifferung gewandte Arbeit ist nutzlos 58 ohne diese Grundlage.”
Der alsbald zugesagte Druck seiner Dissertation verzögert sich unterdessen und Weber bedauert, dass auch er keinerlei Möglichkeiten zur Beschleunigung in der Angelegenheit habe, da es sowohl an Papier als auch an Setzern mangele. Die wenigen Arbeiter, die nicht zum Frontdienst eingezogen wurden, seien völlig überlastet, teilt er Forrer bedauernd mit. Forrer zeigt sich enttäuscht, da sich dadurch – wie immer befürchtet – der Abschluss seiner Promotion und aufgrund dessen auch der Beginn seiner angestrebten Habilitation verzögert. Er tröstet sich aber stets mit der neuen und interessanten Aufgabe. Auf Anregung Webers stellte ihm die Deutsche Orientgesellschaft einen kleinen eigenen Arbeitsraum mit Schreibtisch im Museum zur Verfügung59, den sich Forrer mit eigenen Mitteln etwas wohnlicher herrichtete. Die Tontafeln, die Weber ihm anfangs noch übergab, standen in Forrers Arbeitszimmer „kistenweise“, wie er an seine Schwester Odile schrieb, zu seiner Verfügung. Das notwendige Arbeitsmaterial stellte teilweise die Deutsche Orientgesellschaft, wie z.B. ein Vergrößerungsglas zur besseren Lektüre, insbesondere bei Nacht, wenn es nur „funzeliges Licht“ gab, ließ sich Forrer von seinem Vater schenken. Forrer begann ab Herbst 1917 den größeren Teil seines Lebens im Museum und über den Tafeln zuzubringen. 57 58 59
Brief an Thea Brauckmann vom 4. Juli 1917. Brief an Robert Forrer vom 30. Juni 1917. Über die Örtlichkeiten im Bo©azköi-Archiv sowie deren genaue Lage in den Berliner Museen gibt Hans G. Güterbock in Altorientalische Forschungen, Bd. 24, 1997, p. 25f. eine prägnante Schilderung.
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Er machte von den Möglichkeiten, die ihm durch Weber und die Deutsche Orientgesellschaft geboten wurden, reichlich Gebrauch. Er erschloss sich allmählich die Welt der hethitischen Texte und besaß alsbald die beste und umfangreichste Verzettelung des Materials. Unterbrochen wurden die intensiven Arbeitszeiten eigentlich nur durch ein wenig Schlaf oder gelegentliche Besuche bei Eduard Meyer zum nachmittäglichen Kaffee am Sonntag. Die Hethitologie wurde seine große Leidenschaft und er war auf dem besten Wege, einer der führenden Vertreter jener Zeit zu werden.
Die Jahre 1918–1924 Die Anfänge der Hethitologie
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Die Fleißarbeit im Museum beginnt Früchte zu tragen. Forrers erster Aufsatz Die acht Sprachen der Boghazköi-Inschriften macht aus dem jungen, noch namenlosen Forscher einen bekannten Hethitologen. Gretl Sommer wird Forrers Frau und die beiden bauen ein eigenes kleines Haus in Erkner bei Berlin. Weitere Publikationen zum Hethitischen folgen und Forrer erlangt allmählich den Ruf, „bester Kenner“ des hethitischen Materials zu sein. Sein erster Sohn, Wolfgang, wird 1922 geboren. Die vermutlich glücklichsten und erfolgreichsten Jahre Forrers. Doch die ersten Gräben werden ohne Not aufgerissen und das Drama erhält seine Ouvertüre. Verhängnisvolle Fronten enstehen...
Die Arbeit im Museum an den Tafeln setzt sich täglich über viele Stunden fort und bestimmt den Lebensrhythmus des Schweizers. Die Jahre 1918 und 1919 bringen, was seine Karriere und eine gesicherte Position im deutschen Wissenschaftsbetrieb angehen, keinerlei große Veränderungen, abgesehen von dem enormen individuellen Wissenszuwachs, den Forrer sich mit bewundernswertem Fleiß im Stillen erarbeitet. Dafür verändern sich sowohl seine private Situation als auch die ihn umgebenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse im Nachgang zur deutschen Novemberrevolution 1918 grundlegend. Doch Forrer nimmt von diesen historischen und gesellschaftspolitischen Ereignissen in Deutschland scheinbar kaum etwas wahr. Die nachgelassenen Briefe und Aufzeichnungen beinhalten nur sehr wenige Randbemerkungen dazu. Die Faszination der Erforschung der hethitischen Inschriften hatte Forrer völlig in Beschlag genommen und forderte seine ganze Aufmerksamkeit. Das Museum wurde zu seinem eigentlichen Hause und die Lektüre hethitischer Texte seine zentra-
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le, nahezu einzige Beschäftigung. Er arbeitete sich durch den Großteil der hethitischen Tafelsammlungen, die in der Vorderasiatischen Abteilung aufbewahrt wurden und nutzte den Vorteil des uneingeschränkten und alleinigen Zugriffs. Seine Wege beschränkten sich auf die tägliche Route von seiner Wohnung bis zum „Schuppen“, wie die kleine Arbeitsstätte in der Vorderasiatischen Abteilung des Berliner Museums genannt wurde.
Die Staatlichen Museen zu Berlin und die Vorderasiatische Abteilung Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter der Bildung und der Wissenschaften in ganz Europa. Auch aus Berlin, der Stadt der preußischen Könige, wurde ein Zentrum von Forschung und Vermittlung, das im Laufe weniger Jahrzehnte Weltgeltung erlangte. Die Museumsinsel und die darauf befindlichen Museen gehören zum wissenschaftlich-kulturellen Erbe dieser Zeit. Das Museum in der heute geläufigen Form ist geistesgeschichtlich ein Ergebnis der Aufklärung und weitgehend durch das Vorbild des Pariser Louvre inspiriert. Die Freigabe vormals fürstlicher Sammlungen und Schatzkammern in öffentlichen und der Allgemeinheit zugänglichen Ausstellungen war eine zentrale Forderung seit der Französischen Revolution. Auch die brandenburgischen Fürsten sammelten über viele Jahrzehnte zahlreiche Kunstgegenstände aus klassischer Zeit. Als im Jahre 1698 die bedeutende Sammlung des Italieners Giovanni Pietro Bellori aufgekauft wurde, war dies der eigentliche Anlass zur Gründung der Berliner Antikensammlung.60 1810 verfügte der preußische König Friedrich Wilhelm III., in Berlin eine öffentliche, gut ausgestattete Kunstsammlung anzulegen. Es erforderte, nicht anders als heute, jahrelange Beratungen, bis das Vorhaben eines zweckmäßigen Museumsneubaus gediehen war. 1822 erhielt Karl Friedrich Schinkel61 den Auftrag und errichtete das Alte Museum auf dem nördlichen Teil der Insel inmitten der Spree, die durch das Stadtschloss der Hohenzollern als Zentrum der Residenzstadt ausgewiesen war. Mit dem 1830 eröffneten Alten Museum beginnt auch die Geschichte der Museumsinsel, wie der nördliche Teil der Spreeinsel seither bezeichnet 60 61
Giovanni Pietro Bellori, *1613 in Rom – †1695 in Rom, gilt als einer bedeutendsten römischen Kunstsammler und Archäologen der Barock-Zeit. Karl Friedrich Schinkel,*13. März 1781 in Neuruppin (Brandenburg) – †9. Oktober 1841 in Berlin, Begründer der Schinkelschule war ein preußischer Architekt, Stadtplaner und Maler, der den Klassizismus in Preußen entscheidend prägte.
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wird. Die Bedeutung dieses Baus speist sich aus drei Elementen: der Verkörperung der Idee des umfassenden Museums, der städtebaulichen Bedeutung und schließlich der architektonischen Qualität. Es folgten in den Jahren 1841, 1843, 1855, 1865 bis 1876 diverse Aus- und Neubauten, so dass der Charakter einer Insel der Museen immer deutlicher wurde. Als letzter und zugleich größter Neubau kam das Pergamon-Museum zur Ausführung (1907-1930). Die Erfolge der archäologischen Kampagnen der wilhelminischen Kaiserzeit, vor allem durch die Aktivitäten der Deutschen Orientgesellschaft, hatten eine Reihe von architektonischen Monumenten nach Berlin gebracht, die in entsprechend groß dimensionierten Baulichkeiten untergebracht werden mussten. Die herausragenden Exponate dieser Funde sind der Pergamon-Altar, die Fragmente der Prozessionsstraße von Babylon, das römische Markttor von Milet und das Wüstenschloss von Mschatta aus frühislamischer Zeit. Das schnelle Wachstum der Berliner Sammlungen kam mit dem Ersten Weltkrieg zum Erliegen. Die Vollendung des Pergamon-Museums schloss die Bebauung der Museumsinsel ab. Die auf der Museumsinsel vereinten Sammlungen boten erstmals einen vollständigen Gang durch ein breites Spektrum der abendländischen Kunst und vom Alten Orient bis zum 19. Jahrhundert. Die Geschichte der Vorderasiatischen Abteilung des Museums ist eng verbunden mit den beeindruckenden Erfolgen deutscher Unternehmungen in Mesopotamien und Kleinasien sowie der damit einhergehenden rasanten Entwicklung der Assyriologie in Deutschland. Von 1885 bis 1899 waren die vorderasiatischen Fundstücke und Sammlungen zunächst Bestandteil der Ägyptischen Abteilung des Museums. Eine organisatorische Zuordnung, die so nicht mehr aufrecht zu erhalten war, nachdem 1898 die Deutsche Orientgesellschaft gegründet worden war und ihre zahlreichen Aktivitäten entfaltete. Die Sammlungszuwächse, die durch diese Aktivitäten zu erwarten waren, rechtfertigten eine eigene Abteilung und so wurde 1899 die Vorderasiatische Abteilung der Staatlichen Museen zu Berlin gegründet.62 Erwähnenswert ist dabei die aktive Rolle Adolf Ermans,63 der sich, in seiner Funktion als Direktor der Ägyptischen Abteilung, für eine Vergrößerung der vorderasiatischen Sammlung einsetzte und sogar eine der trei62
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Zu den politischen Hintergründen, die bei der Gründung einer eigenständigen Vorderasiatischen Abteilung geführt haben, siehe Nicola Crüsemann, 2000, Jahrbuch der Berliner Museen, 42. Bd. Vom Zweistromland zum Kupfergraben, p.109–142. Adolf Erman, *31. Oktober 1854 (Berlin) – †26. Juni 1937 (Berlin), deutscher Ägyptologe und Begründer der Berliner Ägyptologischen Schule. Erman war von 1885 an Professor für Ägyptologie an der Universität Berlin sowie auch Direktor der Ägyptischen Abteilung der Staalichen Museen zu Berlin. Ferner war er an den Ankäufen der berühmten ägyptischen Amarna-Tafeln beteiligt.
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benden Kräfte bei der Gründung des Deutschen Orient Comités war,64 der ersten privaten Gesellschaft, die sich um die Erforschung des Alten Orients und der Kooperation mit dem Museum bemühte. Auch ist es ihm zu verdanken, dass die ersten Forschungsexpeditionen und die erste größere Grabung im nordsyrischen Sendschirli unternommen werden konnten.65 In der neu gegründeten Abteilung sollten die Funde einen würdigen und angemessenen Platz finden und der weiteren Erforschung zugeführt werden. Vor allem die Funde dieser Epoche bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges machen die besondere Sammlungsqualität der Vorderasiatischen Abteilung aus. Anfänglich waren die Sammlungsbestände noch in Räumen des Kaiser-Friedrich-Museums untergebracht und erst 1929 und 1930 zogen die Schätze in den Südflügel des neuerbauten Pergamonmuseums um und wurden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Als ein wichtiges Tätigkeitsfeld der Abteilung kristallisierte sich bald auch die Erfassung, Katalogisierung und Edition der Texfunde heraus. Dies gilt insbesondere für die hethitischen Texte der Grabungen Hugo Wincklers in Bo©azköi /ˆattuça, die in den Jahren 1906/1907 und 1911/12 ca. 10.000 Tontafeln und Tafelfragmente ans Tageslicht brachten. Was aber sollte mit den Tafeln aus Bo©azköi geschehen, wer sollte sie bearbeiten, konservieren und fotografieren? Die türkische Antikenverwaltung sah sich außer Stande, diese Aufgaben auch nur ansatzweise zu leisten. Otto Weber, seit dem 1. April 1912 erster Direktor der Vorderasiatischen Abteilung, reiste im Mai und Juni 1913 nach Konstantinopel, da ihm die finanzielle Unterstützung einer möglichen Grabung in Bo©azköi von Wilhelm von Bode zugesagt worden war. Er wollte in dieser Angelegenheit vor Ort nützliche persönliche Beziehungen zum Beamtenapparat des Kaiserlichen Ottomanischen Museums knüpfen. Weber hatte dort offenbar einen glänzenden Einstand und war in seinem Auftreten geschickt und überaus erfolgreich, denn er erreichte in der kurzen ihm zur Verfügung stehenden Verhandlungszeit mit den türkischen Behörden wirklich Erstaunliches, so etwa die Übersendung der Ziegelbrocken der berühmten babylonischen Prozessionsstrasse und des Içtar-Tores nach Berlin. Auch konnte er die für die späteren Jahre wichtige Zusage aushandeln, dass die Ruinenstätte von Bo©azköi sowie weitere Hüyüks der Umgebung für künf64
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Die Gründung dieser ersten privaten Organisation zur Förderung der deutschen altorientalistischen Aktivitäten erfolgte 1887 in Berlin. Detaillierte Einzeluntersuchungen zum Deutschen Orient Comité fehlen bisher. Diese Gesellschaft gilt gemeinhin als Vorläufer der Deutschen Orientgesellschaft. Bei der Gründung des Comités war neben Erman auch bereits James Simon beteiligt, der später die Unternehmungen der Deutschen Orientgesellschaft großzügig mitfinanzierte. Siehe hierzu ausführlich Nicola Crüsemann, 2000, Jahrbuch der Berliner Museen, 42. Bd. Vom Zweistromland zum Kupfergraben, p.108ff.
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tige deutsche Grabungen freigegeben werden sollten. Die bereits gemachten Tafelfunde der ersten Wincklerschen Grabungskampagnen sollten vor Ort in Konstantinopel von deutschen Wissenschaftlern bearbeitet werden. Für dieses Unterfangen erhielt Weber von der osmanischen Antikenverwaltung sozusagen carte blanche und konnte sofort nach seiner Rückreise alles Notwendige vorbereiten. In Deutschland waren sowohl das öffentliche Interesse, das wissenschaftliche Potential, als auch die erforderlichen finanziellen Mittel vorhanden, um die anstehenden Arbeiten in angemessener Weise zu leisten. So entsandte die Deutsche Orientgesellschaft sowie durch sie verbundene private Geldgeber in Kooperation mit der Vorderasiatischen Abteilung des Berliner Museums von April 1914 bis August 1914 die beiden Assyriologen Heinrich Figulla und Bed√ich HroznŸ nach Konstantinopel, wo die Tafeln im ottomanischen Museum aufbewahrt wurden, um eine Sichtung und Aufarbeitung der Bo©azköi-Tafeln vorzunehmen. Die äußeren Rahmenbedingungen, insbesondere die politische Großwetterlage, ließen eine fundierte längerfristige Projektarbeit kaum zu. Wie schon im Jahre 1912, als der Balkankrieg die Grabungen Wincklers beendete, war es diesmal der Ausbruch der Ersten Weltkrieges, der die vor Ort tätigen Wissenschaftler zur Rückkehr zwang. Angesichts des umfangreichen Engagements sowie der Größe der Aufgabe drohte ein lähmender Stillstand in der Hethiterforschung, zumal der Ausgang des Krieges und eine damit vermutlich einhergehende grundlegende politische Veränderung im osmanischen Reich für alle Beteiligten nicht abzuschätzen war. Der gerade erst beginnenden Forschung an den hethitischen Texten drohte eine erzwungene Pause. Wieder einmal war es dem Verhandlungsgeschick Webers zu verdanken, dass eine Einigung mit der osmanischen Seite bezüglich der Tontafeltexte erreicht werden konnte, die für die Hethitologie in Deutschland von grundlegender Bedeutung war. Die Vereinbarung sah vor, dass die Tafeln – in Kisten verpackt – nach Berlin geschickt wurden, um dort erfasst, restauriert und für die Edition autographiert zu werden. Durch diese Vereinbarung und deren positive Auswirkungen wurde Berlin zum wichtigsten Zentrum der hethitologischen Forschung. In den Jahren 1916 und 1917 trafen gleich mehrere große Kisten mit dem wertvollen Tafelmaterial aus Konstantinopel ein. Es handelte sich im staatsrechtlichen Sinne um eine Dauerleihgabe der osmanischen – und später in deren Rechtsnachfolge – der türkischen Behörden. Im Herbst 1987 wurden die Texte schließlich von
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der damaligen Deutschen Demokratischen Republik endgültig an die Türkei zurückgegeben. 66 Die Texte der Wincklerschen Grabungen wurden mit der Signatur Bo versehen. Der weitaus geringere Teil, der vom Berliner Museum selbst im Antikenhandel erworben und ebenfalls dort aufbewahrt wurde, erhielt das Signum VAT und kennzeichnete diese Stücke als Eigentum des Museums. Von 1916 an erschien unter der Herausgeberschaft der Deutschen Orientgesellschaft eine erste Reihe, die das hethitische Textmaterial veröffentlichte. Diese ersten Hefte mit autographierten Keilschrifttexten erschienen unter dem Titel Keilschrifttexte aus Boghazköi (KBo). Von 1917 - 1924 erschien dazu die Reihe Boghazköi-Studien (BoSt.), die unter der alleinigen Herausgeberschaft Otto Webers die Möglichkeit schuf, sich detaillierter einzelnen Fragestellungen zur Erforschung des Hethitischen zu widmen. Bed√ich HroznŸ veröffentlichte in dieser Reihe 1917 mit den ersten beiden Bänden seine Ersterschließung des Hethitischen. Nach dem Erscheinen von KBo VI wurde diese Reihe 1921 zunächst eingestellt und durch die neue Reihe Keilschrifturkunden aus Boghazköi ersetzt.67 Seitdem sind über einhundert Editionsmappen in beiden Reihen zusammen erschienen und haben das hethitische Textmaterial öffentlich gemacht. Im Zweiten Weltkrieg verhinderte der damalige Direktor der Vorderasiatischen Abteilung, Walter Andrae, die Auslagerung der gesamten Bestände, die den Krieg auch nahezu unbeschadet überstanden. 1953 wurde die Abteilung dann als Vorderasiatisches Museum in der Deutschen Demokratischen Republik wiedereröffnet. Heute ist das Vorderasiatische Museum Teil des Pergamonmuseums und zeigt auf einer Fläche von 2000 qm in 14 Sälen zahlreiche Ausstellungsstücke und dokumentiert einen beeindruckenden Überblick über die Kultur und Geschichte Vorderasiens. Neben dem Louvre in Paris und dem British Museum in London gehören das Pergamon- und das Vorderasiatische Museum in Berlin zu den weltweit herausragenden Sammlungen und Forschungsstätten in bezug auf die materiellen Hinterlassenschaften der Hochkulturen des Vorderen Orients. Das Ziel, eine solche herausragende Sammlung in Berlin zu etablieren, das bei Gründung vor mehr als 100 Jahren formuliert wurde, ist also erreicht worden.
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Siehe dazu die offizielle Mitteilung von H. Klengel, 1987, Akkadica, Bd. 57. Die Wiederaufnahme der Veröffentlichung von Keilschrifttexten in der Reihe KBo wurde 1954 von Heinrich Otten mit der Herausgabe von Bd. 7 fortgesetzt.
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Die Ehe Forrers mit Gretl Sommer Seit geraumer Zeit planten Emil Forrer und Gretl Sommer die Hochzeit und ihre gemeinsame Zukunft in Berlin. Gretl sollte nach der Hochzeit von Straßburg nach Berlin übersiedeln und möglichst bald auch eine bezahlte Anstellung finden. In zahlreichen Briefen an Gretl, aber auch an andere Mitglieder seiner Familie, lassen sich die immer konkreter werdenden Planungen der beiden nachzeichnen. Ende Mai 1918 fährt Forrer mit dem Zug nach Straßburg, um bei den Vorbereitungen des Ereignisses selbst letzte Hand anzulegen und auch die notwendigen amtlichen Formalitäten zum Abschluss zu bringen. Forrer verbringt während dieses Aufenthaltes viel Zeit mit Gretl und verlebt unbekümmerte Tage mit ihr im heimatlichen Straßburg. Am 17. Juni 1918 ist dann der große Tag der beiden. Die Hochzeit von Gretl Sommer und Emil Forrer findet im kleinen, familiären Rahmen statt. Anschließend bleiben beide noch bis Anfang August im Elsass und verbringen dort ihre Flitterwochen und bereiten ihre Rückkehr nach Berlin vor. An Eduard Meyer schreibt Forrer am 18. Juni: „..wir haben am 17. Juni geheiratet, den schlechten Zeiten zum Trotz & in der Hoffnung, dass es uns trotz allem gelingen wird, uns mit der Wissenschaft durchzuschlagen. Seit Ende Mai, wo wir nach Straßburg gefahren sind, habe ich kein wissenschaftliches Buch angefasst. Aber jetzt schon staut sich in mir die Arbeitslust immer mehr an. Und voll fiebriger Erwartung denke ich an mein neues, geliebtes Arbeitsgebiet.“
Ende August 1918 kehren beide mit dem Zug nach Berlin zurück. Gretl zieht zunächst in das möblierte Zimmer ihres Gatten ein. Kaum angekommen, nimmt Forrer unverzüglich wieder die Arbeit im Museum auf und widmet sich erneut intensiv dem Studium des hethitischen Textmaterials. Wie bereits erwähnt, finden sich in den zahlreichen Briefen nur wenige Hinweise auf die politisch turbulenten Zeiten. Dies ist bemerkenswert und überrascht, wurde Forrers Ehe mit Gretl Sommer doch unter schwierigen und widrigen äußeren Umständen geschlossen, die das Zusammenleben des jungen Paares ohne Zweifel mühselig gestaltet haben müssen. Es ist auch schwer nachzuvollziehen, dass der Erste Weltkrieg, die deutsche Niederlage, die Ereignisse und Folgen des 9. November 1918 und die Abdankung des deutschen Kaisers Wilhem II. kaum thematisiert werden, obwohl all dies das tägliche Leben der meisten Menschen im damaligen Deutschen Reich beeinflusste. Dies gilt auch für die immer schlimmer fortschreitende Versorgungsnot und die große Verunsicherung über die weitere Zukunft der Bevölkerung, die nur in einigen wenigen Bemerkungen zur Sprache kommt. Allenfalls geringfügig scheint dieser Krieg mit seinen großen politischen und gesellschaftlichen Folgen Forrer beschäftigt zu haben. Nur zwei Briefe, die aber beide schon aus dem Jahre 1919 stammen und nur
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kurze rückblickende Einschätzungen enthalten, beschäftigen sich zumindest am Rande mit dem Zusammenbruch und den revolutionären Ereignissen des Novembers 1918 in Berlin. Entweder handelt es sich um einen falschen Eindruck aufgrund der Lückenhaftigkeit des Nachlassmaterials oder aber Forrer lebte in jenen Jahren so ausschließlich für seine Wissenschaft, dass er den äußeren Umständen tatsächlich so wenig Bedeutung zugemessen hat, wie es das Briefmaterial zeigt. „Als in den ersten Novembertagen Deutschlands Macht so völlig zusammenbrach, dass bei dem Übermute des Siegers ein Friede der Gerechtigkeit ausgeschlossen schien, hat mich das, der ich mein Leben einer neuen, besseren Gestaltung der 68 Welt widme, tief getroffen.“
Bezeichnend sind auch die Zeilen, die Forrer an eine Freundin dazu nur zwei Tage später schreibt: „Von den militärischen Ereignissen der Revolution haben wir fast nichts bemerkt. Aber der Geist der Jugend ist doch sehr stark revolutionierend beeinflusst worden & so ist wieder ein lebhaftes, geistiges Leben zu verspüren, das nach Klarheit und Größe strebt. Das ist erfreulich. Das Reich schwoft und tanzt, vielleicht weil sie alle fürchten, dass es ein Tanz auf dem Vulkan ist.“ „..völlig rätselhaft ist mir die eigene Zukunft; denn wie ich jetzt erfahren habe, ist der reaktionäre Geist an unseren Universitäten noch so stark, dass es schwer fallen dürfte mit Ihnen etwas Neues zu schaffen und es ist doch wirklich ein Wunder, 69 dass das Volk zu den Universitäten und ihren Professoren aufschaut.“
Die ersten Publikationen: Die acht Sprachen der Bo©azköiInschriften und die Textedition KBo IV Ende August des Jahres 1919 hält Forrer die Zeit für reif, einen Teil der Ergebnisse seiner intensiven Forschungen an den hethitischen Texten in einem ersten Aufsatz zu publizieren. Bis dahin hatte Forrer der kleinen interessierten Forschergemeinde noch keinerlei Erkenntnisse seiner intensiven hethitologischen Forschungen im Museum mitgeteilt. Eduard Meyer, um entsprechende Unterstützung seitens Forrers gebeten, platzierte einen ersten Ergebnisbericht in den Sitzungsberichten der Preußischen Akademie der Wissenschaften und verhalf seinem Schützling zu einer renommierten Publikationsmöglichkeit. Er legte als ordentliches und einflussreiches Mitglied der Preußischen Akademie die erste Arbeit 68 69
Brief vom 17. Februar 1919 an seinen Freund „Dölfi“. Der Nachname ließ sich nicht mehr rekonstruieren und in der Anrede ist immer nur der Spitzname genannt. Brief an Thea Brauckmann aus Hagen (Westfalen) vom 19. Februar 1919.
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Forrers dort vor. Sie trug den Titel „Die acht Sprachen der BoghazköiInschriften“.70 Der Aufsatz ist gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. In den ersten Abschnitten gibt Forrer knapp und gut strukturiert eine Übersicht über die verschiedenen Textgattungen, die sich im hethitischen Textmaterial finden lassen. Er führt u.a. Vokabulare, verschiedene Bilinguen, Briefe, Festbeschreibungen, Rituale, Katasterurkunden, Staatsverträge, Gebete, Omina sowie astronomische Texte an und klassifiziert zum Teil deren Anteil am erhaltenen Gesamtmaterial. Dabei kommt er auch zu dem Ergebnis, dass „neun Zehntel“ aller Inschriften in „kanisischer“ Sprache abgefasst sind. Die vielen Tage und Nächte an den Texten bringen jetzt ihre erste fruchtbare Ernte ein. Zu diesem Zeitpunkt ist Forrer wohl der einzige, der solch generalisierende Aussagen zu den hethitischen Texten überhaupt treffen kann. Dass sich in den Tafeln aus Bo©azköi verschiedene Sprachen notiert finden, ist zu diesem Zeitpunkt keineswegs eine neue Erkenntnis, da bereits Hugo Winckler die akkadischen und sumerischen Wortformen und Texte des Bo©azköi-Materials lesen und verstehen konnte. Auch HroznŸ hatte schon das eigenständige Hurritische – damals noch Harrisch genannt – erkannt. Anhand der in den Texten bezeugten Sprachadverbien konnte Forrer in seinem ersten Aufsatz nun aber nicht weniger als acht verschiedene Sprachen nachweisen und darüber hinaus mit knappen grammatischen Skizzen zum Teil deutlich weiterführende Aussagen zu den belegten Sprachen wie dem Palaischen, Luwischen, Hurritischen, Protohattischen und dem sogenannten Ur-Indischen treffen. 71 Der größte Teil seines Aufsatzes behandelt die aus seiner Sicht sicherlich wichtigste Feststellung, dass die bisher Hethitisch genannte Sprache nun vielmehr Kanisisch zu nennen sei. Denn in den Kulttexten der Hethiter traten immer wieder die Sänger von Kaneç auf, die in Ritualhandlungen für einige Götter auf naçili rezitierten, worauf dann aber eindeutig Text in 70
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So der Titel des ersten Aufsatzes Forrers in den Sitzungsberichten der Preußischen Akademie der Wissenschaften, 1919, Nr. LIII, p. 1029–1041. Es handelte sich dabei um die Sitzung vom 18. Dezember 1919. Der Beitrag wurde Eduard Meyer am 4. Dezember 1919 vorgelegt und am 8. Januar 1920 ausgegeben. Die Existenz des Palaischen und Luwischen war schon seit den Grabungen Wincklers 1906 und 1907 bzw. 1911/1912, bekannt. Siehe dazu auch A. Kammenhuber, Handbuch der Orientalistik, 1. Abtlg., 2. Bd. 1. Und 2. Lieferung. 1969, p. 120. Auch hatte HroznŸ bereits anhand der Sprachadverbien festgestellt, dass die Kulttexte Fremdsprachliches enthalten, ihm jedoch blieb die Existenz des Hattischen noch verborgen. Siehe hierzu auch ausführlich J. Klinger, Untersuchungen zur Rekonstruktion der hattischen Kultschicht, Studien zu den Bo©azköi-Texten, Heft 37,1996, p.100–102. So war es Forrer und nahezu zeitgleich, aber publikatorisch später, B. HroznŸ, der auf das Hattische ausführlicher einging.
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hethitischer Sprache folgte, während Fremdsprachliches mit anderen entsprechenden Sprachadverbien eingeleitet wurde. 72 Forrer stellte also fest, dass die Hethiter ihre Sprache Nesisch oder Kanisisch nannten, benannt nach der alten Stadt Neça, die – so konnte Forrer zeigen – auch noch als ein und dieselbe Stadt wie Kaneç erwies. Fortan nannte Forrer das Hethitische in seinen Vorträgen und Publikationen stets Kanisisch, wobei er allerdings der einzige Forscher bleiben sollte, der diese Sprachbezeichnung über einen langen Zeitraum beibehielt. Denn die sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der noch geringen populären Literatur eingeführte Bezeichnung Hethitisch ließ sich nicht mehr - ohne gründliche Verwirrung zu stiften - korrigieren. Auch war das Sprachadverb naçili zum damaligen Zeitpunkt noch Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion und wurde mitunter falsch hergeleitet,73 so dass die hethitologische Forschergemeinde Forrers Vorschlag zur Umbenennung ablehnte. In diesem Aufsatz aber prägte Forrer auch die Bezeichnung Protohattisch für die Sprache, die mit Δattili in den Texten bezeichnet wurde, was aus seiner Sicht durchaus konsequent war, da er – aber auch nur er – Hattisch noch für das verwendete, was wir heute Hethitisch nennen.74 Hinsichtlich des Hattischen, dessen Entdeckung also das Verdienst Forrers ist, brachte er bereits eine grobe Skizze des Sprachbaus sowie einen Versuch, das Hattische aufgrund typologisch-vergleichender Merkmale an bekannte Sprachen anzuschließen. Seine erste Vermutung, dass das ˆattische dem Sumerischen nahe stehe, wiederholte er aber später nicht mehr. Auch bleibt unklar, wie er zu der Schlussfolgerung kam, dass das Adjektiv Δattili auf das Hattische zu beziehen ist. Seine erste Publikation zeigt aber auch bereits einen verhängnisvollen Grundzug Forrers in charakterlicher bzw. menschlicher Hinsicht. Mit dem Einleitungssatz „Eine Durchsicht sämtlicher Boghazköi-Fragmente hat ergeben...“ apostrophierte er, dass der geneigte Leser nun etwas Manifestes, Unumstößliches, durch und durch Gründliches vorgelegt bekommt, was vermeintlich außerhalb jeder Kritik steht. Dieser äußerst markante und auch sehr bewusst gewählte Satz, der sich im Übrigen aus heutiger Sicht nicht wirklich verifizieren lässt, sollte ihn selbst als den seinerzeit einzigen 72 73
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So wird das Hattische in den Texten mit dem Adverb Δattili, das Hurritische mit Δurili, das Luwische mit luwili und das Palaische mit palaumnili eingeleitet. HroznŸ deutete 1921 in Boghazköi-Sudien Bd.. 5, p. 29 naçili noch fälschlicherweise als Ableitung zu heth. naç „uns“. Zur Wortgeschichte ˆatti, Hethiter, Hethitisch siehe J. Klinger, Studien zu den Bo©azköi-Texten, Bd. 37 1996, p. 82ff. Zu Forrers Leistungen bei der Erforschung des Hattischen siehe ausführlich, O. Soysal, Beiträge von Emil O. Forrer zu hattischen Studien; Eine Bilanz seiner wissenschaftlichen Verdienste, in Çarnikzel, Gedenkschrift für Emil Orgetorix Forrer, Dresdener Beiträge zur Hethitologie, Bd. 10, 2004.
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und maßgeblichen Kenner des Materials darstellen. Dass Forrer zu diesem Zeitpunkt zu den besten Kennern des Hethitischen gehörte, war damals und ist heute unbestritten, aber Forrer wollte eben dies auch sicherstellen, ohne es selbst direkt und explizit auszudrücken.75 Sein auch später immer wieder zu spürender Drang nach Anerkennung, nach wissenschaftlicher Geltung sowie seine sehr hohe Selbsteinschätzung haben Forrer hier die Feder geführt. So schreibt er dann auch an Eduard Meyer am 28. November 1918: „...ich habe bei der Abfassung der Abhandlung Wert auf eine kurze und übersichtliche Darstellung gelegt. Auch will ich allen zeigen, dass ich und nicht HroznŸ das Material am besten kenne und beherrsche. Deshalb wählte ich nach reiflicher Abwägung diese treffliche Eröffnung. Sie drückt knapp und verhalten aus, was ich geleistet habe, ohne zu überheblich zu klingen, lässt aber keinen Raum für Zweifel an meiner alleinigen umfassenden Kenntnis des Materials.“
Parallel zum Manuskript seines Aufsatzes verfolgte er auch weiter die Autographiearbeiten an KBo IV, denn die Veröffentlichung des Editionsbandes war von Otto Weber für das Jahr 1920 vorgesehen. Forrer führte mit KBo IV einige Neuerungen ein, deren wichtigste die kurze Kommentierung der im Heft veröffentlichten Texte im Inhaltsverzeichnis war, die von nun an immer ausführlicher werdend - auch beibehalten und ausgebaut wurde. Das Honorar, das ihm die Deutsche Orientgesellschaft für die Fertigstellung des Editionsbandes zahlte, war vertraglich auf 1000 Mark festgesetzt worden. Forrer hatte insofern Pech, als dass die Honorarvereinbarung aus dem Jahre 1918 stammte und die schleichende aber spürbar beginnende Inflation im Deutschen Reich des Jahres 1920 einen nicht unerheblichen Teil seines Salärs entwertete. Trotz dieses misslichen Umstandes war die vereinbarte Summe für die damaligen Zeiten ein dennoch recht ansehnliches Honorar. 76
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Dieser Satz hat seine Wirkung nicht verfehlt, vor allem, was Forrers Wahrnehmung im europäischen Ausland betrifft. Zum anderen hat er auch dazu beigetragen, dass Forrer sich bei der später einsetzenden AΔΔijawa-Diskussion (siehe Kapitel 5) einige ironische Bemerkungen von Sommer und Friedrich eingehandelt hat, die auf eben diesen Satz abhoben. Vor allem Götze griff mit bissiger Ironie diesen Satz auf, nur um dem Mann, der angeblich das Material am besten beherrscht, dann vermeintliche Fehler und Mängel nachzuweisen. Zum Vergleich: Der Tarifvertrag der Herforder Textilindustrie vom 15. September 1919 weist für Facharbeiter und Maschinisten der höchsten Entgeltstufe einen Monatslohn von 288 Mark aus. Siehe Bestand des Archivs des Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld K3 Nr. 704.
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Organisatorische Veränderungen in der Vorderasiatischen Abteilung. Hans Ehelolf wird der Herr der Tafeln Im Jahre 1921 ergaben sich wichtige organisatorische Veränderungen innerhalb der Vorderasiatischen Abteilung, die für die weitere Zukunft Forrers von grundlegender Bedeutung werden sollten. Dabei war er selbst für einige dieser Maßnahmen sogar Mitinitiator. Hans Ehelolf hatte seine Tätigkeit als „wissenschaftlicher Hülfsarbeiter“ nach Beendigung des Ersten Weltkrieges wieder aufgenommen und kümmerte sich zunächst um das assyrische Textmaterial der Abteilung.77 Es kann als sicher angenommen werden, dass er die rasante Entwicklung der Erforschung des Hethitischen, die sich ja hauptsächlich in seiner Abteilung vollzog, sehr aufmerksam verfolgte. In diesem Zusammenhang muss es auch zu ersten Kontakten zwischen Ehelolf und Forrer gekommen sein, die sich in den Arbeitsräumen der Abteilung zweifellos begegnet sein müssen. Forrer unterstützte nach eigenen Angaben Ehelolf bei dessen ersten Versuchen, sich ins Hethitische zu finden und half ihm, sich in das neue Gebiet einzuarbeiten, indem er ihm Hilfsmaterialien aus eigener Feder, wie z.B. Wortlisten und grammatische Skizzen, die er selbst für das Studium des Hethitischen erstellt hatte, überließ und ihm in Gesprächen dienliche Hinweise gab. In welchem Umfang dies alles konkret geschah, lässt sich aus dem nachgelassenen Material nicht ermitteln. Forrer beschreibt rückblickend in einem tendenziösen Brief vom 3. November 1939 an der Führer des Nationalsozialistischen Studentenbundes, Dr. Steinbeck, die Situation in einer Weise, dass der Eindruck entsteht, Ehelolf habe ausschließlich von Forrer das Hethitische erlernt. Aufgrund der Umstände78 unter denen dieser Brief geschrieben wurde, sind Zweifel an der Korrektheit der Aussagen angebracht.
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Siehe Sitzungsberichte der Philosophisch-historischen Klasse der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1920, p.138. Dort berichtet Eduard Meyer in der öffentlichen Sitzung vom 22. Januar 1920, dass u.a. Ehelolf die Bearbeitung der Syllabare assyrischer Texte übernommen habe. Zu den Arbeiten am Bo©azköiMaterial nennt er nur Forrer und Walther. Dies kollidiert meines Erachtens nur scheinbar mit Meyers Bericht im gleichen Organ im Rahmen der öffentlichen Sitzung vom 25. Januar 1923. Auch dort weist Meyer ausdrücklich auf die assyriologischen Arbeiten Ehelolfs hin (p. XXXII). Die auf der gleichen Seite angeführten Kooperationen seitens Otto Webers, Arnold Walthers und Hans Ehelolfs beziehen sich auf den Zeitpunkt der Berichterstattung, also 1923. Dies korrespondiert mit den sonst verfügbaren Daten, da Ehelolf von 1923 an, einsetzend mit KUB IX, hethitische Texte veröffentlichte und von 1924 mit der Bearbeitung des PapanikriRituals auch hethitologisch orientierte Arbeiten publizierte. Siehe dazu Kapitel 5 und Kapitel 8 und Dokument 4 der CD-ROM.
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„Auch hatte er (gemeint ist Hans Ehelolf, d. Verf.) im Jahre 1923 noch keine Ahnung von der hethitischen Sprache, deren Keilschrift er vielmehr erst nachträglich an Hand meiner „Keilschrift der Boghazköi-Texte“ (1922) und meiner Grammatik (1922) erlernte.“
Es liegt nahe, dass die grammatischen Skizzen und lexikalischen Sammlungen Forrers von Ehelolf genutzt wurden, da diese in den Arbeitsräumen der Vorderasiatischen Abteilung lagen. Wahrscheinlich ist, dass neben der autodidaktischen Leistung Ehelolfs, auch Heinrich Figulla, Arnold Walther und möglicherweise Bed√ich HroznŸ, die ja ebenfalls an den Tafeln im Museum tätig waren, ihn in gleicher Weise kollegial unterstützt und beraten haben. Darüber hinaus scheinen die Zeitangaben von Forrer hier falsch wiedergegeben zu sein, denn Ehelolf hat sich sicherlich nicht erst 1923 in das Hethitische eingearbeitet, da er seit 1921 bereits organisatorisch für die hethitischen Texte zuständig war und seit 1922/23 Texteditionen vornahm.79 Mit der Wiederaufnahme des Dienstes von Ehelolf hatten Otto Weber und die Vorderasiatische Abteilung wieder einen hauptamtlichen Mitarbeiter und es konnten die akuten Personalprobleme, die ja auch in den entsprechenden Berichten Eduard Meyers in den Sitzungsberichten der Preußischen Akademie der Wissenschaften immer wieder vorgetragen wurden, wenigstens teilweise verringert werden, die ja u.a. der Grund für das vertragliche Engagement Forrers bei der Edition der Texte waren. Das wichtigste Projekt der Vorderasiatischen Abteilung, nämlich die Veröffentlichung der Bo©azköi-Texte, konnte nun langfristig mit der Einbindung Ehelolfs auf eine verlässlichere Basis gestellt werden, als dies bisher der Fall gewesen war. Es überrascht daher nicht, dass Weber, der für die Gesamtbelange der Abteilung und die zuverlässige Editionsarbeit verantwortlich war, entsprechende organisatorische Maßnahmen einleitete und auch durchsetzte. Außerdem muss auch in Betracht gezogen werden, dass die finanzielle Situation der öffentlichen Kassen in jenen Jahren nach dem Kriege sehr angespannt war und Ehelolf zudem keine zusätzlichen Personalkosten für die Vorderasiatische Abteilung verursachte, im Gegensatz zu den auf Werkvertragsbasis arbeitenden Kollegen. Dass die Aufarbeitung der Texte noch Jahre oder gar Jahrzehnte in Anspruch nehmen würde, war Weber bewusst und so entschied er sich, den in festen Diensten der Abteilung stehenden Hans Ehelolf mit dieser Aufgabe langfristig zu betrauen und die Edition der Bo©azköi-Tafeln dauerhaft zu sichern. Ehelolf wurde auch fortan Webers wichtigster Mitarbeiter und sollte die konstante und feste Größe im gesamten Bo©azköi-Projekt für nahezu zwei Jahrzehnte 79
Siehe Vorwort KUB VII, das aus der Feder Ehelolfs stammt und im Februar 1923 erschien.
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werden oder plakativer ausgedrückt: Hans Ehelolf wurde bis zu seinem Tode 1939 der Herr der Tafeln in Berlin. Gleichzeitig mit der Aufnahme seiner verantwortungsvolleren Position in der Vorderasiatischen Abteilung führte Ehelolf, in enger Abstimmung mit Otto Weber, ein neues Zugangssystem zu den Tafeln selbst sowie zu den Photographien ein, dass den bis dahin recht laxen Umgang mit dem Material einen beschränkenden Riegel vorschob. Es war nur noch über Ehelolf oder aber Weber und dessen ausdrücklicher Genehmigung möglich, Zugang zum Bo©azköi-Material zu erhalten. Nachweislich wurde dieser Zugang mitunter auch verwehrt, was meist aber sachlich mit dem Zustand des Materials oder der Bearbeitung der entsprechenden Tafeln durch Ehelolf selbst oder anderen Abteilungen des Museums begründet werden konnte.80 Aus den Briefen Forrers lässt sich entnehmen, dass der Zugang zu den Texten in der Anfangszeit recht freizügig und unkompliziert geregelt war. Forrer konnte sich jederzeit aus den Kisten bedienen und Tafeln in sein Arbeitszimmer holen, ohne dass er in besonderer Weise kontrolliert oder die Ausgabe durch Otto Weber oder einen anderen Museumsbeamten formal geregelt wurde. Angesichts der kleinen Forschergemeinde überrascht diese Handhabung auch nicht, schließlich war es ein sehr überschaubarer Kreis von Forschern, der sich um die Texte bemühte. Weber, der 1917 noch auf Forrer für die Bearbeitung der Texte angewiesen war, da die meisten Altorientalisten aktiven Kriegsdienst leisteten, organisierte nun die Abteilung und die Zuordnung der Aufgabenfelder neu. Bis 1922 waren zwar Webers Planungen bereits abgeschlossen und z.B. Arnold Walter und Emil Forrer für das Bo©azköi -Unternehmen auch unter Vertrag genommen, aber eine über viele Jahre gehende Planung, beispielsweise mit Ernst Weidner oder Heinrich Figulla, war unter den damaligen Rahmenbedingungen schlicht nicht zu gewährleisteten, ebenso wenig wie eine zusätzliche Festanstellung Forrers oder anderer Forscher. Hinzu kommt, dass offenbar um das Jahr 1920 eine deutliche Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Weber und Forrer eintrat und einer zukünftigen Zusammenarbeit der beiden hinderlich im Wege stand. Forrer selbst erläutert in einem Brief an Eduard Meyer vom 27. November 1920 einen der Gründe: „Dazu kommt, dass Prof. Weber, mir vorläufig nicht gestatten kann, in der bisherigen Weise im „Schuppen“ zu arbeiten, wenn ich aber den Wunsch habe, bestimm-
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Neben einigen Postkarten Ehelolfs, die die Bereitstellung von Tafeln für Forrer thematisieren, enthält das Nachlassmaterial auch eine Karte mit einem ablehnenden Bescheid einer Einsichtnahme, da die angefragte Tafel sich seinerzeit in der Restaurierung befand.
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te Texte im Original einzusehen, so wird er sie mir jederzeit in den Räumen der V. Abt. vorlegen lassen. Glücklicherweise habe ich mir einen Zettelkatalog aller nummerierten Texte angelegt und übrigens ist er der einzige des Museums, sodass ich wenigstens die eine Hälfte der Boghazköi-Texte benutzen kann. Ich bin aber mit den Gepflogenheiten der V.Abt. genug bekannt, um zu wissen, dass bestenfalls 4 - 4,5 Stunden Arbeit herauskommen, wenn mir die Texte erst herübergeholt werden müssen, während ich im Schuppen meine Zeit ausnutze und von früh bis spät schaffe. Diese Arbeitsbedingungen von Seiten Prof. Webers sind darauf zurückzuführen, dass ich auf Seite 23 unten meiner Dissertation nicht angegeben habe, dass ich die Gleichheit von Guzana mit Tell Halaf einer Mitteilung O. Webers in seinem Vortage in der VAG, 1918, verdanke, den ich im Buche auch vergass. Ich bin überzeugt, dass mir solcher Zitatenmangel schon öfters vorgekommen ist, da ich vom gelesenen Text, wenn es Inschriften sind, meist nur den Zusammenhang und das wesentliche Indiz (Verbum fehlt) & oft nicht mehr weiß, wo ich etwas einmal gelesen habe.“ Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie mit diesen Kleinigkeiten belästige; es war aber zum besseren Verständnis des vermeintlichen Weberschen Streites, meines Berlin-Kommens & des Geistes, der in der VA. weht, nötig, der zwar gewiss unvergleichlich geeignet ist, die Inschriften des Museums wahrzunehmen, aber zugleich die wissenschaftliche Arbeit in der VA, aber ohne Ausnahme, sehr erschwert. Bei vierstündiger Arbeit steht natürlich das Sammelergebnis zu den Kosten in keinem Verhältnis und so würde mir die Arbeit an den Bog. Texten, wenn auch nicht formal, so doch sachlich unmöglich. Glücklicherweise mangelt es mir auch nicht an Problemen & Aufgaben.“
Zum anderen trug Forrer es Weber offenbar nach, dass der Druck seiner Dissertation nicht wie ursprünglich von Weber zugesagt, zügig erfolgte, sondern letztendlich sogar von ihm abgelehnt wurde. Das für Forrer daraus resultierende negative Ergebnis war, dass zu Beginn des Jahres 1920 seine Arbeit immer noch nicht erschienen war. Für Forrer stand fest, dass Weber sich hier zu wenig in seiner Angelegenheit engagierte oder gar ein falsches Spiel getrieben hatte, als er seinerzeit die Veröffentlichung seiner Dissertation zusagte. Das Verhältnis der Beiden war nun deutlich gestört, insbesondere als die Arbeiten zu KBo IV abgeschlossen waren und Forrer im Zuge seiner Habilitationsbemühungen nach München wechselte und somit auch nicht mehr die zentrale Rolle in Webers Überlegungen spielte. Forrer, von Weber enttäuscht, schreibt an Fritz Schachermeyr81 am 7. Dezember 1920: 81
*10. Januar 1895 (Linz, Österreich) – †26. Dezember 1986 (Eisenstadt, Österreich), österreichischer Altertumsforscher, der sich bereits in der Frühzeit der Hethitologie zu einigen historischen Fragestellungen und insbesondere in der sogenannten AΔΔijawa-Frage äußerte. Eine ausführliche biografische Betrachtung
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Die Jahre 1918–1924 „Wenn Sie mal einen weißen Raben erwischen, der mit der Geschäftsleitung der VAG, nämlich Weber, während letzten Jahre zufrieden ist, dann müssen Sie das Curiosum unbedingt mitteilen; selbst Luschan hat sich mir gegenüber in ungewohnt deutlichen Worten darüber geäußert. Das ist mit einer der Hauptgründe, dass ich jetzt für die Keilschriftforschungen eine neue Zeitschrift auftue. Ich hebe ausdrücklich hervor, dass dabei für mich gar nicht ausschlaggebend ist, dass er meine Provinzeinteilung zurückweisen zu müssen glaubte & uns dafür mit talmudischer Weisheit beglückt hat.“
Die direkte Antwort Schachermeyrs liegt leider nicht vor, aber Forrer antwortet Schachermeyr noch einmal am 3. Februar 1921 und legt darin seine recht negativen Ansichten über Weber und die Vorderasiatische Abteilung etwas ausführlicher dar: „Sehr geehrter Dr. Schachermeyr! Zu den einzelnen Punkten Ihrer beiden Briefe: O.Weber. Sein allergrößtes Verdienst ist, dass er mit großer Zügigkeit dafür kämpft, dass die Sammlung Oppenheims der V.Abt. überwiesen wird, dass er die Überführung der Konstantinopler Boghazköi-Texte nach Berlin fertig gebracht hat. Aber warum müssen jetzt nach Friedensschluß noch immer zahlreiche Kisten mit unbekannten Texten in Lissabon liegen, ohne dass endlich Anstrengungen zu ihrer Erlangung gemacht werden. Müssen mehrere Täfelchen mit eingeritzten hethitischen Hieroglyphenzeichen, die in Assur zusammen mit einer Steininschrift gefunden wurden, schon viele Jahre lang als „vertraulich“ behandelt werden – wie „vertraulich & geheim“ überhaupt die Hauptworte der V.Abt. sind – sie werden nicht veröffentlicht, was aber im Handumdrehen geschehen wäre. Warum wurde Delitzsch durch gemeine Intrigen aus der VA gedrängt. Warum sind alle, die in der VA gearbeitet haben, Meissner, Pick, Weidner, Figulla, Ebeling, Schroeder, Forrer alle - ohne Ausnahme gegen Weber (abgesehen Ehelolf). Ich glaube bestimmt versichern zu können, dass ich an Webers Stelle schon zehnmal soviel Texte herausgegeben hätte. Aber Weber ist ein Kapitel für sich.”
Da hier nur die Ansicht Forrers überliefert ist, sind solche Aussagen genereller Art nicht zu verifizieren und mit der gebotenen Vorsicht zur Kenntnis zu nehmen. Offenkundig ist aber, dass Forrer und Weber tiefgreifendere Dissonanzen hatten, die sich auf die bisher gewohnte Arbeitsweise Forrers im Museum negativ auswirken sollten. Sein bis dato uneingeschränkter Zugriff auf das Textmaterial war nun drastisch eingeschränkt, wobei dies wahrscheinlich nicht nur für Forrer, sondern auch für alle anderen Mitforscher, die nicht direkt mit dem Museum zu tun hatten, galt. Überhaupt scheint die Atmosphäre auch unter den dort arbeitenden Gelehrten insgesamt als belastet einzustufen zu sein. Denn Forrer hatte ja auch _____________
erarbeitet derzeit Martina Pesditschek in Wien auf der Basis seines Nachlasses. Siehe auch Peter Raulwing, 2007, www. hethitologie.de.
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mit HroznŸ seine kleineren zwischenmenschlichen Probleme, die er mehrfach in Briefen artikulierte. Offenbar war dies aber immer noch nicht der Zeitpunkt, an dem sich Hans Ehelolf intensiver mit dem Hethitischen auseinanderzusetzen begann. Denn im Jahre 1922 publizierte Hans Ehelolf noch in den Mitteilungen der Vorderasiatischen Abteilung eine assyriologische Arbeit. 82 Auch aus dem Vorwort dieser neuen Reihe der Vorderasiatischen Abteilung erfahren wir, dass Ehelolf 1922 noch hauptsächlich assyriologische Studien betrieb, da zu jener Zeit das erwähnte Manuskript abgeschlossen wurde. Die zu dieser Zeit herrschende Finanznot gestaltete auch die Herausgabe der Texteditionen insgesamt sehr schwierig, was in der Tatsache seinen Ausdruck fand, dass ein beachtlicher Zuschuss für die Druckkosten für jedes Heft sicherzustellen war. Der Kundenkreis solcher Spezialpublikationen war erwartungsgemäß sehr begrenzt, da- selbst weltweit gesehen - der Forscherkreis doch sehr überschaubar war. Mit einer Auflage von 300 oder 500 Heften war die Nachfrage für die Forschergemeinde sowie der in Frage kommenden Institutionen - wie z.B. Universitäts- und Institutsbibliotheken - sicherlich abzudecken, aber keineswegs waren die Kosten für die Druckerstellung zu kompensieren, es sei denn, man hätte exorbitante Heftpreise festgesetzt, die aber letztendlich dem Absatz keineswegs förderlich gewesen wären. Also bezuschusste die Deutsche Orientgesellschaft aus ihren knappen Mitteln die Herstellung dieser Hefte. Emil Forrer befasste sich seit 1919 intensiver mit dem Problem der professionellen Bucherstellung im Selbstverlag unter dem Eindruck der Verzögerung des Erscheinens seiner Dissertation und experimentierte bereits ab 1919 mit verschiedenen Druckverfahrenstechniken, um eine dauerhafte und grundlegende Verbesserung für das Anliegen der kontinuierlichen Textpublikation zu erreichen - vor allem der Eigenen. Diesen Weg des Selbstverlages beschritt Forrer ab Mitte der 1920er Jahre dann recht konsequent und veröffentlichte seine Arbeitsergebnisse in diesem Verfahren. Auch manche seiner späteren Schriften zur Meropisforschung, die während seines Lebensabschnittes in El Salvador entstanden, wurden von Forrer im Selbstverlag herausgebracht.83 Bei Forrer reiften 1920 auch die Überlegungen, wie man die Ergebnisse der Keilschriftforschung in Deutschland gebündelt, möglichst in einem Organ, veröffentlichen könne. Unzufrieden mit der Gesamtsituation der Publikationen der Forschungsergebnisse befasste er sich in diesem Jahr auch längere Zeit mit dem Projekt, 82 83
Hans Ehelolf, Ein altassyrisches Rechtsbuch, in: Mitteilungen der Vorderasiatischen Abteilung der Staatlichen Museen zu Berlin, Heft 1, 1922, Berlin Auch Forrers Fachkollege und Freund Ernst F. Weidner hat Bände der Fachzeitschrift Archiv für Orientforschung im Selbstverlag herausgebracht.
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eine eigene Fachzeitschrift herauszubringen sowie einen eigenen Verlag zu gründen, wie der zitierte Brief an Schachermeyr zeigt. Das erste und aus seiner Sicht wichtigste Werk seines angedachten Verlagsprojektes sollte seine Münchener Habilitation sein. Er schreibt dazu am 27. November 1920 an Eduard Meyer in Berlin: „Da die Arbeit zu lang geworden ist, habe ich sie schon in zwei Teile geteilt; mit dem ersten, bereits zitierten, will ich mich habilitieren. Die Arbeit ist fast ganz fertig und wenn die neu bestellte Schreibmaschine kommt, beginnt Gretl mit dem Tippen und zwar auf ein bestimmtes markiertes Papier, auf dem ich dann nach Wunsch Abzüge erstellen kann, mit einer Rollmaschine, die ich zu diesem Zwecke schon Ende 1919 kaufte. Die Arbeit wird auf diese Weise gleich gedruckt & und diesem Buche meines wissenschaftlichen Verlages sollen bald weitere folgen. Folglich sind die großen Satzkosten ganz bedeutend billiger als bei anderen Büchern. Für das Tippen wird gewiss mit ein bis zwei Monaten zu rechnen sein, so dass ich das Buch Ende Januar oder Anfang Februar glaube vorlegen zu können. Dann erst kommt in meine Habilitation richtig Schwung und da Prof. Otto beschleunigte Behandlung zusagte, wird es hoffentlich zum Sommersemester losge84 hen können!“
Forrer hatte bei der Herstellung von KBo IV und auch seit seinem Einstieg in die Hethitologie 1917 reichlich Erfahrung sammeln können, wie Produktion und Vertrieb solcher Spezialpublikationen organisiert waren, und wusste auch um die Kosten, die das bisherige Herstellungs- und Vertriebsverfahren verursachte. So erlebte Forrer aufgrund der immer angespannter werdenden Wirtschaftslage während des Krieges und der unmittelbaren Nachkriegszeit die erheblichen Schwierigkeiten der Verlage und der Druckindustrie überhaupt, Spezialpublikationen herausbringen zu können. Eine für ihn selbst leidvolle Erfahrung in dieser Beziehung erfuhr Forrer bei den Anstrengungen um das Erscheinen seiner eigenen Dissertation. Folglich überlegte er Maßnahmen und Strukturen – beinahe im Stile eines Marketingfachmanns – wie nicht nur die Modernisierung der bisherigen Herstellungsverfahren unter Kostenminimierungsgesichtspunkten voranzutreiben wären, also sozusagen eine Optimierung der Angebotsseite, sondern er erarbeitete auch einen Vorschlag, wie man die Nachfrageseite solcher Spezialpublikationen stärken und eine verbesserte Kundenbindung generieren könne. Der daraus zu erzielende größere Profit sollte dann genutzt werden, um mit diesem letztendlich die Finanzierung der Hefte aus sich selbst heraus sicherzustellen. Die Ergebnisse und Vorschläge all seiner
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Prof. Walter Otto hatte von 1917 bis 1941 den Lehrstuhl für Alte Geschichte in München inne.
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Überlegungen teilte er in einer Denkschrift der Deutschen Orientgesellschaft und auch Otto Weber mit. 85
Die Denkschrift zur Herausgabe der Texte von Emil Forrer Denkschrift über eine zweckmässigere Veröffentlichungsart der Boghazköi Inschriften 19.05.1921 „In der Hauptsache sind es drei Umstände, die eine Weiterführung der bisherigen Veröffentlichungsart der Boghazköi-Texte unmöglich machen. Erstens sind die dem Osmanischen Museum in Konstantinopel gehörigen Tafeln bereits von diesen zurückgefordert worden, und darum müssen diese in der kürzesten nur möglichen Zeit endgültig herausgegeben werden, andernfalls wir die Ausbeute dieser Texte den Franzosen oder Engländern überlassen müssen. Zweitens sind durch den Übergang in andere Berufe (wie bei Weidner und Dr. Figulla), körperliche Arbeitsunfähigkeit (wie bei Dr. Walther), Überlastung mit anderer Arbeit (wie bei Prof. Weber) oder andere Gründe (wie bei Prof. HroznŸ) fast sämtliche bisher bei der Herausgabe der Boghazköi-Texte tätigen Herren ausgeschieden, wodurch eine starke Not an geeigneten Persönlichkeiten entstanden ist. Drittens waren durch die bisher geübte Veröffentlichungsart der Boghazköi-Texte in autographischer Keilschrift hohe Zuschüsse von Seiten der DOG nötig, die diese gegenwärtig nicht mehr aufzubringen in der Lage ist. Dies legt die Frage nahe, ob es eine andere Veröffentlichungsart gibt, die geeignet ist, allen diesen drei Schwierigkeiten abzuhelfen. Folgender Vorschlag scheint mir geeignet, alle Anforderungen, die gegenwärtig billigerweise an eine Veröffentlichung gestellt werden können, zu erfüllen. Eine der Hauptforderungen ist die, dass die Wiedergabe der Texte genau sein und Fehlermöglichkeiten ausschließen muss. In dieser Hinsicht sind wir bei den Bo-Texten in glücklicher Lage. Da nämlich mit ganz vereinzelten Ausnahmen alle Texte demselben Zeitraum von etwa einer Generation für die erst damals begründete Bibliothek niedergeschrieben wurden, sind sie, auch wenn ihre Abfassung in ganz verschiedene und z.T. sehr alte Zeit fällt, in völlig gleichartiger Keilschrift geschrieben, innerhalb deren sich nur bei ganz wenigen Zeichen Abweichungen in der Schreibung finden. Selbst die für Assurbanipals Bibliothek geschriebenen assyrischen Tontafeln reichen nicht heran an die Gleichartigkeit der Bo-ghazköiInschriften, noch viel weniger natürlich die Urkunden der Dynastien von Babylon oder Ur, ganz zu schweigen von den Farah-Texten. Daher ist für die BoghazköiTexte die Veröffentlichung in Umschrift das Gegebene unter Beigabe einer genau85
Das Original dieser Denkschrift befindet sich im Archiv der Deutschen Orientgesellschaft in Berlin. Ich danke der Deutschen Orientgesellschaft sowie ihrem Vorsitzenden Prof. Dr. Hans Neumann für die Überlassung und die Publikationsgenehmigung dieser Denkschrift.
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Die Jahre 1918–1924 en Schrifttafel, was natürlich nicht ausschließt, dass Zeichenformen, die gewissen Tontafeln eigentümlich sind, anmerkungsweise in Keilschrift und das besonders zerstörte und wichtige Texte durch Lichtbilder wiedergegeben werden. Die Veröffentlichung in Umschrift hat große Vorzüge vor der in Keilschrift. Da nämlich die Herstellungsdauer der bis jetzt herausgekommenen Hefte mit keilschriftlicher Wiedergabe der Bo-Texte für ein Heft von 10 Bogen (80 gr. Seiten) durchschnittlich ein Jahr beträgt, würde die Herausgabe sämtlicher vom Osmanischen Museum zurückverlangter Texte allermindestens 50, wahrscheinlich aber 80 - 100 Jahre betragen, wenn wir mit der bisherigen Anzahl von Mitarbeitern rechnen. Davon kann aber bei der erwähnten Leutenot nicht die Rede sein. Ein Festhalten an der Veröffentlichungsart in autographierter Keilschrift macht die Herausgabe aller von Konstantinopel zurückverlangter Texte unmöglich bzw. schiebt sie in unmögliche Ferne. Der Nachteil, dass das Keilschrift-Autographien so verhältnismäßig viel Zeit verschlingt, besteht bei der Veröffentlichung in Umschrift nicht. Dagegen glaube ich, in diesem Falle sicherstellen zu können, dass bei nur einem Herausgeber mit nur halb so großem Papierverbrauch im gleichen Zeitraum die etwa 5 bis 10-fache Menge herausgegeben werden kann, bei gleicher Genauigkeit, allerdings z.T. deswegen, weil ich selbst einen ansehnlichen Teil des Textstoffes für eine derartige Veröffentlichung vorbereitet habe. Damit wäre die erste Schwierigkeit der baldigen Rückgabe und die zweite der Leutenot im wesentlichen behoben. Während die Veröffentlichung in Keilschrift ihre Abnehmer nur in dem Kreis der etwa 2 bis 3 Hundert Keilschriftverständigen der ganzen Erde suchen kann und daher zur Erzielung eines marktfähigen Preises notwendigerweise auf ansehnliche Zuschüsse angewiesen ist, öffnet eine Umschrift-Ausgabe auch den KeilschriftUnkundigen Linguisten und Historikern den Weg zur Mitarbeit an den Texten, wodurch sich der Abnehmerkreis bei dem großen Interesse, das den Texten entgegengebracht wird, mindestens verzwanzigfacht, sodass eine Auflage von 500 Stück wahrscheinlich viel zu niedrig ist und eine Auflage von 1000 Stück das Richtige trifft. Als ersten Band dieser Veröffentlichung in Umschrift würde ich die Herausgabe sämtlicher historischer und artähnlicher Inschriften vorschlagen, die nach vorläufiger Schätzung etwa 240 gr. 4-Seiten, also 30 Bogen ausmachen werden, was inhaltlich etwa 6-8 Heften zu je 10 Bogen in Keilschrift-Autographie entspricht. Die Druckkosten betragen gegenwärtig bei einer Auflage von nur 500 Stück für einen Bogen etwa 900 bis 1000 Mark, für fremdsprachigen Satz etwa 1000 bis 1200 Mark, sodass die Druckkosten dieses Bandes etwa 30 bis 40000 Mark betragen. Würde der Ladenpreis auf 80 Mark, der Sortimenterpreis auf 60 Mark angesetzt, so würde dieser bei sechsmal so großem Inhalt eines autographierten Keilschriftheftes zu 10 Bogen nur doppelt so viel kosten. Das ergibt bei einer Auflage von nur 500 Stück ein Gesamtergebnis von 30000 Mark, das den Druckkosten die Waage hält; allerdings sind etwaige Vergütungen für den Herausgeber noch nicht in Rechnung gestellt. Nun aber hat das Reich für die produktive Arbeitslosen-Fürsorge im Buchdruckergewerbe 1.000.000 M. bereitgestellt, die den Druck wissenschaftlicher Werke er-
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möglichen sollen, die sonst nicht marktfähig wären. Die Verbilligung, die sich daraus für die Druckkosten ergibt, beträgt etwa 50%. Es wäre also durchaus möglich, das Buch zum halben Preis herauszubringen oder aber es im gleichen Betrage wie die Druckkosten zugunsten einer Vergütung für den Herausgeber und andere Zwecke zu belasten. Dieser andere Zweck wäre die Herstellung eines Thesaurus der Boghazköi-Sprachen. Wenn nämlich 500 oder 1000 Stück des Buches über die für den Vertrieb bestimmte Auflage von 500 oder 1000 Stück gedruckt werden, so kosten diese nur das Papier und den Druck, da der Satz bereits in der Vertriebsauflage verrechnet ist. Die Kosten für den Druck und das für diesen Zweck nur einseitig zu bedruckende billigere Papier betragen auf nur ein Stück gegenwärtig etwa 8,70 Mark. Dank der sehr wohl möglichen Heranziehung der produktiven Arbeitslosenunterstützung im Buchdruckergewerbe könnte also die Herstellung des Thesaurus ohne die geringste Schwierigkeit in die Kosten des Buchdruckes hineinbezogen werden. Bei einer Vertriebsauflage von 1000 Stück und dem Druck von weiteren 1000 Stück könnte also, ohne das irgendwelche Mehrkosten entstehen, ein Versuch der Herstellung eines Thesaurus unabhängig von einer solchen Umschrift-Ausgabe dürfte allermindestens 200000 Mark kosten - ein Thesaurus hergestellt werden, der, um seine Benutzbarkeit für alle Gelehrten Deutschlands sicherzustellen, in den Handschriftenabteilungen der Staatsbibliotheken in Berlin und München in je einem Stück aufgestellt werden könnte. Wie die DOG ursprünglich beabsichtigte, so scheint es auch mir das Richtigste, den Band der die Textausgabe enthält, begleiten zu lassen, von einem Bande, der die z. Zt. bestmöglichen Übersetzungen der Inschriften bietet, um so eine Grundlage zu schaffen, auf der die Gelehrtenwelt weiterbauen kann. Zu diesem Zweck muss dieser Band auch von einem Wörterbuch begleitet sein, das die in diesem Bande vorkommenden Wortbedeutungen gibt, nicht aber sämtliche Belegstellen. Auf diese Weise wird eine Teilung erzielt, in dem Sinne, dass das unveränderlich Gegebene im Textband und dem Thesaurus niedergelegt ist, während das, was durch die Entwicklung der Wissenschaft möglichst bald überholt sein soll, in dem Bande der Übersetzungen und des Wörterbuches seinen Platz findet. Für letzteren dürfte eine Auflage von 500 Stück genügen. Dieser erste Textband dürfte infolge der bereits von mir getroffenen Vorbereitungen schon in den 1 bis 2 Jahren erscheinen können. Weitere Textbände kleineren Umfangs, die die fremdsprachigen Texte enthalten können gleichzeitig in Angriff genommen werden. Je nach der Geschwindigkeit, mit der die Veröffentlichung fortschreiten soll, würde die Zuziehung weiterer Herausgeber für andere Textgattungen in Erwägung zu ziehen sein. Die DOG hat das Ziel, alle Boghazköi-Texte der wissenschaftlichen Welt im Urtext und in Übersetzung zugänglich zu machen. Diesem Ziele stellen sich bei der bisherigen Veröffentlichungsart unüberwindliche Hindernisse entgegen, die ich durch die vorgeschlagene Veröffentlichungsart zum größten Nutzen der Wissenschaft (Thesaurus!) und ohne Heranziehung von Geldern der DOG oder Notgemeinschaft deutscher Wissenschaft überwinden zu können glaube. 10.Mai 1921 gez. Dr. Emil Forrer
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Die Jahre 1918–1924 Es existieren an Boghazköi-Tafeln Aus den Vorkriegsgrabungen rund 10.000 Aus den Nachkriegsgrabungen bisher 4.500 Tafeln und Tafelbruchstücke (die Bruchstücke bis hinunter zu winzigen Splittern überwiegen leider) An Textpublikationen sind bisher erschienen: Keilschrifttexte aus Boghazköi, Bd. I-VI (KBo) Keilschrifturkunden aus Boghazköi, Bd. I - XXVIII (KUB) Davon sind lexikalisch thesaurusmässig aufgearbeitet: KBo II - VI (I enthält akkadische Texte), KUB I - XX , d.h. rund 1300 Publikationsseiten im Quart. Umschrieben und inhaltlich wie lexikalisch aufgenommen sind: Aus den Vorkriegsgrabungen 6000 Tafeln Aus den Nachkriegsgrabungen 3300 Tafeln In entsprechender Weise müssen noch verarbeitet werden: Aus den Vorkriegsgrabungen 4000 Tafeln (zumeist winzige Fragmente) Aus den Nachkriegsgrabungen 1200 Tafeln.“
Das Resultat dieser Denkschrift war für Forrer durchaus zufriedenstellend. Denn die Deutsche Orientgesellschaft folgte diesen Vorschlägen weitgehend und vereinbarte mit Forrer im Rahmen der Wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Deutschen Orientgesellschaft86 (WVDOG) die Herausgabe der Keilschrifttexte in Umschrift unter dem Titel „Die BoghazköiTexte in Umschrift“. Da nun die Texte in Umschrift veröffentlicht werden sollten, wurde parallel dazu die Reihe Keilschrifttexte aus Boghazköi (KBo) durch die Deutsche Orientgesellschaft eingestellt. Das Museum war nun verantwortlich für die Herausgabe der Texte und Otto Weber schuf 1921 die Reihe Keilschrifturkunden aus Boghazköi (KUB), in der die Autographien von diesem Zeitpunkt an publiziert werden sollten. Für diese Reihe war Emil Forrer als Mitarbeiter nun nicht mehr vorgesehen, was möglicherweise - neben seinem Engagement bei der Umschriftenausgabe auch darin begründet sein kann, dass angesichts der Veränderungen des persönlichen Verhältnisses zwischen Weber und Forrer, eine weitere Zusammenarbeit für beide Seiten als nicht erwünscht oder erfolgversprechend angesehen wurde. Das Ergebnis war jetzt formal eine Zweiteilung der Ar86
Die beiden Bände Die Boghazköi-Texte in Umschrift erschienen in der Reihe Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Deutschen Orient-Gesellschaft, Bd. 41 (1922) und Bd. 42 (1926).
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beit an den Texten. Die Edition und Veröffentlichung der Autographien ging nun in die Verantwortung der Vorderasiatischen Abteilung des Berliner Museums über, währenddessen die Deutsche Orientgesellschaft die Umschriftenausgabe der Texte auf der Grundlage von Forrers Vorschlägen übernahm. Inwieweit die kalkulatorischen Überlegungen Forrers tatsächlich realisiert wurden, lässt sich nicht überprüfen, jedoch erwähnt er in einigen Schreiben die Finanzierung und somit die Sicherstellung der Publikationen hethitischer Keilschrifttexte wie auch anderer Publikationsorgane entscheidend auf den Weg gebracht zu haben. 87 „Unter dem Drucke der durch die Erfüllung des Versailler Vertrag hervorgerufenen Not musste die DOG 1921 die Herausgabe der „Keilschrifttexte aus Boghazköi“ einstellen. Ausserdem drohte damals der Kommunismus weiter um sich zu greifen, dessen Sieg das völlige Erliegen unserer Wissenschaft bedeutet hätte. Um dem zu begegnen machte ich unter großen finanziellen Opfern Versuche mit verschiedenen Reproduktionsverfahren, mit dem Ziel die Wissenschaft, für deren Erhaltung die Verlage in dieser Notzeit völlig versagt haben, wirtschaftlich auf eigene Füsse zu stellen. Als Ergebnis meiner Versuche und Berechnungen schlug ich der DOG und der Vorderasiatischen Abteilung der Staatlichen Museen, die damals unter Leitung von Prof. O. Weber stand, eine neue Art der Herausgabe der Boghazköi-Texte mit Druck im eigenen Betrieb des Museums und im Selbstverlag der Vorderasiatischen Abteilung vor: die „Keilschrifturkunden aus Boghazköi.“ (KUB). Meine anfangs für utopisch gehaltenen Berechnungen erfüllten sich restlos: nicht nur konnte der bis dahin für jedes Heft an den Verlag gezahlte Zuschuss der DOG von 1000 Goldmark fortfallen, sondern auch das Honorar des Verfassers für jedes Heft von 800 auf 1000 Goldmark erhöht werden; ja darüber hinaus wurden erstaunlich grosse Einnahmen erzielt, die in Büchern angelegt wurden. Nicht weniger als 14 Hefte konnten auf diese Weise von Prof. O. Weber von 1921 bis zu seinem Tode 1925 herausgegeben werden. Ich darf um so stolzer darauf sein, in jeder Hinsicht der Vater dieses Unternehmens zu sein, als es nicht wenig Mühe gekostet hat, Prof. Weber und die anderen naturgemäss technisch unbewanderten Assyriologen zur Anlernung in die Druckbetriebe einzeln und zusammen zu schleppen. Nicht nur ersterer, sondern auch die letzteren konnten von den Vorzügen dieser Art des Selbstverlages überzeugt werden, sodass auf meine Anregung hin nicht nur die „Keilschrifturkunden von Boghazköi“, sondern auch die von Prof. A. Deimel in Rom herausgegebene Zeitschrift Orientalia, das von Herrn Dr. Weidner herausgegebene Archiv für Orientforschung sowie die von Dr. E. Ebeling herausgegebenen Berliner Beiträge zur Keilschriftforschung begonnen wurden. So kam es, dass die Keilschriftforschung gerade in der Zeit der höchsten Not 1921 zu neuem Leben erwachte.“
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Auszug aus dem Brief an den NS-Dozentenbundführer Dr. Steinbeck vom 3. November 1939. Siehe auch CD-ROM Dokument 4.
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In seinem Lebenslauf vom 2. April 1939 führte Forrer beinahe gleichlautend aus:88 In jenen Jahren 1921–1923, die die zunehmende Bolschewisierung Deutschlands erleben mussten, sahen wir auch die Weiterexistenz unserer Wissenschaft bedroht. Da auch die Verleger nicht den Vorteil der Wissenschaft im Auge hatten, suchte und fand ich neue Wege, unserer Wissesnchaft die unerlässlichen Veröffentlichungsmöglichkeiten aus eigener Kraft zu schaffen, so dass in gerade dieser schweren Zeit auf meine tätige Anregung hin hauptsächlich fünf Zeitschriften in das Leben traten: Orientalia des päpstlichen Bibelinstituts, Archiv für Orientforschung v. E. Weidner, Keilschrifturkunden aus Boghazköi der staatlichen Museen (Ehelolf), Berliner Beiträge zur Keilschriftforschung von E. Ebeling, Forschungen von E. Forrer. Auch ergriff ich durch die Denkschrift vom 14.IV. 1923 die Initiative zur Schaffung eines Thesaurus zu den kanisisch-hetithitischen Inschriften, die dank der Förderung von Ed. Meyer und die Beihilfe von Ermann, Sarre, Schaefer u.a. verwirklicht wurde, aber inzwischen unter der Leitung von H. Ehelolf versackt ist.“
Das angesprochene Thesaurus-Projekt sollte noch Anlass zu tiefgreifenden Auseinandersetzungen zwischen Ehelolf und Weber auf der einen sowie Forrer auf der anderen Seite werden.
Der erste Habilitationsversuch in München–annus horribilis 1921 Die Grundüberlegungen dieser Denkschrift sind in weiten Teilen im Jahre 1920 entstanden, als Forrer in München an seiner Habilitation arbeitete. Forrer war dem Rat Meyers gefolgt und hatte sich für dieses Vorhaben eine andere Universitätsstadt als Berlin gesucht und letztendlich München ausgewählt. Seine erste, ursprüngliche Idee aus dem Jahre 1919 war, sich in Zürich an der dortigen Universität zu habilitieren. Mehr als ein vorübergehender, loser Gedanke war es wohl nicht, denn dieses Ansinnen taucht nur ein einziges Mal in den Briefen an seinen Vater vom 27. März 1919 auf und kam auch schließlich nicht zur Ausführung: „Durch einen Freund, der die Universitätsverhältnisse in Zürich genau kennt, war ich in den Stand gesetzt, mir ein eigenes Urteil über meine Aussichten bilden zu können & bin infolgedessen zu folgenden Entschlüssen gekommen: Im Herbst diesen Jahres habilitiere ich mich in Zürich zunächst für altorientalische Geschichte & Sprachen, wenn ich bis dahin mit meiner Habilitationsschrift „Über die Schrift und
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Der maschinenschriftliche Lebenslauf findet sich im Archiv der Humbolft-Universität, Bestand PA F95, Bd. II.
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den Lautbestand des Hethitischen“ fertig bin. Dann folgt bis Ostern oder Herbst 1920 „Die Geschichte der Hethiter.“
Der Titel der angekündigten Arbeit ist interessant, denn knapp zwei Jahre später veröffentlichte Forrer in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG) eine vom Titel zwar etwas anders lautende Arbeit, aber doch mit sehr ähnlichem Untersuchungsgebiet.89 Die Entscheidung nach München zu wechseln und dort bei Fritz Hommel und Walter Otto zu habilitieren, scheint erst im Monat Feburar 1920 manifest geworden zu sein. Forrer hielt Anfang des Monats einen Vortrag vor der Anthropologischen Gesellschaft in München und nutzte diesen Aufenthalt, an der Münchener Universität vorzusprechen und sein Vorhaben den dortigen Fachvertretern vorzutragen. Über die entscheidenden Begegnungen und den Verlauf der Gespräche in München schreibt Forrer am 15. März 1920 an Meyer: „Sehr verehrter und lieber Professor! Alles ist bisher gut gegangen bis auf den Vortrag, den ich in der anthropologischen Gesellschaft über die älteste Geschichte Kleinasiens gehalten habe. Ich habe ihn gar zu sehr als Kolleg oder Buch ausgearbeitet, so sehr ich auch bemüht war, etwas Populäres reinzubringen. Zu viele Namen & viel zu wissenschaftlich. So habe ich also keine Rosinen gepflückt, dafür aber von mir selbst den Eindruck eines tüchti90 91 gen Wissenschaftlers erhalten. Ich habe Kuhn , Scherman , Hommel & Streit92 berg besucht und bin bei allen auf vollstes Entgegenkommen gestoßen. Alle, ohne Ausnahme, sind sehr erbaut, dass ich mich hier habilitieren will, so dass ich hier 93 nicht mit Schwierigkeiten zu rechnen habe. Heute habe ich mit Herrn Prof. Otto gesprochen & er hat mir in freundlicher Weise Ratschläge erteilt. Dabei hat sich wieder einmal herausgestellt, dass ich mich für ein „entweder – oder“ entscheiden muss. Nämlich entweder eine Venia „semitische Sprachen“ oder „Alte Geschichte“. Da ich nun kein Linguist bin & die anderen Dinge auch lieber tue als alle übrigen semitischen Sprachen nur als Sprachen zu durchblicken & da ich von der alten Geographie herkomme und über das Hatti-Reich, Troia, Mykene, und Kreta wieder zu Griechenland zurückkomme, entscheide ich mich, wenn ich dies muss, viel lieber für Alte Geschichte, besonders weil mich dahin auch das Interesse an den ewig menschlichen Fragen zieht. So Prof. Otto, ich sollte mein Fach ruhig „Geschichte und Sprachen Alt-Vorderasiens“ nennen & dann nach einiger Zeit die Venia legendi für Alte Geschichte auf dem Gebiet nachholen. 89 90 91 92 93
E. Forrer, Die Inschriften und Sprachen des ˆatti-Reiches, Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 76 (Neue Folge 1), 1922, p. 174 – 269. Ernst Wilhelm Adalbert Kuhn *1846 – † 1920 (Sprachwissenschaftler und Indogermanist). Lucian Scherman *1864 – † 1946 (Völkerkundler). Wilhelm Streitberg *1864 – † 1925 (Indogermanist). Walter Otto *1878 – † 1941 (Althistoriker.)
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Die Jahre 1918–1924 Prof. Streitberg, mit dem ich einen Zusammenschluss verabredet habe, falls er den Ruf nach Leipzig nicht annimmt, ich dafür, dass ich mich von vorne herein für Alte Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Geschichte und Sprachen Altvorderasiens habilitiere würde, die Zustimmung Prof. Otto finden würde. Sie kennen ja im wesentlichen meine Interessen und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir betreffs der Formulierung einen Rat geben würden, der die realen & idealen Forderungen erfüllt. Denn in gewissem Sinne entscheidet dies über meine Zukunft.“
Im Großen und Ganzen verliefen die Gespräche vielversprechend und Forrer folgte der von Eduard Meyer vorgeschlagenen Linie, sich außerhalb Berlins zu habilitieren. Die für ihn wichtige Überlegung, welche Venia legendi zu erwerben sinnvoll erscheint, bleibt aber zunächst noch ungeklärt. Eine Venia legendi für Hethitologie gab es Anfang 1920 noch nicht und eine genaue Zuordnung, welcher altertumswissenschaftlichen Disziplin die Hethiterforschung nun zuzurechnen sei, war zum damaligen Zeitpunkt eine noch offene Frage, denn es mühten sich sowohl Althistoriker als auch Assyriologen sowie Indogermanisten mit jeweils unterschiedlichen methodologischen Vorgehensweisen und Fragestellungen auf dem neuen Gebiete ab. So war die Couleur der Venia legendi für Forrer von grundlegender Bedeutung, denn sie war durchaus entscheidend für seinen weiteren Werdegang und seine beruflichen Möglichkeiten. Forrer blieb aber nur die Wahl, ob er zunächst Privatdozent der Althistorie oder der Assyriologie werden wollte. Die Indogermanistik konnte er nicht vertreten, was zum damaligen Zeitpunkt möglicherweise ein Vorteil gewesen wäre. Überraschenderweise hat Forrer sich für sein Habilitationsvorhaben kein hethitologisch orientiertes Thema gesucht, was angesichts seines enormen Wissens um die Inhalte der Texte aus Bo©azköi unverständlich erscheint. Möglicherweise hat dies mit Überlegungen im Kontext der Frage um die anzustrebende Venia legendi zu tun. Vielleicht sind die Gründe dafür auch in der Wahl seines Habilitationsortes zu suchen. In München war seinerzeit die Altorientalistik, d.h. insbesondere die Assyriologie etabliert, die Hethiterforschung spielte hier noch keine große Rolle und die Indogermanistik, die von Wilhelm Streitberg vertreten wurde, hatte sich ebenfalls noch nicht wahrnehmbar mit dem Hethitischen befasst. So könnte in den Gesprächen von Seiten der Münchener Vertreter angeregt worden sein, dass der promovierte Assyriologe Forrer eben auch eine assyriologisch orientierte Arbeit vorlegen sollte, da die Beurteilung hethitologischer Fragestellungen auf dem Niveau einer Habilitationsschrift in München vermutlich kaum zu leisten war. Bedenkenswert war für Forrer auch, dass er in München weit weg von Texten in Berlin und eine tägliche Einsichtnahme nicht mehr möglich war. Aus dem Nachlassmaterial lässt sich kein Hinweis zu den ausschlagebenden Gründen für die dann getroffene Themenwahl gewinnen. Wie so oft aber, teilt Forrer sich Eduard Meyer mit,
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auch was den Gegenstand seiner Untersuchungen betrifft und welche Ergebnisse er schon erzielt hat. 94 „Meine Untersuchung geht aus von einem jetzt von Schroeder publizierten Assurtext. Es ist eine Kopie aus Assurbanipals Buch einer historischen Inschrift von Sargon, in der Reihe der Weltkönige dem zweiten, dem Sohn des Ikunum, sicher anzusetzen um 2105 v. Chr. Er berichtet, welche Straßen er angelegt hat in Akkad & Assyrien und gibt auch Längen der Straßennetze in den untertänigen Königreichen an. Die sind außer Akkad, Elam, Anza? Lulubu, Tugriç, Subartu, Marhasi, Amaru; dies sind die neun Könige, die ih Tribut & Geschenke bringen, nachdem er sie besiegt hatte. Außerdem mehrere kleine Fürsten wie Ha?a (Haburmündung), das Fürstentum Lalnana (Phönizien) und Uduni, außerdem jenseits des unteren Meeres Magan & Tilmun; jenseits des oberen Meeres Kaptara (Kreta) & Anakug ká „Zinnland“. Die ganzen einzelnen Königreiche können durch die zahlreichen kleinen Angaben vollkommen festgelegt werden, so daß an meinen Identifizierungen nicht gezweifelt werden kann. Besonders bemerkenswert ist, dass dieser Sargon an der Grenze von Meluhha, die bei Kidzu ist, ein Befestigungswerk gegen Meluhha anlegte. In MeluΔΔa aber außer der ?? auch die ?? bezeichnet, muss Meluhha ganz sicher die akkadische Bezeichnung für „Abira“ sein. Dies spricht sehr dafür, dass ?? Chronologie richtig ist & in die große Lücke des ganzen dritten Jahrtausends ein groß-äthiopisches Reich Meluhha fällt. Noch wichtiger aber ist die Zinnland-Frage; denn die Schreibung Ana Kug-ki zeigt unwiderleglich, dass der Name spätestens aus der Zeit der Dynastie von Akkad stammt, als man anaku „Zinn“ nicht wie unter der Dynastie von Ur & daher später an-ma schrieb, sondern KUG-AN, entstanden aus AN+KUG. Das „Zinnland“ jenseits des oberen Meeres muß daher schon der Dynastie Akkad ? ?? sein, das Zinn kam also bereits 2800 v. Chr. aus Portugal und nicht aus England. Nur nebenbei sei erwähnt, dass die Babylonier noch das Zinnland ebenso wie Magan etc. als große Insel im Ozean dachten & dass es offenbar mit Atlantis identisch ist, das noch die Ägypter sich es ebenso vorstellten. Das Zinnland hat mich veranlasst zu untersuchen, was uns die Inschriften über Zinn & Bronze erzählen und je geringer die Erwartung war, um so größer war das Ergebnis. Ich habe ganze Kurskarten aufgestellt mit den Preisen aller Dinge, auch des Kupfers, Zinns, etc. Auch haben die Sumerer Blei & Zinn unterschieden als anna „Blei“ & anna zabar „Bleizinn der Bronze“. Zur Zeit der Dynastie von Ur bekam man für 1 Schekel Silber im Durchschnitt 2 Schekel Zinn, 2 Minen Kupfer, Antimon 40 Schekel. Für das Mischungsverhältnis haben die Sumerer einen besonderen, aber unbekannten Ausdruck, der durch die assyrischen Gewichte von Zinn & Kupfer bestätigt wird. Zur Zeit der Dynastie von Ur gab es nebeneinander 94
Der Brief ist in keinem guten Zustand und zeigt u.a. eine starke Verblassung der Tinte, so dass nicht alle Stellen eindeutig gelesen werden können. Dort wo das Auge versagt, habe ich ein „?“ gesetzt. Der Brief trägt das Datum 27. November 1920.
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1=
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Kupfer
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und schon zur Zeit des Lugalanda & Urukagina, also vor Saron I. ist das Verhältnis Zinn zu Kupfer 1: 6 ausdrücklich belegt. Zur Zeit der Dynastie von Ur waren den Sumeren die verschiedenen Mischungen bekannt und zwar gibt ein Text die verschiedenen Mischungen. Aus den Texten Lugalandas & Urukaginas ergibt sich, dass Bronze (mit Zinn!) fertig eingeführt wurde von der Küste Karmantera, woraus sich ergibt, dass das Zinn älter als das aus dem Zinnland jenseits des oberen Meeres aus Drangiana über Kimanien kam. Übrigens haben die Sumerer noch aus Meluhha d.h. aus den Sinai-Minen bezogen. Überhaupt war Babylonien in ältester Zeit weit mehr nach dem indischen Ozean als nach dem Westen orientiert. Wenn die Folgerungen sich für die alte Bronzezeit in Vorderasien (nur unwesentlich älter als Lugalanda, also ziemlich genau von 2600 v.Chr.) & Europa, wo das mindestens 2800 v. Chr. wenigstens in Spanien bekannt gewesen sein muss, ergeben, brauche ich nicht auszumahlen. Auch die Möglichkeit, dass der Brand von Knossos wahrscheinlich mit der Eroberung durch Sargon I. (2185 v.Chr) & dem Übergang der Seeherrschaft von Kreta auf das größtenteils noch semitische Phönizien zusammenfällt & das dadurch eventuell eine neue & genauere Deutung Kretas möglich ist, sei nur angedeutet. Am wichtigsten ist die Tatsache, dass mit der Dynastie von Akkad immer ein tatsächlich ganz Vorderasien umfassendes Weltreichkönigtum bestand, das nur selten in der Hand der Babylonier war, dagegen z.B. in der Hand der Marha?, Subartu, Gutium auch einmal ??? war. Alle dahingehenden Angaben sollen im später einmal zu schreibenden zweiten Teil verarbeitet werden. Und es ist überraschend zu sehen, dass schon im 3. Jahrtausend v. Chr. die Weltpolitik im Grunde auf dem Gleichgewicht von Meluhha & Vorderasiens Weltreich beruhte. Unter anderem gebe ich auch sechs von einander unabhängige Beweise, dass um 2080 v. Chr. in Babylonien Indogermanen & zwar Meder als Kriegsgefangene von Subartu auftreten. Sie werden mir nachfühlen können, dass ich wie ein gehetzter Jagdhund hinter einer solchen Beute her war, bin aber nun herzlich froh, ein Ende abzusehen.“
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Abb. 3 Titelblatt der Münchener Habilitationsschrift
Diese wirr und phantastisch-spekulativ klingende Darstellung seiner Untersuchungsergebnisse ist ein „typischer Forrer“ der frühen Jahre. Alles neigt zu einem großen Wurf, zu einem alles in einem Schlag Klärendes, wobei Neues, Richtiges und Hanebüchenes wild durcheinander gehen. Forrer hat in den folgenden Monaten offenbar mit großem Eifer und auch bewundernswertem Fleiß seine Forschungen in diese Richtung fortgesetzt. Bei dem erwähnten Sargon-Text, auf den Forrer sich hier bezieht und der die Grundlage seiner Arbeit bildet, handelt es sich um den Text VAT
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800695, der auch unter dem Titel Sargon÷s Geography bekannt ist. Der Text bietet viele geografische Beschreibungen und Itinerare, die alle mit dem Königsnamen Sargon verbunden sind. In der Assyriologie wurde nach der Veröffentlichung des Textes kontrovers darüber diskutiert, um welchen Sargon es sich handeln könne. Einig war man sich in der damaligen Forschung darüber, dass es nicht Sargon II. von Assyrien gewesen sein kann, da dieser in das erste Jahrtausend v. Chr. zu datieren ist, aber immerhin gab es die Wahl zwischen Sargon von Akkad und Sargon I. von Assyrien.96Anhand der geografischen Beschreibungen, die der Text bietet, rekonstruiert Forrer - mehr als kühn - für das 3. Jahrtausend v. Chr. ein assyrisches Großreich, daneben gleich noch ein Äthiopisches und legt sich somit auf Sargon I. von Assyrien fest. Er versucht nun - ausgehend von diesem assyrischen Großreich – die vermeintlichen Grenzen gleich von zwei Dutzend Reichen, Provinzen und geografischen Gebieten auszuloten und ergeht sich in sehr gewagten bis hin zu absurden Thesen für die altorientalische Geschichte des 3. Jahrtausends v. Chr. Mit seinen Schlussfolgerungen stand Forrer – man möchte sagen erwartungsgemäß - allein auf weiter Flur; gefolgt ist ihm niemand. Innerhalb dieser Untersuchung bietet er auch die im oben genannten Brief dargelegten Überlegungen zum „Zinnland“ sowie über das Werteverhältnis von Zinn und Bronze im altorientalischen Wirtschaftssystem. Daran knüpft Forrer - völlig spekulativ weitreichende Thesen, die ja ohnehin schon seine ganze Untersuchung kennzeichnen, über historische Zusammenhänge im 3. Jahrtausend bis hin zu spanisch-altorientalischen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, die völlig aus der Luft gegriffen sind. In Anbetracht seiner bis zu diesem Zeitpunkt vorgelegten Schriften, insbesondere der exzellenten Promotion sowie dem Aufsatz über die acht Sprachen des Bo©azköi-Materials, steht man fassungslos vor dieser als Habilitationsschrift eingereichten Arbeit.97 Forrer reichte seine Schrift nach nur wenigen Wochen intensiver Arbeit am 15. März 1921 offiziell ein. Die folgende Begutachtung der Arbeit nahm aus der Sicht des ungeduldigen Schweizers aber zuviel Zeit in An95 96
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Der Text ist ediert als KAV 92. Wobei zu beachten ist, dass nach heutigem Ansatz zwischen beiden nahezu ein halbes Jahrtausend liegt. Sargon von Akkad (2350–2279 v. Chr.) und Sarrukin (Sargon I.) von Assur (1848–1818 v. Chr.). Für die Zusendung des wohl einzig erhaltenen Exemplars dieser Arbeit bin ich Frau Rhea Saturna Forrer, die mir diese Arbeit zugänglich gemacht hat, zu großem Dank verpflichtet. Offenbar hat Forrer dieses Exemplar, das mit handschriftlichen Notizen des ungenannten Prüfers versehen ist und somit ein Original darstellt, Zeit seines Lebens behalten. Die Anmerkungen des Prüfers sind überwiegend kritischer Natur. Unter dem Titel der Arbeit steht die Bemerkung: „Schon der Titel ist eine Unmöglichkeit!“. Siehe auch Dokumente 5 und 6 der CD-ROM.
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spruch, so dass er sich schon im Juni schriftlich an den namentlich nicht genannten Dekan der Universität München wandte, um sich nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen und in wenig freundlicher Diktion an die Zusage erinnerte, dass ihm beschleunigte Behandlung versichert worden sei. Nach der offiziellen Abgabe seiner Habilitationsschrift pendelte Forrer zwischen Berlin und München, da er dort die Vorbereitungen auf die schon erwähnte Umschriftenausgabe der Bo©azköi-Texte treffen wollte und die oben erwähnte Denkschrift zu diesem Vorhaben fertigstellte. Die Korrespondenz enthält bis September 1921 keinen weiteren Hinweis auf das laufende Verfahren in München, was in der Lückenhaftigkeit des Materials begründet sein kann. In einem Brief an die schon erwähnte Lolly Bartels schreibt Forrer schließlich in dieser Angelegenheit:98 „Als wir im Juli nach München zurückkamen, glücksgeschwellt, kommt gleich der kalte Weingeisttropfen; meine Habilitation wird voraussichtlich abgelehnt. In diesem Monat soll es sich entscheiden.“
Leider lässt sich dem Material nicht entnehmen, wer ihm diese Botschaft überbrachte oder was die offiziellen Gründe für die sich abzeichnende Ablehnung waren. Auch lassen sich weitere Reaktionen Forrers auf das drohende Scheitern in den Briefen nicht finden, bis zum Dezember 1921, da aber scheint die Entscheidung zu Ungunsten Forrers schon gefallen und amtlich zu sein: „... so dass München eine mehr als bittere Erfahrung ist. München ist nicht offen für neue wissenschaftliche Erkenntnisse, man klammert sich hier doch sehr an überholtem Wissen. Ich glaube, ich bin nicht gerecht beurteilt ??? und der Gipfel ist, Hommel meinte, dass die Arbeit allzu phantasievoll und zu wenig akribisch angelegt sei, sie erfülle nicht die Anforderungen für eine Habilitation. Prof. Otto, kaum besser in den Belangen des Alten Orients bewandert, äußerte sich ähnlich. Im Großen und Ganzen kann man sagen, hat keiner in München meine Ideen verstanden, 99 ??? hätte ich besser eine traditionelle, aber zweitklassige Arbeit geschrieben.“
Einen diese Begebenheit aufklärenden Einblick erlaubt der einige Jahre später erfolgte Briefwechsel zwischen Eduard Meyer und Forrer, der vor dem Hintergrund der später äußerst kontrovers diskutierten AΔΔijawaFrage zu sehen ist. Forrer schreibt am 28. April 1928 an Meyer 100 „Zehn Jahre sind es her, dass ich mich zum ersten Male habilitieren wollte. Ich glaubte dazu etwas besonderes, tüchtiges schreiben zu sollen: das Weltreich des Çarrukin von Assur. Die Chronologie (Kuglers) war falsch, aber alles historische ist durch die inzwischen neu erschienen Texte nur bestätigt worden. Ich stehe voll 98 99 100
Brief vom 17. Oktober 1921. Brief an den Vater vom 8. Dezember 1921. Eine ausführliche Behandlung des Briefes findet sich in Kapitel 5.
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Die Jahre 1918–1924 & ganz hinter dieser unabänderlich wichtigen Arbeit. Aber für den in München herrschenden Doktrinarismus ist für neue Erkenntnisse kein Raum. (Das Folgende ist handschriftlich über der Zeile ganz klein eingeschoben und nur mit der Lupe leserlich, der Verf.). Inzwischen hat sich Th. Bauer dort mit einer Arbeit habilitiert, deren historischen Teil ich nicht einmal als Seminararbeit durchgehen lassen würde & wie Poebel nachweisen wird, lauter falsches behandeln wird. Aber dafür hat er auch einen Lehrauftrag erhalten!“
Die direkte, aufschlussreiche und sehr lesenswerte Antwort Meyers ist erhalten und spart nicht mit scharfer Kritik:101 „Aus Ihren Ausführungen schließe ich, daß Sie noch jetzt nicht einsehen, wie riskant es war, damals in München Ihre Arbeit über den Sargontext mit den ganzen darauf errichteten Hypothesen vorzulegen, wo es doch in höchstem Grad problematisch ist, ob Sie wirklich ein Dokument über den alten ?? (leider unleserlich, der Verf.), was ich entschieden bestreiten muss - statt einer auf solider Basis fortschreitenden streng wissenschaftlichen Untersuchung.“
Forrer sucht die Erklärung für das Scheitern in erster Linie bei den Gutachtern sowie deren Unverständnis für neue Ideen und nicht in seiner Methodik oder den gewagten Ergebnissen. Es ist bemerkenswert, dass er behauptet, dass die seiner Ansicht nach erstklassige Arbeit daran Schuld gewesen sei, weil man in München seinen Genius schlicht verkannt habe und dass er ganz offenbar glaubt, eine weniger geniale Arbeit hätte ihn an das ersehnte Ziel einer erfolgreichen Habilitation gebracht. Auch im späteren AΔΔijawa-Konflikt finden sich des öfteren derartige eigenwillige Erklärungsversuche, die vor allem darauf abzielen, anderen Mitforschern zu unterstellen, seinen genialen Gedanken nicht folgen zu können. Man findet in keinem der Briefe, die sich um das Thema der Münchener Habilitation drehen, auch nur eine Spur von Selbstkritik. Forrer ist von sich und seinen überragenden Schlussfolgerungen absolut überzeugt, fühlte sich ungerecht beurteilt und als genialer Forscher schlicht verkannt. Die Habilitation ist endgültig und rechtskräftig abgelehnt und man sollte annehmen, dass der Fall damit erledigt ist und die Ergebnisse in der Schublade verschwinden.102 Aber es entspricht in keiner Weise Forrers Charakter, diese umstrittenen Thesen zu überprüfen oder gar zu revidieren. Im Gegenteil, er hält weiter daran fest und bringt weite Teile seiner Ergebnisse noch 1928 in seinem umfangreichen Artikelbeitrag „Assyrien“ im RLA unter. 103 Eine Reaktion auf diesen Artikel erfolgt zwar erst spät, fällt 101 102
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Siehe auch Dokument 7 der CD-ROM. Leider enthält das Nachlassmaterial keinen Anhaltspunkt, hinsichtlich des Datums der offiziellen Ablehnung seiner Arbeit. Es wird lediglich ohne konkrete Zeitangabe im Nachhinein darüber in den Briefen berichtet. Erich Ebeling, B. Meissner, 1928 : Reallexikon der Assyriologie, Bd. I, p. 228– 297. Forrer hat den Großteil dieses Beitrages 1925 und 1926 verfasst.
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dafür aber vernichtend aus. Sein Freund und Fachkollege Ernst Weidner greift Forrers Argumentation in einer kritischen Würdigung des SargonTextes noch einmal auf, um sie dann Punkt für Punkt zu widerlegen. 104 Dabei zeigt sich, dass eines der wichtigsten Argumente Forrers für die Datierung des Textes auf Sargon I. von Assur schlicht auf der Fehllesung eines Zeichens und somit der Fehlinterpretation einer ganzen Textstelle beruhte. Es wird offensichtlich, dass das Fundament für seine weitreichenden und spekulativen Schlussfolgerungen auf tönernden Füßen gestanden hat.105 Auch das Argument, dass die Grenzbeschreibungen und Provinzstrukturen, die der Text nahelegt, aus systematischen Gründen nicht zu den sonstigen geografischen Begebenheiten der Zeit Sargons von Akkad passen, kann Weidner ad absurdum führen, da einige der angeführten Provinznamen eben gerade in Verbindung mit Sargon von Akkad belegt seien und immerhin 21 der genannten Provinzbezeichnungen „anderweitig unbekannt sind“. Hier also auf vergleichend-systematisch Untersuchungen zwingende Aussagen zu Provinzstrukturen anzuwenden, fußend auf bislang nicht belegten und daher unbekannten Gebietsbezeichnungen, ist schlicht methodisch absurd. Weidner betont dann auch folgerichtig in seinem Beitrag, dass Forrer für seine Ansichten keine Gefolgschaft gefunden habe.106 Nach der Umorganisation der Vorderasiatischen Abteilung und den negativen Folgen für Forrer, die seine bisherige Möglichkeiten in Berlin deutlich reduzierte, erlitt er im gleichen Jahre auch den Rückschlag einer gescheiterten Habilitation. Das Jahr 1921 war nicht das Jahr Emil Forrers. Aber das Jahr war noch nicht zu Ende und die Ereignisse auf dem in jenem Jahre stattfindenen Leipziger Orientalistenkongress sollten für Forrer das Jahr 1921 zu einem wahren annus horribilis werden lassen.
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Archiv für Orientforschung, Bd. 16, 1953/53, p. 1–24. Dabei handelt es sich nach Weidner um Zeile 47 des Textes. Forrer wollte am Tafelrand das Zeichen -ja erkannt haben und dort mi-ir-çu-u-me-ja „die Grenze meines Namens“ lesen. Aufgrund dieser Zeile gelangte Forrer zu der Annahme, dass dieser Text eine späte Kopie einer Inschrift Sargon I. von Assyrien sei. Weidner betont, dass die Ausdrucksweise nicht nur sehr seltsam sei, sondern dass das vermeintliche Zeichen -ja ganz ohne Zweifel -ra sei. Zu diesem Text siehe auch: W. F. Albright, Journal of the American Oriental Society, Bd. 45, 1925, p. 193– 245, und Journal of the American Oriental Society, Bd.46, 1926, p. 220–230; A.K. Grayson, Archiv für Orientforschung, Bd. 25, 1974/1977, p. 56–64. a.a.O. p. 2
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Leipzig 1921 – Der erste deutsche Orientalistentag Mitten in das Fiasko der gescheiterten Habilitation und der daraus resultierenden Enttäuschung tritt Bruno Meissner im Sommer des Jahres 1921 an Forrer heran und schlägt ihm vor, doch zum bevorstehenden ersten deutschen Orientalistentag in Leipzig zu kommen, da dort die Hethiterfrage behandelt würde. Professor Sommer habe vorgeschlagen, dort die „Sache der Hethitologie“ einmal in kleinerem Kreise zu erläutern. Der Vorstand der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft lud die führenden Orientalisten der Zeit für den Zeitraum vom 30. September bis zum 1. Oktober 1921 ein.107 Forrer macht deutlich, dass ihn sowohl die Reise- wie auch Aufenthaltskosten vor erhebliche finanzielle Belastungen stellen, die er angesichts seiner derzeitigen privaten Situation nicht leisten könne. Dennoch zeigt Forrer großes Interesse und entwickelt rege briefliche Aktivitäten. So schreibt er am 23. August zunächst eine kleine Notiz an Ferdinand Sommer: „Sehr geehrter Herr Professor! Wenn es mir geldlich möglich ist, werde ich am Orientalistentag teilnehmen. Wie ich von Prof. Meissner höre, ist die „Hethitologie“ in Aussicht genommen. Falls Sie es für eine Diskussion für wünschenswert halten – ich würde all meine Inschriften mitbringen, so dass ich für alle Fragen gewappnet bin. Hochachtungsvoll Emil Forrer.“
Und noch am gleichen Tage fragt er bei Heinrich Zimmern an: „ob für den Orientalistentag ein dringendes Bedürfnis nach einem Vortrage meinerseits besteht, in dem ich etwa die neuesten Forschungsergebnisse aus den Bog.Inschriften – betreffend Geographie, Geschichte, Kultur, Religion & Bevölkerungen des Hatti-Reiches – geben könnte. Falls ein Vortrag nicht erwünscht, könnte ich doch meine Inschriften mitbringen und in der Diskussion Rede & Antwort stehen.“
Die finanzielle Frage klärt sich im positiven Sinne und Forrer macht sich auf den Weg nach Leipzig, ob mit oder ohne Inschriftenmaterial, lässt sich nicht feststellen. Somit steht einem ersten persönlichen Zusammentreffen zwischen den zukünftigen Kontrahenten Forrer und Sommer nichts mehr im Wege. Die Sache der Hethitologie kann also nun zwischen dem jungen Schweizer und dem gestandenen Geheimrat aufgegriffen werden. Dass die 107
Vgl. auch Zeitschrift der Deutschen Mörgenländischen Gesellschaft, Bd. 75, 1921, p. II – III und Bd. 76, 1922, p. XLVI –XLIX. Siehe auch Dokument 8 der CDROM.
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Angelegenheit dann anders für Forrer ausgeht, als er es vermutlich erwartet hat, komplettiert sein persönliches annus horribilis. Vielleicht, so könnte man im Nachhinein feststellen, hätte Forrers weitere Forscherkarriere ein anderen Verlauf genommen, hätte Forrer sich diplomatischer im Umgang mit Sommer verhalten. Aus zwei Briefen – an seinen Vater und an die schon erwähnte Freundin Thea Brauckmann – können wir den Verlauf des bedeutsamen Ereignisses, aber auch viel Atmosphärisches von jenem denkwürdigen Tag in der Karriere Forrers herauslesen, der zum Verständnis seines in vielen Rezensionen greifbaren Missverhältnisses zu Ferdinand Sommer eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben dürfte.Man hat sich von Seiten der Organisatoren letztendlich entschlossen, Forrer zu bitten, doch einen Vortrag zu halten und einen aktuellen Forschungsüberblick zur Hethiterfrage zu geben. Vom Orientalistentag gibt Forrer seinem Vater eine atmosphärische Schilderung:108 „Lieber Papa! Deine Zuwendung haben wir bestens erhalten & wir danken Dir. Ich habe sehr sehr viel zu Arbeiten, da ich jetzt mit der Umschriftausgabe der Boghazköi-Texte beginne; zu diesem Zweck mache ich neue Umschriften. Aus diesen habe ich meinen Vortrag für Leipzig über Geographie, Geschichte und Kultur des Hatti-Reiches entworfen. Er war sehr gedrängt, aber frei gehalten. Das einzige, was mir liegt, abgelesen wird's bei mir immer so unlebendig & pünktlich war es nach 30 Min. fertig. Es hat einen „guten Eindruck“ gemacht, was sich so herumgesprochen hat, wofür ganz gewiß auch Ed. Meyer gesorgt hat. Es war erquickend zu sehen, wie ein Raunen durch den Saal ging, als es hieß „Forrer greift in die Diskussion ein“. Im übrigen mache ich mir nicht das geringste aus diesen Ehren, es zählt für mich nur dann, wenn ich auch wirklich etwas geleistet habe. Am Rande in Leipzig bin ich mit einem Geheimrat und Professor aneinandergeraten, der sich wirklich arrogant aufführte. Er spielte sich irgendwie als „Oberster“ der Hethiterforschung auf und gebärdete sich auch bei den Diskussionen so. Aber davon berichte ich später einmal. Bei dem Essen in Leipzig, das uns von den Leipziger Freunden in der Wissenschaft gastiert wurde, kam dann Steindorff, der Ägyptologe, zu mir. Die Orientalistik ist bei uns jetzt ganz gut angesehen. Alle unsere Fachzeitschriften sind jetzt bei der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft & Steindorff ist der Redacteur der „allgemeinen Zeitschrift“. Er hatte also meinen Vortrag gehört & bot mir an, darüber einen größeren Aufsatz zu schreiben. Hier in Berlin kam dann auch Prof. Güterbock, der Schriftführer der Deutschen Orientgesellschaft, die die Ausgrabungen finanziert & ich soll ihm für die „Mittei-
108
Brief vom 17. Oktober 1921.
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Die Jahre 1918–1924 lungen“ ebenfalls einen Aufsatz anfertigen. Also Aufträge genug & entsprechend Arbeit & das ist sehr erfreulich.
Es ist nachvollziehbar und verständlich, dass Forrer gegenüber seinem stets kritischen Vater erwähnt, dass „ein Raunen“ durch den Saal ging, als „Forrer in die Diskussion eingriff “, um aber sofort in abgeklärter Manier hinzuzufügen, dass ihm dies nicht viel bedeute. Diesen Zeilen ist deutlich zu entnehmen, dass Forrer sie nicht ohne einen gewissen Stolz auf seine allgemeine Anerkennung an seinen Vater geschrieben hat. Wenn diese Schilderung die tatsächlichen Begebenheiten und Reaktionen in Leipzig zutreffend wiedergibt – und es gibt keinen Grund daran zu zweifeln – so wird doch deutlich, dass Forrer im Jahre 1921 von deutschen Fachkreisen eine spürbare Wertschätzung und verdienter Respekt entgegengebracht wurde. Von entscheidender Bedeutung aber ist die etwas nebulös und sehr knapp formulierte Anmerkung Forrers, dass er am Rande des Kongresses mit einem arrogant auftretenden Geheimrat und Professor – ohne Nennung des Namens – aneinandergeraten sei, der sich als „Oberster der Hethiterforschung gebärdete“. Offenbar vermeidet Forrer bewusst die Nennung weiterer Details und verweist auf einen späteren Zeitpunkt. Das Nachlassmaterial enthält aber einen weiteren Brief, der diesen Sachverhält detaillierter aufzulösen vermag. Forrer beschreibt der schon genannten Freundin Thea Brauckmann aus Hagen in Westfalen109 das verhängnisvolle Zusammentreffen etwas genauer und nennt vor allem Ross und Reiter. In einem mit privaten Inhalten gefüllten Brief, der auch begeistert die neue Schreibmaschine erwähnt, die finanziellen Zuwendungen des Vaters zu verdanken ist, berichtet er: „Ein nicht so erquicklicher Moment war mein Zusammentreffen mit Geheimrat Sommer, eine majestätische und beeindruckende Erscheinung, der sich auch in unserem Gebiete umtut. Er regte zuerst eine grundsätzliche Aussprache über die Hethitologie an und schlug vor, dass man sich im Rahmen einer Sektionssitzung auf dem Philologentreffen in Jena unter seiner Federführung darüber unterhalte. Ich fand diesen Gedanken reizvoll, aber ich empfand seinen Ton als zu fordernd, zu wenig kollegial. Er wollte, glaube ich, nicht wirklich meine Meinung, sondern er fragte mich in dem Ton wie ein Offizier den Infanteristen fragt, ob man nicht die Stiefel putzen wolle. Er kam dann auf „Schwachstellen“ der Hethiterforschung zu sprechen, wie z.B. die Einsichtnahme in das noch nicht veröffentlichte Material durch „Hans und Franz“, die uneinheitliche Umschrift der Texte usw. & ich hatte da stets das Gefühl, als meine er mit seiner Kritik und mit jedem Wort mich. Der Geheimrat dozierte dann, dass zu vieles ohne jede strenge Methodik und zu sehr nach dem gefälligen Anklang, ohne Philologie bearbeitet werde, so wie meine 109
Brief vom 18. Oktober 1921.
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und HroznŸs Arbeiten ja mit reichlich Schwächen dieser Art durchsetzt seien. Er würde sich bereit erklären, die Führerschaft zu übernehmen und versuchen der Hethitologie ein Fundament zu geben, das auch trägt. Ich fiel aus allen Wolken, was für Behauptungen! Ich fragte ihn ebenso deutlich, ob er dies denn – bei allem Respekt – überhaupt beurteilen könne, denn soviel ich wüßte, sei er in Sachen der Keilschrift doch Autodidakt und noch ganz frisch in diesen Themen. Ich gestehe, dass ich wohl ein wenig überzogen habe. Der Geheimrat verstummte augenblicklich und seine Wangen bebten vor Zorn. Seine Blicke sprachen Bände. Seine Stimme senkte sich und fuhr mich lautstark an, „Sie respektloses Doktorlein“, um dann mit zorniger Gestik fortzufahren, dass diese beleidigende und beschämende Respektlosigkeit auch nicht mit meiner Jugendlichkeit verziehen werden könne. Er ließ mich dann einfach stehen. Insgeheim habe ich mich über meinen Mut gefreut, ja ich war zunächst Stolz, diesem aufgeblasenen Geheimrat standgehalten zu haben, bis ich Ed. Meyer von der Unterredung erzählte und er mir ein „Forrer Sie Narr” an den Kopf warf und kopfschüttelnd davon eilte. Ich habe dann gesehen, wie Ed. Meyer sich kurz danach mit Sommer in eine Ecke zurückzog, wohl um die Sache zu retten und sich beide gestikulierend unterhielten. Ed. Meyer kam danach zu mir und sagte, Sommer habe mich kategorisch zur „persona non grata“ erklärt und riet mir eindringlich, Sommer einen Brief, „demütig in Stil und Wort“ schreiben, um die Angelegenheit gerade zu biegen.“
Dieses einmalige Briefdokument offenbart in Forrers eigenen Worten den eigentlichen Grund des belasteten Verhältnisses zwischen ihm und Ferdinand Sommer, das ab dem Jahre 1921 auch im öffentlichen wissenschaftlichen Disput zunehmend deutlicher wurde. Ohne dass Forrer dies zu jenem Zeitpunkt bewusst war, hatte er mit seiner törichten Parade-Reposte auf die Vorwürfe Sommers, den Grundstein für die persönliche Rivalität gelegt, die ihm alles andere als nützlich war. Dies war – vor allem rückblickend betrachtet – der schwerste Rückschlag und der größte Brocken in seinem annus horribilis 1921. Die Schilderung des Aufeinandertreffens lässt nun auch verständlich werden, warum in der späteren AΔΔijawa-Frage Ferdinand Sommer keine Gelegenheit ausließ, Forrer öffentlich mit harschen und polemischen Kritiken zu überziehen. Neben den vorhandenen sachlichen Gründen revanchierte sich Ferdinand Sommer offenbar auch stets für die jugendliche Respektlosigkeit des jungen Schweizers. Es ist anzunehmen, dass Forrer – jede Diplomatie und jedes taktische Geschick außer Acht lassend – die Folgen seines unbedachten und auch ungeschickten Handelns entweder gar nicht oder aber völlig falsch einschätzte. Sein Verhalten ist psychologisch in der Art erklärbar, dass er dem Rausch der Anerkennung und Ehre, die ihm soeben zurecht auf dem Orientalistentag zuteil geworden war („Forrer greift in die Diskussion ein“), so sehr erlegen und ihm zu Kopf gestiegen war, dass er glaubte, die nicht minder taktlosen und kritischen Vorwürfe des Geheimrates Sommer in der
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geschilderten Weise parieren zu können. Ihm ist weiter vorzuwerfen, dass er die strategische und wichtige Chance, die ihm da von Sommer geboten wurde, schlicht nicht erkannte. Denn dass der gestandene, mit zahlreichen Meriten in der Indogermanistik versehene Professor und Geheimrat auf Forrer mit einem taktischen und zukunftsweisenden Vorschlag zuging, der nichts weniger als die Ausgestaltung der Hethitologie als eigenständige und anerkannte Wissenschaft zum Ziel hatte, ihn als Mitstreiter bei diesem Unterfangen im Auge hatte, hätte Forrer sehr viel diplomatischer reagieren lassen sollen. Was als Ritterschlag und möglicherweise auch Vertrauensbeweis gemeint war, ging in der von beiden Seiten mehr als unglücklich geführten Unterhaltung völlig unter und endete mit eben jenem Eklat sowie einem daraus resultierenden dauerhaft vergifteten Verhältnis zwischen Sommer und Forrer. Vielleicht hat aber auch der Kreis der Teilnehmer und vor allem der Vortragenden dazu beigetragen, dass Forrer sich herausgefordert sah und sich zu einer derart überzogenen Reaktion hinreißen ließ. Wie aus dem Protokoll dieses Orientalistentages hervorgeht, waren zwei weitere Referenten, die an der Gruppensitzung Assyriologie teilnahmen, Forrer schon in die Quere gekommen oder es schwelte zumindest noch ein Konflikt hinsichtlich der Anerkennung von wissenschaftlichen Leistungen. 110 Vor Forrer trug Hommel vor, der an der in München gescheiterten Habilitation beteiligt war und nach Forrer Hans Ehelolf, der eine zentralere und wichtigere Rolle in der Vorderasiatischen Abteilung des Berliner Museums einzunehmen begann. Es kann nur spekuliert werden, aber möglicherweise sah Forrer sich von Widersachern oder gar Feinden „umringt“, gegen die es sich und die eigenen Karriereabsichten zu positionieren galt. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass Forrer der Ansicht war, eben jene Position der Führerschaft in der Hethiterfrage, die Sommer für sich reklamierte, unausgesprochen für sich einzufordern zu können. Schließlich hatte er in seinen ersten Aufsatz über die Acht Sprachen der Boghazköi-Inschriften – bewusst taktierend – schon versucht aufzuzeigen, dass er und nicht HroznŸ das Material am besten beherrscht. Die Reaktionen des Plenums auf dem Orientalistentag haben den jungen Schweizer offenbar darin bestärkt, dass alle anderen – bis auf den Geheimrat – dies ebenso sehen. In dem Moment, als Sommer Forrer den Vorschlag unterbreitete, die Hethitologie gemeinsam auf ein solides Fundament zu stellen, öffnete sich für Forrer ganz weit die Tür zu einer großen Hethitologenkarriere. Mit Eduard Meyer und Ferdinand Sommer als Kooperationspartner 110
Siehe Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 76, 1922, p. XLVI.
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in dieser Angelegenheit hätte Forrers Universitätslaufbahn zu jenem frühen Zeitpunkt der Forschung möglicherweise einen anderen Verlauf genommen. Aber gerade als die Tür weit offen stand, schlug Forrer sie mit einem lauten Knall zu! Und dies bedauernswerter Weise aus einer momentanen Laune des Hochgefühls und der Anerkennung heraus, die er gerade erfahren hatte. In diesem Moment war Forrer dies nicht einmal klar. Sommer andererseits war derart in seiner Ehre und seinem Professorenhabitus verletzt, dass selbst ein Schlichtungsversuch Eduard Meyers – also von Geheimrat zu Geheimrat – ihn nicht wieder versöhnlich stimmen konnte. Forrer war nun kategorisch zur persona non grata erklärt und als respektloses Doktorlein von Sommer disqualifiziert. An der Reaktion Eduard Meyers lässt sich aber erkennen, dass dieser sehr wohl erkannt hatte, welche Chancen dieser Faux-Pas zunichte machte. In der Folge bekam Forrer dann die spitze Feder Sommers zu spüren, die sicherlich auch dieser Begebenheit in Leipzig geschuldet ist. Erwähnenswert ist aber der angeführte Vorwurf Sommers, dass Hans und Franz Einsicht in das unveröffentlichte Material der Vorderasiatischen Abteilung nehmen könne. Dieser pauschal vorgetragene Vorwurf ist sicherlich so nicht korrekt, denn all diejenigen, die in dieses unveröffentlichte Material schauten, machten schließlich was damit – sie autographierten nämlich die Texte und sorgten somit dafür, dass sie veröffentlicht wurden – dies gilt für Forrer ebenso wie für HroznŸ. Sie kamen damit ja sogar der zentralen Forderung Sommers nach einer schnellen Veröffentlichung der Texte nach. Insoweit ist dieser Vorwurf Sommers so nicht aufrecht zu halten. Sommer störte ganz offenkundig, dass die Autographen eben nicht nur die Texte kopierten, sondern dabei auch den Vorteil nutzten, interessante Texte als erste zu bearbeiten und auszuwerten. Die Überprüfung dieser Ergebnisse war natürlich nur dann möglich, wenn die Texte allgemein zugänglich waren. Sommer aber gehörte eben nicht zu denjenigen, die zu jenem Zeitpunkt leicht Einblick nehmen konnten. Zum einen lebte und arbeitete er 1920/21 in Jena und nicht in Berlin, zum anderen waren seine Kontakte zur Vorderasiatischen Abteilung zu jener Zeit noch nicht so eng geknüpft. Möglicherweise ärgerte sich Sommer darüber, dass er nicht in jener Fundgrube stöbern und somit auch nicht den Überblick über das Bo©azköi-Material erlangen konnte wie Forrer ihn hatte. Sommer trug dann auch bis 1924, wie Cato das berüchtigte ceterum censeo..., den Schrei nach dem Material vor.111 Dies änderte sich, als Sommer später als Führungsfigur der kleinen Hethitologenschar etabliert war und über Ehelolf, 111
Diese Formulierung verwendete Sommer in: Orientalistische Literaturzeitung, Bd. 24, 1921, p. 316.
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Weber und Götze gute Kontakte zur Vorderasiatischen Abteilung aufgebaut hatte und bei seinen zahlreichen Arbeitsbesuchen in Berlin ohne jede Mühe auch in unveröffentlichtes Material Einblick nehmen konnte. Von jenem Zeitpunkt an verstummte der Schrei nach dem Material aus Jena bzw. München.Das Verhältnis zwischen Sommer und Forrer war in negativem Sinne geklärt und es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass es zu einem späteren Zeitpunkt von einer Seite den Versuch gab, dies im Rahmen einer Aussprache positiver zu gestalten.
Der zweite Habilitationsversuch – Inschriften und Sprachen des Hatti Reiches im Jahre 1922 Forrer war nach der gescheiterten Habilitation enttäuscht von München nach Berlin zurückgekehrt, ohne die ersehnte Venia legendi erworben zu haben. Ein herber Rückschlag für den aufstrebenden Schweizer. Es zeichnet ihn aber aus, dass er diesen Rückschlag schnell wegsteckte. Sein übergroßes Selbstvertrauen hat scheinbar nicht gelitten, zu viele „Baustellen“ waren noch offen und seinen Ideenreichtum kannte kaum Grenzen. Als die Grundüberlegungen seiner Denkschrift von 1921 bei der Deutschen Orientgesellschaft angenommen wurden und die Herausgabe der Bo©azköi Texte in Umschrift realisiert werden sollten, war Forrer derjenige, der dies leisten sollte. Um die Umschriftenausgabe der Texte auf eine solide Basis zu stellen, musste vorab die Umschrift der Keilschriftzeichen in ein allgemein akzeptiertes und von allen, die mit den Texten arbeiten sollten, nachvollziehbares Notations- und Umschriftensystem überführt werden. Die Umschriften der Protagonisten der Frühzeit, z. B. Forrer und HroznŸ, divergierten mitunter erheblich. Hier musste eine einheitliche Basis geschaffen werden, damit man von der Umschrift zweifelsfrei auf das im Text stehende Zeichen schließen konnte. Die Idee war, eine systematische Liste der Zeichen des in den Bo©azköi-Texten belegten Syllabars zu erstellen, welche die Zeichenformen, die ideographischen Lesungen sowie die jeweiligen Lautwerte übersichtlich ordnet. Allein schon das Zusammentragen der Zeichenformen aus den tausenden von Tafelbruchstücken verdeutlicht, welche Fleißarbeit hier zu leisten war. Forrer begann damit Ende 1921 und konnte auf seine immensen Vorarbeiten aus den Jahren 1917 bis 1919 zurückgreifen, als er sich Tag und Nacht durch das Material gekämpft hatte. Parallel dazu verfolgte Forrer aber noch ein weiteres Ziel! Als ob diese gewaltige Aufgabe nicht schon genug für einen Einzelnen sei, beabsichtigte Forrer, sich 1922 bei Bruno Meissner und Eduard Meyer in Berlin zu habilitieren. Der Titel der Habilitationsarbeit lautete „Die Inschriften und
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Sprachen des Hatti-Reiches“. Leider gibt es zu diesem zweiten Verfahren nur sehr spärliche Unterlagen. Anhand des wenig Vorhandenen, lässt sich folgendes Bild rekonstruieren.112 Begonnen hat Forrer seine Vorarbeiten bereits 1921 und es flossen zahlreiche Ergebnisse aus den Jahren von 1917 bis 1920 in die Arbeit ein. In der Diktion der beiden großen Publikationen des Jahres 1922, Die Inschriften und Sprachen des Hatti-Reiches113 und Die Boghazköi-Texte in Umschrift 1. Bd. Die Keilschrift von Boghazköi kann man feststellen, dass beide Arbeiten parallel entstanden, denn die Aussagen zur Schriftgeschichte, Keilschrift und Umschrift sind in beiden Werken nahezu identisch. Forrer griff mit dieser Arbeit die Untersuchungsergebnisse seines ersten Aufsatzes von 1919 zu den Acht Sprachen der Boghazköi-Texte wieder auf und gab einen aktualisierten und umfassenderen Überblick über den Stand der Hethitologie des Jahres 1922. Heute würde ein solches Werk vermutlich den Titel Einführung oder Elementarbuch der Hehitologie tragen. Forrer stellt knapp die Fundgeschichte des Textmaterials vor und gibt sogar einen Überblick über die Art der Tafelbeschriftung in Kolumnen, deren durchschnittliche Größe und Schrifthöhe. Den grundsätzlichen Aussagen zur Keilschrift folgen dann für den damaligen Stand der Forschung sehr umfangreiche grammatische Beschreibungen der verschiedenen Sprachen, die in den Texten belegt sind, nebst zahlreichen Textpassagen und Belegen. Besonders verdienstvoll ist die Zusammenstellung der verschiedenen grammatikalischen Erscheinungen mit Beispielparadigmen sowie deren Auswertung auch in Abgrenzung der einzelnen anatolischen Sprachen zueinander. Forrer arbeitet zum Hethitischen als erster die so prägnante Unterscheidung beim Verbum in eine -mi und eine -Δi Konjugation heraus, beschreibt erstmals, dass luwisches Sprachgut in hethitischen Texten mit zwei Keilen (μ) markiert wird und benennt diese als „Glossenkeile“. Zahlreiche Textbeispiele werden zur Illustration des Herausgearbeiteten beigegeben. Und – typisch Forrer – auch in diesem Beitrag sind einige spekulative und apodiktisch vorgetragene Thesen, die aus heutiger Sicht befremdlich anmuten. So postuliert Forrer für das hethitische phonologische System, den Vokal /o/ im Lautbestand und wird über viele Jahre der einzige Hethitologe sein, der diesen Vokal in seinen Umschriften immer wieder verwendet. Insgesamt aber schafft Forrer mit dem Aufsatz in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft und der Zeichenliste das erste grundlegende Rüstzeug für Hethitologen und fasst die 112 113
Dies sind vor allem die Briefe an Eduard Meyer sowie das bereits zitierte Material des Archivs der Humboldt-Universität zu Berlin. Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 76 ( Neue Folge 1), 1922, p. 174–269
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Ergebnisse der hethitologischen Forschung bis zu jenem Jahr 1922 zusammen. Er war, ohne jeden Zweifel, der führende Forscher auf dem neuen Gebiet. Ob nun der 1922 veröffentlichte Artikel auch exakt der eingereichten Habilitationsschrift entspricht oder aber eine Überarbeitung darstellt, ist nicht feststellbar. Es ist aber davon auszugehen, dass der Aufsatz im Wesentlichen der offiziellen Habilitationsschrift gleicht. Dies wird dann auch der Grund dafür gewesen sein, warum das Vorhaben erneut scheiterte und die Arbeit nicht als Habilitationsschrift angenommen wurde, denn Forrer greift auf bereits publizierte Ergebnisse zurück. Die Meldung zur Habilitation trägt das Datum vom 1. Dezember 1922 und als Gutachter werden Eduard Meyer und Bruno Meissner genannt. Die beantragte Venia legendi lautet: Geschichte des Alten Orients und Nichtsemitische Keilschriftsprachen. 114 Es ist bemerkenswert, dass sich kein Brief oder weiterer Hinweis im Nachlassmaterial findet, der dieses Habilitationsverfahren oder auch nur die Themenwahl oder vorherige Gespräche mit Bruno Meissner oder Eduard Meyer zum Thema hat. Hinsichtlich des erneuten negativen Ausganges dieses zweiten Versuches gibt es zwei Dokumente, die die Gründe und Ursachen des Scheiterns allerdings nicht benennen. Zum einen liegt das knappe Schreiben des Dekans der Philosophischen Fakultät mit der Ablehnung der Habilitationsschrift vom 19. Juni 1923 vor und zum anderen gibt es den bereits zitierten Brief vom 28. April 1928 an Eduard Meyer, der kurz auch dieses Thema berührt: „Also nahm ich mir vor, eine möglichst durchschnittliche Arbeit zu schreiben, die Inschr. & Spr. d. H. R. Leider hatte ich dabei – zum 2. Male – riesig viel neues entdeckt, was übrigens die Belastungsprobe restlos ausgehalten hat. Um ganz sicher zu gehen, dass wissenschaftlich an der Arbeit nichts auszusetzen ist, veröffentlichte ich sie vorher. Damit nun auch die Kräfte wissenschaftlicher Natur, die bei einer Habil. mitwirken mir keinen Strich durch die Rechnung machen, verzichtete ich auf die Venia für Assyrisch und vertraute auf Ihre Machthilfe. Ergebnis: die nach menschlichem Ermessen sichere Habil. wie Sie sich ausdrückten, schlug fehl. Durch meine Münchener Erfahrung verhärtet, habe ich es nicht so schwer genommen & eigentlich hat es mich menschlich getröstet, dass Sie es so schwer nehmen. Aber es hat meinem Glauben an die Gerechtigkeit der Universität den Rest gegeben.“
Man kann diesen Zeilen nur entnehmen, dass das Vorhaben scheiterte, aber leider nicht warum. Die Qualität der Arbeit kann unmöglich der Grund gewesen sein, da die Ergebnisse und das zahlreiche Material ohne jeden 114
Ich danke dem Archiv der Humboldt-Universität für die Überlassung und Publikationsgenehmigung dieser Urkunde. Siehe auch Dokument 9 der CD-ROM.
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Zweifel für eine Habilitierung 1922 ausgereicht hätten, so dass als Gründe für die Ablehnung der Schrift entweder die Publikation in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft vor Einreichung und Begutachtung in Frage kommen oder aber ein unfaires oder gar intrigantes Hintertreiben der Forrerschen und Meyerschen Ziele, wofür es jedoch keinen stichhaltigen Anhaltspunkt gibt. Lediglich die Aussage, dass „Kräfte wissenschaftlicher Natur einen Strich durch die Rechnung machen“ ließe sich so deuten, dass er auf eine Venia Legendi für Assyrisch verzichtet hat, um mögliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Dies aber bleibt spekulativ. So ist unter dem Strich festzuhalten, dass Forrer zum zweiten Male einen herben Rückschlag in Kauf nehmen muss, als er sich zu habilitieren suchte.115 „Brief der Universität Berlins an Emil Forrer vom 19.06.1923 Hoch geehrter Herr Doktor! Zu meinem Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, daß die Fakultät Ihre Habilitationsschrift nicht angenommen hat. Ihre Papiere liegen zur Abholung im Dekanat bereit.“
Forrer hatte mit der Veröffentlichung der Inschriften und Sprachen des Hatti-Reiches sowie der im gleichen Jahr publizierten Liste der Keilschriftzeichen der Bo©azköi-Texte die ersten Werkzeuge und die Grundlagen für kommende Generationen von Hethitologen geschaffen. Und dies in nur zwei Jahren! Die systematische Liste der Keilschriftzeichen bildete den einleitenden Teil der neuen Reihe der Deutschen Orientgesellschaft zur Herausgabe der hethitischen Texte in Umschrift, mit der Forrer beauftragt worden war. Als Forrer im Jahre 1921 mit den Arbeiten an der Liste begann, kontaktierte er den Sumerologen Anton Deimel, um sich mit ihm über das Gesamtprojekt sowie über weitere Detailfragen zu einzelnen Lesungen abzustimmen. In einem Brief vom 28. Juni 1921 skizziert Forrer einige Anforderungen an die Zeichenliste: „Ich will doch lieber einiges Grundsätzliches voranstellen. Eine Hauptaufgabe einer neuen Keilschriftkunde ist die Feststellung der Lautwerte in ihrem zeitlichen und örtlichen Gebrauch zu unterscheiden. So vor allem muss einmal herausgeschält werden, welche Zeichen im Sumerischen ihrem Silbenwert (nicht ihrem Sinnwert) noch gebraucht werden. Wenn das festgestellt ist, erleichtert dass die Lesung sehr. Eine schwere & nur durch gründliche Einarbeitung zu lösende Auf115
Siehe Dokument 10 der CD-ROM.
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Die Jahre 1918–1924 gabe ist die Feststellung & Abgrenzung von Perioden des Schriftgebrauchs oder der „Rechtsschreibung“. Es ergeben sich dabei etwa 20 solcher verschiedener Schriftgewohnheiten, innerhalb derer ganz bestimmte Lautwerte in Gebrauch sind & andere nicht.“
Forrer fragt weiter: „Da nun O. Schroeder, dem ich das schon immer vorgeschlagen habe, voraussichtlich doch nie dazu kommen wird, eine Keilschriftpaläographie zu machen, habe ich mir dies vorgenommen. Dazu habe ich bereits eine ganze Menge Material gesammelt aber jetzt habe ich erst so das richtige Verständnis für die ganz alten Tex116 te aus Farah, die Ihre Domäne sind. Die Texte Urukaginas usw. habe ich eingermaßen durchgeschaut, aber über die Farah-Texte wurde zu wenig veröffentlicht. Da Sie nicht die Absicht haben, die Farah-Texte in Keilschrift, sondern in Umschrift zu veröffentlichen, habe ich gedacht, man könnte beides vereinigen. Ich möchte Sie also fragen, ob Sie mir vielleicht auf eine von Ihnen zu bestimmende Zahl von Tagen, eine von Ihnen zusammengestellte Liste der Zeichen der Farah-Texte leihen könnten, damit ich mir sie für eine Keilschriftpaläographie abschreibe. Oder aber – da ich in den nächsten Wochen nach Berlin fahre – könnten Sie mit die VAT-Nummern der Farah-Texte angeben, die Zeichenlisten enthalten?“
Deimel beantwortete in der Folge meist Fragen zu einzelnen Zeichen sowie deren Lesung, die Hauptarbeit aber erledigte Forrer allein. In einer für ihn so typischen Energieleistung arbeitete Forrer viele Tage und Nächte an der Ausarbeitung und Zeichnung der Keilschriftzeichen und ihrer systematischen Ordnung. Forrer gliederte die Zeichenliste letztendlich nach zwei unterschiedlichen Ordnungsprinzipien. Der von ihm in Teil A angelegte Apparat listete die Zeichen in der alphabetischen Reihenfolge der Umschrift und in Teil B nach der äußeren Gestalt der Zeichenformen auf, wobei er über die Nummerierungen auf Teil A zurückverwies. Somit konnte man jederzeit mühelos über die Zuordnung schnell zwischen Teil A und B hin- und herblättern und so in einfacher Weise die gewünschten Informationen zu einzelnen Zeichen finden. Das in Autographie hergestellte Werk zeichnet sich durch eine feine Umsetzung der Keilschriftzeichen aus. Forrers Zeichenliste war über viele Jahrzehnte ein wertvolles und unersetztli-
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Im Jahre 1902 erteilte die Deutsche Orientgesellschaft Robert Koldewey, der zu jenem Zeitpunkt in Babylon arbeitet, den Auftrag auch auf dem Ruinenhügel in Farah zu graben. Die Arbeiten dauerten bis 1903 an und brachten Textfunde an Licht, die den Ort als das sumerische Schuruppak, der Stadt Utnapischtims, also des babylonischen Noah, identifizierten. Siehe hierzu Marlies Heinz in: Zwischen Tigris und Nil. 100 Jahre Ausgrabungen der Deutschen Orientgesellschaft in Vorderasien und Ägypten, Mainz 1998, p. 29–31.
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ches Instrument für die Bearbeitung der Bo©azköi-Texte und wurde erst 1986 mit dem Erscheinen des Hethitischen Zeichenlexikon117 ersetzt.
Abb. 4 Beispiel aus Forrers Zeichenliste von 1922118
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Chr. Rüster, E. Neu, Hethitisches Zeichenlexikon, Wiesbaden 1989. Die Autoren des HZL widmeten ihr Werk ausdrücklich Emil Forrer (dort p. 7) eingedenk seiner Leistungen in der Hethitologie.
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In Anbetracht der Kürze der Zeit, in der Forrer dieses Werk erstellte, und der Tatsache, dass er dies allein bewerkstelligte – ohne ein Institut mit seinen Möglichkeiten und Hilfskräften im Rücken zu haben – muss man großen Respekt vor dieser erstaunlichen Leistung haben. Berücksichtigt man nun noch die Arbeiten, die Forrer in den Jahren 1921 und 1922 zudem noch leistete, so wird deutlich, welch ein Arbeitsesel Forrer in jenen Jahren war. Natürlich hat so ein großes Unterfangen wie die Zeichenliste auch Schwächen gehabt, die nicht nur heute, nach weiteren acht Jahrzehnten intensiver Forschung, kritisch beurteilt werden müssen, sondern auch nach dem Wissen des Jahres 1922 schon Anlass zur Kritik boten. Vor allem die einleitenden Kapitel zur Schriftgeschichte und Übernahme der Keilschrift aus einer von Forrer postulierten babylonischen Kursive aus der Zeit Hammurapis sowie zur Keilschriftpaläographie waren eigenwillige Interpretation Forrers, die dem Werk besser nicht beigegeben worden wären. Auch hat es Fehler in der Interpretation und Lesung einiger Zeichen gegeben, was aber bei der Größe der gestellten Aufgabe und der Masse des zu bewältigenden Materials kaum vermeidbar war. Und wie wurde diese Zeichenliste nach dem Zusammenprall in Leipzig von Forrers schärfstem Kritiker und Gegner beurteilt? Es versteht sich beinahe von selbst, dass Sommer sich die Gelegenheit das Werk zu rezensieren nicht entgehen ließ. 119 Der Ton ist scharf, bisweilen auch zynisch und was vor allem auffällt, ist eine bis an die Grenzen des Erträglichen gehende Oberlehrerhaftigkeit. Selbst da, wo Sommer Forrers Arbeit lobend erwähnt, weil es nichts Negatives zu sagen gibt, relativiert er in nachfolgenden Nebensätzen derart geschickt das Gelobte, dass insgesamt eine negative Konnotation beim Leser haften bleibt. Der von Sommer gewählte Stil der Rezension ist entlarvend subjektiv. Hier einige Beispiele: Seite 22 – zum Gesamtwerk: „Zur Übernahme einer solchen Arbeit erschien F o r r e r, der das Material nach dieser Richtung wohl am eifrigsten durchsucht hat, von vorneherein berechtigt und der Fleiß, mit dem er es hier zusammengetragen hat, verdient Anerkennung. Die Art der Bearbeitung weist Schwächen auf, die den Wert der Leistung einigermaßen herabdrücken. (Ich muß dabei als zu wenig sachkundig mein Urteil über alles ausschalten, was die s c h r i f t g e s c h i c h t l i c h e Seite angeht. Daß namhafte Assyriologen von diesem Abschnitt nicht erbaut sind, weiß ich).“
Sommer urteilt hier nach dem „Hörensagen“ ungenannter Assyriologen in Ermangelung eigener Kenntnisse. Auf Seite 26 heißt es: _____________ 118 119
Siehe auch Dokument 11 der CD-ROM. F. Sommer, Orientalistische Literaturzeitung, Bd. 27, 1924, p. 22–30.
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„Diese doppelte Liste, geradezu kalligraphisch ausgeführt, ist der wertvollste Teil des ersten Bandes und wird dem kundigen und urteilsfähigen Benutzer ein bequemes und praktisches Handwerkszeug liefern. (Daran dass manche Zeichen in A und B nicht bis aufs Kleinste übereinstimmen,.... soll hier nicht weiter gemäkelt werden.)“
Was allerdings durch das Gesagte bereits geschehen ist! Auf Seite 27 – zur handschriftlichen Ausfertigung des Bandes findet sich tatsächlich folgende Bemerkung: „Die Handschrift ist im allgemeinen gut leserlich, von einigen, namentlich eng geschriebenen Stellen abgesehen (die i-Punkte haben eine merkwürdige Neigung, dort nicht zu stehen, wo sie hingehören).“
Dies ist ein treffliches Beispiel dafür, dass Sommer im ersten Teil des Satzes eigentlich ein Lob ausspricht, welches aber im zweiten Teil Satzes eingeschränkt oder zumindest relativiert wird. Hier sind die vermeintlich verrutschten i-Punkte erwähnt. Auf Seite 29 heißt es pauschal über die Arbeiten Forrers: „Wir stehen F.'s Arbeiten denn doch nicht vor einer neuen Ära, die alles Frühere klanglos zum Orkus hinabsteigen heißt.“
Der beabsichtigten Aussage, dass bereits zuvor Erarbeitetes nicht vollends überholt ist, kann man nur zustimmen. Dies aber hatte ja auch niemand in dieser absoluten Form behauptet. Sommers Rezensionen zu Forrers Arbeiten nehmen in den folgenden Jahren an Schärfe zu und werden, wie die Auseinandersetzungen der AΔΔijawa-Frage zeigen, in beleidigendem Ton gehalten. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass Sommer bei jeder Zeile, die er zu Forrer zu Papier bringt – bei aller berechtigten Kritik, die an Forrers Arbeiten anzubringen ist – stets eine schärfere Formulierung bringt, als es erforderlich gewesen wäre. Hier wirkt offenbar der Leipziger Vorfall nach.
Der Thesaurus Hethiticus Schon ab 1917, während seiner intensiven Arbeiten an den hethitischen Texten, legte Forrer sukzessive ein umfangreiches Karteikartensystem mit lexikalischen Einträgen sowie deren Belegstellen an, so wie es jeder andere philologisch arbeitende Wissenschaftler ebenfalls getan hätte. Diese lexikalische Sammlung wuchs schnell120 zu einem beachtlichen Instrumentari120
Wolfgang Forrer berichtet im schon erwähnten Interview, von einem großen Möbelstück, dass sein Vater sich von einem Schreiner anfertigen ließ, das zahlreiche Schubladen für seine umfangreichen Zettelsammlungen enthielt
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um für die umfassende Arbeit am hethitischen Material und es überrascht daher ebenso wenig, dass die Idee, ein hethitisches Wörterbuch zu projektieren, schon in seiner Denkschrift von 1921 gereift war. Forrer notiert an verschiedenen Stellen, dass 1921 noch keine systematische und umfangreiche Sammlung durch die Vorderasiatische Abteilung angelegt worden war und er auf diesem Gebiete die größten Vorarbeiten dazu geleistet habe. Da die Notwendigkeit eines Wörterbuches nicht von der Hand zu weisen war, erscheint es nur konsequent, dass Forrer hier den Vorschlag unterbreitet, ein Wörterbuch auf der Grundlage seiner Zettelkataloge zu initiieren und somit seine Vorarbeiten nutzbringend für die Wissenschaft einzubringen. Im Jahre 1921 und auch im Frühjahr 1922 diskutierte Forrer mit Eduard Meyer dieses Projekt und fand dessen Zustimmung und aktive Unterstützung, die vorbereitenden Gespräche mit der Deutschen Orientgesellschaft, der Vorderasiatischen Abteilung und auch mit der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft aufzunehmen. Diese Vorgespräche verliefen zunächst positiv und Meyer ergriff ein weiteres Mal – Forrer unterstützend – die Initiative und schlug für die Leitung des Projektes seinen Schützling vor. Forrer und Meyer trafen sich mehrfach und entwickelten gemeinsam den Thesaurus Hethiticus. Nachdem alle Vorbereitungen zu einem Wörterbuchprojekt abgeschlossen waren und Forrer auch eine Denkschrift zum Thesaurus-Projekt verfasst hatte, 121 kommt es zu einer entscheidenden Sitzung zu diesem Thema in der Vorderasiatischen Abteilung mit Ehelolf und Weber. In dieser Sitzung überraschten Otto Weber und Hans Ehelolf die beiden mit dem Vorschlag, dass man bereits die Arbeiten an einem solchen Thesaurus längst begonnen habe und auch dort fortgeführt werden sollte. Forrer beschreibt dies später rückblickend so:122 „Auch ergriff ich durch die Denkschrift vom 14.IV. 1923 die Initiative zur Schaffung eines Thesaurus zu den kanisisch-hetithitischen Inschriften, die dank der Förderung von Ed. Meyer und die Beihilfe von Ermann, Sarre, Schaefer u.a. verwirklicht wurde, aber inzwischen unter der Leitung von H. Ehelolf versackt ist.“
Ausführlicher heißt es an anderer Stelle:123 Nachdem so ausser der praktischen Aufgabe der Veröffentlichungsmöglichkeiten der Texte auch die wissenschaftlichen Aufgaben der Schrift und der Grammatik der hethitischen Keilschrift-Texte gelöst war, blieb die Frage des hethitischen Wörterbuches zu lösen, die die Arbeitskraft eines einzelnen zu übersteigen drohte. 121 122 123
Diese Denkschrift – laut Forrer vom 14. April 1923 – liegt dem Verfasser leider nicht vor. Auszug aus dem schon zitierten Lebenslauf vom 2. April 1939. Auszug aus dem Brief an Dr. Steinbeck, Führer des NS Dozentenbundes vom 3. November 1939. Siehe Dokument 4 der CD-ROM.
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Durch meine Denkschrift vom 14. IV.1923 „über die Vorbereitung eines Wörterbuches zu den Boghazköi-Inschriften“ gewann ich den führenden Historiker Ed. Meyer, den Vorsitzenden Exc. Dr. Schmidt-Ott der Notgemeinschaft d.d. Wissenschaft, und die Directoren Prof. Schäfer, Sarre und Weber der ägyptischen, islamischen und vorderasiatischen Abteilungen der Museen und die DOG, vertreten durch ihren Geschäftsführer Prof. Güterbock für meinen Plan. In der Sitzung, die seine Ausführung und finanzielle Unterstützung durch die Notgemeinschaft beschloss, behauptete Prof. O. Weber überraschenderweise, dass die Vorderasiatische Abteilung bereits einen solchen Thesaurus hethiticus angefangen habe und wies dabei einige Zettel vor, die er erst in den Wochen seit dem Auftauchen meines Plans hergestellt hatte, während ich in den vorhergehenden Jahren bereits etwa 30000 Stellen gesammelt hatte. So wurde die Ausführung meines Planes der Vorderasiatischen Abteilung, d.h. ihrem Director Prof. O. Weber und seinem damaligen wissenschaftlichen Hilfsarbeiter Dr. Ehelolf übertragen. Dieser letztere hatte mit einer völlig ergebnislosen Arbeit über „ein Wortfolgeprinzip im Assyrischen“ in Marburg promoviert. Andere wissenschaftliche Leistungen lagen nicht vor. Auch hatte er damals im Jahre 1923 noch keine Ahnung von der hethitischen Sprache, deren Keilschrift er vielmehr erst nachträglich an Hand meiner „Keilschrift der Boghazköi-Texte“ (1922) und meiner Grammatik (1922) erlernte. Prof. O. Weber und Dr. Ehelolf übernahmen in jener Wörterbuch-Sitzung die Verpflichtung, innerhalb 3 Jahren einen Wort-Index zu den 6 Heften der „KeilschriftTexte aus Boghazköi“ und fortlaufend zu je 5 Heften der Keilschrifturkunden aus Bogh. zu liefern. (Das Protokoll darüber muss bei der DOG und der Notgemeinschaft vorhanden sein). Die Veröffentlichungsmöglichkeit solcher Indices, die allen Forschern die Mitarbeit aus Wörterbuche ermöglichen sollte, hatte die Vorderasiatische Abteilung ja durch meine eben dargelegte Art des Selbstverlages, wie es sich bereits 1923 für die „Keilschrifturkunden aus Boghazköi“ vorzüglich bewährt hatte. Als Prof. Weber 1925 starb und W. Andrae Director und Ehelolf Custos für die Keilschrifttexte wurde, war letzterer allein verantwortlich für die Verwendung öffentlicher Mittel für das hethitische Wörterbuch und dessen Ausführung. Ergebnis: keine einzige der übernommenen Verpflichtungen wurde erfüllt. Die öffentlichen Mittel dienten ganz allein der Anlage einer Stellensammlung für den privaten Gebrauch Ehelolfs. Dadurch dass keinerlei Indices veröffentlicht wurden, wurden alle Fachgenossen von der Mitarbeit ausgeschlossen, und Ehelolf suchte sich dadurch eine Monopolstellung zu schaffen und hat seine durch meine Ideen der Veröffentlichung der KUB und des Wörterbuches gewonnene Machtstellung nur zur Verhinderung wissenschaftlicher Arbeit benutzt. Bis heute, 13 Jahre nachdem ich das Wörterbuch ins Leben rief, hat Ehelolf nichts als einige kleine Artikelchen über einige wenige hethitische Wörter allein veröffentlicht, deren Stellen durch seine Mitarbeiter mit öffentlichen Mitteln gesammelt worden sind, während wir anderen auch ohne diese technische und finanzielle Hilfe zehnmal so viel Wörter herausbekommen haben, ganz zu schweigen von den zahlreichen anderen historischen Problemen (Geschichte Assyriens, Geschichte der Aramäer, FrühGeschichte Armeniens, geographischen Fragen (Geographie des Hatti-Reiches,
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Die Jahre 1918–1924 Forschungsreisen in Kleinasien und Syrien), archäologischen Untersuchungen (Ausgrabungen in Quala÷t-er-Rus, in Tarsus und in Tell-Sukas) und Rassenfragen (die Rassen, Sprachen und Völker des alten Orients, noch nicht gedruckt) usw. usw., die ich inzwischen gelöst habe. Ehelolf hat durch diese 13-jährige Unfruchtbarkeit den Beweis erbracht, dass er zur Durchführung der ihm 1923 übertragenen Aufgabe des Wörterbuches unfähig ist. Denn in seinem Tempo haben wir auch i.J. 2000 noch kein Wörterbuch. So lange kann und will die Wissenschaft aber nicht mehr warten.
Diese Ausführungen Forrers sind zwar sehr tendenziellen Schreiben entnommen, so dass eine gewisse Vorsicht gegenüber den vorgetragenen Inhalten angebracht ist, aber dennoch sind die Kritikpunkte sehr interessant und teilweise auch nachvollziehbar. Die größte systematische Sammlung zu den Bo©azköi-Texten hatte bis zu diesem Zeitpunkt ohne jeden Zweifel Forrer angelegt. Diese war offenbar so nützlich und wertvoll, dass diese im Museum – zur Nutzung durch andere Forscher – verblieb und auch Eduard Meyer sich ihrer gelegentlich bediente. Forrer wird nicht der einzige Philologe gewesen sein, der sich für die Arbeit derartige Hilfsmittel anlegte, aber es scheint festzustehen, dass er der fleissigste und konsequenteste Sammler war. In seiner ersten Denkschrift von 1921 zur Herausgabe der Bo©azköi-Texte hatte er bereits die Notwendigkeit eines systematischen Wörterbuches angesprochen und knapp seine Vorstellungen dargelegt. Es hieß dort: „Zu diesem Zweck muss dieser Band (gemeint war die Textausgabe in Umschrift, d. Verf.) auch von einem Wörterbuch begleitet sein, das die in diesem Bande vorkommenden Wortbedeutungen gibt, nicht aber sämtliche Belegstellen. Auf diese Weise wird eine Teilung erzielt, in dem Sinne, dass das unveränderlich Gegebene im Textband und dem Thesaurus niedergelegt ist, während das, was durch die Entwicklung der Wissenschaft möglichst bald überholt sein soll, in dem Bande der Übersetzungen und des Wörterbuches seinen Platz findet.“
Auch wenn zu unterstellen ist, dass die Notwendigkeit eines Wörterbuches zweifellos von jedem Philologen erkannt und gewünscht wurde, so ist es doch einmal mehr Forrers Initiative, dass die Ausgestaltung der Idee sowie umfangreiche Vorarbeiten dazu angegangen wurden. Dies fügt sich auch in das bisher gewonnene Bild, dass Forrer in jenen Jahren stets um die Grundlagen des Faches bemüht war. Er hatte mit seiner Denkschrift neben der Frage des Wörterbuches ja auch schon grundsätzliche Vorschläge zur Edition und Publikation der Texte angesprochen und sich mit der Herausgabe einer systematischen Zeichenliste um eben diese grundlegenden Instrumente der Philologie verdient gemacht. Ob nun der Verlauf der entscheidenden Sitzung tatsächlich in der von Forrer beschriebenen Art und Weise verlief, lässt sich nicht abschließend beurteilen, ebenso wenig sein Vorwurf an Weber und Ehelolf, dass die beiden überraschenderweise erklärten, diesen Thesaurus Hethiticus bereits
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begonnen zu haben. Forrer hatte jedenfalls den Eindruck, dass man seine Initiative zum Wörterbuchprojekt hintertrieben und sein Idee gestohlen habe. Im Nachlassmaterial gibt es einen weiteren kurzen Hinweis der Reaktion Forrers:124 „So musste ich wieder einmal die Niedertracht vermeintlich honoriger Herren der Vorderasiatischen Abteilung erleben, die sich einfach so am Ideenreichtum anderer bedienen, aber ich bin sicher, dass wir auf das Wörterbuch noch Jahrzehnte werden warten müssen. Diese Herren sind mir ein Graus und die Wortgefechte bin ich leid.“
Deutliche Worte, die auch die Wut und die Enttäuschung Forrers wiedergeben. Dieser Vorfall um das Wörterbuchprojekt hat das Band zwischen Ehelolf, Weber und Forrer endgültig zerschnitten. Geradezu prophetisch klingt seine Aussage, dass das Wörterbuch wohl erst nach Jahrzehnten kommen werde und wie im Schreiben an den NS-Dozenentbundführer Dr. Steinbeck nochmals wiederholt, dass es auch im Jahre 2000 nicht vorliegen werde. Sollten die von Forrer genannten Verpflichtungen seitens Ehelolf und Weber tatsächlich in dieser Weise übernommen worden sein, so muss man konstatieren, dass diese in der Tat nicht eingehalten wurden, aus welchen Gründen auch immer.
Der unfreiwillige Auszug aus der Vorderasiatischen Abteilung Forrer fühlte sich um seine geistige Urheberschaft das Wörterbuch betreffend betrogen und machte Weber und insbesondere Ehelolf dafür verantwortlich. Das bereits gespannte Verhältnis der Beiden wurde durch eine weiteren kleinen Vorfall im Museum zusätzlich belastet, der vor allem für Forrer nur schwer zu ertragen war. Forrers zweite Heimat waren seit 1917 die Räume und Magazine der Vorderasiatischen Abteilung, in denen er phasenweise mehr Zeit verbrachte als in seinen eigenen vier Wänden. Der „Schuppen“ und die Nähe zu den Tafeln bedeuteten ihm mehr als nur die Arbeitsstätte, es war in erster Linie der Identifikationspunkt seines wissenschaftlichen Lebens. Hier hatte er seine Berufung zum Hethitologen erfahren, hier war ganz bei sich selbst. Er arbeitete nicht nur im Museum, er lebte dort. Das Museum beschloss aber eines Tages organisatorische Änderungen in der Raumaufteilung vorzunehmen, die im Ergebnis eine entscheidende Änderung in Forrers bisheriges Arbeitsleben brachten. Er musste seinen 124
Brief an Walter Lehmann vom 28. Juni 1923.
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Arbeitsraum im Museum aufgeben, da dieser anderweitig genutzt werden sollte. Forrer wurde nun vollends zum „gewöhnlichen“ Besucher der Abteilung, zu einem Nutzer des Archivs, wie jeder andere auch. Vorbei waren die Zeiten, an denen er dort ein und ausgehen konnte, wie es ihm beliebte. Er hatte sich von nun an – wie allen anderen Besucher und Forscher – anzumelden und bei Ehelolf um Einsichtnahme in die Texte zu bitten. Und als ob dies nicht schon genug wäre, stellte sich dann heraus, dass ausgerechnet Ehelolf seinen Raum im Zuge der Umbaumaßnahmen als Zimmer zu seiner im Museum befindlichen Dienstwohnung erhielt. Dieser Stachel saß tief. Forrer sah hierin den Gipfel des arglistigen Treibens gegen ihn. Für ihn stand fest, dass Ehelolf der Initiator dieser Maßnahme war. Nach nunmehr acht Jahrzehnten ist diese kleine Episode schwer zu beurteilen. Vielleicht hat es auch ganz andere, banale Gründe für diese Maßnahme gegeben, die nichts mit der Person Forrers zu tun hatte. Für Forrer hatte von nun an alles Negative mit Ehelolf zu tun, wie das folgende Beispiel belegt:125 „Solange Prof. Weber Director der VA-Abt. war, hatte mir die DOG ihr Zimmer im Museum als Arbeitszimmer zur Verfügung gestellt, wo ich ohne die zeitliche Beschränkung auf die Besuchsstunden des Museums arbeiten und die Texte benutzen konnte, so lange ich wollte; eine grosse Arbeitshilfe. Als Ehelolf nachfolgte, wurde mir zuerst der freie Zugang zu den Texten gesperrt und ein umständliches Kontrollsystem eingeführt und als Begründung ausgestreut, ich brächte Unordnung in die Textaufstellung, eine ganz lächerliche Behauptung angesichts meiner Ordnungsliebe und der Tatsache, dass meine viele Zehntausende von Stellen umfassenden Sammlungen durch Unordnung unverwendbar würden.“ Jetzt hielt Ehelolf die Zeit für gekommen, mir meine Arbeitsmöglichkeit im Museum zu nehmen. Das verlief folgendermassen: Die ägyptische Abteilung, zu der mein Arbeitszimmer (=DOG-Zimmer) gehörte, wurde von ihrem Director Prof. Schaefer zurückverlangt mit der Begründung, dass die ägyptische Abteilung es wegen der Knappheit ihrer Räumlichkeiten benötige. Nachdem ich es geräumt hatte und nunmehr ohne Arbeitsplatz im Museum war, wurde mein bisheriges Arbeitszimmer, das ich aus einem Schuppenraum mit primitiven Mitteln etwas wohnlicher gemacht hatte, neuzeitlich ausgebaut und möbliert und Herrn Dr. Ehelolf als Arbeitsraum überwiesen. Der anstossende Teil der ägyptischen Abteilung wurde zur Privatwohnung nicht etwa des Directors der Ägypt.-Abteil.. sondern von Herrn Dr. Ehelolf umgebaut, wo er noch jetzt mit seiner Frau, der früheren Photographin der Vorderasiat. Abtlg. kinderlos wohnt. Auf meine damalige Frage an Prof. Schaefer, wie er das für recht halten könne, erhielt ich zur Antwort, dass das Museum in erster Linie für die Museumsbeamten da sei (!), während ich vergeblich die Meinung vertrat, dass es für die Wissenschaft da sei und alle Menschen, die dafür Sinn haben. Dass Prof. Schäfer und Prof. Güterbock (DOG) diesem Schelmen125
Aus dem Brief an Dr. Steinbeck vom 3. November 1939. Siehe auch Dokument 4 der CD-ROM.
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streich ihre helfende Hand geliehen hatten, versetzte meinem Vertrauen einem solchen Stoss, dass ich ihn bis heute nicht überwunden habe und von da an das Museum mied.
Dass das Verhältnis zur Vorderasiatischen Abteilung und dem dort arbeitenden Personal schwerwiegend gestört war, belegt eine Notiz, die Felix Ritter von Luschan am 9. April 1923 an Forrer schrieb. Von Luschan suchte dringend Forrer zu treffen, um einige Bücher mit ihm auszutauschen, konnte ihn aber nicht erreichen oder zu Hause antreffen. Daraufhin vermutete er Forrer in der Vorderasiatischen Abteilung des Museums bei seiner üblichen Arbeit, wusste er doch, dass Forrer dort in der Regel anzutreffen war. Als er dort persönlich erschien, teilte man ihm dort aber zu seiner völligen Überraschung mit, dass Emil Forrer dort „gänzlich unbekannt“ sei!126Die entscheidende Passage in dem Brief vom 9. April 1923 lautet: „Sie sind mir gänzlich unerreichbar, auch in der V.A. Abt. wurde mir, weiß Gott warum gesagt, dass sie gänzlich unbekannt seien.“
Die Anfänge der Entzifferung des Hieroglyphenluwischen Die Enzifferung der luwischen Hieroglypheninschriften ist mit den Namen Emil Forrer eng verbunden und seine ersten erfolgversprechenden Erkenntnisse datieren aus Jahre 1920, wie das Nachlassmaterial jetzt belegt. Wie wir gesehen haben, arbeitete Forrer von 1918 bis 1920 nicht nur intensiv an der Erschließung der hethitischen Texte, sondern skizzierte dabei auch die neben dem Hethitischen bezeugten übrigen Sprachen des Materials. Insbesondere das Luwische geriet dabei in den Mittelpunkt seines Interesses. Neben der ersten deskriptiven Beschreibung versuchte er, in einem weiteren Schritt Aussagen über die Zuordnung und Verteilung der damals bekannten anatolischen Sprachen und Völker in Kleinasiens zu treffen, und betrieb Vorstudien, die später einmal in einem historischen Atlas Kleinasiens ihren Niederschlag finden sollten. Im Kontext dieser ethnologisch und historisch-geografischen Studien beschäftigte sich Forrer 1920 dann erstmals intensiver mit den sogenannten Hieroglyphen-Inschriften, die zu jenem Zeitpunkt noch nicht entziffert, aber bereits seit längerem Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion waren.
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Brief von Felix Ritter von Luschan an Forrer vom 9. April 1923.
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Die luwischen Hieroglyphen Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte bereits Johann Ludwig Burckhardt127 in der syrischen Stadt Hama die ersten luwischen Hieroglyphen – ohne dass er diese einer Sprache zuordnen konnte – aufgespürt und beschrieben. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts stießen dann verschiedene Forschungsreisende immer öfter auf Schriftdenkmäler in diesen unbekannten Hieroglyphen. Der Amerikaner Hayes Ward machte darauf aufmerksam, dass Siegel mit ähnlichen Schriftzeichen von Layard bereits 1849 in Ninive gefunden wurden und sprach sich als Erster dafür aus, dass es sich dabei um die Sprache und Schrift der Hethiter handeln könne. Vor allem im syrischen Raum, unter anderem in Karkemisch am Euphrat, fanden sich in den folgenden Jahrzehnten hieroglyphische Schriftzeugnisse, insbesondere auf Siegelabdrücken, die sehr schnell im Fokus der wissenschaftlichen Bemühungen standen. Bei diesen Siegelabdrücken findet sich oft die nützliche Besonderheit, dass in der Mitte die Hieroglyphenzeichen und außen – darum herum laufend – eine Keilschriftlegende angebracht ist. Die Entzifferung der luwischen Hieroglyphen kam bis zum Ende des Ersten Weltkrieges kaum voran und es lagen allerlei Spekulationen und Theorien vor. Die für die Erforschung der Schrift verhängnisvollste Deutung gab der seinerzeit einflussreiche deutsche Altorientalist Peter Jensen, der in Anlehnung an A. Mordtmann das Armenische als diejenige Sprache identifiziert haben wollte, die sich hinter den Zeichen verbarg und diese These heftig gegen jeden Einwand verteidigte. Da Jensen eine anerkannte und auch meinungsbildende Autorität in Fragen des Alten Orients war, gelangte die Erforschung schließlich an einen toten Punkt, da mit diesem falschen Ansatz keine brauchbaren Ergebnisse zu erzielen waren. Carl Frank, einer der akademischen Lehrer Forrers in Straßburg, ist es zu verdanken, dass er sich gegen den heftigen Widerstand Jensens endlich von der Armenier-These löste und sich wieder stärker auf die bekannten Inschriften und den Versuch der Bestimmung einzelner Lautwerte richtete, ohne zu sehr auf vordergründigen Sprachvergleich zu setzen. Zwar kam auch er zu der falschen Annahme, dass die Schrift nahezu ausschließlich aus Ideogrammen bestehe, aber es gelang ihm zumindest die eingetretene Stagnation auf dem Gebiet der Hieroglyphenforschung endlich aufzulösen und einige Länder-, Götter- und Personennamen richtig zu deuten.128 127
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*24. November 1784 – †15. Oktober 1817. Der Schweizer gilt als einer der ersten großen Forschungsreisenden und Orientforscher. In den Jahren zwischen 1809 und 1812 bereiste Burckhardt weite Teile Syriens, Palästinas und Jordaniens. Siehe hierzu ausführlicher: A. Kammenhuber, Handbuch der Orientalistik 1. Abt., 2. Bd. Leiden 1969, p. 148 – 161; Ernst Doblhofer, Die Entzifferung alter Schriften
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Neue Impulse erhielt die Hieroglyphenforschung ab 1930 durch den Einstieg ein kleiner Forschergruppe, die, unabhängig voneinander, an dem anwachsenden Material zu arbeiten begann.129 In den folgenden Jahren konnten große Fortschritte gemacht werden, da die Aufschlüsselung wichtiger Zeichen gelang, wie z.B. das Ideogramm für „Sohn“ die Lesung von Genealogien ermöglichte. Durch die stetig wachsende Materialbasis, zunächst in den Jahren ab 1926 durch die Reisen H.H. von der Ostens und ab Mitte der 1930er Jahre durch Siegelfunde in Bo©azköi, gelang auch zunehmend die richtige Bestimmung von einzelnen Lautwerten, so dass bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges das Bild der Sprache, die sich hinter den Hieroglyphen verbarg, in groben Zügen beschreibar geworden war. Das Jahr 1946 brachte einen überraschenden und sensationellen Inschriftenfund, der die Erforschung des Hieroglyphenluwischen weiter voranbringen sollte. Auf dem türkischen Hügel Karatepe in Ostkilikien fanden Helmuth Bossert und Halet ›ambel mehrere Inschriften, die teils in Hieroglyphenluwisch und teils in phönizischer Sprache geschrieben waren. Dabei stellte sich heraus, dass diese Bilingue in das 8. Jahrhundert v. Chr. zu datieren ist. Die Arbeiten an der Bilingue erbrachten neben der Erweiterung des Materials vor allem die wichtige Erkenntnis der Bestätigung der Ergebnisse, die in den 30er Jahren von den Forschern zum Teil kombinatorisch erschlossen worden waren. Von 1952 an erweiterte Emanuel Laroche den kleinen Kreis der Hieroglyphenforscher. In den Jahren 1960 und 1962, nach weiterer kontinuierlicher Arbeit an den nun zahlreichen Inschriften, fassten Piero Meriggi und Emmanuel Laroche die bis dahin erzielten Ergebnisse der Hieroglyphenforschung in umfangreichen Werken vor. 130 Eine für die weitere Erforschung des Hieroglyphenluwischen grundlegende Arbeit erschien 1973 aus der Feder eines Forscherteams, als Anna Morpurgo-Davies, Günter Neuman und John David Hawkins ihre Arbeit „Hittite Hieroglyphs and Luwian. New Evidence for the connection.“ veröffentlichten.131 _____________ 129
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und Sprachen, 2. Auflage, Stuttgart 1993, John David Hawkins, Corpus of Hieroglyphic Luwian Inscriptions, Berlin - New York 2000, Vol. 1, p. 6 –13. Hierzu sind vor allem Piero Meriggi, Ignace J. Gelb, Helmuth Bossert, Hans Gustav Güterbock, aber auch Bed√ich HroznŸ, der zahlreiche Inschriften edierte, zu zählen. Emanuel Laroche, Les Hiéroglyghes Hittites, Paris 1960; Piero Meriggi, Hieroglyphisch-Hethitisches Glossar, Wiesbaden 1962 und Mannuale die Eteo Geroglifico I, II/1,II, Rom 1966–1975. Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, I. PhilologischHistorische Klasse, Jahrgang 1973, Nr. 6, Göttingen 1974.
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Mit der neueren Forschung der letzten Jahrzehnte ist vor allem der schon genannte John David Hawkins verbunden, der mit dem umfassenden dreibändigen Handbuch Corpus of Hieroglyphic Luwian Inscriptions 132 den aktuellen Stand der Forschung sowie die bisher gefundenen Inschriften in einem großen Gesamtwerk publiziert hat.
Die ersten Erkenntnisse Forrers Im Sommer des Jahres 1920, nach der Einreichung der Münchener Habilitationsschrift, hatte sich Forrer wieder dem hethitischen Material und den von ihm seinerzeit bevorzugten Fragestellungen zugewandt – die Ethnologie Altkleinasiens. Die gute und tiefgreifende Kenntnis des Großteils der hethitischen Texte erlaubte es Forrer, sich 1920 fundierter als jeder andere Mitforscher mit Fragen dieser Art zu befassen. Ganz besonderes Augenmerk legte Forrer auf das von ihm als „luvische Frage“ bezeichnete Untersuchungsgebiet und es ist erstaunlich, zu welchen Ergebnissen und Vermutungen Forrer bereits1920 kam. Der Brief an Eduard Meyer vom 20. August 1920 enthält den bemerkenswerten Satz, dass er sich nun sicher sei, dass sich hinter den Hieroglypheninschriften die luwische Sprache verberge. Damit ist Forrer weiter als alle anderen Fachkollegen seiner Zeit, die zu diesem Zeitpunkt immer noch rätselten, ob sich nicht das Armenische hinter den Hieroglyphen verberge. Typischerweise finden sich auch hier wieder neben genialen Gedanken gleich hanebüchene und unhaltbare Verknüpfungen und weitreichende Theorien, die das soeben richtig Geäußerte im nächsten Moment gleich wieder zunichte machen. So zum Beispiel das postulierte Verwandtschaftsverhältnis des Luwischen mit dem Ägyptischen. Manches allerdings, dass Forrer über den kulturellen Einfluss und die Bedeutung der Luwier schreibt, klingt an aktuelle Diskussionen um die Bedeutung der Luwier für Kleinasien an. Forrer war seiner Zeit in einigen Punkten voraus und aus heutiger Sicht erstaunlich aktuell: 133 „Lieber & hochverehrter Herr Professor ! Herzlichen Dank für Ihren eingehenden Brief. Unmittelbar nach Absendung meines letzten großen Briefes habe ich mich weiter in die ethnologischen Fragen vertieft & habe dann, als ich zu endgültigen Resultaten gelangt war, diese Studien fast ein halbes Jahr lang nicht angerührt, um mit meinem Sargon vorwärts zu kommen.
132 133
Berlin/New York 2000 Der Brief ist an manchen Stellen stark verblasst und schwer zu lesen. Die „?“ im Text markieren Stellen, an denen eine zweifelsfreie Lesung nicht möglich war.
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Ich hatte mein Interesse besonders der luvischen Frage zugewandt & das Beobachtungsmaterial ist vor kurzem gewachsen, dass ich ein dickes Rind damit füllen könnte. Ich will daher hier nur einige Resultate vorführen. Aus der Luwisch-Kanisischen Quasibilingue, die ich in meinem Briefe aufführte, könnte man den Eindruck erhalten, dass sich das Luwische & das Kanisische nur als Dialekte unterscheiden. Dieser Auffassung möchte ich sogleich entgegentreten. Genau ebenso frappante Stellen der Übereinstimmung des Kanisischen mit dem Indogermanischen lassen sich anführen. Im Gegenteil ist es auffällig, wie stark das Luwische im Wortschatz meist vom Kanisischen abweicht, wie verschieden die Wortbildung ist & die Partikeln. Es hat sich herausgestellt, dass die Luwier ein weit größeres Volk waren als die Kanisier. Ihnen gehören die Götter Tarhu und Santas an, die den Kanisiern ganz unbekannt sind & und Ihnen gehören vor allem Ortsnamen auf -anda bzw. -vianda an. Aus der Quasibilingue sind einige Eigentümlichkeiten des Luwischen zu bekommen, die ich nun auch in kanisischen Inschriften, wo sie mir als schlechte und unregelmäßige Sprache auffallen, als Luwismen also, wiedererkenne. Besonders stark sind die Luwismen im Arzawa-Brief. In Amurru! wurde am Hofe Luwisch geredet & fast alle Personennamen, auch der Hattikönige, sind luwisch. Viele Eigentümlichkeiten des Luwischen finden durch die luwische Vorbevölkerung ihre Erklärung & wenn erst das Kanisische & dadurch auch das Luwische auch nach dem Wortschatze geklärt hat, sehe ich für die wissenschaftliche Erklärung des Kanisischen eine neue Epoche beginnen. Am adriatischen Meere hören alle Spuren des Luwischen auf. Dagegen sprechen einige Anzeichen dafür, dass die Lyker zu den Kanisiern im weiteren Sinne zu stellen sind. Die Verwandtschaftsverhältnisse des indogerm. Kanisischen und Luwischen entsprechen genau ihrer geographischen Lagerung: Indogerm. von der Ostsee bis zum schwarzen Meer, Kanisier mittleres(?) Sondergebiet, Luwier, Griechenland bis Vorderasien. Luwische Ortsnamen lassen sich bis tief nach Iran hinein feststellen, Ihre Bildung & z.T. sogar ihre Bedeutung ist durchgängig sehr durchsichtig. Diese luwische Bevölkerung muss von großer Dichte gewesen sein, dass sie sich allen späteren Einwanderungen in Armenien & sogar nach Mesopotamien bis in die assyrische Zeit hielt. Ihre Lagerung in den Randgebieten & unzulänglichen Bergländern Kleinasiens ist dadurch zu erklären, dass die Einwanderung der Kanisier & ihre Ausweitung genau wie die der Phryger und Galater erfolgte, von innen nach aussen. Und es gewinnt immer mehr den Anschein, dass die Kultur des Hatti-Reiches in allen Teilen von den Luwiern geschaffen & von den Kanisiern übernommen wurde. Es ist auch sehr zu beachten, dass gerade die Personennamen von Guzana (Tell Halaf) sich in späterer assyrischer Zeit ??? luwisch sind. Ich glaube daher jetzt auch mit Bestimmtheit, dass die HieroglyphenInschriften luwisch sind! (Hervorhebung nicht im Original, der Verf.) Das Tollste aber ist, dass mir ganze Worte, deren Bedeutung ganz sicher steht, sich im Kanisischen & z.T. im Luwischen und im Altägyptischen wiederfinden! Und zwar durchweg solche Worte, nicht semitisch sind. Ich nehme daher an, dass das Altägyptische eine Sprache ist, die dem Luwischen verwandt ist, aber bereits im 5. – 4. Jahrtausend stark semitisiert wurde. Es ist schon immer auffällig gewesen, dass das Altägyptische für verschiedene Begriffe zwei Worte hat (z.B. Hand, Au-
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Die Jahre 1918–1924 ge). Ich bin daher zur Annahme einer eurasischen Völker-& Sprachengruppe gelangt (Europa, Luvia, Ägypten), der als gleichberechtigte Mitglieder des indogermansichen Kanisischen, Luwischen, Vorägyptischen bis hin zum Nordosten das Finno-Ugrische anghören. Ja es scheint, dass an dieser Gruppe als Ganzes eine andere Gruppe anzuschließen ist, zu der das Harrische gehört, das wohl erst im 4. Jahrtausend vom Pamir-Patan, Iran & Armenien & Mesopotamien & Syrien überflutet hat und doch immer nur eine dünne Schicht bildete. Die ethnologischen Verhältnisse Eurasiens sind also noch komplizierter als man es sich hätte vorstellen können. Aber nun wissen wir jetzt wenigstens, wo der Hebel anzusetzen ist & wir haben den Hebel! Prof. Weber wünscht immer, dass die fremdsprachigen Inschriften bald herausgegeben werden; eine Sammlung der luwischen Inschriften habe ich bereits für mich vorbereitet. Aber ich sehe immer wieder, dass die allererste Aufgabe die ist, das Kanisische ersteinmal gänzlich und gesichert aufzustellen. Dann kann vermittelst des in kanisischen Texten manchmal vorkommenden Luwischen daran gezeigt werden. Dann ist die Vorbedingung gegeben, sich an das Lykische & an die kretischen & hethitischen Bilderinschriften zu machen. Was für ein Mischungsverhältnis das Lykische darstellt, kann ich mir immer noch nicht erklären. Jedenfalls war es im Altertum nie anders als auch jetzt, dass in Vorderasien stets 34 Bevölkerungen eventuell im selben Dorf nebeneinander saßen mit verschiedenen Religionen & Sprachen, denn Vorderasien war eben immer schon der ethn(olog)ische Marktplatz, wo alle zusammenkommen. Die weitere Entwicklungsstufe einer Sprache z.B. das Sumerische, ist nicht der geringste Gegenbeweis, dass nicht auch diese Sprache eine Mischsprache ist. Überhaupt möchte ich mehr oder weniger reine Sprachen nur für die Ausnahme nicht die Regel halten. Ich habe mich bei meinen Arbeiten mit allen möglichen afrikanischen & asiatischen Sprachen abgegeben & immer mehr den Eindruck gewonnen, dass die Art wie wir bei den indogermanischen Sprachen Gruppen zusammenfassen in Ländern alter Besiedlung undurchführbar ist, weil alle Sprachen nur aus verschiedenen Mischungsverhältnissen aus einer Reihe zum Teil ganz heterogener Sprachen bzw. Sprachdenken sind. Die Aufgabe der Sprachwissenschaft wird es in Zukunft sein, die individuellen Typen des Sprachdenkens (wie z.B. Protohattisch, Sumerisch, Bantu)zu erkunden, ihre gegenwärtige Entwicklungsstellung zu fixieren & in alt besiedelten Gebieten das Mischungsverhältnis zu bestimmen. Viele Sprachen gehören eben nicht nur einem, sondern – horribile dictu – mehreren Sprachstämmen an.“
Diese 1920 formulierten Gedanken zum Luwischen finden sich in späteren Jahren mehrfach in gekürzter oder überarbeiteter Form publiziert wieder. Im Dezember 1921 gibt Forrer erneut einen Überblick über die Ausbeute aus den Boghazköi-Inschriften134 und kommt dabei auf Teile seiner Luwier-Thesen zurück. Seine im Brief an Meyer noch erwähnten sprachwissenschaftlichen Spekulationen münden schließlich in die später sogenannte 134
So der Titel seines Aufsatzes in: Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft, Bd. 61, 1921, p. 20–38.
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Indo-Hittite-Hypothese, die Forrer in diesem Aufsatz formuliert. Er postuliert für das 5. Jahrtausend v. Chr. ein neues Verwandschaftsverhältnis des Hethitischen, des Luwischen und des rekonstruierten Indogermanischen, das von der bis dahin geltenden Communis opinio stark abweicht. Demnach seien die sprachlich nicht belegten Vorstufen des Hethitischen und des Luwischen nicht aus dem rekonstruierten Indogermanischen als „Tochtersprachen“ hervorgegangen, wie alle anderen Sprachen der indogermanischen Sprachfamilie, sondern hätten das Verwandtschaftsverhältnis von „Schwestersprachen“ gehabt. Forrer versuchte mit diesem Modell die Auffälligkeiten der gemeinsamen Wortbildung der beiden anatolischen Sprachen sowie die markanten Unterschiede im Wortschatz mit dem Bild der bis dahin rekonstruierten Kategorien- und Formenvielfalt des rekonstruierten Indogermanischen in Einklang zu bringen. Der Terminus Indo-Hittite stammt nicht von Forrer selbst, sondern wurde vom amerikanischen Sprachwissenschaftler Edgar H. Sturtevant in die vor allem indogermanistisch orientierte Diskussion eingeführt.135 Sturtevant machte sich Forrers Ansatz zu Eigen und löste damit eine lang anhaltende – und bis heute nicht abgeschlossene – Diskussion innerhalb der Indogermanistik aus, welche Stellung die anatolischen Sprachen im Kreise der indogermanischen Sprachfamilie einnehmen.136 1922 präsentierte Forrer in seiner umfangreichen Veröffentlichung „Die Inschriften und Sprachen des Hatti-Reiches“ grundlegende Erkenntnisse zum Luwischen,137 die für die Hethitologie und die Erforschung der
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E. H. Sturtevant, On the Position of Hittite Among the Indo-European Languages, Language, Bd. 2, 1926, p. 25–34; Notes on Hittite and Indo-European. Pronouns and Morphology, Journal of the American Oriental Society, Bd. 47, 1927, p. 174184; Archaism in Hittite, Language 9, 1933, p. 1–11. Hier bezieht sich Sturtevant bei seiner Indo-Hitte-These ausdrücklich auf Forrers Ansatz in: Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft, Bd. 61. An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich innerhalb der Indogermanistik immer stärker die Erkenntnis durchsetzt, dass das Hethitische einen älteren Zustand der indogermanischen Grundsprache widerspiegelt, als die übrigen bezeugten indogermanischen Einzelsprachen. So glänzt Forrer hier erneut mit der Ersterkenntnis dieser ja nicht ganz unerheblichen Frage. Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 76, 1922, p. 174– 269. Da dieser Beitrag zum Luwischen weitgehend auf die höchst spekulativen Ansätze zur Sprachverwandtschaft verzichtete und sich auf eine deskriptive Beschreibung der Sprache konzentriert, ist diese Leistung Forrers auch in späterer Zeit entsprechend gewürdigt worden. So schreibt A. Kammenhuber, Handbuch der Orientalistik, 1. Abt. II. Bd. 1. und 2. Abschnitt Hethitisch, Palaisch, Luwisch und Hierglyphenluwisch, 1969, p. 143: „Während sich der Name Hrozny mit der Entzifferung des Hethitischen verknüpft, verbindet sich mit der Entzifferung der anderen Boghazköi-Sprachen mit Einschluß des Hattischen der Name Forrers.“
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anatolischen Sprachen für die nächsten Jahrzehnte Basis bleiben sollten. 138 Beim Luwischen erkannte er richtig, dass heth. /e/ meist im Luwischen als /a/ wiedergegeben wird, die Pluralendung -inzi beim Nomen und Pronomen, die Dichotomie beim Verbum in ein Aktiv und Medium sowie die Erkennung des Partizipialbildung auf -ant(i). 1930 griff Forrer dann leider nochmal auf seine unhaltbaren Thesen, die auch schon in dem oben genannten Brief anklingen, zurück, als er mit seinem Aufsatz Stratification des langues et des peuples dans le ProcheOrient préhistorique das Luwische um 5.000 v. Chr als proto- oder präindogermanische Sprache Westeuropas ansetzte, die dann das Altägyptische sehr stark beeinflusst habe, da das Luwische und auch die Luwier im 4. Jahrtausend v. Chr. zum wichtigsten Faktor des gesamten Vorderen Orients herangereift seien.139 Dieser Ansatz, dessen Inhalt man vielleicht als Pan-Luwismus bezeichnen könnte, hatte in seiner Wirkung eine negative Ausstrahlung bei der weiteren Erforschung des Hieroglyphenluwischen. So verstieg sich Bossert zeitweise zu der Annahme, dass die Sprache, die sich hinter den Hieroglyphen verberge und die er „Nesisch“ nannte, das beherrschende sprachliche Substrat des gesamten alten Orients gewesen sei, mit Einflüssen bis nach Kreta und Griechenland.140 Forrers Verdienst ist es, dass er, seit Beginn seiner Bemühungen um die Bo©azköi-Texte – trotz erheblicher Fehlinterpretationen – derjenige war, der sich intensiv um die Erforschung der sonstigen Sprachen gesorgt hat und dabei weiter kam als alle anderen Fachkollegen. Genau genommen, war er der einzige Vertreter der jungen Hethitologie, der sich an dieser schwierigen Aufgabe versuchte. Dass er dabei viele Details richtig herausarbeitete, zeigt einmal mehr sein besonderes Talent, sich in fremde Sprachen und deren grammatische Strukturen einarbeiten zu können. Immer dann, wenn Forrer als „Entzifferer“ in Erscheinung tritt, zeigt sich seine geniale Begabung. Dies gilt ebenso für das Hieroglyphenluwische, das Ugarititische wie auch für die MayaInschriften, mit denen er sich in den dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts zu beschäftigen begann.141 Leider hat sich Forrer nicht ausschließlich auf die philologisch-deskriptive oder erschließende Methode beschränkt, 138
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Zur Entzifferungsgeschichte siehe: Ernst Doblhofer, Die Entzifferung alter Schriften und Sprachen, 2. Auflage, Stuttgart 1993, p. 185–250; Johannes Friedrich, Entzifferung verschollener Schriften und Sprachen, 2. Auflage, Heidelberg 1966, p. 72 – 84; Annelies Kammenhuber, Handbuch der Orientalistik 1. Abt. 2. Bd. Leiden 1969, p. 148–161, John David Hawkins, Corpus of Hieroglyphic Luwian Inscriptions, Berlin-New York 2000, Vol. 1, p. 6–13. Journal Asiatique, Bd. 217, 1930, p. 221 –262. Siehe hierzu, H. Th. Bossert, Ein hethitisches Königssiegel. Neue Beiträge zur Geschichte und Entzifferung der hethitischen Hieroglyphenschrift, Berlin 1944. Zu den Hieroglypheninschriften und zum Ugaritischen siehe ausführlich Kapitel 7.
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sondern stets auch kühnste sprachwissenschaftlich und historisch weitreichende Schlussfolgerungen aus seinen mitunter beeindruckenden und intuitiv richtig erschlossenen Erkenntnissen gezogen. Da diese oft einer kritischen Überprüfung nicht standhielten, gingen seine guten und richtungsweisenden Ansätze oft in der Kritik unter und, was viel schmerzender war, eben diese Kritik blieb im Gedächtnis seiner Umwelt haften. Als sich um den Jahreswechsel 1922/1923 sein Straßburger Lehrer Frank mit den Hieroglypheninschriften zu befassen beginnt und sich brieflich mit Forrer über das Inschriftenmaterial austauscht, verstärkt auch Forrer erstmals seine Bemühungen um die Deutung der Inschriften. Dies geschieht in Ergänzung seiner geografischen Untersuchungen zum HattiReich, die er als drittes Habilitationsverfahren in Berlin konzipiert. Dabei steht die „luwische Frage“ erneut zur Untersuchung an. Ohne dass in den nächsten Jahren Ergebnisse dieser Bemühungen veröffentlicht werden, hat Forrer im Frühsommer 1923 offenbar einen vielversprechenden Einstieg in die Inschriften gefunden. Er schreibt an Frank:142 „Wenn man sich vom Wesen der Schrift, die eine Bilderschrift ist und sich somit in erster Linie an das Auge des Betrachters richtet, leiten lässt, kommt man zu ersten brauchbaren Ergebnissen. Es gilt nun nach Stereotypen und Parallelen zwischen der bildlichen Darstellung und den beigegebenen Schriftzeichen zu suchen. Ergänzend hierzu muss man formularhafte Texte heranziehen, deren Struktur durchsichtig und bekannt sind. Ich habe da einige Textgattungen ins Auge gefasst, werde mich aber im Sommer erst damit auseinandersetzen können.“
Ob Forrer hier bereits die Fluchformeln als Vorbild für stereotype Textformulare im Auge hatte, die er später so meisterlich auswerten sollte, ist dem Material leider nicht zu entnehmen. Die oft bezweifelte Andeutung Forrers, dass ihm der größte Teil seiner Entzifferungen im Sommer 1923 gelungen sei, die er aber erst 1932 in seinem Buch „Die Hethitische Bilderschrift“143 vorlegte, gewinnt angesichts des Nachlassmaterials eine neue Qualität. Da aber Forrer mit seinen Habilitationsversuchen, seinen finanziellen Schwierigkeiten, der Geburt seines ersten Sohnes, dem Bau des Hauses und seinen sonstigen wissenschaftlichen Aktivitäten sehr eingespannt war, erscheint es durchaus möglich, dass ihm schlicht die Zeit und Ruhe fehlte, diesen Fragen früher und konsequenter nachzugehen und zu publizieren.
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Brief vom 2. Juni 1923. E. Forrer, Die Hethitische Bilderschrift, Chicago 1932. Zweifel an der Richtigkeit der frühen Entzifferung im Jahre 1923 äußert u.a. A. Kammenhuber, Handbuch der Orientalistik, 1. Abt. II. Bd. 1. und 2. Abschnitt Hethitisch, Palaisch, Luwisch und Hieroglyphenluwisch, 1969, p. 152.
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Das Haus in Erkner und der erste Nachwuchs Im Jahre 1922 erwirbt Emil Forrer im Berliner Umland, in der Gemeinde Erkner, einen kleine Parzelle Bauland im Rahmen eines Siedlungsprojektes. Das Wohnbauprojekt, das kleine Einfamilienhäuser mit einem Gartenanteil vorsieht, fasziniert Forrer, auch wenn ihm die Gesamtfinanzierung des Hauses schwer fällt und einige Mühen kostet. Zum einen fließt sein Honorar, das er von der Deutschen Orientgesellschaft für die Erstellung von KBo IV erhalten hat, in den Grundstückskauf, ebenso ein privates Darlehen, das ihm Freunde großzügigerweise zur Verfügung stellen. Ein größerer Teil der Kosten wird dadurch aufgefangen, dass Forrer einige Leistungen in Eigenarbeit erbringt. Es entsteht ein kleines, aber sehr ansehnliches Eigenheim, in das Forrer einzieht. Die Adresse lautet nach der Fertigstellung, Semnonenring 47 in Erkner bei Berlin.144 Forrer hat zwar von nun an weitere Wege zu den zentralen wissenschaftlichen Einrichtungen in Berlin, dafür aber eine neues und größeres Zuhause für sich und seine Familie, die Nachwuchs erwartet. Darüber hinaus erfordern seine Dienstverpflichtungen keine tägliche Anwesenheit an der Berliner Universität. Sein Sohn, Wolfgang, wird am 30. Juli 1922 geboren und Emil Forrer zum ersten Male Vater. So groß die Freude über den Sohn auch ist, ihn drückt natürlich immer wieder seine berufliche wie auch seine finanzielle Situation, die zu diesem Zeitpunkt auch wenig konkrete Perspektiven bietet. Forrer finanziert sich durch Zuwendungen seines Vaters und durch finanzielle Beihilfen wie Stipendien, die ihm die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft halbjährlich gewährt. Die Familie muss zwar nicht hungern, davon ist sie weit entfernt, aber sie lebt ständig in der Ungewissheit, wie es dauerhaft und perspektivisch weitergehen wird. Diese Misere, die kein Ende zu nehmen scheint, solange nicht eine erfolgreich abgeschlossene Habilitation vorliegt, bedrückt Forrer. Immer wieder denkt er darüber nach, die Wissenschaft an den Nagel zu hängen und einen Berufswechel in Betracht zu ziehen, ohne dass die nachgelassenen Dokumente konkrete Alternativen nennen. Mitunter helfen Freunde finanziell aus, um die auftretenden finanziellen Engpässe zwischen den Stipendien zu überbrücken und der Familie ein Leben zu ermöglichen. Diese Form der Schuldenaufnahme und der Inanspruchnahme Dritter sind 144
Die Bahnhofssiedlung in Erkner steht heute unter Denkmalschutz und gibt auch nach einigen Umbau- und Restaurierungsarbeiten den ursprünglichen Zustand der Siedlung gut wieder. Die Häuser wiesen ursprünglich alle eine besondere Dachform auf, das sogenannte Tonnendach, das bei fast allen Ein- und Zweifamilienhäusern aufgesetzt wurde.
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Forrer eine große Last. So schreibt er am 15. August 1922 an Eduard Meyer: „Wenn man ein so eingefleischter Wissenschaftler ist, wie ich, tötet es einen bei lebendigem Leibe, dass man von der Wissenschaft lassen soll, um wenigstens nicht zu verhungern. Um letzteres zu verhindern, habe ich vorläufig Schulden gemacht. Aber so kann es auch nimmer lang gehen & dann schlagen die Wellen über einem zusammen – so oder so. “
Die Lage bessert sich auch in den nächsten Jahren nur wenig. Immer wieder sind es Dozentenbeihilfen, Stipendien oder geringe Lehrauftragssaläre, mit denen Forrer sich und die Familie über Wasser zu halten sucht. Seine große Hoffnung ist das dritte Habilitationsverfahren, das ihn in eine abgesicherte berufliche Stellung bringen soll. Seine intensiven Vorstudien zur historisch-geografischen Untersuchung Kleinasiens nehmen ihn sehr in Anspruch. Dann aber tauchen im Rahmen dieser Untersuchungen die Griechen in den Texten auf und auf Forrer kommen – noch ungeahnt – größere Turbulenzen zu. An Forrer entzündet sich „Kardinalfrage“ der frühen Hethitologie.
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Emil Forrer eröffnet mit einer Hypothese über die Erwähnung der Griechen in den hethitischen Texten eine Diskussion, die zum Teil bis heute andauert. Es hebt sich der Vorhang zu einem „Intrigenspiel“, einer Methodikdiskussion, einem „Netzwerk“ von Mitforschern. Auch vernimmt man das Wehklagen über angeblich „verborgene“ Quellen.
Die ersten Gedankenspiele Forrers Am 12. April 1920 arbeitete Forrer – wieder nachts – an historischen Texten und Fragmenten, um sich größere Klarheit über die Geografie des hethitischen Reiches zu verschaffen. Die Karteikarten füllten sich im Schein der funzeligen Arbeitsleuchte an seinem Schreibtisch in Erkner. Die in den Tafeln der Hethiter enthaltenen Hinweise auf Orte und Flüsse, nachbarschaftliche Beziehungen der genannten Regionen sowie vertragliche Regelungen zu Grenzziehungen wurden genau notiert, denn die meisten Hinweise zu den geografischen Angaben waren nur schwer zu lokalisieren. Ein Ländername, der in den Texten auftauchte, ließ Forrer in dieser Nacht aufmerken. Wenige Zeilen weiter im Text fiel wieder ein Name auf, diesmal ein Personenname und Forrers Gedanken begannen nun fieberhaft zu kreisen, seine Anspannung und Konzentration wuchs. Dieser Anklang, diese lautliche Ähnlichkeit, sollte das Zufall sein? Er konnte seine Gedanken noch nicht zu einem stimmigen Bild zusammenfügen – zu unklar noch gingen ihm die Hypothesen durch den Kopf. Es galt zunächst die Gedankenketten ein wenig zu ordnen, Herr der eigenen Überlegungen zu werden. Die Keilschriftzeichen ließen keinen Zweifel zu, es stand eindeutig im Text AΔΔija zu lesen, ebenso der Personenname Alakçandus. Das klang so vertraut, aber konnte es wirklich möglich sein, dass in hethitischen Texten 500 Jahre vor Homer Achäer genannt werden und möglicherweise der griechische Name Aléxandros in den Dokumenten auftaucht? Was Forrer in jener Nacht durch den Kopf ging und er dann wenige Jahre später in gereifterer Form publizierte, sollte die Hethitologie und ihn
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prägen. Es entzündete sich eine Debatte, die auch heute noch in ihren Kernfragen die Wissenschaftler beschäftigt, wenn auch unter anderen Vorzeichen als in den ersten beiden Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts. Werden die Griechen in den hethitischen Texten erwähnt? Und wenn ja, wie ist dies einzuordnen, welches historische und geografische Bild ergibt sich daraus? Noch ziemlich wirr und unscharf zeichneten sich diese Gedanken bereits 1920 vor dem geistigen Auge Forrers ab. Forrer formulierte seine ersten spekulativen Gedanken noch in derselben Nacht, am 12. April 1920, in einem Brief an Eduard Meyer, der, in hastiger Schrift, seine ad-hoc niedergeschriebenen Ideen enthält, die uns heute in die Lage versetzen, nachzuempfinden, wie ihn dieser folgenschwere Gedanke erreichte. Offenbar sah er sich gezwungen, diese Entdeckung – wie schon so oft vorher – seinem vertrauten und geschätzten Lehrer Eduard Meyer mitzuteilen. Man hat den Eindruck, als müsse er sich etwas von der Seele schreiben: „Luvia (oder Lovija) ist Troia. Andere haben schon Troia mit lyk. Tlava verglichen. Tlovija ist ein protohattischer Name. Das Protohattischehatte einen Laut /t/ 145 der nebst /l/ auftaucht (Labarna/Tabarna) . /TL/ wird im Kanisischen durch /l/ im Protohattischen durch /t/ wiedergegeben. Da nun die Lovier in Kizwadna, in Lovia-Troia und in Kilikien auftauchen, so ha146 be ich bereits in meinem Vortrag geschlossen, dass sie ein aufstrebendes Volk waren, das überall im Mittelmeer und am schwarzen Meer sass und Kolonien hatten. Und wenn alle Lovier ihren Namen nach Troia haben, so muss dies ihr Ausgangspunkt, ihre Hauptstadt – wie etwa später Athen – gewesen sein. Dadurch fällt neues Licht auf die Eroberung Troias durch die Griechen !.....
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In einem Brief vom 24. April 1928, der weiter unten ausführlicher behandelt wird, bezichtigt Forrer Bed√ich HroznŸ des Diebstahls geistigen Eigentums hinsichtlich der Tabarna-Labarna Gleichung: „Inzwischen machte ich menschliche Erfahrungen mit Wissenschaftlern, die für mich mitbestimmend wurden. Ich hatte unmittelbar nach der der protohattisch-kanisischen Bilingue und der Tatsache das Δattili nicht hethitisch-kanisisch ist, dies HroznŸ erzählt, ebenso die Gleichung tabarnas=labarnas mit allen Folgerungen, was alles HrzonŸ mir gegenüber eifrig bestritt! Nachher war es als seine allein gefundene Entdeckung zu lesen! Ebenso hatte ich den Text mit dem Gotte Agniç aus den Kisten selbst erst herausgesucht – eben wegen dieses Agniç und auf meinen Tisch gestellt und abgeschrieben. HroznŸ hat ihn sofort veröffentlicht. Gewiss, das sind Kleinigkeiten, die sicher jedem vorkommen & weil ich mich reich genug fühle noch massenhaft Ideen abgeben zu können, habe ich auch nie etwas dazu gesagt. Aber ein erstes Mal macht man halt solche Erfahrungen. Forrer spielt auf die Publikationen von Hrozny, Das hethitische Königspaar Tlabarnaç und Tavannannaç, Journal of the Society of Oriental Research, Bd. 6, 1922, p. 63–73 an. Aus dem Brief wird nicht deutlich, welchen Vortrag Forrer meinte oder wann und wo er diesen gehalten hat.
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Dann Alaksandus (mit u und nicht o!) & Kupanta ilu KAL (Inaras) sind kilikische fürstliche Namen und wohl deutlich indogermanisch verwandt, aber nicht kanisisch. Da im Kanisischen Nom. Part. Aleksandas wäre. Demnach ist Alaksandus ein luv. Name. Ein Verbum alaks- gibt es im Kanisischen auch nicht. Vgl. aber gr. eilexa also auch hier luv. /a/ = gr. /e/. Also ist der Name Aléxandros des Paris (luwisches Alaksandus; griech. volksetymologisch zu Aléxandros). Nach alldem scheint mir, dass die Lovier tatsächlich ganz Griechenland innehatten, vor den Griechen. Eben fällt mir auf, dass noch nachgeprüft werden muss, ob Lovier unter den ägyptischen Seevölkern genannt werden, die man bisher nur falsch liest. Sie werden jetzt verstehen, dass es mich in den Bann zieht und ich an diesem weiterarbeiten möchte, bevor ich mich anderen Dingen widme. Es ist noch nicht auszumachen, welche Folgen all diese neuen Erkenntnisse noch nach sich ziehen. Die Einschätzung der Indogermanischen-Kanisischen Ursprache, die Scheidung des Luvischen von den eigentlichen Bestandteilen des Griechischen, die Stellung des Lydischen, Etruskischen, Lykischen und Elamischen. Die Pelasger-Frage, die Mittelmeerkultur der Lovier ist zu beschreiben, wie ahhija einordnen, dass so stark 147 an Achaia erinnert.
Er legte die Frage aber erst einmal beiseite, denn andere, zunächst wichtigere Aufgaben waren noch zu erledigen. Die erste hethitische Zeichenliste, dieses große Unterfangen, eine umfassende und vollständige Sammlung der hethitischen Keilschriftzeichen herauszubringen, begann in diesem Jahr schärfere Konturen anzunehmen und auch das Habilitationsvorhaben in München nahm noch seine volle Konzentration in Anspruch. Der fiebrige Geist Forrers hatte zu jener Zeit viele Ideen im Kopf, die alle noch der intensiveren Bearbeitung bedurften. Gute vier Jahre und einige Publikationen später waren die Gedanken und Nachforschungen so weit gereift, dass Forrer seine These von der Erwähnung der Griechen in den Bo©azköi-Texten der Öffentlichkeit übergab. Als er 1924148 diese These in zwei kleineren Beiträgen publizierte, ahnte er weder, welche Folgen dies für die hethitologische Diskussion der nächsten Jahre und Jahrzehnte haben würde, noch hat er damit rechnen können, dass diese Publikationen den Beginn einer Auseinandersetzung darstellen würden, die sein ganz persönliches Schicksal in beruflicher Hinsicht zumindest teilweise berühren würde.
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Hervorhebung durch den Verfasser. Vorhomerische Griechen in den Keilschrifttexten von Boghazköi,in: Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft, Bd. 63 (1924), p. 1–22 ; Die Griechen in den Boghazköi-Texten, Orientalistische Literaturzeitung, Bd. 27 (1924), p. 113–118.
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Troia – Zwischen Wissenschaft und Boulevard Spätestens seit der archäologischen Entdeckung der Ruinen Troias durch Heinrich Schliemann149 im Jahre 1871, brach in Deutschland ein nationales Archäologie- und Homerfieber aus. Die Dichtungen Homers über den heldenhaften Kampf der Achäer vor den Toren der kleinasiatischen Stadt Troia um die geraubte Helena gehörten seit der Renaissance zum Bildungskanon der gehobenen Bürgerschichten. Wer etwas auf seine Bildung hielt, kannte die homerischen Dichtungen und die darin geschilderten Helden und Kämpfe. An den deutschen wie den meisten europäischen Gymnasien gehörte die Homerlektüre zum unverzichtbaren Bestandteil des Altgriechischunterrichts. Nachdem Heinrich Schliemann mit seinen Grabungen, auch in herausragend propagandistischer Weise, auf dem Hügel Hissarlik im Nordwesten der Türkei, diese homerischen Dichtungen für die meisten Menschen aus der Fiktion in die Realität holte, kannten weite Teile der Bevölkerungen Europas die Erzählungen um den Kampf zwischen Troia und den vereinigten griechischen Stämmen. Zahlreiche Zeitungsartikel in der Tages- und Wochenpresse, publikumsträchtige Vorträge und Lesungen, ja sogar farbig illustrierte Kinderbücher mit den homerischen Heldensagen sorgten für entsprechende Aufmerksamkeit – ja beinahe Troia-Hysterie. Das Troia-Thema eroberte den Boulevard. Diese populären Zeitungen berichteten in ungewohnt ausführlichem Stil über das einstige Randthema archäologischer Ausgrabungen sowie die homerischen Dichtungen. Dies traf auch in gewisser Weise den Nerv der Zeit, da sowohl in den Gelehrtenauseinandersetzungen als auch in den zahlreichen Literatur- und Debattenzirkeln des Bildungsbürgertums die Rückbesinnung auf die Antike en vogue war. Die Suche nach den geistigen und kulturellen Wurzeln Europas war in dieser Zeit ein europaweites Zeitgeistphänomen, das sich über die Literatur hinaus belegen lässt.150 In der Architektur setzte sich diese geistige Strömung im klassizistischen Baustil fort, sogar in der Kunst und in Theatern fand sich das Thema in zahlreichen Gemälden und Inszenierungen wieder. 151 Namen wie Troia, Mykene, Achilleus, Paris, Helena, Hektor waren allgemein geläufig und gerade in den Jahren der Schliemannschen Grabungen ab 1871 in den täglich erscheinenden Gazetten zu lesen. Natürlich gab es lange vorher schon eine 149
*6. Januar 1822 –† 26. Dezember 1890. Siehe hierzu ausführlich Gerd Siegel, Troiarezeption im 20. Jahrhundert in Theater, Literatur und Kunst, in: Troia, Traum und Wirklichkeit, Stuttgart 2001, p. 440– 454. 151 . Siehe hierzu die Beiträge in: Troia, Traum und Wirklichkeit, Stuttgart 2001; 150
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wissenschaftliche Homer-Tradition praktisch über das gesamte Mittelalter hinweg.152 Diese verließ aber nie die begrenzten Kreise der Gelehrten. Das vermochte erst der Troia-Boom, den Schliemann mit der Auffindung des antiken Troia in Gang setzte. Die Auseinandersetzung um die „Griechentexte“ oder die „AΔΔijawaFrage“ in der Hethitologie ist im Kern eine explosive Mélange aus wissenschaftlicher Diskussion um die Autorität weniger Textstellen, verborgenen Macht- und Ränkespielen, bitterbösen Intrigen und verletzten Eitelkeiten der ersten Forschergeneration. Einige Begebenheiten, wie das gescheiterte Wörterbuchprojekt Forrers, die „Vertreibung“ aus seinem Arbeitsraum im Vorderasiatischen Museum153, die zeitlich unmittelbar vor der AΔΔijawaFrage liegen und zu verhärteten Fronten, ja bisweilen Feindschaften führten, setzten sich hier in verhängnisvoller Weise fort und fanden ihren ersten Höhepunkt. Es zeigt sich, dass neben aller Unterschiedlichkeit der wissenschaftlichen Argumente der Beteiligten, die schon genug Anlass zum Streit geboten hätten, ein Stellvertreterkrieg auf zwei Gebieten geführt wurde; zum einen ein aus persönlichen Motiven geführter Schlagabtausch, fußend auf den Rivalitäten und den persönliche Animositäten der Beteiligten, die – wie gesehen – schon zum Teil in das Jahr 1921 zurückreichten. Zum anderem ging es bei dieser Auseinandersetzung auch immer grundsätzlich um die Methodik der jungen Disziplin, insbesondere um die Frage der Aussagekraft von Etymologien für die Deutung historischer Zusammenhänge. Und in der Tat war hier eine grundlegende Methodendiskussion notwendig, da doch bisweilen der bloße etymologische Anklang für manche Gelehrte Fundament genug war, allzu große Gedankengebäude darauf zu bauen.154 Die Verflechtung von beidem führte dazu, dass die AΔΔijawaFrage in Form und Dauer eskalierte und in erster Linie Forrer ins Zentrum der Kritik geriet, obwohl andere Gelehrte sich im Verlauf der Debatte 152
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Siehe, Michael Borgolte, Europas Geschichten und Troia. Der Mythos im Mittelalter, p.190–203; E. Lienert, Ein mittelalterlicher Mythos. Deutsche Troiadichtungen des 12. bis 14. Jahrhunderts, p. 204–211; Horst Brunner. Die in jeder Hinsicht schönste und beste Stadt. Deutsche Troialiteratur des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, p. 212–225, in: TroiaTraum und Wirklichkeit, Stuttgart 2001 Siehe Kapitel 4. Diese eher halbwissenschaftliche Methodik half u.a. B. HroznŸ bei der Erschließung des Hethitischen und führte auch zum Teil zu richtigen Ergebnissen. Was für die Anfänge der Erforschung noch ein „licet“ verdiente, erwies sich aber schon rasch als Irrweg. Zum Teil waren kühne Thesen an bloße Wortgleichungen geknüpft worden, die zu äußerst spekulativen Ergebnissen führten. Ferdinand Sommer wandte sich in seinen Publikationen schon früh sehr gegen diese Methodik, z.B. in Orientalistische Literaturzeitung, Bd. 24, 1921, 314–317 (Rez. zu HroznŸ, 1920, Boghazköi-Studien, Bd.. 5/3, Leipzig, Über die Völker und Sprachen des alten Chatti-Landes).
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weitaus intensiver und spekulativer an der Diskussion beteiligten.155 Da diese Auseinandersetzung in ihren Auswirkungen sowohl in wissenschaftshistorischer als auch in psychologischer Hinsicht wichtig für das Verständis Forrers als Hethitologe und Mensch ist, erscheint es mir notwendig, trotz der bereits umfangreich existierenden Literatur, die Hauptargumente und die wichtigsten chronologischen Stationen der damaligen Debatte kursorisch nachzuzeichnen. Nur so ist es möglich, Forrers Innenansichten, die das Nachlassmaterial uns heute bietet, entsprechend zuzuordnen und die überaus interessanten Hintergründe, die einen Teil der Ursachen dieser scharfen Diskussion zu Tage bringen, teilweise aufzuklären.
AΔΔijawa – eine Aufführung in drei Akten
1924 – Erster Akt – Die Ouvertüre. Forrer veröffentlicht die Griechenhypothese Forrer156 sah in dem hethitisch bezeugten AΔΔijawa, das damals nur in wenigen unpublizierten Texten belegt war, die keilschriftliche Wiedergabe einer Landesbezeichnung, die bei Homer Achaia heißt. Da der sprachliche Anschluss zu heth. AΔΔija(wa) nicht direkt zu leisten war, nahm Forrer eine nicht belegte frühgriechische Zwischenform *Achaiwa157 an. Das intervokalische /w/158 schwindet seiner Argumentation nach in dieser Position und es ergibt dann das homerische Achaia. Innerhalb dieser wenigen Dokumente des hethitischen Textmaterials fanden sich neben AΔΔijawa auch auffällige Personennamen wie Tawaglawa, Attar(ri)çija und Antarawa, die nach Forrer ebenfalls die keilschriftliche Wiedergabe der Namen homerischer Helden darstellen sollten; nämlich Eteokles, Atreus und Andreus. Hinzu kamen noch Bezeichnungen wie z.B. hethitisch ayawala = griechisch ai(w)olos, „Äolier“ oder hethitisch lazpa = griechisch lesbos. In seinem ersten Beitrag in den Mitteilungen der Deutschen Orientgesell-
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Hier ist vor allem Paul Kretschmer zu nennen. Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft, Bd.63, 1924, p. 1–22. In der wissenschaftlichen Notation werden rekonstruierte und daher nicht bezeugte Worte, die die Zwischenstufe einer Entwicklung oder den Ursprung eines Wortes verdeutlichen sollen, mit einem * gekennzeichnet. In der Gräzistik gewöhnlich als Digamma bezeichnet.
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schaft Band 63 legte Forrer auch die Argumentation vor, dass der hethitisch bezeugte Ortsname Taruiça mit Troia identisch sei. Anhand dieser Eigennamen, die auf unsicheren etymologischen Gleichungen fußen, skizzierte er ein vorhomerisches griechisch-mykenisches Großreich, das sich vom griechischen Festland bis nach Kleinasien erstreckte und dessen Herrscher den hethitischen Königen gleichrangig waren. Das Zentrum dieses Reiches verlegte er außerhalb Kleinasiens und vermutete es zuerst in Böotien (Orchomenos), später aber sei das Zentrum dieses Reiches nach Mykene verlegt worden. Dieses Reich habe auch Kolonien in Kleinasien gehabt, die in Pamphylien zu lokalisieren seien, daher kämen Berührungspunkte zu den Großreichshethitern und die schriftliche Erwähnung in den Texten. Insbesondere in dem hethitischen Wort Ahhija(wa) sah er das Land der Achäer, das wir aus den homerischen Epen ja bestens kennen. Soweit zunächst die Forrersche These bis 1924. AΔΔijawa wurde das markante Schlagwort, mit der eine sehr viel tiefergehende Diskussion um die Geografie des Hethiterreiches, im besonderen die Methodologie der jungen Disziplin, plakativ bezeichnet wurde. Wie S. Heinhold-Krahmer aufzeigt,159 bettet sich diese Diskussion in eine ältere Auseinandersetzung ein, die zumindest 1924 noch eine gewisse Rolle spielte. Im 19. Jahrhundert wurde der Versuch unternommen, in ägyptischen Quellen Hinweise zu finden, die sich auf die älteste Geschichte Griechenlands beziehen ließen. In den ägyptischen Fremdländerlisten des Neuen Reiches werden u.a aqai(ja)wasa genannt, in denen der französische Forscher E. de Rougé160 die homerischen Achäer sehen wollte. Eben diese „Question Achéenne“ spielte noch eine gewisse Rolle, als Forrer seine „Griechenhypothese“ veröffentlichte. Sein Lehrer Eduard Meyer war seinerzeit an dieser Diskussion beteiligt, hatte sich mehrfach dazu geäußert und 1888 den Thesen von de Rougé eine Absage erteilt. Die Reaktionen auf Forrers Aufsätze waren zunächst positiv161, meist allerdings von Gelehrten aus benachbarten Disziplinen, die ganz ohne eigene Keilschriftkenntnisse die Situation selbst kaum beurteilen konnten. Man übernahm das von Forrer Vorgetragene quasi als gesicherte Erkenntnis, beinahe als communis opinio. Und warum auch zweifeln? Aufgrund seiner bisherigen Veröffentlichungen und seiner wissenschaftlichen Vita 159 160
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S. Heinhold-Krahmer, Ahhiyawa – Land der homerischen Achäer im Krieg mit Wiluça , in: Ch. Ulf (Ed.), Der neue Streit um Troia, 2003, 197. Siehe S. Heinhold-Krahmer in: Ch. Ulf (Ed.), Der neue Streit um Troia, 2003, p. 197 mit Anm. 13 und mit Hinweis auf E. de Rougé, Revue Archéologique (NF), Bd. 16, 1867, 95f. Siehe dazu bereits G. Steiner, Saeculum, Bd. 15/4, 1964, p. 365 sowie S. Heinhold Krahmer, Archív Orientálni, Bd. 67, 1999, p. 568. Gegen Forrer bereits C.F. Lehmann-Haupt, Klio, Bd. 19 (1925), p. 243ff.
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galt Forrer gemeinhin als der beste Kenner der Materie.162 Wenn jemand die Texte aus Bo«azköi in ihrer Gänze am besten beurteilen konnte, dann stand Forrer in diesem Ruf. Warum also nicht seiner These folgen, die zudem wirklich aufsehenerregend und auch durchaus im Rahmen des historischen Kontextes möglich war? Interessant ist im Übrigen, dass Albrecht Götze, zu diesem Zeitpunkt ein junger Hethitologe der ersten Generation, mit auffallender zeitlicher Koinzidenz ebenfalls auf die Gleichung heth. AΔΔijawa und griech. Achaioi kam und zwar, wie die Fachliteratur versichert, unabhängig von Forrer.163 Das Nachlassmaterial enthält eine sehr aufschlussreiche Postkarte von Götze an Forrer, die in diesem Zusammenhang Interessantes zu bieten hat. Diese Karte trägt das Datum 22. März 1924 und behandelt einige Anfragen Götzes zu den Texten des AΔΔijawa-Komplexes. Sie schließt mit dem bemerkenswerten Satz „Die Griechen stehen natürlich sicher.164” Dies erstaunt vor dem Hintergrund, dass Götze diesbezüglich seine Meinung grundlegend änderte und nur wenig später ein scharfzüngiger Gegner Forrers in der „Griechenfrage“ wurde.
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Obwohl diese Redewendung von Forrer selbst nie öffentlich verwendet wurde, durchaus aber in gewissen Formulierungen von ihm gewollt dieser Eindruck anklang (siehe Kapitel 4), wurde ihm dies in späteren Rezensionen oftmals mit einem bissigen Unterton vorgehalten. Ein prägnantes und der Realität in keiner Weise angemessenes Urteil bietet dazu J. Friedrich in der Festschrift für Wilhelm Streitberg, 1924, p. 313: „Hrozny als der geniale Pfadfinder und Sommer als der strenge Methodiker sind gewissermaßen die beiden Pole der hethitischen Sprachforschung. Wenn ich neben ihnen andere Namen nicht nenne, so geschieht dies nur, weil sonst niemand Werke von ausschlaggebender Bedeutung für die hethitische Sprachforschung veröffentlicht hat.“ Und zu Forrer bemerkt Friedrich in Fußnote 5: „So hat auch Forrer, der das gesamte Textmaterial philologisch am besten zu überblicken scheint, bisher nur Abhandlungen allgemeiner Art veröffentlicht, die für die Sprachwissenschaft und insbesondere für die Indogermanistik keine Bedeutung haben.“ Dass Forrer durchaus als gewichtige Forscherpersönlichkeit wahrgenommen wurde, zeigt ein Brief von Alfred Jeremias an Oswald Spengler vom 14. Juli 1925, in welchem dieser berichtet, dass Kaiser Wilhelm II. in Doorn einer versammelten Runde von Forschern einen Brief Forrers vorlas. Siehe Anton Koktanek, Oswald Spengler, Briefe 1913-36,1963, p. 402. Diesen Hinweis verdanke ich Peter Raulwing. A. Götze, 1924, Kleinasien zur Hethiterzeit, p. 26, Anm. 3. Siehe auch Dokument 13 der CD-ROM.
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Abb. 5 Postkarte Götzes an Forrer vom 22. März 1924
Von hethitologischer Seite blieben zunächst zeitnahe Stellungnahmen zur Griechenfrage aus und dies aus einem banalen Grund. Forrer hatte in seinen Arbeiten in Aussicht gestellt, dass er seine Griechenhypothese und die
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dazu gehörenden Texte alsbald in einem „Griechenbuch“ ausführlicher behandeln und vorlegen wollte. Und so haben verständlicherweise alle an der Diskussion interessierten Gelehrten auf diese umfangreichere Publikation gewartet, da dort ja auch das hethitische Textmaterial veröffentlicht werden sollte, das den meisten – wie Sommer, Götze und Friedrich stets versicherten – bis dato ja nicht zugänglich war. Die „offizielle“ Hethitologie schwieg also, als ein weiterer Protagonist, der bald sehr hitzigen Debatte, noch 1924 den Ring betrat – Paul Kretschmer. Ab 1925 schaltete sich dann ein weiterer junger Indogermanist, Johannes Friedrich, in die Diskussion ein. Im Jahre 1925165 äußerte sich Götze erstmals kritisch zu Forrers geografischen Ansätzen, eine umfassendere Auseinandersetzung mit der Griechenhypothese blieb allerdings aus. Auch J. Friedrich beteiligte sich 1925166 unter dem Titel Die Hethiter und das klassische Altertum erstmals an der „Griechenfrage“. In diesem kleinen Beitrag findet sich, wenn auch vorsichtig in der Wortwahl, Übereinstimmung mit Forrer. So heißt es auf Seite 66: „Es spricht also manches dafür, dass dieses Kernland von AΔΔijawa in Griechenland zu suchen ist.“ Und wenige Zeilen weiter, nach der Aufzählung der besagten Eigennamen, kommt Friedrich zu dem Ergebnis: „obwohl nun griechische Namen in der unbeholfenen Keilschrift ein etwas fremdartiges Aussehen haben müssen, möchte ich der dritten Gleichung (gemeint ist Tawagalawas: Eteokles) gegenüber noch vorsichtig zurückhaltend sein, wenn ich sie auch nicht für ganz unmöglich halte. Dagegen stimme ich Forrer hinsichtlich der ersten beiden Gleichungen durchaus zu.“ In seiner Zusammenfassung (Seite 68) schließt Friedrich dann „so ist doch die Erwähnung von Griechen überhaupt in den Boghazköitexten über jeden Zweifel erhaben.“ 1926 erschien der Editionsband KUB XIV und somit die Veröffentlichtung der beiden wichtigsten Texte dieser „Gretchenfrage“. Als KUB XIV 1 wurde der Madduwatta-Text ediert und als KUB XIV 3 der Tawagalawa-Brief. Wie Götze dann aber interessanterweise im Vorwort schreibt, hat er bereits 1924 in Berlin Einblick in das dort lagernde und unveröffentlichte Material genommen und sogar im Frühjahr 1925 Autographien auch von den beiden wichtigsten Griechentexten erstellt. Von „verschlossenen Quellen“ kann somit keine Rede sein. Dies untermauert auch die Korrespondenz zwischen Forrer und Götze. Nachdem Götze sich bei Forrer in einem Brief vom 7. Oktober 1923 darüber beklagte, dass wichtige historische Texte bisher nicht erschienen und 165 166
Zeitschrift für Assyriologie, Bd. 36 (NF 2), 1925, p. 305–308, Die Lage von Kizwatnas. J. Friedrich in : Das humanistische Gymnasium, 36. Jahrgang, 1925, p. 57–68.
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somit nicht zugänglich seien, in Forrers Publikationen aber Verwertung finden, schreibt er schließlich am 8. Juni 1925 an Forrer den nachfolgenden Brief, nachdem er 1924(!) einen längeren Studienaufenthalt im Berliner Museum absolviert hatte, um die Edition von KUB XIV vorzubereiten und auch Vorstudien zu seiner späteren Maduwattas-Bearbeitung zu beginnen. Der Bruch und wohl die persönliche Abneigung – vielleicht sogar Feindschaft in jenen Jahren – hat hier ihren Ursprung. Ab 1926 ist dann auch eine deutlich polemischere Diktion in Götzes Auseinandersetzung mit Forrer festzustellen, wobei Forrer ihm nichts schuldig blieb. Götze schlug seinerzeit ein Treffen mit Forrer in Berlin für das Jahr 1924 vor, da er dort einen Studienaufenthalt im Museum plante, um u.a. die Herausgabe der einschlägigen „Griechentexte“ vorzubereiten. Da Forrer bekanntlich seit Jahren an dem Material arbeitete, sollte ein kollegialer wissenschaftlicher Austausch über das Material erfolgen und auf eventuelle Vorarbeiten Forrers eingegangen werden. Zur Überraschung Götzes wich Forrer dem Treffen aus. Bei der Arbeit an den Tafeln selbst musste Götze feststellen, dass Forrer offenbar alle von ihm gemachten Fortschritte nicht nur für sich beanspruchte, sondern sogar stillschweigend über Dritte an die Arbeitsergebnisse von Mitforschern kommen wollte – ja sogar eigene Joins wieder auseinandergepuzzelt hatte. Der folgende Brief zeigt die entsprechende Reaktion Götzes darauf:167 „Sehr geehrter Herr Forrer! Sie haben Herrn Walther gegenüber den Wunsch ausgesprochen, die von mir ausgewählten Tontafeln und die von mir gemachten Joins kennen zu lernen. Ich meine, der gegebene Weg dazu wäre gewesen, mich persönlich darum zu bitten. Während meines Berliner Aufenthaltes wäre reichlich Gelegenheit dazu gewesen. So haben Sie sich stillschweigend meiner Ergebnisse bemächtigt. Im Allgemeinen hätte ich nichts dagegen einzuwenden; denn ich arbeite nicht für mich, sondern für die Wissenschaft. Darum habe ich es auch für eine Selbstverständlichkeit erachtet, dem Museum eine Liste der von mir kopierten Tafel mit kurzen Bemerkungen über den Inhalt zu überreichen und ihm auch weiter alle von mir gemachten Tafelverbindungen mitzuteilen. Ihnen gegenüber muss ich jedoch Wert darauf legen, dass meine Priorität, auf die es mir sonst nicht ankommt, gewahrt bleibt. Denn Sie gerade haben sich auf den Standpunkt gestellt, dass die von Ihnen gelesenen und verbundenen Tafeln Ihr persönliches geistiges Eigentum seien. Das haben Sie nicht nur der Museumsverwaltung gegenüber wiederholt eindeutig ausgesprochen, sondern auch dadurch dokumentiert, dass Spuren Ihrer nunmehr jahrelangen Tätigkeit an den Tafeln nirgends mehr zu sehen sind. Wenn Sie behaupten, ich hätte von Ihrer Tafelauswahl Nutzen gehabt, so kann das nur in ganz geringem Maße zutreffen. Ich stelle hiermit fest, dass ich durch Sie nur die in Ihren 167
Götze hat in der Orientalistischen Literaturzeitung, Bd. 33, 1930, p. 292 Fn. 2 dies auch in verkürzter Form publiziert.
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Die AΔΔijawa-Frage und die Geografie des Hethiterreiches Aufsätzen genannten Nummern kenne, sowie etwa 15 kleinere Stücke, die ich von Ihnen zurückfordern ließ, damit ich sie überhaupt zu sehen bekomme. Davon hatte ich einen Teil bereits im vorigen Herbst notiert. Ich habe mich geflissentlich von Ihnen ferngehalten, da ich jeden Anlass vermeiden wollte, etwas Konkreteres von Ihnen zu erfahren; denn ich musste befürchten, dass Sie mir das später vorhalten würden. Ich fordere Sie also auf, überall dort, wo Sie sich in der Öffentlichkeit meiner Zusammenfügungen bedienen, auch meinen Namen zu nennen. Ich weiss bestimmt, dass davon mindestens einige vor mir von Ihnen nicht gemacht worden sind. Das Museum habe ich von diesem Brief in Kenntnis gesetzt. Hochachtungsvoll“
Im Jahre 1926 erschien dann Götzes Madduwattas-Bearbeitung,168 die nach der Publikation der Keilschriftautographien in KUB XIV nun die ausführliche Grundlage für die philologische Behandlung des Materials bot. Meist griff Götze dabei Forrer vom Standpunkt der geografischen Rekonstruktionen aus an, wobei ihm bisweilen auch Forrers Übersetzungen Anlass zu bissigen Bemerkungen boten. Götze lokalisierte in seinen Arbeiten169 AΔΔijawa im Inneren des nord-westlichen Kleinasien und lehnte jede Beziehung zu den Achäern ab, vielmehr vermutete er einen kleinasiatischen Festlandstaat.170 Auch die Identität von AΔΔia und AΔΔijawa negierte Götze. Aufgrund des Briefes und auch der Art der Würdigung von Forrers Übersetzung ist aber festzustellen, dass hier der Bruch zwischen beiden Forschern bereits vollzogen war und eine auch auf der persönlichen Ebene gehaltene Auseinandersetzung wahrscheinlich machte. Am 1. Oktober 1926 reihte sich auch Johannes Friedrich mit seinem Vortrag171 auf dem Deutschen Orientalistentag in Hamburg vollends in die Reihe der Kritiker von Seiten der Hethitologie ein. Die Lektüre dieses Aufsatzes ist sehr interessant, da Friedrich auf die Beantwortung seiner im Titel formulierten Frage zu dem rundherum negativen Ergebnis kommt, dass ihm „Forrers Griechenhypothese in der Hauptsache verfehlt erscheint; einige seiner griechisch-hethitischen Glei168 169
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Mitteilungen der Vorderasiatisch-Aegyptischen Gesellschaft, Bd. 32, 1927, Madduwattaç. Kleinasiatische Forschungen, Bd. 1.2 (1927) 1930, p. 108ff sowie in einer Reihe von weiteren Rezensionartikeln zu Forrer: Orientalistische Literaturzeitung, Bd. 30, 1927, p. 568–570, Indogermanische Forschungen, Bd. 44, 1927, p. 359–361. Siehe hierzu auch F. Schachermeyr, Hethiter und Achäer, 1935, p. 23 Dieser Vortrag wurde später in Kleinasiatische Forschungen, Bd. 1/1 1927 87–107 unter dem Titel „Werden in den hethitischen Keilschrifttexten die Griechen erwähnt?“ publiziert. Darin wird u.a. auch die Forrersche Gleichung lazpa : Lesbos kritisiert, die aber aufgrund der Ausführungen und des Textzusammenschlusses von Ph.H.J. Houwink ten Cate, Jaarbericht van het Vooraziatisch-Egyptisch Genootschap, Bd. 28, 1985, p. 34 heute als sehr wahrscheinlich eingestuft werden kann.
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chungen halte ich für geradezu falsch, andere für mehr oder minder möglich, aber nicht eine für unbedingt sicher.“ Friedrich schrieb Forrer noch im gleichen Monat, am 26. Oktober 1926, einen Brief, der seine Ablehnung zum Thema hatte und auf den Orientalistenkongress verwies. Er unterstrich darin, dass ihm „jegliche Polemik“ fernliege und schließt mit dem Bedauern, dass Forrer selbst nicht auf dem Kongress zugegen war, um seine Argumentation vorzutragen. In der Würdigung der Forrerschen Argumente allerdings, die nach einer ausführlichen Zusammenfassung des Diskussionsgegenstandes dargelegt wird, finden sich wenige überzeugende Schlussfolgerungen, die zur oben zitierten umfänglichen Ablehnung der Forrerschen Gleichungen taugen; im Gegenteil, so heißt es z.B. zu heth. Antarawaç = gr. Andreus bei Friedrich „lautlich wohl möglich“. Bei anderen lautlichen Gleichungen heißt es schlicht nur, dass er, also Friedrich, diese nicht für „glaubhaft“ halte. Wirklich „harte Fakten“ als Basis seiner Gegenargumente fehlen in der gesamten Argumentation, vieles ist ebenfalls vorsichtig spekulierend. Die nun vorgebrachten Argumente stehen auch im deutlichen Widerspruch zu den nur knapp ein Jahr zuvor in der Zeitschrift Das Humanistische Gymnasium dargelegten Einschätzungen. Wie aber ist dieser Überzeugungswechsel zu motivieren, denn es gab keine durch Neufunde erweiterte textliche Grundlage, die dies zwingend geboten hätte? Auch sind in diesem einen Jahr nicht grundlegend neue Argumente vorgebracht worden. Friedrich zog eben jene sprachlichen Gleichungen Forrers heran, die ihn zuvor noch zu dem Ergebnis brachten, die Erwähnung der Griechen „sei über jeden Zweifel erhaben.“ Der erhaltene Briefwechsel zwischen Forrer und Friedrich ist trotz sehr unterschiedlicher Auffassung und scharfer Auseinandersetzung in der Sache dennoch, wie gezeigt, meist von kollegialem Stil geprägt. In dem schon erwähnten Brief an Eduard Meyer vom 24. April 1928 fällt auf, dass bei den Vorwürfen Forrers an seine Fachkollegen Friedrich wohlwollender beurteilt wird als z. B. Götze, obwohl er mit beiden ein scharfe Auseinandersetzung führte, die zuweilen in Wortwahl und Stil den wissenschaftlichen vertretbaren Rahmen sprengte: „..in gleicher Weise ist kein einziges Wort in Götzes Randnoten etc. richtig; aber seine anschwärzende Wirkung hat Götze nicht verfehlt. Es macht mich traurig, dass Sie zu irgendwelchen Darlegungen Götzes (oder Friedrichs, letzterer immerhin vertrauenswürdiger) mehr Vertrauen haben als zu meinen, obwohl er als Philologe höchstens als Durchschnittsgelehrter und als Historiker minderwertig ist, von seinen menschlichen Qualitäten, die bei Kritikern ja sehr wesentlich sind, ganz zu schweigen.“
Noch 1926 erscheint Forrers Band 2, 2. Heft der Boghazköi-Texte in Umschrift (BoTU 2.2) sowie im Selbstverlag Forrers erster Band seiner For-
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schungen,172 in dem er aber zu den entscheidenden Texten keine Stellung bezog, etwa mit einer umfassenderen Behandlung oder Untermauerung seiner AΔΔijawa-Thesen durch ergänzende Argumente. Die Grenzbeschreibungen des umfangreichen Textes KBo IV 10 unterzieht er einer ausführlichen Bearbeitung, vor allem im Hinblick auf seine geografische Rekonstruktion zu den Arzawa-Ländern, die Forrer in Kilikien sucht. In manchen seiner philologischen Interpretationen und Lesungen geht Forrer sehr spekulativ vor und trägt diese Ergebnisse oft in apodiktischer Weise vor, so dass er allein schon dadurch Widerspruch geradezu provoziert. Auffallend ist auch, dass vor allem seine eigenwilligen Umschriften sich doch erheblich von denen seiner Mitforscher unterscheiden. Gegen dieses Umschriftsystem sowie gegen die geografischen Annahmen Forrers wendet sich Götze173 jetzt in deutlicherer Form als noch bei Besprechungen früherer Forrerscher Arbeiten. Auch hier ist ein Umschwenken in der Position von „die Griechen stehen natürlich sicher“ bis zur polemischen Gegnerschaft gegen die Gleichung Ahhija = Achaia innerhalb von nur zwei Jahren erkennbar – ohne dass eine erweiterte Materialbasis dies notwendig werden ließ.
1927–1932 – Der zweite Akt – Mit „Trommel und Cinelli“ In den Jahren 1927 bis 1932 erfolgte dann der große Schlagabtausch zwischen Forrer auf der einen sowie Sommer, Götze und Friedrich auf der anderen Seite. Unter der Herausgeberschaft von Hans Ehelolf und Ferdinand Sommer erschien die Zeitschrift Kleinasiatische Forschungen. Die meisten darin veröffentlichten Artikel wurden 1927 verfasst, wurden aber aufgrund von Verzögerungen bei der Publikation erst 1930 veröffentlicht. Während Forrer und Götze sich neben der sprachlichen Auseinandersetzung eben auch eine leidenschaftliche Debatte um die Geografie des Hethiterreiches lieferten, lässt sich für Sommer und Friedrich feststellen, dass beide auffallenderweise auf eine Würdigung der Lokalisierungsversuche Forrers hinsichtlich der zu Arzawa zu zählenden Länder, des ˆulajaFlusslandes sowie AΔΔijawa verzichteten.174 Sie unterließen ebenso eine historisch-geografisch orientierte Debatte. Für beide Forscher standen die philologisch-sprachwissenschaftlichen Überlegungen im Vordergrund. Neben der Hauptfrage, ob man AΔΔijawa nun auf dem griechischen Festland oder 172 173 174
Forrer Forschungen 1. Bd. 1. Heft, Die Arzaova-Länder, Erkner 1926. Indogermanische Forschungen, Bd. 44, 1927, p. 359–361. Siehe dazu S. Heinhold-Krahmer, Die Ahhijawa-Frage, (demnächst)
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im Nordwesten Kleinasiens ansetzen solle, hätte es zu den vielen Detailvorschlägen durchaus Ansatzpunkte für Sommer und Friedrich zur kritischen Betrachtung gegeben, da eine Reihe von Lokalisierungsversuchen Forrers schlicht falsch waren. An der schon recht hitzigen Debatte beteiligten sich die wichtigsten hethitologisch orientierten Protagonisten und veröffentlichten AΔΔijawarelevante Beiträge, die in Sprache und Stil mit dem andersdenkenden Mitforscher eine neue Qualität gewannen. Insbesondere in den Beiträgen zu heth. çakija(Δ)-175, das Forrer in der Bedeutung „verfinstern“ sehen wollte, Friedrich und Götze als „ein Omenzeichen gebend“, eskalierte die Auseinandersetzung zwischen Forrer und Götze. Forrers Beitrag spitze sich am Ende seiner Ausführungen in einer sehr persönlichen Polemik gegen Götze zu und gipfelte in Aussagen wie „die oft ganz primitiven grammatischen Fehler, die Götze macht...“ oder „Götze ist der letzte, der überhaupt zu einem derartigen Urteil berechtigt wäre...“ um dann abschließend die kritischen Anmerkungen Götzes insgesamt als „haltloses Gerede“ zu bezeichnen.176 175
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E. Forrer, Kleinasiatische Forschungen, Bd. 1.2, 1930, p. 272–285; A. Götze, op. Cit., p. 401–413. Zur Bedeutung von heth. çakijaΔΔ- siehe Chicago Hittite Dictionary. Vol. S, Fasc. 1, sub çakiyaΔΔ-, Chicago, 2002, p. 42f. Betrachtet man die Auseinandersetzung um die Bedeutung aus heutiger Sicht, so kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass die bereits verhärteten Fronten und die längst erfolgten Verletzungen der persönlichen Eitelkeiten zu dieser Eskalation beigetragen haben. Natürlich haben Friedrich und Götze die linguistisch stichhaltigeren Argumente auf ihrer Seite und es liegt ein Denominativum zu heth çagai- „Omen, Omenzeichen“ zugrunde. Die Grundbedeutung „ein Omenzeichen geben“ anzusetzen, erfordert allein schon die wissenschaftliche Sorgfalt. Es ist auch nur mit Forrers außerordentlicher Halsstarrigkeit zu erklären, dies zurückzuweisen und stattdessen auf den Bedeutungsansatz „verfinstern“ zu beharren sowie derart polemisch zu verteidigen. Er hätte sich leichter getan, wenn er als Grundbedeutung „ein Omenzeichen geben“ akzeptiert hätte, um dann die inhaltliche Frage anzuschließen, was anderes als eine Sonnenfinsternis gemeint sein könne, wenn die Sonne „ein Omenzeichen gibt“. Vielleicht wäre damit schon viel an Schärfe aus der Diskussion genommen worden. E. Forrer, Kleinasiatische Forschungen, Bd. 1.2, 1930, p. 284f. Forrer hebt dabei auf eine bissige Bemerkung Götzes in der Orientalistischen Literatirzeitung Bd. 30, 1927, p. 568 ab, wo Götze sich zu der herabwürdigenden Einschätzung veranlasst sah, Forrer sei nicht „der Mann, der die Geduld zu zeitraubenden lexikalischen und grammatischen Untersuchungen hat.“ Die nicht minder unwürdige Antwort Forrers darauf wirkt peinlich überzogen, indem er Götze deatilliert vorrechnet, wieviele Karteikarten seine umfangreichen Zettelkataloge haben (insgesamt gibt Forrer 35.350 Karteikarten mit der Angabe von 106.000 Textstellen vor). Es passt zum psychologischen Gesamtbild Forrers, das man aus der gesamten Korrespondenz jener Jahre gewinnt, hier herablassend und beleidigend als das von allen verkannte und fehlgeschätzte Genie zu reagieren. Sicherlich hat seine dauerhaft ungeklärte berufliche Situation sowie seine nun schon seit Jahren angespannte finanzielle Si-
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Im Vorfeld der Publikation kam es – natürlich möchte man meinen – zu einer Konfrontation zwischen den Herausgebern H. Ehelolf und F. Sommer sowie Forrer hinsichtlich der Transkriptionen der hethitischen Texte. Forrer weigerte sich, seine Umschriften denen der anderen im Zeitschriftenband publizierenden Hethitologen anzupassen. Die Eskalation ging soweit, dass Forrer sogar drohte, seine Beiträge zurückzuziehen, so dass Ehelolf und Sommer schließlich nachgaben und die Beiträge abdruckten.177 Den Fortschritt, den die Hethitologie gerade auch bei den Umschriften der hethitischen Texte gemachte hatte, wurde von Forrer nicht mit vollzogen, sondern im Gegenteil, Forrer war davon überzeugt, dass in diesem Punkte alle anderen irrten. Er plante dies in einer umfangreichen Arbeit, die aber meines Wissens nicht erschienen ist, detailliert nachzuweisen.178 In einem langen und im Tone der Rechtfertigung gehaltenen Brief Forrers an Eduard Meyer vom 24. April 1928179 legt Forrer seine Ansichten zu dem Streit dar: _____________
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tuation zu dieser Form der Rechtfertigung beigetragen. Allerdings bewirkte gerade diese Form der „Selbsterhebung“ nicht gerade symphatische Anteilnahme im Fachkollegenkreis. Hier hat Forrer sich einen „Bärendienst“ erwiesen. Siehe dazu Kleinasiatische Forschungen, Bd. I.2, 1930, p. 253 Fn.1 Dort heißt es: „Forrer hat in den folgenden beiden Aufsätzen die von ihm gewählte Umschreibung des Hethitischen angewendet und unseren Wunsch, sie der unter den Hethitologen üblichen anzupassen, folgendermaßen beantwortet: Betreffs meines Griechenaufsatzes (sc. bestätige ich), daß ich mich in dem Falle, daß Sie betreffs der Transskriptionen keine Ausnahme machen wollen, genötigt sehe, ihn zurückzuziehen. Da wir bisher über die Transskription keine redaktionellen Anweisungen gegeben hatten, konzedieren wir für diesen ersten und e i n e n Fall eine "Ausnahme". Wir möchten damit jeder Auffassungsmöglichkeit begegnen, als hätten wir aufgrund einer äußerlichen Bedingung die Freiheit der Polemik im Rahmen unserer Zeitschrift beschränken wollen.” Auch dies ist typisch für Forrer. In vielen Briefen an die unterschiedlichsten Adressaten kündigt er Arbeiten zu einer ganzen Reihe von Themen an, die dann aber nicht erscheinen. Dieser Brief ist als Konzept in den Briefunterlagen erhalten. Es ist übersät mit Überschreibungen und Durchstreichungen und insgesamt in einer nur mühsam zu lesenden Handschrift geschrieben. Ob dieser Brief dann später auch mit exakt diesem Inhalt an Meyer abeschickt worden ist, kann nicht nachgewiesen werden. Das Konzept ist aber für die Gedankengänge hinsichtlich der persönlichen Animositäten und Einschätzung der gesamten AΔΔijawa-Diskussion aus der Sicht Forrers ein wichtiger Hinweis. Anlass dieses teils beklagenden – teils anklagenden Briefes scheint ein vorausgegangenes Schreiben Eduard Meyers gewesen zu sein, das leider nicht erhalten ist. Meyer hat offenbar für Götzes Argumentation Partei ergriffen und auch die immer noch ausstehende Veröffentlichung des „Griechenbuches“ angemahnt, denn Forrer schreibt: „Wie geschickt Götzes Anfahrungen sind, wird dadurch bewiesen, dass Sie zu ihm mehr Vertrauen haben, als zu mir, auch wenn sie ganz irreführend sind.“
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„Das nächste Heft wird enthalten (gemeint ist das KlF 1.2 1930): die obige Chronologie (als die notwendige Basis vieler weiterer Arbeiten), den Aufsatz für die Griechen gegen Friedrich (an dessen Abdruck Ehelolf ein halbes Jahr nach Einlieferung die Bedingung geknüpft hat, dass ich meine Umschrift ändere, was für mich eine Ehrensache ist, es nicht zu tun), eine Bemerkung betreffs çakija- & der Sonnenfinsternis (damit Götzes Unsinn nicht um sich greift)...“
und an anderer Stelle heißt es: „Um mit meinen Gedanken fertig zu werden, war ich zu einer gedrängten, abgekürzten Darstellungsart gekommen, die ich in allen bisherigen Büchern benutzt habe & deren „lapidare Art“ (wie F. Sommer sie nannte) vielen direkt unangenehm ist, weil sie selbstständiges Mitdenken erfordert & vielen anderen mindestens verdächtig ist. Durch die Angriffe von Götze, bei denen der Laie nie genau sehen kann, wo eigentlich die Grenze zwischen Sachlichem & Persönlichem ist, ist das Mißtrauen gegen mich wachgerufen und ich bin dadurch genötigt ein langsameres Tempo mit breiter Darstellung der Gründe für jede Einzelheit anzuschlagen. Das hat mich zusammen mit der persönlichen & gehässigen Art seiner sachlich gar nicht gerechtfertigten Angriffe die Arbeit verleidet...“
Sommer hatte zu diesem Zeitpunkt noch immer keine ausführlichen Arbeiten vorgelegt, die sich ausschließlich mit den Thesen Forrers auseinandersetzten, aber wie bereits in Kapitel 4 aufgezeigt, ließ sich aus einer Reihe kleinerer Rezensionen seit 1920 entnehmen, dass er Forrer schon aus grundsätzlicheren Erwägungen im Visier hatte. Bereits 1921 hatte Sommer in der Orientalistischen Literaturzeitung180 einen Seitenhieb gegen Forrer veröffentlicht, als er darauf zu sprechen kam, dass von Seiten HroznŸs und auch Forrers unveröffentliches Textmaterial verwendet wird. Während HroznŸ eher milde kritisiert wurde, hieß es über Forrer schon, dass er „kühne sprachliche und historisch-geografische Hypothesen vorträgt, auf Grund eines Materials, dessen Nachprüfung uns anderen grösstenteils verschlossen ist.“ Hier taucht zum ersten Male aus Sommers Feder das von nun häufig verwendete Argument auf, dass die Texte für die meisten Hethitologen nicht zugänglich und daher Überprüfungen nicht möglich seien. Man glaubt darin auch unterschwellig die Kritik und vielleicht sogar die Mißgunst Sommers zu spüren, dass Forrer den Vorteil der großen Entdeckungen habe, weil er das Textmaterial eben einsehen kann. Wenn andere nur in die Texte schauen könnten, würden mindestens ebensolche Entdeckungen dabei herauskommen. Die Jahre 1929 und 1930 sind, zumindest was die Teilnahme Forrers an der Debatte betrifft, diejenigen mit den heftigsten Auseinandersetzungen in den verschiedenen Publikations- und Rezensionsorganen. Während Friedrich sich mehr und mehr aus der Debatte verabschiedete, trugen Götze und Forrer ihre Fehde weiter mit scharfer Zunge aus. Forrer publizierte 180
Orientalistische Literaturzeitung, Bd. 24, 1921, p. 317.
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nun 1929 im Selbstverlag das zweite Heft des ersten Bandes seiner Forschungen181 mit dem Titel „Die Nachbarländer des Hatti-Reiches von Arzaova bis Griechenland“ und löste damit teilweise das Versprechen ein, die Griechenthese eingehend zu behandeln und so publizierte er auch den Tawagalawa- sowie den Milawatabrief. Bei den Vorbeiten zu dieser Publikation hatte Forrer intensiven brieflichen Kontakt zu dem Astronomen Carl Schoch hinsichtlich der Berechnung der sogenannten MurçiliSonnenfinsternis, die nach Forrer im zehnten Regierungsjahr Murçilis II. stattgefunden haben soll und in seinen Forschungen behandelt wird. Mit der Einbeziehung von Experten für astronomische Berechnungen, die Forrer auch später beibehielt, wollte er seine chronologischen Ausführungen untermauern und seine Thesen weniger angreifbar machen. 182 Die heftige Kritik seitens Götzes, Sommers und Friedrich hatte Forrer vorsichtiger gemacht. Kurz nach Erscheinen der selbstverlegten Forschungen Forrers hat Schoch eine Richtigstellung veröffentlicht, die im Nachlassmaterial erhalten ist. Darin möchte Schoch korrekt festgestellt wissen, dass er es war und nicht Forrer, der die richtige Zuordnung der Finsternis auf den 13. März 1335 v. Chr. vorgenommen hat und die Auffälligkeiten bezüglich der Jahreszeit und Totalität herausgearbeitet hat. 183 Zu den Gründen der Verzögerung der versprochenen Arbeit, die ja 1924 bereits angekündigt war, schreibt Forrer in dem nun schon mehrfach erwähnten Brief vom 24. April 1928 an Eduard Meyer: „Doch nun komme ich auf die Gründe, warum das Griechenbuch so lange dauert. All meine Arbeitsenergie kommt aus der Quelle des eigenen Sinnes & der Freiwilligkeit. Welchen Fleiß wir unter solchen Bedingungen entwickeln, zeigen die Bücher meines Vaters (der aus diesem Grunde eine Stellung als Museumsdirektor des germ. Museums in Nürnberg immer abgelehnt hat, obwohl er – aber auch freiwillig – auch keine andere Arbeit tut). Bei mir würde man es auch noch besser sehen, wenn ich nur erstmal alle geschriebenen Arbeiten veröffentlicht hätte. Ansehen ist eine Kunst, die wir scheints nie lernen werden. Selbstverständlich kann ich mich auch zwingen eine Arbeit zu tun, die dieses zweite Ich eigentlich nicht will & habe es auch oft getan. Ja man kann sagen: alle drei Habilitationschriften waren, weil sie auf äußere Zwecke abzielten Muß & Terminarbeiten geworden und haben mich etwa sechs Jahre unter Druck gehalten und dann auch noch die Umschriftausgabe. Und selbstverständlich geht es jedem Menschen so, es sei denn, dass er sich genug ist, zu schaffen, was er Lust hat. Aber das hat eine Grenze bei mir, die sich in einem Energie –Verhältnis zwischen Muß – und Willarbeit ausdrückt. Ich habe es 181 182
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E. Forrer, Forschungen, 1. Bd. 2. Heft, Berlin 1929. Im Jahre 1932 hatte Forrer bezüglich der Auswertung babylonisch-astronomischer Texte auch einen intensiven wissenschaftlichen Austausch mit dem Astronomen E. Neugebauer. Siehe Dokument 14 der CD-ROM.
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oft und gründlich versucht, mich zu vergewaltigen, aber nur mit dem Ergebnis, dass ich dann zur Schlafenszeit, wenn die Mußarbeit ein Ende hat, die Willarbeit durchdenke und bis auf 2 – 4 Stunden Schlafenszeit damit die Nacht zubringe, oh184 ne daß davon ein sichtbares Ergebnis zurückbleibt. Das ist das Fürchterliche.“
Die Antwort Eduard Meyers auf diesen Brief, der zahlreiche Rechtfertigungen und Klagen Forrers enthält, ist ebenfalls erhalten und bietet auch einen Einblick in das Verhältnis der beiden zueinander. Denn Eduard Meyer nimmt sich nun seinen Schüler und Freund vor und schreibt offen und schonungslos zu den Versäumnissen und wissenschaftlichen Kapriolen am 6. Mai 1928 an Forrer:185 „Lieber Herr Dr! Ihren ausführlichen Brief vom 24. April, den ich vor drei Tagen erhalten habe, hat mich tief ergriffen und ich bedaure aufs lebhafteste die Lage, in die Sie und die Ihre liebe Frau gekommen sind, aufs tiefste. Aber Ihrer Auffassung kann ich in keiner Weise zustimmen. Sie suchen die Schuld in anderen und erheben gegen diese Schmerz, aber erheben zu den Vorgängen bei Ihrer hiesigen Habilitation ganz unbegründete Vorwürfe und erkennen nicht, daß Sie selbst Ihr ärgster Feind sind. Ihnen fehlt jede Selbstdisziplinierung und jede Kritik gegen sich selbst; statt dessen folgen Sie jedem Spiel der Phantasie und jedem Einfall, der in Ihnen aufblitzt, und gehen ihm gedankenlos nach, statt seine Basis wieder und wieder zu prüfen und den Boden langfristig und gewissenhaft zu untersuchen, ob er wirklich tragfähig ist und ob nicht der ganze Bau, den Sie errichten wollen, zusammenstürzen muss, weil seine Fundamente morsch sind. Ich habe Sie oft genug gewarnt und zurückzuhalten gesucht, und sehe jetzt, daß ich das noch viel ungütiger hätte tun müssen, wenn es mir auch recht zweifelhaft ist, ob ich damit Erfolg gehabt haben würde. Aus Ihren Ausführungen schließe ich, daß Sie noch jetzt nicht einsehen, wie riskant es war, damals in München Ihre Arbeit über den Sargontext mit den ganzen darauf errichteten Hypothesen vorzulegen, wo es doch in höchstem Grad problematisch ist, ob Sie wirklich ein Dokument über den alten (Unleserlich), was ich entschieden bestreiten muss – statt einer auf solider Basis fortschreitenden streng wissenschaftlichen Untersuchung. Damit hatten Sie dann in Ihrer hier begonnenen Habilitationsschrift (VERBUM FEHLT d. Verf.) und das hat dann auch schon zu manchem Problem geführt, die ich für richtig und schlagend halte. Statt aber diese Arbeit fortzusetzen und zum Abschluß zu bringen, was Sie jetzt noch oder mindestens unmittelbar nach Fertigstellung der hist. Texte in Reinschrift sehr wohl hätten tun können, haben Sie das liegen lassen und nur, trotz meiner Warnung, Ihre Ansichten über die Griechen ohne irgenwelche Belege in die Öffentlichkeit geworfen. Das hat gewiss Aufsehen erregt und zur Folge, z.B. dass es sich in wilde weitere Combinationen ergoß. 184
185
Forrer führt als weitere Verzögerungsgründe auch noch die Vorbereitungen und Geldakquisen sowie die eigentlichen Reiseaktivitäten seiner Kleinasien Expedition von 1926 an, die ihn ohne jeden Zweifel viel Zeit und Arbeit gekostet haben. Siehe auch Dokument 7 der CD-ROM.
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Die AΔΔijawa-Frage und die Geografie des Hethiterreiches Umso mehr war es Ihre Pflicht, sobald wie irgend möglich die Begründung zu geben und das Material vollständig vorzulegen. Das haben Sie unterlassen und trotz aller meiner Mahnungen immer wieder hinausgeschoben, obwohl Ihnen doch ganz klar sein mußte und Ihnen wiederholt gesagt war, dass Ihre ganze wissenschaftliche Stellung und Zukunft davon abhing. So hat die Kritik von Seiten anderer Indogermanisten eingesetzt; und dabei hat sich gezeigt, daß Sie mindestens zwei arge Fehler begangen haben, indem Sie unterlassen hatten zu sagen, daß die 101 (Unleserlich) nur von Ihnen ergänzt sind, und zwar, wie Sie jetzt selbst zugeben, mit Unvernunft und daß die Annahmen, zum Wort aiwolos vollkommen, zu mindesten nur eine Hypothese, diese aber in der Gleichung nicht angegeben ist und von anderen – recht problematischen und zweifelhaften Annahmen ganz zu schweigen. So ist es nur natürlich, dass jetzt die Kritik wächst und die Zweifel sich immer weiter verbreiten, ob an Ihren Behauptungen irgend etwas daran ist. Trotzdem schweigen Sie noch immer und wollen das auch weiter tun. Fortdauernd werde ich gefragt, wie ich darauf antworte, warum Sie jetzt auf meine Gunst setzen, wo ich Ihnen soweit entgegengekommen bin und mein Urteil gelassen habe, wie mir das irgend möglich war. Auf die Dauer aber kann das so nicht fortgehen und Sie können sich nicht wundern, dass sich die Ansicht durchsetzt, dass Sie nicht antworten und Ihre Belege nicht geben, weil Sie die nicht geben können, und daß infolge dessen über Sie und Ihre gesamte wissenschaftliche Arbeit der Stab gebrochen wird. Wie Sie das nicht einsehen können und wie Sie statt dessen sich in alle möglichen anderen Untersuchungen stürzen – darunter in so gefährliches und problematisches Gebiet wie die Chronologie – ist mir völlig unbegreiflich. Ich sehe aber mit tiefem Bedauern, dass alle meine Versuche, Sie zur Vernunft zu bringen, vergeblich und meine Worte in den Wind geschrieben sind. Und nun ist jetzt noch etwas weiteres hinzugekommen, was mich wahrlich mit Entsetzen erfüllt und tief bekümmert hat. Die Notgemeinschaft hat mich gebeten, zu den von ihr veranlassten Aufsätzen eine kurze Einleitung zu schreiben und so habe ich diese Aufsätze und darunter den Ihren über den Ursprung der Kultur Babyloniens erhalten und gelesen. Das ist weit schlimmer als das, was ich auch nur für denkbar gehalten hätte, wie Sie sich wirklich einbilden können, dass derartige Phantasien und weitere Einfälle noch irgendwie als wissenschaftliche Arbeit betrachtet werden können und nicht erkennen, dass Sie sich damit, wenn das veröffentlicht wird, selbst das Todesurteil sprechen, ist garnicht mehr zu begreifen. Glauben Sie denn wirklich, dass irgend jemand, der nicht nur eine Ahnung von Wissenschaft hat, diese platte rationalistische Deutung der Namensgleichungen, diese in (Anm. zwei Worte unleserlich) Kulturträger der vorsintflutlichen Urzeit, diese nur aus der Luft gegriffene Urkultur in Zukunft wirklich ernst nehmen wird, die die Schrift erfunden und nach Babylonien, China, Aegypten gebracht haben soll. Es widerstrebt mir, auf all die Ungeheuerlichkeiten, die Sie hier ausschütten, weiter einzugehen. Nur das eine muss ich sagen: wenn Sie sich durchaus selbst umbringen wollen, ist das schließlich Ihre Sache, so leid es mir tut, sowohl um Ihretwillen wie wegen Ihrer Frau. Aber die Interessen der Notgemeinschaft zu schützen ist meine Pflicht. Sie darf diesen Aufsatz unter keinen Umständen veröffentlichen. Denn er würde nur das Gegenteil von dem bewirken, was Sie beabsichtigen, anstatt einer Förderung Ihrer Interessen ein allgemeiner Entrüstungssturm, der Ihre
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Stellung aufs schwerste gefährden würde. Ich habe das heute mit Herrn Dr. Wildhagen durchgesprochen, und der Aufsatz wird nicht gedruckt werden. Dass ich damit zugleich in Ihrem Interesse handle, brauche ich nicht erst zu sagen. Ich mußte ganz deutlich und rückhaltlos zu Ihnen sprechen; und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Sie das doch vielleicht auch zur Selbstbesinnung und Selbstzucht bringen und auf die Wege der Wissenschaft zurückführen wird. Aber es ist der letzte Moment! Wenn Sie mich, wie Sie in Aussicht stellen, am Montag nun besuchen wollen, wird mir das sehr willkommen sein. In den folgenden Tagen muß ich dann nach Frankfurt zur Sitzung der röm.-germ. Kommission.“ Mit bestem Gruß Ihr Eduard Meyer
Wie sich zeigt, hat auch Eduard Meyer, sein Förderer und väterlicher Freund, kein Verständnis für die Arbeits- und Vorgehensweise Forrers. Dass Forrer seine „Griechenhypothese“ ohne gründliche Vorbereitung, ohne die Beigabe sicherer Belege – also ohne Fundament – veröffentlicht hat, ist dabei eine berechtigte, aber noch die harmloseste Kritik. Was ihn sicherlich schwerer getroffen haben dürfte, ist das Verständnis seines Mentors für die generelle Kritik Anderer an seiner wissenschaftlicher Arbeitsweise und die Zweifel an der Seriosität seiner wissenschaftlichen Thesen. Die harsch formulierten Zeilen zeigen auch, dass Forrer in gewisser Weise resistent gegen die Ratschläge Meyers gewesen sein muss, da Meyer Forrer offenkundig zu einem anderen Vorgehen geraten hat. Da diese Arbeiten ja auch Forrers Zukunft hätten begründen sollen, wie Meyer schreibt, ist Forrers Verhalten und Vorgehen umso unverständlicher. Wie Forrer auf all die Kritik und die offenen Worte Meyers geantwortet hat, lässt sich leider nicht feststellen, da keine weiteren Briefe zu diesem Thema vorhanden sind. Aber es dürfte auf der Hand liegen, dass diese fundamentalen und massiven Vorwürfe Meyers, vor allem an der wissenschaftlichen Arbeitsweise und der zu phantasievollen Handhabung des Materials, mit dem Ziel, Forrer vor der Veröffentlichung seiner eigenen Ideen gewissermaßen zu schützen, sicherlich deutliche Spuren bei Forrer hinterlassen haben. Zumindest, was den Vorwurf der Verzögerungen bei der ausführlichen Begründung seiner „Griechenhypothese“ betrifft, hat Forrer ja dann reagiert, denn die Veröffentlichung der selbstverlegten Forschungen erfolgte dann knapp ein Jahr später. In dem dann endlich publizierten Werk behandelte Forrer mit KUB XIV 3186 und KUB XIX 55187 auch diese beiden wichtigen Dokumente aus186 187
Der Tawagalawa-Brief. Der Milawata-Brief.
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führlich und legte umfangreiche Begründungen für seine 1924 begonnenen Griechenhypothese vor. Forrers Bearbeitung des schwer lesbaren Tawagalawa-Briefes erhielt die verdiente Anerkennung, 188 kam er doch weiter als Götze bei der Edition der Keilschriftausgabe. Es scheint auch, als habe Forrer – zumindest teilweise – als Konsequenz der Kritik an seiner Methodik, diesmal seine Vorgehensweise geändert, denn die geografischen Fragen, die man hinter dem gewählten Titel zunächst vermutet, spielen nicht die ausschließliche Rolle. Dafür widmet sich Forrer ausführlich den philologischen Grundlagen und der Erschließung der schwierigen Texte. Es steht außer Frage, dass die mit Forschungen I.2 vorgelegte Bearbeitung der Texte, alles bisherige, was aus Forrers Feder zu diesem Thema veröffentlicht wurde, an Qualität übertraf, vor allem was die Lesung der schadhaften Zeichenspuren an der abgriebenen Oberfläche des TawagalawaBriefes betraf.189 Ferdinand Sommer pflegte seine tiefere Abneigung und Feindschaft gegen Forrer. Seit der Auseinandersetzung 1921190 in Leipzig, aufgrund der an den Tag gelegten „Respektlosigkeit“ Forrers gegen die von ihm geforderte Führungsposition sowie Sommers mutmaßlicher Beteiligung an dem Vorfall bezüglich des Thesaurus-Projektes, und schließlich aufgrund der spekulativen Art Forrers, seine Ergebnisse vorzutragen, wurde die wissenschaftliche Diskussion spürbar schärfer. Sommer hatte den damals jungen Schweizer in seinen Rezensionartikeln mehrfach in herablassender Art „abgemahnt“ und dabei durchaus deutlich gemacht, dass er Forrer im Visier hatte – mehr noch als z.B. HroznŸ oder Götze. Im Jahre 1930 verschärfte Sommer den Ton in seinen Veröffentlichungen noch einmal. In seiner bereits 1926 verfassten, aber erst 1930 erschienen Rezension zu Forrers BoTU 2.2191 erfolgten weitere scharfe Attacken. Dabei steigert sich die Intensität der Kritik mit jeder geschrieben Seite. Hinsichtlich der von Forrer vorgelegten Königsliste heißt es z.B.: „aber das wage ich zu behaupten, daß bei dem Zustandekommen der Genealogie noch mehr Einbildungskraft und Optimismus als Scharfsinn und Fleiß – auch an
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Dies wird ihm sowohl von J. Friedrich, Indogermanische Forschungen, Bd. 49, 1931, p. 223 als auch von A Götze, Orientalistische Literaturzeitung, Bd. 33, 1930, p. 292 Fn. 2 zugesprochen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Bearbeitung Sturtevants, American Jounal of Semitic Languages and Literatures, Bd. 44, 1928, p. 217–231, die sich auf Autographien Götzes stützen musste. In seiner Rezension zu Forrers Forschungen in Indogermanische Forschungen, Bd. 49, 1931, p. 223 weist J. Friedrich auf diesen Fortschritt ausdrücklich hin. Siehe Kapitel 4. Kleinasiatische Forschungen, Bd. I.2, 1930, p. 349–355.
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letzteren beiden ist ein gutes Quantum vorhanden – gewaltet haben. Der brauchba192 re Herausgeber ist stellenweise ein recht wilder Interpret...“
Im letzten Passus dieser Rezension greift er Forrer in persönlich verletzender Weise und überspannt den Bogen zulässiger Kritik: „Die ungezügelte, sich genialisch gebärende Phantasie und die Unzulänglichkeiten in der überhasteten Handhabung des hethitischen Sprachmaterials, die auch bei F.'s anderen „konstruktiven“ Arbeiten leider schon hinlänglich zutage getreten sind, verpflichten auch den Kritiker, der, wie ich, seine große Begabung, seine Betriebsamkeit und sein wenn auch begrenztes Können unumwunden gelten läßt, dazu, Fernerstehende vor einer unbesehenen Hinnahme seiner Schlüsse zu warnen;“
wenige Zeilen weiter kommt Sommer dann zu dem Gesamturteil: „Forrer liebt es allzusehr, seine Darlegungen im Ganzen wie im Einzelnen gewaltig aufzupuffen; es wäre in jeder Beziehung besser, wenn er große Trommel und Cinelli aus seinen Partituren striche, um das, was er wirklich zu sagen, auch Freunden einer gedämpfteren Instrumentation genießbarer zu machen, wie sie der 193 Wissenschaft nun einmal angemessen ist.“
Interessant ist, dass die Auseinandersetzung um die AΔΔijawa-Frage durchaus einem allgemeiner interessierten Publikum näher gebracht wurde. In so mancher Gazette wurde Forrers These – mit entsprechendem Hinweis auf das Sensationelle, das in Forrers Gedanken stecke – verbreitet und der Name des Urhebers propagiert. Beispiele dafür finden sich im Nachlass und datieren aus den Jahren 1927 und 1929 als Ausgaben des „Boten“, der die Diskussion für die Leserschaft zusammenfasste. 194 Das Jahr 1931 bringt in soweit eine Beruhigung, als dass sich die bisherigen Protagonisten zunehmend aus der Diskussion zurückziehen. Zum einen sind es die veränderten Lebensumstände Forrers, der sich seit Ende 1929 in der Position als Associate Professor am Oriental Institut der University of Chicago, einem Angebot Bresteads folgend, völlig anderen Aufgaben widmet;195 zum anderen war allen an der Diskussion Beteiligten klar, dass es die große Bearbeitung der Griechenfrage durch Sommer, die 192 193
194 195
op.cit. p. 352f. op.cit. p. 355. Hier spätestens muss sich Sommer die Frage gefallen lassen, ob die Art seines „Vortrages“ der eingeforderten Wissenschaftlichkeit angemessen ist. Der Boden wissenschaftlicher Kritik war längst verlassen und hat bitterem und verletzendem Hohn die Bühne überlassen. Vergleiche dazu auch S. Heinhold Krahmer, Die Ahhijawa-Frage, (demnächst), die aufzeigt, „dass seine (gemeint ist Ferdinand Sommer, der Verf.) Rezension zu BoTU mehr als unausgewogen war, zeigt die Tatsache, dass Forrers Auswertung der historischen Texte, derentwegen er ihn einen „wilden Interpreten„“ gescholten hatte, in einiger Hinsicht noch heute Gültigkeit beanspruchen kann bzw. durch neuere Untersuchungen gestützt wurde...“ Siehe die Dokumente 15 und 16 der CD-ROM. Siehe hierzu Kapitel 7.
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bereits angekündigt war, abzuwarten galt. Dies bremste offenbar die publizistischen Aktivitäten der übrigen Akteure. Sommers Ankündigung der Bearbeitung der einschlägigen Texte und der umfassenden Untersuchung der damit zusammenhängenden Fragen führte offenbar dazu, dass eine Art finale Klärung des Problems erwartet wurde.
1932–1935 – Der dritte Akt – Ferdinand Sommers AΔΔijava Urkunden und AΔΔijavafrage und Sprachwissenschaft sowie ein ehrenwerter Vermittlungsversuch von Fritz Schachermeyr 1932 erscheint nun endlich das umfassende Werk Die AΔΔijava-Urkunden Ferdinand Sommers zum Griechenproblem.196 Neben Umschrift und Übersetzung aller einschlägigen Texte widmet sich Sommer in extenso ihrer philologischen Kommentierung, in der ihm eignen methodischen und philologischen Strenge. Es versteht sich nach dem vorher dargelegten Verlauf beinahe von selbst, dass Sommer mit Forrers und auch Kretschmers Thesen hart ins Gericht geht und am Ende der Untersuchungen – quod erat expectandum – diese Thesen als erledigt gelten. Keine der Gleichungen bleibt vor des Herrn Geheimrats kritischem Blick bestehen.197 Die Gleichung heth. Lazpa = gr. Lesbos wird ebenso verworfen wie auch die Möglichkeit eines heth. Alakçandus = gr. Aléxandros, dass nach extensiver Beprechung als „entschieden...bodenständiger Herkunft“ klassifiziert wird.198 Dabei wird darauf verwiesen, dass homerische Griechisch Appellativa auf -andros noch nicht kenne und stattdessen die kleinasiatische Herkunft des Namens Alakçandus angenommen. Das griechische Aléxandros stelle, so Sommer, eine Gräzisierung dieses „Barbarennamens“ dar.199 Auch hinsichtlich der Ergänzung beschädigter oder verloren gegangener Textstellen, agierte Sommer stets gegen die Forrerschen Lesungen bzw. Ergänzungen. Hans Gustav Güterbock hat diesen Umstand in seinem schon erwähnten Nachruf auf Emil Forrer deutlich gemacht. 196
197 198 199
Ferdinand Sommer, Die AΔΔijava-Urkunden, Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Abteilung, Neue Folge 6, München 1932. O. Szemerényi, Eothen, Bd. 1, 1988, p. 277 charakterisiert meines Erachtens recht treffend Sommers Arbeit als „heavy artillery“. F. Sommer, op.cit., 1932, p. 370. Die Entzifferung des Mykenischen im Jahre 1952 hat ergeben, dass diese Interpretation nicht mehr haltbar ist, da dort eben für das Mykenische Appelletiva auf -andra/-andros belegt sind. Siehe dazu ausführlich, O. Szemerényi, Eothen, Bd. 1, 1988, p. 280 ff.
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„But it must said that in cases where a passage allowed for more than one interpretation those who always chose the alternative that went against his (gemeint ist Forrer; d. Verf.) theory erred just as much as he might have erred in taking the pas200 sage as confirmation.“
Aus heutiger Sicht hat der Indogermanist und Hethitologe Norbert Oettinger die Wertigkeit der jeweiligen Ergänzungen beschädigter Textpassagen erst jüngst ins rechte Licht gerückt: „Es muss aber um der Objektivität willen klar gesagt werden, daß Sommer Forrers Lesungen beschädigter Keilschriftzeichen offensichtlich meist aus bloßem Kritizismus heraus in Frage gestellt hat und daß seine eigenen alternativen Lesungen überwiegend die schlechteren sind. Es ging ihm anscheinend wirklich darum, Forrer um jeden Preis in ein schlechtes Licht zu setzen. Die Gründe dafür, warum ein so bedeutender Gelehrter wie Sommer sich zu einer solchen Handlungsweise hat 201 hinreißen lassen, sind heute wohl nicht mehr vollständig festzustellen.“
Die Gründe warum Sommer derart reagierte, sind in Kapitel Vier dargelegt worden. An Forrers „Griechenhypothese“ arbeitete Sommer offenbar seine Verletztheit ab. Denn auch hinsichtlich der Lokalisierung AΔΔijawas wird Griechenland von Sommer kategorisch ausgeschlossen und stattdessen in Kleinasien lokalisiert sowie der Personenname Antarawas = Andreus uminterpretiert und als Priester Tarawas gelesen wird.202 Die zeitgenössische Kritik, insbesondere die von Friedrich und Götze, bespricht Sommers Arbeit in geradezu überschwenglichen Rezensionen203, wobei Friedrich in einen fast jubelnden Ton verfällt: „Aber die Art wie Sommer seine Aufgabe als Ganzes gelöst hat, kann einfach nicht überboten werden; die Arbeit ist – von der Lesung und Interpretation angefangen über die sprachliche und sachliche Erklärung hinaus bis zur Behandlung des großen geschichtlichen Rahmens und der Heranziehung von Stoff aus anderen Wissenszweigen, namentlich der klassischen Philologie – so eindringend und umfassend, im Kleinen wie im Großen, daß es schwer halten würde, irgendeine Bearbeitung von Keilschrifttexten, geschweige denn von hethitischen Texten, zum 204 Vergleiche heranszuziehen.“
Dieses himmelhohe Lob für die Bearbeitung Sommers überrascht, da Friedrich wenige Zeilen später zugibt: 200 201
202 203 204
Archiv für Orientforschung, Bd. 33, 1988, p. 310 N. Oettinger, In den Fußspuren Emil Forrers: Die Diathese von indogermanisch *h1es-, h1es-, sitzen und anderes, in: Çarnikzel Hethitologische Studien zum Gedenken an Emil Orgetorix Forrer, Dresdener Beiträge zur Hethitologie, Bd. 10, 2004, p. 487, Fußnote 2. Das anlautende Zeichen AN wird als Determinativ Dtarawas interpretiert. J. Friedrich in Orientalistische Literaturzeitung, Bd. 37, 1934, p.21-27, A Goetze in: Gnomon, Bd. 10, 1934, p. 177–183. op.cit. p. 22.
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Die AΔΔijawa-Frage und die Geografie des Hethiterreiches „Es ist möglich, dass ich bei eingehenderem Studium des Buches zu mehr Abwei205 chungen komme, als dies bei einer ersten Lektüre möglich war.“
Auch Götze sieht man bei seiner sehr positiv verfassten Rezension geradezu vor seinem inneren Auge den Hut vor Sommer ziehen, wenn er schreibt: „Man kann ruhig sagen: nur Sommer konnte dieses Buch schreiben. Denn nur er war imstande, sich in geduldigster Kleinarbeit und unbestechlicher Sachlichkeit 206 durch den ganzen Stoff hindurchzuarbeiten.“
Das Fazit Götzes lautet denn auch wenig überraschend: „Ziehen wir die Summe, so bleibt von Forrers Griechen-Hypothese nichts übrig, als die Erwähnung von Ahhijawa in den Boghazköi-Texten, das außerhalb Klein207 asiens zu suchen nicht die mindeste Veranlassung vorliegt.“
In der Beurteilung der „Griechenfrage“ hat die Arbeit Sommers eine entsprechende Wirkung auch auf die Gelehrten anderer Disziplinen und damit auch unterschwellig auf die Person Forrers. Auch Kretschmer beugt sich schließlich in dieser Frage dem Druck Sommers: „Freilich Forrers Ansicht, dass Ahhijawa Griechenland bezeichne, ein Grosskönig208 tum in Europa jenseits des Meeres, kann nicht aufrecht erhalten werden.“
Mit der Veröffentlichung des Beitrages von Kretschmer in der Zeitschrift Glotta 21 (1933) zu den Hypachäern findet die Auseinandersetzung nur noch mit Sommer und Kretschmer seine Fortsetzung, aber nach wie vor scharf und leidenschaftlich. Forrer nimmt an dieser Diskussion praktisch nicht mehr teil. Als Reaktion auf Kretschmers Beitrag antwortet Sommer 1934 mit dem scharf formulierten Bändchen AΔΔijavafrage und Sprachwissenschaft209, das bereits im Vorwort deutlich macht, was den Leser erwartet: „Kretschmer trägt denn auch seinen Angriff (gemeint ist eben jener Beitrag in Glotta 21, der Verf.) gegen mich auf anderm Gelände vor, leider unter so unverkennbaren Symptomen der Verärgerung, daß ich mich auch meinerseits von 210 Pflichten übergroßer Rücksichtnahme entbunden fühlen muß.“
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206 207 208 209
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op.cit. p. 27. Es könnte ja auch andersherum gefragt werden, wie nach einer „ersten Lektüre“ in derart servilem Ton die Arbeit so überragend beurteilt werden kann. op.cit, p. 178. op.cit. p. 183. Glotta, Bd. 21, Die Hypachäer, 1933, p. 238. Ferdinand Sommer, AΔΔijavafrage und Sprachwissenschaft, Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Abteilung, Neue Folge Heft 9, München 1934. op. cit. p. 5.
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Und in Richtung Kretschmers – aber sicher auch Forrer mit einschließend – heißt es: „Am Beifall von Leuten, denen vorhandenes Material nur so weit Interesse abnötigt, als sie daraus – oft geradezu mit dilettantischer Vorliebe für Sprachliches – eine mythische Dichtung eigenen Geistes gestalten können, ist mir nicht gele211 gen.“
In einer erneut detaillierten und langen Analyse der griechischen Nominalkomposita mit gr. hypo- im Vorderglied setzt sich Sommer mit den Thesen Kretschmers zu den Hypachäern auseinander und geht nochmals vom linguistischen Standpunkt auf die Gleichungen ein. Das auch hier das Ergebnis dieser Prüfung negativ ausfällt, versteht sich beinahe von selbst. 1937 nimmt dann Forrer212 nochmals ausführlich Stellung zu den Lokalisierungsversuchen Sommers und Götzes und äußert sich damit letztmalig umfangreich zur AΔΔijawa-Frage. Natürlich antwortet Forrer auch auf Sommers AΔΔijawa-Urkunden sowie zu den Untersuchungsergebnissen in AΔΔijavafrage und Sprachwissenschaft. Dabei greift Forrer vor allem die Aussage Sommers aus dem letztgenannten Werk auf, dass es „keineswegs sicher ist, daß AΔΔijawa in Kilikien zu suchen ist.“213 Forrers dann folgende vielzeilige und komplexe Untersuchung beginnt mit dem kämpferischen Satz „Daß es im Gegenteil absolut sicher ist, daß Ahhijava n i c h t in Kilikien gelegen hat, werde ich im folgenden positiv beweisen.“214 Der dann vorgelegte „positive Beweis“ für diese These besteht darin, dass Forrer aufzuzeigen versucht, dass Arzawa in Kilikien gelegen haben muss. Dies – so seine Argumentation – ließe sich aus den überlieferten Grenzbeschreibungen des Textes KBo VI 28 eindeutig herauslesen, wobei die dort bezeugten hethitischen Ortsnamen von ihm – methodisch angreifbar – etymologisierend mit römischen Ortsnamen verglichen werden und so als Beweis herhalten müssen. Forrer setzt sich ausführlich auch mit den geografischen Forschungen Götzes auseinander, um erneut immer wieder auf Götzes Fehler oder Irrtümer hinzuweisen. Er kommt auf Seite 180 zu dem kategorisch vorgetragenen Ergebnis, dass „Klein-Arzaova im unteren Kilikien und Groß-Arzaova in ganz Kilikien“ lokalisiert werden müsse und definitiv „jeder andere Ansatz ausgeschlossen ist.“ 215 Und in Fußnote 1 211 212 213 214 215
op. cit. p. 6. Klio, Bd. 30 (N.F. Bd. XII), 1937, p. 135–186. F. Sommer, op. cit., p. 73. op.cit. p. 137. Die Forschung zur Geografie des Hethiterreiches ist seitdem natürlich weitergegangen und auch durch neue Textfunde konnte dabei auf eine verbesserte Materialbasis zurückgegriffen werden. Insbesondere die 1986 gefundene Bronzetafel (siehe hierzu H. Otten, Sudien zu den Bo©azköi-Texten, Beiheft 1, 1988) enthält umfassende geographische Angaben. Die Arzawa-Länder werden heute im Allge-
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auf Seite 181 erklärt Forrer, dann kategorisch, dass im Bezug auf Sommers Darlegungen und Untersuchungen in den AΔΔijava-Urkunden, für ihn „nicht der geringste Grund besteht, in irgendeinem Punkte...von seinen Deutungen abzugehen. Ich erkläre dies ausdrücklich, weil mir die äußeren Umstände voraussichtlich vorerst nicht die Zeit lassen werden zur weiteren Auseinandersetzung mit F. Sommer.“ Zwischen Kretschmer und Forrer finden sich im nachgelassenen Material wenige Briefe bzw. Postkarten. Der erste belegbare Kontakt ist eine kurze Postkarte, datiert vom 31. Mai 1930, die Kretschmer an Forrer nach Limassol auf Zypern geschickt hat und einige Fragen zu kretischen und kyprischen Inschriften abhandelt, die Forrer während dieser Reise im Auftrage des Oriental Institutes Chicago untersuchte. Interessant ist ein Brief aus dem Jahre 1936, der sich direkt auf die AΔΔijawa-Frage sowie seinen Beitrag in Klio 30216 bezieht und aus der Feder Forrers stammt. Dieser Brief vom 5. Oktober 1936 beginnt mit der Anfrage an Kretschmer, den Aufsatz „Quellen und Brunnen in Altvorderasien“ in Glotta zu publizieren217. Dann fährt er fort: „In einem grösseren Aufsatze, der in der Klio erscheinen wird, habe ich endgültig nachgewiesen, dass Kilikien gleich Arzaova ist, und dass Ahhijava unmöglich in Klilikien gesucht werden kann. In einem weiteren Aufsatze will ich zeigen, dass Ahhijava eine Grossmacht und sein König ein Grosskönig war und dass F. Sommer über 120 originale Zeugnisse ignoriert hat, um einem einzigen Zitat eines notorischen Gernegross zu folgen. Allerdings davon nur in Keilschrift publiziert und ihm daher unbekannt. Wenn man die Einzelheiten genau kennt, dann ist es ganz unerhört, wie er erst alle Lücken in teils philologisch, teils historisch unannehmbarer Weise aber immer mit gleicher Tendenz ausfüllt, um darauf dann ein Gebäude zu errichten, von dem kein Wort wahr ist. Ich ging und gehe stets nur darauf aus, aus dem Text herauszulesen, was darin steht oder gestanden hat. Deshalb halte ich
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216 217
meinen in Westkleinasien lokalisiert, deren Kerngebiet die Küste Südlydiens und Ioniens umfasste (siehe dazu die Übersichtskarte im Anhang), wobei eine Klärung im Detail bis heute aussteht. Wiluça wird im Nordwesten Kleinasiens – genauer in der Troas – lokalisiert. Die meisten Hethitologen folgen heute der Forrerschen Auffassung, dass AΔΔijawa in Griechenland zu suchen ist. Dabei spielen die schon sehr häufig im Rahmen der AΔΔijawa-Frage diskutierten sprachlichen Gleichungen nach wie vor eine Rolle. Über die grundsätzlichen Schwierigkeiten der Lokalisierung hethitischer Vasallenstaaten aufgrund der textlichen Angaben in den Tafeln, siehe ausführlich S. Heinhold-Krahmer, 2003. Zur Gleichsetzung der Namen IliosWilusa und Troia-Taruisa, p.146-168, F. Starke, Studia Troica, Bd. 7, 1997, Troia im Kontext des historisch-politischen und sprachlichen Umfeldes Kleinasiens im 2. Jahrtausend, p.447-487. Siehe auch S. Heinhold-Krahmer, Ist die Identität von Ilios mit Wiluça erwiesen?, Studi Micenei ed Egeo Anaolici, Bd. 46/1, 2004, p. 29– 57. Weitere Dokumente aus dem Schriftverkehr mit der Redaktion der KLIO finden sich als Dokumente 23 und 24 auf der CD-ROM. Der Aufsatz erschien dann schließlich in Glotta, Bd. 26, 1938, p. 178 – 202.
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auch alle meine Übersetzungen als die besseren und richtigeren aufrecht. S. scheut sich auch vor glatten Entstellungen nicht, so z. B. habe ich mir bereits vor ca. 10 Jahren von Prof. W. Walther, der die schlechtesten Texte am minutiösesten herausgegeben hat, bestätigen lassen, dass anstelle der Lesung ta-a-ra-vi-za-an in der Boghazköi-Keilschrift keine andere möglich ist. Aber worauf es F. Sommer ankam, nämlich mich aus der Universitätslaufbahn zu drängen, hat er ja ziemlich erreicht. Falls nämlich nicht in allerkürzester Zeit eine Stelle für mich gefunden wird, muss ich die wissenschaftliche Arbeit aus Geldmangel aufgeben. Schade um das ungeheure Material, das ich gesammelt habe.“ 218
Die Einschätzung Forrers, dass es Sommers Bestreben sei, ihn aus der Wissenschaft bzw. der Universitätslaufbahn hinauszudrängen, kann aufgrund der Briefe und des sonstigen Nachlassmaterials nicht nachvollzogen werden und erscheint als beabsichtigtes Ziel von Sommers Rezensionen doch als zu unwahrscheinlich. Sommer hatte sicherlich auch aus persönlichen Motiven Aversionen gegenüber Forrer, was die Rezensionen der Forrerschen Arbeiten, wie gezeigt, auch verdeutlichen. Und zurecht hat Forrer den oft verletzenden Ton Sommers als zu persönlich und ehrverletzend empfunden, aber auch eine überzogene Kritik macht sich zunächst inhaltlich an den Thesen und Arbeiten des Mitforschers fest und diese boten im Detail im Falle Forrers ja durchaus Anlass, sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Es scheint mir, dass Forrer, vielleicht unbewusst, weil er subjektiv der Überzeugung war, dass es Sommers erklärtes Ziel war, ihn aus der Wissenschaft hinauszudrängen, hier an einer Legendenbildung, was seine verhinderte Universitätskarriere angeht, mitstrickt. Bezeichnend ist aber auch, dass Forrer Sommer erneut unterstellt, einschlägige Texte nicht zu kennen, weil diese ja nur in Keilschrift publiziert seien. An Mahnungen und freundlichen Hinweisen zu mehr Sorgfalt bei der Argumentationsführung, auch hinsichtlich des Disputes mit Sommer hat es nicht gefehlt, wie zum einen der offene und kritische Brief Eduard Meyers zeigt, zum anderen auch durch die Korrespondenz mit Oliver R. Gurneybelegt wird, der Forrer in freundschaftlicher Weise verbunden war. In einem Brief vom 11. Oktober 1936 gibt er Forrer zu bedenken: 219
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Siehe auch Dokument 17 der CD-ROM. Brief von O.R. Gurney an Forrer vom 11. Oktober 1936 (Dokument 18 der CDROM). Die erhaltene Korrespondez zwischen Forrer und Gurney umfasst den Zeitraum vom 23. Dezember 1935 bis zum 25. Mai 1938. Aus der Diktion der Briefe wird deutlich, dass sich Gurney und Forrer freundschaftlich sehr nahe standen, da die jeweiligen familiären Situationen und Umfelder bekannt und Gegenstand der Briefe sind. Forrer bot Gurney auch das „Du“ an und es kam zu Besuchen Gurneys mit seiner Mutter in Berlin und Erkner. Außerdem berichtet Gurney stets über die archäologischen Unternehmungen von „Onkel Garstang“ in Kleinasien und Syrien. Es wäre interessant zu erfahren, ob Gurney nach diesem Zeitraum und nach
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Die AΔΔijawa-Frage und die Geografie des Hethiterreiches „Nun habe ich mit Rücksicht auf die Frage über die Anredung mit aΔija und seinem Bezug auf die Grosskönigsstellung, worüber Sie mir geschrieben haben, die Amarnabriefe nachgesehen. Ich habe schon im letzten Brief gesagt, dass es mir sehr gewagt erscheint, das Zitat aus dem Brief vom König von Alaçiya unter den Tisch zu werfen, weil „die Ägypter“ niemals aΔija (mit der 3. Pers.) im Text anwenden sondern immer einfach „du“ und aΔija nur in der Adresse. In der Tat sind uns aus vielen Briefen, die der ägyptische König an andere Grosskönige geschrieben haben muss, nur zwei erhalten, nämlich Nrn 1 und 5 (14 scheidet aus, weil er eigentlich kein Brief ist). Das scheint mir viel zu wenig, um daraus überhaupt davon Schlüsse zu ziehen: man könnte denselben Schluss aus den beiden Briefen aus Assur ziehen (15,16) oder aus den vier aus Babylon (3,6, 10 und 11); auch in 2,4,7,8 und 9 ist die Anredung mit aΔija u. 3. Pers. Sehr selten im Verhältnis zu anderen mit „du“. Nur Tushratta benutzt jedesmal die 3. Pers. Dass der König von Alaçija den König von Ägypten nicht als Grosskönig bezeichnet und daraus die Berechtigung herleitet, ihn als seinen Bruder zu bezeichnen glaube ich nicht, denn wir haben in diesen Briefen die Bezeichnung Grosskönig, so viel ich bis jetzt gesehen habe, nur in Nr. 7 (vielleicht auch Nr. 5, wo Kundtzon so ergänzt); und der grosskönig von Alaçiya musste doch wissen, dass der K. von Ägypten (ausgerechnet!) ein Grosskönig war. Dagegen wirkt das Argument Sommers sehr überzeugend (AU. 65), dass die Benutzung der Anredeform aΔija eine ungeheure Anmassung des Königs von Alaçija darstellen würde, die sicher die guten Verhältnisse zwischen den beiden Mächten gestört hätte, wenn sie wirklich nur unter gleichgestellten Grosskönigen miteinander üblich wäre. Deshalb möchte ich davon abraten, einen solchen Vorstoß gegen S. zu publizieren. Kilikien = Arzaova ist natürlich eine ganz andere Sache.“
Der Rat Gurneys hier einen solchen Vorstoß gegen Sommer nicht zu publizieren, mahnt zur Vorsicht und Sorgfalt bei der Recherche, hatte Sommer doch in Abrede gestellt, dass eine Gleichrangigkeit der Könige allein aus der Anrede akkadisch aΔija „Mein Bruder“ herzuleiten sei. Heute wissen wir, dass Forrer in dieser Frage die richtigen Schlüsse gezogen hat. Bemerkenswert ist auch eine Antwort Gurneys vom 22. Februar 1937, die vermuten lässt, dass die vorsichtigen Zweifel, die Gurney an Forrers Argumentation formuliert hat, von Forrer offenbar als böswillig interpretiert wurden und zu einem – leider nicht erhaltenen – Brief an die Adresse Gurneys führte. Gurney geht auf den Vorwurf der Böswilligkeit wie folgt ein:220 „Übrigens habe ich Angst, dass Sie mir böse sind über meinen letzten Brief. Meine Einwände galten ja nur gegen Ihren „Vorstoß“ gegen Sommer und ich habe sie zu begründen versucht. Sie kennen mich sicher gut genug, um zu wissen, dass ich nicht böswillig bin, und Sie hatten wohl meine Meinung eingeladen.“
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1945 noch Kontakt zu Emil Forrer gehabt hat. Das Nachlassmaterial Forrers gibt darauf keinen Hinweis. Brief von Gurney an Forrer vom 22. Februar 1937, (Dokument 19 der CD-ROM).
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Diese Antwort macht deutlich, wie dünnhäutig Forrer in der AΔΔijawaDiskussion offenbar geworden war, nachdem er sich Götze, Friedrich und Sommer hatte erwehren müssen, dass eine kritische Meinung eines Freundes in einem privaten Briefwechsel, um die er offenbar selbst gebeten hat, zur Unterstellung der Böswilligkeit geführt hat. Der weitere Verlauf dieser Diskussion braucht nun nicht mehr in aller Ausführlichkeit dargestellt werden, da Forrer sich nicht mehr an ihr beteiligt. Sommer, Kretschmer u.a. diskutierten – mit zum Teil erheblichen zeitlichen Abständen zwischen den Publikationen – diese Fragen weiter, ohne dass es zu einer Lösung des „Griechenproblems“ kam. Wie sich aber im Laufe der weiteren Jahre zeigte, wurden im Reigen der zumeist ja berechtigten Kritik auch einige Argumente Forrers von seinen Kontrahenten zu Unrecht abgelehnt. Schon im Jahre 1938 konnte R. Ranoszek221 anhand des Tawagalawa-Briefes aufzeigen, dass der König von Hatti den König von AΔΔijawa als ebenbürtigen König ansah, ein Argument, dass Sommer und Götze nicht zur Kenntnis nahmen. Erwähnenswert ist ebenfalls noch das von Fritz Schachermeyr 1935 vorgelegte Bändchen Hethiter und Achäer.222 Schachermeyr fasst darin die Diskussion bis zum Jahre 1935 zusammen und stellte die verschiedenen Standpunkte in einer Art Synopsis gegenüber. In dieser als Schlichtungsversuch zu bewertenden Arbeit versucht er allen Beteiligten nachzuweisen, dass sie mit mehr oder minder wahrscheinlichen Hypothesen arbeiten. Auch hebt er deutlich hervor, dass bereits frühzeitig „Stimmen sich erhoben, welche davor warnten, in der Polemik gegen Forrer zu weit zu gehen.“223 Auch scheute sich Schachermeyr nicht, Kritik an Sommers AΔΔijawa-Urkunden zu üben, was angesichts der Rezensionen von Friedrich und Götze durchaus bemerkenswert ist: „In einem Punkte kann ich allerdings Sommers Editionsarbeit vielfach nicht beistimmen, nämlich in seinen Ergänzungen zerstörter Stellen. Hier überschreitet er das vom historischen Standpunkte aus gestellte Maß. Was hilft es, wenn er im Gegensatz zu Forrer bei solchen Ergänzungen auf die Zeichenspuren und mutmaßlichen Raumverhältnisse peinlichst Rücksicht nimmt? Wo man ohne hinreichende sachliche Anhaltspunkte gleich halbe Zeilen auf weitere Strecken ergänzt, kommen bei noch so genauer Beobachtung der Formalien nur Vermutungen heraus.“
Die AΔΔijawa-Diskussion gelangte letztendlich zu keiner Entscheidung zu Gunsten der einen oder anderen Seite, die sich in Form eines klärenden umfassenden Forschungsergebnisses dokumentierte. Dies war aufgrund der 221 222 223
Indogermanische Forschungen, Bd. 56, 1938, p. 38 Hethiter und Achäer, Mitteilungen der Altorientalischen Gesellschaft, Bd. 9, Heft 1/2, Leipzig 1935. op. cit., p. 23
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Quellenlage auch nicht zu erwarten. Alle denkbaren Positionen zu den Griechen in den Bo©azköi-Texten waren ausgetauscht. Faktisch kann man festhalten: die deutschsprachige Hethitologie hat viele Jahrzehnte lang die Standpunkte Sommers vertreten und damit zumindest die Griechenhypothese gegen Forrer entschieden obwohl zu dieser eindeutigen und umfassenden Ablehnung der Forrerschen Vorschläge die konträren Positionen Sommers nicht zwingend waren.
Die tieferen Ursachen des Streites Wie bereits in den vorangegangenen Kapiteln dargelegt, bot die Hethitologie in ihren Gründerjahren alle Voraussetzungen für junge wie schon etablierte Wissenschaftler, gleich welcher Ausgangsdisziplin sie entstammten – und dies erscheint mir wichtig herauszustreichen – rasch zu Aufsehen erregenden Ergebnissen zu kommen und sich so vergleichsweise schnell „Ruhm und Ehre“ auf dem Felde der Wissenschaft zu erwerben. Die Chancen, eine erfolgreiche Forschungs- und Universitätskarriere starten bzw. krönen zu können, waren ungleich besser als in den meisten anderen altertumswissenschaftlichen Disziplinen jener Zeit. Weder in der Assyriologie noch in der Indogermanistik oder in der klassischen Altertumswissenschaft gab es in den frühen Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine annähernd vergleichbar günstige Möglichkeit für ehrgeizige Forscher, so schnell an der Spitze der Forschung zu stehen und ein Fach grundlegend mitzuprägen. Es herrschte eine Art Goldgräberstimmung unter den wenigen Gelehrten, die sich auf dieses Feld wagten, geprägt auch von den Aussichten, die dieses neue Terrain der Keilschriftforschung an Möglichkeiten und Karrierechancen bot.224 Darüber hinaus gab es noch keine überragenden Persönlichkeiten, die die Diskussionen bestimmten und die Maßstäbe des Faches definieren konnten, keine beeindruckende Vita eines Einzelnen oder einiger Weniger, die auf mehrere Jahrzehnte fundierter Publikationsund Forschertätigkeit im Rahmen der Hethitologie verweisen konnten – kurz, es gab noch nicht die Autorität, noch nicht den „Papst“ der Hethitologie. Emil Forrer allerdings war zu jenem Zeitpunkt, als die sogenannten AΔΔijawa-Frage Gegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung 224
Wie Hans G. Güterbock, Altorientalische Forschungen, Bd. 24, 1997, p. 25ff. schrieb, war es Hans Ehelolf, der ihn mit eben diesen Argumenten überzeugte, sich der Hethitologie zu widmen. Dort sei noch „alles zu machen“. Auch Forrer wurde in gleicher Weise von Eduard Meyer auf das Hethitische „angesetzt“, wie bereits aufgezeigt (Kapitel 3).
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wurde, sehr nahe daran, für eine solche Autorität gehalten zu werden und zwar über die engeren Grenzen des Faches hinaus. Dies belegt die bereitwillige fast unkritische Übernahme seiner Griechenhypothese bei Althistorikern. Rekapitulieren wir kurz die Situation des Faches zu Beginn des Jahres 1924: Emil Forrer erhielt bereits Mitte 1917 im Auftrag der Deutschen Orientgesellschaft uneingeschränkten Zugang zu den im Berliner Museum aufbewahrten Bo©azköi-Texten. Er hatte dort einen eigenen Arbeitsraum und permanenten Zugriff auf die wenigen schon erstellten Hilfsmittel, die es zu jener Zeit überhaupt für einen Hethitologen gab. In enormer Fleißarbeit verschaffte er sich bis September 1919 einen Überblick über das Material, das annähernd elftausend Tafeln und Tafelfragmente enthielt. In intensiven Tages- und Nachtschichten las er die Texte und legte sich einen umfangreichen Zettelkatalog an, der die Basis für alle seine weiteren hethitologischen Forschungen wurde. Hilfsmittel, die es noch nicht gab, erstellte er sich eben selbst. Bereits 1919 war diese Kartei, nach Angaben Forrers, auf ca. 13.000 Zettel angewachsen. Eduard Meyer griff für eigene Arbeiten auf diese umfangreichen und zu diesem Zeitpunkt einzigartigen Forrerschen Sammlungen zurück. Zahlreiche grundlegende hethitologische Arbeiten sowie detaillierte Einzeluntersuchungen bis zum Jahre 1924 sind mit dem Namen Forrers verbunden. 225 Sogar an der Edition und Herausgabe der Texte in den Berliner Museen war er mit KBo IV beteiligt. Auch hinter den Kulissen der eigentlichen Forschertätigkeit war Forrer in den ersten Jahren eine treibende Kraft. Er ebnete entscheidend den Weg zur Finanzierung und Herausgabe der Keilschrifteditionen durch die Veränderung der Drucktechnik und stellte damit sicher, dass in den schwierigen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, mit ihren enormen wirtschaftlichen Problemen bis hin zur Inflation 1923, überhaupt Texteditionen erscheinen konnten. Ein Verdienst, das nicht nur wenig publik wurde, sondern später ausschließlich Otto Weber, dem Direktor des Vorderasiatischen Museums, zugesprochen wurde. Forrer war 1924 noch immer die zentrale Figur der Hethitologie, trotz eines Bed√ich HroznŸ, der das Hethitische erschlossen hat, trotz eines Ferdinand Sommer oder den jungen aufstrebenden Forschern wie Albrecht Götze oder Johannes Friedrich. Er war über Fach- und Landesgrenzen hinaus als Experte und fundierter Kenner des Hethitischen anerkannt, seine Ideen und Ergebnisse wurden über das engere Fachgebiet hinaus rezipiert. Hinzu kam, dass er als Assyriologe und somit als ausgewiesener Keil225
Vgl. die im Anhang befindliche Publikationsliste mit ihren zahlreichen Einträgen bis 1924 und im Gegensatz dazu die geringere Liste der Publikationen eines Ferdinand Sommer oder anderer Protagonisten der AΔΔijawa-Debatte.
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schriftkundler ausgebildet war, also das philologische Handwerkszeug beherrschte und auch den richtigen „Stallgeruch“ hatte. Er entstammte, wie wir gesehen haben, der Berliner „Delitzsch-Dynastie“, die zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts hervorragende Assyriologen nahezu im Dutzend hervorbrachte. Mit Eduard Meyer als Mentor auf dem Gebiet der Altertumswissenschaften und Alten Geschichte hatte er einen in der damaligen Forscherwelt äußerst klangvollen und einflussreichen Namen in der Reihe seiner Fürsprecher. Und nicht zu vergessen: er hatte auch eine glänzende Dissertation226 im Kerngebiet der europäischen Assyriologie verfasst, die Beachtung und lobende Erwähnung noch acht Jahrzehnte später fand, insgesamt also sehr gute Voraussetzungen, entsprechende Reputation zu erlangen und als führender Fachvertreter in den Augen Anderer zu gelten. Forrers damals kühn anmutende These von der Erwähnung homerischer Griechen in den Texten war geeignet genug, ihn zum führenden Hethitologen der überschaubaren Forscherschar zu machen. Die Ursachen liegen, gerade bei diesem exponierten Streit, nicht allein in der Veröffentlichung einer umstrittenen wissenschaftlichen Hypothese, so kritikwürdig auch Forrers bisweilen phantasievolle Beweisführung war. Auch das Festhalten an längst offen gelegten Fehlern ist ebenfalls nur ein Teil der Wahrheit, wobei er sich dadurch fahrlässig den Vorwurf der Kritikresistenz einhandelte, wie das Beispiel heth. çakijaΔ- zeigt. Neben der offenkundigen inhaltlichen Dissonanzen spielten massiv persönliche Animositäten der beteiligten Forscher eine wichtige Rolle.
Forrer versus Sommer: Das „respektlose Doktorlein“ gegen den Herrn Geheimrat Wie im vorigen Kapitel bereits dargestellt, ist die tiefere Ursache für die scharfe und unausgewogene Kritik Sommers an den Arbeiten Forrers, die bereits 1921 einsetzte, dem Umstand geschuldet, dass Forrer und Sommer am Rande eines Orientalistentreffens in Leipzig massiv aneinandergeraten waren und sich Forrer in Sommers Augen ihm gegenüber „respektlos“ verhalten hat. Sommer erklärte Forrer zur persona non grata und titulierte ihn als respektloses Doktorlein. Forrer hat sich – wenn er auch das subjektive Empfinden hatte, ungerechtfertigt angegriffen zu werden – taktisch ungeschickt und provozierend verhalten und sich in Sommer bereits sehr früh
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H.G. Güterbock, Archiv für Orientforschung, Bd. 33,1986, p. 309.
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früh einen dauerhaften Feind geschaffen.227 Hinzu kommt, dass Forrer sich über die engen Kontakte von Sommer zu Ehelolf bewußt war228 und Sommer vielleicht an dem Scheitern seines Thesaurus-Projektes im Hintergrund mitgewirkt hatte. Auch wenn sich dies nicht direkt belegen lässt – unwahrscheinlich erscheint dies, nach all dem, was wir wissen, nicht. Aus dem akademischen wie gesellschaftlichen Selbstverständnis der frühen Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts ergibt sich auch eine gewisse Hierarchie aus den unterschiedlichen Lebensläufen und der wissenschaftlichen Position, die beide Forscher zu jenem Zeitpunkt einnahmen. Sommer war bereits seit 1902 Ordinarius an verschiedenen Universitäten in der Schweiz und in Deutschland sowie mit dem Ehrentitel „Geheimrat“ versehen. Er hatte mit grundlegenden sprachwissenschaftlichen Forschungen zum Lateinischen, Keltischen und Baltischen bereits eine beeindruckende Forscherbilanz aufzuweisen und dazu aufgrund seines Alters und seines Auftretens auch eine natürliche Autorität, die ja auch praktisch von allen jüngeren Kollegen der Hethiterforschung sofort anerkannt wurde. Sein Wissenschafts- und Publikationsstil atmet eine durch die Schule der klassischen Philologie geprägte Strenge und sachliche Nüchternheit, die sich bis in die Details der Formulierung und der Argumentation widerspiegeln, ohne sich dabei allerdings zu sehr als Laubsäge-Indogermanist zu gebärden.229 Ganz anders dagegen war Forrers in seinem Auftreten sowohl in seiner damaligen beruflichen Stellung als auch in seinem gesamten Wissenschaftsstil. Sein alltägliches Auftreten war eher leger und wirkte in seinem professoral-akademischen Umfeld der preußisch geprägten Universität un-
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Es ist im übrigen bemerkenswert, wie trefflich Szemerényi, Eothen, Bd. 1, 1988, p. 287 in Unkenntnis des jetzt mir zur Verfügung stehenden Materials, schon vermutete, dass die tiefer liegenden Feindseligkeiten evtl. „on a hasty word of the young men“ zurückgehen könnten. Wie Wilhelm Wissmann, In: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1962, p. 183 in seinem Nachruf auf Sommer sogar schreibt, wurde Hans Ehelolf ein „selbstloser und aufopfernder Freund“ für Sommer. Sommer gilt als Forschertyp, der sich ausschließlich und sehr umfangreich mit morphologischen Detailproblemen aus dem Bereich der Indogermanistik befasst und dabei jedes noch so winzige Segment breit zerlegt (Laubsäge) und in extenso untersucht. Trotz gewisser Tendenzen Sommers manchmal zu diesem Typ zu neigen, muss man feststellen, dass er letztendlich nicht als ein solcher gelten kann. Im Gegensatz dazu hätte man Forrer bei manchen Untersuchungen etwas mehr „Laubsägearbeit“ gewünscht. Dieser studentische Terminus bescheibt einen Typus Sprachforscher, der sich ausführlich mit morphologischen Detailproblemen befasst und jedes noch so winzige Segement „zersägt“.
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passend bis aufreizend. 230 Forrers jugendlicher Drang und Temperament, das sicher seinem Naturell entsprach und sich auch in den Forschungsarbeiten wiederfindet, stand im Gegensatz zu der nüchternen Sachlichkeit, die Sommer pflegte. Dies zeigen auch die Formulierungen, die Sommer immer wieder in verschiedenen Rezensionen zu Forrers Arbeiten wählte. Sommer passte die ganze Art des jungen Schweizers nicht. Die Auseinandersetzung in Leipzig hat sicherlich nur Sommers bereits vorhandene Auffassung bestätigt. Forrer hat es verpasst, das Angebot Sommers anzunehmen und hierin auch einen taktischen Vorteil für seine Position im Rahmen der Hethitologie zu sehen. Das Ergebnis wäre konstruktiv statt konfrontativ gewesen, wobei die Unterschiedlichkeiten der Charaktere ebenso die Gefahr des Streites aus nichtigstem Anlass wahrscheinlich machen. Wäre er aber auf das Angebot Sommers eingegangen, um die grundsätzlichen Fragen für die Weiterentwicklung des Faches gemeinsam und vernetzt mit den übrigen Forscherkollegen anzugehen, wäre vielleicht – aber dies ist spekulativ – eine andere berufliche Entwicklung sowie eine andere Entwicklung des Faches möglich gewesen. Forrer jedenfalls hat es versäumt Teil eines Netzwerkes zu werden, dass nun nicht nur ohne ihn, sondern gegen ihn funktionierte. Für Forrer, dies zeigt ein Brief an Piero Meriggi231, war Sommer die entscheidende treibende Kraft, die ihn in gesicherten wissenschaftlichen Positionen zu verhindern wusste. Entsprechend negativ sind die gewählten Attribute. „Mein Hauptgegener, der mir ein Jahrzehnt lang jedes Vorwärtskommen in Deutschland sabotiert hat, ist der Indogermanist Ferd. Sommer in München (auch Gegner von Kretschmer), ein Neidhammel und engstirniger Buchstabenfuchser ohne Horizont und daher auch ohne Verständnis für das Gewicht auch unphilologischer Gründe, aber Mitglied der Müchener Akademie, die ihm alles druckt und mit Walter Otto (München) und Ed. Schwarz ebenda als Helfern, von denen der Letztere schon bei meinem 1. Habilitationsverfahren in München vor etwa 15 Jahren einem Kollegen kategorisch erklärt hat, er werde keinen Forrer sich habilitieren lassen. Er hatte in Strassburg nämlich einmal einen Streit mit meinem Vater, in dem dieser recht behielt, was er ihm nie verziehen hat und mir nachträgt. 230
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Charakteristisch dafür ist die Episode, die sein ältester Sohn im Interview schilderte, dass nämlich Forrer unter anderem auch deswegen bei den Respektabilitäten und Magnifizenzen der Universität negativ auffiel, weil er „im Schweizer Stehkragen“ und im Sommer mitunter in kurzen Hosen seinen akademischen Unterricht abhielt. In den Augen des damaligen Umfeldes wurde dies bestimmt nicht nur einfach als persönliche oder exzentrische Note aufgefasst. Dieser Brief trägt das Datum 13. September 1938 und ist auf dünnem Pergamentpapier geschrieben, der einen Durchschlag des Originals darstellt. Daher scheint die Rückseite dieses Briefes auch störend durch. Siehe auch Dokument 20 der CDROM.
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Das Netzwerk Ehelolf, Sommer, Friedrich und Götze sowie die organisatorischen Veränderungen in der Vorderasiatischen Abteilung Nachdem Forrer bis Ende 1920 – also bis einschließlich der Fertigstellung von KBo IV– eine zentrale Rolle im Museum gespielt hatte und eng mit dem Direktor Otto Weber zusammenarbeitete, betrafen ihn die 1921 von ihm teilweise mit initiierten und von Weber vorgenommen organisatorischen Veränderungen unmittelbar. Forrer verlor Schritt für Schritt seinen Einfluss auf die Einsichtnahme in die Texte und Hans Ehelolf, der sich quasi komplementär mit Hilfe Forrers etablierte, war nun das Nadelöhr für ihn. Ehelolf wurde Schritt für Schritt der neue Herr der Texte. Der bisher uneingeschränkte Zugriff Forrers fand schlicht ein reglementiertes Ende durch Weber und Ehelolf. Auch dass die Edition der Texte nun auf den hauptamtlichen Mitarbeiter Hans Ehelolf übertragen wurde, nahm Forrer die wichtige Möglichkeit, weiter im Rahmen von Werkverträgen an der Edition mitzuwirken, und für eine feste Anstellung fehlten dem Museum die Mittel. Folglich findet sich der erste Antrag Forrers auf ein Stipendium an die Berliner Universität zu seiner finanziellen Absicherung auch im Jahre 1922. Ehelolf war nun die zentrale Figur, was den Zugang zu den Texten in der Vorderasiatischen Abteilung betraf. Wer auch immer unpubliziertes Textmaterial einsehen wollte, musste sich an Ehelolf wenden. Eine Situation, die Forrer gewiss missfiel, musste auch er sich doch von diesem Zeitpunkt ab an Ehelolf wenden, um – wie gewohnt – Einsicht zu erhalten. Viel entscheidender für ihn war aber der frühe Verlust seiner bisher zentralen Position im Wissenschaftsbetrieb der Hethitologie, die ja bis dato ausschließlich in der Vorderasiatischen Abteilung des Berliner Museums angesiedelt war. Und Ehelolf war qua Amt die zentrale Schnittstelle geworden und hatte Forrer ersetzt. Hinzu kommt das Scheitern des Planes von Eduard Meyer und Forrer, ein hethitisches Thesaurus-Projekt zu initiieren, das ja von Ehelolf aufgegriffen und offiziell weiterverfolgt wurde – ohne Erfolg, wie wir wissen. Wieder vermutet Forrer darin eine Intrige Ehelolfs und auch Webers sowie den Tatbestand des Diebstahls geistigen Eigentums. Ehelolf wird somit endgültig zum Feindbild. Wie aber mit einem Mann kooperativ zusammenarbeiten, den man wissenschaftlich gering schätzt und den man für den Drahtzieher von Intrigen gegen die eigene Person hält? Als Forrer dann auch noch seinen Arbeitsraum im Museum zugunsten einer Dienstwohnung Ehelolfs im Museum verlor, war das Band zwischen Ehelolf und ihm spätestens an diesem Punkt vollends zerschnitten und in
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den Augen Forrers war natürlich Ehelolf die „böse“ und treibende Kraft hinter dieser Maßnahme. In einem Brief an den NS-Dozentenbundführer Dr. Steinbeck fällt erwartungsgemäß kein gutes Licht auf Ehelolf, hatte der Brief doch den Zweck, diesen als Konkurrenten möglichst schlecht aussehen zu lassen.232 „Jetzt hielt Ehelolf die Zeit für gekommen, mir meine Arbeitsmöglichkeit im Museum zu nehmen. Das verlief folgendermassen: Die ägyptische Abteilung, zu der mein Arbeitszimmer (=DOG-Zimmer) gehörte, wurde von ihrem Director Prof. Schaefer zurückverlangt mit der Begründung, dass die ägyptische Abteilung es wegen der Knappheit ihrer Räumlichkeiten benötige. Nachdem ich es geräumt hatte und nunmehr ohne Arbeitsplatz im Museum war, wurde mein bisheriges Arbeitszimmer, das ich aus einem Schuppenraum mit primitiven Mitteln etwas wohnlicher gemacht hatte, neuzeitlich ausgebaut und möbliert und Herrn Dr. Ehelolf als Arbeitsraum überwiesen. Der anstossende Teil der ägyptischen Abteilung wurde zur Privatwohnung nicht etwa des Directors der Ägypt.-Abteil.. sondern von Herrn Dr. Ehelolf umgebaut, wo er noch jetzt mit seiner Frau, der früheren Photographin der Vorderasiat. Abtlg. kinderlos wohnt. Auf meine damalige Frage an Prof. Schaefer, wie er das für recht halten könne, erhielt ich zur Antwort, dass das Museum in erster Linie für die Museumsbeamten da sei (!), während ich vergeblich die Meinung vertrat, dass es für die Wissenschaft da sei und alle Menschen, die dafür Sinn haben. Dass Prof. Schäfer und Prof. Güterbock (DOG) diesem Schelmenstreich ihre helfende Hand geliehen hatten, versetzte meinem Vertrauen einem solchen Stoss, dass ich ihn bis heute nicht überwunden habe und von da an das Museum mied.“
Und im gleichen Schreiben an anderer Stelle heißt es: „Dieser letztere (gemeint ist Ehelolf, Anm. des Verf.) hatte mit einer völlig ergebnislosen Arbeit über „ein Wortfolgeprinzip im Assyrischen“ in Marburg promoviert. Andere wissenschaftliche Leistungen lagen nicht vor. Auch hatte er damals im Jahre 1923 noch keine Ahnung von der hethitischen Sprache, deren Keilschrift er vielmehr erst nachträglich an Hand meiner „Keilschrift der Boghazköi-Texte“ (1922) und meiner Grammatik (1922) erlernte. Prof. O. Weber und Dr. Ehelolf übernahmen in jener Wörterbuch-Sitzung die Verpflichtung, innerhalb 3 Jahren einen Wort-Index zu den 6 Heften der „KeilschriftTexte aus Boghazköi“ und fortlaufend zu je 5 Heften der Keilschrifturkunden aus Bogh. zu liefern. (Das Protokoll darüber muss bei der DOG und der Notgemeinschaft vorhanden sein). Die Veröffentlichungsmöglichkeit solcher Indices, die allen Forschern die Mitarbeit aus Wörterbuche ermöglichen sollte, hatte die Vorderasiatische Abteilung ja durch meine eben dargelegte Art des Selbstverlages, wie es 232
Dieser lange Brief vom 3. November 1939 ist im Kontext der Bewerbung von Forrer und Ehelolf um die Nachfolge von Bruno Meissner zu sehen und es ist nicht ganz klar, warum Forrer zu einer Stellungnahme über Hans Ehelolf aufgerufen war. Angesichts der gepflegten Feindschaft und der Konkurrenzsituation in diesem Bewerbungsverfahren sind die Aussagen mit Vorsicht zu werten. Sihe Dokument 4 der CD-ROM.
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sich bereits 1923 für die „Keilschrifturkunden aus Boghazköi“ vorzüglich bewährt hatte. Als Prof. Weber 1925 starb und W. Andrae Director und Ehelolf Custos für die Keilschrifttexte wurde, war letzterer allein verantwortlich für die Verwendung öffentlicher Mittel für das hethitische Wörterbuch und dessen Ausführung. Ergebnis: keine einzige der übernommenen Verpflichtungen wurde erfüllt. Die öffentlichen Mittel dienten ganz allein der Anlage einer Stellensammlung für den privaten Gebrauch Ehelolfs.“
Über Ehelolf ganz allgemein sowie die bereits angesprochene ThesaurusAffäre lässt sich Forrer ebenfalls in dieser „Anklageschrift“ aus und bemängelt, dass von den seinerzeit übernommenen Verpflichtungen und Zeitvorgaben, die Ehelolf eingegangen sein soll – trotz der finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten des Museums zum Zeitpunkt der Briefabfassung, also 1936, nichts umgesetzt worden war. Forrer verschwieg aber bewußt, dass Ehelolf auf dem Gebiete der Keilschrifteditionen viel Grundlagenarbeit geleistet hatte und beständig hethitische Texte in KUB veröffentlichte. Auch überschätzt Forrer wider besseren Wissens die finanziellen und personellen Möglichkeiten der Vorderasiatischen Abteilung. Gleichzeitig mit den genannten organsiatorischen und personellen Veränderungen stiegen weitere Forscher, allen voran Sommer, aber auch Götze und Friedrich in die Hethitologie ein. Dies bedeutete zwangsläufig, dass dieser Kreis Kontakt zur Vorderasiatischen Abteilung und zu den Tafeln suchte, was ebenso bedeutete, dass Ehelolf von ihnen kontaktiert wurde. Die Briefe belegen, dass sich Sommer ab dem Jahre 1921 regelmäßig zu Besuchen in Berlin befand und in der Vorderasiatischen Abteilung bei Ehelolf zu Besuch war. Auch 1922 bei den Verhandlungen zum hethitischen Thesaurus-Projekt weilte Sommer in Berlin. Sommer nutzte die vorlesungsfreien Zeiten auch zu mehrwöchigen Arbeitsaufenthalten, wie Forrer mehrfach in Briefen an seinen Bruder und auch an Freunde erwähnt. In einer Notiz vom 1. Juni 1926 an Ernst F. Weidner, der Forrer ein Treffen im Museum vorgeschlagen hatte, schreibt Forrer: „... möchte ich vorschlagen, uns an geeigneterer Stelle zu treffen, da Geheimrat Sommer schon seit einer Woche bei Ehelolf und im Museum weilt und ich keine Lust an Reibereien und Sticheleien mit dem Duo verspüre. Ich meide immer das Museum, wenn Sommer in Berlin Station macht.“
Es entwickelte sich eine innige Freundschaft zwischen Ehelolf und Sommer, die über das rein fachliche hinausreichte. Der Kreis wurde temporär auch erweitert, z.B. wenn HroznŸ in Berlin zu Besuch war oder aber auch
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als Götze zum ersten Male 1924 in Berlin forschte. Zumindest informell gehörte auch Johannes Friedrich zu diesem auserwählten Kreise. 233 An seine Bekannte Thea Brauckmann234 schreibt Forrer in einem Brief, der ansonsten keine hethitologischen Bezüge aufweist: „...derweil ist es mit der Hethiterforschung unerfreulich. Einige Herren meines Faches legen, im Gegensatz zu mir, dem Geheimrat Sommer beständig ihre Arbeiten zur Korrektur vor und sichern sich so seine Milde in den anschließenden Besprechungen – wie Pennäler, die ihrem Lehrer ihre Ausarbeitungen vorlegen. Und weil ich ein Rückgrat habe, bin ich ein dankbares Ziel ihrer ungerechtfertigten Kritik. Dies verleidet mir zunehmend die Arbeitsfreude, man ist sich ja einig gegen mich.“
Und von Eduard Meyer an Forrer heißt es, offenbar im Hinblick auf eine gemeinsame Terminfindung am 16. Januar 1928, kurz: „...am kommenden Sonntag treffe ich mich mit Prof. Sommer, der für einige Tage in Berlin im Museum zu tun hat. Vielleicht ist Ihnen der Sonntag darauf ja angenehm?“
Die Hinweise auf dieses gut funktionierende Netzwerk sind auch in den Rezensionen und diversen Veröffentlichungen, vor allem von Sommer, aber auch bei Götze und Friedrich klar zu belegen. Als Gemeinschaftsarbeit publizierten 1924 Ehelolf und Sommer die Bearbeitung des „Papanikri-Rituals“235, das in zwei Teilen in der Reihe der Mitteilungen der Vorderasiatisch-Aegyptischen Gesellschaft erschienen. Auch die Staatsverträge des ˆatti-Reiches in hethitischer Sprache236 von Friedrich enthalten im Vorwort den Hinweis, dass die Arbeit im Jahre 1924 von Ehelolf, Sommer und Götze einer Korrektur unterzogen worden ist. Ebenso schreibt Götze im Vorwort seines Hattuçilis-Bandes237, dass seine ebenfalls 1924 konzipierte Fassung vom gleichen Trio redigiert wurde. Einzig Emil Forrer arbeitete für sich allein – ohne Netzwerk. Er legte seine Arbeiten nicht vor, was man ihm in Anbetracht seines späteren beruflichen Werdeganges vielleicht aus heutiger Sicht angeraten hätte. Hans Gustav Güter-
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Forrer nannte diesen Kreis, zu dem er als persona non grata nicht gehörte, in einem Brief an seinen Bruder Robert etwas verächtlich „den Suppenzirkel“, anspielend auf die Tatsache, dass Frau Ehelolf den an den Tafeln arbeitenden Forschern gelegentlich mittags eine stärkende Suppe servierte. Dass hier nicht ausschließlich über Philologisches gesprochen wurde, sondern ebenso Politik gemacht wurde, argwöhnt Forrer möglichweise zurecht. Der Brief trägt das Datum 4. Mai.1929. Boghazköi-Studien, Bd. 10, 1924. Mitteilungen der Vorderasiatisch-Aegyptischen Gesellschaft, Bd. 31.1, 1926 und Bd. 34.1, 1930. Mitteilungen der Vorderasiatisch-Aegyptischen Gesellschaft, Bd. 29.3, 1925.
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bock238 hat in einem Erinnerungsartikel an diese Zeit bemerkt: „Ob Ferdinand Sommer auch in diesen Räumen (gemeint sind Räume im Obergeschoss des Säulenganges im Berliner Museum, der Verf.) gearbeitet hat, ist mir nicht erinnerlich. Als er seine Ahhijava-Urkunden vorbereitete, studierte er die Tontafeln zusammen mit Ehelolf in dessen Amtszimmer.“ Später, im Kampf um die Nachfolge Bruno Meissners und den Lehrstuhl der Berliner Assyriologie, als sich Ehelolf und Forrer bis aufs Messer bekämpfen sollten, wird genau dies in einem über Forrer eingeholten Gutachten bestätigt. Dort heißt es, Forrer habe es versäumt, sich nützliche Freundschaften zu schaffen. (Siehe dazu ausführlich Kapitel 7.) Im Hinblick auf die in der AΔΔijawa-Frage häufig beklagte Situation, interessanterweise aber auch die in anderen Zusammenhängen immer wieder von Sommer vorgebrachten Klage, dass die Texte nicht zugänglich seien, stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage: Kann es sein, dass Ehelolf dem erlauchten Kreis nur bereits veröffentlichtes Material in Berlin gegeben hat oder wurde hier nicht schlicht verschwiegen, dass es einen „inneren Kreis von Eingeweihten“ gab, der nicht offen zugeben konnte oder wollte, ebenfalls den Vorteil zu besitzen, in unpubliziertes Textaterial Einsicht nehmen zu können? Grundsätzlich waren die Texte ja eigentlich jedem seriösen Forscher zugänglich, wenn man offiziell in Berlin anfragte, einen Termin mit Ehelolf vereinbarte und nicht in Material Einsicht nehmen wollte, dass gerade durch einen Forscherkollegen bearbeitet wurde. Es war Sommer, der schon frühzeitig kritisierend in seinen Rezensionen darauf hingewiesen hat, dass andere Forscher wie HroznŸ und Forrer unpubliziertes Material verwenden, das anderen Kollegen nicht zugänglich sei.239 Nun hatte er in den Jahren des AΔΔijawa-Streites durch die Freundschaft mit Ehelolf und des erwähnten Kreises von Mitforschern selbst die Möglichkeit der Einsicht in die fraglichen Texte, wollte dies aber offenbar nicht zugeben. Dabei hatte er im Vorwort der Bearbeitung des PapanikriRituals explizit darauf hingewiesen, dass er „offenen Einblick in die Werkstätte“240 gewähren wollte. Es galt nach seinen Worten zu verhindern, dass 238 239
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Altorientalische Forschungen, Bd. 24, 1997, Erinnerungen an das alte BoghazköiArchiv und die Landschenkungsurkunde VAT 7436, p. 26. Schon in der Rezension zur HroznŸ 1921, Orientalistische Literaturzeitung, Bd. 24, p. 316 heißt es: „Bis auf weiteres! Müssen wir auch hier wieder den „Schrei nach dem Material“ ausstoßen.“ Und auf p. 317 noch deutlicher: „Doch genug davon! Was ich zeigen wollte, ist ja nur, dass die Art und Weise, wie HroznŸ und auch Forrer unveröffentlichte Quellen verwenden, der Be- und Verwertung ihrer Arbeiten bei anderen Eintrag tun muss, solange nicht die Grundlagen mit beigegeben werden.“ Zum Zeitpunkt des Erscheinens hat Sommer wohl tatsächlich keinen Zugriff auf unpublizierte Texte gehabt. Boghazköi-Studien, Bd. 10, 1924 Vorwort S. IV.
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Die AΔΔijawa-Frage und die Geografie des Hethiterreiches
„die Hethitologie eine Art Geheimlehre wird, bei der nicht einmal die Adepten wissen, woran sie miteinander sind.“ Warum er allerdings in der AΔΔijawafrage – ebenso wie Götze – von verschlossenen und nicht zugänglichen Quellen gesprochen hat, bleibt Mutmaßung.
Die drei Habilitationsversuche – ein Makel in den Augen Sommers? Wie bereits aufgezeigt, war Forrer zum Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung seiner „Griechenhypothese“ im Jahre 1924 noch nicht habilitiert, hatte aber bereits zwei gescheiterte Versuche hinter sich. Die in München bei F. Hommel eingereichte Arbeit Über ein assyrisches Großreich um 2185 v. Chr. war von den Korrektoren in Grund und Boden gestampft worden, so dass Forrer bald wieder München verließ und nach Berlin zurückkehrte. Aber auch dort scheiterte ein Versuch, sich zu habilitieren, was Forrer wiederum nicht sich selbst, sondern Bruno Meissner anlastete. Aus dem schon mehrfach zitierten Brief an Eduard Meyer241 erfahren wir: „Zehn Jahre sind es her, dass ich mich zum ersten Male habilitieren wollte. Ich glaubte dazu etwas besonderes, tüchtiges schreiben zu sollen: das Weltreich des Çarrukin von Assur. Die Chronologie (Kuglers) war falsch, aber alles historische ist durch die inzwischen neuerschienen Texte nur bestätigt worden. Ich stehe voll & ganz hinter dieser unabänderlich wichtigen Arbeit. Aber den in München herrschenden Doktrinarismus ist für neue Erkenntnisse kein Raum. Inzwischen hat sich Th. Bauer dort mit einer Arbeit habilitiert, deren historischen Teil ich nicht einmal als Seminararbeit durchgehen lassen würde & wie Poebel nachweisen wird lauter falsches behandeln wird. Aber dafür hat er auch einen Lehrauftrag erhalten! Also nahm ich mir vor, eine möglichst durchschnittliche Arbeit zu schreiben die 242 Inschr. & Spr. d. H. R. Leider hatte ich dabei – zum 2. Male – riesig viel neues entdeckt, was übrigens die Belastungsprobe restlos ausgehalten hat. Um ganz sicher zu gehen, dass wissenschaftlich an der Arbeit nichts auszusetzen ist, veröffentlichte ich sie vorher. Damit nun auch die Kräfte wissenschaftlicher Natur, die bei einer Habil. mitwirken mir keinen Strich durch die Rechnung machen, verzichtete ich auf die Venia für Assyrisch und vertraute auf Ihre Machthilfe. Ergebnis: die nach menschlichem Ermessen sichere Habil. wie Sie sich ausdrückten, schlug fehl. Durch meine Münchener Erfahrung verhärtet, habe ich es nicht so schwer genommen & eigentlich hat es mich menschlich getröstet, dass Sie es so schwer nehmen. Aber es hat meinem Glauben an die Gerechtigkeit der Universität den Rest gegeben. 241 242
Brief vom 28. April 1928. Gemeint ist: Die Inschriften und Sprachen des Hatti-Reiches, Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 76 (N.F. 1) , 1922, p.174–269
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Beim dritten Mal bemühte ich mich, eine Habil.-Arbeit zu schreiben, die nach meinem Empfinden sich auf dem Niveau einer Seminararbeit hält; die Arzawa-Länder. Wobei ich nicht vermeiden konnte – so sehr ich es bewußt wollte – das ich doch eine Menge Neues dabei zu Tage förderte und dabei die Griechenentdeckung machte. Dadurch kam mir plötzlich die Eingebung mit Hilfe dieser Tatsache die öffentliche Meinung derartig für mich zu gewinnen, dass es Meissner und seinen Helfern unmöglich sein würde, mich ein drittes Mal zu Fall zu bringen. Die Rechnung stimmte!“
Die Antwort mit der Einschätzung Eduard Meyers ist dem Antwortschrieben vom 6. Mai zu entnehmen.243 Man kann sicher davon ausgehen, dass die Kunde von den gescheiterten Versuchen Forrers sich zu habilitieren, auch bis zu Sommer, Ehelolf, Götze und anderen vorgedrungen ist. Es bleibt natürlich spekulativ, ob dies den jungen Schweizer in den Augen Sommers diskreditierte, in jedem Falle wurde Sommers Einschätzung vom „begrenzten Können“ Forrers bestätigt. In manchen Äußerungen glaubt man durchaus, dass Sommer auf diese gescheiterten Habilitationsversuche anspielt, etwa wenn er über Forrers „aufgepuffte Arbeiten “ schreibt.244 Positiv haben die gescheiterten Versuche sicher nicht zu Buche geschlagen, sondern passen als weitere Mosaiksteine in die allgemein negative Beurteilung Forrers durch Sommer.
Gab es unmittelbare negative berufliche Auswirkungen der AΔΔijawa-Diskussion für Forrer?245 Was also hat es mit der Frage auf sich, ob Forrer aufgrund der Diskussion um die Griechen in den hethitischen Texten Schaden genommen und berufliche Nachteile erlitten hat? War er – wie Szemerényi in dem erwähnten Artikel zu Forrer schrieb – mit einem Makel versehen, weil Sommer und andere ein negatives Urteil über ihn gefällt hatten? Lässt sich feststellen, dass Forrer nicht auf eine unbefristete Stelle berufen wurde, weil er Auslöser und Teilnehmer der AΔΔijawa-Debatte war? Wurde ihm aufgrund dieser Debatte eine akademische Karriere unmöglich gemacht?246 243 244 245
246
Siehe p. 132f Kleinasiatische Forschungen Bd. 2, 1930, p. 354. So ist es immer wieder behauptet worden, siehe O. Szemerényi, 1988, Eothen, Bd. 1, p. 257–294 und D. Groddek, 2004, Emil O. Forrer – Ein bewegtes Leben im Dienste der Forschung, in: Çarnikzel, Dresdener Beiträge zur Hethitologie Bd. 10, p. 18. DieseVermutung findet sich auch noch heute in der Literatur, wie der schon zitierte Beitrag N. Oettingers in Çarnikzel, Dresdener Beiträge zur Hethitologie Bd 10, 2004, p. 497 zeigt. Dort heißt es, „dass die damalige Fachwelt sich dem vernich-
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Letzters ist mit einem Nein zu beantworten, allerdings muss man ein kleines „aber“ hinzusetzen. Wie die weitere Karriere Forrers zeigt, erhält er 1929 ein Angebot des Oriental Institutes der Universität Chicago, das Forrer auch annimmt. Dort wirkte er von 1929 bis 1932 im Range eines Associate Professor. Seitens des Oriental Institutes in Chicago gab es offenbar keine Bedenken gegen Forrer als Wissenschaftler aufgrund der hitzigen AΔΔijawafrage. Auch die Anschluss-Angebote in den Vereinigten Staaten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am Oriental Institute z. B von der Johns-Hopkins Universität in Baltimore oder des Brywn Mawr College in Pennsylvania zeigen, dass es keinen unmittelbaren Karrierebruch für Forrer gab, denn die Diskussion wurde auch in den Vereinigten Staaten verfolgt und es zeichnete sich schon 1926 ab, also schon vor dem Erscheinen von Sommers „Ahhijava-Urkunden“, dass Forrer mit seiner These stark in der Kritik stand und dass dieses Thema sehr kontrovers diskutiert werden würde. Und in Deutschland? Die Hethitologie in Deutschland bot generell wenig Aussicht, alsbald zahlreich zu besetzende Lehrstühle zu erhalten, so dass die nicht gelungene Unterbringung Forrers im bezahlten Wissenschaftsbetrieb schlicht auch ganz allgemein mit den üblichen Problemen der kleinen Fächer zu tun hatte. Zum einen gab es in der Altorientalistik reichlich spezialisierte Konkurrenz – und Forrer hatte seit 1919 hauptsächlich auf dem Gebiete der Hethitologie gearbeitet und publiziert, zum anderen wurde die Hethitologie meist im Rahmen der Indogermanistik vertreten, für die Forrer definitiv nicht qualifiziert war. Wie später noch ausführlich zu zeigen sein wird, war das nationalsozialistisch geführte Wissenschaftsministerium in Berlin durchaus gewillt, Forrer zum „Dozenten neuer Ordnung“ zu ernennen, was einer verbeamteten Festanstellung gleichkam, ohne dass man die AΔΔijawa-Frage als Maßstab für eine Wertung der Person Forrers negativ heranzog. Die Verbeamtung scheiterte – wie noch zu zeigen ist – an der Schweizer Staatsbürgerschaft Forrers, die er nicht aufzugeben bereit war. Das „aber“ zeigt sich schließlich im Besetzungsverfahren bei seiner Kandidatur um den Lehrstuhl der Berliner Assyriologie 1936, als u.a. der Althistoriker Wilhelm Weber eine negative Stellungnahme zu Forrer als Person und Forscher abgab. Das über Forrer erhaltene Material aus dem _____________
tenden Urteil einer einzigen Autorität anschloß und dessen wissenschaftliche Karriere verhindert hat.“ Und auf Seite 497 in der Fußnote 2 derselben Arbeit heißt es: „daß Ferdinand Sommer in seinen Schriften „Die Ahhijava-Urkunden“ und „Ahhijava-Frage und Sprachwissenschaft“ in objektiv nicht gerechtfertigter Weise Emil Forrer in Grund und Boden kritisiert und damit seine wissenschaftliche Existenz vernichtet hat.“
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Archiv der Humboldt-Universität Berlin, enthält diverse Stellungnahmen von Professoren der Philosophischen Fakultät an den Reichsminister für Erziehung und Wissenschaft, die – durchaus auf die AΔΔijawa-Diskussion abhebend – zu einer differenzierten Beurteilung Forrers kommen. So schreibt der nicht namentlich genannte Dekan der Fakultät mit Datum vom 16. Mai 1938: „Das er, obwohl er seit 1925 habilitiert ist, noch keine Berufung erhalten hat, ist doch wohl in der Art des Faches begründet, für das eben nur wenige Lehrstühle bestehen. Als Wissenschaftler mag Forrer zu dem Typus gehören, der es zuweilen an der wünschenswerten Selbstkritik und Vorsicht fehlen läßt und der sich dann vergaloppiert.“
Noch sehr viel drastischer wird Wilhelm Weber in seinem offiziellen Schreiben, das Forrer vermutlich geschadet hat und aus nicht klaren Motiven die gebotene Objektivität vermissen lässt, wenn auch seine Charakterisierung Forrers nicht unzutreffend ist:247 Euer Spektabilität! Zu der Anfrage betr. der wissenschaftlichen Eignung des Doz. Dr. Forrer, die ich wegen meiner 9 tägigen Fahrt mit den Studenten ins Rheinland erst heute beantworten kann, habe ich folgends zu sagen: Forrer, der als Schweizer im Krieg die Möglichkeit hatte, das damals noch unpublizierte Boghazköi-Material im Staatl. Museum durchzuarbeiten, hat bekanntlich im Jahre 1923 durch seine Achäerthese viel Aufsehen erregt: Selbst Eduard Meyer ließ sich von ihr zuerst bestechen. Aber die mannigfachen Bedenken der spezialistischen Hethitologen, die sich schließlich zu dem großen Werk F. Sommers verdichtet haben, haben von den zahlreichen Einzelthesen Forrers nicht allzuviel mehr übrig gelassen. Forrers Versuche, die späthethitischen Denkmäler mit „Bilderschrift“ zu entziffern (er bezeichnete mir gegenüber 1932 als definitive Lösung!) sind ebenfalls von niemand, der von diesen Dingen etwas weiß, anerkannt worden, die rasch sich mehrende Literatur über dieses Problem zeigt dazu zur Genüge, daß augenblicklich eine Lösung noch kaum zu erwarten ist. Andere Versuche Forrers, die die alte Geographie Altkleinasiens angehen, sind von Gelehrten wie Götze, Friedrich und Sommer ebenfalls auf das energischste bekämpft worden, weil entweder interpretatorische Schwierigkeiten dazu zwingen oder die sachliche Lage das „Ignoramus“ fordert. Von mehreren Reisen, die Forrer in Ostkleinasien und Syrien unternahm, hat er bis jetzt nur eine mit einer kurzen Bemerkung versehene Karte vorgelegt, in der die von ihm „gefundenen“ oder von anderen schon beobachteten Hüyüks eingetragen sind. Ein kritisches Urteil über sie verbietet sich solange, als die Einzelforschung von seiner Seite nicht vorliegt. Eine größere zusammenhängende Darstellung, aus der man seine Fähigkeiten als Historiker beurteilen könnte, liegt aus der neueren Zeit m.W. nicht vor. Aber vielleicht ist es, so247
Offizielle Stellungnahme Wilhelm Webers zur Person Forrer vom 22. Oktober 1937. Siehe auch Dokument 21 der CD-ROM.
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Die AΔΔijawa-Frage und die Geografie des Hethiterreiches weit ich urteilen kann, bei Forrer weniger als bei anderen möglich, die wissenschaftlichen Leistungen von der Gesamtpersönlichkeit zu trennen. Über diese habe ich mir – ich kenne ihn seit etwa 1925 – bei verschiedensten Gelegenheiten ein Bild zu machen versucht, nachdem ich zuerst selbst mich von seiner Achäerthese habe kurze Zeit gefangen nehmen lassen. Er ist, wie sich mir aus allem ergab, ein äußerst selbstbewußter Mann mit einem Stich in die Eitelkeit, die ihm die Selbstbescheidung und Selbstkritik raubt. Rasch in Hypothesen, fahrig in seinem Wesen, so in seinem Denken nicht phantasievoll, sondern leicht zu phantastischen Spekulationen neigend, wohl draufgängerisch, aber ohne die Neigung sich selber und die Grenzen des Erkennens zu beachten, scheint er mir gerade in seiner Spezialwissenschaft, die doch erst im Aufbau begriffen ist und darum von jedem als erstes Gebot größte Selbstzucht fordert, nur darum der umstrittenste zu sein, weil er sich keine Zügel anzulegen weiß und wie er neuerdings in Klio 1937, 181 A.1 wieder zeigt, selbst auf so ernste und schwerwiegende Untersuchungen wie Sommers Arbeiten nur überheblich, ohne Gegengründe, fast ohne die Neigung, von anderen etwas zu lernen, antwortet, d.h. an seinem heftig bestrittenen Standpunkt festhält. Nüchterne Studenten, die bei ihm hörten, sind von ihm weggegangen, weil sie, wie einer es mir formulierte, nicht ewig im „Hypothesengewölk“ bleiben wollen. Ob er je Aussicht hat, nach so langer Dozententätigkeit ein Ordinariat zu erhalten, ist mir fraglich. Manchmal fragte ich mich auch, warum er nicht in Amerika blieb und frage mich, warum er um jeden Preis bei uns vorankommen will, da doch sein Vater, der bis 1918 Deutsch schrieb, seitdem sich eifrig in französischer Sprache über L'Alsace Romaine betätigt, und er selbst in einem Gespräch nach seiner Rückkehr aus Amerika Ansichten äußerte, die mir ein echtes Verhältnis zum neuen Deutschland zweifelhaft erscheinen ließen. Bei allem guten Willen kann ich angesichts des Gesamtbildes keine Befürwortung aussprechen, umso weniger, als ich zugleich daran denken muß, daß es in Deutschland genug Jüngere gibt, die in a l l e m klarer und hoffnungsreicher sind und irgendwie gefördert werden müssen. Heil Hitler Gez. Prof. Weber“
Dass Forrer als Forscher galt, der kühne und gewagte Hypothesen vertritt, lässt sich auch anhand eines Briefes an das Außenministerium ersehen, den Forrer offenbar als Reaktion auf eine Unterredung geschrieben hat.248 Darin rechtfertigt er in weit ausholender Weise und unter Hervorhebung seiner wissenschaftlichen Leistungen, dass es kühne Hypothesen braucht, um gegen „wissenschaftliche Vorurteile“ neue Erkenntnisse durchzusetzen. Der Brief enthält auch seine Sichtweise über die „Ehrabschneidung“ durch seine wissenschaftlichen Gegner, in erster Linie Götze, die ihm in seinem Ruf sehr geschadet habe. 248
Der Brief vom 25. Juni 1932 ist an Herrn Dr. Becker als Überbinger vermutlich an den zuständigen Wissenschafts- oder Kultusminister adressiert.
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Forrer erhöht, typisch für ihn, seine eigenen Leistungen, indem er sich z.B. die „Klärung“ der Geografie des Hatti-Reiches zuspricht, wovon 1932 sicherlich keine Rede sein kann. Hinsichtlich seiner Wahrnehmung in der wissenschaftlichen Welt außerhalb Deutschlands macht Forrer allerdings zu Recht darauf aufmerksam, dass er dort die größere Reputation hat und in anderem Licht gesehen wird. Dies belegen in der Tat seine Berufung nach Chicago sowie die zahlreichen Einladungen zu Gastvorträgen in die Schweiz und nach Belgien. In Deutschland allerdings, das ja das Zentrum der jungen Hethitologie war, galt es, sich auch gegen eine Reihe von Forschern im Kampf um bezahlte Positionen zu behaupten, die ebenfalls an der Spitze der Forschung standen. Der Konkurrenzkampf um die wenigen Stellen war zu jener Zeit ohne Zweifel sehr hart. Forrer hatte vor allem den Nachteil, dass er nicht aus der Reihe der Indogermanisten kam, wie Sommer oder Friedrich, die diese Disziplin im Rahmen ihres Faches mitvertreten konnten, noch galt er als klassischer Assyriologe oder Althistoriker. Die Hethitologie oder die Sprachen Altanatoliens, für die er hauptsächlich stand, wurden zu jener Zeit ausschließlich in diesen Disziplinen mitvertreten. Forrers Venia legendi für Sprachen und Geschichte des Alten Orients setzte ihn faktisch zwischen alle Stühle, denn Indogermanist oder vergleichender Sprachwissenschaftler war er definitiv nicht, als klassischer Assyriologe, trotz der Promotion in diesem Studiengang, galt er längst nicht mehr. Forrers Verdienst, sich um die Hethitologie als Wissenschaftszweig intensiv zu bemühen und hier sein Hauptarbeitsgebiet zu finden, schränkte ihn gleichzeitig für die Berufung auf assyriologische Stellen zu sehr ein. Forrer scheiterte daran, dass es praktisch keine reinen Lehrstühle für Hethitologie gab. Der Brief belegt allerdings auch, dass der Ruf Forrers, ein „Mann kühner Hypothesen“ zu sein, Kreise gezogen hatte. Was diesen Punkt anbelangt, so hat Forrer recht, focussiert sich die Meinungsbildung innerhalb der akademischen Welt auf die Auseinandersetzung um die AΔΔijawaFrage. Darum bleibt sein Name bei dem Netzwerk Sommer, Götze, Friedrich und Ehelolf (und meist auch bei deren Nachfolgern) mit dem Makel des von Sommer widerlegten kühnen Forschers verbunden. Zumindest in Deutschland hatte Forrer in der kleinen Fachwelt gegen dieses Meinungsbild anzukämpfen. Insoweit muss man feststellen, dass der Streit um die Erwähnung der Griechen in den hethitischen Texten zwar Einfluss auf die Karriere Forrers hatte, aber eine wissenschaftliche Karriere nicht verhinderte. Auch scheiterte seine Bewerbung in Berlin nicht an Webers Gutachten, wie noch zu zeigen sein wird. Betrachtet man nach all dem nun nochmals den zweiten Teil des Titels, den Szemerényi 1988 gewählt hat „...haunted out of academe“, so wird man diese Einschätzung so nicht mehr aufrecht erhalten
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können. Man muss feststellen, dass Forrer bis 1945 an der Universität in Berlin als Dozent Einkommen erzielen konnte, wenn dies auch nicht im Rahmen einer Professur zu realisieren war. Dafür gab es aber zahlreiche weitere Gründe als die Auslösung und anschließende Teilnahme an der AΔΔijawa-Frage. Es ist scharf zu kritisieren, dass die Beurteilung eines Forschers aufgrund eines einzigen wissenschaftlichen Disputes vorgenommen wird, wie dies durch Wilhelm Weber geschehen war. Dies wird insbesondere bei Forrer im Hinblick auf seine gesamte Forschungsleistung der Realität in keiner Weise gerecht. Aber die auch hier zum Teil durchaus ja treffend beschriebenen Charaktereigenschaften Forrers, die sich ja auch in seinen Beiträgen festmachen lassen, haben ihm ebenso geschadet, wie seine Unfähigkeit, nützliche Allianzen einzugehen oder wertvollen Ratschlägen zu folgen. Dies zeigt eindrucksvoll der offene Brief Eduard Meyers vom 6. Mai 1928. Aus all dem folgt, dass die von Forrer angenommene Hinausdrängung seiner Person aus dem Universitätslaufbahn durch Ferdinand Sommer eher das Ergebnis einer subjektiven – wenn auch menschlich nachvollziehbaren – Fehleinschätzung ist, die sicher aus der Verletzung seines Ehrgefühls durch den scharfen Ton und die ungerechtfertigte Kritik Sommers, der in allen Rezensionen und Publikationen offen festzustellen ist, resultiert. Auch wenn man unterstellt, dass Sommer aufgrund seiner Leistungen als Indogermanist und Hethitologe über gewisse Einflussmöglichkeiten bei Stellenbesetzungen verfügte, so würde sein negatives Urteil über Forrer allein wohl kaum ausreichen, ihn aus allen deutschen oder gar europäischen Universitäten hinauszudrängen, zumal ihm mit Bruno Meissner und Eduard Meyer zwei Forrer wohlgesonnene und ebenfalls einflussreiche Stimmen zur Seite standen. Die Frage, ob Forrer ohne die Auseinandersetzung mit Sommer, eine wissenschaftliche Karriere gemacht hätte, bleibt natürlich hypothetisch, aber, dass Sommers Kritik allein eben diese verhindert hat, ist auszuschließen. Wie Forrer diese Frage selbst beurteilt hat, lässt sich dem folgenden Brief entnehmen. 249 „Lieber und verehrter Herr Minister! Unsere letzte Unterredung hat auf mich hinterher eine tief erregende und deprimierende Wirkung gehabt. Und zwar weil ich das Gefühl bekam, dass Sie die Abstempelung von mir als „Mann der kühnen Hypothesen“ nicht nur referierten, sondern auch selbst glaubten. Und da muss ich mich verteidigen, weil mir Ihr ganz 249
Brief von Emil Forrer an den Wissenschaftsminister Dr. Carl Heinrich Becker vom 25. Juni 1932, siehe auch Dokument 22 der CD-ROM.
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persönliches Urteil wichtig ist aus der zwar bisher stillen aber warmen Verehrung heraus, die ich für Sie nach Ihrer Tätigkeit habe und durch die allein ich mich berechtigt fühlte, mich mit meinen persönlichen Fragen gerade an Sie zu wenden. Was ist der Massstab für die Bedeutung eines Gelehrten? Qualität und Quantität des Wahrheitgehalts seiner Behauptungen. Für die Prüfung des Wahrheitsgehalts ist den Naturwissenschaftlern die objective Erfahrung und speziell, da es sich bei ihnen um nomothetische Erkenntnis handelt, das Experiment gegeben. Für die Geisteswissenschaftler ist die entsprechende objective Erfahrung die Weltgeschichte, da es sich bei ihnen um idiographische Erkenntnis handelt. Dazu kommt aber noch, weil es eben die G e i s t e s wissenschaften betrifft, die subjective, die innere Erfahrung. Die Weite dieser inneren Erfahrung wird wesentlich bestimmt durch die Weite der Erlebnisfähigkeit in Bezug auf Sprache, Kunst, Religion etc., also Individuum und menschliche Gesellschaft und durch die Fähigkeit, sie auch zu verarbeiten, und zwar in einer der Wirklichkeit adäquaten Weise, was in den Naturwissenschaften erst seit Galilei, in den Geisteswissenschaften auf der von den Griechen geschaffenen Grundlage erst seit Kant möglich ist und z.B. bei den Babyloniern nicht der Fall war. Descartes hat den Massstab dieser Wirklichkeitsadäquatheit die Form gegeben: das Wahre ist klar und einleuchtend. Wir Altorientalisten haben noch einen Massstab, der den anderen Geisteswissenschaften versagt ist, nämlich die Bestätigung durch spätere Funde. Eine Prüfung des Wandels der altorientalistischen Erkenntnisse ist ausserordentlich aufschlussreich; Ed. Meyer - um eine anerkannte Grösse, die ich um ihrer Persönlichkeit willen liebte und verehrte, zu wählen - sah zuerst in dem Gaufürstentum des Gudea den ersten Anfang der Staatenbildung in Babylonien, nota bene: zu einer Zeit wo Aegypten schon geeinigt war. Spätere Funde ergaben, dass dem Gaufürstentum Gudeas schon mehrere weltumfassende Reiche vorhergegangen waren. Er sah das Zentrum des Hatti-Reiches zuerst in Mittel-Syrien, dann in Nordsyrien und erst dann im Inneren Kleinasiens, als der von ihm vorher so bekämpfte und niedergehaltene H. Winckler seine Hauptstadt und Bibliothek dort entdeckte. Also sein Bild des alten Orients war gerade in den wesentlichen Teilen, wo es eines wahrhaften Historikers bedurft hätte, unbedarft. Dagegen erwies sich sein Bild der ägyptischen Geschichte durchweg als wahrhaft. Der Grund ist einfach: Er liebte, und verstand darum Aegypten, und er behandelte Babylonien als Stiefkind, dem man immer nur das denkbar geringste zutrauen darf. Gerechtigkeit halte ich daher für eine unerlässliche Voraussetzung zu einem wahrhaften Historiker, während alle Vorliebe auf Irrwege führt. Vorurteilslos zu sein und sich allein von den Dokumenten leiten lassen ist aber den wenigsten Gelehrten gegeben. Das ist der Urgrund der Tatsache, dass meine Forschungsergebnisse, die so sehr und so wenig „Hypothesen“ sind wie eine lateinische Grammatik für die lateinische Sprache, als „kühn“ gelten - weil sie nämlich an stelle einer Reihe von Vorurteilen Urteile setzen. Z.B. war es sprachlich durch P. Kretzschmer, anthropologisch durch Luschan zum allgemeingültigen Vorurteil geworden, dem ich mich zu Beginn meiner Arbeit na-
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Die AΔΔijawa-Frage und die Geografie des Hethiterreiches türlich auch nicht entziehen konnte, dass es in Kleinasien eine einzige Urbevölkerung gegeben habe und dass sie nicht indogermanisch sei. Deshalb wurde Hrozny zuerst allgemein (bes. von F. Sommer) in Acht und Bann getan, als er in der Sprache des Hatti-Reiches eine von ihm als indogermanisch, von mir von Anfang an mit guten Gründen als indogermanoid bezeichnete Sprache fand. Wenn man das schliesslich auch zugeben musste, so sollte doch wenigstens der Rest der Bevölkerung die einheitliche Urbevölkerung sein. Aber Jensen fand die urindischen, besser medischen, Zahlworte, und ich fand in meinen „Acht Sprachen der Boghazköi-Inschriften“ (SPAW.1919.53) und „Inschriften und Sprachen des Hatti-Reiches“ (ZDMG.NF.I.), dass es im Hatti-Reiche sechs ganz verschiedene einheimische Sprachen gab, die mindestens drei total verschiedenen Sprachstämmen angehören. Zu dieser Entdeckung gehörte Vorurteilslosigkeit und zu meiner erstmaligen Aufstellung ihrer Grammatiken unendliche Kleinarbeit. Das Vorurteil der einheitlichen Urbevölkerung Kleinasiens ist für alle Zeiten beseitigt und zwar durch mich. (NB Hrozny hat gelogen, als er druckte, er habe das Protohattische unabhängig von mir entdeckt; sondern ich habe ihm meine Entdeckung sofort in meiner naiven Entdeckerfreude mitgeteilt, und er hat mir alles zuerst lebhaft bestritten, und einige Monate später war es seine eigenen Entdeckung geworden. Das war meine erste bittere Erfahrung). Die Vielheit der Bevölkerungen Kleinasiens und zwar ohne den geringsten wesentlichen Abstrich von allen meinen diesbezüglichen Ergebnissen ist Allgemeingut geworden. Aber noch hält sich das Vorurteil, das viel lieber neue unbekannte Urbevölkerungen als Indogermanen wünscht, in seinem letzten Reservat, nämlich bei den hethitischen Bilderinschriften. Zwar kann keiner der anderen Gelehrten sie verstehen, aber in diesem Vorurteil sind sie sich einig, und ich weiss deshalb wohl, dass sich die Wahrheit nicht kampflos durchsetzen wird, so „klar und einleuchtend“ auch meine Entzifferung. Aber sie ist es in einem solchen über jede Diskussion erhabenen Masse, dass es glaube ich ziemlich schnell gehen wird. Dass dieses ohne die Hilfe einer Bilingue bis zu einer vollständigen Grammatik gediehene eine in der Weltgeschichte einzigartige Leistung ist, glaube ich nicht als Unbescheidenheit, sondern als gerechte Selbsteinschätzung bezeichnen zu müssen. Dann meine „kühne Hypothese“ der Grossmacht Ahhijava = Achaja. Wie sehr ich selbst zu Beginn in dem Vorurteil befangen war, dass westlich des Keilschriftgebietes dunkles „prähistorisches“ Barbarenland liegt, zeigt die Tatsache, dass ich mir bei dem ersten Auftauchen des Namen Ahhijava an den Rand schrieb: „Derselbe Name wie Achai(v)a, aber gewiss nicht dasselbe Land.“ In diesem „gewiss“ steckt das Vorurteil einer ganzen Gelehrten-Generation. Hätte ich lieber die Möglichkeit schon damals nachgeprüft, statt sie ungeprüft abzulehnen (wie es immer noch viele tun), so hätte ich mir vielleicht viele Umwege erspart. Erst meine in unendlicher Kleinarbeit gewonnene Klärung der Geographie des Hatti-Reiches ergab die feste Grundlage, aus der sich die Gleichung Ahhijava = Achaia dann in Verbindung mit historischen Überlegungen, zu denen die Buchstaben-Philologen natürlich unfähig sind, zwangsweise ergab. Sie wird heute von
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niemandem mehr, der meine Gründe mit einigem historischen Verständnis ehrlich geprüft hat, geleugnet. Es bleiben nur noch Nörgeleien von Buchstaben-Philologen, die ihren Rückzug verdecken sollen. Die Hypothese war „kühn“ gegenüber dem bestehenden Vorurteil; denn das ist immer das grösste Hindernis der Wahrheit. Aber der Wahrheitsgehalt aller meiner bisherigen Behauptungen ist qualitativ und quantitativ so gross, wie überhaupt möglich, und jedenfalls grösser, als er z.B. bei Ed. Meyer war. Ich brauch mich vor der Weltgeschichte nicht zu schämen. Aber wie haben meine Kollegen darauf reagiert? Am schärften A. Götze, weil seine geographische Anschauung (Kleinasien zur Hethiterzeit) sich aber auch in allen Teilen als vollständig falsch erwiesen hat, wie er immerhin selbst zugibt. Und zwar nachweislich und zugegebenermassen, weil er diese Frage ohne genügend Vorbereitung angepackt hat. Und was hat derselbe mann daraufhin getan? Er hat mit der Hilfe einiger Kollegen in einem systematischen Feldzuge die wissenschaftliche Ehre abzuschneiden gesucht (siehe die Zitate in den beiden beiliegenden Aufsätzen). Drei Jahre lang habe ich geschwiegen in dem festen, aber wie ich erkennen musste, falschen Glauben daran,dass sich die Wahrheit von selbst durchsetze. Das Gegenteil war der Fall. Die Lüge frass sich immer tiefer durch. Meine Nichtverteidigung schien den Gegnern Recht zu geben, und in persönlichen Gesprächen haben sie das Vertrauen zu mir und damit mein Vorwärtskommen überall zu untergraben gewusst. Zu spät habe ich eingesehen, dass mein Vertrauen in die Unabhängigkeit eines Gelehrten unberechtigt ist, eine Erkenntnis, die mir in zunehmenden Masse die Lust und den Sinn wissenschaftlicher Arbeit geraubt hatte. Erst als ich es nicht mehr mit diesem Gefühl der abgeschnittenen Ehre aushalten konnte, habe ich mich zu Entgegnungen entschlossen – ich hasse alles negative – in den beiden Aufsätzen, die ich beilege und die ich Sie um der Gerechtigkeit willen zu lesen bitte. Seit diesem Moment hat keiner mehr gewagt, ein abfälliges Wort über mich drucken zu lassen. Und das war eine neue bittere Erfahrung; dass meine Nichtverteidigung, mein Wahrheitsvertrauen als Schwäche galt, und dass man nur über den vermeintlich Schwachen herfällt. Nun, es war ja auch nicht mehr nötig. Götze hatte die Professur in Marburg erhalten, während nach gerechtem Urteil ich schon längst vorher hätte ordentlicher Professor geworden sein sollen. Ich habe mich so oft gegen Ungerechtigkeit aufgelehnt, wenn sie andere betraf; ich darf darum auch einmal Gerechtigkeit verlangen, wenn es mich betrifft, und das will ich auch schon um der von mir vertretenen Wahrheit willen tun! In diesem Sinne sind zur Beurteilung meiner wissenschaftlichen Leistungen ausser meiner sog. „kühnen Hypothesen“ meine normale wissenschaftliche Arbeit heranzuziehen; ausser den sechs Grammatiken der Sprachen des Hatti-Reiches drei Hefte Inschrift-Publikationen, deren peinliche Genauigkeit die von Götze und Ehelolf unzweifelhaft weit überragt (zum Beweis bin ich jederzeit gerüstet); die erste Sammlung aller Zeichenformen der Keilschrift von Boghazköi, von meinen
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Die AΔΔijawa-Frage und die Geografie des Hethiterreiches Sammlung aller Zeichenformen der Keilschrift von Boghazköi, von meinen Gegnern zur Einarbeitung viel benutzt, aber nie zitiert, und ausser etwa vierzig historisch-philologischen Einzeluntersuchungen besonders noch meine Geschichte Assyriens, die auch ohne das Neue, das sie bringt, allein schon in der Verbindung grosser Gesichtspunkte mit der minutiösen Verwertung jedes einzelnen überhaupt bekannten historischen Factums methodisch geradezu ein Musterbeispiel genannt zu werden verdient. Meine Sammlung von 106.000 Stellen in Zettelkatalogen ist auf Seite 284 der beiliegenden Aufsätze spezifiziert. Dazu kommen noch die Abschriften von Keilschrifttexten, die in die Tausende gehen und sämtliche Gebiete der Keilschrift, hethitischen Bilderschrift und anderes umfassen. Ich bezweifle, dass irgend ein anderer Assyriologe gleich grosse Beweise von Fleiss erbringen kann. Der Vertrauensbeweis, den meine Berufung nach Chicago für die im Herbst ablaufenden drei Jahre und die wiederholte Einladung nach Paris und Genf zu Vorträgen bedeutet, hat mich den Versuch meiner Gegner zur Ehrabschneidung vergessen lassen und mir neue Lust zur Forschung und neues Vertrauen zur Gelehrtenwelt gegeben, aber unsere Unterredung am letzten Donnerstag hat mir stichartig das ganze Leid vergangener Jahre wieder lebendig gemacht und gezeigt, dass hier in Deutschland noch immer ein Unrecht gegen mich wieder gutzumachen ist. Gewiss ist der Augenblick denkbar ungünstig, aber für einen guten Willen gibt es schon Wege. Z.B. habe ich gehört, dass R. Hartmann bei seiner Berufung nach Göttingen zur Bedingung gemacht habe, dass auch sogar gerade ein Hethitologe nach Göttingen kommen solle. Hier wäre doch durchaus ein Anknüpfungspunkt gegeben. Oder z.B. wurde es mir als grosses Missverhältnis bezeichnet, dass die grösste Theologische Fakultät Deutschlands, Halle, niemanden für Geschichte und Sprachen des alten Orients besitzt. Und anders mehr. A. Götze selbst hat schon vor meiner Berufung nach Chicago einmal geschrieben, dass ich im Auslande als „der Hethitologe“ gelte, und ich kann auch ohne Ueberhebung sagen, dass ich die deutsche Wissenschaft im Ausland würdig und mit dem besten Eindruck vertreten habe. Aber eben darum sollte es doch das Bemühen der zuständigen Vertreter der deutschen Wissenschaft sein; das Wort, das der Prophet im eigenen Lande nichts gelte, nicht wahr werden zu lassen. Deshalb, lieber und verehrter Herr Professor, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir zu einer persönlichen Besprechung am besten wohl mit Herrn Kultusminister Grimme selbst verhelfen wollten, damit ich meine Angelegenheit einmal darlegen kann. Gerade unsere letzte Unterredung hat mir hinterher gezeigt, dass es nicht richtig und auch verantwortungslos wäre, die von mir vertretene Sache, unter dem Eindruck und der Uebermacht der wirtschaftlichen Not im Stiche zu lassen. Schneller als ich es selbst gedacht hätte, wende ich mich nun voll Vertrauen an Sie, und es würde mich tief beglücken, wenn es nicht enttäuscht zu werden bräuchte. Mit der ehrlichen Versicherung meiner Liebe und Verehrung bin ich Ihr ergebener Emil Forrer“
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Abb. 6 Emil Forrer, Foto undatiert
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Abb. 7 Emil Forrer 1917
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Abb. 8 Emil Forrer 1929
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Abb. 9 Emil Forrer 1932
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Abb. 10 Emil Forrer 1932
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Abb. 11: Emil Forrer 1944
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Abb. 12 Fotoserie 1944
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Abb. 13 Forrers Haus im Semnonenring 47 in Erkner (2003)
Abb. 14 Emil Forrer mit Frau und Familie 1964
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Abb. 15 Familie Forrer 1968 in der Natur
Abb. 16 Familie Forrer 1970 bei einem Ausflug
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Abb. 17 Forrers Haus und Garten in El Salvador
Abb. 18 Das Ehepaar Forrer 1970
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Abb. 19 Portrait Emil Forrer 1979
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Im dritten Versuch gelingt endlich die Habilitation in Berlin, allerdings bleibt die erhoffte dauerhafte Stelle aus. Forrer finanziert sich weiter – mehr schlecht als recht – über Stipendien und Beihilfen. 1926 unternimmt Forrer eine Forschunsgreise nach Kleinasien und hofft darauf, dass unter seiner Leitung die Grabungen in Bo©azköi wieder aufgenommen werden.
Ende 1923 begann Forrer mit seiner geografischen Untersuchung zu Westkleinasien und den sogenannten Arzawa-Ländern, ein Untersuchungsgegenstand der ihn bereits seit Frühjahr 1920 immer wieder beschäftigte. Damals hatte er erste Vermutungen in Briefen an Eduard Meyer geäußert, dass es auffallende Anklänge an bekannte griechische geografische Bezeichnungen gäbe. Eine umfassendere und systematische Untersuchung dieser Fragen hatte er aber noch nicht unternommen. Nach den beiden gescheiterten Habilitationsversuchen in München und Berlin beginnt Forrer auf diesem – von ihm sehr geschätzten – Gebiet der historischen Geografie sein drittes Habilitationsvorhaben. Auf den Vorarbeiten seit 1920 aufbauend, arbeitet Forrer wie immer sehr intensiv und auch sehr schnell. Er legt schon nach wenigen Monaten des Forschens und Schreibens im Frühjahr 1924 seinen ersten „Griechenaufsatz“ als Ergebnis vor.250 Es ist ungewöhnlich, dass man die wichtigsten Erkenntnisse seiner ungeprüften Habilitationsschrift vor dem Abschluss des offiziellen Prüfungsverfahrens durch die Universitätsgremiem veröffentlicht, aber wie wir ja bereits wissen, geschah dies offenbar mit taktischem Kalkül und eingedenk seiner in den Jahren 1921 und 1923 gemachten negativen Erfahrungen. In seinem schon mehrfach zitierten Brief an Eduard Meyer nennt er den Grund für dieses Vorgehen:251 „Beim dritten Mal bemühte ich mich, eine Habil.-Arbeit zu schreiben, die nach meinem Empfinden sich auf dem Niveau einer Seminararbeit hält; die ArzawaLänder. Wobei ich nicht vermeiden konnte – so sehr ich es bewußt wollte – das 250 251
Siehe Kapitel V. Brief vom 28. April 1928.
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1929–1932. Schwierige Jahre in Berlin ich doch eine Menge Neues dabei zu Tage förderte und dabei die Griechenentdeckung machte. Dadurch kam mir plötzlich die Eingebung mit Hilfe dieser Tatsache die öffentliche Meinung derartig für mich zu gewinnen, dass es Meissner und seinen Helfern unmöglich sein würde, mich ein drittes Mal zu Fall zu bringen. Die Rechnung stimmte !“
Leider finden sich im Nachlassmaterial keine weiteren Hinweise auf dieses dritte Habilitationsverfahren, die einige der erwähnten Hintergründe hier aufhellen könnten. Es ist aber doch bemerkenswert, dass Forrer selbst seine Untersuchung auf dem Niveau einer Seminararbeit sieht und offenbar doch gering schätzt. Es klingt ein wenig überheblich, wenn er schreibt, dass er zwar versucht habe, dieses Niveau zu halten, aber trotz aller Anstrengungen dennoch wieder Neues entdeckte. Es gehört offenbar zum Charakter Forrers, seine eigenen Leistungen in dieser merkwürdigen Art in den Vordergrund zu rücken. Seine Griechenhypothese wird zur „Gretchenfrage“ der jungen Hethitologie, wie wir gesehen haben. Das gesamte Habilitationsverfahren inklusive der Abfassung der Habilitationsschrift nehmen das Jahr 1924 in Anspruch. Über das eigentliche Prüfungsverfahren sind keine weiteren Briefdokumente erhalten, die zu interessanten Details Aufschluss geben könnten. Unter den Materialien des Archives der Humboldt-Universität befinden sich dagegen zwei Schreiben, die den erfolgreichen Abschluss der Habilitation belegen. Die beantragte Venia legendi lautete „Geschichte des Alten Orients und nicht semitische Keilschriftsprachen“. Über seinen Probevortrag gibt das Protokoll der Fakultätsratssitzung vom 2. März 1925 Auskunft. Anwesend waren u.a. Eduard Meyer und Bruno Meissner. Für diesen Probevortrag hatte Forrer den Titel „Das Hatti-Reich und die Griechen“ ausgewählt. Am 18. Mai erfolgte die offizielle Anzeige des Dekans der Philosophischen Fakultät an den Rektor der Universität bezüglich der erfolgreichen Habilitation Forrers. Der dritte Anlauf war nun endlich von Erfolg beschieden.252 „Dr. Emil F o r r e r hält seinen Probevortrag „Das Hatti-Reich und die Griechen“. Am Kolloquium beteiligen sich die Herren: Ed. Meyer, Markwart, Meissner, Wilcken und W. Schulze. Es wird beschlossen Herrn Dr. Forrer die Venia legendi für Geschichte des alten Orients und nicht semitische Keilschriftsprachen zu erteilen. Als Thema für die Antrittsvorlesung wird das dritte der vorgeschlagenen Themata „Kupfer, Zinn und Bronze im ältesten Babylon“ gewählt. Der Dekan teilt diese Beschlüsse dem Habilitanden mit.“ 252
Siehe Dokument 25 der CD-ROM.
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Abb. 20 Mitteilung der Phil. Fak. Berlin an den Rektor zur Habilitation Forrers 1925
Natürlich hoffte Forrer nun auf eine baldige Anstellung oder eine Berufung an eine deutsche Universität. Aber vorerst war nichts in Sicht, was ihm diesem Ziel näher brachte. An Ideen und Aufgaben fehlte es ihm nicht, denn Forrers Kopf war voller Projekte, die er noch zu Papier bringen wollte. Er beantragte bei der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft eine Dozentenbeihilfe als finanzielle Unterstützung, die ihm auch gewährt wurde. Neben den Forschungsarbeiten intensivierte Forrer auch 1925 seine Bemühungen um das Verständnis der Druckvorlagenerstellung und der professionellen Drucktechnik, da er von dem Vorhaben begeistert war, seine Forschungen – aber auch die Werke von Fachkollegen – im Selbstverlag erscheinen zu lassen. Sein erstes Produkt dieser Bemühungen war die ausgearbeitete Habilitationschrift, die er 1926 unter dem Titel Forschungen Band 1 1. Teil Die Arzaova-Länder herausbrachte. Das Werk war in seiner Erscheinungsform ungewöhnlich, da Forrer auf eine professionelle Typen-
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setzung aus Kostengründen völlig verzichtete. So schrieb er mit einem Tuschestift in leserlicher Handschrift sein Werk nieder und konnte damit auch die Sonderzeichen der Umschrift hethitischer Texte wiedergeben. Für den Fußnotenapparat hatte sich Forrer beim Layout etwas Ungewöhnliches ausgedacht. Da er möglichst effizient mit dem Druckbogen umgehen wollte, aber nicht immer genau kalkulieren konnte, wieviel Platz er für die auf der jeweiligen Seite anfallenden Fußnoten vorhalten muss, setzte er die Fußnoten fortlaufend von unten nach oben auf die Seite und versah diesen Bereich mit einem sauber gezeichneten Richtungspfeil. Die Fußnote 1 begann also auf der untersten Zeile des Blattes und Fußnote zwei wurde darüber gesetzt. So musste er nur die Länge seiner Fußnotenzeilen berechnen und konnte den Haupttext auf jeder Seite ziemlich exakt bis an den Fußnotenbereich heranführen. Dies vereinfachte die Seitenberechnung für ihn erheblich. Auch konnte er den Bereich der Kopfzeile nun gestalten und auch recht modern aussehen lassen. In einem eigenen, fein gezeichneten Rahmen nannte er neben der Kapitelnummer auch eine Kapitelüberschrift sowie die fortlaufende Seitenzahl. Die Benutzbarkeit und Lesbarkeit dieses Werkes war durchaus gegeben, da Forrer bei der Erstellung der handgeschriebenen Seiten große Sorgfalt an den Tag legte. Den Vertrieb der Werke übernahm er ebenfalls persönlich. Wer ein Exemplar erstehen wollte, wandte sich direkt an Emil Forrer in Erkner und überwies den Kaufpreis auf dessen persönliches Konto. Sobald der Eingang des Geldes verzeichnet war, lieferte Forrer per Post aus. Dies wiederholte er auch mit den weiteren Bänden seiner Forschungen. Diese Idee des Selbstverlages beschäftigte Forrer auch viel später in El Salvador, denn auch dort brachte er Werke seines neuen Forschungsgebietes auf diese Weise heraus.
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Abb. 21 Beispiel aus Forrer selbstverlegten „Forschungen“
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Die erste Forschungsreise nach Kleinasien253 Forrer, der stets an historisch-geografischen Fragestellungen interessiert war, hatte bis dahin noch keine Gelegenheit gehabt, eine Reise in den Vorderen Orient zu unternehmen. Zu Beginn des Jahres 1925 schreibt Forrer an Eduard Meyer, dass eine „Forschungsreise nach Kleinasien für ihn unabweisbar sei und er die Vorplanungen begonnen habe.“ Er äußerte darin die Zuversicht, dass bei einer solchen Forschungsreise im Kern des alten Hethiterreiches zahlreiche ehemals besiedelte Hügel gefunden werden könnten, die sich möglicherweise anhand von Keilschriftfunden namentlich identifizieren ließen. Inspirierend wirkten hier sicherlich die Reisen Hans Henning von der Ostens, der im Auftrage des Oriental-Institute der Universität Chicago Anatolien bereiste und mit Forrer in Briefkontakt stand. Schließlich galt es, die Finanzierung der Reise sicherzustellen, da Forrer nicht in der Lage war, die Mittel dafür aus eigener Tasche aufzubringen. Er beschritt einen für die damalige Zeit nicht unüblichen Weg und suchte private Sponsoren, die ihm die Reise finanzieren sollten. Dieses mühselige Unterfangen, das überdies auch zeitintensiv war und eine gewisse Hartnäckigkeit erforderte, gestaltete Forrer recht erfolgreich. Mit Aron Hirsch, Seniorchef der Hirsch Kupfer- und Messingwerke A.G in Eberswalde sowie dem Ehepaar Georg und Frieda Hahn aus Berlin fand er Gönner, die sich offen für die Forrerschen Pläne zeigten. Die Verbindung zum Fabrikanten Hirsch kam über die Deutsche Orientgesellschaft zu Stande und so ergab es sich, dass die Reisepläne bald sehr konkrete Formen annehmen konnten. In den Verhandlungen zwischen Forrer und Hirsch kamen auch Anschlussfinanzierungen für das Jahr 1927 zur Sprache, die zum Teil auch von der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft sowie dem Auswärtigen Amt getragen werden sollten. Die genannten Summen bewegten sich zwischen 15.000 und 50.000 Reichsmark. Im August 1926 war es dann soweit. Die kleine Forschungsexpedition, zu der neben Forrer noch der Kunsthistoriker und Religionswissenschafler Edmund Weigand sowie der Turkologe und Orientalist Franz Babinger gehörten, machte sich per Schiff auf die Reise. Babinger musste am 24. August die Reise, kaum dass man in Konstantinopel angekommen war, krankheitsbedingt abbrechen und nach Deutsch253
Eine ausführliche Beschreibung und wissenschaftliche Auswertung erfolgt demnächst in einem gesonderten Buch zur Kleinasien-Reise Forrers im Jahre 1926. Darin werden durch Frau Dr. Susanne Heinhold-Krahmer vor allem die hinterlassenen Tagebücher Forrers ausgewertet, die er während der Reise anlegte und die im Archiv der Deutschen Orientgesellschaft aufbewahrt werden.
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land zurückreisen. Bis Ende Oktober 1926 bereisten dann Forrer und Weigand mit dem Auto, oft auf abenteuerliche Weise, Anatolien und entdeckten nach eigenen Angaben über 180 Siedlungen aus vorrömischer Zeit. Neben den gewonnenen Erkenntnissen und den ersten wichtigen Felderfahrungen, die eine solche archäologisch orientierte Forschungsreise einbringt, hatte Forrer auch lokale Kontakte geknüpft, von denen er später hoffte, dass sie ihm nützlich sein könnten. Auch das persönliche Kennenlernen von Vertretern des deutschen diplomatischen Korps, wie z.B. Konsul Dr. Bergfeldt oder des Legationsrates Dr. Krümmer, gehörte zu den wichtigen Nebeneffekten dieser Reise. Einen knappen Forschungsbericht gab Forrer im folgenden Jahr in der Zeitschrift Forschungen und Fortschritte heraus. Für das Jahr 1927 hatte Forrer ebenfalls eine Forschungsreise geplant, bei der auch u.a. der Hethiterhauptstadt Bo©azköi ein Besuch abgestattet werden sollte. Die Finanzierung dieser Reise allerdings kam nicht zustande, da die bisherigen privaten Geldgeber sich als „zugeknöpft“ erwiesen. Die Reisetätigkeit Forrers 1926 und auch die Planungen für 1927 sind im Kontext der damaligen Anstrengungen auch der Deutschen Orientgesellschaft zu sehen, die während des ersten Weltkrieges abgebrochenen Grabungen in der Hethiterhauptsadt wieder aufnehmen zu können. Forrer verfasste dazu eine kleine Denkschrift, die knapp die Ergebnisse seiner Forschungsreise aufführte und Anregungen für Grabungsorte in Kleinasien enthielt. 254
Die Hoffnungen auf eine Fortsetzung der deutschen Grabung in Bo©azköi Die Zusage der osmanischen Behörden, dass das Areal der hethitischen Hauptstadt wie auch der umliegenden Hügel den deutschen archäologischen Unternehmungen vorbehalten bleiben sollte, stand 1926 auf wackeligen Füßen. Sowohl das deutsche Kaiserreich als auch das osmanische Großreich waren Geschichte und die Folgestaaten hatten zunächst die politischen und wirtschaftlichen Folgen des verlorenen Krieges zu bewältigen. Die Durchführung archäologischer Unternehmungen waren für offizielle Dienststellen wie auch für private Geldgeber nachrangige Fragen. Inwie254
Diese Denkschrift findet sich veröffentlicht in: Çarnikzel – Hethitologische Studien zum Gedenken an Emil Orgetrorix Forrer (19.02.1894 – 10.01.1986), hrsg. von Detlev Groddek, Sylvester Rößle, Dresdener Beiträge zur Hethitologie, Bd. 10 2004, p. 107-111.
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weit man sich überhaupt an Zusagen oder Absprachen des jeweiligen Ancien Régime zu halten gedachte, war ebenso unklar. Mit der Gründung des Oriental Institute in Chicago im Jahre 1919, das finanziell erheblich besser ausgestattet war, war auch ein Konkurrent auf dem Gebiete der archäologischen Forschung im Vorderen Orient erwachsen, der in der Lage war, solcherlei Grabungen durchzuführen. Mit den Erkundungsreisen und den 1926 beginnenden Ausgrabungen in Aliπar durch Hans Henning von der Osten sowie weiteren Aktivitäten machte das amerikanische Institut deutlich, dass es gewillt war, sich zukünftig bietende Gelegenheiten zu nutzen. Die fehlenden personellen Kräfte, die in der Lage waren, Unternehmen solcher Größenordung auf eine solide wissenschaftliche Basis zu stellen, requirierte der Gründer des Institutes, der amerikanische Ägyptologe und Eduard Meyer-Schüler, James Henry Breasted, quasi im globalen Ausmaß, vor allem aber in Deutschland. Neben von der Osten standen mit Arno Poebel, Emil Forrer, Arnold Walther weitere deutsche Spezialisten in den ersten Gründungsjahrzehnten in Diensten des Oriental Institutes in Chicago.255 Wie dem Erinnerungsband des späteren Hattuça-Ausgräbers Kurt Bittel zu entnehmen ist, beschäftigte sich die Deutsche Orientgesellschaft 1926 mit der Frage der Wiederaufnahme deutscher Grabungen in Bo©azköi .256 Interessanterweise erwähnt Bittel in diesem Zusammenhang, dass in den Überlegungen der Beteiligten zu diesem Zeitpunkt auch Emil Forrer im Gespräch war, die Leitung einer solchen Grabung zu übernehmen, auch deshalb, weil neben seiner ausgewiesenen Kennntis der hethitischen Texte, mit der Reise nach Kleinasien erste Erfahrungen und auch persönliche Beziehungen zu lokalen Größen vorhanden waren. Leider ist das Nachlassmaterial auch hier zu lückenhaft, um alle Einzelheiten zu Grabungsleitung und Gesprächen mit der Deutschen Orientgesellschaft aufzuklären. Offenkundig ist aber, dass Eduard Meyer zum wiederholten Male die Fäden in der Hand hielt und für Forrer eine Lanze zu brechen suchte, um seinen Schützling zu positionieren. In einem Brief vom 14. Februar 1927 schreibt Emil Forrer offenbar im Rückgriff auf eine dies255
256
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Angebot von der Ostens an Kurt Bittel aus dem Jahre 1931, als die deutschen Grabungen unter dessen Leitung gerade erst wieder in Bo©azköi aufgenommen wurden. Wie Bittel schreibt, hat von der Osten ihm „zum ersten Mal den Vorschlag gemacht, im nächsten Sommer, d.h. also 1932, in die Dienste der Chicago-Expedition zu treten und von dort aus dann anschließend die Ausgrabungen in Boghazköi fortzusetzen.“ Siehe Kurt Bittel, Reisen und Ausgrabungen in Ägypten, Kleinasien, Bulgarien und Griechenland 1930–1934, Mainz/Stuttgart 1998, p. 213 f. Kurt Bittel a.a.O. p. 205
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bezügliche Verhandlung oder Unterredung an Meyer folgende interessante Zeilen:257 „Lieber, verehrter Herr Professor! Ich bin froh, dass in der Sitzung am Samstag alles glatt nach Wunsch gegangen ist, und ich danke Ihnen von Herzen dafür. Denn Sie allein mit Ihrer vorbereitenden, nimmermüden Tatkraft, dem schnellen Eingehen auf die Forderung des Augenblicks & der Beherrschung der Figuren haben es zustande gebracht. Aber ich war danach – trotz des glücklichen Ausganges todunglücklich, weil ich Ihnen dabei sogar mehr ein Hindernis als eine Hilfe und an jenem Tage so gar nicht auf der Höhe der Situation war. Natürlich hat das seine Erklärung. Ich hatte den ganzen Freitag Migräne, was ich sonst nicht kenne & um die bevorstehende Krankheit zu bannen, habe ich sehr heiß gebadet, wodurch körperlich alles tatsächlich wieder ins Gleichgewicht kam. Aber dann habe ich mir am Samstag Vormittag von Ehelolf gründlich alle meine Sünden vorhalten lassen, was mir einen tiefen Eindruck gemacht hat, und ich habe mir vorgenommen, was zu bessern ist zu verbessern. Aber mir ist auch ganz klar, dass meine Arbeitsweise durch die Sachen, die historischen Interessen & meine persönlichen Verhältnisse bedingt ist. Denn mir steht eben nicht der ganze Apparat eines Museums mit all seinen Hilfskräften & Mitteln zur Verfügung, sondern ich muss alles allein machen. Ich habe ja mehrfach vorbereitende Arbeiten wie Verzettelungen durch Hilfskräfte machen lassen, die ich aus meiner Privatschatulle bezahlt habe, aber immer nur kurze Zeit, weil die 300 Mark, die mir monatlich zur Verfügung stehen, auch bei der äußersten Einschränkung jetzt nicht einmal für den Haushalt reichen. Und meine eigene Arbeitskraft wird durch die Vorbereitungen zu den archäologischen Reisen zu denen allerlei zeitraubende Besprechungen & nicht zuletzt auch gesellschaftliche Verpflichtungen gehören, auch nicht vermehrt. Ich habe der Not gehorchend auch unbezahlte Hilfskräfte zu gewinnen gesucht, aber das ist immer eine höchst unzuverlässige Sache. Deshalb geht in den letzten Jahren mein Streben dahin, allen neuen Arbeitsverpflichtungen aus dem Wege zu gehen, da die, die sich zwangsweise ergeben, auch schon zu viel für einen einzelnen sind. So hatte mich also die Unterredung mit Ehelolf in eine ganz verwirrte Stimmung gebracht, die noch gesteigert wurde dadurch, dass ich noch einmal etwas über die Pläne sagen wollte & doch nicht wußte, welches das Ergebnis der vorangegangenen Besprechungen gewesen war & in welche Richtung ich über das in meiner Denkschrift gesagte hinausgehen sollte. Ich habe wohl gesehen, dass Sie etwas anderes von mir hören wollten, aber was, dass wurde mir nicht klar. Sie können mir glauben, dass sich niemand mehr über meine verzipfelte Art geärgert hat, als ich selber. Und schließlich noch die Krone des Ganzen, dass ich den Moment verpasste, wo ich hätte für das Vertrauen danken sollen. Wirklich, ich habe 257
Ich danke dem Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Potsdam für die Publikationserlaubnis dieses Briefes, der sich im dortigen Nachlass Eduard Meyers befindet. An dieser Stelle sei auch Herrn Prof. Gerd Audring mein aufrichtiger Dank ausgesprochen, dem ich den Hinweis auf die Forrer-Briefe im Nachlass Eduard Meyers in Potsdam verdanke.
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1929–1932. Schwierige Jahre in Berlin der Opposition alle Waffen gegen mich in die Hand gedrückt & es ist ein unverdientes Glück, dass sich niemand darum gekümmert hat. Aber es wird auf die anderen Herren keinen besseren Eindruck gemacht haben als auf mich selbst. Sie werden mir nachfühlen können, dass ich trotz des guten Ausganges ganz geknickt war & mich am liebsten in eine Mauseloch zurückgezogen hätte. Es bedrückt mich so, dass ich nicht eher Ruhe habe, als ich Ihnen diesen Beichtbrief geschrieben habe. Hoffentlich hab ich der Sache nicht geschadet. An Herr Aron Hirsch habe ich gestern gleich einen langen Brief geschrieben, ebenso einen kurzen an Bersu, der mir der liebste Mitarbeiter wäre und persönlich m.E. durch seine liebenswürdige Natur bei den diplomatischen Verhandlungen vorzüglich wirken wird. Ich werde sofort Herrn Gminder, den Leiter der Ingenieure in Jerköi noch einmal nach Arbeitslöhnen, der Leistung, zuverlässigen Aufsehern, Grabungsmaterialien, Unterkunftsmöglichkeiten usw. fragen, obwohl ich mich über all das bereits früher informiert habe. Dann will ich einige Privatleute, von denen Gelder zu erwarten sind, aufsuchen. Mit Ihnen hätte ich gern noch eine Rücksprache darüber, was in der Grabungsdenkschrift gesagt werden soll & darf & werde deshalb am Mittwoch nach Ihrem Kolleg versuchen, ob es Ihnen gerade passt. In der Hoffnung, dass Sie mir Absolution erteilen, verbleibe ich mit herzlichen Grüßen Ihr dankbarer Emil Forrer.“
Leider nennt der Brief nicht expressis verbis, wo die Unterredung stattgefunden hat und wer die weiteren Beteiligten waren, auch wird der Gegenstand des Gesprächs nicht genau genannt, so dass eine gewisse Unsicherheit bleibt, ob dieser Brief im beschriebenen Kontext steht. Sowohl die zeitliche Koinzidenz mit den Erinnerungen Kurt Bittels als auch die Aussagen zu den im Brief erwähnten Grabungsvorbereitungen in der Gegend von Jerköi lassen aber diesen Schluss zu. In der Korrespondenz mit Aron Hirsch findet sich leider kein weiterer Anhaltspunkt, der zur definitiven Klärung dieses Sachverhaltes beitragen könnte. Der Brief ist aber offensichtlich zu einem Zeitpunkt abgefasst, der Forrer noch hoffen ließ, dass die Grabung mit seiner Teilnahme oder gar Leitung geplant ist. Denn das Ergebnis der Besprechung wird schließlich als positiv beschrieben und lässt zu ergreifende Maßnahmen durchblicken. Der Brief ist auch ein weiterer Beleg dafür, dass das angespannte Verhältnis Ehelolf : Forrer auch 1927 noch nicht beigelegt war. Bittel nennt dann passenderweise als Grund für die letztendliche Ablehnung Forrers als Grabungsleiter den energischen Widerspruch Ehelolfs im Rahmen der Sitzungen der Deutschen Orientgesellschaft, „denn dort hatte Herr Ehelolf, der Kustos der Keilschriftabteilung der Staatlichen Museen, Sitz und Stimme, und gerade er gehörte nicht zu den besonderen
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Freunden Forrers.“258 Die Grabungen wurden letztendlich im Jahre 1931 wieder aufgenommen und der damals noch junge Archäologe Kurt Bittel zum Grabungsleiter bestimmt. Die Grabungen wurden dann im Auftrag der neu gegründeten Abteilung des Deutschen Archäologischen Institutes in Istanbul durchgeführt und dauern bis heute an.
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Kurt Bittel, op. cit. p. 205.
1929–1933. Die „amerikanischen“ Jahre H Forrer erhält von James Henry Breasted das Angebot für drei Jahre in die Dienste des Oriental Institutes der Universität Chicago zu treten. Dieses Angebot kommt zur rechten Zeit – die finanziellen Sorgen scheinen bereinigt. Es eröffnet sich eine große Chance für den Schweizer, aber es endet mal wieder in der für ihn typisch unglücklichen Weise. Dennoch kann man von einer erfolgreichen Periode sprechen, die Forrer mit einem Werk auf dem Gebiet der Entzifferung der luwischen Hieroglyphen krönt. Forrers finanzielle Situation zu Beginn des Jahres 1928 war sehr angespannt und er hielt sich und seine kleine Familie mit einem Dozentenstipendium der Berliner Universität über Wasser. Diese Form der Finanzierung musste Forrer – mit Unterbrechungen – bereits seit Endes des Jahres 1922 immer wieder in Anspruch nehmen, da ein kontinuierliches Einkommen durch eine dauerhafte Anstellung bislang nicht zu erzielen war. Neben der Vorbereitung und Durchführung der Lehrveranstaltungen an der Berliner Universität waren seine Arbeitstage im Jahre 1928 mit der Abfassung und Fertigstellung seiner Forschungen, dem „Griechenbuch“, ausgefüllt. Ebenso kostete ihn die Auseinandersetzung mit Götze, Friedrich und Sommer zur AΔΔijawa-Frage viel Kraft und forderte einen Großteil seiner Aufmerksamkeit. Die geringen Aussichten auf eine dauerhafte bezahlte Anstellung an einer deutschen Universität und die stets sehr angespannte finanzielle Situation lähmten Forrers Forschergeist und ließen ihn mit dem Schicksal hadern. Er war nun seit drei Jahren habilitiert, ohne dass es sich für ihn positiv im Hinblick auf Einkommen und Karriere ausgewirkt hätte. Forrer war vor allem in eben diesem Frühjahr verbittert, wie der schon zitierte Brief an Eduard Meyer von April 1928 zeigt, war er doch Autor zahlreicher wichtiger und umfangreicher Veröffentlichungen zum Hethitischen sowie zur Geschichte und Kultur des Alten Orients insgesamt. Auch hatte er 1926 eine große Forschungsreise durch Anatolien erfolgreich organisieren und abschließen können. Nun aber musste er mit ansehen, wie andere, teilweise jüngere Kollegen, die in seinen Augen Geringeres geleistet hatten, Positio-
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nen innehatten und Berufungen erhielten, die er für sich glaubte beanspruchen zu können. Er selbst lebte mit seiner Familie zwar in einem eigenen Haus in Erkner, am Rande Berlins, aber doch insgesamt auf bescheidenem Niveau. Vor allem zerrte es an seinen Nerven, dass er elf Jahre nach seiner glänzenden Dissertation, und mittlerweile 34 Jahre alt, ohne konkrete erkennbare berufliche Perspektiven dastand. Die Spannungen, die ihm die Kontroverse um die Griechen in den Bo©azköi-Texten einbrachten, taten ihr Übriges, um Forrers Gesamtkonstitution aus dem Gleichgewicht zu bringen. Im Frühjahr des Jahres 1928 dachte Forrer ernthaft daran, sich nach einem neuen Tätigkeitsfeld – außerhalb der Wissenschaft – umzuschauen. Die Situation sollte sich aber alsbald für ihn zum Positiveren wenden. Hans Henning von der Osten, mit dem er schon seit dessen Studienzeiten in Berlin bei Delitzsch und Meyer bekannt war und mit dem er auch 1926 in Anatolien eine aufregende Zeit bei seiner Forschungsreise verbrachte, stand zu jener Zeit noch immer in intensivem Briefkontakt zu ihm. Von der Osten hatte eine reizvolle Position in den Vereinigten Staaten angeboten bekommen und arbeitete am vor nicht allzu langer Zeit gegründeten und noch immer expandierenden Oriental Institute der University of Chicago.
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Das Oriental Institiute der University of Chicago
Abb. 22 Der Bibliothekssaal des Oriental Institues Chicago
Dass das heute so renommierte und berühmte Oriental Institute in Chicago ansässig ist, verdankt die dortige Universität, dem das Institut angeschlossen ist, ihrem ersten Präsidenten William Rainey Harper 259. Dessen Bruder Robert Francis Harper unterrichtete Assyriologie an der neugegründeteten Universität, so dass Studien zur Sprache, Geschichte und Kultur des Vorderen Orients von Beginn an eine wichtige Ausrichtung der Universität darstellten und in einem eigenen Department untergebracht wurden. Die Gründung der Universität im Jahre 1891 war durch das große finanzielle Engagement des amerikanischen Unternehmers und seinerzeit reichsten amerikanischen Industriemagnaten John D. Rockefeller möglich geworden.260 John D. Rockefeller hatte in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein immenses Vermögen im boomenden amerikanischen Ölgeschaft gemacht und war u.a der Erste, der große Ölmengen nicht nur in Schiffen oder mit der Eisenbahn, sondern durch Pipelines transportieren ließ, um die 259 260
*25. Juli 1856 – †10. Januar 1906, Professor für Hebräisch und semitische Sprachen sowie erster Präsident der University of Chicago. *8. Juli 1839 – † 23. Mai 1937.
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Transportmengen zu erhöhen. Neben seinen ökonomischen Aktivitäten investierte Rockefeller auch große Summen in gemeinnützige und wohltätige Projekte, davon war eines die Gründung der University of Chicago. Diese wurde nach dem Vorbild deutscher Universitäten humboldtscher Prägung – unter dem Motto der Einheit von Forschung und Lehre – aufgebaut.
Abb. 23 Das Gebäude des Oriental Institutes Chicago bis 1931
Im Jahre 1894 engagierte der genannte Harper den jungen 29-jährigen James Henry Breasted für die neugegründete Universität und bot ihm eine Dozentur für Ägyptologie und altorientalische Geschichte an. Im Jahre 1896 wurde dieses Department in den Räumen des Haskell Oriental Museums untergebracht, in dem auch eine kleine Sammlung orientalischer Antiquitäten untergebracht war. Durch die nun zahlreichen Aktivitäten der Universität, auch durch Grabungen im Irak und in Ägypten, wuchs die Sammlung des kleinen Museums rasch an und gewann zunehmend an Bedeutung, weit über Chicago hinaus. 1919 gründete James H. Breasted mit Unterstützung der John D. Rockefeller-Stiftung das Oriental Institute of Chicago und widmete sich federführend der archäologischen Erforschung Ägyptens und des Vorderen Orients. Das Institut expandierte nun für etwa ein Jahrzehnt sehr rasch und suchte ständig qualifiziertes wissenschaftliches Personal, vor allem in Europa. Und dies war reichlich vorhanden, da in Berlin und Leipzig eine lan-
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ge Tradition in diesen Fächern bestand und in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg viele junge und gut ausgebildete Wissenschaftler gab, die im Nachkriegsdeutschland auf der Straße standen. Zahlreiche Großprojekte, wie die archäologische Auswertung von Alisar-Hüyük durch von der Osten, nahmen in dieser Zeit ihren Anfang. Im Jahre 1931 – wiederum mit finanzieller Unterstützung der Rockefeller Stiftung – wurde das neue Gebäude des Oriental Institutes erbaut, in dem es auch heute noch untergebracht ist. Das architektonisch beeindruckende Gebäude enthält neben den Räumen für Lehre und Forschung ein eigenes, sehr sehenswertes Museum sowie eine hervorragend ausgestattete Bibliothek. Der Schwerpunkt in Breasteds Wirken lag in der Sammlung und Auswertung des inschriftlichen Materials der altorientalischen Kulturen, dem das Institut auch heute noch verpflichtet ist. In der Ära Breasteds starteten auch die großen und in den orientalistischen Disziplinen so bekannten und geschätzten WörterbuchProjekte, allen voran das 1921 begonnene Chicago Assyrian Dictionnary, an dem im Laufe der Jahrzehnte auch zahlreiche deutsche Wissenschaftler mitwirkten, wie z.B. Arnold Walther. Seit 1975 wird mit dem Chicago Hittite Dictionnary ein weiteres, großes Wörterbuchprojekt, dass von Hans Gustav Güterbock und Harry A. Hofner ins Leben gerufen wurde, realisiert. Das Oriental Institute Chicago gehört heute zu den wichtigen Forschungszentren der altorientalischen Kulturen weltweit.
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Abbildung 24 Einladung zum Gespräch von J.H. Breasted
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Breasted, der offenbar sorgfältig und beständig den Markt an geeigneten Wissenschaftlern beobachten ließ, war bereits 1926 auf Forrer aufmerksam geworden, wie einem Brief von der Ostens zu entnehmen ist.261 „Wie sind Ihre Pläne? Hier fand ich alles viel günstiger als ich dachte. In der kleinen Broschüre des Institutes finden Sie ein paar Zeilen über unsere Reise, die Breasted geschrieben hat. Sie werden sehen – especially Forrer. Das meint hier etwas. Der Mann ist bereits stark in Sie interessiert wie überhaupt das ganze Hethitische Project, das er nun auf eine ganz breite Basis stellen will.“
Offenbar hat von der Osten auch zu Gunsten Forrers auf Breasted eingewirkt, wie er in einem kurzen Brief vom 25. März 1928 schreibt, denn er konnte sich eine fruchtbare Zusammenarbeit mit Forrer sehr gut vorstellen. So bahnt sich alsbald das entscheidende Treffen zwischen Forrer und Breasted an. Letzterer hielt sich im April 1928 in Berlin auf und lud Forrer zu einem Gespräch in das Hotel Esplanade für den 19. April 1928 um 13.00 Uhr ein.262 An jenem Tag, in den edlen Räumlichkeiten des Berliner Nobelhotels, unterbreitete Breasted dann im Laufe des anregenden Gesprächs ein großzügiges und interessantes Angebot, das Forrer endlich die Perspektiven und vor allem das ersehnte Einkommen in der Wissenschaft bot. Wie das Angebot konkret aussah, lässt sich sehr detailliert einem langen Brief Breasteds entnehmen, der knapp ein halbes Jahr später an Forrer abgeschickt wurde und die Konditionen des Angebotes jenes Tages nochmals ausführlich beschreibt:263 „Going a little more fully into the program of service which the Oriental Institute would expect of you, let me say that this program would be somewhat as follows. The Oriental Institute is included within the organization of the University of Chicago and hence the University would offer you a post in its faculty as Associate Professor. This is equivalent to the "Ausserordentliche Professur" in Germany. The minimum required teaching under such an appointment would be four hours a week, and also when needed, a weekly seminar of two hours. In the course of the work on the Assyrian Dictionary, it has been necessary of course to do some work on the Hittite documents but it has not been intended heretofore to include the purely Hittite materials in our present Assyrian Dictionary. Nevertheless, it would obviously be highly desirable to produce a Hittite Dictionary. I am myself much more interested in historical than philological investigations. At the same time I would be very glad to see a preliminary Hittite Dictionary growing out of our Oriental Institute work on the Assyrian Dictionary, and the facilities and practical arrangements now possessed by the dictionary organization might make it relatively easy for you to organize the available Hittite materials in 261 262 263
Brief vom 20. Dezember 1926. Siehe Dokument 26 der CD-ROM. Brief vom 14. Dezember 1928.
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1929–1933. Die „amerikanischen“ Jahre the form of a Hittite dictionary. It would have to be very definitely understood, however, that the general Assyrian Dictionary comes first, and the supplementary projects such as a Hittite or a Sumerian dictionary would have to come second. If we should make definite arrangements and sign a contract, it would be doubtless be wiser both for you and for us that the contract be made for a term of, let us say three years. If, at the end of this term of three years, we find that the association has proved mutually agreeable and beneficial to science, we of the Institute should be very glad to see your appointment renewed at an increase in your salary.“
Dieses Angebot eines dreijährigen Engagements im Range eine außerordentlichen Professors mit der Aussicht auf eine Weiterbeschäftigung an diesem großen Institut, mit all seinen Möglichkeiten und Perspektiven, war für Forrer in seiner Situation wirklich ein großer Treffer. Auch dass ein Hethitisches Wörterbuch, das alte Anliegen Forrers seit nun mehr als fünf Jahren, als „highly desirable“ eingestuft wird, war mehr als er zunächst hätte erwarten können. Die Aussichten auf die ersehnte Karriere war mit einem Schlage gegeben. Die Antwort Forrers auf dieses Schreiben ist erhalten: 264 „Verehrter & Lieber Herr Professor Breasted! Ihr freundlicher Brief ist mit unerhörter Verspätung hier eingetroffen, so daß sich die Post sogar geschämt hat, den Ankunftsstempel aufzudrucken, was sie sonst bei Auslandsbriefen immer tut. Ich bitte deshalb zu entschuldigen, daß Sie erst jetzt von mir Antwort erhalten. Ihr Brief hätte mir ja schon eine Weihnachts- oder Neujahrsfreude sein können. Hoffentlich hat mein Telegramm, das ich gleichzeitig absende, seinen Zweck erreicht, Sie schnellstens über mein langes Schweigen aufzuklären. Ich habe mich sehr gefreut über Ihr Angebot als ein Zeichen der Anerkennung & weiß die Ehre, dem Oriental Institute & der Universität von Chicago angehören zu dürfen, wohl zu schätzen. Bezüglich meiner Lehraufgabe hätte ich die Frage, ob sie sowohl die Geschichte als auch die Sprachen der Keilschriftländer umfassen soll, also Assyrisch, Sumerisch & Hethitisch. Weil ja wohl schon die Herren vom assyr. Lexikon Assyrisch lehren, respektiere ich natürlich gern ihre älteren Rechte. Worin meine Lehraufgabe besteht, ergibt sich wohl daraus, was am nötigsten gebraucht wird. In diesem Semester lese ich gerade „Geschichte des alten Orients 3000 – 300 v. Chr.“, & bin ein wenig stolz, darin 51 Hörer zu haben. Mit der Festsetzung des Minimums auf 4 Stunden Kolleg &, wenn nötig, 2 Stunden Seminar wöchentlich, bin ich einverstanden. Da ich bisher noch nie Gelegenheit gehabt habe, Englisch zu sprechen, würde es mir anfangs noch Schwierigkeiten machen, die Kollegs englisch abzuhalten, doch werde ich mich bemühen, in
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Brief an Breasted vom 29. Januar 1929.
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den Sommermonaten möglichst viel Englisch zu lernen. Ich würde deshalb in der ersten Zeit Sie & meine Hörer um viel Nachsicht bitten müssen. Ihr Angebot habe ich mit Herrn & Frau Professor Ed. Meyer besprochen & sie haben mich „beauftragt“, Sie von ihnen beiden herzlichst zu grüßen. Ed Meyer sagte mir, daß Ihre Universität statt 2 Semestern 4 Quartale hat & daß es üblich sei, daß das 4. Quartal Ferien seien. Ich nehme daher an, daß es sich auch jetzt noch so verhält, & möchte Sie fragen, ob das richtig ist. Aus Ihrem Briefe & dem Prospect des Or. Inst. ersehe ich, daß das assyr. Lexikon in erster Linie steht. Ich bin gern bereit, zu diesem Standard-Werk meinen Teil beizutragen. Von Bedeutung für das assyr. Lexikon sind besonders die zahlreichen babylon. Lehnworte in den Bogh. Texten & weil sie meisten ideographisch geschrieben sind, würde die Hauptaufgabe sein, ein Lexikon der Ideogramme der Bogh.-Texte zustande zu bringen. Ich habe dazu ja schon große Vorarbeiten gemacht & würde diese gerne dem Or. Inst. für d. assyr. Lexikon zur Verfügung stellen. Wenn das fertig gestellt ist, dann wäre ja ein vorläufiges hethitisches Lexikon zum Verständnis wenigstens der historischen Texte ein dringendes Bedürfnis. Daß das Orintal Institute mir in Aussicht stellt, mir Reisen in den Orient zum Besuch der Ausgrabungen, Forschungsreisen und, was ich noch hinzufügen möchte, zum Besuch von mehreren Museen das begrüße ich besonders. Ich glaube auch, daß ich da dem Oriental Institute Dienste leisten kann, die so wertvoll sind, daß sie die Ausgaben für solche Reisen vielfach aufwiegen. Auch mit der Befristung meines Kontraktes auf drei Jahre bin ich vollständig einverstanden. Bezüglich des Gehaltes von 5000,- Dollar habe ich noch einge Fragen: Ich bin augenblicklich außerstande zu beurteilen, ob ein Gehalt in dieser Höhe meinen Bedürfnissen genügt. Sie wissen ja wohl, daß ich verheiratet bin & einen sechsjährigen Bub habe. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir Auskunft geben könnten, über die Möglichkeit der Beschaffung einer Wohnung & über die Kosten der dortigen Lebenshaltung. Auch würde ich Sie bitten, mir die Mittel für die Reise vorher zu überweisen, da ich nicht imstande wäre, sie auszulegen. Auf eine Schwierigkeit für mich möchte ich Sie noch aufmerksam machen, die mir durch die Annahme Ihres Angebots entsteht. Mein Forschungsstipendium & mein Dozentenstipendium hier laufen vom 1. Apr. zum 1. April. Wenn ich also zum 1. Juli nach Chicago komme, kann ich im Sommersemester hier keine Vorlesungen mehr halten & ebenso ist es mit der Forschung. Es ist deshalb nach meiner Erkundigung so gut wie sicher, daß beide Stipendien mit dem 1. April aufhören, wenn ich Ihr Angebot annehme. Dadurch entsteht ein Vakuum in meinem Einkommen von drei Monaten, das ich nicht tragen kann. Ich möchte Sie bitten, sich diese Frage zu überlegen, vielleicht finden Sie einen Ausweg. Nun möchte ich noch meine Forschungspläne darlegen. Sie wissen, daß ich ein Buch über die Griechen in den Boghazköi-Texten schreibe & ich freue mich sagen zu können, daß Ende Februar der zweite Teil (160 Seiten im Quart) erscheinen wird. Es enthält einen großen Friedensbrief des Hatti-Köngs an den Grosskönig von Griechenland (Ahhijava) & einen Brief des Hatti-Königs an den König von
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1929–1933. Die „amerikanischen“ Jahre Milyas (Milavata), den Vasall des Kgs. von Griechenland. Ich glaube, es wird Sie sehr interessieren, & werde Ihnen das Buch zusenden, sobald es erschienen ist. Ich habe die Verpflichtung, diese Arbeit fortzusetzen & möglichst bald den 3. letzten Teil des Werks zu schreiben. Aber ein Jahr Arbeit ist, glaube ich, das mindeste, was dafür zu rechnen ist, selbst wenn man nichts anderes daneben täte. Diesen 3. Teil muß ich natürlich auf deutsch schreiben. Aber dies Problem ist für alle Welt so interessant & so geeignet, dem Oriental Institute neue Freunde zuzuführen, daß ich es für sehr praktisch halten würde, wenn ich nach Fertigstellung des 3. Teils die Ergebnisse dieses ganzen großen Werkes in einem kleinen Buch als Publikation des Oriental Institute auf englisch zusammenfassen würde. Von dem Lexikon der Ideogramme für das assyr. Lexikon sprach ich oben schon. Dem engl. Verlag Methuen habe ich mich verpflichtet, für seine archaeologischen Handbücher ein Buch über die Geschichte & Kultur des Hatti-Reiches & der Bilderschrift Hethiter zu schreiben. Das macht ebenfalls sicher 1 Jahr Arbeit. Um einen sichere Grundlage für die sumerische Geschichte zu bekommen, ist es unerläßlich, erst einmal eine astronomisch gesicherte Chronologie zu schaffen. Zum Teil habe ich die bereits fertig. Ich denke sie im Sommer ganz fertig zu machen & sie könnte dann auf englisch in den Publ. d. Or.I. erscheinen, wenn Sie es wünschen. Es wird Sie interessieren, daß sich durch meine neue astronom. gesicherte Chronologie ein schöner ägypt.-bab. Synchronismus ergibt: Çarrukin von Akkad, der das Nil-Delta (=Jaronuti) beherrschte als Weltherrscher 2598–2579 & das ist nach Ed. Meyers letzter Chronologie genau die Zeit der beiden illegitimen Könige nach Mykerinos. Das ist eine gute Übereinstimmung. Ansonsten habe ich einen großen Teil der Arbeit über den „Sagenkreis der Harrier“ fertig, die ich dann wegen des Griechenbuchs abbrechen mußte. Das sind mehrere historisch interessante Sagen, die historische Ereignisse aus der Zeit der Dynastie von Gutium 2409 – 2284 wiedergeben, das wird Prof. Chiera besonders interessieren, denn die Leute von Nuzi sind ja ˆarrier. Übrigens glaube ich dann auch nachweisen zu können, daß die Erzählung von der Vertreibung von Adam & Eva aus dem Paradies eine Δarrische Sage ist, das ist für die Bibel sehr wichtig. Auf andere kleinere Arbeiten über das Lautsystem der Sumerier und andere gehe ich nicht näher ein. Sehr wichtig aber ist noch meine Entzifferung der hethitischen Bilderinschriften, die ich z. T. ausgearbeitet habe. Wenn sie fertig gestellt ist, so wird hier der Geschichte & der Archäologie – denn ich weiß Plätze genug, wo sicher Bildinschriften wie in Karkemisch zu holen sind – ein ganz neues & hochinteressantes Gebiet erschlossen. Ich weiß wohl, daß allein schon die angeführten Absichten die Arbeitskraft eines einzelnen Menschen – mag er auch noch so fleißig sein – bei weitem für 3 Jahre, ja vielleicht für 5 Jahre übersteigt, deshalb habe ich mir auch schon überlegt, daß ich mir womöglich eine Mitarbeiterin anstellen will, sei es daß das Or. Inst. mir das ermöglicht, sei es, daß ich sie von meinem eigenen Gehalt bezahle. Schon deshalb wäre ich dankbar, wenn mein Gehalt nicht zu knapp bemessen wäre. Sie sprechen davon, daß das Or. Inst. eine Serie von Keilschrifttexten herausgeben will. Deshalb möchte ich Sie auf eine ungewöhnliche Gelegenheit aufmerksam
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machen, die ich mir nicht entgehen lassen würde. Hier werden nämlich 3 Keilschrifttexte angeboten, die uns zu teuer sind. Zwei sind so hocharchaisch wie die Farah-Texte, davon enthält der eine die älteste sichere Erwähnung eines semitischen Namens: Içmerilum = Ismael, was für die Bibel sehr interessant ist. Der 3. Text enthält Briefe des letzten Kgs d. Dyn. von Ur. Ibi-Sin (2192 – 2167) an mehrere seiner Statthalter. Darin wird die Einwanderung der Amuriter in Babylonien die Begündung der Dyn. v.??? ??? Içbi-Eva etc. erwähnt. Zugleich enthält er die älteste Erwähnung von Aççur außerhalb von Assur & die erste Erwähnung eines mit Namen genannten Fürsten von Subartu & daß dieser einen Beutezug bis an die Grenze Babyloniens gemacht hat. Jedenfalls ein histor. Dokument ersten Ranges. Jeder der Texte soll, glaube ich 5000 M kosten, ich kann es aber augenblicklich nicht genau sagen, kann mich aber danach erkundigen, wenn es Sie interessiert. Zum Schluß möchte ich Ihnen noch sagen, daß ich mich damals, als ich Sie zum ersten Mal persönlich sah & hörte, sehr gefreut habe, daß ich in Ihnen einen so natürlichen & jugendlichen Mann kennengelernt habe. Auf diesem ersten Eindruck beruht mein fester Glauben, daß Sie & ich in unserem Interesse an der Geschichte des alten Orients in glücklichster Weise übereinstimmen & mein persönliches Vertrauen zu Ihnen, daß Sie mir nichts zumuten werden, was meine Kraft übersteigt oder nicht vereinbar wäre mit meinen Pflichten gegenüber der Wissenschaft & gegenüber meinen Angehörigen. Gleichzeitig übersende ich Ihnen 12 Sonderabzüge meiner letzterschienenen Arbeiten & dazu meinen Aufsatz über den Ursprung der Kultur Babyloniens, über den wir seinerzeit sprachen. Da dies mein einziger Abzug davon ist, bitte ich Sie um Rücksendung dieses einen Aufsatzes üb. d. Ursprung. Falls Sie wünschen, könnte eine englische Übersetzung davon in den Publ. d. Or. Inst. veröffentlicht werden. Das Thema ist ja interessant genug & ich bin sehr gespannt, Ihre Meinung dazu zu hören. In der Hoffnung, daß wir zu einer Zusammenarbeit gelangen werden, bleibe ich mit herzlichen Grüßen auch an Ihre Frau Gemahlin in vertrauensvoller Verehrung Ihr E. Forrer“
Das Engagement Forrers als Associate Professor für zunächst drei Jahre kam zu Stande und wurde in einem weiteren Briefwechsel definitiv abgeschlossen. Breasted erhöhte das Jahressalär auf 6.000 US-Dollar in Würdigung der familiären Situation Forrers. Beide freuten sich auf die Zusammenarbeit und Forrer konnte endlich in eine wissenschaftlich fruchtbare und gesicherte Zukunft schauen. Die Vereinbarung sah vor, dass Forrers Tätigkeit in Chicago zum 1. Oktober 1929 beginnen und er seine Übersiedlungsvorbereitungen bis dahin abgeschlossen haben sollte. Um Rat seitens Forrer gebeten, schrieb Breasted, dass er vorläufig von einem Verkauf des kleinen Hauses in Erkner abrate, da dies nachgeholt werden könne, wenn man über die definitive Zukunft und einem endgültigen Verbleib in Amerika das entscheidende Wort gesprochen habe. Breasted ließ auch diplomatisch zurückhaltend durchklingen, dass man zunächst einmal die dreijährige Zusammenarbeit
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und auch die Ergebnisse abwarten wolle, bevor man über solch grundlegende Fragen, die einer langfristige Planung bedürfen, berate. Doch eine „friedliche Eroberung“, wie Forrer es nannte, änderte überraschend alle Planungen grundlegend und verzögerte Forrers Abreise nach Amerika. Stattdessen wartete ein anderes Reiseziel und ein neues Aufgabenfeld auf Forrer, das nichts mit dem Hethitischen zu tun hatte.
Die kretischen Inschriften und Forrers Aufenthalt auf Kreta Statt nach Chicago zu reisen und dort die Tätigkeit am Oriental Institute aufzunehmen, sollte Forrer sich bald auf den Weg nach Kreta machen, um dort die 1901 von Sir Arthur Evans gefunden Täfelchen in Linear A und B Schrift zu photographieren und abzuzeichnen. Den Auslöser dazu lieferte er selbst. Er schreibt – auch für Breasted überraschend – und unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit am 7. Mai 1929: „Inzwischen habe ich eine große friedliche Eroberung gemacht, die ich Ihnen mitteilen möchte, für die ich aber um Ihr Stillschweigen bitten muß. Ich bin nämlich mit dem Conservator von Kreta befreundet & wir haben schon immer sehr bedauert, daß die kretischen Schrifttäfelchen, die Evans gefunden hat, nun schon seit etwa 25 Jahren nicht veröffentlicht werden & nicht verwertet werden können. Dabei gehen sie, wie er mir sagte, durch die Witterungseinflüsse von Jahr zu Jahr mehr kaputt. Das bedeutet aber einen unschätzbaren Verlust für die Wissenschaft, nachdem er nunmehr Direktor des Museums von Kreta geworden ist, hat er mir fest versprochen, daß ich die kretischen Inschrifttäfelchen abzeichnen und abphotographieren darf, um sie zu entziffern, bearbeiten und zu verwerten. Das ist eine große Aufgabe. Denn es sind, wie er mir sagte, nicht nur einige Hundert, sondern mehrere Tausend! Allerdings müssen wir mit der Veröffentlichung unserer Ergebnisse noch so lange warten, bis die Umstände es zulassen, – Sie werden daher verstehen, daß diese Sache als geheim behandelt werden muß – aber der Gewinn für die Wissenschaft ist sicher sehr groß, wenn wir diese Tafeln jetzt schon bearbeiten dürfen. Ich möchte das natürlich möglichst bald machen, aber dieses Jahr geht es natürlich nicht, wenn ich am 1. Oct. in Chicago sein will; daher habe ich mir das für 1930 vorgenommen. Die Aussicht auf solch ein neues Material erfreut sicher auch Ihr Historiker-Herz.“
Was für eine überraschende Wendung und welch ein interessantes Angebot auch an Breasted. Die damals noch nicht entzifferten Tafeln in Linear A und Linear B-Schrift, das war beiden klar, waren ein äußerst lohnendes Ziel. Sowohl dem Institut wie auch dem letztendlichen Bearbeiter waren im Falle einer erfolgreichen Entzifferung Ruhm, viel öffentliche Aufmerksamkeit und ein gebührender Platz in der Wissenschaftsgeschichte sicher.
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Dazu bedurfte es allerdings des schnellen Zugriffs auf das Inschriftenmaterial. Breasted antwortet daraufhin auf Forrers Vorschlag: 265 „I have been especially interested in your confidential communication regarding the Cretan tablets and I hasten to take up the matter with you at once because it has occurred to me that if these tablets are suffering damage as time passes, we ought really to begin work on them at once. I am very much pleased that you made arrangements which insure copying and photographing these invaluable records and I am writing this letter especially to raise the question whether, when you have finished your term of service in Berlin, it would not be a good plan for you to proceed to Crete next October and begin this work. I am, of course, very reluctant to delay your arrival in America and the beginning of your work at the Institute. At the same time, there is another consideration which favors this plan of you proceeding to Crete next autumn. I refer to our new building at Chicago. We now have the architect÷s calendar and our new building will not be ready for occupancy until October, 1930. We are crowded in our old building even at present and next winter we shall be even more crowded because of the addition of a number of new colleagues to our ranks. It may be, therefore, that next winter will be the best opportunity for you to do the work in Crete. Will you kindly write me what you think of this suggestion and also any impression you may have gained regarding the length of time it may require for you to complete the work in Crete? I can understand that if the tablets number several thousand, it will not be an easy matter for you to make any estimate of the length of time required to copy and photograph them. I presume that there will be an certain proportion of them on which you will not be spending any time at all, more then to reject them, for possible later study. But, even so, there will, of course, be a large volume of tablets on which you will spend a great deal of time. Meanwhile, let us understand that the plan for your journey to Crete is under consideration but not yet finally adopted, and I shall await your ideas on the subject with great interest. You understand, of course, that the Institute would be paying your traveling expenses from Berlin to Crete and thence to America, and that your salary from the Institute would begin on Oct. 1.“
Breasted erwägt die Finanzierung eine Reise Forrers im Auftrage des Oriental Institute nach Kreta, um die vorgeschlagenen Möglichkeiten zu prüfen und sich um das Material zu bemühen, wobei er allerdings zunächst eine definitive Zustimmung nicht erteilt. Breasted und Forrer vereinbaren, dass man zunächst die Einschätzung von Forrers Gewährsmann vor Ort, Spyridon Marinatos, oder die Zustimmung von Evans abwarten will, ob Forrer vor Ort an den Texten arbeiten kann. Für den Fall, dass die Antwort positiv ausfällt, soll Forrer noch im Herbst 1929 nach Kreta reisen. Ein nettes Detail am Rande ist die Planung der Arbeitsteilung, die Forrer Breasted unterbreitet. Er schlägt vor, dass seine Ehefrau, so wie im erfolg265
Brief an Forrer vom 23. Mai 1929.
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reichen „Ehelolf-Modell“, die Photographie-Arbeiten vor Ort übernehmen soll und somit Teil der Expeditionsmannschaft wird.
Die mykenischen Linearinschriften Die Linearschrift B (in Abgrenzung zu Linearschrift A) ist die jüngere Silbenschrift der kretisch-mykenischen Kultur Griechenlands. Sie wurde vom 14. Jahrhundert v. Chr. bis ins 12. Jahrhundert v. Chr. hauptsächlich in Knossos und vor allem auf dem griechischen Festland während der kretisch-mykenischen Zeit verwendet. Die mykenische Sprache wurde nach zahlreichen erfolglosen Versuchen erst 1952 entziffert. Es war also lange nicht bekannt, in welcher Sprache die geborgenen Texte überhaupt verfasst waren. Neben zahlreichen Spekulationen ging man, da die meisten Tafeln auf Kreta gefunden wurden, allgemein davon aus, dass es sich um die vermutlich vorindogermanische Sprache der Minoer handelt. Erst als Michael Ventris und John Chadwick die Linearschrift B entzifferten, zeigte sich, dass es sich um eine frühe Form des Griechischen – dem Mykenischen – handelte. Die Kenntnis der mykenischen Sprache ist aufgrund des Charakters der überlieferten Texte beschränkt. Bei den Tontäfelchen handelt es sich hauptsächlich um Inventarlisten und Notizen zu wirtschaftlichen Vereinbarungen und sonstigen Verwaltungszwecken. Literarische oder sonstige Prosatexte sind nicht überliefert. Neben der beschriebenen Linearschrift B findet sich auf den von Evans geborgenen Tafeln auch die archaischere sogenannten Linearschrift A. Diese Schriftzeichen waren in der minoischen Kultur Kretas gebräuchlich und wurden ca. vom 17. bis ins 15. Jahrhundert v. Chr. verwendet. Die Linearschrift A konnte bisher nur ansatzweise entziffert werden und da einige Zeichen der Linearschrift A den archaischen Urbildern der mesopotamischen Keilschrift sehr ähnlich sind, vermutete man in der Vergangenheit eine Verwandtschaft der beiden Schriftsysteme. Bekannt wurde die Schrift 1878 durch einen Fund auf Kreta. Die Bezeichnung Linearschrift prägte Sir Arthur Evans, der Ausgräber von Knossos, die auf das Aussehen der Schriftzeichen mit einzelnen Linien in den Tontäfelchen abhebt. Wegen der engen Verwandtschaft mit der Linearschrift A wurden aufgefundene Tontäfelchen in Linearschrift B zunächst für minoisch gehalten. Weitere Funde von Tontäfelchen gab es auch in den Palastarchiven in Pylos, die durch den Archäologen Carl Blegen zugänglich wurden.
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Abb. 25 Beispiel für die Zeichen der Linearschrift
Nach einigen Briefwechseln, die unter anderem auch die Zusage des Oriental Institutes enthalten, dass die Reisekosten für Frau Forrer ebenfalls übernommen werden, schreibt Forrer am 25. Juni 1929, dass die Antwort von Marinatos nun vorliege und einer Reise nach Kreta nichts mehr im Wege stehe. Marinatos sei sehr zuversichtlich, dass Evans zustimmen werde, wenn ein Team im Auftrage Chicagos auf Kreta erst einmal eingetroffen und vor Ort arbeitsbereit sei. Interessanterweise erwähnt Forrer im gleichen Brief en passant, dass sein Schwager Claude Schaeffer in Nordsyrien bei Ras Shamra eine interessante archäologische Entdeckung gemacht habe, wobei auch zahlreiche Dokumente an Tageslicht getreten seien. Am 22. Juli teilt das Oriental Institute Forrer mit, dass man zeitgleich zu seinen Bemühungen ebenfalls Kontakt zu Sir Arthur Evans aufgenommen und dort um Erlaubnis für die Bearbeitung der Täfelchen vor Ort vorgefühlt habe. Man habe eine Kooperation vereinbaren können und ein gemeinsames Publikationsprojekt ins Auge gefasst. Forrer solle sich auf die baldige Abreise nach Kreta vorbereiten. Das große Projekt zu den „kretischen Inschriften“ konnte beginnen.
Forrers intensive Reisetätigkeiten 1930 und die Verknüpfung diverser ad–hoc Projekte im Nahen Osten Im Oktober des Jahres 1929 reist Forrer über Venedig nach Kreta. Die Kosten für die Reise sind auf Wunsch Forrers zum größten Teil vom Oriental-Institute im Voraus ausgezahlt worden. Die Ankunft im Hafen von Kandia ist für den 11. Oktober vorgesehen. Aus Venedig erreicht Breasted ein überraschender Brief Forrers, dass er einen „Abstecher“ nach Straßburg zu seinem Schwager Claude Schaeffer gemacht habe, um sich die Texte anzuschauen und zu kopieren, die dieser in Nordsyrien gefunden habe. Wie sich herausstellt, ist dies ohne Absprache mit dem Oriental Institute geschehen, aber Forrer habe vorausgesetzt, wie er schreibt, dass diese Initiative „durchaus im Interesse des Institutes“ sei.
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Auf Kreta endlich angekommen, bucht Forrer sich zunächst in Kandia im Hotel Minos ein und erhält dort die Mitteilung, dass Evans sich nun leider entschieden habe, die Texte selbst zu bearbeiten und herauszugeben und dass das Angebot von ihm und dem Oriental Institute zu spät gekommen sei. Dennoch macht er sich, auch ohne die Genehmigung von Evans, und mit freundschaftlicher Unterstützung von Marinatos, an die Arbeit, die Texte zu kopieren und zu fotografieren. Er schreibt nochmals an Evans, dass er nun mit seiner Ausrüstung in Kreta ist und bittet ihn, seine ablehnende Haltung zu überdenken und seine Zustimmung zur Publikation der Texte zu erteilen. Die Situation war sowohl für Forrer als auch für das Oriental Institute äußerst unbefriedigend. Die Reise und die Expedition waren finanziert und Forrer, statt in Chicago zu forschen und zu unterrichten, saß auf der Insel Kreta – im Ungewissen, ob er dort überhaupt wie geplant in vollem Unfange tätig werden kann. Am 5. November 1929 bestätigt auch Breasted die Absage von Evans, die mittlerweile ebenfalls das Oriental Institute erreicht hat. Für den ungünstigsten Fall, dass Evans nicht doch noch einlenkt, wird vorgeschlagen, dass Forrer nach Konstantinopel reisen und am dortigen anatolischen Material arbeiten solle. Auch die Entdeckung seines Schwagers Schaeffer bei Ras Shamra in Nordsyrien könne möglicherweise als alternatives Ziel für eine spätere Reise in Frage kommen. Noch waren sich alle Beteiligten im Unklaren, wie genau es weitergehen solle, wenn das Kreta-Projekt nicht zu Stande kommt. Es herrschte eine spürbare Ratlosigkeit und Forrer ist ohne konkrete Aufgabe auf der Mittelmeerinsel. Während Forrer auf eine endgültige Klärung der Situation wartet, kopiert er weiter fleißig die Täfelchen mit den kretischen Inschriften und stellt auch gleich erste Spekulationen über die Sprache an, in denen die Texte abgefasst sein könnten. Er kommt zu dem Ergebnis, dass dort, wo er grammatische Beziehungen auszumachen glaubt, diese durch Präfigierung markiert werden. Sein erstes Fazit: Die „Knossos-Sprache“ gehört aber nicht zur präfigierenden protohattischen Sprache. Da er nicht wissen konnte, ob seine Mühen an den kretischen Inschriften jemals genutzt werden können, suchte sich Forrer für die Zeit des Herumsitzens eine weitere lohnenswerte Aufgabe. Da es Forrers Mentalität widersprach, wertvolle Zeit mit nutzlosem Warten auf etwaige Entscheidungen zu vertrödeln, versuchte er sich währenddessen auch an den von ihm in Straßburg kopierten Texte aus Ras Shamra. Diese hatte er vorsorglich mit auf die Reise genommen. Jetzt war Zeit und Gelegenheit sich intensiver damit zu befassen.
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Emil Forrer und die Entdeckung von Ugarit Im Frühjahr 1928 stieß ein syrischer Landarbeiter bei der täglichen Arbeit auf den Feldern auf eine gewölbte Kammer, die offenbar sehr alt war und so etwas wie eine Grabkammer darstellen sollte. 266 Nach ersten Sondierungen des hinzugerufenen Assyriologen Charles Virolleaud entscheidet man sich, dort erste Grabungen durch den elsässischen Archäologen Claude Schaeffer-Forrer vornehmen zu lassen. Schon sehr schnell stellt sich heraus, dass sich hier die kulturellen Hinterlassenschaften einer wichtigen Siedlung des zweiten vorchristlichen Jahrtausends bergen lassen, auch wurden erste Inschriften auf Tontäfelchen gefunden, die in einer vereinfachten Keilschrift niedergeschrieben waren. Da Claude Schaeffer mit der jüngsten Schwester Forrers Odile verheiratet war und somit eine enge familiäre Beziehung auch zu Emil Forrer bestand, hatte dieser den Vorteil, frühzeitig über viele Details Kenntnis zu erhalten, lange bevor diese weiteren Fachkreisen bekannt wurden. So gestatte ihm Schaeffer anläßlich des schon erwähnten familiären Besuches in Straßburg, die frisch gefundenen Texte für Studienzwecke zu kopieren. Schon nach kurzem Studium der Texte war es Emil Forrer, der als erster Schaeffer darauf hinwies, dass das, was dieser bei Ras Shamra ausgrabe, nichts Geringeres sei, als die Ruinen des vorderasiatischen Stadtstaates Ugarit! Wenn man sich die frühe Fachliteratur hinsichtlich dieser Gleichsetzung durchsieht, stellt man fest, dass diese Tatsache auch von Schaeffer in Syria XIII, 1932, p. 26 so wiedergegeben worden ist. Schaeffer reagiert in diesem Artikel auf die vorsichtig geäußerte Gleichsetzung Ras Shamra = Ugarit Virolleauds in Syria XII, 1931, p. 351 und W. F. Albrights in Altorientalischen Forschungen 7, 1931–32, p. 165 Anmerkung 3. „M Èmile Forrer, le premier m…avait suggéré ce rapprochement il y a tantôt deux ans. Je doit avouer que je n…y avais pas attaché l…importance que méritait son indication.“
Forrer war aber nicht nur derjenige, der als Erster die richtige Zuordnung von Ras Shamra geglückt ist, er hat auch als erster, bereits vor der Entzifferung des Ugarititschen durch Hans Bauer267 und Charles Virolleaud, den semitischen Charakter des Ugaritischen erkannt. Mit Datum vom 25. bis 27. November 1929 schrieb er die interessante Erkenntnis an Breasted, dass er nach der Durchsicht der Texte glaube, das Ugaritische sei eine se266 267
Zur Entdeckung von Ras Shamra und der Grabungsgeschichte siehe ausführlich Johannes Friedrich, in: Der Alte Orient Bd. 33, Heft 1/2, Leipzig 1933. Hans Bauer, Das Alphabet von Ras Shamra. Seine Entzifferung und seine Gestalt, Halle 1932.
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mitische Sprache, die dem Hebräischen sehr nahe stehe. Zwar schrieb er auch, dass die Sprache protohattoide Züge habe und offenbar Präfigierung zeige, was beweist, dass er nicht auf dem Boden sicherer Erkenntnisse stand, sondern vielmehr intuitiven Eindrücken folgte. Es ist aber interessant, dass Forrer wieder einmal, seinem genialen Instinkt folgend, den richtigen Treffer oder vielleicht auch nur einen lucky guess hatte. Diese Tatsache scheint bisher bei allen Würdigungen Forrers ein wenig untergegangen zu sein. Leider korrigierte er seine Ansichten in einem Brief vom 17. Mai 1930 an Breasted dahingehend, dass er nun die Sprache als protohattoiden Typs klassifiziere und damit völlig daneben lag. Wie so oft und auch geradezu typisch für ihn, hatte Forrer auch hier einen genialen und richtigen ersten Gedanken, den er aber entweder kurze Zeit später zu Gunsten falscher, weiterer Annahmen wieder verwarf oder aber mit viel zu spekulativen Schlussfolgerungen überfrachtete. Im März 1930 fährt Forrer nach Paris und folgt einer Einladung der Société Asiatique und hält zwei Vorträge über die „Schichtung der Rassen und Sprachen in Vorderasien“ sowie über „Das mykenische Griechenland in den Boghazköi-Texten.“ Bei dieser Gelegenheit trifft er sich mit Charles Breasted, James Henry Breasteds Sohn und Sekretär. Offenbar ist Forrer für eine Grabungsexpedition nach Zypern vorgesehen, die das Oriental Institute in Amathus/Amathunt durchführen will. Da die Angelegenheit auf Kreta noch in der Schwebe ist und Forrers „friedliche Eroberung“ noch keine wirkliche Eroberung darstellt, hat man sich in Chicago offenbar eine neue Aufgabe für den Schweizer Forscher überlegt. Die letztendliche Arbeitsteilung, die Forrer dann auch im April schriftlich mitgeteilt wird, sieht vor, dass Forrer als Expeditions- und Grabungsleiter für diese Zypernunternehmung vorgesehen ist und Hans Henning von der Osten weiterhin für die Kleinasienexpedition verantwortlich sein soll. Soweit die Planung des Oriental-Institutes, die allerdings, ohne den Eigensinn Forrers zu berücksichtigen, nicht lange Bestand haben sollte. In Paris nutzt Forrer die Gelegenheit, Dank der Unterstützung seines Schwagers, im Louvre nochmals eine ganze Reihe neuer Texte aus Ras Shamra zu kopieren, wie man einem zwölfseitigen Tätigkeitsbericht Forrers an Breasted entnehmen kann und er verwirft nun den Ansatz des semitischen Urprungs des Ugaritischen und ist nun fäschlicherweise gänzlich vom protohattischen Typs des Ugaritischen überzeugt:268
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Der Tätigkeitsbericht ist als sehr schwer zu entzifferndes handschriftliches Konzept im Nachlassmaterial enthalten und trägt das Datum 17. Mai 1930.
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„Ras-Shamra-Texte In Paris hatte mich Herr Schaeffer bei Dussand eingeführt & ich habe das freundliche Entgegenkommen aller Beamten des Louvre gefunden. Man hat es mir in jeder Weise erleichtert, die Ras-Shamra-Texte abzuschreiben. Photographien durfte ich allerdings nicht anfertigen, weil auch Virolleaud keine hat. Ich lernte eine Reihe neuer Texte kennen, von denen Schaeffer keine Fotos hatte. Ich habe alles so sorgfältig wie nur irgend möglich abgeschrieben & immer wieder kontrolliert, um ein ganz zuverlässiges Material zu haben. Den größten Text, der m. E. eine relativ günstige Grundlage zur Entzifferung gibt, habe ich eine ganze Woche lang bearbeitet. Zahlreiche kleine Bewertungen, die Virolleaud wegen ihrer Kleinheit & Isoliertheit überhaupt nicht in die Publikation aufnahm, habe ich durch geduldige Aufmerksamkeit mit Ausnahme von einem einzigen sämtlich mit den Tafeln verbinden können. Auch habe ich mehrere große Stücke zu vollständigen Tafeln zusammensetzen können, dadurch ist ein Bruchstück mit Siegelabdruck aber fast ganz ohne Schrift mit dem gut erhaltenen Anfang dieser Tafel verbunden, sodaß wir nunmehr wissen, wie ein Kontrakt aussieht. Aus der genannten größten Tafel glaube ich mit Sicherheit die Formen des Demonstrativpronomens ableiten zu können. Obwohl sie alle mit dem Zeichen i anfangen, das m. E. so gut wie sicher aus dem phönikischen Alphabet = h abgeleitet ist, also mit h(a), dem phönik.-hebr. Artikel anlauten, stimmen die Formbildungen doch nicht mit dem Hebr. oder Aramäi. überein, auch werden Praefixe in so großem Maße verwendet, daß ich zweifelhaft geworden bin an dem semitischen Charakter der Ras-Shamra-Sprache, sondern mehr dazu neige, in ihr einen Zweig des ProtoΔattischen zu sehen. Denn auch darin gibt es ein häufiges & ebenfalls immer an erster Stelle stehendes Praefix ha. Leider habe ich seit Paris keine Zeit mehr gehabt, mich damit zu beschäftigen. Da meine Abschriften sicher genauer sind als die von Virolleaud, die ich einmal zu sehen Gelegenheit hatte, habe ich daran gedacht, daß es gut wäre, sie zu veröffentlichen. Aber ich möchte keinen Schritt tun, der von den Franzosen unfreundlich aufgenommen werden könnte. Falls Sie die Veröffentlichung meiner Ras-ShamraAbschriften in einer Publikation des Or. Inst. für wünschenswert halten, kann ich deswegen bei Contenau, mit dem ich im Louvre immer zu tun hatte, anfragen.“
Der Tätigkeitsbericht macht deutlich, welche weiteren Pläne Forrer noch umtreiben – ohne dass Breasted bisher davon Kentnnisse hatte. Forrer ist ein Meister darin, im Nebensatz neue Ziele und Pläne zu entwerfen und so darzustellen, als sei dies auch im Interesse aller anderen Beteiligten und auch schon einmal abschließend behandelt worden. So plant er z. B. eine umfangreiche Publikation zu den Hethitern, zu der es offenbar schon Vorabsprachen mit dem englischen Verlag Methuen gibt. Auch möchte er die Ras Shamra Texte publizieren. James Henry Breasted dürfte sich ob all dieser neuen Pläne und Ideen ein wenig verwundert die Augen gerieben haben. Forrer schreibt im genannten Tätigkeitsbericht weiter: „Das Hatti-Reich & die Hethiter So möchte ich das Buch betiteln, das ich für den Verlag Methuen zu schreiben übernommen habe. Als ich Ihnen seinerzeit hiervon schrieb, schrieben Sie mir, daß Sie bedauern, daß dies Buch nicht als Publikation des Or. Inst. erscheine. Ich habe
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1929–1933. Die „amerikanischen“ Jahre deshalb bei Methuen angefragt, ob er bereit wäre, dies Buch für Amerika dem Or. Inst. zu überlassen als dessen Publikation. Ich erhielt darauf die Zustimmung von Methuen auf der Grundlage, daß das Or. Inst. eine größere Anzahl Exemplare, z. B. 1000 Stück & einen Teil der Übersetzungskosten übernimmt... Natürlich ist das nur eine Möglichkeit, von der ich nach Ihrem damaligen Briefe annehme, daß sie 269 Ihnen willkommen ist.“
Forrer wird Grabungsleiter auf Zypern Nachdem Forrer in Paris seine neuen Instruktionen erhalten hatte, machte er sich auf den Weg nach Zypern, um dort die technischen Vorarbeiten und organisatorischen Vorbereitungen der Grabung in Amathus/Amathunt aufzunehmen. Die Anreise erfolgte erneut mit dem Schiff und Forrer nutzte die verschiedenen Zwischenaufenthalte der längeren Reise, um sich an historisch oder archäologisch interessanten Orten umzuschauen. So besuchte er Milet, das Forrer in seinen Berichten und Briefen immer als Millavanda bezeichnet, Megiddo, Byblos, Beirut, Ras Shamra um schließlich in Amathunt auf Zypern anzukommen. Breasted teilt er nach einiger Zeit brieflich mit:270 „Amathunt Über Lattaquié und Beyrouth, wo ich glücklicherweise noch die nötigsten Vermesungsinstrumente einkaufen konnte, kamen wir nun nach Cypern, wo ich gleich meine Karte bei Sir Storrs, den ich schon in Limassol mit Herrn Charles Breasted kennen zu lernen Gelegenheit hatte, abholte. Leider fuhr er schon am nächsten Morgen für 3 Monate nach England ab. Ich nahm sofort die Verbindung mit dem Direktor der Landregistrierung, Papapetes, die Herr Ch. Br. (gemeint ist Charles Breasted, der Verf.) schon in die Wege geleitet hatte, auf, damit das Museumskomitee mit dem Geld des Instituts die Felder von Amathunt kaufen und, wo nötig, enteignen kann. Leider werde ich nicht vor 3 Wochen mit dem Bau des Weges und der Ausgrabung des Bauplatzes anfangen können, so daß damit zu rechnen ist, daß das Haus statt am 1. September erst am 1. Oktober beziehbar ist. Nunmehr einige Beobachtungen betr. unseres Ausgrabungsortes. Der Name lautet altgriechisch Amathous, Amathontos, hat also die gleiche Form wie Trapezus, Trapezuntos = Trapezunt. Die lat. Form Amathus führt allzu leicht zu falscher Betonung und falscher Auffassung der Namensform. Die Griechen hier brauchen den Namen nur im Akkusativ: eis amathunta also Amathunta, die Franzosen geben den Namen relativ richtig durch Amathonte wieder. Mir scheint, daß wir die Form entsprechend Trapezunt die Form Amethunt brauchen müssen. Das Adjektiv kann nur „amathuntisc“ lauten für die Sprache der Inschriften in ägyptischer Silbenschrift, aber nicht griechischer Sprache. Ich werde nur diese also künftig „amathuntisch“ nennen, da269 270
Erschienen ist ein Buch mit diesem Titel aus Forrers Feder aber nicht. Aus dem schon erwähnten Tätigkeitsbericht vom 17. Mai 1930.
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gegen Inschriften in kyprischer Silbenschrift, aber griechischer Sprache „kyprisch“, und solche in griechischem Alphabet und Sprache „griechisch“ nennen: und unsere Expedition heißt dann am besten: „Amathunt-Expedition in Cyprus of the Oriental Institute of Chicago“. Die Ortslage selbst bezeichnen die Schweden, die eine 3jährige Grabungserfahrung an zahlreichen Punkten in Cypern haben und Cypern vorzüglich kennen, als günstigsten Ausgrabungsort einer Stadt in Cypern, weil nämlich sonst an ähnlichen Plätzen dieser Art durch Regen, Wind und Menschenhand alle Kulturerde abgetragen ist, während sie in Amethunt, außer auf der allerhöchsten Höhe eine dicke Schicht bildet. Mit der Empfehlung dieser Ortslage habe ich also, aller Voraussicht nach, mehr Glück als Verstand gehabt. Amathunt galt den alten Griechen als älteste Stadt Cyperns. Sie war mit Paphos der Hauptkultort der Venus, deren Tempel auf der höchsten Stufe des Burgplateaus zu erwarten ist. Amath. gilt aber auch als Königssitz des Kinyras, des sagenhaften Königs von Cypern z. Zt. des troj. Krieges und als erster Landungsplatz der Griechen, und ist auch in den hundert Jahren danach der Sitz eines Königtums gewesen. Zwar hat die Stadt auch in hellenischer, römischer und byzantinischer Zeit große Bedeutung gehabt, hat sich aber in dieser Zeit mehr auf den östlich anschließenden, niedrigeren Hügel und die tieferen Teile am Meere hingezogen. Dagegen scheint gerade die etwa 320 auf 220 mtr. große Fläche der Akropolis in der späteren Zeit wenig besiedelt gewesen zu sein, denn ich fand in diesem Teil der Gesamtstadt fast nur Keramik der arch. Zeit. Dieser erstaunliche Umstand findet seine Erklärung viell. darin, daß die Wasserleitung, deren Spuren ich fand, nur die tiefer gelegenen Teile versorgen kann. Der Verlauf der Arbeiten wird der sein, daß Mitte Juni der Bau eines Weges auf die Höhe und die archälog. Klärung des Hausareals, und Anfang Juli der Hausbau selbst beginnt und im September fertig wird. Leider wird meine Anwesenheit während dieser ganzen Zeit notwendig sein, sodaß ich in diesem ersten Jahre auf Ferien verzichten muß. Arbeitsökonomie Herr Charles Breasted sagte mir bereits, daß ich als Hilfe einen Zeichner, einen Architekten und einen Photographen erhalte, und zwar von der Exp. von Herrn v. d. Osten. Als Saison hat er in seinem Briefe an Sir Storrs die Zeit vom 1. Okt. bis zum 1. Mai angegeben, und er hat mir auch gesagt, daß ich mich in unserer Ausgrabungszeit den Bedürfnissen der Alishar-Expedition anpassen muß. Ich nehme daher diese Zeitspanne als vorläufig gegebene Grenzen für die Grabung und das auf 20.000 Dollar bezifferte Budget an. Ich will aber nicht verschweigen, daß die Grabung nach den Erfahrungen der Schweden vom 1. September bis 1. oder 15. Dezember und vom 1. oder 15. März bis 1. Juni möglich ist. Die dazwischenliegenden Wintermonate wären die geeigneste Zeit die Ergebnisse, so weit noch nötig aufzuarbeiten, und andere wissenschaftliche Aufgaben zu erledigen. Hierbei könnte ich den Zeichner gut für folgende Aufgaben verwenden: für den historischen Atlas, für die dringend notwendige, vollständige Neu-Ausgabe eines Korpus incl. heth. und der nötige Indices dazu, ohne die eine solche Neu-Ausgabe garnicht wirklich gut gemacht werden kann, und für die Indices zu den knossischen Inschriften. Die Lage Cyperns inmitten von Kreta, Stambul (wo sich die meisten Bilder-Inschriften befinden), Klein-Asiens und Syriens ist gerade für die Nachprüfg. aller dieser Inschriften, so weit sie notwendig wird, günstig. Das ist allerdings eher
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1929–1933. Die „amerikanischen“ Jahre für mehrere Zeichner Arbeit genug, während ich für den Architekten und Photographen keine Winterarbeit wüsste. Allerdings weiß ich wohl, daß solche Arbeiten nicht von jedem beliebigen Zeichner gemacht werden können, sondern daß dazu großes wissenschaftliches Verantwortungsgefühl und Begeisterung für die Sache selbst notwendig sind. Mit dem Zeichnen können allein ist es da nicht getan. Deshalb habe ich auch in Berlin schon immer jemanden zu finden gesucht, der, etwa mit Mitteln der Notgemeinschaft d. dtsch. Wissensch., diese Aufgabe hätte ausführen können, und habe nach einigen vergebl. Versuchen unter meinen Studenten auch einen Zeichner u. Maler gefunden, der zugleich archäolog. und sprachlich interessiert ist und daher sich von allein in das Chinesische einarbeitete und beabsichtigte eine russische, archäolog. Expedition nach China mitzumachen. Wenn die Möglichkeit innerh. meines Budgets dazu besteht, würde ich bitten mir solch einen Mann anstellen zu können, denn sie sind schwer genug zu finden. Überhaupt bin ich davon überzeugt, daß die Arbeitsfähigkeit einer Expedition ganz wesentlich von ihrem Geist & der Harmonie ihres Zusammenlebens abhängt und ich glaube bessere Resultate liefern zu können, wenn ich zwei harmonisierende, als 4 disharmonisierende Mitarbeiter habe. So erfreut ich darüber bin, daß Sie mir die Ausgrabg. von Amathunt übertragen haben, so bin ich mir doch klar darüber, daß diese Aufgabe, so gründlich wie ich es will, durchgeführt, fast meine ganze Arbeitskraft in Anspruch nehmen wird. Ich habe aber gegenüber der wissenschaftl. Welt die Verpflichtung mein Griechenbuch zu Ende zu führen, das Hethiter-Buch zu schreiben, ein heth. Wörterbuch zu liefern, und viele andere Aufgaben mehr, die ich Ihnen in meinem ersten Briefe auseinandergesetzt habe. Dazu ist viel Arbeitszeit nötig, und, um kein bloßer Plänemacher zu bleiben, muß ich streben mir Arbeitszeit zu finden, und das läßt sich nur machen, indem ich alle Arbeiten, die nicht unbedingt von dem verantw. Leiter gemacht werden müssen, auf meine Mitarbeiter übertrage. Ich bin aber, nachdem was ich in Megiddo, Byblos und Ras-Sh. gesehen habe, davon überzeugt, daß die Arbeiten auf dem Feld, besonders an einem Fundplatz wie hier, wo viel Einzelfunde zu erwarten sind, von einem verantw. und sachverständigen Archäologen in der ganzen Zeit von morgens 5 bis abends 5 Uhr persönlich überwacht und geleitet werden müssen. Das verdoppelt das Ergebnis, in dem die Gegenstände nicht erst beim Finden zerschlagen werden und nachhher mühselig wieder zusammengesetzt werden müssen, usw... Ich habe deshalb Umschau gehalten nach einem prakt. Archäologen, der unter meiner Oberleitung mein Mitarbeiter und Vertreter sein könnte. Ich habe diese Frage auch mit Mr. Guy besprochen, und er meinte: wenn ich überhaupt dafür einen tüchtigen Archäologen finde, sollte ich ihn mir unbedingt sichern, weil es ihrer nur wenige gibt. – Als ich in R.-Sch. war, habe ich daher Herrn Schaeffer, der, außer einer langjährigen Grabungserfahrung auf röm. Gebiet, in diesen zwei Jahren auch die orient. Archäologie gut kennen gelernt hat, gefragt, ob er sich mir, wenn auch schlimmstenfalls nur für das erste Halbjahr zur Verfg. stellen könne. Ich hörte von ihm, daß sein Auftrag der Führung der Grabungen in R.-Sch. derart sei, daß er sich nur für die Frühlingsmonate dafür zur Verfügung gestellt habe und er im Übrigen seine städt. Stelle als Konservator am Musée in Straßburg habe, die er aber zu Gunsten einer größeren arch. Aufgabe aufgeben würde. Herr Schaeffer hat außer einem guten Charakter eine erstaunliche Arbeitskraft und die große Gabe seine wissenschaftl. Arbeiten auch litter. auszuwerten. So z. B. hat er, durch unzählige, immer wieder neuartige archäol. Zeitungsartikel das Elsaß zu einem Land gemacht, in dem das
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archäol. Verständnis bis zum letzten Dorfschullehrer vorgedrungen ist. Es ist zwar die erste Aufgabe des Archäologen der Wissenschaft neue Materialien zu verschaffen, aber es ist ebenso wichtig, diese Materialien archäol., historisch und auch publizistisch zu verwerten um den Sinn dieser Ausgrabungen zu erfüllen und weiteres Interesse zu erwecken. Und gerade dafür ist Herr Schaeffer der richtige Mann, während ich mit meinen historisch-philologischen Aufgaben vollauf beschäftigt bin. Ich bin deshalb fest überzeugt, daß eine Anstellung Herrn Schaeffers aus meinem Budget eine produktive Ausgabe ist, die sich allein schon durch die Verwertung seiner Erfahrung bezahlt macht, und für die ich deshalb die Verantwortung übernehme. Ich bin mir wohl bewußt, daß in diesem Falle der Verdacht des Nepotismus entstehen kann, aber Sie können versichert sein, daß ich mir keinen untüchtigen Menschen zum Mitarbeiter erwählen würde, auch wenn er mein Bruder wäre. Um mir ein zutreffendes Bild machen zu können wäre es mir angenehm, wenn ich möglichst bald einen Überblick über das Budget und die vorgesehene Verteilung der Gehälter und Reisekosten für die gemeinsamen Mitarbeiter zwischen Alishar und Amathunt erhalten würde. Auch möchte ich um Mittlg. der Namen der Herren bitten, die dafür in Aussicht genommen sind.“
Es kommt letztendlich nicht zur Verpflichtung von Claude Schaeffer. Auch die mehr oder weniger deutliche Forderung Forrers nach einer Freistellung von seinen dienstlichen Pflichten für seine privaten Forschungsund Publikationspläne ist ungewöhnlich und sorgt auch, wie sich in den späteren Briefen zeigt, für eine spürbare Veränderung des Tones in der Korrespondenz mit Breasted. Zwar wurden einige dieser Freistellungen für die schriftliche Aufarbeitung der Projekte besprochen, aber eine so deutliche Veränderung der Schwerpunkte für einen mehrmonatigen Zeitraum, so wie es Forrer hier anklingen lässt, war bisher nicht vereinbart worden. Auch, dass Forrer seine „Verpflichtungen gegenüber der wissenschaftlichen Welt“ zumindest als gleichrangig, wenn nicht sogar höher einstuft als die von seinem geldgebenden Dienstherrn ihm übertragenen Pflichten, hat in Chicago sicher wenig Freude ausgelöst. Damit aber nicht genug der spontanen ad-hoc Änderungen. Kaum, dass sich Breasted mit unvorhergesehenen Freistellungswünschen konfrontiert sieht, ändert Forrer wiederum seine Pläne und unternimmt im Spätsommer 1930 eine Erkundungsfahrt in die Türkei, die er dem Oriental Institute dann auch erst nach merhmaliger Aufforderung, wo er denn stecke und was er so tue, in knapper Form mitteilt. Da er aufgrund der Schwierigkeiten bei der Errichtung eines Grabungshauses und einiger anderer organisatorischer Probleme auf Zypern erst im Herbst wirklich aktiv werden kann, ziehe es ihn nach Kilikien. Dort angekommen, kopiert er in einer Woche – dabei auf der Leiter stehend – die Inschrift von Topada in der Nähe der Stadt Kayserº271. Im gleichen 271
Die Hieroglypheninschrift von Topada war bereits bekannt und wurde von Leopold Messerschmidt 1908 zuerst entdeckt und erwähnt.
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Brief teilt er auch mit, dass er breits bei seiner Reise 1926 die Hieroglypheninschrift bei ›alabverdi entdeckt habe, die er ebenfalls nochmals aufzusuchen gedenke. Forrer beginnt nun wieder intensiver, sich um die hieroglyphenluwischen Inschriften zu kümmern und seine Materialbasis zu erweitern. Auch regt er an, nochmals einen Abstecher nach Kreta zu unternehmen und dort die restlichen Inschriften zu kopieren. Der eigentliche Anlass der Reise nach Anatolien, an der auch seine Frau Gretl teilnahm, war die Lokalisierung des bedeutenden hethitischen Kultortes Arinna, den Forrer bei seiner Forschungsreise 1926 schon gefunden zu haben glaubte und in der Nähe des Ortes Jerköi vermutete. Auch die sichere Identifizierung Wiluças war vermeintlich gelungen. Um diese Fragen nochmals genauer zu untersuchen, traf sich Forrer auch mit Hans Henning von der Osten, um den aus seiner Sicht in Frage kommenden Hüyük genauer zu erkunden.
Abb. 26 Mit dem Auto auf schwierigem Gelände
Mit dem Auto begaben sich die beiden Forscher zu dem betreffenden Hüyük („Hamslay-Hüyük“), zum Teil auf schmalen Wegen und quer durch das offene Gelände des anatolischen Hochlandes, um nach eindeutigen Indi-
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zien zu suchen. Forrer war sich nach einigen Untersuchungstagen recht sicher, dass der betreffende Hügel bei Jerköi die hethitische Kultstadt Arinna sei und teilte dies in einem Brief auch Breasted mit. Dieser schrieb sofort an Forrer zurück, dass, wenn sich Forrers Fund bestätigen sollte und Arinna nun tatsächlich gefunden wäre, ihm ein großer Fund geglückt sei. Für diesen Fall müsse man ernsthafte Bemühungen unternehmen, um dort eine Grabung des Oriental Institutes auf die Beine zu stellen. Nebenbei erwähnte Forrer in einem Bericht an Breasted über seine Reise von 1930272 die Kurden, die in diesem Gebiet siedelten. Er regte an, dass man ihre Sprache sorgfältig aufzeichnen sollte, da sie offenbar einem „Vernichtungskrieg“ ausgesetzt seien und man befürchten müsse, dass diese bald nicht mehr existieren. Forrer spekulierte in der für ihn typischen Weise, dass er es für wahrscheinlich halte, dass die Kurden die sogenannten „Manda-Leute“ (Meder) seien und die ersten Zeugnisse ihrer Sprache, nämlich die „ur-indischen Worte“, sich in den „hethitischen Pferdetexten“ finden. Die Reiseroute führte Forrer und seine Frau auch nach Kilikien, wo Forrer ebenfalls einige Hüyüks erkundete.273 Breasted reagiert ob dieser für ihn kaum noch nachvollziehbaren Änderungen aller bisher vereinbarten Ablaufpläne und Projektvorgaben, mit denen er sich im Laufe weniger Monate konfrontiert sieht, mit verständlicher Verstimmung. Nachdem Forrer offenbar schlicht nicht zu erreichen ist oder aber nur knapp gehaltene Telegramme sendet, die seine momentane Verhinderung zur ausführlichen Kommunikation mitteilen, schreibt Breasted am 25. September 1930: „I have not yet received a reply to my cablegram of September 16th repeating my inquiry wheter you really want Sir Arthur Evans materials sent to you at Limassol, and I am unable to understand any necessity for your returning to Cyprus, after your expedition to Arinna.... .... if these materials do not keep you completely occupied you should carry on some of your other personal work regarding which you have written me.“
Dass Verhältnis zwischen Forrer und Breasted kühlte merklich ab, die Eigenheiten und Eigenmächtigkeiten finden nur noch wenig Entgegenkommen. Denn wieder einmal hatte sich die gesamte Lage von Grund auf geändert und völlig neue Überlegungen und Planungen ausgelöst, die im Jahr 1929 überhaupt noch nicht abzusehen waren. Forrer hatte bis dato noch 272 273
Dieser Bericht mit dem Titel Reise in Anatolien 1930 trägt das Datum vom 29. Dezember 1930 und gibt eine knappe Übersicht über die Aktivitäten. Dieser Reisebericht wurde von D. Groddek und S. Rößle in der Gedenkschrift Forrer, Sarnikzel – Hethitologische Studien zum Gedenken an Emil Orgetorix Forrer (19.02.1894 – 10.01.1986), Dresdener Beiträge zur Hethitologie, Bd. 10, hrsg. von Detlev Groddek, Sylvester Rößle, Dresden 2004, p. 113–121 veröffentlicht.
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immer nicht einen einzigen Tag in Chicago am Oriental Institute verbracht, das Vorhaben bezüglich der sogenannten kretischen Inschriften kam nicht voran, da Evans sich nicht durchringen konnte, in dieser Angelegenheit klare Verhältnisse zu schaffen und die dann ins Auge gefasste Ausgrabung von Amathunt kommt ebenfalls nur äußerst schleppend voran, da die administrativen und organisatorischen Probleme vor Ort nicht schnell oder gar nicht zu lösen waren. Nun also soll es die Entdeckung Arinnas sein oder auch die Wiluças. Am Ende des erwähnten Reiseberichts an Breasted regt Forrer für das Jahr 1931 an, falls sich bei Evans kein Entgegenkommen abzeichnet, die Inschriften der kretischen Tafeln nach vergrößerten Fotos nachzuzeichnen und zu verzetteln, auch ohne Erlaubnis. Schließlich kehrt Forrer im Dezember nach Erkner zurück. So geht das Jahr 1930 zu Ende, ohne dass auf einem der begonnenen Projektfelder ein wirklicher Fortschritt erzielt worden wäre, aber es bleiben dafür gleich mehrere offene „Baustellen“ mit ungewisser Zukunft zurück. Ein für alle Beteiligten äußerst unbefriedigender Zustand. Den Winter 1930/1931 verbringt Forrer in seinem Haus in Erkner, um sich eigenen Forschungen zu widmen und die noch ausstehenden Reiseberichte zu verfassen. Im Zentrum seiner Arbeit rückt die angekündigte Niederschrift seiner Hieroglyphenentzifferung. Auch das Jahr 1931 bringt in keinem der bereits begonnenen Projekte wesentliche Fortschritte. Das Oriental Institute, das auf Vorschlag Forrers all die bis dahin mit wenig Fortune voranschreitenden Initiativen finanzierte, steht letztlich mit leeren Händen da und kann keines der ins Auge gefassten Ziele erreichen. Selbst die von Forrer als „friedliche Eroberung“ betitelte Operation Kreta kommt nicht recht voran, ohne dass man Forrer allerdings hier eine Verantwortung für die Verzögerungen ankreiden kann. Forrer bleibt in Anbetracht des erzwungenen Stillstandes in allen Projekten in Deutschland und verfasst seinen kleinen Beitrag die Haruden, den er auch Breasted zur Kenntnis gibt.274 Die Zeit verstreicht und es hat den Eindruck, als ob sich auch beide Seiten damit abgefunden haben, dass es zu keinerlei Fortschritt in den Projekten auf Zypern, auf Kreta oder in Anatolien kommen wird. Eine Übersiedlung Forrers in die USA wird auch mit keiner Silbe mehr in der Korrespondenz mit Breasted thematisiert. Offenbar ist man von Seiten Chicagos schon zu diesem Zeitpunkt zu der Erkenntnis gekommen, den Vertrag mit Forrer über die drei Jahre hinaus nicht zu verlängern.
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Siehe D. Groddek und S. Rößle, op. cit. p. 123-137.
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Zwei Schicksalsschläge in kurzer Zeit Am 28. Juli 1931 teilt Forrer Breasted brieflich nach Chicago mit, dass seine Frau Gretl und er beschlossen haben, getrennte Wege zu gehen und sich haben scheiden lassen. Obwohl er keinen konkreten Zeitpunkt der Trennung nennt, scheint diese bei der Niederschrift des Briefes bereits eine ganze Weile zurückzuliegen, denn im gleichen Brief teilt er auch mit, dass er Frau Tilla Bader am 18. April 1931 geheiratet hat. Lucie Mathilde Dorothea Sophie Bader wurde 1905 in Hannover geboren und hatte sechs Semester Jura studiert. Bei einem Spaziergang im Wald, so Forrer weiter, sei Tilla von einer Kreuzotter lebensgefährlich gebissen worden, so dass sie derzeit schwer erkrankt ist. Wenige Monate später am 19. November 1931 stirbt seine junge und zu diesem Zeitpunkt schwangere Frau schließlich an den Folgen des Kreuzotterbisses. Ein schwerer Verlust und Schicksalsschlag für Forrer. Im September des Jahres 1931 erhält Forrer Fotos zweier sumerischer Texte von Breasted zugeschickt, die von der Osten in Aliπar fand und zu denen er Forrers Meinung und Einschätzung einholt. 275 Forrer fertigt kurzfristig eine Umschrift und eine Deutung des Textes an und lässt diese, wie ausdrücklich gewünscht, Breasted zukommen. Zur Beurteilung der Forrerschen Expertise übergibt Breasted die Notizen einem Mitarbeiter des Institutes, der mit „A.P.“ seine Beurteilung über die Forrerschen Notizen signiert. Es dürfte sich dabei um Arno Poebel gehandelt haben, einem der Mitarbeiter des Chicago Assyrian Dictionary Projektes. Die Bemerkungen Poebels sind ausgesprochen kritisch und weisen Forrer zahlreiche Fehldeutungen und Fehlinterpretationen nach und lassen insgesamt wenig von Forrers Deutungsvorschlägen unkritisiert. Möglicherweise war diese kleine Begebenheit – nach dem Durcheinander des Jahres 1930 – der letztendliche Auslöser für die Entscheidung Breasteds, den Vertrag mit Forrer nicht zu verlängern. Ende September deutet er Forrer gegenüber, an dass eine Verlängerung des dreijährigen Kontraktes möglicherweise nicht möglich ist, da sich die allgemeine sowie die finanzielle Lage, auch an den Universitäten in den Vereinigten Staaten, verschlechtert habe. Endgültig Gewissheit erhält Forrer dann am 19. November 1931. Breasted bestätigt die Entscheidung, dass der Vertrag definitiv nicht verlängert wird. Die Reaktion Forrers darauf erfolgt am 4. Dezember und enthält eine bemerkenswerte Schlussbemerkung.
275
In der Korrespondenz werden diese Texte mit D-2199 und D-2235 angegeben.
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1929–1933. Die „amerikanischen“ Jahre „Lieber, verehrter Herr Professor! Obwohl Sie mir im September die Möglichkeit andeuteten, dass meine Stellung am Oriental Institut ein Ende nehmen könne, bin ich doch bestürzt darüber, dass nun wirklich das Schlimmste zur Wahrheit werden soll. Ich habe das gute Gewissen, dass ich bei allem, was ich getan und gesprochen habe, immer den Vorteil des Oriental Institut im Auge gehabt habe, und auch dass ich immer fleissig gewesen bin in seinem Dienste, wenn die Ergebnisse auch erst im nächsten Jahre sichtbar werden. Meine Vertragspflichten lauteten dahin, dass ich an der Universität Chicago Vorlesungen und Seminare über Hethitisch abhalten sollte, und ich wartete daher immer darauf, dass Sie mich dazu hinüberrufen würden. Ich kann es noch gar nicht fassen, dass mein Lehramt aufhören soll, noch bevor ich Gelegenheit gehabt habe es zu beginnen. Was für eine vernichtende Bedeutung das Aufhören meiner Stellung am Oriental Institut für mich bei der gegenwärtigen und zukünftigen allgemeinen Not Deutschlands hat, wird Ihnen klar sein. Deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn sich meine Stellung am Oriental Institut durch eine Anpassung an die allgemein schlechte Lage und an die veränderten Aufgaben doch erhalten liesse. So z.B. habe ich die Absicht, meine lange vorbereitete Sammlung der Ideogramme der Boghazköi-Texte zu vervollständigen, sobald die nächsten Aufgaben abgeschlossen sind, und Ihnen zur Verfügung stellen. Ich glaube, dass dies auch für das Assyrisch Wörterbuch von großem Wert ist. Ferner hoffe ich dann, Ihre Ancient Records durch eine hethitische Serie bereichern zu können. Sie wissen ja, dass ich zu Ihnen das denkbar grösste Vertrauen und tiefe Verehrung habe und Sie können versichert sein, dass ich allein schon deswegen immer mit bester Kraft für das Oriental Institut arbeite. Falls ich dabei auf Wege gerate, die nicht auf der Linie der Pläne des Oriental Institutes liegen, so bin ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich darauf aufmerksam machen und mich wieder in Ihre Pläne eingliedern.“
Die Chronologie der Ereignisse seit Forrers Anstellung am Oriental Institute zeigt, dass ab Mitte des Jahres 1930 eine andere Diktion die Briefe Breasteds kennzeichnet. Die Briefe sind distanzierter im Ton abgefasst und enthalten den Unterton der Unzufriedenheit. So mahnt das Oriental Institute mehrfach deutlich bei Forrer an, er möge mitteilen, wo er sich nun gerade aufhalte und wie man ihn erreichen könne. Die Sprunghaftigkeit, mit der Projekte von Forrer vorgeschlagen und angegangen werden, dann aber wieder innerhalb kurzer Zeit aufgrund verschiedenster Umstände versacken, führten zu einer merklichen Abkühlung des Verhältnisses. Zwar sind die Verzögerungen auf Kreta, dem eigentlichen Anlass der intensiven Reisetätigkeit, in keiner Weise Forrer anzulasten, aber immerhin hat er diese „friedliche Eroberung“ in Chicago ins Spiel gebracht. Von der ursprünglichen Aufgabe, die bei seiner Verpflichtung einmal ausschlaggebend war, hat Forrer – in Abprache mit Breasted – kaum etwas wahrnehmen können.
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Es hat den Anschein, dass man in Chicago bei der Bilanzierung der Ergebnisse Forrers zu keinem positiven Ergebnis kam. Hinzu kam, dass offenbar die finanzielle Situation des Institutes es nicht mehr zuließ, in bisher praktizierter Weise Personal und Reisen zu finanzieren. All dies, war eine unglückliche Verkettung von Misserfolgen und ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen, als zu diesem Zeitpunkt, Ende 1931, für Breasted und das Oriental Institute die Frage zu entscheiden war, ob Forrers auslaufender Vertrag im Jahre 1932 verlängert werden sollte. Der letzte Satz des oben zitierten Briefes, „Falls ich dabei auf Wege gerate, die nicht auf der Linie der Pläne des Oriental Institutes liegen, so bin ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich darauf aufmerksam machen und mich wieder in Pläne eingliedern“, lässt sich doch wohl nur so deuten, dass sich Forrer durchaus bewußt war, dass so manche seiner Entscheidungen und unabgesprochenen grundlegenden Änderungen vereinbarter Verfahrensabläufe, bei den Verantwortlichen des Oriental-Institutes entsprechend negativ gewürdigt worden sind. Forrer war sich auch im Klaren darüber, dass des Öfteren „nicht auf der Linie der Pläne des Oriental Institutes“ war und die Korrespondenz enthält auch mehere Beispiele dafür, dass man seitens des Oriental Institutes Forrer genau auf diesen Umstand auch aufmerksam gemacht hat. Der Sinneswandel, den vor allem James Henry Breasted in bezug auf die Einschätzung Forrers vollzogen hat, lässt sich am Ende der erhaltenen Korrespondez unmittelbar ablesen. Breasted schreibt am 21. September 1933 einen Brief an Forrer, in dem er ihn unmissverständlich auffordert, alle Unterlagen, Fotos und Arbeitsmaterialien, die er im Auftrage des Oriental Institutes angefertigt hat, schnellst möglich nach Chicago zu senden. Dieses Schreiben ist hinsichtlich seiner Diktion und Komposition offenbar wohl überlegt gewesen, denn im Archiv des Oriental Institues befindet sich auch der Entwurf Breasteds zu diesem Brief, der die handschriftlich vorgenommen Änderungen und die Feinarbeiten an den Formulierungen zeigt. Noch offenkundiger ist eine Notiz von der Hand Breasteds auf einem Brief, der mit Datum vom 11. Januar 1934 vom Bryn-Mawr-College Pennsylvania an das Oriental Institute geschickt wurde und von einem geplanten Expeditionsunternehmen des Colleges in Kleinasien berichtet. Breasted wird darin um seine Einschätzung gebeten, ob Emil Forrer ein geeigneter und wünschenswerter Kandidat des noch aufzustellenden Teams sei. Aus der Notiz, die handschriftlich auf den Brief zu finden ist, geht hervor, dass Breasted diese Anfrage telefonisch beantwortet hat, und zwar mit dem eindeutigen Zusatz „advised against engagement of F.“
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Die „Entzifferung der hethtischen Hieroglyphen“ im Jahre 1932
Abb. 27 Stein mit Hieroglypheninschrift
Als zu Beginn der dreißiger Jahre durch Ignace J. Gelb, Piero Meriggi, Helmuth Bossert und Emil Forrer die Erforschung des Hieroglyphenluwischen rasch voranschritt, bemühten sich die Forscher – bis auf Forrer – bei ihren Entzifferungsversuchen vor allem neue phonetische Lesungen für die Hieroglyphenzeichen zu finden. Da ab Mitte der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts beständig neue Inschriftenfunde die Materialbasis verbreiterten, war es nur eine Frage der Zeit, bis weiterführende Erkenntnisse zu Tage gefördert werden. Auffallend ist, dass die an der Entzifferung Beteiligten fast ausschließlich für sich allein, im stillen Kämmerlein, arbeiteten und die Ergebnisse der Mitforscher erst zur Kenntnis genommen wurden, wenn diese gedruckt vorlagen. So hat Piero Merrigi z.B. sogar bewusst darauf geachtet, dass ihm Forrer in brieflichen Mitteilungen nichts von seinen neuesten Ergebnissen oder Arbeitshypothesen berichtete oder aber die Annahme vorab zugesandter Ergebnisse auch verweigerte, um sicher zustellen, dass die Ergebnisse als selbst erzielt gelten konnten. Forrers angewandte Methodik der Entschlüsselung der Inschriften macht einmal mehr seinen genialen Geist und seine herausragenden Fähigkeiten als Entzifferer deutlich. Hatte
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er bereits 1920 schon die Erkenntnis gewonnen, dass sich hinter den Zeichen die luwische Sprache verbirgt und 1922 bereits wichtige Ergebnisse hinsichtlich der Morphologie erzielen können, so glänzte er nun mit der Aufklärung einiger wichtiger syntaktischen Prinzipien. Forrers besondere Leistung bei der Entzifferung der Hieroglyphenschrift ist bereits an den verschiedendsten Stellen ausführlich gewürdigt worden, so dass hier nur kurz darauf eingegangen werden soll. Forrer stellte seiner Arbeit wichtige und grundlegende Prinzipien der Methodik voran, die eigentlich für jede Entzifferungsarbeit unabdingbare Voraussetzung sind. Einer der wichtigsten Grundsätze hierzu stellt das Prinzip beobachtbarer Parallelitäten dar. Forrer nennt drei Parallelitätsprinzipien, die seiner Meinung nach schon hinreichend Einträge für das Lexikon der Sprache liefern ohne das man deren genaue Lautung kenne. 1. Parallelität zwischen der bildlichen Darstellung und der entsprechenden Beischrift. Zum Beispiel die Darstellung einer Gottheit und parallel dazu notierten Schriftzeichen. 2. Parallelität zwischen dem beschriebenen Gegenstand und dessen Bezeichnung, also zum Beispiel ein Schwert mit Schriftzeichentyp „Schwert des XY.“ 3. Die Parallelität der Textkomposition. Der letzte Grundsatz war der entscheidende methodische Ansatz für seinen Erschließungserfolg und er nutzte auch diesem Fall virtuos seine sehr guten Kenntnisse der altorientalischen Textgattungen. Da er wusste, dass es zahlreiche Typen von Inschriften gab, die wie ein Formular, geradezu schematisch aufgebaut waren, konzentrierte er sich bei der Materialauswahl für das Erschließungsvorhaben auf eben solche Texte: „Weitere Aufschlüsse gibt die Parallelität der Komposition gleichartiger Inschriftenteile. Sie ist bedingt durch den Zeitgeist, der über alle Sprach- und Schriftgrenzen hinweg unter gleichen Umständen, die gleiche Form zur Folge hat. In der Hauptsache sind es drei Inschriftenteile, bei denen dies im alten Orient der Fall ist: (1) die Anfänge der Königsinschriften, (2) die Fluchformeln, (3) die Einleitung der 276 Briefe.“
Forrer suchte sich Fluchformeln für seinen Entzifferungsansatz aus, von denen er wusste, dass diese aus korelierenden Relativsätzen bestehen, in dessen ersten Vordersatz das Verbum meist im Präsens und in dessen nachfolgendem Satz fast immer der Imperativ steht. Somit ergeben sich Formeln, die z.B. nach dem Muster „Wer diese Tafel zerstört, den sollen die Götter vernichten!“ aufgebaut sind. 276
E. Forrer, Die hethitische Bilderschrift, 1932, p. 17f.
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Forrer gelang es tatsächlich Fluchformeln in den Hieroglypheninschriften zu identifizieren und leistete so auf geniale Weise die Entschlüsselung wichtiger syntaktischer Elemente für die Hieroglypheninschriften, wie etwa die Bestimmung des Relativpronomens REL-sa, des enklitischen Personalpronomens REL-(i)-ça-ha, die Auflösung der so wichtigen Satzpartikel und erkennt u.a. auch die richtige Imperativendung -tu. Hinsichtlich der Würdigung dieser wissenschaftshistorischen Glanzleistung Forrers sei stellvertretend R. Plöchl zitiert: „Im Rückblick betrachtet liegen Forrers Verdienste im Bereich des Hieroglyphenluwischen kaum in der Lautgewinnung von Zeichen (doch man beachte z.B. va), sondern im Erfassen der Komposition der Inschriften und insbesondere in der korrekten Analyse der Fluchformeln, was ihm einen Ehrenplatz unter den Entzifferen des Hieroglyphenluwischen sichert.“
Leider muss man erneut anmerken, dass Forrer auch in dieser an Methodik und Genialität beeindruckenden Arbeit es schafft, den positiven Gesamteindruck zu trüben, in dem er sich am Ende seiner Arbeit ein weiteres Mal in wilden Spekulationen ergeht. Er sieht in den Luwiern die Pelasger, die er darüber hinaus als Teil der „Seevölker“ bestimmt. Auch führt er erneut, wie seinerzeit das Nesische, ein neue Sprachbezeichnung für die hinter Hieroglyphen vermutete Sprache ein, nämlich das Tabalische.277 Anklingend an eine Bezeichnung „tabali “ aus den Annalen Salmanassars III. (859 – 824 v.Chr.), die mit dieser Bezeichnung 24 „Königreiche“ nördlich des Taurus zusammenfassen und eben jene im Zusammenhang mit einer „Bilderschrift“ nennen, glaubte Forrer, dass tabali „wohl der Name (des) Landes (ist), den es selbst gebraucht hat.“278 Er kommt dann also zu dem Schluss: „Der Name Tabali bezeichnet also eindeutig 24 von 31 Bilderschrift-Königreichen, also der Zahl nach weitaus die Majorität. Deshalb erscheint es gerechtfertigt, diesen Namen auf das ganze Volk un die Sprache der Bilderschrift anzuwenden und 279 von Tabaliern und dem Tabalischen zu sprechen.“
Offenbar kann Forrer nicht anders, als die am inschriftlichen Material und im Detail gewonnenen brillianten Ergebnisse abschließend stets in große, grundlegende und phantasievolle Theorien ausklingen zu lassen und große Ideenkomplexe einzubinden. 277
278 279
Um eine Begriffsverwirrung zu vermeiden: Im Laufe der Erforschung der Hieroglyphenzeichen stellte sich heraus, dass die Sprache, die sich hinter den Zeichen verbirgt nicht das Hethitische, sondern das ebenfalls zur anatolischen Sprachgruppe gehörende Luwische ist. Infolgedessen findet man in der Literatur mal die Bezeichnung Hieroglyphenhethitisch (meist die ältere Bezeichnung) bzw. Hieroglyphenluwisch (die heute gebräuchliche Bezeichnung). op.cit. p. 55. op.cit. p. 55.
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Aus heutiger Sicht ist interessant festzuhalten, dass Forrer das so bekannte Troia dem luwischen Kulturkreis zurechnete. 280 Auch hier war Forrer offenbar seiner Zeit mal wieder weit voraus. Denn nachdem im Jahre 1995 in Troia eine einzelnes Siegel mit einer luwischen Inschrift gefunden wurde, entzündet sich u.a. daran eine bis heute lebhaft geführte Diskussion, ob Troia im 2. Jahrtausend v. Chr. zum luwischen Kulturkreis zu zählen sei.281 Forrers Forschungen zum Hieroglyphenluwischen bringt er noch während seiner Dienstzeit für das Oriental Institute, allerdings in Erkner, zu Papier. Nachdem er das Manuskript zur Druckreife gebracht und die Auswahl der zu präsentierenden Texte getroffen hat, wendet er sich an Breasted, um die Publikation voranzutreiben. Über einige Monate sind nun die Feinheiten und offenen Fragen der Druckgestaltung sowie der Bildauswahl zu klären, die sich offenbar schwieriger gestalten, da die Entscheidungsinstanz Breasted abwesend ist, so dass sich sehr zum Ärger Forrers die Drucklegung immer wieder verzögert. Vor allem in Detailfragen erweist sich Forrer aber auch als schwieriger Verhandlungspartner, da er zu wenigen Kompromissen, z.B. beim Titelvorschlag oder beim Buchformat oder bereit ist. Immer wieder wechseln Briefe über den Atlantik, die sich mit solchen Deatilfragen befassen, ohne aber dass eine Klärung herbeigeführt werden kann. Da auch die „rivalisierenden“ Mitforscher auf diesem Gebiete nicht untätig sind, schreibt Forrer am 5. Juli 1933: 282 Lieber Herr Professor Breasted! „Am 31. März schrieb ich Ihnen über die Fertigstellung meiner tabalischen (bilderschrift-hethitischen) Grammatik, die ich gleichzeitig zum Druck einsandte. Am 17. April erhielt ich von J.M. Roberts in Ihrer Abwesenheit die Antwort, dass die tabalische Grammatik Dr. Allen übergeben worden sei. Inzwischen kommen von allen Seiten auf Grund meiner grammatischen Resultate neue Entzifferungsversuche heraus, sodass es allerhöchste Zeit ist, dass die seit Juli 1932 fertige Grammatik endlich erscheint. Leider habe ich inzwischen auch keinen Korrektur-Abzug erhalten, sodass ich gar nicht weiß, wie weit diese Angelegenheit eigentlich ist.“
Am 18. August 1933, Forrer ist bereits in Baltimore an der Johns Hopkins University und vertritt William F. Albright, hat sich in seiner Sache anscheinend immer noch nichts Entscheidendes geklärt. Ein für Forrer immer schon schwer zu akzeptierender Zustand. Er hasste solche Verzögerungen. 280 281 282
op.cit. p. 60f. Zum Siegelfund siehe John David Hawkins, Donald F. Easton, Studia Troica, Bd. 6, 1996, p. 111ff. Soweit sich feststellen lässt, hat auch nur Forrer diese Sprachbezeichnung verwendet, niemand ist ihm – wie schon beim Nesischen – gefolgt.
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Der Druck seiner wichtigen Ergebnisse war noch immer nicht erfolgt. Forrer hatte in der Zwischenzeit mehrfach mit Breasteds Sekretär brieflichen Kontakt, da Breasted immer noch abwesend war und in den Augen Forrers aber die entscheidene Instanz die Publikation zu forcieren. Denn nach Ansicht Forrers waren nun in der Angelegenheit der Entzifferung des Hieroglyphenluwischen wichtige Prioritätsfragen betroffen so dass er nun noch ein neues Vorwort nach Chicago schickte, in welchem der die Chronologie seiner Entzifferung darstellt. Letztendlich aber klären sich die offenen Fragen und so erscheint Forrers Werk mit dem Erscheinungsdatum Oktober 1932.283 „Schon als Ihnen im März das Manuscript meiner tabalischen Grammatik zusandte, war leider ein halbes Jahr seit der Fertigstellung des Manuscripts vergangen. Durch Ihre lange Abwesenheit ist nun, wie ich von Ihrem Secretär höre, mein Manuscript sogar bis August liegen geblieben, ohne dass es zum Druck gekommen wäre. Das ist in diesem Falle ein ganz außerordentlicher Schaden für mich, weil inzwischen Andere auf dem von mir in SAOC No. 3 eingeschlagenen Wege mir gefolgt sind und mir meine Prioritätsrechte wegnehmen, indem ihre Aufsätze sofort nach der Niederschrift zum Druck kommen. Ich habe mich daher genötigt gesehen, meiner Grammatik ein Vorwort zu geben, in welchem ich die Geschichte meiner Entzifferung gebe. Dieses sowie eine übersichtliche Liste über alle behandelten Endungen und drittens ein Nachwort, in welchem ich die Verwandschaftsverhältnisse des Tabalischen darlege (und dessen Erkenntnisse ich für grundlegend halte) sende ich Ihnen gleichzeitig als Drucksache zu. Ich möchte damit die dringende Bitte verbinden, den Druck so sehr wie nur möglich zu beschleunigen. Die noch ausstehende Reinschrift der grammatischen Analyse durch Angaben der Paragraphen zu jedem Wort der Inschriften hat mich noch nicht erreicht; ich nehme an, dass ich sie in wenigen Tagen erhalte und folgen lassen kann.“ Mitte September hoffe ich auf einige Tage nach Chicago kommen zu können, und es wird mir eine Freude sein, Sie und das Oriental Institute aufsuchen zu dürfen. Mit den besten Grüssen bin ich In Verehrung Ihr Emil Forrer“
Mit dem Erscheinen des Werkes endet endgültig das Kapitel Chicago für Emil Forrer und das wieder einmal wenig glücklich. 283
Auf dem Internationalen Orientalistenkongress in Leiden hatte Forrer bereits am 9. September 1931 einen Teil seiner Ergebnisse als Vortrag öffentlich gemacht sowie in einem weiteren Vortrag an der Universität Genf am 15. März 1932. Das Datum des Erscheinens ist offenbar auf den Zeitpunkt von Forrers Ausscheiden aus dem Oriental Institute zurückdatiert worden. Der Brief trägt das Datum 18. August 1933 und ist an das Oriental Institute adressiert. Siehe auch Dokument 27 der CDROM.
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Forrer wird Gastprofessor an der Johns Hopkins University in Baltimore Schon im Januar 1932, also kurz nachdem Breasted Forrer mitteilte, dass eine Verlängerung seines Vertrages in Chicago nicht möglich sein wird, wendet sich Forrer an William F. Albright in Baltimore. Forrer hatte Albright auf dem Leidener Orientalistenkongress 1931 näher kennengelernt. In einem Schreiben vom 2. Januar fragt er an, ob Albright die Möglichkeit sehe, dass sich mehrere amerikanische Universitäten zusammenschließen und eine Vortragsreise für ihn organisieren könnten. Er schildert ihm seine derzeitige Situation und seine geringen Aussichten auf eine bezahlte Position in Deutschland. Dabei ist erwähnenswert festzuhalten, dass er als Grund für seine schlechten Chancen in Deutschland, die allgemein schwierige Situation an den deutschen Hochschulen, insbesondere in den kleinen Fächern anführt, die unter Streichungen zu leiden hätten. Von Verhinderungensversuchen einer Karriere durch Sommer oder andere Persönlichkeiten ist noch nicht die Rede oder auch nur davon, dass seine Reputation durch die Folgen der Diskussionen in der AΔΔijawa-Frage gelitten habe. Da auch Sommers AΔΔijava-Urkunden erst 1932 erschienen, war der Zeitpunkt für eine Einschätzung dieser Art möglicherweise noch zu früh. Albright antwortet schon wenige Tage später und bedauert, dass er nichts Konkretes tun könne. Er verspricht ihm jedoch die Augen und Ohren aufzuhalten und falls es Chancen oder Möglichkeiten geben sollte, sich umgehend zu melden. Insgesamt macht er Forrer aber wenig Hoffnung, dass sich eine Vortragsreise wie er sie vorschlage, realisieren lasse. Im Oktober 1932 meldet sich Albright nach neunmonatiger Pause mit einem überraschenden Angebot:284 Dear Dr. Forrer: As you will recall, we had some correspondence last January about the possibility of your coming to America for a lecture tour. I was then even more pessimistic about the prospect than appeared from my letter. I wish now to make you an offer on behalf of our university. Would you be interested in coming to Johns Hopkins University as Visting Professor next fall? You would be expected to remain in residence during the months of October to January, inclusive, which would not prevent you from giving lectures elsewhere during this time, of course. You would be expected to meet classes from five to eight hours each week, and to devote the rest of your time to research and speaking, etc. The emolument would lie between 2500 and 3000 Dollar; probably the former would be available, since salaries are now being reduced generally. There would, however, be no compensation for travel. 284
Brief von W. F. Albright an Forrer vom 14. Oktober 1932. Siehe auch Dokument 28 der CD-ROM.
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1929–1933. Die „amerikanischen“ Jahre Since a round trip ticket, tourist third (as I always travel) only costs 160 Dollar now, the question of travel would not be serious. As you doubtless know, conditions here are different from what they are in Germany. A professor has no social standing as such, i.e. by virtue of his rank. There are very few students; my classes vary between one and ten students, and one seldom has more than four for a linguistic course. The emphasis here is laid on research; Johns Hopkins is properly a group of research institutes, and the student attendance is small.
Die Antwort Forrers vom 30. Oktober 1932 auf dieses Angebot Albrights ist ebenfalls erhalten:285 „Lieber Herr Professor Albright! Das ist einmal eine freudige Überraschung, ein wahres Wunder in der heutigen Zeit der allgemeinen Erwerbslosigkeit. Und es ist menschlich sehr schön von Ihnen, dass Sie an mich gedacht haben, obwohl seit unserer Korrespondenz schon recht lange Zeit vergangen ist. Ich bin Ihnen dankbar für Ihr Angebot, für Oktober bis Januar 1933-34 als GastProfessor an die Johns-Hopkins-Universität in Baltimore zu kommen, und ich weiss dies Angebot als grosse Ehre zu schätzen. Ich nehme es gern an zu den besten Bedingungen, die Sie dafür erreichen können. Ebenso wie ich selbst niemals einen Menschen nach seinem Geld, Kleidung oder äusserem Rang bewerte und sogar von seiner zufälligen Schönheit oder Hässlichkeit zu abstrahieren suche, so erwarte ich auch für mich selbst keine andere Beurteilung als die nach meinem inneren Werte, und der muss sich zeigen und bewähren, um erkannt werden zu können. Vielleicht werden Sie sagen: auch dies sei amerikanisch und nicht deutsch gedacht. Aber dann sehen Sie, dass das Amerikanische auch in Europa wächst. Dass die Johns-Hopkins-Universität so viel Verständnis für Forschung hat, ist mir besonders symphatisch, da ich sowieso die Absicht hatte, während der nächsten zwei Jahre ein zusammenfassendes Buch über die Geschichte und Kultur des Hatti-Reiches und der Bilderschrift-Hethiter zu schreiben für einen englischen Verlag, also auf Englisch. Aussderdem habe ich – nicht nur auf meinem Spezialgebiet – einige Entdeckungen gemacht, die geradezu neue Wissenschaftszweige begründen. Ich bin damit allerdings noch nicht an die Öffentlichkeit getreten. Auch traue ich den Amerikanern mehr offenen Sinn zu als den konservativ gewordenen Gelehrten Europas. Ich werde daher gerne die Gelegenheit zu Vorträgen benutzen, wenn sie sich bietet.“
Auch wenn es sich letztendlich nur um ein sehr kurzfristiges Vertretungsangebot handelt, sieht Forrer dieser Aufgabe mit Freude entgegen. Das angekündigte Buch, das in einem englischen Verlag erscheinen soll, ist letztendlich wohl in der Schublade geblieben, denn ein umfassendes 285
Siehe auch Dokument 29 der CD-ROM.
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englischsprachiges Werk über die Geschichte und die Kultur des HattiReiches ist in den folgenden Jahren nicht erschienen. Ebenso geheimnisvoll bleiben die Andeutungen über die Entdeckungen Forrers, die neue Wissenschaftszweige begründen sollen. Die „Meropisforschung“ rückt erst sehr viel später in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen und hat ihn erst nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt. Auch seine in den Dreißiger Jahren begonnen Entzifferungsversuche der Maya-Glyphen können hier noch nicht gemeint sein. Anhand des Nachlassmaterials lässt sich nicht entscheiden, was Forrer hier gemeint haben könnte. Das interessante Angebot wird noch offiziell von der Johns Hopkins Universität bestätigt und die Seminare, die Forrer abzuhalten gedenkt, werden festgelegt. Forrer hat in dieser Frage völlig freie Wahl. Er kündigt ein Kolleg „Über die Völker und Sprachen des alten Orients“, sowie die Seminare „Assyrisch II“ und „Kanisisch“ an. Nachdem diese grundlegenden Fragen geklärt sind, entscheidet sich Forrer aber schon im Juli in die USA zu reisen und in einer Rundreise mit dem Auto die Vereinigten Staaten zu erkunden. Die finanziellen Mittel dazu sind vorhanden, da er offenbar einen nicht unerheblichen Teil seines Salärs, dass ihm Chicago gezahlt hatte, sparen konnte. Die geplante Rundreise sollte ihn von New York zu den Niagara-Fällen, Kanada und Chicago führen. Da Albright schon im Sommer 1932 zu Ausgrabungen in die Nähe Jerusalems aufbrechen möchte und anschließend noch ein halbes Jahr die Direktorenposition der American School of Oriental Research in Jerusalem übernehmen sollte, machte Forrer den Vorschlag, ob er nicht während dieser Zeit bei ihm zu Hause wohnen könnte. Zum einen böte dies den Vorteil, dass Beide Kosten sparen könnten und zum anderen hätte er in seiner Frau eine Gesprächspartnerin um seine Englischkenntnisse entscheiden zu verbessern. Diskret weist Albright ihn in seinem Antwortschreiben darauf hin, dass es ausreichend Single-Apartements im direkten Umfeld der Universität gäbe und dies für alle Beteiligten die praktikablere Lösung sei. Die einzelnen Stationen die Forrer auf seiner Reise durch die USA besucht, lassen sich nicht genau rekonstruieren. Aus einem Brief an Albright nach Jerusalem lässt sich aber ablesen, dass er – wie auch geplant – vor allem den nordöstlichen Teil des amerikanischen Kontinentes besucht und beginnt, sich stärker für die indianischen Kulturen des amerikanischen Kontinents zu interessieren. Die Anfänge seines Interesse für die Glyphenzeichen der Maya liegen auch nach eigenem Bekunden Forrers in dieser Reise begründet, wobei er dabei nicht auf direkte Zeugnisse der MayaKulturen gestoßen ist. Was genau den Auslöser dazu gab, lässt sich nicht feststellen. Vielleicht war es eine interessante Ausstellung oder ein aufschlussreicher Vortrag. Da Forrer bei der Entzifferungsaufgabe schon seine
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großen Talente und seine Genialität bewiesen hatte, ist es auch wiederum nicht so abwegig, dass die bis dahin noch nicht entzifferte Glyphenschrift der Mayas seine Forscherneugier weckte. Während dieser Reise besucht er auch die Universitäten Yale, Harvard und Princeton sowie das Bryn-Mawr-College. Es liegt nahe, dass Forrer versuchte Kontakte zu knüpfen, um eine berufliche Stellung zu finden. Forrer hegt natürlich auch die Hoffnung, dass er länger in Baltimore bleiben kann, da Albright noch für eine weiteres halbes Jahr in Jerusalem bleiben wollte. Aber die Johns Hopkins Universität hatte für die weitere Vertretung Albrights bereits bei Julius Lewy286 angefragt, der aufgrund seiner jüdischen Abstammung aus dem deutschen Universitätsdienst entlassen worden war. Interessantes bietet der nachgelassene Briefwechsel zwischen Albright und Forrer über diese Fragen im Zusammenhang mit den politischen Ereignissen nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland. Albright schrieb am 5. Oktober 1933 aus Jerusalem an Forrer: „I have just written to President Ames recommending the appointment of Julius Lewy as a Visiting Profesor next year. As you know, he was dismissed by the Nazis in early July, and up to the present has not found any other post. I suppose the Nazis will not be interested in filling his post with anyone, since Semitic and Oriental studies, being non-aryan, can hardly possess any value whatever in their eyes. The latest news, which may possibly be inaccurate, is that Landesberger lost his position with the Gleichschaltung of Leipzig University at the end of September. The Nazis will not rest until they reduce Germany to the level of a second rate political power and a third rate cultural one.“
Forrer antwortet am 18. Oktober darauf und beschreibt die vielen neuen und positiven Eindrücke, die er in Baltimore erlebt, und die ihn wünschen lassen für immer in den USA zu bleiben. Hinsichtlich der politischen Veränderungen und dem Schicksal der jüdischen Wissenschaftler schreibt Forrer: „Die Fülle der Eindrücke ist doch so gross, dass man am Anfang ganz erdrückt ist und noch nicht die innere Ruhe zu wissenschaftlicher Arbeit oder auch nur für die wichtigsten Briefe finden kann. Dazu halten mich die ganze Zeit die erschütternden Schicksale von Freunden in Atem. Auch mich lassen die Verhältnisse in Deutschland nicht unberührt und all die Vorschriften, die uns dort einen Maulkorb umhängen und Dinge von uns verlangen, die mit meiner Ehrlichkeit unvereinbar sind, haben in mir den Wunsch verstärkt, nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren, in welchem ich ein Fremder bin und wegen meiner pazifistischen Überzeugung keine Aussichten habe...Es ist wirklich unheimlich, was für schreckliche Folgen die Ignoranz eines verbohrten Führers hat, und ich fürchte, dass das ganze deutsche Volke es eines Tages wird büssen müssen. 286
* 1895 – † 1963.
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Aber ich nehme mir vor, mir nicht vorher mehr Sorgen zu machen als unbedingt nötig ist. Und vorläufig geht es mir ja so gut wie schon lange nicht mehr und kann meine Familienverpflichtung auf längere Zeit sicherstellen. (Mein Bub ist kürzlich schon 11 Jahre alt geworden; das Landschulheim, in dem er war, ist infolge des Druckes, da unter jüdischer Leitung, nach England übergesiedelt. Und soll ich ihn etwa in eine Schule senden, wo er verhetzt wird?) Amerika erscheint mir immer noch als das grosse Land mit erheblich mehr Möglichkeiten als das alte Europa. Hier wird doch die Persönlichkeit noch geschätzt und man ist frei von der Schwerfälligkeit so vieler Vorurteile.“
Die Bryn-Mawr-College Episode Während Forrer in Baltimore unterrichtete, gab es bereits Kontakt zum Bryn-Mawr College in Pennsylvania, das eine Grabung in Syrien und Kilikien vorbereitete und dafür offenbar noch Teammitglieder suchte. Wie bereits erwähnt, hat es in diesem Zusammenhang auch eine Anfrage des Colleges an das Oriental Institute zur Person Forres gegeben. Trotz des abweisenden Ratschlages aus Chicago, der gegen Forrer sprach, nimmt Hetty Goldmann brieflichen Kontakt zu ihm auf. Forrer hatte bereits für das Jahr 1934 eigene Reisepläne, die ihn nach Syrien führen sollten, um dort im Umkreis der Ugaritgrabungen seines Schwagers weitere Sondierungensgrabungen an verschiedenen Tells vorzunehmen. Darüber hinaus war eine Bestandsaufnahme möglichst vieler vorrömischer Siedlungen ins Auge gefasst, da Forrer noch immer das Projekt des historischen Atlas des Alten Orients verfolgte. 287 Die Finanzierung dieser Forschungsreise bestritt Forrer aus den zum größten Teil ersparten Gehaltszahlungen für die Vertretung Albrights in Baltimore. Leider liefert das nachgelassene Material keinen genauen Aufschluss darüber, warum das Anliegen Goldmans in Kilikien zu graben und Forrers Pläne für Syrien kombiniert wurden. Fest steht, dass Forrer von Syrien aus zur Bryn-MawrExpedition stoßen sollte. Am 6. Februar verlässt Forrer per Schiff New York und nimmt ein Auto mit. Er erreicht am 27. Februar Beirut und begibt sich in die Provinzstadt Lattaquié in die Nähe der Ugaritgrabungen seines Schwagers Claude Schaeffer. Offenbar hat es anfänglich Kommunikationsprobleme zwischen dem College, Hetty Goldman und Forrer gegeben. Forrer schreibt am 17. März 1934 aus Beirut an Albright, dass er mög287
Siehe auch Forrers kurze Bemerkung in seinem Aufsatz „Eine unbekannte griechische Kolonie des sechsten Jahrhunderts v. Chr. in Phönikien“ in: Bericht über den VI. Internationalen Kongress für Archäologie, Berlin 21. – 26. August 1939, Berlin 1940, p. 360f.
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licherweise auch nach Mari zu fahren gedenke, um zu sehen, was an inschriftlichen Material dort gefunden wurde. Er fährt dann fort: „Ich habe eigentlich Zeit dazu, weil Miss Goldman einem Telegramm zufolge nicht zur ausgemachten Zeit abgereist ist, obwohl das nötige Geld zusammen gekommen ist, und ich nun gar nicht weiss, was eigentlich aus der Bryn-MawrExpedition in diesem Jahr wird.“
Von Albright erfährt Forrer am 27. April 1934 dann, dass die Expedition seinem Kenntnisstand nach definitiv stattfinden wird. „I was told to the other day that Miss Goldman is now in Asia Minor, so I trust that the Cilician expedition has by now been definitely organized and the permission to dig has been received from the Turkish government.“
Offenbar war Forrer über die Planungen und genauen Abläufe seiner Partner nicht im Bilde. Am 10. April schreibt er mit dem Absender Rihanieh près Aleppo (Syrie) an Hetty Goldmann, dass er vom türkischen Konsul in Aleppo erfahren habe, dass sie offenbar in Kilkien sei und eine Grabungserlaubnis beantragt habe. Erfährt dann fort: „Supposing that you are just now in Ankara and in connection with the ministery, I beg you to procure for me the „permission de recherche archéologique“ for the villayets of Adana, Mersina, Icel and Antaliya for the case you want to make explorations at the whole southern coast. By the French government of Syria I have got an „ordre spécial“ that my automobil and the trailer could pass the boundary...I am waiting for information from you about your further plans with the postal address „Riyanieh près d…Alep (Syrie).“
Wie der weitere Verlauf der Korrespondenz nahelegt, ist es zu einem Zusammentreffen von Goldman und Forrer nicht gekommen, da Forrer sets weiter aus Syrien mit Goldman korrespondiert. Auch aus einer schriftlichen Vereinbarung, die Aufwandsentschädigungen und Reisekostenzuschüsse regelt und von Verantwortlichen des Bryn-Mawr-Colleges, Hetty Goldmann und Forrer unterzeichnet worden ist, geht nicht klar hervor, wie die organisatorische Struktur der Expedition ursprünglich vorgesehen war und welche Rolle respektive Aufgaben Forrer genau zu übernehmen hatte.
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Abb.28 Vertragliche Vereinbarung zwischen dem Bryn-Mawr-College und Forrer
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Interessanterweise sieht diese Vereinbarung offenbar eine Teilung der wissenschaftlichen Funde vor. Forrer erhält den Zugriff zwecks Publikation auf das zu erwartende inschriftliche Material, alle anderen Fundstücke sind für das Bryn-Mawr-College vorgesehen.288 Nachdem nun eine Zusammenarbeit in der Türkei aus nicht genannten Gründen scheiterte, widmet sich Forrer wieder seinen ursprünglichen Zielen. Er untersucht und sondiert ihm auffällige Hügel in der Gegend von Lattaquié (Latakia), Djeblé bis hin nach Homs. Sein besonderes Augenmerk fällt zunächst auf den Hügel von Qal-at-er-rus, nahe der Stadt Lattaquié, den er schon Ende März einen Tag lang erkundet hatte. In der Zeit vom 12. Mai bis 6. Juni 1934 unternimmt er Sondierungen, die gleich zu Anfang sehr erfolgversprechend beginnen: „An der Südostecke (des Tell Qal-at-er-rus) begann es sofort mit dem 12. und 13. Jahrhundert und schon der zweite Meter brachte uns ins 16. – 18. Jahrhundert vor. Chr. Und übrigens zu unserer besonderen Freude einen Siegelzylinder aus der Amarna-Zeit... Alles in allem ist Qal-at-er-rus unzweifelhaft die grösste Stadt der phönikischen Küste nach Ras-Schamra und wie bei dieser liegt die Blütezeit vor 1200 v.Chr. Für eine Ausgrabung liegen die Verhältnisse ungewöhnlich günstig, weil kein Haus 289 darauf steht...“
Nachdem die Sondierungen mit Probegrabungen an verschiedenen Punkten des Hügels abgeschlossen sind, bringt Forrer die Fundstücke, darunter vor allem Keramikfunde, ins Museum nach Beirut, wo sie aufbewahrt werden sollen. Hetty Goldman unterrichtet Forrer in mehreren Briefen über den Fortgang der kilikischen Grabungen am Domuz-Tepe und in Kabarsa im Sommer 1934. Mit jeder Post erhält Forrer von Goldman auch Schecks in Höhe von 150 US-Dollar für seine Unternehmungen in Syrien und zur Finanzierung seiner Reisekosten. Ein Umstand, der wenig später noch Anlass zu heftigen Zerwürfnissen zwischen dem Bryn-Mawr-College und Forrer führen sollte. Forrer arbeitet seine Funde im Museum Beirut auf und erreicht in Verhandlungen mit dem dortigen Museumsdirektor, dass die Funde dort bleiben können und der Zugang dazu auch zukünftig für ihn und Goldman für eine wissenschaftliche Auswertung jederzeit möglich ist. Im September 1934 erhält Forrer nochmals eine finanzielle Zuweisung Goldmans und entschließt sich nach Nordphönikien zu reisen und mit Sondierungsgrabungen am Tell Sukas, sechs Kilometer nördlich des syrischen 288 289
Siehe auch Dokument 30 der CD-ROM. Brief an Hetty Goldman, vom 17. Mai 1934.
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Djeblé, zu beginnen. Forrer lädt dazu auch Albright ein, der sich zu diesem Zeitpunkt in Jerusalem befindet, als Direktor der American School for Oriental Resarch. Die Sondierungen beginnen Mitte September und sollen bis spätestens Mitte Oktober abgeschlossen sein. Forrer bereist aber auch weiterhin, obwohl die Sondierungsarbeiten begonnen haben, weitere Areale in Syrien, die ihm interessant erscheinen. Am 15. Oktober schreibt er nochmals an Albright, um ihn zu bewegen, ihn in Syrien zu besuchen. Über seine bisherigen Ergebnisse schreibt er knapp: „Zum Tell Kezel werden wir erst um den 1. November herum übersiedeln können. Ich bin sehr gespannt, Ihre Meinung über unsere beiden Ausgrabungen zu hören. Die mögliche Überraschung, die ich im letzten Briefe angedeutet habe, hat sich erfüllt, allerdings gewissermassen nur zur Hälfte. Etwa 15 km nördlich von Hama habe ich eine Stadtanlage von 1 km im Quadrat gefunden (Tell en-nasriye) am Orontes, mit Stadtwällen von gleicher Höhe wie in Mischrife, aber verwaschen, also wohl älter. Aber (ebenso wie in Mischrife) ist nur ein viertel oder sechstel wirklich bewohnt gewesen. Ob das Nuhassi ist? Bis vor einer Generation trug der ganze Wall noch Mauern.“290
Albright ist sehr an den Entdeckungen Forrers in Tell en-Nasriye und und in Mischrife interessiert und es kommt im November auch tatsächlich zu einem kurzen Besuch in Lattaquié. Am 2. Dezember schreibt Forrer aus Djeblé an Albright im Hinblick auf nachfolgende Grabungsaktivitäten: „Falls Bryn-Mawr unter diesen Umständen nicht für eine Ausgrabung von Qal-ater-rus und Tell Sukas zu haben ist, sollte es deutlich sein Desinteresse erklären. Glauben Sie nicht, dass es andere Museen oder Universitäten gibt, die ganz gern solche vielversprechenden Grabungen in Angriff nähmen. Z. B. hätten nicht vielleicht Sie selbst Lust. Ob wir Ras-Shamra Texte finden ist natürlich ganz fraglich. Aber wenn irgendwo, dann ist es hier möglich. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sie das auch durch den Kopf gehen lassen würden, was man am besten tut, wenn Bryn Mawr nicht kann, weil M.G. (gemeint ist Miss Goldmann, der Verf.) nicht will.“
In diesem Schreiben deutet sich auch der Bruch und das engültige Zerwürfnis Forrers mit Hetty Goldman, dem Bryn-Mawr College, vor allem mit dessen Vertreterin Miss Mary Swindler an. Der Auslöser war die Vereinbarung über die Gehaltszahlungen und Reisekostenzuschüsse an Forrer. 290
In Mishrife (Qatna) hat ein deutsch-syrisch-italienisches Forscherteam im Jahre 2001 bei systematischen Grabungen u.a. Keilschrifttafeln und eine gut erhaltene Fürstengruft gefunden. Der Hügel selbst war bereits in den Jahren 1924–1929 vom französischen Grafen Robert Du Mesnil du Boisson untersucht worden. Damals gemachte Tafelfunde ergaben bereits, dass es sich um das alte Qatna, Hauptort des gleichnamigen Fürstentums Qatna, handelte. Daher dürfte Forrer die Bedeutung von dieses Ortes im Hinblick auf weitere zu erwartende Funde in Mischrife gekannt haben.
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Forrer interpretierte die Vereinabrung dahingehend, dass er 500 Dollar Reisekostenzuschuss sowie 1000 Dollar Honorar für seine syrische Expeditionsleitung und seine Beraterleistungen erhält. In dem schon erwähnten Brief vom 2. Dezember 1934 an Albright schildert Forrer die ersten Irritationen, die er aber lösbar hält, lässt seiner negativen Einschätzung über Hetty Goldmann aber freien Lauf: „Mit Ihrem Misstrauen gegenüber intellectuellen Frauen vom Schlage von Miss Goldman haben Sie offenbar sehr recht. Mir hatte sie gesagt, sie habe kein Geld und könne mir deshalb mein Gehalt nicht auszahlen, ich solle es von Bryn-Mawr verlangen. Und aus Bryn Mawr schrieb man mir, dass M.G. alles Geld bei der Abreise erhalten hat – auch das Gehalt für mich – und dass sie sich vertraglich ausbedungen hat, dass niemand anderes über Ausgrabungsgeld verfügen darf als sie selbst. Die Doppelzüngigkeit kann nur auf Seiten von M.G. liegen. Mit ihrem Willen zur Macht hat sie sich offenbar Hitler zum Vorbild genommen. Ich bin gespannt, wann ich zu meinem Geld kommen werde.“
Forrer wählt drastische Worte und hat offenbar Sorge, dass es nun eine Auseinandersetzung um seine finanziellen Ansprüche gibt. Albright teilt Forrer am 22. Dezember 1934 bereits an die Adresse in Erkner mit, dass er sich außer Stande sehe, selbst in Syrien zu graben, da ihn anderweitige Pläne und seine Verpflichtungen in Baltimore zu sehr in Anspruch nähmen. Der Streit um die Ansprüche Forrers bezüglich seines Honorars eskaliert ab Januar 1935 mit der Aufrechnung der Zahlungen während des Syrienaufenthaltes und der Interpretation der unterschriebenen Vereinbarungen. Die gegenseitigen Auffassungen, was bereits bezahlt ist und was noch gezahlt werden muss, ergehen sich bis in die kleinsten Haarspaltereien und der Ton wird dabei auch immer schärfer. Letztendlich erhält Forrer die vereinbarte Zahlung in voller Höhe. Das letzte Schreiben des Bryn-MawrCollege, dass die Zahlung avisiert, ist ein knapper Einzeiler, der verdeutlicht, dass die Verbindung zwischen Bryn-Mawr und Forrer definitiv beendet ist. Rückblickend betrachtet, lastet Forrer diese ganze Verwirrung und das große Mißverständnis Hetty Goldman an. In einem Brief an Albright vom 11. Juli 1936 schreibt nochmals dazu: „Wir sind eben alle teils die Verleumdeten, teils die Belogenen und zwar von Miss Goldman und – ich bedaure das sagen zu müssen – unter Mithilfe von Miss Park (die Direktorin des Bryn-Mawr-College, der Verf.). Dass ich angesichts dieser Tatsachen das Gefühl habe, Bryn Mawr sei ein Wespennest, werden Sie verstehen... Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass die Mädchen in Bryn-Mawr mit der Lehre aufwachsen, dass Frauen gegenüber Männern jedes Mittel erlaubt sei, und man darf mich nach meinen Erfahrungen nicht wegen dieses Gefühls tadeln dürfen.“
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Somit endet für Forrer nach dieser Episode das Kapitel Amerika mit einer weiteren negativen Erfahrung. Sowohl das Engagement am Oriental Institute in Chicago, als auch die Kooperation mit Bryn-Mawr bleiben letztendlich befristete Episoden, die nicht zu einer Lebensstellung für ihn führen und in beiden Fällen sind es menschliche Enttäuschungen, die zurückbleiben. Nur die kurze Gastprofessur in Baltimore bleibt für alle Beteiligten eine positive, ja vielleicht sogar glückliche Begegnung, die auch in menschlicher Hinsicht Früchte trägt. Mit William F. Albright verbindet Forrer eine intensive Freundschaft. Nachdem Forrer also fast das ganze Jahr 1934 mit intensiven Sondierungsarbeiten in Syrien verbracht hat, kehrt er Ende Dezember nach Erkner zurück.
1933–1940. Bewegte Jahre I Forrer kehrt nach seinen „amerikanischen“ Jahren nach Berlin zurück und nimmt den Kampf um einen Platz in der Wissenschaft an vielen Fronten gleichzeitig auf. Er versucht buchstäblich alles, um sich und seiner wachsenden Familie eine hoffnungsvolle Zukunft zu bauen. Gleichzeitig arrangiert sich Forrer mit dem neuen Zeitgeist, der im Deutschen Reich herrscht. Er wird aber nicht zum blinden Anhänger des Nationalsozialismus. Neben gescheiterten Verhandlungen mit der Türkei erhält Forrers Karriere einen Dämpfer und scheitert an missverständlichen Zusagen gegenüber deutschen Behörden. Forrers Bemühungen in den Jahren 1932 und 1933 wieder in der Wissenschaft in Europa oder in Deutschland Fuß zu fassen, nehmen an Intensität zu, als deutlich wird, dass die verschiedenen Engagements und Projekte in den USA auslaufen und sich ihm in Übersee keine beruflichen Perspektiven eröffnen. Dabei strotzte Forrer in dieser Zeit geradezu vor Schaffenskraft. Sein Buch über die hethitischen Hieroglyphen befand sich im Druck und der Orientalistentag in Leiden 1931, auf dem er Ergebnisse seiner Entzifferungen vortrug, brachte ihm viel Aufmerksamkeit und auch neue berufliche Kontakte. Forrer nutze diese in der Folgezeit intensiv, um die Werbung in eigener Person voranzutreiben. Vortragsreisen, so seine neue Überlegung, sollten ihn wieder in Europa ins „Geschäft“ bringen und ihm neue Wege erschließen. Eine Idee, die er aus Amerika mitbrachte und die er schon einmal mit William F. Albright diskutierte.
Die Vortragsreihe in Genf und Lausanne Schon zu Beginn des Jahres 1932, als Forrer eigentlich noch in Diensten des Oriental Institutes in Chicago stand, nahm er Kontakt zum Schweizer Gräzisten Victor Martin auf und bezog sich ausdrücklich auf ein Gespräch, dass beide am Rande des Kongresses in Leiden geführt hatten. Im Laufe dieser Unterhaltung wurde vereinbart, dass Forrer einen Vortragszyklus
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über die Beziehungen zwischen dem Alten Orient und Griechenland halten und dabei auch die neuesten Forschungen auf dem Gebiet der Hethitologie berücksichtigen sollte. Insgesamt war von mehreren aufeinander abgestimmten Vorträgen die Rede. Man blieb aber, was die Umsetzung dieser Vortragsreihe angeht, in Leiden noch sehr vage und ging mit kaum mehr als einer Absichtserklärung auseinander. In seinem Schreiben an Martin vom 24. Januar 1932 greift Forrer diese Leidener Idee wieder auf und regt an, eine solche Vortragsreise schon sehr bald in Angriff zu nehmen. Er schlägt auch gleich drei Vortragsthemen vor: Über das „Hatti-Reich und seine Beziehungen zu Ahhijawa (=Achaia, mykenisches Griechenland)“ sowie „Meine Entzifferung der hethitischen Bilderschrift und Sprache“ und „Das Volk der hethitischen Bilderschriften.“ Victor Martin zeigt sich in seiner Antwort interessiert, verweist aber darauf, dass eine kurzfristige Umsetzung dieses Vortragsvorhabens nicht zu realiseren sei, da seine dienstlichen Obliegenheiten, auch als Dekan der Philosophischen Fakultät, eine gründliche Vorbereitung der Vortragsreihe nicht zu lassen. Auch wünscht er sich noch eine differenziertere Ausgestaltung der Vortragsthemen, damit er den Rektor seiner Universität für eine Unterstützung eines solches Vorhaben gewinnen kann. Martin regt an, dass man die Vorträge ebenfalls in Lausanne an der dortigen Universität halten könne, um somit eine Schweizer Vortragsreihe daraus zu machen. Die Themen seien doch so spannend und aktuell, dass ein großes Publikum sicher sei. Martin rät Forrer, dass er sobald als möglich André Bonnard291 in Lausanne kontaktieren solle und ihm vom geplanten Unternehmen berichtet, um ihn so für den Plan zu gewinnen. Schließlich sei es auch besser für seine Reputation, wenn er in seiner Vita auf eine Schweizer Vortragsreihe verwiesen könne. Forrer ist von dieser Idee begeistert und nimmt im März 1932 Kontakt zu Bonnard auf. Man wird sich sofort einig. Die Planungen und Abstimmungen über die große Vortragsreise nehmen das gesamte Jahr 1932 in Anspruch, wobei die Korrespondenzen auch zeigen, dass neben der inhaltlichen Abstimmung auch die Frage des späteren Druckes der Vorträge sowie das Vortragshonorar für Forrer eine Rolle spielen und sich dadurch die Angelegenheit immer wieder verzögert. Letztendlich werden die Fragen aber in Einvernehmlichkeit geklärt und Forrer erhält die Zusage, dass neben der Erstattung der Reisekosten auch ein Honorar von 1.500 Reichsmark gezahlt werden kann. Im März 1933 schreibt Forrer an Martin, dass er zum Winter 1933 die Gastprofessur in Baltimore für das Wintersemester anzunehmen gedenke und nun eine verbindliche Terminie291
*1888 – 1961, Schweizer Gräzist.
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rung der Vortragsreise vorzunehmen sei. Interessant ist der Zusatz am Ende dieses kleinen Briefes, in dem Forrer kurz auf die Veränderungen in Deutschland seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 zu sprechen kommt: „Hier draussen in Erkner, 25 km von Berlin, merkt man wenig von dem politischen Umschwung und auch in Berlin ist das Leben äusserlich, von Hakenkreuz und Schwarz-Weiss-Rot-Fahnen abgesehen, wenig verändert. Was sich hinter den Kulissen abspielt, dringt nicht in die Öffentlicheit, aber ich glaube, dass man in der Schweiz pessimistischer sieht als es aus der Nähe berechtigt erscheint.“
Noch sieht Forrer keinerlei große Veränderungen – wie viele seiner Zeitgenossen zu jenem Zeitpunkt, – aber eine Ahnung, dass sich „hinter den Kulissen“ etwas zusammenbraut, formuliert er doch. Dass diese Sorgen berechtigt waren, sollte sich bald in den deutschen Universitäten zeigen, als nämlich schon im Laufe des Jahres 1933 die ersten jüdischen Wissenschaftler, auch aus dem kleinen Fachgebiet der Altorientalistik und der Hethitologie, aus den Universitäten hinausgedrängt wurden. Noch im März findet die Abstimmung bezüglich der Termine und der Vortragsthemen zwischen Genf, Lausanne und Erkner eine endgültige Lösung. Forrers Vortragsreise soll am 2. Mai in Genf starten und im großen Vortragsraum der jeweiligen Universitäten stattfinden. Da es sich um insgesamt zehn Vorträge handelt und Forrer diese dicht gestaffelt halten soll, um den Charakter des Vortragszyklus zu verstärken, wählt man für dieses gesamte Unterfangen auch einen Gesamttitel für die geplanten öffentlichen Ankündigungen: „Die Ursprünge der Zivilisationen, der Völker und der Sprachen des alten Orients.“ Man rechnet mit bis zu 100 Hundert Zuhörern und die Ankündigungen der Vortragsreihe für die Universitäten und die lokalen Medien werden von Martin und Bonnard vorbereitet – Forrer liefert die notwendigen Stichworte für diese Pressearbeit. „Lieber Herr Professor Martin! Besten Dank für die Zusendung der Übersetzungen der zwei Vorträge. Mit dem 2. Mai für den Beginn meiner Vorträge bin ich ganz einverstanden. Als Obertitel für alle Vorträge schlage ich vor: „Die Ursprünge der Zivilisationen, der Völker und der Sprachen des alten Orients.“ Die Titel der einzelnen Vorträge und ihre Reihenfolge wären dann: Erstens: „Wie die Entwicklung des menschlichen Geistes in der Sprache zum Ausdruck kommt.“ Untertitel: „Die Grammatik als Spiegel der Weltanschauungen der Völker.“ Zweitens:„Die Sumerier, die Ureinwohner Babyloniens, die Erfinder der Keilschrift, und die Elamiten.“ Drittens:„Wie die Keilschrift entziffert wurde.“ Viertens:„Die Semiten, ihre Entstehung und ihre Ausbreitung.“ Fünftens:„Der Ursprung der menschlichen Kultur, speziell der aegyptischen, babylonischen, indischen und chinesischen.“ Sechstens:„Die Ägypter und ihr Verhältnis zu den Semiten.“ Siebentens:„Die Völker aus Nordosten: Die turkoiden Horrier, Uratäer, Lulubäer und Kossäer, und die arischen Meder, Skythen und Kimmerier.“ Achtens:„ Die Völker des Hatti-Reiches: Die Protohat-
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1933–1940. Bewegte Jahre tier, die Luvier und die Kanisier.“ Neuntens:„ Die Völker Kleinasiens nach der Wanderung der Seevölker um 1200 v.Chr.“ Zehntens: „Neue Probleme zum Ursprung der indogermanischen Sprachen.“ Mit der Bitte mich Herrn Professor Reymond zu empfehlen, wenn Sie ihn sehen, bin ich mit den besten Grüssen Emil Forrer.“292
Ein einziger Punkt bleibt in den Vereinbarungen weiter offen, nämlich der spätere Druck der Vorträge und die Übernahme der anfallenden Druckkosten durch die gastgegebenden Universitäten. Sowohl Martin als auch Bonnard machen dahingehend keine konkreten Zusagen. Am 30. April 1933 reist Forrer mit dem Zug nach Genf und am 2. Mai steht sein erster Vortrag an.293 Der große Vortragssaal füllt sich am ersten Abend und ist mit über 200 Zuhörern voll besetzt. Die Vorträge werden ein großer Erfolg und viele Zuhörer drängen sich in die Forrerschen Vorträge. Auch in den Zeitungen wird dieses Ereignis erwähnt. Am 8. Mai 1933 berichtet die Gazette de Lausanne ausführlich über die zwei Tage später anstehenden Vorträge. Die Vortragsreise übertrifft alle Erwartungen, aber die von Forrer im Anschluss daran erhofften Angebote Schweizer Universitäten bleiben aus.
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Siehe auch Dokument 31 der CD-ROM. Einer der Vorträge wurde 1934 in Mannus mit dem Titel „Neue Probleme zum Ursprung der Indogermanischen Sprachen“ abgedruckt. In der Fußnote 1 des Aufsatzes gibt Forrer an, dass er diesen Beitrag am 2. und 8. Juni 1933 an den Universitäten in Genf und Lausanne gehalten habe. Dies ist offensichtlich ein Irrtum oder ein unkorrigierter Druckfehler im Manuskript. Die Korrespondenz wie auch die Zeitungsausschnitte zeigen ganz offenkundig, dass die Vorträge im Mai 1933 gehalten wurden.
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Abb. 29 Gazette de Lausanne vom 8. Mai 1933
Insgesamt mit den Ergebnissen der Vortragsreise hochzufrieden, schreibt Forrer dazu am 6. Oktober 1935 rückblickend an André Bonnard:
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1933–1940. Bewegte Jahre „ ... es erscheint mir immer noch unfassbar, dass über 200 Zuhörer in den großen Saal drängten und dass sogar einige Zuhörer keine Plätze fanden und die ganze Zeit über stehen bleiben mussten. Auch in Genf konnten wir oft nur verspätet beginnen, da immer noch Menschen in den schon übervollen Saal drängten.“
Da eine definitive Zusage zum Druck seiner Vorträge weder von Genf noch Lausanne erfolgt war, erinnert sich Forrer eines alten Kontaktes zum Verlag Methuen in London und fragt dort an, ob man dort Interesse an einem 150 Seiten umfassenden Manuskript mit 15 Bildern und 15 Landkarten habe, das man unter dem Titel „Über die Völker und Sprachen Vorderasiens“ herausbringen könnte. Am 24. Juli 1933 erhält er Antwort vom Verlag, die höflich formuliert dieses Manuskript, offenbar ohne es zu sehen, ablehnt, dafür aber Interesse bekundet, aus Forrers Feder ein Werk über die Geschichte der Hethiter für den historischen Teil des Verlagsprogramms zu erhalten. Forrer sagt dem Verlag nach kurzer Bedenkzeit ab, da die Gastprofessur in Baltimore bevorsteht und die Hoffnung auf weitere Perspektiven in den USA die kurzfristige Fertigung eines umfangreichen Buches nicht realisierbar erscheinen lassen.
Die Auswirkungen des NS-Diktatur auf die deutschen Universitäten Schon kurz nach der Machtübergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 machen die neuen Machthaber durch ihre Gesetzgebung deutlich, dass der von Beginn der Parteigründung an immer aggressiver vorgetragene Antisemitismus und die antidemokratische Haltung kein wahltaktischer Populismus darstellte, sondern ernst gemeint war. Mit dem Gesetz „ Zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 begann die personelle und strukturelle Neuordnung aller öffentlichen Gebietskörperschaften. In der Ausformulierung der Bestimmungen des Gesetzes werden in bis dahin nicht gekannter Klarheit die Zielsetzungen und Zielpersonen genannt. So heißt es etwa in § 3 des Gesetzes: „Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand zu versetzen“ und in § 4, bewusst indifferent „Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, können aus dem Dienst entlassen werden.“ Der neuen staatlichen Willkür war somit der „rechtliche“ Rahmen gegeben. Diese im Volksmund „Arierparagraphen“ genannten Bestimmungen wurden alsbald von nahezu allen Institutionen, Vereinen und berufsständigen Organisationen übernommen und entzogen vielen Bediensteten öffentlicher Einrichtungen mit einem Federstrich die berufliche Grundlage. Durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums setzte in
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den wissenschaftlichen Institutionen eine Entlassungswelle ein, von der etwa 20 Prozent der Universitätsangestellten betroffen waren. Der Ausschluss jüdischer und politisch anders denkender Hochschullehrer aus allen Forschungsbereichen bedeutete einen herben Verlust für die deutsche Wissenschaft. Auch namhafte Wissenschaftler aus den altorientalischen Disziplinen wurden Mitte der 1930er Jahre aus den Hochschulen vertrieben, darunter Julius Lewy, Benno Landsberger, Albrecht Götze, und Hans Gustav Güterbock. Dies war aber nur der erste Schritt der Nationalsozialisten die wissenschaftlichen Einrichtungen und die Universitäten in ihrem Sinne neu zu ordnen und zu kontrollieren. Durch die neue Hochschulverfassung vom April 1935 wurde die akademische Selbstverwaltung der Universitäten beschränkt und der Rektor zum Führer der Hochschule bestimmt. Er war direkt dem im Mai 1934 gegründeten Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung unterstellt. Auch ernannte Reichswissenschaftsminister Bernhard Rust die Leiter des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) und des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbund (NSDDB). Beide Organisationen forcierten die ideologische Beeinflussung der Lehranstalten und waren institutionell nicht der Hochschulverwaltung, sondern der NSDAP angegliedert. Damit wurde die akademische Freiheit von Wissenschaft und Forschung den politischideologischen Vorgaben der Partei unterstellt. Insbesondere der NSDDB entwickelte sich zu einem machtpolitischen Instrument, denn er war an allen Besetzungsverfahren für freigewordene oder neu zu schaffende Stellen beteiligt und konnte einflussreichreiche Stellungnahmen und Gutachten über Bewerber erstellen, die dem Minister direkt vorgelegt wurden. Somit war neben der fachlichen Eignung auch die Frage der „richtigen Gesinnung" ein Kriterium für Karrieren in der deutschen Hochschullandschaft. Mit der Gleichschaltung traditioneller Forschungseinrichtungen ging die Errichtung neuer nationalsozialistischer Institutionen mit entsprechendem ideologischem Schwerpunkt einher. Die deutsche Hochschullandschaft war nach nur zwei Jahren seit der Machtgergreifung im Sinne der Nationalsozialisten personell und strukturell neu geordnet. Um in das Beamtenverhältnis im Rahmen der Hochschule aufgenommen zu werden, war die Ernennung zum „Dozenten neuer Ordnung“ von Bedeutung, was bedeutete, dass man als linientreu oder zumindest politisch unverdächtig eingestuft wurde und neben den fachlichen auch die neuen formalen Voraussetzungen (arisch, deutsch etc.) erfüllte. Forrers Bemühungen um eine wissenschaftliche Position führen in jenen Jahren nicht zum Ziel und so beantragt er immer wieder Dozentenbeihilfen und Stipendien, um die Finanzierung seiner Familie sicherzustellen. Im Jahre 1936 droht der Verlust der so dringend benötigten Gelder, als ihm der Dekan der Philosophischen Fakultät mitteilt, dass eine weitere Gewäh-
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rung der Dozentenbeihilfe für 1937 fraglich erscheint. Tatsächlich erhält er fast schon erwartungsgemäß im Dezember 1936 den Bescheid, dass eine weitere Bewilligung dieser Hilfen abgelehnt worden sei. Forrer steht erneut vor dem Nichts, aber die wissenschaftliche Arbeit in den Jahren ab 1935 ruhte dennoch nicht. Dies ist bemerkenswert, Forrer forschte und publizierte in gewohnt intensiver Weise weiter, aber seine Arbeiten zeigen eine gewisse Annäherung an die neuen politischen Verhältnisse sowohl was die Auswahl der Publikationsorgane als auch was die sprachliche Ausdrucksweise betrifft. Er ist allerdings weit davon entfernt als nationalsozialistischer „Überzeugungstäter“ gelten zu können. Im Jahre 1934 publiziert er in den Zeitschrift Mannus294 den Beitrag Neue Probleme zum Ursprung der indogermanischen Sprachen, der einen Vortrag aus der Schweizer Vortragsreihe zur Grundlage hat und postuliert darin, dass aufgrund des Sprachvergleichs des Indogermanischen, des Finno-Ugrischen, des Hethitischen und des Tabalischen, eine geografische Verortung der „Heimat der indogermanischen Ursprache“ vorgenommen werden könne. 295 Die indogermanische Ursprache habe ein „eurasisches Element“ gehabt, dass durch „Vermischung“ in dem Raum „Moskau – Warschau“ gewirkt habe und dort die „finno-ugrische Ursprache zustande gebracht“ habe. Der „Zweig der Indogermanen sei diesen auf dem Fuße gefolgt“ und habe unter anderem „unbesiedelte Waldgebiete kolonisiert“ und die Sprachen West- und Südeuropas und Asiens hervorgerbracht. Die Urheimat, heißt es abschließend „war also wahrscheinlich das Ostseegebiet.“296 Durch diesen Beitrag erhält Forrer Kontakt zu Hans Reinerth und Jörg Lechler, die als Herausgeber bzw. Schriftleiter diese Zeitschrift betreuten. Vor allem der Kontakt zu Hans Reinerth sollte Forrer bis zum Ende des Dritten Reiches 1945 294
295 296
Die Zeitschrift Mannus nannte sich im Untertitel Zeitschrift für Deutsche Vorgeschichte. Sie wurde herausgegeben von Gustaf Kossinna und der von ihm gegründeten Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte (später: Gesellschaft für Deutsche Vorgeschichte, Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte). Der erste Band erschien 1909, der vorerst letzte 34. Bd. 1942. Erscheinungsort war zunächst Würzburg, ab Bd. 9 dann Leipzig. Neben den 34 Hauptbänden veröffentlichte man in den Jahren 1910 bis 1930 acht Ergänzungsbände. Mannus war eine der wichtigsten deutschen archäologischen Zeitschriften dieser Zeit. Aufgrund ihres an Kossinas Ansichten orientierten Inhalts ist sie bis heute heftig umstritten. Nicht wenigen Beiträgen wird die Wissenschaftlichkeit abgesprochen. Von 1969 bis 1994 erschien Mannus erneut als Zeitschrift der neu gegründeten Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte. Mannus, 26. Jahrgang 1934, p. 126f. Begründet wird diese These mit der Verteilung morphologischer Elemente wie z.B. der Nominativ-, Akkussativ- und Genitivbildung im Finno-Ugrischen und Indogermanischen sowie der Verteilung der grammatischen Geschlechter in den jeweiligen Sprachräumen.
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noch nützlich sein und ihn auch immer stärker an Organisationen des Hitlerreiches binden. Neben der auffälligen Verwendung einiger typischer Begriffe der nationalsozialistischen Zeit wie z.B. „Vermischung“ von Völkern, „rassenkundliche Untersuchungen“ und der typischen Herleitung von Kulturleistungen als Kennzeichen bestimmter Rassen („Indogermanen = Kulturträger“) ist auch die Auswahl der Publikationsorgane für hethitologisch orientierte Arbeiten ungewöhnlich. Neben den Zeitschriften wie Mannus und Das Germanenerbe, die beide von Hans Reinerth herausgegeben werden, versucht Forrer nun auch in der Zeitschrift Rasse, die von der Anstalt für Rassenkunde, Völkerbiologie und Ländliche Soziologie mit Sitz in Berlin-Dahlem und von Hans Friedrich Karl Günther herausgegeben wurde, mit einem Beitrag über die „Ältesten Einwanderungen indogermanischer Völker in Vorderasien“ publiziert zu werden. H. F. K. Günther lehnt in einem Schreiben vom 23. November 1936 Forrers Beitrag ab, da die „Arbeit selbst für die Zeitschrift Rasse am Rande liegt.“ Mit Jörg Lechler publizierte Forrer 1936 auch noch den Beitrag „Über den Ursprung des Weihnachtsbaumes“ in der Zeitschrift Germanenerbe. Auch dies war ein ideologisch gefärbtes Publikationsorgan, bestückt mit Aufsätzen, die rassekundliche oder historische Studien mit eindeutig nationalsozialistischer Terminologie veröffentlichte. Forrer verfaäät der in diesen Organen typischen Diktion und greift diese eindeutigen Termini auf, wenn er schreibt: „Sie (die Hethiter, der Verf.) sind ein Mischvolk, ihr Hauptbestandteil und ihre Herrscherschicht stammt aber aus dem nordischen Kulturkreis Europas.“ Auch das der Telepinu-Mythos die „Wintersonnenwende motiviert“ ist sicherlich der Anpassung an die neuen Zeiten und Terminologien geschuldet und hat seine Ursachen in Forrers stetem Kampf in der Wissenschaft zu bleiben und die existenziellen Sorgen zu verringern.297 Als Mitte 1937 die Beihilfen der Berliner Universität auslaufen und auch für das Jahr 1938 keine Aussichten auf Besserung bestehen, lebt Forrer von der geringen Substanz. Der mühsame Kampf um eine verdiente 297
Amüsant ist allerdings zu lesen, wie Forrer aus dem Telepinu-Mythos den Weihnachtsbrauch des Beschenkens als urindogermansiches Motiv herleitet. In dem Mythos heißt es, dass die Gottheit Telepinu den König beschenke und dazu einen Sack aus Schafshaut an einen Baum hängt und darin Schaffett, Gerste und Wein legt. Dieses indogermanische Motiv des Schenkens an einem Baume habe sich dann bis heute durch die bekannte Bescherung am Weihnachtsbaume am Heiligen Abend gehalten. Ebenso findet er in den hethitischen Texten den Prototypen des Knecht Ruprecht, nämlich in Gestalt der Gottheit Indar, dessen Reich die Täler, Berge und die Gebiete der wilden Tiere sei. „Er (Indar) ist darum ein rauher, bärtiger Geselle, der sich auch nur in Felle kleiden konnte.“ (op.cit. p. 265).
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Position hat tiefe Spuren hinterlassen. Am 3. Jaunar 1938 schreibt Forrer an den Rektor der Universität und bittet um ein Gespräch mit dem Ministerium über seine Zukunft.298 „An den Herrn Rector der Universität Berlin Obwohl ich seit 1925 – mit den Unterbrechungen, die ich als associate Professor in Chicago und als Gastprofessor in Baltimore war – der Universität Berlin als Dozent angehöre, ist mein Dozentenstipendiumsgesuch abgelehnt worden. Das vom Kurator kurz vor Weihnachten gegebene „einmalige“ Stipendium von 750 M. ist zwar allen Dankes wert, bedeutet aber doch nur eine Galgenfrist von drei Monaten für die Entscheidung, ob ich weiter an der Universität Berlin lehren kann oder mein Glück anderwärts suchen oder meine wissenschaftliche Arbeit ganz aufgeben muss. Dass meine seit 20 Jahren mit Bienenfleiss gesammelten über 1000 Inschriftenabschriften und meine Zettelkataloge mit über 100 000 Stellen sowie der auf meinen Forschungsreisen und Ausgrabungen gesammelte geographisch– archäologisch Stoff dann für die Wissenschaft verloren ginge, wäre ein ungheuerlicher Widersinn. Alle solche grossen Arbeiten brauchen Jahrzehnte des Anlaufs, und harren daher noch der Veröffentlichungsmöglichkeit, die eine gesicherte Stellung zur Voraussetzung hat. Schon auf Grund meiner bisherigen Arbeiten wird mir vom objectiv urteilenden Ausland eine Führerstellung innerhalb der deutschen Wissenschaft für Geschichte und Sprachen des alten Orients zuerkannt, die mich sachlich zum ersten Anwärter für den zur Zeit freien hiesigen Lehrstuhl für Assyriologie macht. Da mir keine Ersparnisse mehr zur Verfügung stehen, um meine wissenschaftliche Arbeit aus eigener Kraft fortzusetzen, sehe ich mich vor folgende harte Entscheidung gestellt: entweder ich erhalte eine Stellung, die meiner Bedeutung innerhalb der deutschen und internationalen Wissenschaft entspricht, wie z.B. die hiesige Professur für Assyriologie, über die die Entscheidung in den nächsten zwei Monaten gefällt werden sollte, oder aber ich baue mir anderwärts, sei es auf einem anderen wissenschaftlichen Gebiet, sei es ausserhalb der Wissenschaft, eine Existenz auf. Um klar zu sehen, wie sich das Ministerium meine weitere Stellung zur Universität Berlin denkt, und um mich noch frühzeitig genug danach richten zu können, möchte ich für die für mein Fach zuständigen Herren Harmjanz oder Mattiat im Ministerium für Wissenschaft sprechen und bitte um Ihre Erlaubnis hierfür.299 Heil Hitler! Dr. E. Forrer“
Wann das Gespräch stattgefunden hat, ist nicht verzeichnet, aber dass es stattfand, kann als sicher angenommen werden, denn der Dekan der Phi298 299
Siehe auch Dokument 32 der CD-ROM. In der Kopie des Schreibens an den Minister sind im letzten Absatz sind in die Namen Harmjanz und Mattiat unterstrichen und am rechten Rand mit einem Ausrufezeichen versehen sowie „bitte ich um Ihre Erlaubnis hierfür“ sogar doppelt unterstrichen.
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losphischen Fakultät berichtet dem Ministerium, dass er auftragsgemäß mit Forrer über seine weitere Zukunft gesprochen habe. Offenbar hat man von ministrieller Seite die Personalie Forrer an die Universität zurückverwiesen. Das auf dem Dienstweg über den Rektor an den Minister gesandte Schreiben des ungenannten Dekans ist insofern interessant, als dass dieser eine zutreffende Charakterisierung Forrers als Person und Wissenschaftler vornimmt: „An den Herrn Reichsminister d.d. Herr Rektor der Universität 16. Mai 1938 Auf Grund des Erlasses vom 10. Febr. 1938 – E.O. Forrer – hatte ich den Auftrag, den Dozenten Dr. Forrer in geeigneter Form darauf hinzuweisen, dass er bei seinem Alter nicht mehr zum Hochschulnachwuchs im Sinne der Bestimmungen über die Gewährung von Beihilfen gerechnet werden könne, und ihn zu empfehlen, sich nach einem anderen Hauptberufe umzusehen. Ich habe versucht, dieser Aufgabe nachzukommen. Sie war nicht leicht einem Manne gegenüber, der, 44 jährig, für 3 Kinder und eine geschiedene Frau zu sorgen, und wie auch immer die Urteile im einzelnen lauten, allgemein anerkannte Verdienste um seine Wissenschaft aufzuweisen hat. Ich habe in mehrfachen Unterredungen, die ich im Zusammenhange mit Dr. Forrer hatte, auch einen Eindruck von seiner Persönlichkeit gewonnen, der es mir schwer macht, ihn einfach fallen zu lassen. Dr. Forrer macht mir den Eindruck eines leidenschaftlich seiner Sache ergebenen Forschers, der es, was sicherlich für ihn spricht, ganz und gar nicht verstanden hat, sich nützliche Beziehungen zu schaffen. Daß er, obwohl er seit 1925 habilitiert ist, noch keine Berufung erhalten hat, ist doch wohl in der Art seines Faches begründet, für das nur ganz wenige Lehrstühle bestehen. Als Wissenschaftler mag Forrer zu dem Typus gehören, der es zuweilen an der wünschenswerten Selbstkritik und Vorsicht fehlen lässt und der sich dann vergaloppiert. Aber er hat doch einen Namen und Verdienste und wird, wie ich als Dekan beobachten konnte, von ausländischen Gelehrten geschätzt und gesucht. Zudem hat es diesen wissenschaftlichen Typus in der deutschen Wissenschaft immer gegeben und es wird ihn, nicht zu ihrem Schaden, immer geben müssen. Ganz nüchtern und sozusagen wirtschaftlich gesehen, wäre es auch nicht zu empfehlen, jetzt noch Forrer aufzugeben, wo doch die Ernte eines 20jährigen wissenschaftlichen Lebens zur Wirkung gelangen muss. Forrer, der schweizerischer Staatsbürger ist, hat kein Gehalt, kein Stipendium, keinen Lehrauftrag. Er musste sich für dieses Semester beurlauben lassen, da ihm die Mittel fehlen, ohne Entgelt Vorlesungen zu halten. Ich stelle den Antrag, ihm einen bezahlten Lehrauftrag für Geschichte und nicht-semitische Keilschriftsprachen des alten Orients zu erteilen.“
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Die Charakterisierung ist in den wesentlichen Aussagen zutreffend und der entscheidende Punkt ist, dass Forrer zu diesem Zeitpunkt ohne nützliche Verbindungen und Kontaktpersonen ist. Seine wichtigste Stütze war stets Eduard Meyer, der sich für Forrer einsetzte und in vielen Fragen ein väterlicher Freund und Ratgeber war. Aber nachdem Meyer im Jahre 1930 verstorben war, hatte Forrer niemanden an seiner Seite, der in gleicher Weie für ihn in die Bresche sprang und sich für ihn in den vielfältigsten Zusammenhängen oder Gremien stark machte. Das Wohlwollen des Dekans und die Empfehlung an das Ministerium Forrer nicht fallen zu lassen, zeigte die erhoffte Wirkung. Einen Monat später teilte Minsterialdirektor Harmjanz in einem offiziellen Schreiben mit, dass der Reichsminister dem Antrag der Philosophischen Fakultät entsprochen habe und Forrer eine vergütete Lehrtätigkeit an der Berliner Universität erhält. Die Erzielung eines regelmässigen Einkommens bedeutete für Forrer zu diesem Zeitpunkt eine erhebliche Erleichterung seiner alltäglichen Lebensumstände und eine kleine Perspektive für die Zukunft. Das in Aussicht gestellte Gehalt bedeutete aber nicht mehr als eine Grundversorgung, die das allernötigste sicherstellte. Obwohl Forrer nach einer Professur oder aber einer vergleichbaren dauerhaften Position stebte, die ihm auch deutlich höhere Bezüge ermöglichen würde, gab er sich doch sehr erleichtert und schrieb an Lechler, das die „ganz große Katastrophe vorerst abgewendet worden ist“. 300 Diese Unterstützung, die Forrer dem Einsatz des Dekans der Philosophischen Fakultät zu verdanken hat, zeigt, dass Forrer trotz seiner Außenseiterstellung innerhalb der Fakultät zumindest bei einzelnen Mitgliedern geschätzt war und seine Verdienste gewürdigt wurden.
300
Brief an Jörg Lechler vom 20. Juni 1938.
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Abb. 30 Gewährung einer Lehrvergütung für Forrer (Dokument 33 der CD-ROM)
Parallel zu diesen Vorgängen an der Berliner Universität und der Gewährung einer bezahlten Stelle suchte Forrer aber auch Verbündete, die ihm bei seinem verständlichen Streben nach einer Professur nützlich oder be-
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hilflich sein konnten. Mit Jörg Lechler und Hans Reinerth unterhält Forrer in den Folgejahren eine intensive Korrespondenz, die die Suche nach weiteren Möglichkeiten des Unterkommens thematisiert. Denn parallel zu seinen wissenschaftlichen und publikatorischen Arbeiten spielen sich die Hauptereignisse der Jahre 1936 bis Anfang 1939 für Forrer an verschiedenen „Fronten“ ab, die allesamt dramatische Züge aufweisen und deutlich machen, wie sehr Forrer um die wenigen beruflichen Möglichkeiten kämpfte – offenbar heiligte der Zweck so manches Mittel.
Die Nachfolge Bruno Meissners in Berlin Im Jahre 1936 emeritiert der Ordinarius für Assyriologie am Berliner Lehrstuhl, Bruno Meissner. Das Reichsministerium für Erziehung und Wissenschaft strebt eine zügige Neubesetzung der Stelle an und eröffnet alsbald das Besetzungsverfahren. Es versteht sich von selbst, dass Forrer sich in seiner Situation berechtigte Hoffnungen machte und seine „Unterstützer“ positionierte, um die Nachfolge Meissners in Berlin antreten zu können, da er sich nicht nur als Hethitologe, sondern auch als Altorientalist sah. Zu den wichtigsten Verbündeten Forrers zählte in jener Zeit der Archäologe Hans Reinerth, eine wichtige Größe innerhalb der nationalen Forschungspolitik, der vor allem über die so entscheidenden und fruchtbringenden Verbindungen zu den nationalsozialistischen Schaltstellen verfügte – insbesondere in den NSDAP-Gliederungen des Berliner Universitätsumfeldes. Er sollte die Rolle der „grauen Eminenz“ im Hintergrund für Forrers Vorstoß auf den vakanten Berliner Lehrstuhl spielen. Überhaupt war Reinerth zu jener Zeit auch für andere Vorhaben Forrers eine zentrale Figur. Leider enthält das Briefmaterial nicht das ursprüngliche Schreiben Forrers, mit dem er sich um die vakante Position bewarb. Aber in der Korrespondenz mit Reinerth ist ein Brief erhalten, der die verschiedenen Möglichkeiten Forrers in Deutschland abwägt und ganz allgemeine Passagen zur Struktur an den deutschen Hochschulen aufgreift. Auch wird das weitere strategische Vorgehen thematisiert. 301 „Über meine persönliche Angelegenheit (Nachfolge Meissner, der Verf.) habe ich bisher nichts erfahren. Als Gutachter hätte ich auch noch Prof. C. Brockelmann, einer der besten & Gegner Landsbergers in Leipzig angeben sollen, der meine Arbeiten zu schätzen weiß. Übrigens ist auch die Leipziger ordentliche Professur für Assyriologie, die Landsberger als Nachfolger H. Zimmerns innehatte m.W. noch nicht besetzt. Im Falle der Greifswalder Professur für Alte Geschichte scheint die 301
Brief an Reinerth vom 29. November 1936.
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Opposition die Oberhand zu behalten; für dies Semester ist ein Vertreter ernannt worden. Hoffentlich dauert es nicht zu lange bis ihre freundlichen Bemühungen einem Erfolg für mich zeitigen.“
In einem Schreiben, das mit Datum 11. April 1939 an den Dekan der Fakultät gerichtet ist, wird nochmals die Gutachterfrage angesprochen und Forrer zählt eine ganze Reihe namhafter Altorientalisten auf. Einige davon begleiteten Forrers Karriere bereits seit den frühen Studienjahren, wie z.B. Ernst Weidner. Auch Anton Deimel hat seit den 1920er Jahren Kontakt zu Forrer und mit ihm bei der Erstellung des hethitischen Syllabars eng zusammengearbeitet. Interessanterweise nennt Forrer auch den Wiener Indogermanisten Paul Kretschmer, seinen Kampf- und Leidensgenossen in der hitzigen AΔΔijawa-Frage, als Gutachter für Forrers Qualitäten auf dem Gebiet der Vergleichenden Sprachwissenschaft. Obwohl Forrer keinesfalls als Indogermanist gelten konnte, versuchte er somit die Breite seiner Qualifikationen darzustellen. Der Nennung HroznŸs ging ein interessanter Briefwechsel voraus, in welchem Forrer anfragte, ob dieser bereit sei eine „positive Stellungnahme“ über ihn als Forscher und Fachkollegen abzugeben, falls er aus Berlin dazu aufgefordert werde, was HroznŸ zusagte. Die ebenfalls zumindest von der Fachrichtung in Frage kommenden „bösen Buben“ wie Albrecht Götze, Ferdinand Sommer oder Johannes Friedrich fehlten natürlich, obwohl sie Fachkollegen waren. Aber nach der scharfen Debatte in der AΔΔijawa-Frage war eine wohlgesonnene und empfehlende Begutachtung wohl nicht zu erwarten. „Sehr geehrter Herr Dekan! Als Gutachter über meine wissenschaftlichen Leistungen kommt natürlich in erster Linie Herr Professor Bruno Meissner Zeuthen bei Berlin, Prinz Heinrichstr. 5 in Frage. Ferner mein Fachgenosse Professor E. Ebeling, Berlin-Frohnau, Gutshofstr. 27; Dr. E. F. Weidner, der um die Assyriologie sehr verdiente Herausgeber des Archivs für Orientforschung in Berlin-Frohnau, Oranienburgerstr. 52; ferner Prof. V. Christian, Wien VI. Mariahilfstr. 1a. Für meine sprachvergleichenden Arbeiten Geheimrat Prof. Paul Kretschmer, Wien VII. Florianigasse 23. Für orientalische Archäologie Prof. F. Sarre, ehemals Director der islamischen Abteilung, in Neubabelsberg 2, Bergstr. 6. Ferner ist Prof. Friedrich Hrozny in Prag, Vorehovka 285, der erste Entzifferer der hethitischen Sprache zum Zeichen freundschaftlicher Zusammenarbeit gern zu einem Gutachten bereit. Schliesslich könnte auch Prof. C. Frank in Marburg als mein einstiger Lehrer in Frage kommen. Ausserhalb Deutschlands wäre speziell auf die beiden deutschbürtugen Professoren und Directoren des päpstlichen Bibelinstitutes in Rom Piazza Pilotta 35 A. Deimel und A. Pohl, beides Assyriologen, hinzuweisen.“302
302
Brief Forrers über den Dekan der Phil. Fak. Berlin an den Wissenschaftsminister B. Rust vom 11. April 1939. Siehe auch Dokument 34 der CD-ROM.
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Im bereits zitierten Schreiben vom 29. November 1936 wird noch eine weitere Option von Forrer durchgespielt, die ganz offenkundig auf eine frühere Information seitens Reinerths fußt und eine wiederum völlig neue Variante ins Spiel bringt. Neben der Versorgung Forrers hätte diese auch noch den Synergie-Effekt gehabt, dass ein wichtiger Gegenspieler Reinerths durch einen befreundeten Mitstreiter ersetzt worden wäre. „Falls Schede wirklich Director des archäologischen Institutes wird & dadurch Stambul frei wird, dürfen wirklich nicht klassische-archäologische & gesellschaftspolitische Gesichtspunkte ausschlaggebend sein, sondern wer wissenschaftlich in unserem Gebiet arbeit. Unger & ich sind unzweifelhaft die geeignesten Kandidaten für dort. Von dort aus könnte man auch Syrien betreuen. Aber ich sehe gar nicht ein, warum man es nicht mindestens versuchen sollte das archäolog. Institut dadurch, dass Sie selbst die Leitung übernehmen, allmählich in lebendige Beziehung auch zur Vorgeschichte zu bringen. Wer weiß, wann sich wieder eine solche Gelegenheit dazu findet. Hier ist die dringlichste Aufgabe & alle Kräfte werden gegen die sicher starke Opposition nötig sein.“
Forrers Äußerungen zeigen, dass er über den Machtkampf Reinerths mit Theodor Wiegand hinsichtlich der Führungsrolle des Reichsinstitutes für Vor- und Frühgeschichte, die Reinerth für sein Institut forderte, bestens informiert war und sich auf die Seite Reinerths stellte, da er sich durch diesen Protektion bei anstehenden Berufungen erhoffte. Theodor Wiegand hatte sich ab 1934 vehement dagegen eingesetzt, dass Reinerth mit seinem Reichinstitut und mit dem 1936 gegeründeten „Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte“ ebenfalls Außenstellen in Athen und Rom unterhalten sollte und durch eigene Grabungen in offene Konkurrenz zum Deutschen Archäologischen Institut (DAI) trat. Martin Schede galt als Mann Wiegands und daher als „Opposition“ zu Reinerth Bestrebungen. Schede folgte Wiegand 1938 auf der Position des Präsidenten des DAI und war seit 1929 für das DAI in Istanbul. Auch in Bezug auf die vakanten Stellen in Berlin, Greifswald und Leipzig, die Forrer anspricht, begibt er sich auf das hochschulpolitische Parkett. Die Situation eskaliert, als Forrer erfährt, dass sich auch Hans Ehelolf für diese Position bewirbt. Reinerth und Forrer greifen zu schweren Geschützen und werden durch die neuen nationalsozialistischen Verfahrensregeln an den Hochschulen begünstigt. Denn mit der Gleichschaltung der Universitäten und den Parteikontakten Reinerths kommen nun auch andere Wege in Betracht, Mitbewerbern den Weg zu verbauen. Leider klärt das Material an dieser Stelle nicht genau auf, wie es nun zu dem schon mehrfach zitierten Gutachten Forrers über die wissenschaftliche Leistung Ehelolfs gekommen ist. Es liegt aber auf der Hand, dass Ehelolf Forrer nicht selbst als Gutachter vorgeschlagen haben dürfte, sondern dass Reinerth dafür gesorgt hat, dass der vor allem in Berlin mächtige NS-Dozentenbund (NSDDB) an Forrer herangetreten ist, da diese Organi-
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sation der NSDAP eigene Gutachten über die Bewerber für das Ministerium erstellen konnte. Es kann sogar als sicher angenommen werden, dass Hans Ehelolf von diesen Vorgängen keine Ahnung hatte und das Zusammenspiel Reinerths und Forrers im Verborgenen stattfand. Der Führer des NS-Dozentenbundes in Berlin, Dr. Steinbeck, wendet sich also an Forrer mit der Bitte, die Leistungen Ehelolfs zu beurteilen und somit Munition für eine Stellungnahme des Dozentenbundes zu liefern. Aufgrund der Verfahrensregeln war ja zu erwarten, dass diese Stellungnahme in jedem Falle dem Minister vorgelegt werden würde. Somit war sicher gestellt, dass Forrers Einlassungen an der entscheidenen Stelle zu Gehör gebracht werden. Das Besetzungsverfahren entwickelt sich zum „Zweikampf“ zwischen Forrer und Ehelolf. Zwar werden noch andere Gutachten zu Ehelolf eingeholt, die ihn als geeigneten Kandidaten und auch in charakterlicher Hinsicht positiv darstellen, aber die meisten sind eher knapp gehaltene Darstellungen und erreichen bei weitem nicht die Dimension der Forrerschen Darstellung.303 Das Gutachten, dass Forrer verfasst, liest sich wie eine Generalabrechnung mit dem alten Rivalen und er spannt einen weiten Bogen zurück bis in frühen Zwanziger Jahre. Er spart nicht mit heftiger Kritik und baut dabei geschickt eigene Verdienste ein. Ein wohl komponiertes Schreiben, dass alle Register der Verunglimpfung auf der einen und der subtilen Selbstdarstellung auf der anderen Seite zog, und seinen Zweck, Ehelolf aus dem Rennen zu werfen, nicht verfehlen durfte. Am 3. Dezember schreibt Forrer an Dr. Steinbeck: An den Leiter der Dozentenschaft Berlin. Sehr geehrter Herr Dr. Steinbeck! Auf Ihren ausdrücklichen Wunsch erstatte ich Ihnen hier Bericht über meine Erfahrungen mit Herrn Dr. Ehelolf
303
An weiteren Gutachten ist zu erwähnen, dass der Orientalist Richard Hartmann, Bestand des Archivs der Humboldt-Universität, UK PA M 125, Bd. II Ehelolf für die Besetzung der Position empfiehlt, aber auch über Kandidaten der jüngeren Generation einige aus heutiger Sicht interessante Zeilen verfasst. „Es ist allerdings richtig, daß unter der jüngeren Generation eine Reihe von Namen einen guten Klang haben : Schott, von Soden, Falkenstein. Aber es handelt sich doch hier mehr um – wenn auch gut bgeründete – Zukunftshoffnungen. Gewiß ist von ihnen allen – vielleicht von v. Soden – sehr Gutes zu erwarten. Auch der Orientalist Hans Heinrich Schaeder empfiehlt Ehelolf, da dieser keinesfalls als reiner Spezialist für Hethitologie bezeichnet werden darf, er vielmehr als Assyriologe angefangen und sich als solcher zuerst einen wissenschaftlichen Namen gemacht hat.“ Bestand UK PA M 125 Bd. II Archiv der Humboldt-Universität.
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1933–1940. Bewegte Jahre Nachdem ich 1916 eine noch heute massgebende Arbeit über die „Chronologie der neu-assyrischen Zeit“ geschrieben hatte, wurde ich durch meine schon in der Schulzeit für das klassische Altertum und in der Studentenzeit für den alten Orient durchgeführten umfassenden historisch-geographischen Arbeiten mit der „Provinzeinteilung des assyrischen Reiches“, mit der ich 1917 in Berlin bei Eduard Meyer und Friedrich Delitzsch promovierte (erschienen 1920), zum ersten Fachmann für die historische Geographie des Alten Orients, der ich bis heute geblieben bin. Dann betraute mich die Deutsche Orient-Gesellschaft (DOG) mit der Herausgabe der Boghazköi-Texte. Die ersten hierbei gemachten Entdeckungen erschienen als „die acht Sprachen der Boghazköi-Inschriften“ in den Sitzungsberichten der preuss. Akad. d. Wiss. 1919. 1921 gab ich dann unter dem Titel „Ausbeute aus den Boghazköi-Inschriften“ in den Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft (=MDOG) Nr. 61 den ersten Überblick über die Landeskunde, Völker- und Sprachenkunde, Geschichte, Kultur und Religion der Hethiter, der für alle folgenden Darstellungen die Grundlage bildet. 1922 gab ich dann in den „Inschriften und Sprachen des Hatti-Reiches“ (Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft) (ZDMG) für das Keilschrift-Hethitische eine neue Grammatik, die die vielfach überholte erste Grammatik des tschechischen Gelehrten Fr. Hrozny ersetzte und die in allen Einzelheiten bis heute unantastbar blieb; ausserdem legte ich darin die ebenfalls bis heute in keinem Punkte verbesserten Grammatiken der übrigen fünf Sprachen des Hatti-Reiches nieder. Unter dem Drucke der durch die Erfüllung des Versailler Vertrag hervorgerufenen Not musste die DOG 1921 die Herausgabe der „Keilschrifttexte aus Boghazköi“ einstellen. Ausserdem drohte damals der Kommunismus weiter um sich zu greifen, dessen Sieg das völlige Erliegen unserer Wissenschaft bedeutet hätte. Um dem zu begegnen machte ich unter großen finanziellen Opfern Versuche mit verschiedenen Reproduktionsverfahren, mit dem Ziel die Wissenschaft, für deren Erhaltung die Verlage in dieser Notzeit völlig versagt haben, wirtschaftlich auf eigene Füsse zu stellen. Als Ergebnis meiner Versuche und Berechnungen schlug ich der DOG und der Vorderasiatischen Abteilung der Staatlichen Museen, die damals unter Leitung von Prof. O. Weber stand, eine neue Art der Herausgabe der Boghazköi-Texte mit Druck im eigenen Betrieb des Museums und im Selbstverlag der Vorderasiatischen Abteilung vor: die „Keilschrifturkunden aus Boghazköi.“ (KUB). Meine anfangs für utopisch gehaltenen Berechnungen erfüllten sich restlos: nicht nur konnte der bis dahin für jedes Heft an den Verlag gezahlte Zuschuss der DOG von 1000 Goldmark fortfallen, sondern auch das Honorar des Verfassers für jedes Heft von 800 auf 1000 Goldmark erhöht werden; ja darüber hinaus wurden erstaunlich grosse Einnahmen erzielt, die in Büchern angelegt wurden. Nicht weniger als 14 Hefte konnten auf diese Weise von Prof. O. Weber von 1921 bis zu seinem Tode 1925 herausgegeben werden. Ich darf um so stolzer darauf sein, in jeder Hinsicht der Vater dieses Unternehmens zu sein, als es nicht wenig Mühe gekostet hat, Prof. Weber und die anderen naturgemäss technisch unbewanderten Assyriologen zur Anlernung in die Druckbetriebe einzeln und zusammen zu schleppen. Nicht nur ersterer, sondern auch die letzteren konnten von den Vorzügen dieser Art des Selbstverlages überzeugt werden,
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sodass auf meine Anregung hin nicht nur die „Keilschrifturkunden von Boghazköi“, sondern auch die von Prof. A. Deimel in Rom herausgegebene Zeitschrift Orientalia, das von Herrn Dr. Weidner herausgegebene Archiv für Orientforschung sowie die von Dr. E. Ebeling herausgegebenen Berliner Beiträge zur Keilschriftforschung begonnen wurden. So kam es, dass die Keilschriftforschung gerade in der Zeit der höchsten Not 1921 zu neuem Leben erwachte. Um die Boghazköi-Texte auch für die keilschriftunkundigen Historiker und Sprachwissenschaftler fruchtbar zu machen, rief ich dann mit der Hilfe der DOG. die „Boghazköi-Texte in Umschrift“ ins Leben, in deren ersten Band (1922) ich aus den 10000 Boghazköi-Texten eine bis heute nicht überholte Liste aller Keilschriftzeichen, ihrer verschiedenen Formen, ihrer historischen Entwicklung, ihrer Lesungen sammelte und ein sorgfältig überlegtes und auf der Kenntnis aller Texte basierendes System der Umschrift gab. Nachdem so ausser der praktischen Aufgabe der Veröffentlichungsmöglichkeiten der Texte auch die wissenschaftlichen Aufgaben der Schrift und der Grammatik der hethitischen Keilschrift-Texte gelöst war, blieb die Frage des hethitischen Wörterbuches zu lösen, die die Arbeitskraft eines einzelnen zu übersteigen drohte. Durch meine Denkschrift vom 14. IV.1923 „über die Vorbereitung eines Wörterbuches zu den Boghazköi-Inschriften“ gewann ich den führenden Historiker Ed. Meyer, den Vorsitzenden Exc. Dr. Schmidt-Ott der Notgemeinschaft d.d. Wissenschaft, und die Directoren Prof. Schäfer, Sarre und Weber der ägyptischen, islamischen und vorderasiatischen Abteilungen der Museen und die DOG, vertreten durch ihren Geschäftsführer Prof. Güterbock für meinen Plan. In der Sitzung, die seine Ausführung und finanzielle Unterstützung durch die Notgemeinschaft beschloss, behauptete Prof. O. Weber überraschenderweise, dass die Vorderasiatische Abteilung bereits einen solchen Thesaurus hethiticus angefangen habe und wies dabei einige Zettel vor, die er erst in den Wochen seit dem Auftauchen meines Plans hergestellt hatte, während ich in den vorhergehenden Jahren bereits etwa 30000 Stellen gesammelt hatte. So wurde die Ausführung meines Planes der Vorderasiatischen Abteilung, d.h. ihrem Director Prof. O. Weber und seinem damaligen wissenschaftlichen Hilfsarbeiter Dr. Ehelolf übertragen. Dieser letztere hatte mit einer völlig ergebnislosen Arbeit über „ein Wortfolgeprinzip im Assyrischen“ in Marburg promoviert. Andere wissenschaftliche Leistungen lagen nicht vor. Auch hatte er damals im Jahre 1923 noch keine Ahnung von der hethitischen Sprache, deren Keilschrift er vielmehr erst nachträglich an Hand meiner „Keilschrift der Boghazköi-Texte“ (1922) und meiner Grammatik (1922) erlernte. Prof. O. Weber und Dr. Ehelolf übernahmen in jener Wörterbuch-Sitzung die Verpflichtung, innerhalb 3 Jahren einen Wort-Index zu den 6 Heften der „KeilschriftTexte aus Boghazköi“ und fortlaufend zu je 5 Heften der Keilschrifturkunden aus Bogh. zu liefern. (Das Protokoll darüber muss bei der DOG und der Notgemeinschaft vorhanden sein). Die Veröffentlichungsmöglichkeit solcher Indices, die allen Forschern die Mitarbeit aus Wörterbuche ermöglichen sollte, hatte die Vorderasiatische Abteilung ja durch meine eben dargelegte Art des Selbstverlages, wie es sich bereits 1923 für die „Keilschrifturkunden aus Boghazköi“ vorzüglich bewährt hatte.
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1933–1940. Bewegte Jahre Als Prof. Weber 1925 starb und W. Andrae Director und Ehelolf Custos für die Keilschrifttexte wurde, war letzterer allein verantwortlich für die Verwendung öffentlicher Mittel für das hethitische Wörterbuch und dessen Ausführung. Ergebnis: keine einzige der übernommenen Verpflichtungen wurde erfüllt. Die öffentlichen Mittel dienten ganz allein der Anlage einer Stellensammlung für den privaten Gebrauch Ehelolfs. Dadurch dass keinerlei Indices veröffentlicht wurden, wurden alle Fachgenossen von der Mitarbeit ausgeschlossen, und Ehelolf suchte sich dadurch eine Monopolstellung zu schaffen und hat seine durch meine Ideen der Veröffentlichung der KUB und des Wörterbuches gewonnene Machtstellung nur zur Verhinderung wissenschaftlicher Arbeit benutzt. Bis heute, 13 Jahre nachdem ich das Wörterbuch ins Leben rief, hat Ehelolf nichts als einige kleine Artikelchen über einige wenige hethitische Wörter allein veröffentlicht, deren Stellen durch seine Mitarbeiter mit öffentlichen Mitteln gesammelt worden sind, während wir anderen auch ohne diese technische und finanzielle Hilfe zehnmal so viel Wörter herausbekommen haben, ganz zu schweigen von den zahlreichen anderen historischen Problemen (Geschichte Assyriens, Geschichte der Aramäer, FrühGeschichte Armeniens, geographischen Fragen (Geographie des Hatti-Reiches, Forschungsreisen in Kleinasien und Syrien), archäologischen Untersuchungen (Ausgrabungen in Quala÷t-er-Rus, in Tarsus und in Tell-Sukas) und Rassenfragen (die Rassen, Sprachen und Völker des alten Orients, noch nicht gedruckt) usw. usw., die ich inzwischen gelöst habe. Ehelolf hat durch diese 13-jährige Unfruchtbarkeit den Beweis erbracht, dass er zur Durchführung der ihm 1923 übertragenen Aufgabe des Wörterbuches unfähig ist. Denn in seinem Tempo haben wir auch i.J. 2000 noch kein Wörterbuch. So lange kann und will die Wissenschaft aber nicht mehr warten. Solange Prof. Weber Director der VA-Abt. war, hatte mir die DOG ihr Zimmer im Museum als Arbeitszimmer zur Verfügung gestellt, wo ich ohne die zeitliche Beschränkung auf die Besuchs-stunden des Museums arbeiten und die Texte benutzen konnte, so lange ich wollte; eine grosse Arbeitshilfe. Als Ehelolf nachfolgte, wurde mir zuerst der freie Zugang zu den Texten gesperrt und ein umständliches Kontrollsystem eingeführt und als Begründung ausgestreut, ich brächte Unordnung in die Textaufstellung, eine ganz lächerliche Behauptung angesichts meiner Ordnungsliebe und der Tatsache, dass meine viele Zehntausende von Stellen umfassenden Sammlungen durch Unordnung unverwendbar würden. Nachdem ich bis 1926 die historischen Texte in meiner Umschrift-Ausgabe veröffentlicht hatte, deren Tadellosigkeit auch von meinen Gegnern anerkannt ist, gewann Ehelolf die Hilfe von Prof. F. Sommer, um gegen mein Umschrift-Ausgabe bei der DOG so lange Sturm zu laufen - in Ermangelung ernsthafter Gründe u.a. mit der Begründung, dass meine i-Punkte nicht genau über dem i, sondern nach rechts verschoben sein - , bis die DOG, um den Scherereien aus dem Wege zu gehen, mir nahelegte, auf die Fortsetzung zu verzichten. Ich gab nach aus dem Bewusstsein heraus, dass noch zahlreiche andere wissenschaftliche Aufgaben ihrer Bewältigung durch mich harren. So unternahm ich 1926 eine von mir zustandegebrachte Forschungsreise in Kleinasien zur Aufklärung geographischer Fragen des Hatti Reiches.
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Jetzt hielt Ehelolf die Zeit für gekommen, mir meine Arbeitsmöglichkeit im Museum zu nehmen. Das verlief folgendermassen: Die ägyptische Abteilung, zu der mein Arbeitszimmer (=DOG-Zimmer) gehörte, wurde von ihrem Director Prof. Schaefer zurückverlangt mit der Begründung, dass die ägyptische Abteilung es wegen der Knappheit ihrer Räumlichkeiten benötige. Nachdem ich es geräumt hatte und nunmehr ohne Arbeitsplatz im Museum war, wurde mein bisheriges Arbeitszimmer, das ich aus einem Schuppenraum mit primitiven Mitteln etwas wohnlicher gemacht hatte, neuzeitlich ausgebaut und möbliert und Herrn Dr. Ehelolf als Arbeitsraum überwiesen. Der anstossende Teil der ägyptischen Abteilung wurde zur Privatwohnung nicht etwa des Directors der Ägypt.-Abteil.. sondern von Herrn Dr. Ehelolf umgebaut, wo er noch jetzt mit seiner Frau, der früheren Photographin der Vorderasiat. Abtlg. kinderlos wohnt. Auf meine damalige Frage an Prof. Schaefer, wie er das für recht halten könne, erhielt ich zur Antwort, dass das Museum in erster Linie für die Museumsbeamten da sei (!), während ich vergeblich die Meinung vertrat, dass es für die Wissenschaft da sei und alle Menschen, die dafür Sinn haben. Dass Prof. Schäfer und Prof. Güterbock (DOG) diesem Schelmenstreich ihre helfende Hand geliehen hatten, versetzte meinem Vertrauen einem solchen Stoss, dass ich ihn bis heute nicht überwunden habe und von da an das Museum mied. Mir blieb ja noch die pädagogische Arbeit an der Universität, wo ich allen Studenten, die es wert waren, ein guter Freund gewesen bin. Mir blieben auch viele sich immer erneuernde wissenschaftliche Ideen, genug, um auch das Gelehrtenleben zahlreicher Mitarbeiter zu füllen. Aber ich hatte nur die Ideen, dagegen Ehelolf zwar keine Ideen, aber dafür durch die KUB und das Wörterbuch und die Vorderasiatische Abteilung alle die, die zu den Quellen drängen, als Mitarbeiter und durch meine Vorsorge auch die öffentlichen Gelder zur Ausführung grösserer Arbeiten (die aber unterblieben), während ich von da an hier immer mit Geldsorgen zu kämpfen hatte. Als ich dann 1929 als a.o. Professor für Hethitologie für 3 Jahre an die Universität Chicago berufen wurde, bedeutete dies die Erlösung von Geldnot und neue Arbeitsmöglichkeit. Für Ehelolf war es die günstige Gelegenheit, sich sofort ab der Universität Berlin für Hethitisch zu habilitieren und mit Hilfe eines Schwagers im Ministerium jener Zeit zum Honorar-Professor ernennen zu lassen, während ich, obwohl seit 1925 in Berlin habilitiert, hier unter dem Druck derer um Ehelolf noch nicht einmal den Titel eines a.o. Professors erhalten habe. Auch das würde mich nicht kümmern, wenn ich nicht beobachten müsste, wie die wissenschaftliche Welt darauf vertraut, dass der Mann, dem die Betreuung der Keilschrifttexte der VA.Abt., die Herausgabe der KUB. die Bearbeitung des hethitischen Wörterbuches anvertraut ist, und dem die Universität den Titel eines Honorar-Professors verliehen hat, auch ein vertrauenswürdiger Mann und in seinem Fach ein Licht sein müsse. Betreffs der Betreuung der Keilschrifttexte durch Ehelolf ist zu sagen, dass wissenschaftliche Arbeit an den Texten der VA.-Abt. zwar offiziell möglich, aber durch die neu eingeführten Schikanen so umständlich und zeitraubend ist, dass alle Gelehrte, die auf Ausnützung ihrer Zeit bedacht sein müssen, es haben aufgeben müssen, gegen Windmühlen zu kämpfen. Während die VA:-Abt. zur Zeit, als mein Lehrer Delitzsch Director war, das Zentrum der Keilschriftforschung Deutsch-
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1933–1940. Bewegte Jahre lands, ja der Welt war, wo man allen Köpfen unserer Wissenschaft begegnete und darum auch ein lebendiger Ideen-Austausch bestand, meidet heute jeder die VA.Abt., wenn er nur irgend kann, weil jeder den meinigen entsprechende Erfahrungen (wenn auch nicht immer gleich bittere) gemacht hat. Heute besitzt die VA-Abt. doppelt oder 3 mal so viele Arbeitsplätze wie früher, aber nur halb so viel Besucher, und das sind fast immer nur Studenten und Laien, aber keine Fachgelehrten mehr. Das hat seinen Grund auch in der Geheimniskrämerei, die in der Ära Ehelolf eingerissen ist. Während die anderen Abteilungen der Museen in ihren gedruckten Berichten mitteilen, was sie an neuen Ankäufen gemacht haben, bleibt der Keilschriftfachwelt vollständig verborgen, was das Museum an unveröffentlichten, niemandem gezeigten Texten besitzt, nach denen natürlich auch kein Fachgelehrter fragen kann, ohne zu wissen, was da ist. Ich weiss aus früheren Zeiten, dass noch eine Unmenge von Keilschrifttexten der verschiedensten Zeiten in den Kästen schlummert, die niemand seit einem Jahrzehnt gesehen oder gar veröffentlicht hat. Natürlich hat die Bericht-erstattung über ihr Vorhandensein für Ehelolf den grossen Haken, dass er wahrscheinlich von vielen von ihnen nicht verstehen kann, was darin steht, weil es schwierig ist, alle Gebiete der Keilschrift zu beherrschen. Aber dann müssen eben Sachkennner herangezogen werden, auch auf die Gefahr hin, das sich dann zeigt, was man nicht kann; eine Gefahr, die natürlich nur jemand auf sich nehmen kann, der genug Kenntnisse hat, um den Mut dazu zu haben; das ist bei Ehelolf nicht der Fall. Niemand wird etwas dagegen sagen, wenn Ehelolf sich einen Text oder eine Textgruppe, an deren Veröffentlichung er besonders hängt, ein oder zwei Jahre vorbehält. Aber sich eine Textgruppe mehr als ein Jahrzehnt vorzubehalten und der Bearbeitung durch andere zu entziehen, wie es z.B. bei den Vokabularen aus Assur der Fall war, und dann doch nicht selbst herauszugeben, das geht doch zu weit. Dass wir deutsche Keilschriftforscher ohne Ausnahme unter all diesen Umständen in Ehelolf nicht nur keine Förderung, sondern die Hauptschuld an dem erzwungenen Niedergang unserer Wissenschaft und das grösste Hindernis für ihre Entwicklung sehen, ergibt sich von selbst. Wie wenig sich Ehelolf um die Schaustellung der VA.-Abteilung kümmert, wird zur Genüge dadurch beleuchtet, dass manche Gegenstände und Inschriften noch immer gar keine oder falsche Aufschriften tragen (z.B. ist auf der Stele des Samasres-usur in Keilschrift deutlich zu lesen, dass er Statthalter von Suhi und Mari ist, die Etikette bezeichnet ihn aber als König von Mari, was die irrige Vorstellung erweckt, als ob er zu den 2000 Jahre früheren Königen von Mari gehöre; selbst wenn Ehelolf die etwas merkwürdige Keilschrift dieser späten Zeit nicht lesen kann, so hätte er das richtige aus der Literatur über diese Stele ersehen können.) Was die Herausgabe der KUB nach Webers Tode durch Ehelolf anbetrifft, so steht es wohl beispiellos da, wie wenig eigene Herausgeberarbeit Ehelolf hier geleistet hat. Jedem normalen Menschen erscheint es als selbstverständliche Aufgabe des Herausgebers zuerst die belangreichen Texte zu veröffentlichen, auf deren Erscheinen die Welt mit Sehnsucht wartet und die uns Aufschluss geben über die Geschichte, Sprachen, Kultur, Sagen, Religion dieser Zeit. Solange meine „Bogh.Texte in Umschrift“ erschienen, hatte er daran eine einfache Führung. Danach aber hat er wie aus dem Vorwort der einzelnen Hefte hervorgeht, die Auswahl der Texte den Studenten und unerfahrenen Mitarbeitern überlassen, die den Überblick über den Inhalt der vorhandenen 10 000 Texte gar nicht haben konnten, den Ehelolf bei
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einigermassen fleissiger Arbeit und genügender Kenntnis der Sprache hätte gewinnen müssen, und den ich dank einem aussergewöhnlich zähen Fleiss schon 1922 hatte. So hat Ehelolf mit seltenem Geschick gerade die langweiligsten Texte zuerst veröffentlicht. Erst im 26. und 27. Heft endlich kommen die fremdsprachlichen Texte zur Veröffentlichung, auf die eine Welt von Gelehrten gewartet hat und die vor zwölf Jahren in den ersten Heften hätten erscheinen sollen. Die grossartigsten Epen und Sagen sind immer noch unveröffentlicht, die langweiligen Rituale dagegen (eins sogar von Ehelolf selbst)veröffentlicht.. Von den sechzehn Heften (XIVXXIX), die Ehelolf seit dem Tode Webers, also seit 1925 „herausgegeben“ hat, sind übrigens nur zwei von ihm selbst geschrieben. Dass Ehelolf keine der Verpflichtungen, die er bei der Übernahme des hethitischen Wörterbuches eingegangen ist, erfüllt und daraus ein mit öffentlichen Mitteln gespeistes für die Wissenschaftler wertloses Privatunternehmen gemacht hat, war oben bereits gesagt. Dass er sich mit seinem - milde gesagt - schulmeisterlichen Ton unter seinen Universitätstudenten keine Freunde machen kann, verwundert denjenigen nicht, der weiss, welch feines Gefühl die Studenten für menschliche Werte haben. Es ist eine im Gemeinschaftsleben feststehende Regel, dass der Tüchtige und Ideenreiche wieder Tüchtige zu Mitarbeitern macht, dass aber der Unzulängliche auf zu grossen Posten in ewiger Angst vor den Tüchtigen schwebt (daher „der vorsichtige Gelehrte“) und sich darum wiederum mit Unzulänglichen umgibt. Diese Regel hatte schon zur Anstellung Ehelolfs geführt; sie wirkt überall da, wo er dank seiner unverdienten Stellung mitzureden hat, weiter, insbesondere auf den Nachwuchs in der Keilschriftforschung. Der offensichtliche Niedergang der deutschen Keilschriftforschung im letzten Jahrzehnt ist die Folge davon. So gehen also die beiden einzigen Leistungen für die Keilschriftforschung, die Ehelolf gutgeschrieben werden könnten, die Herausgabe der KUB und die Vorbereitung des hethitischen Wörterbuches auf meine Initiative zurück.Dass Ehelolf den Einfluss seiner Stellung auf dunklen Wegen immer wieder gegen mich richtet, ist eine zwar unbeweisbare, aber immer wieder verspürte Tatsache. Hierin sehe ich auch die vielleicht letzte Ursache für die nach allen meinen Leistungen und leider nur ausländischen Ehrenstellungen bittere Tatsache, dass ich um Hilfe bitten muss. Entschuldigen Sie bitte, dass mein Bericht so lang wurde; es ist das erste Mal, dass ich diese Erfahrungen zu Papier bringe. Lassen Sie sie sich zur Warnung dienen, dass man mit selbstlosem Idealismus allein unter die Räder der Böswilligen kommt. Ich füge die eidesstattliche Versicherung hinzu, dass ich alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen und unter Zuhilfenahme gleichzeitiger schriftlicher Unterlagen gemacht habe. Heil Hitler! Dr. E. Forrer“304
Forrers Beurteilung der Leistungen Ehelolfs verdeutlicht, wie sehr er in jener Zeit um die Chancen auf eine Professur zu kämpfen bereit war und 304
Siehe auch Dokument 4 der CD-ROM.
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wie der Zweck offenbar jedes Mittel heiligte. Auf der anderen Seite ist diese Beurteilung auch ein weiterer eindeutiger Beleg, dass beide ganz offenkundig ein sehr feindseiliges Verhältnis pflegten und sich gegenseitig kein Pardon gewährten, wann immer sich ihre beruflichen Pfade kreuzten. Das Schreiben beurteilt denn auch nicht ausschließlich die wissenschaftlichen Leistungen, sondern es wird der subjektiven Betrachtung und Einschätzung großzügig freien Raum gegeben. Wenn man bedenkt, dass die Berufung eines Wissenschaftlers auf einen renommierten Lehrstuhl auf dem Spiel stand, ist es umso erstaunlicher, dass dieses Schreiben für das Besetzungsverfahren eine entscheidende Rolle spielen konnte. Aber die neuen Strukturen beförderten ja genau eine solche Form der Einflussnahme. Forrer mochte zwar zu diesem Zeitpunkt noch seine eigenen Chancen wahren wollen, letztendlich aber war ihm sicher ebenso klar, dass seine als Beurteilung verkleidete Abrechnung mit Ehelolf diesem sehr schaden und sogar als geeigneten Kandidaten ausschließen würde. Hinsichtlich der Details kann nicht überprüft werden, ob die hier vorgetragenen Vorwürfe und Versäumnisse einer neutralen Überprüfung standhalten. Zahlreiche Tatsachen, die Forrer erwähnt, sind jedoch belegbar, so. z.B., dass Hans Ehelolf eine Dienstwohnung im Museum bewohnte und dass der sogenannte hethitische Thesaurus – so wie ursprünglich angedacht – nicht realisiert wurde. Ob die Hintergründe, die Forrer als Motivation entsprechender Entwicklungen und Handlungen angibt, sich tatsächlich so darstellten, muss aber offen bleiben. Forrers Sicht der Dinge ist äußerst negativ und in Ehelolf sieht er die treibende Kraft in Berlin gegen ihn. Wie das unten abgebildete Schreiben zeigt, hatte die Berliner Fakultät Hans Ehelolf für den geeignesten Kandidaten gehalten und ihn dem Ministerium als Nachfolge Meissners vorgeschlagen. Forrers Stellungsnahme aber findet Eingang in das Gutachten des NS-Dozentenbundes, das dessen „Führer“ dem Ministerium zur Personalfrage Ehelolf vorlegt. Das Ergebnis dieser Intervention ist für Ehelolf katastrophal. Das Ministerium folgte nicht dem Vorschlag der Fakultät, sondern lehnte Ehelolf auf der Grundlage des Gutachtens ab und beauftragte die Fakultät, einen neuen Kandidaten zu finden. Forrer hat es im Verbund mit Reinerth und den neuen Strukturen des NSDAPApparates zwar nicht geschafft, den Lehrstuhl für Assyriologie für sich selbst zu sichern, konnte aber in Bezug auf seinen alten Rivalen, einen persönlichen Teilerfolg verbuchen, indem er Ehelolf als Nachfolger Meissners verhinderte.305 305
Letztendlich wurde Wolfram von Soden im Jahre 1940 auf den Berliner Lehrstuhl für Assyriologie berufen.
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Abb. 31 Ablehnung Ehelolfs als Nachfolger Meissners durch das Ministerium
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Das Ablehungsschreiben des Ministeriums ist auf den 10. Februar 1939 datiert und so erreichte diese Nachricht Hans Ehelolf kurz vor seinem überraschenden Tod am 29. Mai 1939. 306 Ob Hans Ehelolf Kenntnis von dem Gutachten Forrers und dessen Wirkung erhalten hat, lässt sich nicht belegen, erscheint aber durchaus möglich. Durch den Tod des Rivalen war natürlich sofort eine neue Option für Forrer gegeben, da die Kustosstelle in der Vorderasiatischen Abteilung frei geworden war. Am 2. Juni 1939, Ehelolf war noch nicht beerdigt, schickte Forrer sein Bewerbungschreiben für die freigewordene Kustosstelle im Museum an das Ministerium für Erziehung und Wissenschaft. Er strebte nun ohne jeden Zeitverlust die Nachfolge Ehelolfs an. „An das Reichministerium Abteilung VD Berlin 2. Juni 1939 Durch Rundschreiben der Universität erhielt ich heute die bedauerliche Nachricht von dem ganz überraschenden Tode meines Fachgenossen, des Honorarprofessors Dr. H. Ehelolf, Kustos der Vorderasiatischen Abteilung der staatlichen Museen. Weil man die dadurch entstandene Lücke so schnell wie möglich wird schließen wollen, bewerbe ich mich sofort um diese nunmehr freigewordene Kustosstelle, obwohl von Seiten des Abteilungsdirektors schon ein anderer Vorschlag gemacht 307 worden ist. Aus folgenden Gründen glaube ich für diese Kustosstelle sachlich und persönlich geeigneter zu sein als jeder andere. Die Aufgaben dieser Stelle bestanden in den letzten 18 Jahren wie folgt: 1. Herausgabe der Keilschrifturkunden aus Boghazköi, 2. Bearbeitung des Thesaurus der hethitischen Sprache, 3. Inventarisieren, Photographieren und Abschreiben der neuen Boghazköi-Texte aus den laufenden Ausgrabungen des d. archäolog. Institutes und d. Orient-Gesellschaft, 4. laufende Verwaltungsarbeiten & Vorträge. Ad. 1) Die Herausgabe der Keilschrifturkunden aus Boghazköi als eigene Veröffentlichungsserie der Vorderasiatischen Abteilung ist technisch wie finanziell allein meine Idee, ausgeführt zuerst vom Abteilungsdirektor O. Weber, fortgesetzt durch H. Ehelolf. Ad. 2) Desgleichen habe ich durch meine Denkschrift vom 14. April 1923 den Thesaurus der hethitischen Sprache angeregt und die Kräfte dazu gesammelt, sodass er unter der Ägide der Notgemeinschaft d. Wissenschaft jahrelang von Ehelolf bearbeitet wurde, bis er mangels einer weiter treibenden Kraft liegen und dadurch ein unverwertbarer Torso blieb. Ich habe diese Lücke durch eigene Zettelkataloge mit im Ganzen über 100.000 Stellen auszufüllen gesucht.
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Siehe auch Dokument 35 der CD-ROM. Vermutlich war der Vorschlag Anton Moortgat, der ab 1940 auch diese Position bekleidete.
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Ad. 3) Ich habe von 1917 bis 1926 im Dienste der der Deutschen Orient-Gesellschaft die Keilschrifttexte von Boghazköi herausgegeben; die Ergebnisse liegen in den "Keilschrifttexten aus Boghazköi" und in den "Boghazköi-Texten in Umschrift" vor. Hierzu hatte ich das selbe Arbeitszimmer im Museum inne, das H. Ehelolf übernahm, als ich einem Ruf an das Orientalische Institut der Universität Chicago als Professor für Hethitologie folgte. Erst nach meinem Weggange habilitierte sich Ehelolf als mein Nachfolger an der Universität, nachdem er sich an Hand meiner „Keilschrift der Boghazköi-Texte“ und hethitischen Grammatik in das Hethitische eingearbeitet hatte. Schon 1926 hatte ich im Auftrage der D. Orient-Geellschaft eine ungewöhnlich erfolgreiche Forschungsreise in Kleinasien ausgeführt und geleitet, später mehrere andere im amerikanischen Auftrage in Kreta, Cypern, Syrien und Türkei. Ferne habe ich 1934 im Auftrage des amerikan. arch. Institus an drei Orten der Türkei und Syrien Ausgrabungen ausgeführt und an zweien davon geleitet. Alle Probleme moderner Ausgrabung sind mir daher vertraut. Meine Vorlesungen über sumerische Texte, meine Abschriften von vielen Hunderten sumerischer und mehreren Tausenden hethitischen Texte unseres Museums, meine unm ittelbar nach den assyrischen und babylonischen Quellen bearbeitete Geschichte Assyriens, meine Entzifferung und Vorlesung über die hethitische Bilderschrift usw. beweisen zur Genüge meine Vertrautheit auch mit den Sprachen und Schriftarten aller anderen Texte, die der Fürsorge der Vorderasiatischen Abteilung unterstehen, einer Fürsorge, die wegen der Vordringlichkeit der hethitischen Arbeiten in den letzten Jahren etwas zu kurz kam. Ich hatte die Boghazköi-Texte bereits inventarisiert, lange bevor man im Museum an diese Arbeit ging, wie auch von den neuen Texten wie von unzähligen alten noch immer kein brauchbares Inventar besteht. Schon die Gerechtigkeit verlangt, dass mir die Möglichkeit gegeben wird, meine Ideen, also die Herausgabe der Keilschrifturkunden von Boghazköi und den Thesaurus der hethitischen Sprache, die mehr als ein Jahrzehntlang die Hauptaufgabe von Ehelolfs Kustosstelle war und für mehr als ein Jahrzehnt bleiben wird, auch zum guten Ende zu führen. Darüber hinaus ist noch so manches Versäumte nachzuholen, nicht nur an sachlicher Arbeit, sondern auch an persönlicher Einigung und Befriedigung aller beteiligten Fachgelehrten, wozu ich mich ganz besonders geeignet fühle, weil ich mich von allem kleinlichen Gelehrtenzank immer ferngehalten habe. Ich bin arisch und bis jetzt schweizerischer Staatsangehörigkeit. Weil letzteres meiner Teilnahme an den nationalsozialistischen Verbänden im Wege stand, habe ich vor einiger Zeit meine Einbürgerung in das Deutsche Reich beantragt. Im übrigen darf ich auf meinen Lebenslauf vom 2. IV. 1939 mit dem Verzeichnis meiner Schriften verweisen, der dem Ministerium vorliegt. Dr. Emil Forrer Dozent für Geschichte und Sprachen des alten Orients an der Universität Berlin.
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Forrer hebt zurecht seine beeindruckenden Leistungen auf dem Gebiete der Hethitologie hervor, die ihn ohne jede Zweifel als fachlich außerordentlich geeigneten Kandidaten ausweisen. Befremdlich aber ist, dass Forrer auch in diesem offiziellen Bewerbungsschreiben an das zuständige Ministerium nicht darauf verzichtet, auf die vermeintlichen Versäumnisse des soeben verstorbenen bisherigen Stelleninhabers hinzuweisen. Offenbar konnte er über Hans Ehelolf und das Vorderasiatische Museum nur im Zusammenhang mit seiner negativen Einstellung zu den handelnden Personen schreiben. Das Ministerium antwortet am 4. Juli 1939 eindeutig. Forrer kommt für die Nachfolge Ehelolfs nicht in Frage. Gründe nennt das Ministerium nicht.
Abb.32 Ablehnung Forrers als Nachfolger Ehelolfs (Dokument 36 der CD-ROM)
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Die Tell ˆalaf-Grabungen Max von Oppenheims Max von Oppenheim inspizierte am 19. November 1899 einen Hügel im syrischen Quellgebiet des Habur, der von den Beduinen Tell ˆalaf genannt wurde. Während einer dreitägigen Orientierungsgrabung ließ er an verschiedenen Stellen Sondierungen durchführen und fand dicht unter der Oberfläche liegende Fundstücke. Da aber von Oppenheim die notwendige Grabungslizenz fehlte, war er gezwungen, alle Fundstellen wieder sorgfältig verschließen zu lassen und erst die rechtlichen Voraussetzungen in Konstantinopel zu klären. 308 Trotz der reichlichen Funde und der zu erwartenden Ergebnisse vergingen fast zwölf Jahre, in denen von Oppenheim noch um eine Karriere im diplomatischen Dienst bemüht war, die ihm aber wegen seiner jüdischen Hintergrundes verwehrt bleiben sollte. Er reichte erst 1910 sein Entlassungsgesuch ein, arbeitete mit Elan und Akribie an den Grabungsvorbereitungen und kehrte im Sommer 1911 auf den Tell ˆalaf zurück. In den folgenden zwei Jahren ließ er hauptsächlich im Bereich der sogenannten Zitadelle graben. Die Standardinschriften nannten als Bauherrn einen aramäischen Fürsten namens Kapara aus dem Geschlecht der Bit Bachiani. Damit war zugleich auch der antike Name der Siedlung in der Lesung der assyrischen Nachbarn – Guzana – gesichert. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges verhinderte die für 1914 geplante Fortsetzung der Arbeiten. Erst im Jahre 1927 konnte von Oppenheim auf den Tell ˆalaf zurückkehren und die Fundteilung musste jetzt mit der französisch–syrischen Mandatsverwaltung ausgehandelt werden. Während von Oppenheim für den syrischen Anteil ein Museum in Aleppo einrichtete, war es trotz jahrelanger Vorverhandlungen noch immer unklar, wo und wie seine für die Berliner Museen vorgesehenen Funde ausgestellt werden sollten. Die privat finanzierten Ausgrabungen hatten nach heutigem Wert ca. 7 bis 8 Millionen Euro gekostet und die finanziellen Belastungen zwangen von Oppenheim, für seine in Aussicht gestellte Schenkung an die Königlichen Museen eine finanzielle Entschädigung zu fordern, die diese jedoch nicht leisten konnten. Als die Verhandlungen aus seiner Sicht gescheitert waren, richtete er in der ehemaligen Freundschen Maschinenfabrik in Berlin–Charlottenburg ein privates Tell ˆalaf–Museum ein. Im Juli 1930 wurden seine spektakulären Funde und die beeindruckende Rekonstruktion der Fassade des Westpalastes erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
308
Zu Max von Oppenheim siehe auch die ausführlichen Berichte im Internet unter www.tell-halaf-projekt.de.
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Von Oppenheim versuchte, auch während der gesamten 1930er Jahre immer wieder, die Grabungen fortzusetzen, wobei die notwendigen finanziellen Mittel von ihm nicht aufgebracht werden konnten und die nationalsozialistischen Reichsinstitutionen keinerlei Unterstützung boten. Forrer und von Oppenheim, die sich seit einer Einladung von Oppenheims am Rande des Deutschen Orientalistentages im Jahr 1923 kannten, pflegten über all die Jahre ihren freundschaftlichen Kontakt. Forrer stand von Oppenheim in vielen Detail- und Literaturfragen stets beratend zur Seite. Forrer war in Berlin mehrfach zu Gast im Hause von Oppenheims und immer wieder betonen beide in Ihren Briefen, dass die gesellschaftlichen Runden unterhaltsam und informativ waren.
Abb.33 Einladung von Oppenheims an Forrer
Forrer hatte, was die Planungen bezüglich der Grabung am Tell–ˆalaf betraf, im Jahre 1936 Informationen aus erster Hand von von Oppenheim selbst. Da von Oppenheim die Schwierigkeiten der Umsetzung seines erneuten Grabungsvorhabens nicht lösen konnte, schmiedete Forrer zunächst ohne Kenntnis seines Freundes den Plan, die Grabung selbst zu übernehmen. Dieser Plan, der über die Jahre 1936 bis 1938 mit längeren Unterbrechungen immer wieder in den Korrespondenzen mit Lechler und Reinerth auftaucht, ergab sich aus den schon genannten Kontakten Reinerths zum
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NS-Parteiapparat. Reinerth, der in diesen Jahren versuchte, seinem „Reichsinstitut“ alle wichtigen und vor allem prestigeversprechenden Grabungen einzuverleiben und sich gleichsam zum „Oberarchäologen“ des Deutschen Reiches zu gerieren, sollte mit Hilfe seiner Kontakte zu den neuen Schaltstellen des Reiches offiziell die Tell-ˆalaf Grabung übernehmen. Als fachkundiger Grabungsleiter, so die Absichten des Trios, sollte Emil Forrer berufen werden und zwar von Reinerth bzw. von Alfred Rosenberg persönlich. Lechler wurde die Aufgabe übertragen, 10.000 USDollar in Detroit bei amerikanischen Mäzenen zu sammeln, um auf diese Weise den NS-Stabsstellen die Entscheidung zu erleichtern, diese Grabung dem Duo Reinerth und Forrer zu übertragen. Letztendlich war aber genau dies das größte Problem, neben von Oppenheim selbst, nämlich das Aufbringen der benötigten Devisen, die im Dritten Reich knapp waren. Von Oppenheim aber hatte eigene Pläne und versuchte, die Schwierigkeiten mit eigenen Kontakten zur Regierung zu lösen. Reinerth, noch in schweren Auseinandersetzungen mit Wiegand um seine eigene Position in der deutschen Archäologie, verfolgte die Sache aus Forrers Sicht nicht mit dem gewünschten Hochdruck. Es vergingen die Monate und die Zeit drängte. So schrieb Forrer an Reinerth „Lieber Herr Prof. Reinerth! Die aktuell gewordene Tell-Halaf-Frage duldet keine Verschleppung oder auch nur zuwartende Behandlung. Im Sinne unserer früheren Besprechung, wonach eine künftig entstehende Orient-Abteilung Ihres Reichs-Instituts für Vorgeschichte von mir geleitet werden soll, fühle ich die Pflicht, meine Energie für das Zustandekommen der Halaf-Ausgrabung einzusetzen, insbesondere das dazu nötige Geld aus Privatkreisen beizuschaffen, falls – wie wahrscheinlich – die Regierung es nur ungern oder garnicht oder leihweise zur Verfügung stellt. Ich könnte & würde das natürlich nur dann tun, wenn die Ausgrabung grundsätzlich als Zweigunternehmen Ihres Instituts oder auch Ihres Institutes gelte & wenn ich von Ihnen zur Führung von Verhandlungen dafür bevollmächtigt & mit der Leitung der Ausgrabung betraut werde. Mit Oppenheim werde ich schon irgendwie ins Reine kommen. Ich habe mir einen Plan ausgedacht, wie wir mit einem Minimum an Devisen auskommen könnten & wie wir das sonst trotz allem beträchtliche Fundrisiko ausschalten können. Beides erfordert aber mehrere Monate Vorbereitung in der Heimat & in Syrien, bevor die eigentliche Grabung erfolgt. Da Oppenheims Erlaubnis in einem Jahr abläuft, ist jeder Monat wichtig. Um diese Fragen mit Ihnen besprechen zu können, bitte ich Sie, mir Tag, Zeit & Ort anzugeben, wenn ich Sie morgen Abend oder spätnachmittag zu Hause anrufe. Mit herzlichen Wunsche für gute Besserung.“
Von Oppenheim war bis dahin noch nicht in die Absichten des Trios eingeweiht und da seine Grabungslizenz offenbar nur bis 1939 galt, drängte es nun alle Beteiligten, in der Sache voranzukommen. Forrer suchte jetzt das Gespräch mit von Oppenheim selbst und erzählte ihm von seinen Plänen
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und schilderte die Angelegenheit so, dass eine reale Chance auf eine weitere Grabung nur in dieser Konstellation und mit den Devisen aus den USA möglich sei. Von Oppenheim hatte in der Zwischenzeit offenbar dem Ministerium ebenfalls einen Vorschlag unterbreitet, bei dem eine nicht näher genannte amerikanische Gesellschaft – Forrer vermutete dahinter das Oriental Institute in Chicago – eine Rolle zu spielen schien, die die nötigen Devisen bereitzustellen in der Lage sei. Doch von Oppenheims jüdische Abstammung wird zum Problem. Am 19. August 1938 schreibt Forrer an Lechler nach Detroit: „Wissen Sie, dass eine amerikanische Gesellschaft darum bemüht ist, die Grabungserlaubnis für den Tell-Halaf zu bekommen. Ich nehme an, es ist das Oriental Institute; oder sind Sie es? Oppenheim möchte gern mit dem Geld der Regierung noch am Ende dieses Jahres die Ausgrabungen am Tell-Halaf fortsetzen, wegen seiner Abstammung sind aber gewisse Kreise gegen seine Person. Ich habe ihm als Abgesandter Reinerths angeboten, an seine Stelle zu treten, damit die ganze Sache nicht ins Wasser fällt. Er hat es aber im Vertrauen auf seine Leute abgelehnt, glaube aber kaum, dass er durchkommt. Wenn überhaupt, dann würde die Expedition als Zweig von Reinerths Institut vorgenommen werden. Die Ausgrabung muss noch in diesem Jahre beginnen, weil sonst die Erlaubnis verfällt, weil mit der neuen Regierung in Syrien auch ein neues Antikengesetz am 1.1. 1939 antritt. Der Gang der Dinge ist hier folgender. Das Ministerium entscheidet nächstens darüber, ob es sein Geld dem Plan von Oppenheim bewilligt. Nimmt es ihn an, so gehe ich vielleicht als Mitarbeiter mit. Nimmt es ihn nicht an, so lässt Oppenheim die Erlaubnis an Reinerth übertragen, der mich dann wieder als Leiter vorschlägt. Wenn ich das von Ihnen beizusteuernde Geld in die Diskussion werfen könnte, könnte ich die Entscheidung leichter in umserem Sinne beeinflussen. Aber wie gesagt, die Entscheidung drängt; wenn wir die Erlaubnis nicht an andere abgeben wollen, muss bis Winter die Expedition angefangen sein! Ich denke, ich gebe Ihnen damit eine willkommene Gelegenheit sich einzuschalten.“
Die Briefe an Lechler und Reinerth gewähren interessante Einblicke in die Ränkespiele in der Tell-ˆalaf-Frage. Alle daran Beteiligten haben in Bezug auf die Grabung eigene Interessen und Absichten. Forrer sucht endlich eine berufliche Perspektive und eröffnet mit Hilfe Reinerths diese „Schachpartie“. Reinerth selbst sieht hier die Chance endlich eine renommierte Grabung an sein neu gegründetes Reichsinstitut für Vor- und Frühgeschichte binden zu können und somit seinem Anspruch Ausdruck zu verleihen, künftig die Zentralinstanz der Deutschen Archäologie zu sein. Er verspricht Forrer sogar die Leitung einer noch zu gründenden OrientAbteilung des Reichsinstitutes. Von Oppenheim, zunächst Opfer dieser geheimen Absprachen, wünscht sich endlich die Wiederaufnahme der Grabungen und die Weiterführung seines Lebenswerkes. Ganz nebenbei erreicht Forrer sogar, dass, wenn diese Grabung je stattfinden sollte, er in jedem Falle mit von der Partie wäre, entweder als Grabungsleiter auf Vorschlag Reinerths oder als Mitarbeiter von Oppenheims, sollte dieser die
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Möglichkeit erhalten, die Expedition durchzuführen. Lechler, mittlerweile in Detroit, trieb schlicht die Suche nach Ruhm und Anerkennung an. Er wollte sich mit der Beteiligung an namhaften Unternehmungen, wie es die Tell-ˆalaf Grabung darstellte, in der Wissenschaft und in den USA einen Namen machen und aus dem Schatten Reinerths heraustreten. Aber weder konnte Lechler die notwendigen Devisen beschaffen, noch entschieden die deutschen Ministerien zeitnah, um die noch vorhandene Gültigkeit der Grabungslizenz zu nutzen. Letztendlich kam eine Expedition nicht zustande und der Ausbruch der Zweiten Weltkrieges ließ ohnehin alle Planungen wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Es endet also wieder nicht glücklich für Forrer. Aber Forrer hoffte in diesen bewegten Jahren zwischen 1936 und 1939, in denen er so viel parallel unternahm, noch auf eine andere Karte setzen zu können. Er verhandelte mit der neuen Regierung der Türkei über die Gründung eines eigenen „türkischen Hatti-Instituts“, dessen Leiter er werden wollte. Forrer tanzte also nun auf drei Hochzeiten, der Nachfolge Meissners, die Durchführung der Grabung am Tell-ˆalaf und der Gründung eines Institutes in der Türkei.
Die Gründung eines türkischen „Hatti-Institutes“ Neben all den Bemühungen um die Nachfolge auf den Positionen Meissners und Ehelolfs, den verschiedenen Vortragsreisen, Publikationen, Anträgen und Schreiben an Ministerien sowie der versuchten Übernahme von Oppenheims Tell-ˆalaf Grabung, bemühte sich Forrer bei allerhöchsten Dienststellen auch um eine Zukunft in der Türkei. Seine persönlichen und institutionellen Kontakte knüpfte er zum größten Teil bei seinen Forschungsreisen in den Jahren 1926 und zu Beginn der Dreißiger Jahre. Dass solcherlei Bemühungen durchaus zu Ergebnissen führen können, zeigten die Lebenswege Güterbocks und Landsbergers, die nach ihrer Vetreibung in der Türkei eine neue wissenschaftliche und private Heimat fanden. Durch die intensiven Bestrebungen des Staatsgründers der modernen Türkei, Kemal Pascha Atatürk, 309 aus den Trümmern des Osmanischen Reiches einen westlich orientierten Staat zu formen, fanden sich gerade für Wissenschaftler vielfältige Möglichkeiten. Denn insbesondere das Hochschulwesen der Türkei war einer der Bereiche der neuen türkischen Politik, der Gegenstand sehr ehrgeiziger Zielsetzungen war, zumal die Aufarbei-
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Kemal Pascha Atatürk *12. März 1881 – † 10. November 1938.
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tung und Besinnung auf die „türkische“ Geschichte als wichtiges Integrationsmittel und Vehikel zu einem neuen Nationalbewußtsein gesehen wurde.
Die neue Hochschulpolitik in der Gründerzeit der Türkei Im Zuge der großen gesellschaftlichen Veränderungen, die Kemal Pascha Atatürk 1923 in der Türkei einleitete, kam es auch zu einer grundlegenden und weitreichenden Veränderung des türkischen Hochschulwesens. Er löste die damals einzige Universität des Landes in Istanbul auf und ordnete einen Neuaufbau nach internationalem Vorbild an. Daneben sollte Ankara, die neue Hauptstadt der Türkei, nicht nur administrativer, sondern auch geistiger Mittelpunkt des jungen Staates werden. Denn Kemal Pascha Atatürks Ehrgeiz und Streben war von dem Gedanken beseelt, sein Land in einen modernen Staat nach europäischen Maßstäben zu verwandeln und dabei die Geschichte und Kulturen vor allem des anatolischen Raumes ins Bewußtsein der Türken zu rücken. Um den Aufbau eines derart ehrgeizigen Vorhabens umzusetzen, bedurfte es einer generalstabsmäßigen Planung. Neben Atatürk selbst war der damalige türkische Minister für Bildung, Reπit Galip, einer der treibenden Kräfte dieses Unternehmens. Gezielt schaute man sich nach Kapazitäten im europäischen Ausland um, mit dem Ziel, diese für den Aufbau entsprechender Institute zu gewinnen und ins Land zu holen. Die Türkei ging hierfür zunächst den üblichen diplomatischen Weg und erteilte ihren Auslandsvertretungen entsprechende Weisungen. Es ist bezeichnend für die Erwartungen und Ansprüche, die die Türkei hatte, dass sie damals in Deutschland für z.B. die Auswahl qualifizierter Mediziner Dr. Ferdinand Sauerbruch, oder für die Berufung musischer Erzieher Paul Hindemith um Rat und Vorschläge bat. Zu diesem Zeitpunkt bestand auch beim Auswärtigen Amt in Berlin ein gewisses Wohlwollen und eine Bereitschaft zur Unterstützung der türkischen Initiativen. Eines der wichtigsten Ziele Atatürks war es, die Fakultät für Sprache, Geschichte und Geografie mit hochqualifizierten Experten aufzubauen, sollte dieses Institut doch der Nucleus der heranwachsenden Universität Ankara werden. An dieser Fakultät wirkten der Assyriologe Bruno Landsberger, der Hethitologe Hans-Gustav Güterbock, der Sinologe Wolfram Eberhard, der Indologe Wolfgang Ruben, ausnahmslos Wissenschaftler, die von ihren deutschen Lehrstühlen und Arbeitsmöglichkeiten vertrieben worden waren und in der Türkei eine neue wissenschaftliche Heimat fanden. So trug die nationalsozialistische Ausgrenzungspolitik maßgeblich dazu bei, dass die besten Kräfte der altorientalischen Diszpilinen beim Aufbau des türkischen Hochschulprogramms mithalfen.
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Schon ab 1932, also praktisch parallel zum „Headhunting“–Verfahren, wurden ganze Studentendelegationen nach Berlin geschickt, um bei den namhaften Professoren die Grundlagen der Fächer zu studieren. Von ihren Auslandsbetreuern instruiert, informierten diese dann – wie im Falle Güterbocks – ihre Professoren und ermutigten diese zu entsprechenden Bewerbungsschritten. Am 9. Januar 1936 eröffnete Kemal Pascha Atatürk selbst die neue Fakultät für Sprachen, Geschichte und Geografie der Universität Ankara, Dil ve Tarih-Cografya Fakültesi. Die ersten Vorstöße Forrers, in der Türkei Fuß zu fassen und sich um ein künftiges Betätigungsfeld im Bererich der türkischen Altanatolistik zu bemühen, unternahm Forrer bereits 1933. Er schrieb dem damaligen Minister für Bildung und Erziehung und regte im Zusammenhang mit dem von der türkischen Seite geplanten Museumsneubau für „hethitische Archäologie“eine eigene Forschungsinstitution für die Kulturen Altanatoliens an. Diese Briefwechsel führten aber zu keinerlei Ergebnissen. Im Laufe des Jahres 1936 knüpfte Forrer engere Kontakte zu der zentralen Kommission für die Erforschung der türkischen Geschichte und zu deren Vorsitzenden Hasan Cemil.310 Dort bringt sich Forrer erneut als Wissenschaftler für die altanatolischen Kulturen sowie die Gründung eines eigenen Hatti-Institutes ins Spiel. Am 1. Januar 1937 schreibt Forrer an die Gesellschaft: „Sie wissen, dass meine Kraft und Liebe seit fast 20 Jahren der Erforschung der ältesten Geschichte der Türkei, dem Hittiter-Reich, gilt. Sie kennen gewiss auch einiges von dem, was ich bisher darüber veröffentlicht habe. Aber Sie können nicht wissen, dass das bisher veröffentlichte nur ein kleiner Bruchteil dessen ist, was ich alles zur Veröffentlichung vorbereitet habe und womit ich nur warte, bis ich diejenige Stellung gefunden habe, in der ich meine Kräfte frei entfalten kann. So habe ich zwar schon 1919 und 1922 die Grammatiken der sechs Sprachen des Hittiter-Reiches geschrieben, aber seitdem viel weiteres Material gesammelt, sodass ich jetzt eine historische Grammatik des Kanisisch-Hittitischen glaube schreiben zu können, wie sie kein anderer leisten kann. (Der kürzlich erschienene erste Anfang einer hitt. Grammatik von H.Bossert verdient Anerkennung in Anbetracht dessen, dass er erst in den letzten zwei Jahren Hittitisch gelernt hat; aber ein Kenner wird noch unendlich viel mehr zu sagen haben und das von Bossert gesagte viel einfacher sagen und damit den Studenten auch das Studium erleichtern können. Auch sollte ein Lehrer für Hittitisch Keilschrift können). Seit vielen Jahren ist ein hittitisches Wörterbuch ein tief gefühltes, aber unerfülltes Bedürfnis. Über 10.000 Wortformen mit über 30.000 Belegstellen habe ich dafür aus den Keilschrifttexten nach eigenen Abschriften gesammelt. Erst ein Wörter310
Der Briefkopf weist die Gesellschaft als Türk Tarih Kurumu mit Sitz in Ankara aus. Dahinter verbirgt sich die zentrale und entscheidene Kommission für die altertumskundlichen Fächer in der Hochschulreformpolitik, die Atatürk 1931 etablierte und die seit 1935 diesen Namen führt.
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1933–1940. Bewegte Jahre buch und ein Buch der Belegstellen wird allen Gelehrten die Mitarbeit ermöglichen, die ohne diese Bücher ausgeschlossen ist. Erst auf Grund dieser zwei Bücher ist es möglich eine bequem zugängliche Umschrift-Ausgabe aller hitt. Texte mit deutscher und türk. Uebersetzung herauszubringen, die diese Texte in der Türkei zum Volksgut werden lassen. Diese Uebersetzungen werden allein schon eine stattliche Reihe von Bänden umfassen. Die Texte bleiben totes Gut, solange sie in den Keilschrift-ausgaben und in meinen Tausenden von Privatabschriften vergraben sind. Alle 1500 Ortsnamen, 1200 Götternamen, und 1000 Personennamen des HittiterReiches sind von mir gesammelt und müssen in Büchern zugänglich gemacht werden. Ihre Verarbeitung wird reiche Ergebnisse für die allerfrüheste Geschichte Anatoliens bringen Zu meinen veröffentlichten und den noch viel zahlreicheren nicht veröffentlichten historischen Aufsätzen habe ich einen historischen Atlas des alten Orients gezeichnet, der allein bis Alexander, d. Grossen schon jetzt 80 allgemeine Landkarten aufweist. In ihm steckt eine ungeheure Vorarbeit, die ich auch für die anderen Länder Vorderasiens, besonders aber für Anatolien geleistet habe. Dass alle diese Arbeiten Vorarbeiten für eine umfassende Geschichte des hittitischen Anatolien sind, brauche ich nicht noch besonders zu sagen. Dem gleichen Ziele dienten auch meine Forschungsreisen in der Türkei und Syrien, sowie meine Ausgrabungen in Tarsus, Qal∞at-er-Rus und Tell Sukas. Diese ganze Arbeit kann nicht in wenigen Jahren geleistet werden, sondern ist eine Lebensaufgabe und erfordert zu ihrer Durchführung auch eine für die Dauer gesicherte Lebensstellung. Mein Wunsch, die westliche Welt kennen zu lernen, ist durch meine Professur für Hittitisch in Chicago, meine Gastprofessur für Assyriologie in Baltimore und meine Gastvorlesungen in Paris, Genf und Lausanne befriedigt. Jetzt suche ich die Möglichkeit, Schritt um Schritt meine obigen Pläne auszuführen. Sie dienen der alten Geschichte der Türkei und deshalb wende ich mich an Sie mit der Hoffnung, dass Sie mir dazu verhelfen können. Die blosse Anstellung als Professor für Geschichte und Sprachen der Hittiter etwa an der Stambuler Universität genügt allerdings zur Ausführung meiner Pläne nicht. Sondern es muss mir auch ein Fond zur Verfügung stehen, mit dessen Hilfe ich erstens eine gute Fachbibliothek für ein hittitisches Seminar aufbauen kann, zweitens mit dem ich all die beabsichtigten Bücher und den historischen Atlas als Publicationen dieses hittitischen Seminars herausbringen kann. Hierzu brauchen wir keinen auf Gewinn bedachten Privat-Verlag, wie die Erfahrung mit meinen eigenen Schriften und die auf meine Anregung und Berechnung hin von den Berliner Museen und mehreren Assyriologen unternommenen Zeitschriften im Selbstverlag bewiesen haben. Desgleichen können wir das Drucken selbst besorgen mit der Hilfe von Studenten, wie es die amerikanischen Universitäten auch machen. Ausserdem habe ich mir praktische Erfahrungen in allen Druckverfahren angeeignet, die für unsere Bücher
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und den hist. Atlas zweckmässig sind; ich kann also die Studenten auch im Drucken anlernen. Als Vorbereitung meiner Pläne habe ich mir sogar die für unsere Zwecke als beste erkannte Druckmaschine schon angeschafft und würde sie dem hitt. Seminar natürlich zur Verfügung stellen. Aber manches muss erst noch beschafft werden. Soviel kann ich mit völliger Sicherheit behaupten, dass unsere Publicationen nach drei Jahren keinen Zuschuss mehr nötig haben werden, sondern sich fortlaufend selbst tragen können. Ich möchte auch meine auf den Reisen und aus den Keilschrifttexten gewonnenen geografischen Kenntnisse für die Geschichte und die Archäologie Anatoliens fruchtbar machen. Aber darüber würde ich mich ja dann genügend mit meinem Freunde Prof. von der Osten und den anderen Kollegen unterhalten können. Natürlich kann ich nicht alles allein machen, sondern der Fortschritt der Publicationen wird auch davon abhängen, wie viele und welche Hilfskräfte mir zur Verfügung stehen werden. Zu meiner Freude muss ich gestehen, dass die türkischen Studenten, die bei mir hier Vorlesungen gehört haben und hören, durchweg sehr gescheite und sympathische Leute waren. Diese zu Mitarbeitern zu haben, wird eine Freude sein. Ich habe mich entschlossen, Ihnen dies Angebot zu machen, das gegebenenfalls mein äusseres Leben tief umgestaltet, weil die gegenwärtigen Verhältnisse den hittitischen Studien in Deutschland selbst enge Grenzen ziehen und weil ich in der Türkei ein weiteres, meinen Wünschen, meinen Kenntnissen und meiner Energie entsprechendes Arbeitsfeld zu finden hoffe.“
In dem Antwortschreiben vom 3. Februar 1937 schreibt Hasan Cemal: „Von Ihrem Vorschlag hat unsere Gesellschaft mit grösster Symphatie Kenntnis genommen und ihn bei den höheren zuständigen Stellen befürwortend zur Sprache gebracht. Ich hoffe, dass Sie in nächster Zeit näheres darüber hören werden.“
Der Einfluss der Türk Tariª Kurumu Kommission reichte sehr weit, denn schon am 23. Februar 1937 teilt Forrer dem Dekan der Philosophischen Fakultät mit, dass das türkische Unterrichtsministerium am 20. Februar 1937 offizielle Verhandlungen betreffs der Gründung eines Institutes zur Erforschung der Sprachen, Geschichte und Archäologie des Hatti-Reiches mit ihm eingeleitet habe. 311 Sehr geehrter Herr Dekan! Am 22.10.1936 habe ich Sie aus dringenden äusseren und inneren Gründen gebeten, eine möglichst baldige Entscheidung über meine künftige Stellung in der Berliner Universität herbeizuführen, der ich seit 1925 als Privatdozent angehöre.
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Siehe auch Dokument 37 der CD-ROM.
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1933–1940. Bewegte Jahre Ihre Bemühungen in dieser Sache haben schliesslich nach Ihrem Schreiben Nr. 1548 vom 30.XII 1936 zu dem Ergebnis geführt, dass „das Erziehungsministerium eine Dozentenbeihilfe ab 1. April 1937 in Aussicht nähme“. Unter diesen Umständen habe ich nach Empfang Ihres Schreibens dem türkischen Unterrichtsministerium die Gründung eines Institutes für die Sprachen, Geschichte und Archäologie des Hatti-Reiches zur Durchführung meiner Pläne vorgeschlagen. Nachdem die (türkische) Gesellschaft für türkische Geschichte meine Pläne sehr befürwortet hat, hat der europäische Vertreter des türkischen Unterrichtsministeriums Verhandlungen mit mir eingeleitet, die am 20. II. 1937 begonnen haben. Hiervon mache ich Ihnen hiermit entsprechend dem Erlass vom 27.VII. 1935 (Amtsblatt 1935 S. 50) Mitteilung. Heil Hitler!
Einen Tag zuvor hatte Forrer dem Generalinspekteur des türkischen Unterrichtsministeriums, Reπat ∏emsettin, „eine Übersicht der Aufgaben des geplanten Hatti-Institutes, die natürlich nur vorläufigen Charakter haben“ zukommen lassen.312 „Aufgaben eines geplanten „Türkischen Hatti-Instituts“ Herausgabe von drei Arten wissenschaftlicher Veröffentlichungen Gemeinverständliche Darstellungen von je 32 Seiten mit Landkarte über: 1. Das Hatti-Reich (Überblick) Die Völker des Hatti-Reiches: 2. Protohattier
8. Uratäer
3. Luvier und Palaer
9. Assyrer
4. Kanisier
10. Myser, Phryger und Thraker
5. Horrier
11. Kimmerier
6. Arier
12. Lyder
7. Tabalier
13.Lykier 14. Perser
2–13 bilden zusammen eine vollständige nationale Geschichte Anatoliens von der Urzeit bis zum Perser-Reich. Kurze Grammatiken und Wörterbücher der Hauptsprachen der Hethiter 15. Kanisische Grammatik (Keilschrift Hethitisch) 16. Kanisisches Wörterbuch 17. Tabalische Grammatik (=Bilderschrift-Hethiter) 312
Dokument 38 der CD-ROM.
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18. Tabalisches Wörterbuch Geschichte des Hatti-Reiches 19. Das alte Hatti-Reich 20. Das mittlere Hatti-Reich 21. Das neue Hatti-Reich Kultur des Hatti-Reiches: 22. Politische Organisation 23. Götterwelt und Sagen der Proto-Hattier 24.
"
"
" der Luvier
25.
"
"
" der Horrier
26. Sozialer Aufbau. 27. Wehrmacht 28. Wirtschaft 29. Gesetze uw. Etc.etc. Die archäologischen Denkmäler der heittisch türkischen Vergangenheit. 30. Vilayet Ankara 31. Vilayet Kaisari etc. etc.
Der türkische Generalinspekteur bittet anläßlich einer Deutschlandreise um eine Zusammenkunft mit Forrer in Berlin. Die türkischen Dienststellen zeigen sich interessiert und wollen sich über Forrers Pläne detaillierter informieren. Schon im April fasst Forrer auf Anfrage für den Dekan der Philosophischen Fakultät in Berlin den Stand der Verhandlungen zusammen und stellt seine Pläne ausführlicher vor. Forrers Planungen sind sehr umfassend und erinnern in Zuschnitt und Organisation des geplanten Instituts an das Oriental Institute in Chicago. An den Aufgaben, die Forrer für das Institut entworfen hat, ändert sich auch nach dem Treffen nichts, allerdings wird deutlich, dass die Umsetzung seiner Vorstellungen für die Türkei nicht zu finanzieren sind. Auch fürchtet Forrer um die Früchte seiner Verhandlungen in Berlin. Der Bericht an den Dekan endet mit dem bezeichnenden Satz: „Damit hoffe ich Ihre Frage erschöpfend beantwortet zu haben. Da ich immer mit Quertreibereien von gewisser Seite zu rechnen habe, bitte ich um vertrauliche Behandlung meiner Pläne.“
Am 23. Juli erhält Forrer Mitteilung darüber, dass auch der Minister für Erziehung und Wissenschaft, ihm grünes Licht für die Verhandlungen mit der Türkei gibt. Über die Treffen und mündlichen Verhandlungen zwi-
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schen Forrer und dem türkischen Dienststellen gibt das Nachlassmaterial keinerlei Aufschluss, aber sehr bald zeigt sich, dass die Forrerschen Pläne in der Türkei auf Eis gelegt werden, vermutlich wegen der zu hohen finanziellen Rahmenbedingungen. Am 18. Oktober schreibt Forrer noch an eine ungenannte Exzellenz und gibt darin sein Bedauern zum Ausdruck, dass von einer „Realisierung der Institutspläne Abstand genommen wurde, die für die Zukunft der Türkei von Bedeutung gewesen wären.“
Abb.34 Forrer erhält die offizielle Genehmigung zu Verhandlungen mit der Türkei
Es verwundert, dass die türkischen Dienststellen und das Ministerium für Bildung und Erziehung ernsthaft die Gründung eines solchen Institutes erwogen haben, wurden doch im Jahre 1936 die Universität Ankara mit der Verpflichtung Hans Gustav Güterbocks und Benno Landesbergers beauftragt und damit bereits zwei Koryphäen der Altorientalistik ins Land geholt, um ein vergleichbares Institut aufzubauen und Studenten an die betreffenden Fächer heranzuführen. Offenbar sind die türkischen Behörden in
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der Gründungszeit, als noch nicht absehbar war, wie sich die gerade erst im Aufbau befindliche Fakultät Dil ve Tarih-Cografya Fakültesi (Fakultät für Sprache, Geschichte und Geografie) der Hochschule in Ankara entwickeln würde, zweigleisig gefahren und haben sich mehrere Optionen offen gehalten. Die kurze Zeitspanne der Dauer der Verhandlungen lässt vermuten, dass man in Ankara sehr schnell zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Gründung eines Institutes, so wie Forrer es plante, die türkischen Ressourcen übersteigt und ein behutsamerer Aufbau der Universität Ankara beschlossen wurde. Sehr zum Leidwesen Forrers hat auch dieses „Ass“ nicht gestochen.
Forrers dritte Ehe Nach dem tragischen Tode seiner zweiten Ehefrau Tilla Bader im Jahre 1931, heiratet Forrer 1934 ein drittes Mal. Er ehelicht Frau Käthe Marie Helene Przewlowsky, Jahrgang 1911, geboren in Rixdorf bei Berlin. Leider enthält das Nachlassmaterial keine weiteren Informationen zu Herkunft, Beruf oder den Umständen des Kennenlernens. Mit ihr hat Forrer zwei weitere Kinder, Tell Karl-Heinz und Maya Dorothea, die 1935 und 1936 geboren werden. Obwohl Forrer zu diesem Zeitpunkt vor einer ungewissen Zukunft steht und sich die alltäglichen Dinge aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten nur schwer bewerkstelligen lassen, entschließt Forrer sich zur Familienerweiterung. Das Leben für die Familie dürfte sich sehr mühsam gestaltet haben, da erst 1938, mit der Erteilung des Lehrauftrages, wirklich ein dauerhaft festes Einkommen erzielt werden konnte. Auch zeigt sich bei dem Namen der Tochter bereits die Marotte Forrers, die Vornamen seiner Kinder dem Forschungsbereich zu entnehmen, in dem er gerade tätig ist. Seit 1934 beschäftigte sich Forrer immer wieder intensiv mit der Erforschung der Maya-Inschriften, so dass die Tochter den Namen Maya erhält. Dieses Prinzip entfaltet sich dann bei seinen späteren Kindern zur vollen Geltung, die in der Phase der Meropisforschung in El Salvador geboren werden.
Forrers kurze Beamtenkarriere Kurz nachdem Forrer seine bezahlte Lehrtätigkeit aufgenommen hat, setzt sich der Dekan der Fakultät ein weiteres Mal für ihn ein und erreicht, dass
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Abb. 35 Vorschlag des Dekans, Forrer zum a.o. Professor zu ernennen
Forrer am 25. Februar 1939 zum außerordentlichen Professor ernannt wird. Die Dinge scheinen sich nun günstig für ihn zu entwickeln, nach langer und entbehrungsreicher Zeit, sollte sich sein Stehvermögen auszahlen.313
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Siehe auch Dokument 39 der CD-ROM.
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Parallel zur Initiative des Dekans strengt Forrer selbst das Verfahren an, sich zum sogenannten „Dozenten neuer Ordnung“ ernennen zu lassen, was die Übernahme in das Beamtenverhältnis mit all seinen Absicherungen und sozialen Vorteilen bedeuten würde. „Ich beantrage hiermit meine Ernennung zum Dozenten neuer Ordnung. Weil ich die Deutsche Staatsangehörigkeit nicht besass, habe ich am 25. April 1939 den Antrag auf Einbürgerung in das Deutsche Reich gestellt. Da bei mir und meiner Frau alle hierfür notwendigen Voraussetzungen rassischer, gesundheitlicher, politischer und polizeilicher Art vorhanden sind und auch sonst nichts gegen mich vorliegen kann, darf ich mit der Annahme meines Einbürgerungsgesuches rechnen, wenn eine Antwort bis zur Stunde auch noch nicht eingetroffen ist. Ich bin seit dem 25. Mai 1925 an der Universität Berlin für Geschichte und nichtsemitische Sprachen des alten Orients habilitiert. 1929 wurde ich urlaubsweise als associate professor of Hittitology an die Universität Chicago berufen. Diese Stellung entspricht der unseres ausserordentlichen Professors; der Titel gilt aber m.W. in Deutschland nicht. Es sei daher nur um der Vollständigkeit willen erwähnt. 1933 wurde ich urlaubsweise als visiting professor zur Vertretung des ordentlichen Professors für Assyriologie an die Johns Hopkins Universität in Baltimore berufen. Eine ausserakademische Stellung habe ich nicht inne. Heil Hitler Dr. Emil Forrer Dozent an der Universität Berlin.“314
Forrer versichert in seinem Antrag vom 12. Juli 1939, dass er eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Verbeamtung, nämlich die Annahme der Deutschen Staatsbürgerschaft, eingeleitet habe. Da die Beibehaltung zweier Staatsbürgerschaften nicht möglich war, bedeutete dies automatisch, dass er seine Schweizer Staatsbürgerschaft aufgeben musste. Am 11. Dezember erhält Forrer seine Ernennungsurkunde und am 19. Dezember 1939 wird Forrer auf Adolf Hitler vereidigt.
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Siehe auch Dokuemnt 40 der CD-ROM.
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Abb. 36 Vereidigungsurkunde Forrers zum Beamten
Die Schwierigkeiten mit seinem neuen Dienstherrn beginnen für Forrer schon bald nach seiner Ernennung. Schon einen Monat nachdem er seine verbeamtete Professorenstelle angetreten hat, schreibt er dem Minister einen Brief, in dem er um die Anerkennung seiner bisherigen 14 Dienstjahre, gerechnet seit der Habilitation 1925, an der Berliner Universität bittet, was eine deutlich höhere Besoldung zur Folge gehabt hätte.315 315
Brief an den Reichsminister für Wissenschaft und Erziehung Bernhard Rust vom 24. Januar 1940. Siehe auch Dokument 41 der CD-ROM.
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„Durch Erlass vom 11. Dezember 1939 (WP Forrer p) bin ich zum Dozenten neuer Ordnung ernannt und mein Dienstalter auf den 1. Dezember 1939 festgesetzt worden. Ich bin seit dem 25. Mai 1925, also seit 14 Jahren, an der Universität Berlin habilitiert. Dankbar sei anerkannt, dass sowohl die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft wie das Preussische Kultusministerium mir über eine Reihe von Jahren hinweggeholfen haben und dadurch die Lücke geschlossen hatten, die dadurch entstanden war, dass meine Eltern durch Zeichnung von Kriegsanleihen etwa 25.000 Mark verloren hatten. Um auf eigenen Füssen zu stehen, habe ich eine Berufung als ao. Professor nach Chicago auf 3 Jahre und die Berufung als Gastprofessor nach Baltimore für 1 Semester angenommen. Meine dortigen Gehälter, die sechsmal so hoch waren wie meine Lehrauftragsvergütung im Jahre 1939 hier, habe ich benutzt, um hier eine Reihe von Jahren nur aus eigenen Mitteln meine Vorlesungen abzuhalten. Aber die Not der letzten Jahre erlaubte es mir nicht mehr, auch nur die allernotwendigsten Bücher anzuschaffen oder z.B. auch nur ein einziges Mal ein Theater zu besuchen, in dem unsere Familie in früheren Zeiten ein Abonnement gehabt hatte, von Erholungsreisen nicht zu reden, obwohl ich mir in der Notzeit eine chronische Bronchitis zugezogen habe, die man nur durch einen längeren Höhenaufenthalt heilen kann. In Erwartung einer meinen bisherigen Dienstjahren entsprechenden Vergütung habe ich den Bürgermeister der Gemeinde Woltersdorf, dem ich noch eine Summe von 3225,54 Mark schulde, fest versprochen, diese Summe in grösseren monatlichen Beträgen zurückzuzahlen, sobald die erwartete höhere Bezahlung beginnt. Mein ältester Sohn macht Ostern diesen Jahres sein Abitur-Examen und soll seiner Begabung entsprechend studieren. Da er bis jetzt bei seinem Onkel wohnt, weil seine Schule zu weit von uns entfernt liegt, unser kleines Siedlungshäuschen aber infolge des inzwischen erfolgten Familienzuwachses keinen Raum mehr für ihn hat und er aus gleichem Grunde nicht länger bei seinem Onkel wohnen kann, erwachsen mir von März an auch noch die Kosten für Wohnung für ihn, neben den un vermeidlichen Kosten für das Studium. Seit langem erwartet auch die Gemeinde von mir, dass ich die baufällig gewordenen Zäune ersetze, und die Siedler begreifen nicht, dass ein weitgereister und langgedienter „Professor“ nicht die nötigen Mittel dazu hat, die sie fast alle haben. Ich will nicht aufzählen, welche anderen Reperaturen, Erleichterungen und Verbesserungen zurückgestellt werden mussten; aber es ist so, dass von einem „standesgemässen Leben“ keine Rede mehr sein kann. Weder ich noch meine Frau legen Wert auf ein gesellschaftliches Leben, dessen Inhaltslosigkeit im umgekehrten Verhältnis zu seiner Kostspieligkeit steht, aber wir möchten gern wenigstens unsere natürlichen Verpflichtungen gegenüber unseren drei Kindern und der Gemeinschaft erfüllen können; denn arbeiten tun wir ebensoviel wie allen anderen und haben es auch während der bisherigen 14 Dienstjahre getan. Ich bitte deshalb mir meine bisherigen Dienstjahre womöglich voll anzurechnen. Heil Hitler Dr. E. Forrer Dozent“
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Dieser Brief veranlasste eine nochmalige Prüfung der Personalakte Forrers, bei der dann aber nicht die gewünschte Anerkennung der Dienstjahre festgesetzt wurde, sondern vielmehr auffiel, dass Forrer die von ihm zugesagte Annahme der Deutschen Staatsbürgerschaft schuldig geblieben war. Eine unabdingbare Voraussetzung zum Berufsbeamtentum. Das Ministerium für Erziehung und Wissenschaft schaltet das Innenministerium, zuständig für Staatsangehörigkeitsfragen, ein und bittet um eine rechtliche Stellungnahme zum Fall Emil Forrer. Es kommt zu einem für Forrer niederschmetternden Ergebnis. Hätte Forrer nicht eindeutig erklärt, deutscher Staatsbürger werden zu wollen, wäre ein Verbleib im Beamtenverhältnis unter Erteilung einer Ausnahmegenehmigung möglich gewesen. Das zuständige Ministerium hätte im Falle Forrers diese sogar erteilt. Da aber Forrer ausdrücklich in seinem Gesuch zur Ernennung zum Dozenten neuer Ordnung die Absicht äußerte, die Annahme der Deutschen Staatsbürgerschaft vollziehen zu wollen, wird die Ernennung am 20. Februar 1940 für nichtig erklärt. Forrer steht nach nur zwei Monaten seit der Ernennung mit leeren Händen da. Außer der Lehrtätigkeit bleibt zunächst ihm nichts.316
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Siehe auch Dokument 42 der CD-ROM.
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Abb. 37 Rechtliche Stellungnahme des Ministeriums zur Verbeamtung Forrers
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Das Ministerium stellt ihm urkundlich die Aberkennung zu. Der Fall ist eigentlich abgeschlossen. Auch wird die schon ausgestellte und überreichte Urkunde zurückgefordert. Auch vom Rektor der Berliner Universität wird Forrer schriftlich über die Aberkennung seines Beamtenstatus informiert: „20. Mai 1940 Herrn Dozent Dr. Forrer d.d. Herrn Dekan der Philos. Fakultät – hier Der Herr Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung hat durch Erlass vom 11. Mai 1940 – WA 439/40 mitgeteilt, dass gemäss § 32 Absatz 1 des Deutschen Beamten-Gesetzes vom 27.1.1937 Ihre unter Berufung in das Beamtenverhältnis ausgesprochene Ernennung zum Dozenten vom 11.12.1939 nichtig ist. Derr Herr Reichsminister hat sich damit einverstanden erklärt, dass Ihnen die Vergütung in Höhe der jetzt gewährten Diäten als Lehrauftragsvergütung weiter gezahlt wird. Ich stelle anheim, falls Sie auf Ihre schweizerische Staatsangehörigkeit nicht verzichten möchten, einen Antrag auf dem Dienstwege zur Erlangung der Ausnahmebehandlung nach § 26 Absatz 2 DBG einzureichen. Der Rektor“317
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Siehe auch Dokument 43 der CD-ROM.
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Abb. 38 Nichtigkeitserklärung zur Verbeamtung Forrers vom 29. Mai 1941
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Forrer reagiert sofort, da er der Meinung ist, es läge ein Irrtum vor. Er glaubte, dass er Deutscher Staatsbürger hätte werden können, ohne seine Schweizer Staatsbürgerschaft niederlegen zu müssen. Er entschließt sich dieses Missverständnis in einem Brief an den Minister selbst aus dem Weg zu räumen. „25. Mai 1940 An den Herrn Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung durch den Herrn Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Berlin Im Sinne des Schreibens Tgb.-Nr. II. 5 vom 20. Mai 1940 des Herrn Rectors der Universität Berlin bitte ich um Ernennung zum Dozenten unter Befreiung von der Vorschrift des § 26.1 des Deutschen Beamten-Gesetzes, dass die Ernennung zum Beamten erst nach dem Erwerb der deutschen Stattsangehörigkeit möglich ist, gemäss der Ausnahmemöglichkeit nach § 26 Absatz 2 BGB. Zugleich erlaube ich mir darauf aufmerksam zu machen, dass mir der Erlass des Herrn Reichsministers vom 11. Mai 1940 von der irrigen Voraussetzung auszugehen scheint, als ob ich die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erwerben wolle. Davon kann aber gar keine Rede sein, vielmehr ist mein Wille hierzu nicht nur die logische, wenn auch auch erst spät erkannte Schlussfolgerung meiner politischen Haltung, die ich seit dem Verlust meiner Geburtsstadt Straßburg 1918 – im Gegensatz zu nächsten Verwandten, die nun leider auf französischer Seite stehen – eingenommen habe. Nachdem der Herr Reichsminister des Innern am 27. November 1939 meiner Einbürgerung zugestimmt hatte, ist diese nur dadurch verzögert worden, dass der Herr Regierungspräsident von Potsdam als ausführende Behörde die Einbürgerung zwar zusicherte, aber die Bedingung daran knüpfte, dass ich erst aus dem schweizerischen Staatsverband austrete. Ich habe mich daher an die schweizerische Gesandschaft gewandt, mit der Frage, ob sich etwa die juristischen Voraussetzungen für die gerade für Schweizer bekanntlich mögliche Doppelbürgerschaft geändert haben. Diese, die mich in schweren Zeiten mit Hilfe meiner schweizerischen Bürgergemeinden unterstützt hat, hat es gewiss besonders gut gemeint, als sie daraufhin – über meine Frage hinausgehend – beim Auswärtigen Amt jenen Schritt unternahm, der zu der Meinung führen musste, als ob ich die Dozentur anstrebe, ohne die Reichsbürgerschaft zu wollen. Das letztere ist aber, wie gesagt, keineswegs der Fall. Vielmehr habe ich, als ich wegen der Beibehaltung der schweizerischen Staatsangehörigkeit so lange keinen Bescheid erhielt, am 11. Mai 1940 an den Herrn Regierungspräsidenten von Potsdam ein Gesuch gerichtet, mir – im Einklang mit meinem ursprünglichen Antrage – mir den Austritt aus dem Schweizerischen Staatenverband zu erlassen. In der Begründung führte ich aus, dass unsere Familie in Winterthur bereits 1456 von Kaiser Karl V. einen Wappenbrief ausgestellt erhalten hat und seitdem in unser beiden Bürgerstädten Winterthur und Zürich eine ehrenvolle Rolle gespielt hat. Ich fühle mich nicht berechtigt diese lange Kette der Verbundenheit mit der Schweizer Stammheimat abreissen zu lassen und von keiner anderen Regierung
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1933–1940. Bewegte Jahre darf mehr Verständnis für eine solche Pietät gegenüber seinen Ahnen erwartet werden als von einer nationalsozialistischen. Ich bin aber nicht nur meines Faches Historiker – und habe als solcher gerade auf meinem Spezialgebiete den in der Weltgeschichte einzigen Parallelfall des ein Jahrtausend langen Widerstreites zwischen dem Hatti-Reiche und mehreren Eidgenossenschaften in den Randgebieten Kleinasiens und ihrer schließlichen Einordnung in ein allumfassendes Weltreich – und bin dadurch gewöhnt in Jahrhunderten und Jahrtausenden zu denken, sondern bin als Mensch im Leben ein durchaus besseren Zukunft zugewandt. Als solcher bin ich der Meinung, dass es auch für die Schweiz besser ist, sich früher oder später dem Deutschen Reiche anzugliedern, etwa wie die Slowakei und wie zur Zeit Karls V. Einem solchen Ziele dient es m. E. am besten, wenn möglichst viele Doppelbürger die Schweiz mit Deutschland verbinden, denn infolge der Verhetzung der Schweizer durch die Westmächte, lässt sich der Schweizer nur von einem Schweizer die Wahrheit sagen, nämlich die (wie ich es im September 1939 formuliert habe), dass er in seinem Kantönligeist weltgeschichtliche Entwicklungen verschlafe. Wenn untergeordnete Stellen, wie etwa der Amtsvorsteher in Erkner, in dem Willen an der schweizerischen Staatsangehörigkeit festzuhalten einen Mangel an nationalistischer Gesinnung sehen, so kann ich darin nur eine Engstirnigkeit sehen, die mir nicht maßgebend sein kann, und von der ich die höheren Stellen frei weiß. Ich habe trotz aller Angebote aus dem Ausland 22 Jahre lang geduldig alle Schwierigkeiten ertragen, die sich aus meiner Stellungnahme ergaben, im festen Vertrauen auf das Kommen der erhebenden Tage des Aufatmens, die wir jetzt erleben und mit denen uns Deutschen wieder der Weg zu einem edleren Leben geöffnet wird. Wenn ich also jetzt die Erteilung der Dozentur unter der Ausnahmebehandlung des § 26 Absatz 2 DBG beantrage, so nur in dem Sinne des eingangs genannten Briefes und Erlasses, während ich selbst auch weiterhin an dem Willen festhalte, ein vollverpflichteter und vollberechtigter Deutscher Staatsbürger zu werden unbeschadet meiner Schweizerischen Staatsangehörigkeit, zu der – wenn auch nicht nach der gegenwärtigen, so doch nach einer zu erhoffenden künftigen Rechtslage – die Deutsche Staatsangehörigkeit nur der Oberbegriff ist. Zugleich glaube ich um die Zurückziehung der Nichtigkeitserklärung meiner Ernennung zum Beamten bitten zu dürfen, da durch die Zustimmung des Herrn Reichsministers vom 27. November 1939 zu meiner Einbürgerung die Voraussetzung nach der 2. Verordnung zur Durchführung des DGB vom 29. IV 1937 nach § 26 Ziffer 1 zu Recht gegeben war. Heil Hitler“
Dieses in Sprache und politischer Anbiederung an die Nationalsozialistischen Dienststellen gehaltene Schreiben bringt das Missverständnis auf den Punkt. Man kann manche Passagen des Briefes sicherlich damit erklären, dass Forrer hier um die Chance kämpfte, Position und Einkommen zu sichern und sich der Klaviatur des nationalsozialistischen Gehabes bediente. Allerdings klingen doch einige Passagen so, als ob Forrer sich dem Gedankengut des Dritten Reiches angenähert hat. Insbesondere seine Auslas-
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sungen über die Schweiz und deren Einverleibung in das Deutsche Reich legen eher den Schluss nahe, dass Forrer hier aus Überzeugung spricht. Die ganze Angelegenheit endet schließlich in einem Kompromiss. Die Schweizer Staatsbürgerschaft konnte Forrer behalten, was ihm 1945 erlaubte, dass zerstörte Deutschland in Richtung Schweiz zu verlassen. Das Ministerium erteilte eine Sondererlaubnis mit der Einschränkung, dass Forrer nicht verbeamtet wird, sondern in der Position des Dozenten mit Lehrtätigkeit verbleibt. Er darf sich auch Dozent nennen, aber diese Dozentur führt nicht zur Verbeamtung. Die Vergütung, die für diese Lehrtätigkeit auf jährlich 3.600 Reichsmark festgesetzt war, wird in Anbetracht der Familienverhältnisse Forrers auf 6.040 Reichsmark angehoben, bleibt damit aber etwa 2.100 Reichsmark jährlich unter der Besoldung vergleichbarer verbeamteter Kollegen.
Die Maya-Inschriften Seit Forrer in Baltimore die Gastprofessur an der Johns Hopkins University angenommen hatte und in diesem Zusammenhang die USA bereist hatte, interessierte er sich für die Maya-Kultur. Wie sein ältester Sohn Wolfgang schilderte, hatte sich Forrer im Jahre 1935 Ausgaben des „Dresdener Codex“ besorgt und studierte fleißig die unbekannten Glyphen. Da er als Entzifferer unbestreitbar sein größtes Talent hatte, lag es nahe, dass auch hier zu Ergebnissen kommen würde. Zu diesem Zeitpunkt lag die Veröffentlichung seiner hieroglyphenluwischen Entzifferung noch nicht allzu lange zurück, so war er sicher auch voller Selbstvertrauen, was die Lösung diesen weiteren Entzifferungsproblems anbelangte. Forrer behauptet auch mehrfach in Briefen ab 1937, dass er die meisten Probleme der Maya-Schrift gelöst habe, ohne allerdings hierfür einen Beweis anzutreten. Es gibt keinen Aufsatz oder zumindest ein zusammenhängendes Manuskript aus jener frühen Zeit, die Forrers eigene Aussagen belegen. Denn zu diesem Zeitpunkt waren die Mayazeichen noch nicht entschlüsselt und man war in der Altamerikanistik weit entfernt von einer Lösung. 318 Allerdings muss man bei der erwiesenen Begabung Forrers vorsichtig sein, diese Thesen so ohne weiteres als haltlose Phantasie beiseite zu legen. Handschriftliche Notizen aus dem Jahre 1936 belegen, dass Forrer sich intensiv
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Zur Forschungsgeschichte der Entzifferung siehe D. Coe, Breaking the Maya Code, London 1992. Eine deutsche Ausgabe erschien 1995 unter dem Titel: Das Geheimnis der Maya-Schrift. Ein Code wird entschlüsselt im Rowohlt-Verlag.
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um einen Zugang zu den Maya-Inschriften bemühte. 319 Der dabei von ihm gewählte Ansatz ist seiner Zeit voraus, da er sich dem Thema bereits sprachvergleichend mit den gesprochenen Indianersprachen nähert und somit einen phonetischen Ansatz wählt. Bis dahin ging man in der Mayaologie noch immer davon aus, dass die Glyphen keine „gesprochene Sprache“ repräsentieren, sondern dass es reine Bildzeichen seien, die weder Laut noch Silbenzeichen darstellen. Erst zu Beginn der 1950er Jahre war es der russische Forscher Juri Knorosow,320 interessanterweise von Hause aus Ägyptologe, der der Erforschung der Maya-Glyphen einen neuen Stempel aufdrücken konnte, indem er für einen phonetischen Ansatz für die Entzifferung der Schriftzeichen plädierte. Auf Knorosow aufbauend gelang es einer neuen Forschergeneration entscheidende Arbeiten zu Entzifferung der Mayaschriften vorzulegen. Wie Forrer ab 1934/1935 genau bei seinen Forschungen vorging, als er gegenüber Albright behauptete, er habe einen entscheidenden Schritt getan, um die Maya-Inschriften zu entziffern und bald auch publiziert vorlegen zu können, lässt sich aus dem Wenigen, das vorliegt, nicht sagen. Aus einem in El Salvador befindlichen Nachlass sind einige handschriftliche Notizen aus dem Jahre 1936 erhalten, die aber erneut belegen, welch geniale Intuition und Begabung Forrer bei der Erschließung fremder Schriftsysteme hatte. Seine grammatischen Analysen fußten auf der 1743 erstmals erschienen Grammatik des Yukatekischen des Pater Pedro Beltrán, die bereits die grammatischen Erscheinungen dieser Sprache recht fundiert dokumentierte. Er ging offenbar davon aus, dass sich ein phonetisches System, dass nahe an den heute noch gesprochenen Indianersprachen angesiedelt sein muss, hinter den Maya-Glyphen verbirgt. Mit diesem wohl als Arbeitshypothese gewählten Ansatz, den so erfolgreich zwanzig Jahre später Knorosow beschritt, versuchte Forrer zu Ergebnissen zu gelangen, von denen leider nicht viel dokumentiert ist. Möglicherweise hat er das sogenannte Landa-Alphabet genutzt. 321 Forrer erwähnt dies zwar nirgendwo, aber es
319 320 321
Frau Rhea Saturna Forrer war so feundlich, mir die erhaltenen Unterlagen aus San Salvador zur Verfügung zu stellen. *19. November 1922 (Charkow) – † 30.März 1999 (Sankt Petersburg) Diego de Landa (*1524 – †1579) war Bischof von Yucatán und bekehrte die einheimischen Maya-Völker mit Mitteln der Inquisition zum katholischen Christentum. Bekannt ist, dass er alle greifbaren Manuskripte in der Maya-Schrift verbrennen ließ und später in seiner Rechtfertigungsschrift Relacíon de las cosas de Yucatán (= Bericht über die Dinge von Yucatan) eine Rekonstruktion dieser Schrift versuchte, das sogenannte Landa-Alphabet, das – trotz Landas völlig falschen Verständnisses des Schriftsystems – im 20. Jahrhundert ein Hilfsmittel zur
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liegt nahe, dass er die phonetischen Deutungen Landas gekannt haben dürfte. Leider fehlt auch jeder Hinweis darauf, welche Sprachen Mittelamerikas er genau heranzog, um bei seinen eindeutig sprachvergleichend angelegten Untersuchungen zu Aussagen über die Morphologie und die Syntax der Sprache zu gelangen, die sich seiner Ansicht nach hinter den Glyphen verbirgt. Die wenigen handschriftlichen Notizen aus den Jahren 1936 und 1937, die aus wissenschaftshistorischer Sicht von Bedeutung sind, enthalten allerdings zu wenig detailliertes Datenmaterial, um seine wirkliche Bedeutung einordnen zu können. Das abgebildete Beispiel zeigt Forrers Rekonstruktion einer Konjugation, die er in seinem Arbeitspapier die 2. Konjugation nennt. Aus seinen Notizen wird überhaupt nicht ersichtlich, wie er zu diesen Annahmen gelangt ist. Vermutlich hat Forrer die damals bekannten Grammatiken herangezogen und versucht daraus mittels der Intuition und des Sprachvergleichs den Schlüssel zu finden. Einen Hinweis, dass ihm bei der Entschlüsselung der Schrift entscheidende Schritte geglückt sind, gibt es leider nicht. Aus den Fünfziger und Sechziger Jahren sind Dokumente erhalten, die aufzeigen, dass Forrer sich intensiv mit den Sprachen und der Sprachfamilie des Maya auseinandergesetzt hat. In Kladden hat er umfangreiche Gitternetze angelegt, die zu einzelnen Worten die jeweiligen Belege aus den verschiedensten Sprachen Mittelamerikas zusammentragen.322. Viele der Gitternetze sind noch leer, so dass man den Eindruck gewinnt, als habe er nur sporadisch an der weiteren Erforschung gearbeitet oder gar die Forschungen ganz eingestellt. Aus seiner Feder sind auch keinerlei Publikationen erschienen, die, ähnlich wie beim luwischen Hieroglyphen, Methodik und Ergebnisse seiner Forschungen in diesem Bereich belegen.
_____________ 322
Entzifferung der Maya-Schrift wurde. Denn zahlreiche seiner phonetischen Umschreibungen der Glyphen waren korrekt aufgezeichnet. Siehe auch Dokument 44 der CD-ROM.
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Abb. 39 Von Forrer erstelltes Verbalparadigma der Maya-Sprachen
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Immerhin behauptet aber Forrer an den verschiedensten Stellen, dass er der Lösung des Maya-Problems sehr nahe sei und manchmal sogar, dass er es gelöst habe. Und letztendlich waren diese Forschungen einer der Gründe, warum sich Forrer dann später entschieden hat, zunächst nach Honduras und später nach El Salvador auszuwandern. In einem auf Oktober 1968 datierten Curriculum vitae, schreibt Forrer: „When Bryn Mawr College invited me to be advisor of its first archaeological expedition to Asia Minor, it was during the six weeks on ship from Baltimore to Syria that I began my decipherment of the Maya Writing, which some years later was crowned by success, but never published.“ Eine Überprüfung dieser für die Forschungsgeschichte der Maya-Entzifferung so wichtigen Aussagen ist anhand des verbliebenen Materials unmöglich. Berechtigte Zweifel sind allerdings angebracht, da Forrer z.B. in den handschriftlichen Notizen zur Maya-Grammatik schreibt, dass die Maya-Sprachen „keine Verba, Präpositionen oder Adverbien kenne“, was sachlich falsch ist. Forrer geht offenbar davon aus, dass die Tempora mittels Kopula am Adjektivum & Substantivum markiert werden, was sprachtypologisch grundsätzlich belegbar ist, aber nicht generell für die Maya-Sprachen gilt. Auch verwundert es, dass Forrer nicht die Möglichkeiten gehabt haben soll, eine derartige wissenschaftliche Leistung, ja Sensation, publizistisch unterbringen zu können, zumal in seiner beruflich misslichen Situation Mitte der 1930er Jahre. Eine wirklich erfolgreiche Entzifferungsleistung dieser Tragweite hätte Forrer sicher für die Werbung in eigener Sache genutzt. Es widerspräche dem Charakter Emil Forrers, eine solche wissenschaftliche Pionierleistung unveröffentlicht zu lassen. Geradezu typisch für Emil Forrer erscheint mir auch folgende Begebenheit zu sein, die für Forrers Hang zur Selbstüberschätzung beispielhaft ist. Zwar muss man sich vor Augen halten, dass Forrer im Kampf um bezahlte Positionen in der Wissenschaft stand und seine finanzielle Lage nicht besonders erfreulich war, dennoch gehörten ein enormes Selbstvertrauen und auch ein eher distanziertes Verhältnis zur Selbstkritik dazu, nach privater Beschäftigung mit den Maya-Schriftdenkmälern, deren Ergebnisse in keiner Publikation oder Fachzeitschrift öffentlich dokumentiert oder in anderer Weise nachvollziehbar gemacht worden sind, sich 1939 um eine Vertretunsgposition für die vakante Professur der Altamerikanistik an der Universität Berlin zu bewerben. Forrer fühlte sich stets in der Lage und war auch selbstbewusst genug, alles, womit er sich eine Weile intensiver beschäftigt hatte, auch dozierend an der Universität vertreten zu können. Sein Selbstverständnis und das Zutrauen in seine wissenschaftlichen Qualitäten erlaubten es ihm, solch gewagte Schritte zu unternehmen. Die Universität Berlin lehnte den Vorschlag ab und da er letztlich auch eine Dozentur in seinem orginären
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Fachgebiet erhielt, nahm er von weiteren Vorstößen Abstand. Letztendlich ist es bedauerlich, dass Forrer keine zusammenhängende Arbeit zu seinen Maya-Forschungen hinterlassen hat, denn angesichts seiner genialen Fähigkeiten auf dem Gebiete der Entzifferungen wäre dies eine spannende Lektüre. „Sehr verehrter Herr Dekan! Seit ich 1933–34 als Gastprofessor für Assyriologie in Amerika war, habe ich Interesse gefasst für die alten Kulturen Mittelamerikas, insbesondere die der Mayas, weil sie mit ihrer hohen, aber noch steinzeitlichen Kultur ausserordentliche Vergleichsmöglichkeiten und neue Wege zum Verständnis vieler Erscheinungen der Vorgeschichte Deutschlands bietet. Andererseits besitzt sie aber doch schon auch Schrift und zwar eine Bilderschrift, die damals noch vollständig unentziffert war und ganz ähnliche Probleme stellt, wie die „Hethitische Bilderschrift“, die ich vorher entziffert hatte. Die Ähnlichkeit dieser Kulturen mit denen des alten Orients, z.B. ihrer Tempelpyramiden mit den ganz gleichartigen Babyloniens sind so überraschende, dass sich seit langem die Frage erhob, ob hier ein historischer Zusammenhang besteht oder gleichartige menschliche Entwicklung. Mein erster Schritt musste hier die Entzifferung der Maya-Bilderschrift sein, wofür ich durch die Entzifferung der „hethitischen“ Bilderschrift gut vorbereitet war. Sie gelang mir grundsätzlich im Frühjahr 1936, nachdem ich zu diesem Zwecke mit den Kulturen und Sprachen der altspanischen Historiker und Grammatiker dieses Gebietes vertraut gemacht hatte. Den ersten Teil meiner Maya-Entzifferung werde ich in diesem Sommer Veröffentlichungsfertig machen. Durch den überraschenden Tod unserer beiden Amerikanisten Th. Preuss und W. Lehmann ist dies Gebiet seit diesem Frühjahr an unserer Universität (und überhaupt in Deutschland?) verwaist, was nicht nur wegen der unstreitig grossen Verdienste gerade Deutschlands bedauerlich ist, – sondern auch weil Deutschland die schönste und wichtigste der drei einzigen erhaltenen Maya-Handschriften besitzt. Durch meine oben angeführten Arbeiten fühle ich mich imstande dies Gebiet vorerst in Bezug auf die Kultur und Sprache der Mayas zu vertreten und bitte daher Eure Spectabilität um Ihre Zustimmung zur Ankündigung einer Vorlesung über die „Kultur der Mayas“. Bei weitherziger Auslegung meines Habilitationsgebietes „Geschichte und Sprachen des alten Orients“ können ja auch die Kulturen Mittelamerikas hierzu gerechnet werden, wie ja auch das Vorlesungsverzeichnis die altamerikanistischen Vorlesungen als letztes Glied in der Reihe der „orientalischen Philologie“ aufführt. Heil Hitler! Dr. Emil Forrer“323
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Brief an den Dekan der Phil. Fak. Berlin vom 7. April 1939. Siehe Dokument 45 der CD-ROM.
1941–1948. Die letzten Jahre in Europa J In den Jahren des Zweiten Weltkrieges unterrichtet Forrer an der Berliner Universität und geht seinen altorientalischen Forschungen weiter nach. Forrer bemüht sich um Aufnahme in NSDAP und nimmt im Laufe der Zeit Tätigkeiten für verschiedene Parteiund Wehrmachtsdienststellen auf. In der Stunde Null versucht Forrer nochmals in Berlin im Museum Fuß zu fassen, was – wie so oft vorher – scheitert. Mit seiner vierten Ehefrau und seinem Sohn Wolfgang verlässt Forrer Deutschland und geht in die Schweiz. Aber auch dieses Ziel sollte sich schließlich nur als Zwischenstation erweisen. Im Sommer des Jahres 1941 ist das Dritte Reich auf dem Höhepunkt seiner Macht sowie auch der Zustimmung in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung angekommen. Hitler-Deutschland bereitet nach den Feldzügen gegen Polen, die Benelux-Staaten und Frankreich, die die Unterwerfung nahezu ganz Europas besiegeln, das Unternehmen „Barbarossa“ vor, den Überfall auf die Sowjetunion. Im Januar 1941 versuchte Emil Forrer – aus welchen Gründen ist unklar – der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) beizutreten. Dies geht aus einem kurzen Schreiben hervor, das Forrer auf Nachfrage des Dekans der Philosophischen Fakultät beantwortet, welchen NS-Organisationen er angehört. Dem Eindruck des gesamten Nachlassmaterials nach sind die Motive für diesen Schritt zu diesem Zeitpunkt eher dem Opportunismus und nahe liegenden Karrierezielen geschuldet, als wirklicher Überzeugung. Forrer verband sein Beitrittsgesuch an die Berliner NSDAP mit der Hoffnung, dass er durch die Parteimitgliedschaft, die in jenen Jahren für höhere Positionen meist unerlässlich war, seine beruflichen Chancen für eventuelle zukünftige Berufungsverfahren verbessern könne. Schließlich hatte er an seiner eigenen Universität oft genug erlebt, dass Kollegen, die „PG“, also Parteigenossen, waren, eher zum Zuge kamen und in erhoffte Positionen berufen wurden als NichtParteigenossen. Auch in seinem eigenen Fach hatte er diese Vorgehensweise im Falle der Besetzung des vakanten Meissner–Lehrstuhls in Berlin durch Wolfram von Soden erlebt und war Zeuge dieser Besetzungspraktiken geworden. Die „Strippenziehereien“, die er ja selbst mit seiner Ver-
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bindung zu Hans Reinerth mehrfach anzuwenden versuchte, hatten ihn möglicherweise zu der Überzeugung gebracht, dass die Mitgliedschaft in der Partei das geringere Übel sei, wenn sich dadurch andererseits berufliche Ziele verwirklichen ließen. Forrer sind keine antisemitischen oder gar plumpen rassistischen Äußerungen im Nachlassmaterial nachzuweisen. Vielmehr lässt sich eine Adaption überzogener nationalistischer Äußerungen nationalsozialistischer Prägung, die das „Großreichsdenken“ widerspiegeln, belegen, die wohl Ausdruck seiner Überzeugung waren. Es liegt der Schluss fern, dass Forrer überzeugter Parteigänger werden wollte. Forrers Haltung zu übertriebenen nationalistischen Motiven, wie das Beispiel seiner aus heutiger Sicht merkwürdig anmutenden Ausführungen zum Staatsangehörigkeitsrecht im Zuge seiner gescheiterten Verbeamtung zeigt, lassen sich zeitlich erst ab 1939 fassen und haben ihre Ursache möglicherweise in der aufgeheizten Stimmung des beginnenden Krieges. Forrer suchte die Parteimitgliedschaft, weil er darin einen rein formalen Akt sah, um sich zukünftig berufliche Vorteile zu verschaffen. Angesichts der sehr langen Zeit ohne gesicherte berufliche Verhältnisse in der Wissenschaft vielleicht ein menschlich nachvollziehbarer Schritt, der aber dennoch einen negativen Beigeschmack hinterlässt. Gleichzeitig, so zeigen die Dokumente, markierte das Jahr 1941 auch Forrers zunehmende Verstrickung in die ausufernde Ämterstruktur des NS-Staates und dies ohne Not. Denn er engagierte sich zunehmend für die „Deutsche Sache“ ohne unter äußerem oder gar politischem Druck gestanden zu haben. Sein Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP wurde abgelehnt, da er nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besaß, aber Forrer wusste dieses „Manko“ durch Einsatz in parteinahen Organisationen zu kompensieren. Nach dem Kriege versteht Forrer es im Übrigen, dieses Beitrittsgesuch nicht nur unerwähnt zu lassen, sondern seine Schweizer Staatsbürgerschaft hervorzuheben und den seit jeher überzeugten Gegner des Nationalsozialismus zu geben, der aufgrund seiner Haltung Nachteile in Kauf genommen hat.
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Abb. 40 Handschriftlicher Brief an den Dekan der Phil. Fak. Berlin vom 11. Januar 1941
„11.1.1941 Sehr verehrter Herr Dekan! Ich gehöre, wie alle Dozenten, dem NS-Lehrerbund an. Meinem Antrage zur Aufnahme in die NSV oder NSDAP konnte nicht stattgegeben werden, weil Schweizer nicht aufgenommen werden. Heil Hitler! Dr. E. Forrer.“
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Der Beginn der Tätigkeiten für Wehrmachts- und Parteidienststellen Obwohl Forrers Gesuch zum Parteibeitritt nicht stattgegeben wurde, gab es einige Betätigungsfelder im Dickicht der Ämter und Organisationen des NS-Staates, in denen Forrer neue Betätigungsfelder findet. Eine kritische Distanz zur Ideologie des Nationalsozialismus oder eine kritische Reflexion des Dritten Reiches ist nicht feststellbar, es fehlt aber auch die fundamentale Zustimmung eines überzeugten Parteigängers. Ohne dazu aufgefordert worden zu sein, bietet Forrer freiwillig seine Kenntnisse verschiedenen Dienststellen an. Am 18. Mai 1941 schreibt Forrer an den Generalstab der Deutschen Wehrmacht einen kurzen Brief, der seine Erfahrungen und Kenntnisse mit den Ländern Türkei und Syrien herausstellt, die von seinen verschiedenen Forschungsreise herrühren. Er kenne „jeden Steg und Weg“ zwischen Ankara und Beirut. Er bietet eine soeben fertig gestellte Karte Mittelsyriens an, die „alle befahrbaren Wege für Autos angibt.“ „An den Generalstab Betrifft: Türkei und Syrien. Durch mehrjährige Forschungsreisen mit dem Auto in der Türkei und in Syrien habe ich eine so genaue Kenntnis der für Auto befahrbaren Wege in dem Gebiete zwischen Ankara und Beirut, wie kaum ein anderer. In ausgedehnten Gebieten kenne ich jeden Weg und Steg, weil ich für meine Forschungen jeden Ort besucht habe. Auch habe ich auf Grund der besten Quellen und unveröffentlichter handschriftlicher Militärkarten soeben eine Karte Mittelsyriens druckfertig hergestellt, die alle für Auto befahrbaren Wege angibt. Gewiss kennen viele Orientkämpfer das Gebiet noch vom Weltkriege her, aber in den bergigen Teilen Syriens hat sich die Situation für die fahrbaren Wege seitdem vollständig geändert. Es würde mich sehr freuen, wenn meine Kenntnisse irgendwie für die Deutsche Sache verwertet werden könnten. Heil Hitler E. Forrer Dozent an der Universität für Geschichte und Sprachen des alten Orients.“
Die wenigen Schreiben dieses Briefwechsels mit dem Oberkommando, die den Zeitraum vom 18. Mai bis zum 17. August 1941 umfassen, klären zunächst nicht direkt, ob Forrers Angebot von Seiten des Oberkommandos angenommen wurde. Die Diktion des Schreibens sowie die Antwort der Abteilung für Kartografie und Vermessung beim Oberkommando des Heeres legen nahe, dass Forrer mit diesem Schreiben freiwillig den ersten
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Schritt unternommen hat, denn die Dienststelle bedankt sich ausdrücklich für Forrers Schreiben und bittet ihn mitsamt seinem Material für Anfang Juni 1941 zu einem Gespräch in die Lützowstr. 60. Erst ein Schreiben an den nicht genannten Kurator der Universität aus dem Jahre 1942, leider ohne genaues Datum, belegt eindeutig die Freiwilligkeit dieses Unterfangens und die Art der Tätigkeit. 324 „An den Kurator der Universität Berlin Betrifft zeitweise Nebenbeschäftigung in Wehrmachtsdienststelle. Da nach Ihrer Mitteilung vom 16.I.1942 im Amtsblatt vom 2.2.1942 die Mitteilung an den Herrn Rector, die meinerseits am 12.6. 1941 erfolgt ist, nicht genügt, reiche ich hiermit folgende Mitteilung nach. Nachdem ich zu topographisch-archäologischen Forschungen im Auftrag der Deutschen Orientgesellschaft 1926 die Türkei, dann im Auftrag des Orientalischen Institutes der Universität Chicago 1929 Kreta, 1930 Cypern, (Palästina, Syrien) und Türkei bereist und schliesslich im Auftrag der Universität Bryn–Mawr (USA) 1934 an mehreren Stellen Ausgrabungen gemacht und daran anschliessend mit Hilfe meiner in USA gemachten Ersparnisse ein Jahr lan Syrien auf eigene Kosten erforscht hatte, habe ich während dieses Krieges unter Verwendung unveröffentlichten syrischen Kartenmaterials eine Karte eines Teils von Syrien gezeichnet, die nach ihrer Fertigstellung dem Generalstab zur Verfügung stellte. Bei dieser Gelegenheit erbot ich mich zu freiwilliger Mitarbeit, die auch angenommen wurde, da gerade kein besserer Kenner eines Landes im vorderen Orient zur Verfügung stand. Ich habe dann im Jahre 1941 unter restloser Verwendung meiner Freizeit und Ferien und Zurückstellung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit im Auftrage der militärgeographischen Abteilung des OKW (Oberkommando der Wehrmacht, Anm. d. Verf.) die militärgeographische Beschreibung eines Landes im Orient hergestellt. Bei dieser Gelegenheit habe ich eine neue und, wie wir hoffen, besonders für die Panzerwaffe geeignete Geländedarstellung entdeckt, an deren Ausarbeitung ich seither in Verbindung mit dem Reichsamt für Landesaufnahme tätig bin. Dem letzteren hatte ich ein Blatt der türkischen Landesaufnahme, das ich seinerzeit vom türkischen Aussenminister erhalten hatte und das dem Generalstab fehlte, für seinen Nachdruck zur Verfügung gestellt. Heil Hitler!“
Forrer hat also freiwillig – aus Überzeugung und in seiner Freizeit – eine Militärkarte Syriens mit einer besonderen Darstellung der Geländehöhen erstellt, die für die „Panzerwaffe“ besonders geeignet sein sollte. Hierfür hat Forrer der Militärgeographischen Abteilung 465 Reichsmark berechnet. Die Zusammenarbeit sollte ursprünglich noch weiter fortgesetzt werden, da Forrer auch noch eine „Wasserkarte“ zur Bearbeitung unter dem Siegel „Geheim“ zugeschickt bekam. Diese Kooperation endete aber wenige Tage 324
Siehe auch Dokument 46 der CD-ROM.
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später, als das Amt mitteilte, es habe im Rahmen der Freiwilligenzuweisung ein Kontingent Hilfskräfte erhalten und könne nun die notwendigen Arbeiten selbst sicherstellen.
Abb. 41 Als „Geheim“ eingestuftes Dokument des Oberkommandos der Wehrmacht
Forrer engagierte sich in befremdlichen Maße für organisatorische Fragen zukünftiger Expansionen und deutscher Feldzüge. Die Erfolge Erwin Rommels und seines „Afrika-Korps“, das zu jenem Zeitpunkt gegen die britische Armee in Nordafrika und Ägypten kämpfte und aus Rommel in der manipulierten deutschen Öffentlichkeit einen „Helden“ machte, scheinen auch Forrer derart beeindruckt zu haben, dass er ganz offensichtlich der Auffassung war, für die nächsten Feldzüge der Wehrmacht im Vorderen Orient seinen Beitrag leisten zu müssen. Auch der Kontakt zu Hans Reinerth, dem vermeintlichen „Oberarchäologen“ des Deutschen Reiches, blieb ständig erhalten und sollte bald befremdliche Früchte tragen, die Forrer letztendlich sogar zum Mitglied einer
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zukünftigen NS-Kaderschmiede werden lassen sollten. Reinerth leitete immer noch das vom Amt Rosenberg gestützte und finanzierte Reichsamt für Vor- und Frühgeschichte und lieferte mit seinen Forschungen sogenannte Indizien und Beweise für die abstrusen Geschichts– und Rassetheorien der NS-Ideologie.325 Reinerth und Forrer verabredeten zu Beginn des Jahres 1943, dass Forrer im Auftrage des Reichsamtes tätig werden könne, da die bewilligten Forschungsmittel für 1943 ein größeres neues Projekt zuließen. Das Thema war schnell gefunden. Forrer sollte eine neue umfangreiche Chronologie des Alten Orients sowie Ägyptens aufstellen und konnte dabei seine chronologischen Forschungen aus den späten Zwanziger Jahren aufgreifen, die mit den gemeinsamen Finsternisberechnungen Forrers und Schochs ihren Anfang genommen hatten. Für diese Tätigkeit wollte Reinerth Forrer ein Stipendium verschaffen und ihn an geeigneter Stelle vorschlagen. Auch wenn man Forrer positiv unterstellt, nur an der Realisierung seiner Forschungsabsichten interessiert gewesen zu sein, hat er sich hier an dieser Stelle direkt mit dem ideologischen Apparat des NS-Regimes eingelassen. Diese Vorhaben wären auch im Rahmen seiner bereits mit Gehalt versehenen Forschungen an der Universität möglich gewesen.
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Siehe hierzu vor allem das mehrbändige Werk Vorgeschichte der deutschen Stämme, hrsg. Von Hans Reinerth, Bd. 1, Urgermanen und Westgermanen, Bd. 2, Westgermanen, Bd. 3. Ostgermanen und Nordgermanen, Leipzig 1940, das in extenso das „Führertum der Germanen“ rassenkundlich zu begründen sucht und dabei nicht davor scheut, angeblich altsteinzeitliche germanische Siedlungen als Zeugen dafür zu benennen.
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Abb. 42 Brief von Reinerth an Forrer
Ein Schreiben vom 7. Juli des Jahres 1943 von Reinerth an Forrer zeigt, dass neben Macht, Einfluss, Ehre oder Geld Forrer ganz offenbar ein noch viel handfesteres Motiv hatte, den eingeschlagenen Weg mit dem einfluss-
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reichen Reinerth weiter zu beschreiten. Da Reinerth vor allem in Berlin über sehr viele Verbindungen und Einfluss verfügte, die Forrer seinerzeit schon bei der Bewerbung für den Assyriologie Lehrstuhl in Berlin nutzen wollte, hoffte er im Jahre 1943, doch noch Kustos an der Vorderasiatischen Abteilung werden zu können und somit an eine der Schaltstellen der Hethitologie zu gelangen. Reinerth sollte die wichtigen Hintergrundgespräche führen und erkunden, ob ein Vorstoß auf die Kustodenstelle günstig erschien. Offenbar reichte aber auch Reinerths Einfluss in dieser Angelegenheit nicht aus.326 „Lieber Herr Kollege! In der Angelegenheit Ihres evtl. Einsatzes als Kustos an der Vorderasiatischen Abteilung der Staatl. Mussen habe ich in den letzten Wochen einige Rücksprachen genommen. Das Ergebnis ist leider nicht günstig. Es besteht zunächst keine Neigung, Sie auf diesen Ihrer bisherigen Arbeit und Leistung zukommenden Posten zu stellen. Über die Gründe können wir uns mündlich unterhalten. Jedenfalls erscheint es richtig, für einen offiziellen Vorstoss eine Zeit abzuwarten, in der Ihre Leistung in besonderem Masse offensichtlich wird. Ich möchte Ihnen daher vorschlagen, dass ein erneuter Versuch im Anschluss an Ihre Veröffentlichung der Ergebnisse über die Indogermanisierung des alten Orients und im Anschluss an Ihren Vortrag im Reichsbund im Herbst erfolgen soll. Von Ihrem Brief vom 2.6.1939 an das Reichserziehungsministerium, mit dem Sie sich auch um die Kustodenstelle am Vorderasiatischen Museum bewerben, habe ich Abschrift genommen und gebe den Originaldurchschlag anbei zurück Mit den besten Grüssen und Heil Hitler! Ihr ergebener H. Reinerth“
Die Zusammenarbeit Reinerths und Forrers gedieh auch über das Jahr 1944 und führte Beide immer enger zusammen. Forrer überzeugte Reinerth, seine aktuellen Forschungen, die in einem Buch über die „Indogermanisierung des Alten Orients“ und die Genese eines „indogermanischen Weltreiches“ münden sollten, zu unterstützen. Wie die Unterlagen zeigen, war Reinerth auch Mitglied im Stab des „Aufbauamtes der Hohen Schule der NSDAP“. Diese geplante Kaderschmiede für Partei- und NS-Größen sollte eigentlich erst nach dem erfolgreichen Abschluss des Weltkrieges errichtet werden und ihren Sitz am Chiemsee haben.
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Siehe auch Dokument 47 der CD-ROM.
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Die Hohe Schule der NSDAP „Die Hohe Schule soll einst die zentrale Stätte der nationalsozialistischen Forschung, Lehre und Erziehung werden. Ihre Errichtung wird nach dem Kriege stattfinden. Um jedoch die begonnenen Vorarbeiten zu fördern, ordne ich an, dass Reichsleiter Alfred Rosenberg diese Vorbereitungsarbeiten – vor allem auf dem Gebiet der Forschung und der Errichtung der Bibliothek – weiterführt. Die Dienststellen von Partei und Staat sind gehalten, ihm in dieser Arbeit jede Unterstützung angedeihen zu lassen.“ Adolf Hitler Führerbefehl vom 29. Januar 1940
Bereits Anfang 1939 wird in Berlin die sogenannte „Zentralbibliothek“ als Forschungsbibliothek eines Instituts der Partei gegründet, das sich „Hohe Schule“ nennt und dessen Einzelinstitute im ganzen Reichsgebiet verteilt sind. Der eigentliche Name ist „Zentralbibliothek der Hohen Schule (NSDAP).“ Die „Hohe Schule“ sollte unter der Leitung von Alfred Rosenberg eine Art Akademie für Parteifunktionäre werden. Bibliotheksrat Dr. Walter Grothe von der Landesbibliothek Kassel wird im Mai 1939 ihr Direktor und bleibt dies, was die Zentralbibliothek betrifft, bis zum Ende des Krieges. Er ist Dr. Kurt Wagner, dem technischen Direktor der „Hohen Schule“, unterstellt. Gemäss Rosenberg soll die Bibliothek umfangreiches Material zusammenfassen, das sich mit allen Aspekten des „Germanentums“ beschäftigt. Die „Hohe Schule“ verfügte über mehrere Institute, so eröffnet Rosenberg zum Beispiel am 26. März 1941 als erste Außenstelle der „Hohen Schule“ in Frankfurt/Main das „Institut zur Erforschung der Judenfrage“. Die Planungen sehen vor, dass dieses Institut ebenfalls eine umfangreiche Bibliothek und ein Archiv erhalten soll. Alle Bücher, die sich mit dem Judentum beschäftigen, werden direkt nach Frankfurt geschickt. Der Bestand der Bibliothek in Frankfurt umfasst am 1. April 1943 etwa 550.000 Bände. Finanziert werden das „Aufbauamt der Hohen Schule“, ihre Institute und ihre Bibliotheken durch die NSDAP. Im Oktober 1942 wechselt die Zentralbibliothek von Berlin nach Kärnten und Teile der Bibliothek werden im Schloss Tanzenberg verstaut, wo gegen Kriegsende auch die gesamte „Hohe Schule“" untergebracht wird. Bereits ab 1943 gab es einen Stab an Mitarbeitern, die den Aufbau der „Hohen Schule“ als Universität und Kaderschmiede für die zukünftigen Eliten des NS-Staates zur Aufgabe hatten. Leiter des Aufbauamtes war Alfred Baeumler, 327 der direkt dem
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Leiter des Aufbauamtes war Alfred Baeumler,327 der direkt dem Amt Rosenberg unterstellt war. In den letzten Kriegstagen, im Mai 1945, wird die Zentralbibliothek noch der Landesbibliothek Kärnten zugeordnet und dort wird sie nach dem Krieg von den Amerikanern übernommen. Zu Beginn des Jahres 1944 wird Forrer mit seinem Forschungsprojekt zur Chronologie des Alten Orients in die Zuständigkeiten des Stabes der Hohen Schule überführt, ohne dass Forrer gegen diese Vereinahmung durch ein hochrangiges NSDAP-Projekt Zweifel oder Skrupel gekommen wären. Forrer wird mit seinem Forschungsprojekt Teil der ideologisch orientierten Forschung. Am 25. Januar 1944 erkundigt sich Reinerth nach dem Stand der Arbeiten Forrers für die Hohe Schule.
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*19. November 1887 (Neustadt) – † 19. März 1968 (Eningen)
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Abb. 43 Forrers Tätigkeit für die „Hohe Schule“
Auch spätere Dokumente belegen, dass Forrer mit dem Aufbauamt der Hohen Schule brieflich korrespondierte und für diesen Stab wissentlich tätig war.
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Abb. 44 Brief von Reinerth an Forrer vom 22. September 1944
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Forrer berichtet Reinerth und der Stabsstelle der Hohen Schule zwar nur über seine Forschungsergebnisse, hat aber eindeutig nichts dagegen einzuwenden, dass seine Forschungen von der NSDAP bezahlt und im Sinne der von ihr vertretenen Ideologie verwendet werden sollen. Forrer hat die Distanz zur Vor- und Frühgeschichtsideologie des Dritten Reiches verloren. 328
Die Forschungsstelle Orient Zu Forrers schwindender Distanz passt auch, dass er ab 1944 für die neugeschaffene „Forschungsstelle Orient“ zu arbeiten beginnt, einer neuen Abteilung, die vor allem die in Deutschland tätigen Orientalisten zu gewinnen suchte. Diese neue Institution, die – wie es hieß – „im Zuge der kriegsbedingten Vereinfachungen“ als neue Abteilung der Stiftung für Landeskunde beim Reichsinnenministerium geschaffen wurde, hatte den Auftrag, Orientalisten für Dolmetscher- und Berateraufgaben, Erstellung von Kartenmaterial und der Anfertigung landeskundlicher Dossiers zu erfassen und zur Mitarbeit zu bewegen. 329 Betr. Erschliessung von Orientmaterial für die „Forschungsstelle Orient“. Sehr verehrter Herr Doktor! Im Zuge der Vereinfachungsmaßnahmen wurde vom Herrn Reichsminister des Innern die „Reichsstiftung für Länderkunde“ mit dem Sitz in Berlin geschaffen. In ihrem Rahmen bearbeitet nunmehr die „Forschungsstelle Orient“ alle für die Gegenwart und Zukunft bedeutsamen Fragen, die sich auf den Vorderen Orient beziehen. Um Doppelarbeiten einerseits, Brachliegen wichtigen Materials andererseits zu vermeiden, erscheint es zweckmässig, in einer Zentralstelle alle Unterlagen über die Orientkenner im deutschen Machtbereich zu sammeln. Ich darf mich daher mit der Bitte an Sie wenden, mir einige diesem Zwecke dienende Mitteilungen zu machen. Besonders interessieren uns Angaben, in welchem Umfange Sie im Besitz von eigenen oder erworbenen Photographien, Diapositiven, Skizzen, Stadtplänen, Sonderkarten, Reiseführern, Fahrplänen Zeitungsausschnittsammlungen, etc. sind.
Neben der Tätigkeit für die Hohe Schule der NSDAP im Verbund mit dem regimetreuen Reinerth begab er sich somit in ein weiteres Tätigkeitsfeld im Umfeld des nationalsozialistischen Parteiapparates. Zwar sind keine rein ideologischen Arbeiten Forrers bekannt und das engere Thema Alter Orient ist immer sein Forschungsgebiet geblieben, aber dies – so ist kritisch anzumerken – hätte Forrer ohnehin durch seine Dozentur an der Universi328 329
Siehe auch Dokument 49 der CD-ROM. Schreiben vom 11. November 1944 an Forrer vom Leiter der Forschungsstelle Dr. Walter Lorch. Siehe auch Dokument 49 der CD-ROM.
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tät wahrnehmen können, wenn er auf Distanz zum Dritten Reich gesteigerten Wert gelegt hätte. Dies war aber seit 1941 nur noch selten der Fall. Forrer ließ sich mit Forschungsaufträgen immer tiefer in die Strukturen der verschiedenen, teils zu universitäten Einrichtungen konkurrierenden Abteilungen der Partei, einbinden. Der Korrespondenz nach bietet Forrer der Forschungsstelle sein umfangreiches Bild- und Fotomaterial seiner Forschungsreisen zur Sichtung und Auswertung an. Gern hätte man seine Ausführungen zur Chronologie oder zur Indogermanisierung des Alten Orients heute vorliegen, um besser beurteilen zu können, was Forrer in diesem Kontext durch den Kopf ging. Teile seiner Forschungen flossen sicherlich in das 1946/47 fertiggestellte Werk Forschungen V, 8000 Jahre Menschheitsgeschichte im alten Orient ein und lassen einen Blick in seine Gedankenwelt zu.330 Auch eine kollegiale Anfrage an Wilhelm Brandenstein kann Licht in diese Frage bringen.
Die „Manda-Leute“ und die Indogermanisierung des Orients Im Jahre 1943 deutet Forrer in einem Brief vom 20. April an den Indogermanisten und Orientalisten Wilhelm Brandenstein zumindest an, welche Überlegungen und Thesen ihn bezüglich der Indogermanen im Orient umtreiben. „Sehr geehrter Herr Kollege. Auf Ihre Verschwiegenheit bauend, teile ich Ihnen meine im November 1942 gemachte Entdeckung in kurzen Worten mit: Ein babylonischer Text erzählt bei richtiger Übersetzung klar & entschieden (?). Das Manda-Heer (das sind die Urindogermanen) drang vom Westen Kleinasiens her in den alten Orient ein, der mit Ostkleinasien begann & eroberte erst dies, dann Subartu, wandte sich erst nach Syrien & besiegte die Meere (d.h. gewann die Seeherrschaft im Mittelmeer), eroberte dann Gutium (Assyrien) & Babylonien rechts liegen lassend, Elam, erreichte dort die Küste setzte erst nach Magan (OstArabien) über, besiegt es & schließlich auf dem Seewege (!) auch MeluΔΔa (das Industal). Danach greifen sie auch Babylonien an und zwar zur Zeit Naram-Sins, den der Text für den von Agade hält. Das kann ich aber als sicher falsch erweisen. Es ist vielmehr der Naram-Sin von Eçnumak, eine Generation vor Çamçi-Adad I. Nach diesem wird Babylonien auf 30 Jahre erobert. ˆammurapi macht diesem Manda-Reich ein Ende und wird im Laufe der nächsten Jahre bis zum Taurus sein Erbe. Der Manda-Rest wandert wahrscheinlich nach Medien aus, wo sie lautgesetzlich zu Mada werden. Vielleicht wanderte ein Teil nach Indien aus. Von Medien aus suchen sie später über Subartu wieder den Anschluss an West-Kleinasien 330
Zu diesem Werk siehe p. 322
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1941–1948. Die letzten Jahre in Europa zu gewinnen, wo das Ur-Reich der Manda bestanden haben muss & zwar schon mehrere Generationen bevor es im alten Orient spätestens 1780 begann und spätestens 1700 durch ˆammurapi endete, in Ungnads Chronologie 64 Jahre früher. Die historische Auswertung möchte ich mir vorbehalten. Für den Indogermanisten entstehen folgende Probleme: Lassen sich im Sanskrit zwei Schichten unterscheiden: 1. Manda-Schicht, 2. eine aus Nord-Ost kommende? Wenn überhaupt von den Persern eine daher kam. Umfasste das ursprüngliche Manda-Reich außer Wetskleinasien auch die Balkanhalbinsel? Waren sie die Kentauren, denn es wird angegeben, dass sie ins Land geritten seien. Erklären sich die Gemeinsamkeiten des Griechischen mit dem IndoIranischen durch die Gemeinsamkeit der Manda-Schicht? Hat Griechenland also zwei oder gar drei indogermansiche Einwanderungen erlebt? Die Entstehung des Pferdewagens, die eine hohe Verkehrskultur in Westkleinasien voraussetzt, kann m.E. kaum zweifelhaft sein. Die tabalische Bilderschrift, die in Westkleinasien ihre Heimat haben muss, kann ursprünglich nur die Schrift der Manda gewesen sein. Usw. Usw. Durch diese Mitteilung möchte ich Ihnen Gelegenheit geben, sich frühzeitig eines der idg. Probleme anzunehmen, so dass Sie im Herbst, wenn mein erstes Heft darüber erscheint, die Diskussion mit Vorsprung aufnehmen können. Ob eine so kleine zur See transportierte Menge an Manda-Kriegern eine so nachhaltige Wirkung auf Indien haben könne, würde man mit Recht bezweifeln, wenn nicht ganz Amerika in gleicher Weise seine heutige Bevölkerung erhalten hätte. Dem ersten Schub können ca. 70 Jahre immer weitere gefolgt sein. Ein solches arisches Reich mitten im alten Orient hätte auch ich nicht erwartet & eigentlich bin auch ich selbst noch immer voller Staunen. Indem ich nochmal an die Strenge Vertraulichkeit meiner Mitteilung erinnere, bin ich überzeugt, dass Ihre Phantasie nun auf lange Zeit mit ? ? beschäftigt ist. Mit herzlichen Grüßen E. Forrer Übrigens halte ich natürlich an Ahhijawa = myken. Griechenland etc. im vollen Umfang fest & halte alles andere für baren Unsinn. Man darf sich durch die Winkelzüge Sommers nicht täuschen lassen.“
Die Publikationsnummer des babylonischen Textes, der ihn zu diesen sehr umfangreichen und phantasievollen Spekulationen bringt, nennt Forrer nicht, aber die Antwort Brandensteins fällt doch recht kritisch aus. Die Antwort Brandensteins vom 23. April 1943.331
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Siehe Dokument 50 der CD-ROM.
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„Sehr geehrter Herr Kollege! Ihr hochinteressanter Brief, dessen Inhalt selbstredend ganz bei mir bleibt, kam soeben an. Die historische Bedeutung Ihrer Entdeckung ist mir restlos klar. Doch muß ich einige Einzelheiten Ihrer Interpretation bezweifeln; u. zw. 1) Manda = Uridg.? wird niemand glauben; besonders wenn Manda > Mada = Medes sein soll (siehe aber Pkt. 3)! Denn die medische Sprache ist iranisch (nicht einmal ur=indo=iranisch!). 2) MeluΔΔa = Indus-tal müsste natürlich ausführlich bewiesen werden. 3) Manda > Måda ?? Der Nasal schwindet nicht, sondern wird im Ap. bloß nicht geschrieben; die anderen Sprachen, die persische und medische Namen und Wörter hören, haben diesen Nasal gewöhnlich mitgehört (später ja nicht mehr)! Bei måda = Namen findet sich dieser Nasal jedoch nirgends; daher dürfte die Gleichung Manda > Måda nicht möglich sein. 4) Im Altind. kann man das Indische des Rigveda von dem des Sanskrit unterscheiden (ist nicht ein chronologischer Unterschied). Aber daß man eine „medische“ Schicht im Ai. herausschälen kann, glaube ich nicht. Man könnte es versuchen! 5) Die Kentauren gehören wohl anderen Vorgängen an, was man vermutlich sprachlich zeigen kann. Die Lapithen, die dann nicht zu trennen sind, scheinen mir der lautverschiebenden Schicht (die Kretschmer m. E. irrigerweise „protoidg.“ nennt) anzugehören. daß sie ins Land geritten sind, verweist sie auf eine spätere Zeit fisubmykenisch^. Streitwagen hingegen aber s. Pkt.7. 6) M. E. sind in Griechenland in der vormykenischen Bronzezeit hethitische Völker (Luvier?) eingewandert. 7) Nach Wiesner ist der Streitwagen erst im 17.? / 16. Jhdt. aufgetreten. 8) Auf Ihr „erstes Heft“ über diese Fragen darüber bin ich sehr begierig. Aber ob ich die Diskussion darüber sofort aufnehmen kann, ist mehr als fraglich. Denn wo werde ich im Herbst sein?! Bedenken Sie, daß ich seit weit mehr als 3 Jahren immer im heftigen Einsatz stand, kaum etwas ableiten konnte, von der Literatur dieser 3 1/2 Jahre nur wenig weiß, usw. usw. 9) Daß eine kleine Menge von Einwanderern eine große Wirkung ausübt, dafür gibt es noch andere Beispiele, z.B. die Etrusker; ferner die Wikinger. 10) Bezgl. Ahhijawa bin ich zu folgender Überzeugung gekommen. Ein nicht belegtes *AΔh(a)jå= Griechenland; dann wurden mykenische Kolonien in Griechenland gegründet, welche AΔΔajwå > Ahhijawa genannt wurden. Nochmals vielen Dank für Ihre hochinteressante Mitteilung! Ihr sehr ergebener Brandenstein“
In einem am 15. Juli 1945 verfassten Schreiben, in dem Forrer seine Kenntnisse und Forschungsleistungen auf Anfrage des Amtes für Wissen-
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schaften in Berlin-Dahlem mitteilen muss, finden sich ebenfalls einige wenige Zeilen zu diesem Thema: „Im Nov. 1942 habe ich erkannt, dass in einigen Keilschrifttexten die Geschichte des Zuges der Ur-Inder von SO-Europa durch den Orient nach Indien und ihre Gründung eines ephemeren Weltreiches vorliegt. Sie gibt der Vorgeschichte erstmalig feste Daten für die Zeit um 2000 v. Chr. Das umfangreiche Buch darüber kann in 2/3 Monaten ruhiger Arbeit druckfertig gestellt werden, was meine allererste Aufgabe ist.“
Forrers Kriegslist – ein Vorschlag an das Oberkommando der Wehrmacht Ein weiterer Beleg für das Engagement Forrers in der „Deutschen Sache“ und der offenbar geschwundenen Distanz zum NS-Regime ist ein Vorschlag Forrers vom 14. Oktober 1944 an das Oberkommando des Heeres. Er fühlte sich berufen – aus welchen Gründen auch immer – einen gut gemeinten Rat zu erteilen. Ob er darauf eine Antwort enthielt, ist nicht überliefert. „Brief an das Oberkommando des Heeres vom 14.10.1944 An das Oberkommando des Heeres Berlin W 35 Tirpitzufer 72–76 Betrifft: Kriegslist-Kesselfalle Die Griechen des Altertums haben ihre schönsten Siege über die übermächtigen Perser meistens durch Kriegslisten gewonnen. Ich überlege mir daher, ob nicht auch jetzt Siege durch Kriegslisten möglich wären. Folgende scheint mir gut ausführbar und Erfolg versprechend. Mit Speck fängt man Mäuse. Der Speck ist hier der Wunsch der Gegner durchzubrechen, und die Amerikaner kenne ich durch meinen Aufenthalt in Amerika als naiv genug einen scheinbaren Durchbruch für einen wirklichen zu nehmen und in die Falle zu gehen. Als Kesselfalle kann jede Landstraße dienen. Wo sie die Front durchbricht, müssen die Eckpfeiler gut getarnt, so stark gemacht werden, daß sie die kleine Lücke jederzeit sofort schließen können. Die Straße selbst muß 5 bis 10 km lang rechts und links in entsprechender Entfernung mit Einmannlöchern versehen werden, die z. B. mit einem Brett und Gras darauf abgedeckt werden. Darin sitzt – ganz unter Erdgleiche – je ein Mann mit Panzerfaust oder dergleichen. Alle Löcher müssen durch Telefon mit der Zentralstelle der Falle verbunden sein.
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Erst wenn der erste Feindpanzer das Ende der Falle erreicht hat wird telefonisch das Zeichen zu gleichzeitigem Angriff und zum Schließen der Eingangslücke gegeben, keinesfalls vorher. Zum Schein müssen natürlich Rückzugsgefechte geliefert werden. Reserven müssen für unvorhergesehene Fälle bereit stehen. Voraussetzung ist natürlich, daß genügend Pak für diesen Zweck freigesetzt werden kann. Das Ideal ist, daß jede die Front querende Straße als Falle eingerichtet wird und die Pak-Männer des betreffenden Abschnitts auf ein verabredetes Zeichen hin diese Fallen besetzen, z. B. auch im Falle eines wirklichen Durchbruchs. Für den letzteren Fall empfiehlt es sich an den Hauptdurchbruchsstraßen so weit hinter der Front Kesselfallen anzulegen, daß sie im Falle eines Durchbruchs noch rechtzeitig ganz besetzt werden können, insbesondere in solcher Tiefe, wo der Feind freies Land erreicht zu haben glaubt. Solche Kesselfallen wären als Quersystem eine geeignete Ergänzung zur allgemeinen Längsfront. Genau durchdacht, gut organisiert und der Gegend angepaßt scheint mir die Kesselfalle ein Mittel, der Übermacht Herr zu werden. Bereit zu weiterer Mithilfe bin ich mit den besten Wünschen und Heil Hitler “
Eine Antwort seitens des Oberkommando des Heeres auf diesen offenbar nicht eingeforderten Ratschlag ist im Nachlassmaterial ist nicht enthalten.
Forrers vierte Ehe mit Dorothea Haupt Im Jahre 1943 scheitert auch Forrers dritte Ehe mit Frau Käthe Przewlowsky und er teilt die Scheidung offiziell der Verwaltung der Universität mit. Mehr als die kurze Mitteilung über die Umstände oder gar den Verbleib seiner Frau und seiner beiden Kinder ist den Unterlagen nicht zu entnehmen. Am 30. Dezember 1944 heiratet Forrer ein viertes und auch letztes Mal. Die junge, 1921 geborene, Mediävistik-Studentin Elsa Dorothea Haupt, die auch zu den Hörerinnen von Forrers Seminaren gehörte, wird wenige Monate vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges seine Ehefrau. Mit ihr bleibt er bis zu seinem Tode 1986 in El Salvador verheiratet.
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1945 – der Zusammenbruch des Dritten Reiches und Forrers letzter Versuch in der Berliner Wissenschaft unterzukommen Als im April 1945 die rote Armee ihre entscheidende Offensive auf Berlin startete, hielt sich Forrer in seinem Haus in der Siedlung in Erkner auf. Der reguläre Studienbetrieb mit ordentlich ausgewiesenen Vorlesungen oder Seminaren an der Universität war längst eingestellt und das private wie auch das öffentliche Leben bestand nur noch aus der Organisation des täglichen Überlebens. Alles war vollkommen unter das Diktat der Kriegsgeschehnisse gestellt. Am 25. April 1945 trafen die zwei Angriffskeile der vorrückenden Roten Armee, die die deutschen Verteidigungslinien durchstoßen hatten, nördlich von Postdam zusammen und schlossen Berlin ein. Zuvor waren im Großraum des Berliner Umlandes bereits heftige Gefechte zwischen den Resten der deutschen Wehrmacht und der Roten Armee vorausgegangen. Die Kämpfe um Berlin forderten viele Opfer unter der Zivilbevölkerung. In der Siedlung in Erkner engagierte sich Forrer während dieser apokalyptischen Wochen mit großer Zivilcourage für die ortsansässige Bevölkerung und versuchte das Leid und Elend seiner Nachbarn, soweit es in seinem Mitteln stand, zu lindern, wie das Material und die Aussagen seines Sohnens belegen. Wenn es die Lage zuließ und auch ein gelegentlicher Zugverkehr durch die Reichsbahn gewährleistet war, fuhr Forrer nach Berlin, um unter anderem auch Kontakt zu seinen dort lebenden Familienangehörigen zu halten. Emil Forrer hatte im Frühjahr 1945 unter dem Eindruck der schnell vorrückenden Teile der Roten Armee weite Teile seiner Bibliothek, wissenschaftlichen Unterlagen und Korrespondenzen nach Berlin-Dahlem gebracht, wo seine Schwester Marie Süffert mit ihrem Mann lebte, deren Wohnung offenbar als Treffpunkt für die Familie und als Nachrichtenbörse fungierte. Über Marie wurde in diesen letzten Kriegsmonaten ausgetauscht, wer die Bombenangriffe überlebt hatte und wie es um das jeweilige Wohl von Angehörigen, Bekannten und Freunden stand, soweit man es überhaupt wusste. Emil Forrer und sein ältester Sohn Wolfgang hielten über Marie Kontakt. Forrer trat an in jenen Tagen an seinen Schwager Fritz Süffert mit der Bitte heran, einen Teil seiner Korrespondenz und Schriften bei ihm einlagern zu können, damit sie in den Kriegswirren nicht verloren gehen. Dass dieser Bitte offensichtlich entsprochen wurde, zeigt der Fund der Forrerschen Kisten 40 Jahre später durch einen Lageristen, der die jetzt ausgewerteten Briefe in jener Halle fand. 332 332
Siehe hierzu auch das Vorwort.
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Aus einem Tagebucheintrag seiner Frau Dorothea geht hervor, dass man in den letzten Tagen des Krieges – solange die Kämpfe in den Straßen Berlins tobten – in Erkner blieb und auf das Ende der Kämpfe hoffte. Eine Möglicheit nach Berlin zu kommen, gab es jetzt nicht mehr. Die sogenannte Hauptkampflinie war absolut unpassierbar. Als Berlin am 2. Mai 1945 kapitulierte und die Reste der kämpfenden deutschen Truppen, überwiegend Volkssturmabteilungen, rekrutiert aus alten Männern sowie Kindern und Jugendlichen der Hitlerjugend, Einheiten ausländischer SS-Verbände aus Lettland, Litauen und aus Norwegen, sich der Roten Armee ergaben, war Berlin eine Tümmerlandschaft. Öffentliches Leben existierte nicht mehr und die Menschen, die überlebten, waren auf der Suche nach Freunden und Angehörigen, nach Unterkunft und Lebensmitteln. Angesichts dieser Situation gab es kaum Pläne für die Zukunft, man lebte von Tag zu Tag. Die Straßenkämpfe hatten ein furchtbares Bild hinterlassen. Auch die Staatlichen Museen zu Berlin waren durch die massiven Kampfhandlungen sehr in Mitleidenschaft gezogen worden. Teile der Sammlungen wurden zwar ausgelagert und befanden sich bei den Kämpfen in Berlin nicht in den Kellern und den Räumen des Museums, aber ein immer noch beträchtlicher Teil der wertvollen Sammlungen konnte nicht in Sicherheit gebracht werden. Einige der Kulturschätze beherbergte der Flakturm am Zoo, in den auch der sogenannte Schatz des Priamos gebracht worden war, einiges war in den Katakomben und Tresoren der Alten Münze, der Münzprägeanstalt des Deutschen Reiches deponiert. Wenn die Tagebucheintragungen korrekt sind, wurden Teile nach Karlshorst und in verschiedene Salzbergwerke gebracht, um die musealen Schätze vor Zerstörung und Raub zu verstecken. Das erwähnte Tagebuch beschreibt in seinen manchmal sehr knappen, stichwortartigen Eintragungen eine spannende Episode unmittelbar nach Kriegsende im Museum. Es setzt mit seinem ersten Eintrag am 28. Mai 1945 ein. Dieser Eintrag lautet: „Mein Brief an den Oberbürgermeister von Berlin, von Prof. A. Kanger durch Sonderboten abgegeben.“
Ein handschriftliches Konzept des Briefes findet sich ebenfalls in den Unterlagen. Es ist ein sehr interessantes Dokument aus der Zeit unmittelbar nach Kriegsende in Berlin, das zum einen eine geschickt formulierte Mischung aus altbekannter Anklage – vor allem gegen Ehelolf – zeigt und zum anderen die eigenen Leistungen heraushebt. Vor allem bezeugt es Forrers deutliche Geschichtsklitterung bezüglich der eigenen Haltung gegenüber der NSDAP und seinem noch nicht sehr fernen Bestreben der Partei
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beizutreten. Im Gegenteil, Forrer begibt sich, wie so viele, angesichts der neuen Zeiten in die Rolle des Opfers des NS-Staates. 333
„Berlin 28. Mai 1945 An den Herrn Oberbürgermeister von Berlin. Gesuch um Vollmacht für die Vorderasiatische & evtl. ägypt. Abteilung der Staatlichen Museen zu Berlin. Ich, Dr. Emil Forrer, bin in Deutschland (Straßburg i. Els. 1894 geboren & Schweizer Staatsangehörigkeit, habe in Straßburg & Berlin studiert, in Berlin den Doctorgrad erworben (schriftlich eximium, mündli. magna cum laude) & bin seit 1925 Dozent an der Universität Berlin für Geschichte & Sprachen des alten Orients. (Über der Zeile geschrieben) 1926 machte ich im Auftrag der Deutschen Orientgesellschaft eine Forschungsreise. Während der folgenden Jahre gab ich im Auftrage der Deutschen Orientgesellschaft die Keilschrift-Texte von Boghazköi heraus, die in der Vorderasiatischen Abteilung der staatlichen Museen (am Lustgarten) lagerten. Ich hatte daher dort im Museum jahrelang mein Arbeitszimmer & bin mit dem Betrieb dort gut vertraut & und auch unter den Beamten persönlich bekannt. Der Director der Vorderasiatischen Abteilung, Prof. Dr. Andrae, Parteimitglied, ist zwei Wochen vor der Einnahme Berlins gestorben. Der (erste) Kustos für die Keilinschriften, Prof. Dr. Ehelolf, Parteimitglied, ist bereits vor einigen Jahren gestorben; seine Stelle für die ich der nächste Anwärter war, wurde offen gelassen, da ich nicht in die Partei eintrat. Der (zweite) Kustos für die Denkmäler, Prof. Moortgat, ebenfalls Parteimitglied, aber ein vernünftiger Mann, wird weit außerhalb Berlins & für längere Zeit nicht erreichbar sein. Das Gedeihen der Vorderasiatischen Abteilung & ihrer wissenschaftlichen Werte hat mir seit jeher am Herzen gelegen; z.B. bin ich es, der die nun 34 Bände zählende Veröffentlichung der „Keilschrifturkunden aus Boghazköi“ trotz der damaligen außerordentlichen Schwierigkeiten ins Leben gerufen hat, fünf weitere Zeitschriften meines Gebietes verdanken ihre Entstehung meiner Initiative & ersten Hilfe. Prof. Ehelolf verstand es aber, sich überall in das von mir geschaffene Nest zu setzen, verdrängte mich aus dem Arbeitszimmer im Museum, übernahm die genannte Publikationsreihe, setzte sich in den von mir geschaffenen Thesaurus der hethitischen Sprache usw. Ich nahm 1929 einen Ruf als außerordentlicher Professor für Hethitologie an die Universität Chicago (USA) an & machte in deren Auftrag bis 1932 auch Forschungsreisen nach Kreta, Syrien & der Türkei. 1933–1934 war ich Gastprofessor für semitische Sprachen an der Universität Baltimore (USA) & führte im Auftrag der US amerikanischen Akademie der Wissenschaften & der Universität Bryn Mawr (USA) Ausgrabungen in der Türkei und in Syrien durch. Vorträge, die ich zwischendurch an zwei Schweizer Universitäten hielt & eine Einladung nach Kopenhagen kurz vor Kriegsausbruch zeigen, dass ich in der ganzen Welt einen guten Namen habe. Da 333
Siehe auch Dokument 51 der CD-ROM.
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ich aus menschlichen Gründen keinesfalls irgendwie mitschuldig an gewissen Praktiken der NSDAP sein wollte, habe ich alles vermieden, was mich irgendwie verpflichten könnte. Infolgedessen hatten gewisse nat.-soz. Professoren es leicht, mir überall Knüppel zwischen die Beine zu werfen, sodass ich noch heute im Vorlesungsverzeichnis der Universität als ältester (Privat)dozent ohne Professorentitel stehe, obwohl sogar Schüler von mir ihn lange erhalten haben. Ich bin vom NSRegime an der Universität & Museum stets zurückgesetzt worden & wäre auch aus der ersteren ganz verdrängt worden, wenn nicht die Schweizerische Gesandtschaft für mich eingetreten wäre. Nach größeren Schwierigkeiten bin ich daher erst 1941 Dozent geworden, wobei die drei Ministerien von allen sonstigen Erfordernissen mir eine Ausnahmegenehmigung bewilligten. Da aber zur Zeit niemand im Stande ist, die Fürsorge für die unersetzlichen Werte der Vorderasiatischen Abteilung zu übernehmen, & ich der Nächste bin, dem diese Pflicht aus inneren & äußeren Gründen erwächst – nachdem hier draußen einigermaßen Sicherheit eingekehrt ist – ersuche ich um die Übertragung der Fürsorge für die Vorderasiatische Abteilung der staatlichen Museen. Da ich auch im Gebiet der Ägyptologie und des ägyptischen Museums bewandert bin, kann ich zugleich auch die ägyptische Abteilung betreuen. Denn ihr Director Prof. Roeder ist zugleich Director des Pelizäus-Museums in Hildesheim, wo er auch wohnte & wo er wohl auch geblieben ist. Die ägyptische Bibliothek ist sowieso zur Sicherheit im Keller unserer vorderasiatischen Abteilung untergebracht. Dagegen war es nicht möglich, alle vorderasiatischen & ägyptischen Denkmäler aus den oberen Räumen in den Keller unterzubringen. Es ist daher zu erwarten, dass durch die Bombenangriffe & die Beschießung diese Denkmäler vielfach gelitten haben & nun Bruchstücke der Denkmäler mit Schutt von Decke und Wänden gemischt auf dem Boden liegen. Es darf keinesfalls einfach der Schutt wahllos entfernt werden, sondern fachmännisch geleitete Kräfte müssen sorgfältigst jedes Bruchstück prüfen; denn z.B. die abgeschlagene Nase einer Statue ist unersetzlich, wenn verloren. Zugleich muss sichergestellt werden, was noch zu retten ist. Nur der Augenschein kann lehren, was für Aufgaben man sich da noch gestellt sehen wird. Ich bitte daher um Vollmacht, alles zu tun, was für die Erhaltung der Schätze der Vorderasiatischen & ägyptischen Abteilung der Staatlichen Museen notwendig ist. Soweit mir Zeit & Kräfte bleiben, kann ich mich natürlich auch um die anderen Abteilungen kümmern, soweit sie ohne Fürsorger sind. EF.“
Zu seiner Haltung gegenüber dem NS-Staat und der Partei schreibt Forrer in ähnlicher Weise am 15. Juli 1945 auf Befragen des Amtes für Wissenschaft in Berlin Dahlem: „Von jeher die Menschen einzeln nach ihrem Wert beurteilend und daher Feind jeder unzulässigen Verallgemeinerung war ich gerade auch durch gegenteilige Erfahrungen ein unbeirrbarer Gegner des Antisemitismus. Andererseits freute mich die soziale Haltung der NSDAP. Als sich die Hoffnung, dass der demagogische Antisemitismus nach der Machtergreifung fallen gelassen würde, sich nicht erfüllte, sondern der alles Organische vergewaltigende Charakter der NSDAP sich auf allen Gebieten nur immer weiter verschärfte, konnte ich es nicht mit meinem Ge-
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1941–1948. Die letzten Jahre in Europa wissen vereinigen, der Aufforderung eines Dekans zum Eintritt in die Partei zu folgen und vermied es, auch nur einer angeschlossenen Gliederung anzugehören, um wenigstens nicht mitschuldig zu werden, wenn ich schon nur wenig gegen das verübte Unrecht tun konnte.“
Forrer verschwieg seine zum Teil jahrelange und enge Kooperation mit Abteilungen und Institutionen der NSDAP, auch einen Versuch, Mitglied der Partei zu werden. Manche seiner Einlassungen hinsichtlich seiner Opferrolle durch Benachteiligungen sind kritisch zu sehen, dies zeigt das Nachlassmaterial eindeutig. Forrers Intention war offenkundig. Mit einer Vollmacht von höchster Stelle wollte er sich als offiziell bestellter Sachwalter für die Museumsbelange etablieren, sich gewissermaßen die Eintrittskarte für eine Funktion im wiedererstehenden Museumsbetrieb lösen und sich für wahrscheinliche Neubesetzungen in naher Zukunft in Position bringen. Offenbar ging er auch davon aus, dass der bisherige Direktor der Vorderasiatischen Abteilung, Walter Andrae, nicht mehr lebte, was sich aber schon nach wenigen Tagen als Fehlinformation entpuppte. Auffällig ist auch, dass Forrer des Öfteren den Zusatz „Parteimitglied“ hinter einigen Namen setzte, was ohne jeden Zweifel in der Absicht geschah, diese als politisch belastet zu markieren und somit seine Chancen auf eine führende Position zu erhöhen. Forrer gedachte nun im dritten Anlauf seine Berufung auf die Position als Direktor oder zumindest als Kustos in den Staatlichen Museen zu Berlin erfolgreich gestalten zu können. Seine berufliche wie fachliche Zukunft wäre somit gesichert gewesen, denn er war von seinem Wissen her ohne Frage ein geeigneter Kandidat und auch organisatorisch in der Lage, sich mehr als angemessen um die Sammlungen zu kümmern, kannte er doch den Betrieb und die Notwendigkeiten der Vorderasiatischen – und vermutlich auch der Ägyptischen-Abteilung durch eigene langjährige Erfahrungen sehr gut. Darüber hinaus, so schien es ja direkt nach Kriegsende, würden sich im Zuge der anstehenden Entnazifizierungsverfahren, von denen zu diesem Zeitpunkt ja noch niemand exakt wissen konnte, wie diese verlaufen und welche Ergebnisse sie zeitigen würden, neue Möglichkeiten bieten. Sein Brief an den Magistrat und den Oberbürgermeister Berlins wurde offenbar mit einer entsprechend positiven Stellungnahme begleitet und die angestrebte vorläufige Vollmacht auch erteilt, so dass Forrer sich offiziell und im höchstem Auftrage um einen Zustandsbericht der verschiedenen Abteilungen und ihrer jeweiligen Sammlungen kümmern konnte. Forrer machte sich auch sofort an die Arbeit. Die verbliebenen Mitarbeiter des Museums wurden aufgefordert, Forrer zu unterstützen und ihn überall passieren zu lassen.334 334
Siehe auch Dokument 52 der CD-ROM.
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„Bericht an das Magistrat der Stadt Berlin von Herrn Settegast vom 20.06.1945 Bericht Betr.: Professor Dr. Emil F o r r e r aus Erkner b/Berlin. Die Vorderasiatische – und die Aegyptische Abteilung der frühen staatlichen Museen hat zur Zeit keinen Leiter; die überaus wertvollen wissenschaftlichen Sammlungen sind daher, auch nach dem Urteil der Sowjetbehörden, auf das Aeusserste gefährdet. Als wissenschaftlich und politisch gleich hervorragend geeignet für Leitungsstelle der Vorderasiatischen Abteilung erscheint Herr Professor Dr. Forrer, der zwar schweizerischer Staatsangehöriger ist, aber bereits jahrelang auf diesem Gebiet an Berliner staatlichen Instituten gearbeitet hat, bei seiner ausgesprochen antifaschistischen Haltung es jedoch nur zum unbesoldeten Dozenten an der Universität Berlin hat bringen können. Auch Herrn Kürschner ist er als erste Kraft auf seinem Fachgebiet bekannt. Er wäre auch geeignet, vorübergehend die wissenschaftliche Betreuung der ägyptischen Sammlungen mitzuübernehmen, bis für ihre Leitung eine geeignete Persönlichkeit gefunden ist. Damit würde sich die zunächst vorgeschlagene Beauftragung des Herrn Professor Dr. Grapow erübrigen. Ich füge Lebenslauf und Personalbogen des Herrn Dr. Forrer bei und bitte um die Genehmigung seiner Anstellung. Ihr Settegast Herrn Otto W i n z e r.“
Der nächste Tagebucheintrag vom 15. Juni 1945 berichtet über den weiteren Fortgang der Museumstätigkeiten Forrers, denn die Abteilung für Volksbildung, vertreten durch den Leiter der Sachabteilung Sammlungen und Museen, Dr. Settegast, bittet Forrer aufgrund seiner an den Oberbürgermeister gemachten Eingabe zu einem Gespräch, das am 20. Juni 1945 im Stadthaus III stattfand. Bei diesem Gespräch sind außerdem noch anwesend, Herr Dr. Kürschner, der Vorgänger Settegasts, sowie Dr. Dreyer, der Wirtschaftsdirektor der Museen und – Emil Forrer – voraussichtlicher Kustos der ägyptischen Abteilung. Am 1. Juli 1945 hat Forrer zumindest die handschriftlichen Notizen für einen ersten Bericht fertig. Inwieweit dieser vom dann schließlich übergebenen Bericht abweicht oder diesem entspricht, ließ sich nicht feststellen. Es heißt dort:
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1941–1948. Die letzten Jahre in Europa „1. Juli 1945 Vorläufiger Bericht über den Zustand der ägypt. & Papyrus Abtlg. A. Gebäude 1. Der Keller ist durchweg erhalten, die Fenster ohne Glas, aber vergittert. Die Eingangstür zur Abteilung vom Kupfergraben her in den Keller sind sowohl die äußere eiserne wie die innere verglaste Tür in Ordnung & verschließbar. Die Pförtnerloge, leer, hat ein vergittertes, aber nicht verglastes Fenster. Die Kellerwohnung in der NW-Ecke des Gebäudes ist von einem 1914-Kriegsinvaliden bewohnt, der bisher keinerlei Funktion in der ägypt. Abt. hat; sie hat einen eigenen Eingang, ihre Verbindung zur ägypt. Abtlg. ist leicht herstellbar. Die zwei Wendeltreppen zum Erdgeschoss sind begehbar und vom Keller aus abschließbar. Die Außenmauer hat gegenüber der Nationalgalerie ein torgroßes Loch, durch das man eindringen kann & das als erstes verschlossen werden muss. Das Nordwestliche Viertel & der Nord Lichthof sind ganz eingestürzt und von Trümmern erfüllt. Die übrigen drei Viertel haben eine Decke & können alle wohl für die Benutzung reif gemacht werden sobald die Decken regendicht gemacht gemacht werden können. Die sehr großen Fenster sind überall ohne Läden & ohne Glas. Der südl. Lichthof & manche Räume sind hoch mit großen Trümmern ausgefüllt. Die große Eingangstüre zur Abteilung ist durch Trümmer verschlossen. Die beiden Wendeltreppen zum 1. Stock sind begehbar, dagegen die große Treppe des eingestürzten Treppenhauses nicht. Erster Stock Ganz gedeckt ist noch der Saal in der NO-Ecke, in dem Sachen der Antiken-Abtlg. standen. Die Mauern des NW-Viertels haben ihren Halt verloren & weisen große Risse auf. Den Räumen der Südhälfte fehlt meistenteils die Decke oder die Außenwand. Der erste Stock ist auf absehbare Zeit größtenteils unbenutzbar & alle Räume der Papyrus Abtlg., die darin war, sind zerstört. Dachgeschoß soweit vorhanden, unerreichbar. B. Gegenstände der ägypt. Abtlg. In der ägyp. Abtlg. sind vorhanden: im Keller: Gipsabgüsse der Grabkammern, einige Reliefs, in einem verschlossenem Raum u.a. auch der Amenophis-Kopf & ein Teil der Ostraka.“335
Forrer arbeitete die nächsten Tage weiter an der Erhebung des Zustandes der Sammlungen und Abteilungen der staatlichen Museen und traf sich immer wieder mit verschiedenen Persönlichkeiten, die Auskunft über den Verbleib von Materialien geben konnten. Eine Tagebucheintrag vermittelt 335
Die Unterstreichungen sind so im Original vorhanden.
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sehr lebendig, wie Forrer vorging und auch dabei die Mitarbeiteraussagen mit dem Augenschein abglich. „Tagebuch Eintrag Do. 21. Juni 1945 In die ägypt. Abteilung. Dort folg. Auskunft von Hilfsrestaurator Paul Seidel von der Papyrus-Abt.: Die äg. Bibliothek und die Papyrus-Bibliothek stehen in Kisten verpackt im Quergang der vorderas. Abt. Die Dubletten der Pap.-Bibl. stehen noch im Keller der äg. Abt. Ebenda auch die Gipsabdrücke der Grabkammern & einige Reliefs. Außer Privatsachen der Angestellten wurde nichts geraubt. Das äg. Wbuch war 1944 in Kisten verpackt & in ein Salzbergwerk im amerikanischen Bereich gebracht worden. Die Sachen der äg.-Abt. sind alle in Kisten verpackt in der neuen Münze im Keller & haben durch Nässe gelitten. Einige Kisten im Pergamonmuseum im Keller. Die Kisten in der Münze haben durch die Beschießung beträchtlichen Schaden erlitten. Im Flakturm Zoo waren wahrscheinl. auch einige von der äg. Abteilung. Auch Flakturm Friedrichshain ein beträchtlicher Teil, wo alles verbrannt ist. Papyrus-Abt.: Director Prof. Kortenbeutel (39–40J.) zwangsweise zur SS eingezogen, aber nicht PG, seit Anfang April 1945 vermisst (auf dem Wege vom Osten zum Westen) war Nachfolger von Prof. Schubart, Vertreter Prof. Moortgat. Restaurator Rolf Ibscher (in Klein-Machnow, Erlenweg 52), Sohn des Dr. h.c. Hugo Ibscher, „Hilfsrestaurator“: Paul Seidel, Wittenau, Wilhelmruher Damm 153, kommt jeden Tag mit Rad hinein. Alle Räume der Papyrus-Abt. zerstört. Die Mumien-Kartonagen & die geglätteten Papyri waren i.e. Bergwerk bei Bad Salzungen untergebracht & sind viell. noch dort. Die verglasten Papyri waren (nur) im Zoo-Flakturm & sind von den Russen nach Karlshorst gebracht worden. Die Ostraka liegen alle noch in den Schränken des Erdgeschosses & im Keller d. äg. Abt. Do. 21. Juni 1945 nachm. Besprech. mit Prof Weinert als stellvertretendem Generaldirektor: Einige ägypt. Sachen sind auf d. Kahn, der bei Schönebeck an der Elbe oberhalb von Magdeburg halb in ein Bergwerk ausgeladen wurde. Wo der halbvolle Kahn geblieben ist, soll als Erstes erforscht werden. Das zerstörte Halaf-Museum ist von Andrae ausgegraben worden, die Bruchstücke, von denen keines mehr als kopfgroß ist, sind in den Keller der VAbt. gebracht worden. Unendlich geduldige Arbeit der Zusammensetzung nötig. Eine Vogelfigur aus Tell Halaf, die in der VAbt. stand, ist im Keller gerettet. Die russische Museumskommission wird geführt von Lazarew oder Lazaroff, der nach eigener Angabe nur beratende Stimme hat. Major Druzinin (privat Kunstmaler ?) kommt öfters als Verbindungsmann, aber ohne Entscheidungsrecht. Das Museum habe den Russen eine Liste der Museumsbeamten eingereicht, die von diesen genehmigt worden sei. Weinert bittet mich, von tätigen Schritten bis zur Entscheidung über die Personalfragen (insbesondere ob der vorgeschlagene Grapow die äg. Abt. übernehmen soll) abzusehen. Steht meiner Anstellung etwas ablehnend gegenüber. An die russische Museumskommission sei nicht heranzukommen, da man in Karlshorst nicht hineingelassen werde. (Weinert äußerte sein Erstaunen, dass ich
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1941–1948. Die letzten Jahre in Europa auch Ägyptologe sei; m. Antwort, dass ich bei Spiegelberg Ägyptisch studiert habe.)“
Forrers Bemühungen, im Museum Fuß zu fassen, scheitern erneut Neben den Arbeiten an den Auflistungen der Bestände und deren Erhaltungszustände führt Forrer immer wieder Besprechungen mit verschiedenen Vertretern der Museumsleitung, um den aktuellen Stand der Personalfragen zu erörtern. Forrer sieht durchaus gute Chancen für sich im Museum unterzukommen. Die Dinge sind in Trümmerdeutschland täglich Veränderungen unterworfen, die Nachrichten sind meist nicht faktischer Natur, sondern gleichen oft „Latrinenparolen“, deren tatsächlicher Wahrheitsgehalt stets mühsam überprüft werden muss. Wahres, Halbwahres und bloßes Gerücht gehen durcheinander. Verantwortlichkeiten und geordnete Strukturen sind noch nicht gegeben, Zusagen, welcher Art auch immer, müssen unter ständigem Vorbehalt gesehen werden, da die Tariffähigkeit des vermeintlich gerade Verantwortlichen morgen widerrufen werden kann. Die einzige Instanz, deren Anordnungen Bestand haben, ist die russische Militärkommandantur. Forrer bemüht sich um bestmögliche Informationen und sucht in zahlreichen Gesprächen ein einigermaßen zuverlässiges Bild der Gesamtlage zu bekommen. Tagebucheinträge wie dieser vom 24. Juni 1945 sind typisch: „Besprechung mit Dr. Kanger in Erkner. Die Russen seien es, die die Ausschaltung aller PGs zur Vorschrift gemacht haben. Ihre Anstellung als Angestellte (mit monatlichem Gehalt) komme nicht in Frage. Dagegen könne man sie als freie Mitarbeiter im Stundenlohn (0,62 – 1,10 M.) mit wöchentl. Kündigung einstellen, wenn sie wollen. Der Wille zu positivem Aufbau sei sicher. Die künftigen Gehaltsstufen gehen von 150 M. bis 450 M. Für mich komme die 450 M.-Stufe in Frage.“
Die Personalfrage und somit die Hoffnung auf eine gesicherte Zukunft – soweit man in diesen unsicheren Zeiten überhaupt davon sprechen konnte – wird für Forrer verständlicherweise zur wichtigsten Frage. In der Handschrift seiner Frau Dorothea findet sich am folgenden Tage der Eintrag: „Besprechnung mit Settegast Eo nur durch Dr. Settegast bestätigt, alle anderen Bestätigungen fehlen. Herr Dreyer sagt, dass nichts im Museum getan werden darf, ohne russische Genehmigung.“
So ziehen sich in diesen Sommertagen 1945 die Entscheidungen hin und Forrer ist wie Millionen andere Menschen im zerbombten Deutschland zwischen Hoffen und Bangen, was die eigene Zukunft bringen wird. Die russische Kommandantur, die in letzter Instanz, so hat es den Anschein, auch Personalfragen entscheidet, gibt nur vor, dass ehemalige Parteiange-
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hörige nicht wieder eingestellt werden, ansonsten bittet sie um Vorschläge seitens der verbliebenen Zivilbeamten und Museumsdirektoren. Die entscheidende Stunde für Forrer schlägt dann am 5. Juli 1945, als er und seine Frau von Dr. Settegast erfahren, dass sein Stellungsgesuch gescheitert ist und er nicht am Museum wird arbeiten können. Forrer scheitert aber nicht an seiner versuchten Parteimitgliedschaft. Vielmehr machen die noch im Dienst befindlichen Direktoren Front gegen Forrer. Die Gründe ihrer ablehnenden Haltung werden nicht genannt. Möglicherweise waren es persönliche Animositäten und Rivalitäten um die begrenzten Stellen. Möglicherweise war es auch das Auftreten Forrers am Museum, als er die Zustandsberichte erstellte und Misstrauen oder gar Antipathien weckte. Denn Forrer war in der Vorderasiatischen Abteilung zwar bekannt, wenn er auch seit mehr als einem Jahrzehnt nur noch selten dort war, aber gehörte seit über 25 Jahren nicht zum festen Personalstamm und ihm fehlte das, was man wohl ehesten mit „Stallgeruch“ beschreibt. Forrer gehörte nicht dazu, er war ein „Externer“ und nicht einschätzbar. Darüber hinaus war Forrer Schweizer und kein ehemaliges Parteimitglied. Ein Grund könnte sein, dass er – wie in manchen Schreiben angedeutet – diese Tatsache zu sehr herauskehrte und diejenigen, die Parteigenossen (PG) waren, bloßstellte. Die Gründe für eine Ablehnung bleiben spekulativ. Dorothea Forrer-Haupt schreibt am 2. Juli in das kleine Oktavheftchen, das als Tagebuch diente, dazu: „...das Stellungsgesuch wurde nicht genehmigt und man erklärte das vertraulich so, dass die Herren Direktoren des Museums erklärt hätten, sie könnten nicht mit E. Forrer zusammenarbeiten. Sie würden bei Anstellung von Eo geschlossen ihre Ämter niederlegen. Begründungen dieser Behauptung fehlen! Dr. Settegast war bei dieser Verhandlg. nicht dabei, die von Kürschner geführt wurde (wahrscheinl. auch Herr Dreyer) Dr. Settegast suchte d. Ablehnung schmackhaft zu machen mit der Bemerkung, daß es ja nicht angenehm sei „gegen einen geschlossenen Wiederstand zu arbeiten.“ Auch sei die Ägypt. Abt. zu zerstört, um Eo Freude machen zu können. Als Ersatz „hofft“ er eine ordentl. Professur erwirken zu können.“
Forrer verlässt im Juli 1945 Deutschland Nach der Ablehnung am Museum und der Art, wie diese begründet wurde, war Forrer tief enttäuscht. Die erhoffte Perspektive, in der deutschen Wissenschaft endlich fest Fuß fassen zu können, hatte sich endgültig zerschlagen. Anfang Juli 1945 fiel die Entscheidung Deutschland zu verlassen und in der Schweiz das Glück zu suchen. Denn Forrer erfuhr, dass die amerikanische Armee Konvois zusammenstellte, um Displaced Persons („DP“),
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Ausländer und Vertriebene, aus Berlin herauszubringen.336 Die Schweizer Gesandschaft organisierte dies für die in Deutschland lebenden Auslandsschweizer. Da sein Vater und ein Teil seiner Geschwister in Zürich lebten und in Deutschland für ihn keinerlei Zukunft mehr gegeben schien, kam er zu der Überzeugung, den Konvoi in die Schweiz zu einem neuen Start zu nutzen. Auffallend ist, dass der Zeitraum von seinen ersten Bemühungen um eine Position im Nachkriegsdeutschland, von seiner Bewerbung an den Oberbürgermeister Berlins bis hin zum endgültigen Entschluss, Deutschland zu verlassen, nur etwas mehr als vier Wochen umfasst. Dies legt den Schluss nahe, dass Forrer mit der Ablehnung seines Stellungsgesuches klar geworden sein muss, dass er in Deutschland keinerlei berufliche Perspektiven mehr hat. Nach diesem weiteren frustrierenden Erlebnis im deutschen Wissenschaftsbetrieb ist wohl von ihm der Entschluss gefasst worden, das Kapitel Deutschland zu beenden. Forrer verlor bis auf das Wenige, was er verpacken konnte, sein gesamtes Hab und Gut, auch sein Haus in Erkner. Russische Soldaten konfiszierten sein Auto und seine Druckmaschinen. Es war ein radikaler Schnitt in seinem Leben. An der von den Amerikanern proklamierten Sammelstelle trafen sich viele verschiedene Nationalitäten mit ihrem geringen Hab und Gut und wurden vor Abreise des Konvois zu ihren persönlichen Daten und ihrer Herkunft befragt. Auch Emil Forrer musste sich dieser Befragung unterziehen und dabei vor allem erklären, warum ein Schweizer Staatsbürger freiwillig in Nazi-Deutschland geblieben war. Offenbar konnte Forrer alle Fragen zur Zufriedenheit beantworten, denn er packte im Vergleich zu allen anderen Teilnehmern auffallend große Kisten, in denen seine umfangreichen Zettelsammlungen sowie seine Bibliothek verstaut waren. Bei der Verladung war er persönlich anwesend und machte den vor Ort arbeitenden Soldaten deutlich, dass es überaus wichtig sei, diese Kisten, die wohl recht viel Platz einnahmen, mitzunehmen. Nachdem auch diese letzte Hürde genommen war, brachten amerikanische Militärtransporter die Reisenden zunächst in ein großes Sammellager nach Wolfsburg. Dort wurden die Ankömmlinge nach Nationalitäten getrennt und dann nach kurzem Aufenthalt in ihre jeweiligen Zielländer weitergefahren. Die Transporter wurden mit dem Zeichen des Internationalen Roten Kreuzes gekennzeichnet und dann auf die Reise geschickt. Die Auslandsschweizer, die aus allen Teilen Deutschlands dort zusammen kamen, hatten eine zweitägige Reise vor sich, die von den Schweizer Behörden in Abstimmung mit den Amerikanern organisiert worden war. Die Route führte den Transport über den 336
Die folgenden Ereignisse schilderte mir ausführlich Forrers Sohn Wolfgang, der mit seinem Vater und Dorothea Forrer-Haupt im Juli 1945 Berlin in Richtung Schweiz verließ.
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Breisgau zur Grenze und anschließend in ein von den Schweizern betriebenes Militärcamp, in dem bis vor kurzen polnische Flüchtlinge, denen die Flucht in die Schweiz gelungen war, interniert waren. Bis zur Klärung des endgültigen Verbleibs wurden die Neuankömmlinge in Quarantäne genommen. Die Versorgung und Verpflegung übernahm das Schweizer Militär. Eine kleine Begebenheit, die sich während des Aufenthaltes in dem Lager ereignete, verdeutlicht, welch schwieriger Charakter Emil Forrer sein konnte. Die Lagerinsassen wurden angehalten, die täglichen anfallenden Arbeiten wie die Lagerinstandhaltung und das Saubermachen selbst zu übernehmen. Forrer weigerte sich diese Arbeiten zu verrichten und zwar mit dem Hinweis, dass er freier Schweizer Bürger sei und sich nun auf dem Boden seines Heimatlandes befinde. Er könne nun hingehen wohin er wolle und niemand könne ihn zu solchen Arbeiten heranziehen. Nachdem Forrer nicht einlenken wollte, separierten ihn die im Lager kommandierenden Soldaten kurzerhand und nahmen ihn in „Einzelhaft“. Er wurde abgesondert und der Einzige, der ihn dort besuchen durfte, war sein Sohn Wolfgang. Forrer setzte seinen Dickkopf durch und trug die Konsequenzen. Nachdem die Weiterreise innerhalb der Schweiz von den Schweizer Behörden zugelassen wurde, reiste Forrer mit seiner Frau nach Zürich weiter, da neben der Familie vor allem die dortige Universität ein wichtiger Anlaufpunkt für Forrer war, hoffte er doch, dass er dort eine wissenschaftliche Zukunft würde aufbauen können. Nach der Ankunft in Zürich bezog das Ehepaar Forrer in der Seminarstarße 110 eine Wohnung und Forrer begann sofort, an der Universität Gespräche zu führen, um dort eine Lehrtätigkeit zu erhalten. Zürich sollte die neue Heimat werden. Seine Bemühungen an der Universität waren von Erfolg gekrönt und Forrer erhielt einen Lehrauftrag. Im Sommersemester 1946 las Forrer Kanisische-hethitische Keilschriftexte und auch eine Einführung ins Altsumerische, er setzte also seine altorientalischen Forschungen fort. 337
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Zu seiner Tätigkeit in Zürich siehe auch Detlev Groddek, Emil O. Forrer – ein bewegtes Leben im Dienste der Forschung in. Çarnikzel, Hethitologische Studien zum Gedenken an Emil Orgetorix Forrer, Dresdener Beiträge zur Hethitologie, Bd. 10, Dresden 2004, p. 26 und Anm. 62.
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Forschungen V – Forrers Forschungen für die Hohe Schule der NSDAP Zu diesem Zeitpunkt begann er auch mit der Niederschrift der bisher unveröffentlichter Forschungen und bereitete die Veröffentlichung der Forschungen V vor. Ein aus heutiger Sicht befremdlich anmutendes Werk, das einen Einblick gewährt, welchen Gedanken und Ideen Forrer in den Jahren von 1942 bis 1945 nachging und welche Ergebnisse seine Forschungen für die Hohe Schule der NSDAP hervorgebracht hatten. Das Manuskript, das von seiner Frau Dorothea getippt wurde, wird 1946 abgeschlossen, auf dem Deckblatt erhält es aber das Datum 1947. Forrers darin unternommener Versuch einer Neuordnung der globalen Kulturgeschichte von den ersten Hochkulturen in Vorderasien an macht ein weiteres Mal deutlich, dass Forrer offenbar stets bemüht war, den großen, den einmaligen, den alles erklärenden Wurf zu entwickeln und somit gleich ein Dutzend offener Fragen in einem einzigen Forschungsansatz klären zu wollen.338 Die von ihm skizzierte 8000-jährige Menschheitsgeschichte vermengt ethnografische, linguistische, historische, archäologische und klimabezogene Daten, oft intuitiv, manchmal logisch, meistens aber ohne gesicherte Grundlage miteinander. Dabei erkennt man in vielen Passagen, dass Forrer sowohl in der Diktion als auch in der Argumentation der nationalsozialistischen Interpretation der Altertumskunde noch nahesteht. 339 Forrer setzt den Beginn der kulturgeschichtlichen Periode mit dem Ende der letzten Eiszeit an, als sich die Lebensbedingungen grundsätzlich zu ändern beginnen – auch in Vorderasien. Ausgangspunkt der menschlichen Kulturgeschichte sind in Forrers Diktion, Kulturoasen und Lichtungen, da nur dort Kulturen entstehen können. Durchaus richtig beschreibt er Entwicklungen allgemeinerer Art, wie die notwendige Spezialisierung und Arbeitsteilung, die soziale Gemeinschaften in die Lage versetzten, technische Fortschritte zu erzielen. Hinsichtlich des Kulturgefühls oder der Weltanschauungen, die einzelne Völkerschaften charakterisieren sollen, zeigt sich bei Forrer ein stark ideologisch gefärbtes Geschichtsbild der NS-Zeit.
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In diesen Zusammenhang passt auch ein Brief von Eduard Meyer an Oswald Spengler vom 1. Oktober 1925. Dort charakterisiert er Forrer in trefflicher Weise und erwähnt dessen Hang zu großen Lösungen. Siehe Anton Koktanek, Oswald Spengler, Briefe 1913-36, 1963, p. 418f. Freundlicher Hinweis von Peter Raulwing. Siehe auch Dokument 53 der CD-ROM. (Vorbemerkung zu Forschungen V.)
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Abb. 45 Titelblatt von Forrers Forschungen Band V
In seiner zugrunde gelegten Chronologie beginnt die erste menschliche Kultur im achten vorchristlichen Jahrtausend mit den sogenannten Ortiern,
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ein iranisches Urvolk, das von Forrer aufgrund vermeintlicher Zuordnung bestimmter Keramiktypen als „zweckbewusst, harmonisch und discipliniert“, bezeichnet wird. Im Gegensatz dazu, wiederum auf bestimmter Keramikverwendung basierender Klassifizierung, werden die Anatolier als „phantasievoll und undisciplinert“ eingestuft.340 Dabei ist die Forrersche Kategorisierung für das achte vorchristliche Jahrtausend verwirrend, denn Protohattier und Anatolier sind offenbar für ihn ein und dasselbe, wenn er schreibt: 341 „Ganz anders das Volk des anatolischen Waldgebietes und der an seinem Innenrande liegenden Kulturoasen, die P r o t o h a t t i e r oder die A n a t o l i e r.“
Die Ableitung und Wertung der verschiedenen Völker und ihrer unterschiedlichen Kulturleistungen, die Forrer vornimmt, fußen direkt auf der Auffassung der nationalsozialistischen Epoche, dass bestimmte Völker oder „Rassen“ von Natur aus „kulturtragend“ sind, fähig zur Staatenbildung und zu komplexeren Organisationsformen und andere Völker allenfalls Jäger- und Sammlerkulturen oder Muschelesser oder dergleichen hervorbringen. Überhaupt ist es auffällig, wie sehr Forrer in dieser Arbeit die verschiedenen Völkerschaften mit wertenden oder aus der NS-Zeit belasteten Attributen versieht. Die Halaf-Kultur wird als „eurasisch“ klassifiziert, die Samarier, die im 6. Jahrtausend während der Halaf-Kultur in Assyrien siedelten und Babylonien erschlossen haben, charakterisiert er als „konservativ, pflichtgetreu und arbeitsam“. Zu den Anatoliern heißt es:342 „Wieder war ein unerhörter Absturz der Kultur die Folge dieser Kulturvernichtung durch die Feinde, die, mit den schwierigen Kulturverhältnissen Babyloniens nicht vertraut, das Land verkommen ließen und nur ihre eigene minderwertige Kultur einführten. Denn diese Anatolier scheinen eines Kulturfortschrittes unfähig gewesen zu sein und haben nachweislich sechs bis siebentausend Jahre lang ihre Tongefässe in gleicher Weise ohne Verbesserung der Technik oder wesentliche Vervollkommnung der Form gemacht.“
Forrer entwickelt in seiner Ausarbeitung nichts weniger als die Entstehung, Ausbreitung und vermeintlich gegenseitige Beeinflussung aller Völker und Sprachen der Erde, aufbauend auf einer eigenen Chronologie und einer ständigen Abfolge von Völkermischung, Wanderung und Eroberung. Das folgende Beispiel für Forrers globalen Stil illustriert seine weitschweifigen Gedankenketten. Im Indischen Ozean breite die von Forrer als Muschelesser bezeichnete Kultur den Seehandel aus und gründete eine erste Kaufmannskultur. Die altmenschliche Rasse der Andamanoiden siedle schon 340 341 342
Siehe Forschungen V, 1947, p. 4–5. Siehe Forschungen V, 1947, p. 5 Zeilen 24–26. Siehe Forschungen V, 1947, p. 8 Zeilen 16–24.
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während der letzten Eiszeit von Hinterindien über Warmeuropa und KleinAfrika bis zum atlantischen Ozean und wiesen bereits eine eigene Weltanschaung auf, die die Welt in organisierte Wesen teile, die Tätigkeiten ausüben wie der Mensch selbst. Vom nördlichen Hinterindien käme „um c.a. 4000 v. Chr. ein kühnes und begabtes Volk nach Siam und Kambodscha herabgestiegen und hatte die Austroasiaten der Hoabinian Kultur nach Indonesien vertrieben.“343 Aus „mannigfacher Brechung und Mischung“ autochtoner Bevölkerungen mit wandernden Völkern gehen neue Urbevölkerungen hervor. Die indogermanische Urheimat lag nach Forrer in Schlesien. Auch wenn Forrer im Vorwort schreibt, dass es sich bei seinen Ausführungen um einen kürzesten Überblick handelt, so werden seine Kategorisierungen apodiktisch vorgetragen. Argumente fehlen meist völlig. Am Ende seiner Forschungen kommt er zu dem Ergebnis, dass die klassischen Griechen als die Vertreter der „schönsten Blüte menschlicher Geisteskultur“ zu gelten haben.344 „So wurden die Griechen ein Volk der Dichter und Denker, bei dem die schönste Blüte menschlicher Geisteskultur, I d e a l i s m u s, phönizischem Materialismus den Rang streitig machte und zum anerkannten Maßstab von Kultur wurde. So war auf der Grundlage der A d e l s k u l t u r des phrygischen Zeitalters des Midas (722–676), wie sie uns in den Werken des Homer entgegentritt, eine P e r s ö n l i c h k e i t s k u l t u r entstanden, der das subjektive Ideal inner und äußerer Bildung am höchsten steht, ermöglicht durch innere und äußere Freiheit, also ungehemmt durch kirchlichen oder politischen oder wirtschaftlichen Gewissenszwang. Mit diesem Ideal hat E u r o p a sich selbst gefunden und bringt, solange es lebendig und bewusst erlebt wird, eine Fülle reifer und edler Kulturwerke zustande. Ein Beweis, dass dies die b l ü t e n r e i c h s t e Form menschlicher Kultur ist.“
Abgesehen von den aus heutiger Sicht völlig haltlosen Datierungen und spekulativ zusammengefassten Ethnologien, die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehren, verwundert es, wie sehr Forrer in der wertenden und klassifizierenden Sprache der NS-Zeit bleibt und die Termini der Rassenund Pseudoforschung des Dritten Reiches verwendet. Die meisten seiner Ergebnisse hat Forrer in den Jahren 1942–1945 im Auftrage NSDAP gesteuerter Institute erzielt. Eine inhaltliche kritische Distanz zu diesen Arbeiten und zu dieser Art der Forschung, dies ist offenkundig, hatte Forrer bei der Abfassung der Forschungen V noch nicht.
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Solcherlei Verkettungen von Ereignissen und Völkern, die einfach behauptet werden und die von „irgendwo“ herabsteigen, sich dann und wann mit irgendwelchen Urbevölkerungen mischen, finden sich zuhauf in dem Manuskript. Forschungen V, p. 30, Zeilen 48–57, p. 31 Zeilen 1–4.
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Familienzuwachs und der Beginn eines neuen Lebensabschnittes Forrer bleibt bis zum Wintersemester 1947/48 in Diensten der Universität Zürich und liest in seinem letzten Semester dort „Keilschrifttexte zur Kulturgeschichte des alten Orients“ und „Bilder zur Kulturgeschichte des alten Orients.“ Am 15. Oktober 1946 wird das erste Kind der vierten Ehe, Sohn Midas Silenus, geboren und Forrer wird zum vierten Male Vater. An der Wahl des Vornamens erkennt man bereits, dass Forrer von einem neuen Forschungsgebiet eingenommen war, das zum Wendepunkt in seinem Leben werden sollte. Forrer entdeckte die sogenannte „Meropisforschung.“ Als dann der Lehrauftrag an der Universität Zürich auslief und auch nicht verlängert wurde und er durch den Tod des Vaters am 9. April 1947 eine größere Erbschaft antreten konnte, entschied sich Forrer für einen radikalen Neuanfang, sowohl wissenschaftlich als auch privat. Forrer war zu jenem Zeitpunkt 53 Jahre alt. Das Erbe, das er mit seinen Geschwistern antreten konnte, sollte das notwendige Startkapital in ein zweites Leben sein. Der größte Teil des Erbes bestand aus wertvollen Antiquitäten, die sein Vater ein Leben lang gesammelt und zusammengetragen hatte. Seine jüngste Schwester Odile kaufte ihm diesen „Erbteil“ ab und unterstützte somit ihren Bruder, seine neuen Pläne Realität werden zu lassen. Forrer brach nach Mittelamerika auf, voller Tatendrang und Enthusiasmus ließ er sein bisheriges Leben als Altorientalist, aber auch seine eigene Geschichte, hinter sich. Mit ihm reisten seine Frau Dorothea sowie sein soeben geborener jüngster Sohn Midas Silenus.
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Forrers Weg in ein neues Leben führt ihn nahezu über den gesamten amerikanischen Kontinent, bis er sich schließlich in El Salvador niederlässt. Neben der Erschließung eines völlig neuen Forschungsfeldes hält der Alltag dort so manche Härte und Enttäuschung bereit. Die Familie wird immer größer und Forrer insgesamt Vater von elf Kindern. Da das Nachlassmaterial 1945 endet, erzählen dieses Kapitel vorwiegend seine Kinder aus El Salvador, die einen Großteil seiner mittelamerikanischen Geschichte für dieses Buch aufgeschrieben haben. Aber auch Emil Forrer kommt ein letztes Mal selbst zu Wort.
Der Tag, an dem sich Forrers Leben von Grund auf ändern sollte, lässt sich nicht genau festlegen, da das entsprechende Datum von ihm selbst unterschiedlich wiedergegeben wird.345 Die Angaben schwanken zwischen dem 2. März und dem 2. Juni 1946.346 Forrer beschäftigte sich zu diesem Zeitpunkt mit der Lektüre der antiken Schriftsteller Claudius Aelianus, insbesondere mit dessen Werk Variae Historiae, sowie mit Theopompus.347 Vor allem in Theopompus Werk Philippika, das auch bei Aelianus überliefert ist, wird der Dialog des mythischen Königs Midas von Phrygien mit Silenus, Lehrer und Gefährte des griechischen Weingottes Dionysos, beschrieben, wobei in dem Dialog auch zahlreiche geografische und historische Schilderungen enthalten sind. Die Lektüre dieser Autoren elektrisiert For345
346 347
Siehe hierzu bereits Detlev Groddek, Emil. O. Forrer – Ein bewegtes Leben im Dienste der Forschung, in Çarnikzel, Hethitologische Studien zum Gedenken an Emil Orgetorix Forrer, Dresdener Beiträge zur Hethitologie Bd. 10, Dresden 2004, p. 26. In seinem Werk Homerisch und Silenisch, San Salvador 1975 (Selbstverlag), p. 43 nennt Forrer selbst den 2. Juni. Claudius Aelianus, 175–235, römischer Schriftsteller, lebte und schrieb in Rom. Theopompus von Chios, 378–320 v. Chr griechischer Historiker und Rhetoriker.
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rer und der Grund für die fundamentale Neuausrichtung seines gesamten Lebens beschreibt Forrer selbst mit diesen Worten: „Theopomp erzählt ein Gespräch des Phrygers Midas mit Silenus....Unter Anderem offenbarte Silenus dem Midas Folgendes; Europa, Asia und Libya (Afrika) seien Inseln, die der Ozean in einem Kreise umfliesse; aber der einzige Kontinent sei jener, der ausserhalb dieser Welt liege; und er erklärte seine Größe als Grenzenlos (oder: unerforscht.) Als ich diesen Satz am 2. Juni 1946 las, stand mir das Herz still; denn der einzige Kontinent, im Verhältnis zu dem Europa, Asien und Afrika, deren wirkliche Grösse damals noch unbekannt war, nur Inseln sind, konnte kein anderer als Amerika sein. An jenem Tag begann meine Untersuchung mit der Frage: War also Silenus ein nach Alten Welt verschlagener Amerikaner?“
Forrer war von diesem Zeitpunkt an von dem Thema ergriffen und angesichts des auslaufenden Lehrauftrages in Zürich war ohnehin die Zeit für eine Entscheidung gekommen. Hinzu kam, dass dieses Forschungsgebiet viele seiner Interessen vereinigte, die historische Geografie sowie die antike Geschichte und Ethnologie und nicht zuletzt der Bezug zum Vorderen Orient. Auch sein Interesse an der Erforschung der altamerikanischen Kulturen hatte Forrer schon in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts entdeckt, als er sich um das tiefere Verständnis der Maya-Inschriften bemühte. All diese Faktoren zusammen und die Möglichkeit mit dem Erbe, dass er durch den Tod seines Vaters antreten konnte, auch die Chance der Umsetzung in der Hand zu haben, führten dazu, dass Forrer nun ernsthaft in Erwägung zog, seine Forschungen auf den amerikanischen Kontinent zu verlegen und dort nach Hinweisen zu frühesten Kulturkontakten zwischen Asien und Europa zu suchen.348 Über seine Motivation erfähren wir von ihm selbst: „Obwohl die Keilschrifttexte von Boghazköi des Hatti-Reiches in Kleinasien des XVII. bis XII. Jahrhunderts vor. Chr., von denen ich während zwanzig Jahren so viele wie möglich abgeschrieben habe, mir noch viele interessante Aufgaben stellten, schien mir doch die Feststellung der ältesten Geschichte Amerikas eine so dringende und wichtige Aufgabe, deren Erfüllung das Bild der Weltgeschichte wesentlich ändern und ergänzen würde, dass wir nach Mittelamerika überzusiedeln beschlossen. Zu Gunsten dieses Entschlusses sprach die Tatsache, dass für das Studium der Keilschrift in Deutschland, Frankreich, England und den Vereinigten Staaten eine Reihe von Lehrstühlen bestand, während für die Meropis-Aufgabe ich der einzige Arbeiter, der ausserdem besser vorbereitet ist als Andere, in so fern ich mit der Kenntnis der klassischen Sprachen die der Schriften des Alten Orients verband und ausserdem durch meine grundlegende, noch unveröffentlichte Entzifferung der Hieroglyphenschrift der Mayas schon etwas von den Sprachen der Mayas, 349 der Azteken und auch vom Spanischen wusste.“ 348 349
Forrers Vater, Robert Forrer, starb am 9. April 1947. Homerisch und Silenisch, 1975, p. 55. Siehe auch D. Groddek, op.cit., p. 27f.
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Im Jahre 1947 also entschloss sich Forrer mit seiner Frau und seinem einjährigen Sohn ein neues Leben in Mittelamerika zu beginnen und neues wissenschaftliches Terrain zu betreten. Das Ziel war Honduras. Denn in der Schweiz lernte Forrer nach Aussagen seiner Kinder den in Zürich residierenden Gesandten von Honduras persönlich kennen. Dies war offenbar der entscheidende Impuls, das Vorhaben nun Realität werden zu lassen.
Der Aufbruch nach Mittelamerika – eine lange Abenteuerreise Wann genau die Reise im Jahre 1947 angetreten wurde, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Dass diese 1947 stattgefunden hat, ist nach der Erinnerung seiner Kinder sicher, obwohl auch hier die Angaben nach seinen eigenen Erinnerungen in Homerisch und Silenisch schwanken. Forrer schreibt dort: „So kam es, dass wir im Jahre 1949 Europa verliessen...“350. Auch hinsichtlich des gewählten Reisevehikels variieren die Angaben. In dem Dokument der Kinder ist von einem Flug von Zürich nach New York die Rede während Forrer selbst schreibt: „So kam es, dass wir im Jahre 1949 Europa verliessen, zu Schiff nach New York, mit der Eisenbahn nach New Orleans.“
In New Orleans angekommen, kaufte Forrer einen geländegängigen Jeep sowie einen Anhängerwagen, den er so einrichtete, dass die Reisenden darin übernachten und ihn als Wohnwagen nutzen konnten. Mit Frau und Kind setzten sie die Reise durch Louisiana und Texas nach Mexiko fort und gingen bei Laredo über die Grenze. Bei seiner Fahrt durch Mexiko besuchte Forrer die Stadt Monterey und gelangte über Queretaro und Mexiko City zu den Vulkanen Ixtaccihatl, Popocatepetl, sowie zu verschiedenen Seen in der Umgebung von Mexiko Stadt. Auch stattete die kleine Reisegruppe einigen Aztekenstädten einen Besuch ab, so u.a. Teotihuacan und Tenayuca. All diese Zielpunkte standen in unmittelbarem Zusammenhang mit Forrers neuem Forschungsgebiet. Forrer selbst beschreibt die verschiedenen Stationen, der sehr interessanten, wie auch anstrengenden Reise in knappen Sätzen im Jahre 1975 wie folgt: 350
op. cit. p. 55. Siehe auch D. Groddek, op. cit. p. 28 und Anm. 67. An dieser Stelle danke ich nochmals herzlich Frau Rhea Saturna Forrer, die anlässlich eines Besuches bei ihren Geschwistern in El Salvador, zusammen mit diesen ein umfangreiches Dokument zu Papier brachte, das die Stationen ihres Vaters während der Reise und die Beschreibung seines dortigen Lebens zum Inhalt hatte. Wesentliche Teile dieses Kapitels haben also seine in El Salvador lebenden Kinder ausgearbeitet. Das Jahr 1949 als Datum für den Beginn der Reise ist ausgeschlossen, da seine Tochter Orplid Caingala bereits 1948 in El Salvador geboren wurde.
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„Wir besuchten den damals noch aktiven Vulkan Parikutin. Wir staunten über seinen schwarzen Pulverschnee aus Basalt, den er um sich geschneit hat. Wir sahen Tenayuca, Teotihuacan, Montalbán und Mitla mit ihren Pyramiden und Ruinen 351 seltsamer Gebäude.“
Die Reise führte die Familie im Jahre 1948 weiter nach Guatemala über Copán, wo Forrer die beeindruckenden Ruinen der Maya-Kultur in Augenschein nahm, bis in den Norden von Honduras. Nahe des kleinen Dorfes San Pedro Sula, etwa 12 km von Tegucigalpa entfernt, bezog die Familie ein kleines Lehmhaus, da Forrer dort die Möglichkeit hatte, wissenschaftlich zu arbeiten. Das eigentliche Ziel war aber die Stadt Orlando in Honduras, wo Forrer und seine Frau planten, eine Finca für die Familie zu kaufen. Seine Tochter Orplid Caingala Forrer-Haupt beschreibt diese Episode wie folgt: „Sein Ziel war es nach Orlando (Honduras) zu gehen, wo er ein Stück Land kaufen wollte, um sich dann zurückzuziehen und wissenschaftlich zu arbeiten. Mutter sollte das Land bewirtschaften. Dieser Plan zerschlug sich aber, da damals kein Land an Ausländer verkauft werden durfte.“
Außer der Tatsache, dass Forrer kein Land erwerben konnte und der Plan, sich in der Nähe des Yojoa-Sees niederzulassen verworfen werden musste,352 kam zur gleichen Zeit das Angebot des Staates Honduras – wie Forrer in einem englischsprachigen Lebenslauf vom 26.Oktober 1965 ausdrücklich betont – vom damaligen Staatspräsidenten,353 dass mit zahlreichen Ruinen der Mayakultur bestückte Tal in der Nachbarschaft der Stadt Comayagua in einer archäologischen Expedition zu untersuchen und zu kartieren.354 Über die Dauer, den Umfang oder andere Umstände dieser Expeditionsreise – geschweige denn über die Ergebnisse, die sie erbracht hat – lässt sich leider nichts feststellen. Forrer selbst schreibt dazu nur äußerst knapp und sehr allgemein gehalten in dem erwähnten Lebenslauf, dass er eine „alte Hauptstadt entdeckt“ habe, ohne diese aber näher zu beschreiben. In Homerisch und Silenisch heißt es ebenfalls nur sehr knapp „wir fanden unbekannte Städte und Pyramiden.“ Da nun das gesamte Dreieck zwischen Tegucigalpa, Copán und San Pedro Sula zahlreiche Ruinen und archäologisch bedeutsame Stätten der Maya-Zeit enthält, erscheint 351 352 353 354
Homerisch und Silenisch, 1975, p. 56 siehe auch Homerisch und Silenisch, 1975,. p. 56 Dies dürfte in die Amtszeit von Tiburcio Carías Andino (Präsident von 1933– 1948) gefallen sein. Comayagua war von 1537 bis 1880 Hauptstadt des Staates Honduras. Noch heute findet man zahlreiche Hinweise auf die große Bedeutung der Stadt während der Kolonialzeit.
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es einerseits nicht ausgeschlossen, dass Forrer auf bislang wenig erforschte oder gar unbekannte Ruinen stieß. Nichts davon lässt sich aber belegen, da er keinerlei Angaben zu der Art seiner Funde macht. Um welche Ruinen oder gar Städte der Maya-Epoche es sich dabei gehandelt hat, ist nirgendwo verzeichnet. Das Engagement im Comayagua-Tal war zeitlich befristet und anch Abschluss der Arbeiten zog die Familie weiter Richtung Süden. Forrer hatte nun ein vielversprechendes Angebot aus El Salvador vorliegen. Die neu gegründete Universität in San Salvador bot ihm die Möglichkeit bezahlter wissenschaftlicher Tätigkeit. Seine Tochter schreibt dazu: „Er erhielt den Hinweis, dass es eine Möglichkeit für ihn an der Universität von San Salvador gäbe. Daraufhin kontaktierte er den damaligen Rektor der erwähnten Universität. Er bekam eine Professur, aber ebenfalls ohne Arbeitsvertrag.“
Auf der Reise durch Honduras in Richtung El Salvador, die Forrer über Tegucigalpa führte, wurde seine Tochter Orplid Caingala geboren. Sie schreibt dazu: „ Ich wurde auf der Landstrasse nach Tegucigalpa, in einer kleinen Hütte am Rande der Strasse geboren. Diese Hütte hatte Wände aus Bahareque (Schilf) und ein Dach aus Stroh. Ich kam im Regen zur Welt, nur mit Hilfe von Vater. Sobald meine Mutter wieder auf den Beinen war, ging die Reise gleich weiter, mit zwei kleinen 355 Babys.“
Nach dieser abenteuerlichen Geburt traf die Reisegruppe in San Salvador ein und Forrer trat seinen Dienst an. Er selbst erwähnt, dass er an die Universität San Salvador berufen wurde:356 „In 1949 the newly founded Humanistic Faculty of the University of San Salvador called me to its cathedra of Universal History.“
Wie schon so oft, schienen sich die Dinge endlich günstig für Forrer zu entwickeln. Er vertrat zunächst das Fach Geschichte im Range eines Professors und konnte sich seinen neuen wissenschaftlichen Studien widmen. Nach mehr als zweijähriger Reise durch den amerikanischen Kontinent, mit entsprechenden Strapazen, entschied man sich, angesichts der beruflichen Aussichten und in der Hoffnung, dass diese positive Wendung auch eine Fortsetzung findet, sich in San Salvador niederzulassen und der wachsenden Familie ein neues Heim zu schaffen. Zunächst bezog die Familie ein Haus zur Miete in einem kleinen Ort etwa 8 km außerhalb von San Salvador namens Los Planes de Ronderos. 355 356
So Orplid Caingala Forrer. Siehe hierzu bereits D. Groddek, op.cit.,2004, p.29 und Fn. 70 mit Nennung des Gründungsdatums der Universität am 13. Oktober 1948; E. O. Forrer, Homerisch und Silenisch, 1975, p. 56 sowie Lebenslauf Forrers vom 26. Oktober 1965.
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Am 31. Juli 1949 erblickte hier Forrers drittes Kind aus der Ehe mit Dorothea Forrer-Haupt das Licht Welt und erhielt den Namen Rhea Saturna. Doch Forrer plante ein eigenes Heim für die größer gewordene Familie. Er nahm eine Hypothek auf und kaufte ein Grundstück in der Kolonie Bernal. Auf diesem Grundstück etwas außerhalb von San Salvador, auf dem bereits ein kleines Haus mit einem Strohdach stand, begann Forrer mit den eigenen Händen ein Haus zu bauen. Dieses Unterfangen beschäftigte ihn und seine Frau über einen längeren Zeitraum, wobei die Angabe, dass auch die Kinder beim Hausbau halfen, sicherlich nur für die Ausbauten in späterer Zeit gelten kann, denn im Jahre 1950 waren seine beiden Kinder noch im Baby- bzw. im Kleinkindalter. 357 Die Straße, die zu seinem Hause führte, erhielt – vermutlich später – den Namen Final Calle del Gringo, wobei der „Gringo“ Forrer selbst war. Das Dokument, das mir seine Kinder im Jahre 2004 zusammenstellten, beschreibt die Episode wie folgt: „Vater hat an der Universität gearbeitet, von 1949 bis 1955. Er hat eine Hypothek aufgenommen und ein Grundstück in der Kolonie Bernal, Final Calle del Gringo San Salvador gekauft (final weil es am Ende dieser Strasse lag, del Gringo, weil wir für Amerikaner gehalten wurden, Deutsch klang für sie wie Englisch. Auf diesem Grundstück haben Vater und Mutter hart gearbeitet um das definitive Haus zu bauen, für welches er die Pläne zeichnete. Sie trugen den ganzen Hügel mit Karre, Schaufel und Hacke ab, um es plan zu machen. Darauf wurde dann das neue Haus aus Zement und Backsteinen (systema mixto) gebaut. Bei diesem Bau hat unsere Mutter als Maurerin gearbeitet, Vater hat die Eisen gebogen und alle anderen schweren Arbeiten geleistet. Das Haus wurde jährlich um ein Zimmer ergänzt, bis es fertig war. Die Kinder mussten dabei Zement mischen und Wasser zugeben und alles Mögliche erledigen.“
Forrers Wunschtraum, endlich wieder wissenschaftlich konzentriert arbeiten zu können, idealerweise frei von materiellen Sorgen, währte allerdings nicht lange. Zwar hatte das unbeständige Leben der Reisezeit endlich ein Ende, aber schon ein Jahr, nachdem Forrer an der Universität seine Anstellung gefunden hatte, gab es grundlegende Veränderungen in El Salvador, die auch ihn aus seinem neuen Leben herausrissen. Er verlor seine Anstellung an der Universität. „ In the first year I discovered twelve ancient towns with 25 pyramids. But in 1950 the new political constitution of El Salvador established in art. 202 that History may be taught only by Salvadorians by birth. That served to take away my cathedra. All my efforts were in vane and so we only keep vegetating without any possibility of serious scientific work or archaelogical and linguistic exploration as I had in mind. We had to be content of having found the unmistakable proves of the 358 correctness of the indications which had conducted us to Central America“ 357 358
So Forrer in Homerisch und Silenisch, 1975, p. 56 Lebenslauf E.O. Forrer vom 25. Oktober 1965.
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Die Grundzüge der „Meropisforschung“ Auf welchen Wegen Forrer zu seinem neuen Forschungsinteresse gelangte, hat er – wie bereits gezeigt – selbst beschrieben. Diesen Aspekt der Kulturkontaktforschung zwischen Amerika und Europa im ersten vorchristlichen Jahrtausend bezeichnete er selbst als „Meropisforschung“. Meropis (griech.: méropis) bezeichnet ein vom antiken Schriftsteller Theopompos von Chios erdachtes Land, das dieser in seinem nur fragmentarisch bei Aelianos überlieferten Werk Philippika erwähnt. Es ist das Land der Méropes (poet. „Menschen“) und liegt jenseits des Weltmeeres (Okéanos). Die Bewohner dort würden doppelt so groß und doppelt so alt wie gewöhnliche Menschen werden. Theopompos berichtet von zwei Städten; Meropis („Ort der Frommen“) und Machimos („Ort der Krieger“). Während die fromme Stadt im Überfluss lebe, Feldfrüchte bekäme, ohne dafür die Felder bestellen zu müssen und ohne jede Krankheit glücklich und fromm lebe, würden in der kriegerischen Stadt die Menschen bereits mit Waffen geboren. Machimos führe ständig Krieg und habe alle Nachbarvölker unterworfen. Schließlich hätten zehn Millionen Krieger von Machimos das Weltmeer überquert, um die Hyperboreer anzugreifen. Als sie jedoch sahen, dass diese „die glücklichsten Menschen“ diesseits des Okeanos sein, hätten sie nur Verachtung für sie übrig gehabt und es deswegen verschmäht, noch weiter vorzurücken. Am äußersten Rand von Meropis gäbe es einen Ort namens Anostos („Ort ohne Wiederkehr“). Er gleiche einem gähnenden Abgrund, kenne weder Tag noch Nacht und werde von einem trüben, rötlichen Dunst bedeckt. Für Forrer stand fest, dass mit Meropis der amerikanische Kontinent gemeint sei, er verwendet es auch beständig als Synonym. Aufgrund der Zeilen bei Theopompos entwickelt Forrer im Laufe von drei Jahrzehnten ein ebenso umfangreiches, wie komplexes neues Weltbild des ersten vorchristlichen Jahrtausends. Dabei fließen so zahlreich Informationen aus der Altorientalistik, der Altamerikanistik, der Klimatologie, der historischen Sprachforschung, Ethnologie und Geografie ein, so dass Forrer ein wahres „Feuerwerk“ an neuen und auch spekulativen Interpretationen präsentiert. Alles steht mit jedem in Beziehung und auch scheinbar Gesichertes erhält eine völlig neue Deutung. Das gesamte theoretische Gedankengebäude der multiplen wechselseitigen Kulturkontakte zwischen Europa, dem Vorderen Orient und Amerika stützt sich aber letztendlich auf wenige Zeilen antiker Autoren. In der heutigen Forschung deutet man die Zeilen über Silenus und Meropis ganz nüchtern und sie sind nach heutiger literaturwissenschaftlicher Auffassung vielmehr als eine Persiflage auf Platons Atlantisbeschreibung zu verstehen.
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Forrer findet in seiner Interpretation dieser Erzählungen auch vermeintliche Zuordnungen für die genannten Orte. So ist der als Anostos bezeichnete Ort für ihn die eindeutige Beschreibung eines erloschenen Vulkans, dessen Krater sich im Laufe der Jahrhunderte mit Wasser füllte und heute einen See in der Nähe von San Salvador gebildet hat. Tatsächlich weisen Messungen auf einen Vulkanausbruch zum Ende des achten vorchristlichen Jahrhunderts in El Salvador hin, aus dessen Überresten später ein See entstand. Es ist auch richtig, dass die Umgebung dieses Sees archäologisch nachweisbare Siedlungsreste prä-amerikanischer Kulturen aufweist. Eine eindeutige Zuordnung zu den Maya ist wissenschaftlich aber nicht geklärt, ebenso ist es mehr als fraglich, dass hier der „Beweis“ zu greifen ist, dass die Erzählung in Theopompos Werk einen realen und historischen Hintergrund hat. Nach Forrer waren es Maya-Völker und deren Vorläufer, z.B. die Olmeken, in seiner Terminologie Tartessier genannt werden, die mit ihren Schiffen über den Ozean fuhren und u.a. bis zu den sogenannten Hypoboreern gelangt sind. Wer aber waren diese Hypoboreer nach Forrer? „Die Hypoboreer sind, wie ihr griechischer Name besagt, Leute, die „über“, d.h. jenseits des „Nordwindes“ wohnen, nämlich von dem damals geltenden Nordpunkte oder Kältepol.... Die Hypoboreer der Zeit des Silenus sind die Bewohner der britischen Inseln, besonders Schottland, wo die Kriegerflotte von Mexiko ankam...“
Forrer entwirft nun ein komplexes Weltbild, in dem ein „lebhafter transatlantischer Pendelverkehr“ zwischen dem Alten Orient, einschließlich Ägypten, Spanien, Schottland und Portugal und Mittelamerika stattfand, in dem es zu gegenseitigen Besuchen und auch kriegerischen Auseinandersetzungen kam.359 Dabei verknüpft Forrer Sagen und Mythen des Alten Orients ebenso, wie einige keltische und germanische Erzählungen, mit mythischen und historischen Erzählungen des Popol Vuh, dem „Volksbuch“ der Mayas. 360 Er kommt dann zu dem Ergebnis: „Faktisch haben also die Reste des amerikanisch-tartessischen Heeres ganz NordEuropa besiedelt und wurden von den Kelten und Germanen als Zwerge bezeich361 net.“
Das Argument, dass diese These stützen soll, lautet: 359 360
361
Siehe Homerisch und Silenisch, 1975, p. 62ff. Ursprünglich waren die Erzählungen des Popol Vuh wahrscheinlich in MayaGlyphen niedergeschrieben. Das Popol Vuh ist heute aber in lateinischer Schrift, in der Quiche-Sprache, aus dem 16. Jahrhundert überliefert. Als Beleg für die Zwergbezeichnug bei den Kelten und Germanen zitiert Forrer die von einem anonymen Autoren geschriebene Historia Norwegiae aus der Zeit um 874 n. C., die berichtet, dass die Bewohner der Orkeny-Inseln, die keltischen Picten, dort als Zwerge bezeichnet werden.
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„Tatsächlich bleiben die heutigen Mittelamerikaner in der Grösse um 10 – 20 cm hinter den Nordamerikanern zurück; aber mein Professor C. Sapper, der mehr als zwanzig Jahre in Cóban der Provinz Verapaz von Guatemala, wo eine MayaMundart gesprochen wird, gelebt hat, erzählte, dass er dort mit seiner etwa 1,60 m 362 Höhe als „grosser“ Mann galt.“
Auch die erwähnte Mühelosigkeit beim Ackerbau und das üppige Leben bei den Meropiern kann Forrer erklären: „Im 700 v. Chr. kannte ganz Europa, Asien und ein Teil Nord-Afrikas den Ackerbau mit Pflug und Ochsen; nur Australien, das natürlich nicht der einzige Kontinent sein kann, und Amerika hatten keinen Ackerbau mit Pflug und Ochsen; aber Amerika hatte statt dessen den Maisbau, bei dem die Männer mit einem zugespitzten Stock aus Hartholz in der Hand in langer Front über das vorher geschwendete, d.h. abgebrannte Landstück vorrücken und dabei Löcher in die Erde stechen, in die die Frauen, die der Front der Männer folgen, die Maiskörner fallen lassen, womit die Arbeit der Aussaat beendet. Kein anderes Land der Erde hatte in jenen Zeiten 363 Maisbau mit seinem auf jungfräulichen Boden wirklich wunderbarem Ertrag.“
Der interessanteste Aspekt bei all diesen phantasievollen Schlussfolgerungen ist aber, dass man viele Erkenntnisse aus früheren Forschungsjahrzehnten Forrers, zum Teil in leicht modifizierter, zum Teil in genau entsprechender Form, wiederfindet. An mehreren Stellen „recycelt“ Forrer ältere Ideen und Forschungsansätze und fügt sie in sein neues Weltbild und in einen neuen historischen Gesamtablauf der Weltgeschichte des ersten vorchristlichen Jahrtausends ein. So finden sich z.B. die bekannten Aussagen zum Zinnland Spanien nahezu in identischer Form, in der Forrer diese bereits 1921 in seiner gescheiterten Münchener Habilitationschrift niedergelegt hatte. Auch die Berechnungen zu Sonnenfinsterniserscheinungen fußen auf Erkenntnissen, die Forrer im Jahre 1928 schon mit Carl Schoch erarbeitet hat. Letztendlich zeigen seine Meropisaussagen in Methodik und Diktion starke Ähnlichkeiten zu seinen Schilderungen der vermeintlichen globalen Zusammenhänge und Wanderungsbewegungen, wie er sie 1946 in seinen Forschungen V niedergelegt hat, nur dass der Ausgangspunkt diesmal nicht der Vordere Orient, sondern der amerikanische Kontinent ist. Insoweit kann man nur teilweise von einem „Paradigmenwechsel“ in seiner Forschungsausrichtung sprechen, denn einige zentrale Interessengebiete seiner früheren Forschungen finden Eingang in die Kulturkontaktforschung. Nur die rein keilschriftlich-philologisch orientierte Arbeit findet keinen nennenswerten Niederschlag mehr.
362 363
Homerisch und Silenisch, p. 70f. Homerisch und Silenisch, 1975, p. 44
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Die Großfamilie Forrers, die verschiedenen beruflichen Aktivitäten und die Mühsal des täglichen Lebens Forrers Leben in El Salvador gestaltete sich allerdings sehr viel schwieriger als er sich selbst vorgestellt hatte. Nach anfänglich guten Möglichkeiten, die sich mit dem neuen Betätigungsfeld an der Universität San Salvadors ergeben hatten, wendete sich das Blatt. Zum einen wuchs seine Familie innerhalb eines Jahrzehnts zu einer beachtlichen Großfamilie heran, die entsprechende wirtschaftliche Ressourcen benötigte, zum anderen gab es kaum berufliche Angebote, eben diese Ressourcen sicherzustellen. Forrer hatte mit den Söhnen Wolfgang und Tell Karl-Heinz sowie der Tochter Maya schließlich noch drei Kinder in Deutschland. In Zürich wurde sein viertes Kind Midas Silenus geboren, der ja auch die aufregende und strapaziöse Reise nach Mittelamerika mitmachte. Am 27. Juni 1948 wurde auf dem Treck in El Salvador seine Tochter Orplid Caingala geboren. Knapp ein Jahr später am 31. Juli 1949 kam die nächste Tochter hinzu, Rhea Saturna Forrer. Tearco Silkanni und Dido Elisa folgten im Jahre 1952 und 1955 und Ingo Pytheas sowie Paris Alexander folgten 1960 und 1963 und bildeten die zehnköpfige Großfamilie. In Eigenleistung bauten die Forrers, wie geschildert, Zimmer um Zimmer das eigene Haus, dem Forrer in Anlehnung an sein Forschungsgebiet den Namen „Meropis“ gab. Sowohl die makro-ökonomische Seite der wirtschaftlichen Entwicklung El Salvadors als auch die private finanzielle Situation der Familie Forrer war in der Mitte der fünfziger Jahre mehr als angespannt. Um diese Großfamilie ernähren, kleiden und ausbilden zu können, war ein hohes Maß an Kreativität gefragt. Von einer gesicherten beruflichen Existenz konnte bei Emil Forrer keine Rede sein. Das alltägliche Leben brachte so manche Härte und Not mit sich und war schwer zu meistern. In seinem Buch Homerisch und Silenisch beschreibt Forrer seine enttäuschten Hoffnungen selbst: „Jedoch hatten wir die stille Hoffnung, dass Mittelamerika selbst für seine eigene, neue und wunderbare Geschichte mehr Interesse haben würde, als die Europäer; 364 aber sie erwies sich als grosser Irrtum mit verhängnisvollen Folgen. Schließlich, nach vielen schweren und unproduktiven Jahren, verteidige ich jetzt El Salvador im Außenministerium mit altspanischen Dokumenten gegen den bösen Willen seines derzeitigen Gegners.“
In diesen vielen und schweren Jahren, so wie Forrer es hier nennt, lebte die Familie immer am Rande des Existenzminimums. Bis 1954 hatte Forrer noch verschiedene Lehraufträge an der Universität El Salvadors. Ab 1956 364
op. cit., 1975, p. 55
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arbeitete er dann an verschiedenen Schulen, wie der Escuela Americana und dem Colegio Salvadoreno, und unterrichtete Deutsch, Geografie, Französisch, Mathematik oder Latein. Die Vergütung dieser Tätigkeit sicherte der Familie nur ein bescheidenes Auskommen, half aber, sich zumindest mehr schlecht als recht über Wasser zu halten. Es passt zu Emil Forrers Mentalität, dass er sich angesichts der Not der Familie auch mit eigenen Geschäftsmodellen befasste, von denen er glaubte, dass diese – bei genügend Engagement und Hartnäckigkeit – zur Verbesserung der ökonomischen Situation der Familie beitragen könnten. So kam er auf die Idee, den Salvadorianern die Vorzüge des selbst gemachten Joghurts näher zu bringen. Er war der Überzeugung, dass dieses für Mittelamerika zum damaligen Zeitpunkt neuartige Produkt gute Chancen hätte, Geld einzubringen. Also wurde eine kleine Joghurt-Produktion im Hause „Meropis“ angesetzt und Dorothea Forrer-Haupt war diejenige, die das Produkt fabrizierte. Da aber eine ausreichende Kühlung des wärmeempfindlichen Produktes nicht sichergestellt werden konnte und auch der vorausberechnete Absatz nicht zu erzielen war, wurde dies Unterfangen eingestellt.365 Ein weiteres – ebenfalls erfolgloses – Projekt war der Versuch, sich mit der Aufzucht von Hühnern als erfolgreicher Unternehmer Einkommen zu sichern. Forrer hat hierzu seine Ersparnisse investiert und einige hundert Küken angekauft, die den Grundstock der späteren Hühnerzucht darstellen sollten. Es stellte sich aber heraus, dass eine Zucht mit den erworbenen Exemplaren nicht begonnen werden konnte, da er ausschließlich Hennen erworben hatte – Hähne fehlten völlig. Die finanziellen Mittel die fehlenden Hähne noch für einen Zuchtbetrieb zu erwerben, waren aber nicht vorhanden, so dass dieses Projekt letztendlich scheiterte. Auf geistigem Gebiete war Forrer erfolgreicher ohne aber, dass dadurch seine finanziellen Grundlagen wesentlich verbessert wurden. Von 1958 bis 1962 hatte er einige Auftritte sowohl im salvadorianischen Radio als auch im nationalen Fernsehen, die ihn sogar einem größeren Teil der Bevölkerung bekannt machten. In der Radiosendung Tribunal del Saber, die Ende der 1950er Jahre eine beachtliche Zuhörerquote erreichte, wurde zu vielen Themen aus verschiedenen Wissenschaftszweigen Zuhörerfragen aus dem im Studio anwesenden Publikum beantwortet. Eine nachhaltige Besserung der finanziellen Situation hatte dies leider nicht zur Folge. Meist unterstützte seine jüngste Schwester Odile, die in Paris lebte, die Familie mit Zuwendungen. Auch sein in der Schweiz lebender ältester Sohn aus 365
Siehe hierzu auch die kurze Einlassung Forrers in: Homerisch und Silenisch, 1975, p. 56
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erster Ehe, Wolfgang, trug finanziell zum Leben seines Vaters und seiner neuen Familie bei. Von 1960 an sicherte ihm eine freiberufliche redaktionelle Tätigkeit bei der in San Salvador erscheinenden Zeitung El Diario de Hoy ein geringes aber immerhin regelmäßiges Einkommen. In mehr als 200 Zeitungsartikeln, die zusammen genommen einen breiten Fächer an Themen aufmachten und z.B. Aspekte des Magnetismus, des Vulkanismus bis hin zu aktuellen Ergebnissen der Erdbebenforschung und der Kontinentaldrift behandelten, gelang es Forrer, den Lesern dieser Zeitung aktuelle wissenschaftliche Fragestellungen in populärer Darstellung näher zu bringen. Im Jahre 1964 versuchte er offenbar aber nochmals in den Vereinigten Staaten Fuß zu fassen und sich dort für eine wissenschaftliche Position zu bewerben. Ein Anliegen, dass neben der eigenen Positionierung seiner Forschungen und der Hoffnung auf eine entscheidende Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse vor allem aus dem Wunsch heraus entstand, die Chancen und Möglichkeiten seiner eigenen Kinder im Hinblick deren Lebensperspektive zu verbessern. Dies belegt ein mehrseitiger Lebenslauf Forrers in englischer Sprache, der seine wichtigsten Forschungsgebiete, seine erzielten Leistungen sowie seine verschiedenen Positionen und Forschungsreisen enthält. Nicht unerwähnt bleiben natürlich seine wissenschaftlichen Tätigkeiten in den USA. Der Lebenslauf, mit Datum 26. Oktober 1965, enthält zum Abschluss folgende ergreifende Schlusspassage: „The decisive reason for our wish to remove to the USA are our eight children (4 and 4), between 3 and 19 years old, all of them well talented, and four of the six in school are the first or second in their classes; they speak German and Spanish and learning English. Here I could not give them the opportunity of adequately developing their abilities, some of them wanting to study at the university; the eldest one, Midas, has just made his bachelor and is interested in further studies of Music, after having given many public concerts in all the towns of El Salvador. But if I had a place at a town where a good library exists, thus probably a University, also their problems would be solved. It is true, I am 71 years old; but as healthy as I am and more active than young men use to be, I feel that I still have at least fifteen years of activity before me in order to try to realize all the still abundant ideas which incite me.“
Forrer wird Mitarbeiter des Außenministeriums Forrer, der durch seine öffentlichen publizistischen Tätigkeiten in El Salvador zu einem gewissen Bekanntheitsgrad brachte, erhielt im Jahre 1962
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das Angebot in der Dokumentenabteilung des salvadorianischen Außenministeriums tätig zu werden. 366 Das Ministerio de Relaciones Exteriores war seit Beginn der 1960er Jahre intensiv mit der Frage der Beziehungen zu den benachbarten Staaten Honduras und Guatemala befasst. Im Zuge der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtungen der mittelamerikanischen Staaten wurde zunächst erfolgreich eine gemeinsame Handelszone ins Leben gerufen. Der Mercado Común Centroamericano (MCCA = Gemeinsamer zentralamerikanischer Markt) wurde am 13. Dezember 1960 mit dem Vertrag von Managua (Tratado General de Integración Económica) gegründet. Gründungsmitglieder waren Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua. Die unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungen innerhalb der Staatenmitglieder sowie immer wieder auftretende Konflikte in Fragen der Grenzregelung lähmten allerdings die mulitlateralen Bemühungen um die wirtschaftliche Prosperität der Region. Vor allem die sehr unterschiedlichen Auffassungen in der Landverteilungsfrage, die in Mittelamerika eine zentrale politische Bedeutung hat, in der Grenzregion der beiden Staaten El Salvador und Honduras, hatte ab 1962 eine Eigendynamik entwickelt und zunächst auf diplomatischem Parkett zu Auseinandersetzungen führte. Die Grenzfragen wurden mit juristischen Mitteln zu lösen versucht, wobei jede Seite historische Ansprüche auf gewisse Grenzregionen anmeldete. Dabei gingen die Verhandlungskommissionen zuweilen bis in die Frühzeit der spanischen Kolonisation zurück und man versuchte, dieses oder jenes Regionalgebiet als historisch zu seinem jeweiligen Staatengebiet als zugehörig zu erweisen. Da Forrer in der Auswertung historischer Urkunden – insbesondere hinsichtlich der historisch-geografischen Auswertung – über reichlich Erfahrung und über gute Kenntnisse des Altspanischen verfügte, arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter diesen Verhandlungen zu. Er versuchte mit historischen Argumenten, die er aus alten Rechtsurkunden und Verwaltungstexten der frühspanischen Kolonisationsperiode herausarbeitete, der Regierung El Salvadors in den zunehmend aggressiver debattierten Verhandlungsrunden, überzeugende Argumente zu verschaffen. Beide Staaten änderten und verletzten in sogenannten Agrarreformen auch die jeweiligen Staatsgrenzen. Die auf diesem Wege mit einverleibte Landbe366
Hinsichtlich des Beginns der Tätigkeit im Außenministerium gibt es divergierende Daten. In dem erwähnten Dokument, dass auf den Erinnerungen seiner Kinder beruht, wird das Jahr 1962 angegeben, Detlev Groddek nennt das Jahr 1964, siehe Çarnikzel, Dresdener Beiträge zur Hethitologie, Bd. 10, p. 30 und die von Earl H. Lubensky verfasste biografische Skizze, die sich auf Aussagen Emil Forrers stützt, verweist auf das Jahr 1967. Bevor mir das Dokument der Familie zuging, verwies ich zunächst in Altorientalische Forschungen, Bd. 33, 2003, p.278, auf E. Lubensky fußend, ebenfalls auf 1967.
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völkerung wurde vor allem von honduranischer Seite als Fremdarbeiter eingestuft. Der Streit eskalierte und führte schließlich im Jahre 1969 zu einer kurzen, aber intensiv geführten, militärisch-bewaffneten Auseinandersetzung zwischen El Salvador und Honduras, der in der neueren Geschichte als „Fußballkrieg“ bekannt wurde.
Der Fußballkrieg Der eigentliche Grund waren Spannungen um so genannte Wirtschaftsflüchtlinge aus El Salvador, die seit längerem von der Bevölkerung Honduras für die wirtschaftlichen Probleme verantwortlich gemacht und angefeindet wurden. Zum einen waren etwa 300.000 Salvadorianer über die offene Grenze nach Honduras gekommen und hatten dort brachliegendes Land in Besitz genommen, ohne jedoch das Land rechtmäßig erworben zu haben. Zum anderen wechselten viele tausend Landarbeiter durch „Agrarund Landreformen“ ständig zwischen beiden Staaten, da die Grenzen sich beständig verschoben. Zu dieser Zeit hatte Honduras etwa 1,9 Millionen Einwohner bei einer Größe von 112.000 km2 und El Salvador etwa 2,5 Millionen Einwohner bei einer Größe von 21.400 km2. Bereits beim zweiten Spiel im Halbfinale der Nord- und Zentralamerika-Gruppe in der WM-Qualifikation für Mexiko 1970 kam es in El Salvador am 15. Juni zu Straßenunruhen. (Es endete 3:0 für El Salvador, nachdem eine Woche zuvor Honduras 1:0 gewonnen hatte.) Während dieser Ausschreitungen griffen Militär und Polizei ein. Beim Spiel selbst verbrannten einige Salvadorianer die honduranische Flagge und bewarfen die Spieler mit Gegenständen. Das dritte und entscheidende Spiel in Mexiko-Stadt am 26. Juni 1969 war schließlich der Auslöser des Krieges. Auch hier gab es ähnliche Unruhen. Der Fußballspieler Pipo Rodriguez schoss in der Nachspielzeit das 3:2 für El Salvador, damit war Honduras ausgeschieden. Kurz darauf kam es zu unkontrollierten Ausschreitungen, welche auch Todesopfer mit sich brachten. Als die honduranischen Behörden im Zuge einer Agrarreform am 30. April 1969 die so genannten illegalen Einwanderer aufforderten, innerhalb von 30 Tagen nach El Salvador zurückzukehren, eskalierte der Konflikt. Die salvadorianische Regierung entschloss sich zur militärischen Intervention. Kriegsziel war allerdings nicht die dauerhafte Besetzung des honduranischen Territoriums, sondern die Durchsetzung eines Bleiberechts für die Emigranten aus El Salvador. Die sich abzeichnende Niederlage der honduranischen Armee veranlasste die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) dazu, in den Konflikt einzugreifen. Mit Sanktionsdrohungen
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erzwang sie schon nach wenigen Tagen am 18. Juli 1969 das Ende der Kämpfe. Die bewaffnete Auseinandersetzung dauerte nur rund 100 Stunden. Am 29. Juli 1969 musste die salvadorianische Regierung dem Rückzug ihrer Truppen zustimmen, ohne dass ihre wesentlichste Forderung – die Vertreibung der Emigranten einzustellen – erfüllt wurde. Am 4. August verließen die letzten Soldaten Honduras. Der Krieg kostete 3.000 Menschen das Leben, weitere 6.000 wurden verletzt. Der Fußballkrieg bedeutete zugleich das Ende des 1960 gegründeten Mercado Común Centroamericano. Nach eignen Angaben gehörte Forrer zu den bestbezahlten Mitarbeitern im Stabe des Außenministeriums, was sicherlich dem Lebensstandard im Allgemeinen gut tat. Der entscheidende Vorteil dieser Beschäftigung lag im Erwerb von Pensionsansprüchen, die Forrer ein bescheidenes Leben nach seiner Pensionierung im Jahre 1977 sicherten. 367 Als Forrer in den Ruhestand ging, war er bereits 84 Jahre alt.368
Forrer meldet sich noch einmal in Ugaritica zu Wort Vermittelt durch seinen Schwager Claude Schaeffer-Forrer, der über seine Frau Odile, Forrers jüngste Schwester, die immer wieder dessen Familie finanziell unterstützte und mit der schwierigen Lebenssituation und den Schwierigkeiten vertraut gewesen sein dürfte, äußert sich Forrer in seinem Beitrag Der Untergang des Hatti-Reiches noch einmal und letztmalig zu hethitologischen Fragestellungen.369 Der ausführliche Beitrag befasst sich mit den letzten Jahrzehnten des Hatti-Reiches in der Zeit Çuppiluliumas II, wobei sich Forrer – erstmals nach Jahrzehnten – wieder zur AΔΔijawaFrage äußert sowie Fragen der westkleinasiatischen Geografie anschneidet. Auch in diesem Beitrag finden sich Feststellungen, die in dieser Weise wohl nur Emil Forrer zu treffen wagte. Hinsichtlich der Luwier und des 367
368
369
Detlev, Groddek, op. cit,. p. 30 Fn. 78 zitiert aus einem Brief Forrers an Annelies Kammenhuber vom 16. Mai 1978, in dem Forrer zu seinen Bezügen im Außenministerium Stellung nimmt. Ganz passend ist der Hintergrund dieser Erwähnung. Denn er führt aus, dass sein Gehalt nicht ausreicht, um eine Druckmaschine anzukaufen. Auch hier divergieren die Zeitangaben erheblich. So verweist Forrer selbst in einem Brief an Annelies Kammenhuber darauf, dass er seinen Dienst erst im Jahre 1977 beendet hat, nach fünfzehnjähriger Tätigkeit für das Außenministerium. Dies scheint mir die verlässlichste Quelle zu sein. Die Erinnerungen der Kinder nennen das Jahr 1973. Der Untergang des Hatti-Reiches, in:Ugaritica, Bd. 6, 1969, p. 207–228.
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Luwischen, eine Frage mit der sich ja schon seit 1920 intensiv befasste, heißt es, wenig vorsichtig: „Die offizielle Einführung der luwischen Schrift wurde dadurch erleichtert, dass die Tabalier, die nur aus dem Balkan eingewandert sein können, einen luwischen Dialekt sprachen; denn ursprünglich hat das Gebiet der Luwier von SüdDeutschland bis Armenien und Syrien gereicht.“
Dem Aufsatz beigefügt sind zwei handgezeichnete – kalligrafisch ausgeführte – Karten, die Kleinasien vor und nach Auflösung des Hethiterreiches zeigen und in der Forrer seine, heute jedoch überholten, Interpretationen der Geografie des Reiches deutlich macht. Ein interessantes Detail ist, dass Forrer auf der Karte, die Kleinasien vor der Auflösung des HattiReiches darstellt, AΔΔijawa mit eingezeichnet hat. Zum damaligen Zeitpunkt stand man der Frage, ob AΔΔijawa das griechische Festland bezeichnet, noch ablehnend gegenüber, was heute von der Mehrzahl der Hethitologen anerkannt wird.
Forrer wendet sich an Hans Gustav Güterbock 1983 und 1984, schwer krank und hochbetagt, wendet sich Forrer brieflich an den Hethitologen Hans Gustav Güterbock in Chicago und bittet ihn um Unterstützung bei der Veröffentlichung einiger Manuskripte. Über die gesamten siebziger Jahre hat er intensiv an seinen Meropisforschungen gearbeitet, ohne dass es in der Welt der Wissenschaften ein wahrnehmbares Echo auf seine Forschungen gegeben hat. 1975 publiziert er im Selbstverlag – darin hatte Forrer ja schon in den 1920er Jahren Erfahrungen sammeln können – sein Werk Homerisch und Silenisch, das seine Forschungsergebnisse umfangreich darbringt. Zu Beginn der 1980er Jahre spürt Forrer, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt und er ist besorgt, dass er die seiner Ansicht nach so wichtigen Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte, nicht mehr veröffentlichen kann. Teilweise übernimmt seine Frau Dorothea die Korrespondenz, da Forrer offenbar nur noch mit Mühe schreiben kann. Zunächst hofft er, dass seine Beiträge Geld einbringen und so sendet er eine Auswahl an H.G. Güterbock mit der Bitte, bei der Publikation behilflich zu sein. Nachdem Güterbock in seinem Antwortschreiben aber deutlich macht, dass es seiner Ansicht nach völlig ausgeschlossen ist, mit seinen Aufsätzen Einkünfte zu erzielen und es sogar überhaupt fraglich ist, ob man diese Arbeiten zur Publikation bringen kann, antwortet Forrer, dass er die Verwertungsrechte und damit eventuell verbundene Einnahmen Güterbock überlasse, nur sollen seine Gedanken noch der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zwar lehnt Güterbock dieses ungewöhnliche Geschenk ab, jedoch gibt er zu verstehen, dass er
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sich, angesichts des offenbar hohen persönlichen Stellenwertes dieses Anliegens für Forrer, bemühen wolle, eine Publikationsmöglichkeit zu finden, auch wenn er die Chancen dafür als äußerst gering erachtet. Erwähnenswert ist, dass Forrer auch noch eine kurze hethitologische Arbeit nach Chicago schickt, die nochmals die AΔΔijawa-Frage berührt. Es scheint als habe ihn die von ihm ausgelöste „Kardinalfrage“ der Hethitologie auch in späteren Jahren nicht losgelassen. Möglicherweise kannten sich Güterbock und Forrer aus frühen Berliner Tagen, denn dass die beiden Forscher sich im „Schuppen“ oder an anderer Stelle begegnet sein könnten, ist wahrscheinlich, obwohl die Anrede in den Briefen formal ist und nicht direkt auf eine Freundschaft schließen lässt. Wie Detlev Groddek aufzeigen konnte, hat Forrer sich auch in den 1970er Jahren mit anderen Hethitologen ausgetauscht und z. B. Annelies Kammenhuber kontaktiert. Auch zu ihr hat Forrer offenbar Kopien seiner Arbeiten geschickt. Dies macht deutlich, wie wichtig ihm die Veröffentlichung seiner Werke war.370 „Lieber Herr Güterbock! Eine Pause von mehreren Monaten und der Mangel an Erinnerung haben mich meine für Sie bestimmte Arbeit „Attalia, Millavanda und Lügen-Landschaften“ vollkommen vergessen lassen zu Gunsten der zweiten ''Die Morgenröte der Weltgeschichte, 8400-3.000 v.C.'' . Es scheint, dass ich die Erstere gar nicht an Sie abgeschickt hätte, obwohl 1 Exemplar fehlt, sodass ich Ihnen gleichzeitig mit diesem Brief als Drucksache beide genannten Aufsätze zusende. Ich bitte Sie, alle Fehler mit meinem Alter (89) zu entschuldigen. Der Gedächtnisschwund ist so, dass ich, wenn ich mir etwas Bestimmtes zu arbeiten vornehme, ich es am Morgen nicht mehr weiss. So sende ich Ihnen jetzt also die zwei genannten Arbeiten mit der Bitte, sie zum Druck zu bringen, da Beide dem Forschergeist des Oriental Institues entsprechen, ganz nach Ihrer freien Entscheidung. Als Zeichen meines Dankes sende ich Ihnen meine beste und wenigst bekannte vorhandene, historische Arbeit zu: „8000 Jahre Menschheitsgeschichte im Alten Orient.“ Es ist mein letztes verfügbares Exemplar. Entschuldigen Sie bitte, dass die politische Lage mich zwingt Sie um einen Freundschaftsdienst zu bitten. Mit herzlichem Gruss und besten Wünschen bin ich Ihr Dr. Emil Forrer Colonia Bernal, Calle del Gringo, Final San Salvador, Centroamerica.“371
Die direkte Antwort Güterbocks liegt nicht vor, aber aus einem weiteren Schreiben aus der Feder von Dorothea Forrer–Haupt vom 30. November 370 371
Detlev Groddek, op. cit. ,p. 30 Brief an H. G. Güterbock vom 6. August 1983. Siehe auch Dokument 54 der CDROM. Diese Dokumente machte mir dankenswerterweise Theo van den Hout zugänglich.
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1983, lässt sich entnehmen, dass Güterbock Forrer wenig Hoffnung auf eine Publikation machen kann. „Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Güterbock, da mein Mann durch die altersbedingte Arteriensclerose cerebral nur schwer Briefe schreiben kann, bat er mich, mich mit Ihnen in Verbindung zu setzen. Wie aus Ihrem Schreiben vom 31. Oktober 1983 hervorgeht, haben Sie die Zusendungen meines Mannes: 8000 Jahre Menschheitsgeschichte im Alten Orient, p. 1–43 Die Morgenröte der Weltgeschichte, p. 1–28 Attal-ia, Milavanda und die Lügenlandschaften, p. 1–5. Pharao, Shakeris und der asylierte Hatti-König Urhi–Tessub p. 1 – unvollendet erhalten. Ich bitte Sie höflichst, mir die Titel bestätigen zu wollen., p. 1–5. Pharao, Shakeris und der asylierte Hatti-König Urhi–Tessub p. 1 – unvollendet erhalten. Ich bitte Sie höflichst, mir die Titel bestätigen zu wollen. Die 8000 Jahre haben Sie, wenn ich richtig verstanden habe, der Institusbibliothek einverleibt. Ich glaubte mein Mann hätte sie Ihnen persönlich als Geschenk machen wollen. Sie betonen, dass in der deutschen Form der Schriften in USA für diese keine Veröffentlichungsmöglichkeit bestehe. Das ist selbstverständlich. Der Plan meines Mannes ging wohl auch mehr da hinaus, Sie zu fragen, ob seine seine maschinegeschriebenen Arbeiten nicht durch Sie persönlich oder durch einen Übersetzer ins Englische übrtragen werden könnten, um sie dann in dieser englischen Form durch einen Verlag veröffentlichen zu lassen. Da mein Mann über keinen finanziellen Rückhalt verfügt und nur eine kleine Rente bezieht, die nicht einmal seinen Lebensunterhalt deckt, versuchen meine älteste Tochter und ich das Leben der Familie, die ausser meinen Mann noch immer aus zwei an der Universität studierenden Söhnen besteht, mühsam zu decken. Weder mein Mann noch wir würden leider über die Mittel verfügen, eine Veröffentlichung und die Übersetzung bezahlen zu können.“
In gleicher Angelegenheit antwortet Güterbock am 4. Februar 1984:372 „Lieber Herr Forrer, Sehr geehrter Frau Forrer: Besten Dank für Ihre Briefe vom 7. Bzw. 10. Januar d.J. Die Sache mit der „Morgenröte“ habe ich mir lange überlegt und bin nun zu diesem Resultat gekommen. Da Ihnen so viel daran liegt, will ich versuchen, den Aufsatz irgendwo unterzubringen. Es käme ja nur eine deutschsprachige Veröffentlichung, wohl Zeitschrift, in Frage. Obwohl ich mir nicht allzuviel Hoffnung mache und auch keine Beziehungen zu solchen Veröffentlichungen habe, will ich es versuchen. Inzwischen habe ich das Manuskript in mehreren Exemplaren ablichten (xerographieren) lassen. Damit bezwecke ich zweierlei: Erstens kann ich Ihnen baldigst die gewünschten 372
Siehe auch Dokument 55 der CD-ROM.
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Exemplare für Ihre Familie zukommen lassen, und zweitens kann ich ein paar Exemplare zum Angebot an eventuelle Herausgeber oder Verleger verwenden. Ein Probeexemplar, das ich so gefaltet und geheftet habe, dass es wie ein Heftchen bequem lesbar ist schicke ich Ihnen getrennt mit Luftpost. Weitere zehn oder zwölf folgen mit „surface mail“ demnächst, werden aber länger unterwegs sein. Ich hoffe, dass diese Regelung Ihre Zustimmung findet. Das Dokument, in dem Sie, lieber Herr Forrer, mir die Rechte an dem Werk übermachen, schicke ich anbei an Sie zurück. Ein solches Geschenk kann ich nicht annehmen. Sollte wirklich ein Honorar dabei heruskommen, dann wird das selbstverständlich Ihnen gehören. Aber, wie schon früher gesagt, die Chancen dafür sind gering. Mit den besten Wünschen und freundlichen Grüssen, Ihr H.G. Güterbock.” Dr. Emil Orcitrix Forrer: Attali-ia, Millavanda und Lügen-Landkarten Als in der Hattistadt die Nachricht einlief, dass der König von Millavanda gestorben sei, war in dieser Stadt zwar ein Stellvertreter bestimmt, aber da Millavanda zwangsweise zum Hatti-Reiche gehörte, gehörte es, hattischer Doktrin entsprechend, zum Machtbereich des Grosskönigs des Hatti-Reiches, damals des Morsilis II.. Dieser bestimmte das Städtchen Salapa, das westlich am Fuss des ArgaeusVulkans liegt, zum Sammelplatz der Streitwagen mehrerer Gaue. Zugleich sandte Morsilis seinen höchsten Staatsbeamten, den Kanzler, dem künftigen König von Millavanda Tavagalavas entgegen, der von ihm zum Hatti-König geleitet werden sollte und zwar im selben Wagen des Kanzlers, zusammen mit ihm, natürlich begleitet von den zahlreichen Wagen der nächsthöchsten Würdenträger des HattiLandes und ihrer Hilfsarbeiter. Dabei mussten sie die Gebirgszone des Taurus durchqueren, die das Hatti-Land von den Arzaova-Ländern scheidet. Hier wurde der vielleicht unbeliebte (?) Kanzler auf seiner Reise wahrscheinlich mit Steinwürfen belästigt, was den Kanzler und den Hatti-König berechtigte sofort gegen die Hauptorte dieses Landes vorzugehen. Steile Stellen mussten bei dieser Strafexpedition zu Fuss ausgeführt werden (!). Das durchzogene Gebiet hieß Ijalanda, das Insel-Land, weil es einen grossen See mit Inseln umrandete, und wahrscheinlich liegt auf ihr der Hauptort Ijalanda dieses Berglandes. Tavagalavas hatte inzwischen ein „Telegramm“ (würden wir heute sagen) gesandt, mit den Worten:„Das Königtum gib mir hier an seinem Ort, sonst komme ich nicht.“ Mit „hier“ wird Millavanda, kann aber auch Ilajanda gemeint sein. Er hat sich also noch gar nicht auf den Weg zum Grosskönig und hat es mit der Einsetzung zum König von Millavanda und Ilajanda nicht eilig. Tatsächlich berichtet das Bruchstück eines Briefes von Manapa-Tessubas, des Königs des Seha-Fluss-Landes, dass ein Feind die Stadt Lazpas (Lesbos) angegriffen habe. Das betraf den Tavagalavas in sofern hart, als er „König“ von Ahhijawa und Lazpas . Er musste sich also sofort an diese begeben und Millavanda auf später verschieben. Das konnte Morsilis noch nicht wissen und war über diese Verschiebung
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1948–1986. Die Jahre in Mittelamerika der Zeremonie ungehalten, weil der eigentliche Zweck seiner Reise nicht verwirklicht werden konnte. Der Text Bo. 5584 (im Original leicht durchgestrichen, und in VAT 6692 korrigiert, Anm. d. Verf.) fährt fort: „Als ich aber das Land Ijalanda geplündert hatte, während ich das übrige Land ganz geplündert hatte, habe ich die Stadt AD-RI-IA als einzigen Vorort von Millavanda unberührt gelassen. Da kam ich wieder in die Stadt Ijalanda hinauf. Dann blieb ich inmitten der Stadt Ijalanda mit den Truppen.“ (VAT 6692 I 35–40) – Das heisst, dass er sich mit seinen Truppen auf's Warten einrichtete. Nach meiner Auffindung des Ruinenhügels von Millavanda etwa zwölf Kilometer westlich von Adalia (römisch Attalia) auf dem Endstück der Düne, die in Adalia mit einem kleinen Ruinenhügel inmitten der letzten Häuser beginnt, kann kein Zweifel daran sein, dass der kleine Hügel AD-RI-IA der Kern der heutigen Stadt Adalin, alt Attalia, ist. Das bedeutet, dass die Zeichen AD-RI-IA mit dem zweiten Lautwert TAL des Zeichens RI, also Attalia (die väterliche Insel) gelesen werden müssen. Grosskönig Attalus ist hier unverdientermassen geehrt worden; denn Attalia war keine Gründung des Attalos, sondern bestand zu seiner Zeit schon mehr als tausend Jahre. Morsilis hat also die Stadt Attalia nicht plündern lassen, weil sie das Zugangstor zu Millavanda ist. Als ich von Syrien her in Adalia ankam, benutzte ich die zwei Stunden Aufenthalt in Adalia, um Millavanda zu finden: Ich mietete einen Federwagen mit zwei Pferden und machte in ihm die Fahrt längs der mannigfach geformten hohen Düne bis kurz vor ihrem Ende. Denn da lag der grosse Hügel von Millavanda vor mir, und die erste Stunde war um. Ich konnte in nur gerade einmal meine Schritte zählen und mit den Augen nach Scherben suchen. Das war hier ausnahmsweise nicht möglich, weil die ganze Oberfläche des Hügels mit einem Gift getränkt war, das keine Vegetation (sonst bis zwei Meter hohes Gras!) aufkommen lässt. Ich kannte diese Methode, die Stadt des besiegten Gegners für immer unbewohnbar zu machen vom Kül-tepe bei Kaisari, von der Hatti-Stadt Boghazköi, wo sie durch Beschwörung ungültig gemacht worden ist und an der schliesslich doch entdeckten religiösen Hauptstadt des Hatti-Reiches Arinna, deren Zerstörung das Ende des Hatti-Reiches bedeutet. Der Name Millavanda, gelegentlich auch Miellavanda geschrieben, bedeutet gewiss „Wo man Honig fand“. Hier sei mir gestattet, über eine wichtige Eigentümlichkeit der mir vorliegenden türkischen Landkarte vom Ende des vorigen Jahrhunderts zu berichten, die ihren Gebrauch für die Küstenländer und auch für eine gewisses Stück Binnenland illusorisch macht. Nämlich, um den Einmarsch fremder Streitkräfte zu verhindern sind alle Grenzstellen möglichen Einmarsches fremder Streitkräfte, wo es möglich ist, verändert dargestellt. So wird ein See Ackerland; Mündungskanäle verändern ihre Lage; eine Insel wird Festland oder ihre Existenz wird vollkommen unterdrückt; eine Insel mit ihrem ausgedehnten leeren Palast wird ganz verschwiegen; aber ich bin hingeschwommen trotz der grossen, aber von mir unterschätzten Abstands; u.s.w. Ihren Gipfelpunkt erreicht diese Weltveränderung in einem Gebiet von etwa fünfundzwanzig Ortschaften des Hinterlandes von Yer-köi im Halys-Bogen, wo ich sie besuchte. Ihre Existenz wird verheimlicht, weil sie von sesshaften Kurden bewohnt werden und diese gelten als unversöhnliche Feinde der Türkei. So ist ihr ganzes Gebiet auf der Landkarte weiss gelassen. Inzwischen ist in den vergange-
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nen 57 Jahren eine neue Türkei entstanden, und wohl auch eine wahrheitsgemässe Landkarte. San Salvador, Sa. 11. Juni 1983 Dr. Emil Orcitirix Forrer Hager So. 31. Juli 1983“373
Forrers Tod und späte Würdigungen eines Forscherlebens Die letzten Lebensjahre Forrers waren von schwerer Krankheit überschattet und seiner Kräfte beraubt, war an geistige Tätigkeit nicht mehr zu denken. Wie dem Nachruf des Indogermanisten Oswald Szemerényis zu entnehmen ist, hat er dessen Versuch der Ehrenrettung nicht mehr bewusst erlebt. Kurz vor seinem 92. Geburtstag starb Emil Orgetorix Forrer am 10. Januar 1986 in San Salvador. Mehrere Erdbeben zerstörten sein selbsterbautes Haus ”Meropis“ in der Final Calle del Gringo bei zwei aufeinander folgenden Erdbeben am 13. Januar und 13. Februar 2001. Seine umfangreichen Zettelsammlungen, die er über sieben Jahrzehnte angelegt und ständig erweitert hatte, wurden dabei vernichtet. Teile seines wissenschaftlichen Nachlasses sowie seiner wissenschaftlichen Bibliothek befinden sich heute im Museo Guzmán in San Salvador. An dieser Stelle sei dem Museum Guzman dafür gedankt, dass ich Teile seiner bisher unbekannten Maya-Forschungen einsehen und hier publizieren konnte. In El Salvador war Forrer durchaus eine bekannte Persönlichkeit, die in den Medien gegenwärtig war. Die verdiente Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen und Bemühungen erhielt Forrer durch die Vereleihung eines Ehrendoktotitels der Albert Einstein Universität in San Salvador. Auch sein spannendes und erlebnisreiches Leben sowie seine Kulturkontaktforschung wurden in diversen Zeitungsartikeln öffentlich gemacht.
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Siehe auch Dokument 56 der CD-ROM.
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Abb. 46 Zeitungsausschnitt aus der Diario de Hoy
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Der Oberste Rat der Universität Albert Einstein beschließt unter Berücksichtigung: d) dass die Statuten der Universität diesen Rat ermächtigen, Ehrendoktorwürden zu verleihen. Folgendes: 1. Doktor Emilio O. Forrer den Titel DOCTOR HONORIS CAUSA dieser Universität für seine großen Verdienste in den Bereichen der anthropologischen, archäologischen und historischen Forschung zu verleihen. 2. Den Rektor der Universität dazu zu bestimmen, Tag und Stunde der Übergabe der Urkunde mit dem akademischen Grad, den ihm an diesem Datum die Universität Albert Einstein verleiht, an Doktor EMILIO O. FORRER festzusetzen. 3.
Diesen Beschluss öffentlich bekannt zu geben.
In einem weiteren Artikel heißt es: „Notiz des Tages Emilio Forrer, ein Gelehrter, der im Land keine Unterstützung gefunden hat. Als Christoph Kolumbus am 12. Oktober 1492 an amerikanische Küsten kam, war unser Kontinent – und zwar gibt es Beweise zuhauf – bereits mehrere Male „entdeckt“ worden, das letzte Mal um das Jahr 1000 durch skandinavische Seefahrer. Die mexikanische Legende des Quetzalcoatl, eines Halbgottes, den die Azteken sich mit blondem Haar und blauen Augen vorstellen, ist nur erklärbar, wenn man annimmt, dass es viele Jahrhunderte vor Kolumbus Europäern gelungen ist, amerikanische Küsten zu erreichen. Noch im 20. Jahrhundert überquerte ein Norweger, Thor Heyerdahl, den Pazifik in einem Boot, das gemäß den aus präkolumbianischer Zeit bekannten Techniken der Polynesier gebaut worden war. Er bewies damit, dass eine derartige Reise möglich war. Und wir nehmen an, dass er einen weiteren Versuch unternahm, dieses Mal mit einem Boot nach Art des pharaonischen Ägypten. Die Leser von EL DIARIO DE HOY kennen bereits ein wenig aus diesem faszinierenden Kapitel der amerikanischen Geschichte, dank der Schriften des deutschen Gelehrten Doktor Emilio O. Forrer, der praktisch sein ganzes Leben der Erforschung der Kontakte zwischen der Alten und der Neuen Welt vor Kolumbus gewidmet hat.
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Abb. 47 Zeitungsausschnitt vom 18. März 1981
Forrer kam vor fast 30 Jahren nach Amerika, um „in situ“ die präkolumbianischen Kulturen zu studieren und in ihnen nach eindeutig fremden Elementen zu suchen, die sich nur durch direkten Kontakt in das Leben unserer indigenen Vorfahren eingefügt haben. Leider haben weder die Universität El Salvador noch diejenigen Stellen, die eigentlich eine Forschungsarbeit dieses Kalibers hätten unterstützen sollen, zu den Studien von Forrer etwas beigetragen. Jetzt ist es bereits sehr spät, angesichts der ernsten gesundheitlichen Erschütterungen, die dieser geliebte Freund erleidet. Die Katastrophe, die die akademische Tätigkeit in diesem Land erleidet, als Folge davon, in die Hände eines verbrecherischen Fanatismus gefallen zu sein, wird mit Sicherheit eine Fortsetzung der Arbeit von Forrer erschweren. Aber selbstverständlich können wir nicht die Hoffnung aufgeben, dass dieses Versagen eines Tages behoben wird.
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Am 11. Januar 1986 wurde Emil Forrer auf dem Friedhof Jardines des Recuerdo in der Koloni Costa Rica beigesetzt.
Abb.48 Das Grab Forrers in San Salvador
Was bleibt... ...zu sagen am Ende einer so interessanten, gleichermaßen facetten- wie umfangreichen Lebensbetrachtung. Emil Orgetorix Forrer war in den letzten Jahren mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Würdigungen, obwohl er für vier Jahrzehnte nahezu außerhalb des Blickfeldes der Hethitologie stand. Das allein macht deutlich, welchen Stellenwert er in der Hethtitologie heute einnimmt. Forrer gehörte zur sogenannten „DinosaurierGeneration“, der ersten kleinen Schar von Forschern, die vor neun Jahrzehnten begannen, die Grundlagen des Faches zu schaffen und es Zug um Zug als selbstständigen Zweig der Altorientalistik zu etablieren. Jeder, der sich um ein tieferes Verständnis der hethitischen Sprache oder der Hethiter bemüht, kommt im Laufe dieser Bemühungen mit den zahlreichen grundlegenden hethitologischen Arbeiten Forrers in Berührung. Manche dieser Arbeiten sind erst nach sechs Jahrzehnten ersetzt worden, wie das Beispiel
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der hethitischen Zeichenliste zeigt. 374 Forrer ist einer der Gründerväter dieser Disziplin. Seine Verdienste um dieses Fach sind es, die in Erinnerung bleiben. Gerade in jener Pionierzeit der Hethitologie, als es noch keine nennenswerten Grundlagen und kaum Hilfsmittel gab, als noch buchstäblich alles zu erarbeiten war, glänzte Forrer mit seinem unbeschreiblichen Fleiß und seiner tiefen, wie umfassenden Kenntnis der Texte. Seine Genialität wurde auch immer wieder da deutlich, wo es um die Erschließung und Entzifferung unbekannter Sprachen und Schriften ging. Manchmal, wenn eben diese Genialität – gepaart mit reger Phantasie und seiner Neigung, alle offenen Fragen in einem „großen Wurf“ erklären zu wollen – zusammenkamen, dann verlor er den roten Faden und schoss weit über das Ziel hinaus. Auf diese Weise wurde zum Auslöser intensiver Diskussionen. Forrers Art war nicht die des zurückhaltenden, abwägenden, buchstabengetreuen Philologen. Aber die Wissenschaft braucht solche Freigeister, die neue Impulse setzen und die wissenschaftliche Diskussion befruchten, wie die von Forrer initiierte AΔΔijawa-Frage zeigt. Allein durch solche Diskussionen gedeiht die Wissenschaft und schärft ihre methodischen Grundlagen. Forrers Wirken ist ein Beispiel dafür. Das ihm heute der Großteil der Hethitologen in dieser Frage folgt, mag eine späte Genugtuung für seine Familie sein. Forrer war auf der anderen Seite aber auch ein widerspenstiger, starrköpfiger Zeitgenosse, an dem sich die Zeit- und Fachgenossen rieben und der schon früh um die Anerkennung kämpfen musste. Ein Teil dieser Entwicklung hat Forrer selbst mit verursacht. Sein ungewöhnliches Auftreten, seine apodiktisches Vortragen wissenschaftlicher Thesen, sein grenzenloses Selbstbewusstsein und auch seine Genialität, die manchmal auf Zeitgenossen unheimlich gewirkt haben muss, haben ihm nicht nur Freunde eingebracht. Er war kein einfacher Mensch und mit einem gewissen Hang zur Egozentrik veranlagt, was wohl auch für die Brüche in seinem Familienleben gesorgt hat. An Forrer schieden sich die Geister und dies hat er früh zu spüren bekommen. Auch die Unfähigkeit, Allianzen und nützliche Verbindungen aufzubauen, Netzwerke zu knüpfen, die ihn tragen, wenn er Unterstützung nötig hatte, waren Forrers Sache nicht. Ihm fehlte diese Fähigkeit, ebenso wie das diplomatische Geschick. Hinzu kommt, dass er allzu naiv Chancen vertan hat, die ihm eine beruflich gesicherte Karriere hätten garantieren können. Das Kapitel „die amerikanischen Jahre“ ist ein Beispiel hierfür. Die meisten Wege, die sich im Laufe seiner Hethitologenkarriere 374
Die Autoren des Hethitischen Zeichenlexikons, Christel Rüster und Erich Neu, haben in ihrem Vorwort 1989 ausdrücklich ihr Werk Emil Orgetorix Forrer gewidmet.
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auftaten, – und davon hat es auch nach der AΔΔijawa-Diskussion noch einige gegeben – endeten unglücklich, ja fast tragisch für Forrer. Die zahlreichen Enttäuschungen, die sein Leben mit prägten, zunächst in Europa, als er sich über zwei Jahrzehnte vergeblich um eine dauerhafte Stellung in der europäischen Wissenschaft bemühte, dann die naiven Verstrickungen in der Nationalsozialistischen Zeit und später die Rückschläge in Mittelamerika, als er mit seiner Großfamilie am Rande des Existenzminimums lebte, ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Leben. Die über Jahrzehnte herrschende finanzielle Not haben ihn zwar bisweilen an andere Betätigungsfelder denken lassen, aber letztendlich doch nicht vom Forscherleben abbringen können. Dies war seine Bestimmung. Es ist daher müßig zu fragen, was gewesen wäre, hätte Forrer eine gesicherte Position in der deutschen Wissenschaft erhalten. Die Ursachen, dass es nicht so gekommen ist, waren vielschichtig und lagen nicht ausschließlich an seiner Publikation und hartnäckigen Verteidigung der Griechen-Hypothese. Die Kritik an seiner Person vor allem von Sommer und Götze, war überzogen und alles andere als förderlich, aber sie war nicht allein für sein berufliche Situation verantwortlich. Insoweit kann man in Anlehnung an den Titel Szemerényis sagen A sad fate of a genius....ja, aber haunted out of academe.... sicher nicht. Forrers Leben hat neben der Wissenschaft auch einen starken musischen Bezug gehabt. Zeit seines Lebens war er der Musik und der Welt der Noten zugetan. Er spielte in seinem Arbeitszimmer in Erkner das Harmonium zur Erholung von seiner geistigen Arbeit und komponierte zahlreiche Musikstücke. Im Jahre 1967 fasste er einige Arbeiten zusammen, die auch Kompositionen aus seiner frühen Berliner Zeit aus dem Jahre 1917 enthielten und im Titel Andeutungen auf Erlebtes enthielten. Forrer verarbeitete seine Eindrücke offenbar in künstlerischer Form, wie das Stück „Der Ärger über das zum 2. Male versäumte Abendessen in der Mittelstandsküche“ aus dem Jahre 1917 zeigt. Diese musische Begabung teilt er mit seinen Geschwistern und übrigens mit vielen seiner zeitgenössischen Fachgenossen, wie u.a. das Beispiel Hans Ehelolf zeigt. Auch der Umstand der äußeren, tatsächlichen und inneren, fachlichen Emigration, die Forrer mit seinem neuen Leben in El Salvador vollzogen hatte, macht seine Biografie so erzählenswert. Forrers Leben gehörte der Wissenschaft und ein Leben ohne diese war für ihn nicht vorstellbar. Seine Begeisterungsfähigkeit und seine Neugier führten ihn letztendlich nach Mittelamerika, wo er sich die zweite Hälfte seines Lebens ganz seinem neuen Forschungsgebiet widmete. Früh geprägt durch sein Elternhaus, hat er die wissenschaftliche motivierte Neugier kennengelernt, die er bis an sein Lebensende nicht verloren hat. Forrer war außerdem Forschungsreisender, Herausgeber, Archäologe und Astronom. In seine Arbeiten flossen
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Erkenntnisse aus vielen Disziplinen ein, mit zum Teil unterschiedlicher Qualität, wie man an manchen Stellen einräumen muss.
Abb. 49 Kompositionen Forrers
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Verbunden mit dem Werdegang des jungen Forschers bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges ist ein tieferer und spannender Blick in die Geschichte der Hethitologie und auf deren handelnde Protagonisten möglich. Insofern versteht sich diese Arbeit auch als Beitrag zur Fachgeschichte der Hethitologie. Durch das Nachlassmaterial wurde das Werden eines ganzen Faches und seiner Strukturen, so wie wir sie zum Teil noch heute vorfinden, transparenter. Emil Forrer hat heute seinen gebührenden Platz in dieser Fachgeschichte, denn ein Teil der Geschichte der Hethitologie ist seine Geschichte.
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Abb 50 Nachruf von R. Werner in der Neuen Zürcher Zeitung vom 18. Januar 1986
Anhang
Biografien William Foxwell Albright, *24. Mai 1891 – †20. September 1971, amerikanischer Orientalist und ausgewiesener Experte für biblische Archäologie. Albrights Name ist eng mit der Johns Hopkins University verbunden. Nachdem er dort im Jahre 1913 promovierte, unterrichtete er von 1929 bis1959 für drei Jahrzehnte in Baltimore. In den 1930er Jahren war er auch Direktor der American School of Oriental Research in Jerusalem. Albright wurde in Chile als Sohn eines Methodistenpfarrers geboren und interessierte sich bereits von Kindesbeinen an für biblische und altorientalische Archäologie. Einer seiner beliebtesten Aufenthaltsorte war die umfangreiche Bibliothek seines Vaters, in der er zu diesen Themen einen intensiven Zugang fand. Als im Jahre 1947 die Schriftrollen von Qumran entdeckt wurden, war es William Albright, der die Echtheit der Rollen bestätigte und die Texte in das erste Jahrhundert nach Christus datierte. Sein wissenschaftlich publiziertes Werk umfasst mehr als 800 Titel. Walter Andrae, *18. Februar 1875 (Anger) – † 28. Juli 1956 (Berlin) absolvierte an der Technischen Universität Dresden das Studium der Architektur und Baugeschichte und nahm als Assistent Robert Koldeweys 1898 an der Ausgrabung Babylons teil. Als die Ausgrabungen der DOG im Jahre 1903 in Assur begannen, übernahm er die Leitung dieses Unternehmens und behielt diese Position bis 1914. Die besonderen Fähigkeiten als Bauforscher und Archäologe, die sowohl in seinen exakten Dokumentationen, als auch Interpretationen deutlich werden, lieferten ein sehr detailliertes Bild der Stadt mit Befestigungsanlangen und Tempeln. 1921 wurde Andrae Kustos der Berliner Museen als Nachfolger Koldeweys. Vom Jahre 1923 an kam noch eine Lehrtätigkeit an der Technischen Hochschule Berlin für das Fach Baugeschichte hinzu, eine Tätigkeit an der das Herz Andraes sehr hing, konnte er doch seine reichhaltigen Erfahrungen und Kenntnisse, die er sich bei seinen Grabungen im Vorderen Orient erworben hatte, an junge Menschen weitergeben. Von 1928 (nach dem Tode Otto Webers) bis 1952 war er dann Direktor der Vorderasiatischen Abteilung. 375 375
Zum Nachruf, siehe auch Archiv für Orientforschung, Bd. 18, 1957–1958, p. 224f.
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Biografien
Franz Babinger, *15. Januar 1891 (Weiden) – † 23. Juni 1967 (in Durrës, Albanien) studierte Orientalistik, Turkologie, vergleichende Sprachwissenschaften und Germanistik an der Universität München und promovierte 1914 mit einer orientalistischen Arbeit in München. 1914 meldet er sich bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges als Freiwilliger, wechselte aber 1915 zur türkischen Armee. 1921 habilitierte sich Babinger an der Universität Berlin für Islamwissenschaften (bei Eduard Sachau) und wurde dort 1924 außerordentlicher Professor für orientalische Sprachen und Kulturen. 1935 wird Babinger Opfer der Nationalsozialistischen Rassengesetze und aus dem Universitätsdienst entlassen. Er verließ Deutschland und geht zunächst nach Bulgarien und später nach Rumanien. Babinger kehrte noch vor Kriegsende nach Deutschland zurück und war von 1948 bis 1958 Professor für Geschichte und Kultur des Nahen Ostens und der Türkei in München. Babingers Arbeiten umfassen die Kultur- sowie die Bildungsgeschichte des gesamten Nahen Ostens, die er häufig in vielen Sprachen dieser Region publizierte . Hans Bauer, *16. Januar 1878 (Graßmannsdorf) – †6. März 1937 (Halle) war Sohn eines fränkischen Landwirtes und studierte zunächst an der Gregoriana in Rom katholische Theologie und empfing im Jahre 1903 die Priesterweihe. Schon während seiner Studienzeit kamen Bauer Zweifel hinsichtlich der Ausübung des Priesterberufes. So ergab es sich, dass er schon nach sehr kurzer Zeit sein Priesteramt ruhen ließ und ihn sein Wissens- und Forscherdrang wieder an die Universität zurückbrachte. Von 1906 an studierte er in Berlin semitische Sprachen, promovierte 1910 und habilitierte sich 1912 in Halle. Bauer konvertierte anschließend sogar zum protestantischen Glauben und wurde 1922 Professor für semitische Sprachen in Halle. Nachdem Claude Schaeffer in Ras Shamra erste ugaritische Texte fand, stieg Hans Bauer intensiv in deren Erforschung ein. Er war maßgeblich an der Entzifferung des Ugaritischen beteiligt und legte im Jahre 1932 seine Entzifferungsarbeit vor. 376 Kurt Bittel, *5. April 1907 (Heidenheim) – † 30. Januar 1991 (Heidenheim). Als Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) und Ausgräber der hethitischen Königsstadt Hattuça in der Türkei hat er sich große Verdienste und internationale Anerkennung erworben. Im Alter von nur 13 Jahren unternahm er seine ersten Ausgrabungen an einem Grabhügel bei Oggenhausen. Mit 22 Jahren promovierte er bei Gero von Merhart über die Kelten in Württemberg. Ein Reisestipendium des Deutschen Ar376
Siehe auch Zeitschrift für Assyriologie, N.F. Bd. X ( XLIV), 1938, p. 194.
Biografien
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chäologischen Instituts führte ihn danach erstmals nach Hattuça. 1938 wurde er erster Direktor des DAI in Istanbul. Von 1931 bis 1977 war er Ausgrabungsleiter in der früheren Hauptstadt der Hethiter und trug mit seinen Ergebnissen erheblich zur Erforschung der hethitischen Geschichte und Kultur bei. Zahlreiche wissenschaftliche sowie populäre Darstellungen aus seiner Feder haben über nahezu fünf Jahrzehnte das Bild der Hethiter und ihrer materiellen Hinterlassenschaften in die Welt getragen. 1946 übernahm Bittel die Professur für Vor- und Frühgeschichte an der EberhardKarls-Universität Tübingen, von wo aus er 1950 gemeinsam mit den Prähistorikern Adolf Rieth und Wolfgang Kimmig die Grabungen an der hallstattzeitlichen Heuneburg begann. 1951 kehrte Bittel aber in die Türkei zurück und 1952 entdeckte er Daskyleion bei Bandirma. Von 1960 bis 1972 war er erster Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts und leitete diese Institution mit großem Erfolg und der Erfahrung seiner langen eigenen Ausgrabungstätigkeit Am 30. Januar 1991 verstarb Kurt Bittel in seiner Heimatstadt Heidenheim, deren Ehrenbürgerschaft er innehatte. Seit 1989 vergibt die Stadt Heidenheim, in Anerkennung seiner großartigen Leistungen auf dem Gebiet der Archäologie, den Kurt-Bittel-Preis für Süddeutsche Altertumskunde, mit dem alle zwei Jahre herausragende Forschungsleistungen im Bereich der Vor- und Frühgeschichte Süddeutschlands ausgezeichnet werden. 377 Carl William Blegen, *27. Januar 1887 (Minneapolis) – †24. August 1971 (Athen) gilt als einer der bedeutendsten amerikanischen Archäologen des 20. Jahrhunderts. Zu seinen wichtigsten Ausgrabungen zählen Pylos und Troia. Blegen begann seine Studien an der University of Minnesota im Jahre 1904. Schon 1911 nahm er an ersten Grabungsexpeditionen nach Locris und Korinth teil und 1920 promovierte in Yale. Seine Grabungen und Studien zur klassischen Antike Griechenlands brachten in vielerlei Hinsicht neue Erkenntnisse. So fand er 1939 bei seinen Grabungen in Pylos Tontafeln mit Linearschrift B, die bis dahin nur aus den Grabungen von Sir Arthur Evans auf Kreta bekannt waren. Nach seiner Pensionierung im Jahre 1957 siedelte Blegen nach Athen über. Wilhelm von Bode, *10. Dezember 1845 (Calvörde) – †1. März 1929 (Berlin), gebürtig Arnold Wilhelm Bode, geadelt 1914, bedeutender Kunsthistoriker und Museumsfachmann, gilt als der Mitbegründer des mo377
Zu Kurt Bittel siehe auch Archiv für Orientforschung, Bd. 38/39 1991/92, p. 259– 261, Proceedings of the American Philosophical Society, Volume 136, No. 4, 1992, p. 577–583, Festschrift für Kurt Bittel, Beiträge zur Altertumskunde Kleinasiens, hrsg. R.M. Boehmer und H. Hauptmann, Mainz 1983, p. IX-XI.
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Biografien
dernen Museumwesens. Er gründete das Kaiser-Friedrich-Museum (heute Bodemuseum) auf der Museumsinsel in Berlin, war dort Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen und schuf grundlegende Arbeiten zur Geschichte der deutschen, niederländischen und italienischen Malerei und Plastik. Aufgrund seines entscheidenden Einflusses auf die Entwicklung der Berliner Kunstsammlungen wurde er auch „Museums-Condottiere“ und „Bismarck der Berliner Museen“ genannt Helmuth Philipp Theodor Bossert, *11.September 1889 (Landau, Pfalz) – †5. Februar 1961 (Freiburg i. Br.). Bossert wuchs in Landau auf und machte das Abitur im badischen Karlsruhe. Er immatrikulierte sich für die Fächer Kunstgeschichte, Geschichte, Archäologie und Germanistik zunächst in Heidelberg. Im Laufe seiner Studienjahre betrieb er seine Ausbildung aber auch an den Universitäten Straßburg (Elsass), München und schließlich in Freiburg. Dort promovierte Bossert im Sommer 1913 mit einer Arbeit über den ehemalige Hochaltar in Unserer Lieben Frauen Pfarrkirche zu Sterzing Tirol. 378 Die weitere akademische Karriere bis 1918 wurde durch die Teilnahme am Ersten Weltkrieg zunächst unterbrochen. Nach dem ersten Weltkrieg fand Bossert zunächst eine Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Verlagshaus E. Wasmuth. Dort veröffentlichte er zahlreiche solide und prächtig ausgestattete Werke zur Kunstgeschichte und zur Völkerkunde. Sein Werk Altkreta (1921) erlebte sogar 1937 eine dritte Auflage. 379 Das umfangreichste und bedeutendste Werk war die sechsbändige Zusammenstellung Geschichte des Kunstgewerbes aller Völker und Zeiten (1928–1935), das u.a. Kapitel über das Kunstgewerbe des ägäischen Kulturkreises und über das prähistorische Kunstgewerbe Kunstgewerbe Indiens enthielt. 380 Durch diese verlegerische Tätigkeit gelangte Bossert zu einem nicht unbedeutenden Vermögen, das es ihm erlaubte, sich anderen Studien zuzuwenden, als er aus dem Verlagshaus austrat. Helmuth Bossert war stets – so ist in einem Nachruf von E. Weidner nachzulesen – von ungelösten Fragestellungen der Wissenschaft fasziniert und so überrascht es nicht, dass er sich ab 1930 mit den hethitischen Hieroglyphen zu beschäftigen begann. Erstaunlich schnell arbeitete sich Bossert in diese neue Feld ein und seine Veröffentlichung Çantaç und Kupa378 379 380
Freiburg i.Br., 1914. Bossert, H. Th., Alt-Kreta. Kunst und Kunstgewerbe im ägäischen Kulturkreise Berlin, 1921. Bossert H.Th. (Hrsg.), Geschichte des Kunstgewerbes aller Zeiten und Völker, Berlin 1929.
Biografien
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pa381. Diese Monografie gehört zu den bedeutenden Arbeiten, die sich zu jener Zeit mit dem Thema befassten. Zusammen mit Meriggi und Forrer ist Bossert als bedeutender Entzifferer der Hieroglyphen zu nennen. Er ging dabei von der zunächst richtigen Erkenntnis aus, dass das Material auf eine zeitgemässe und adäquate Basis gestellt werden müsse. Die immer noch benutzte Zusammenstellung Messerschmidts Corpus Inscriptionum Hettiticarum, die zu diesem Zeitpunkt bereits über dreißig Jahre alt war, einige Unsauberkeiten enthielt und auch unvollständig war, galt es zu ersetzen. Wie bei Bittel nachzulesen ist, hatte Bossert sowohl der preußischen wie der Bayrischen Akademie der Wissenschaften den Vorschlag für eine Neubeareitung unterbreitet, die Texte in Kleinasien, vor Ort, neu aufzuzeichnen und herauszugeben. Die notwendigen Mittel für eine Reise wurden allerdings nicht zur Verfügung gestellt. Letztlich war es dann die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft, die Bossert auf Empfehlung des Orientalisten Richard Hartmann382 im Jahre 1933 ein Reisebudget genehmigte. Dabei war auch vorgesehen, dass Bossert Gast der Ausgrabungen in Bo©azköi sein sollte, die unter Leitung Kurt Bittels auch für das Jahr 1933 vorgesehen waren. Über diesen Aufenthalt beim Grabungsteam in der Hethiterhauptstadt gibt es mittlerweile durch den schon mehrfach erwähnten Erinnerungsband Bittels publizierte Hinweise, die auf die geistige Nähe Bosserts zum Nationalsozialismus hindeuten. So bestand Bossert neben dem neuen „Deutschen Gruss“, der von nun an auch in Bo©azköi gelten sollte, auch auf eine entsprechende Beflaggung des Lagers mit einer Hakenkreuzfahne anläßlich eines avisierten Besuches eines französischen Ministers im Jahre 1933. Dem französischen Gast sollte nach den Aussagen Bittels deutlich gemacht werden, dass er sich bei einer deutschen Grabung befinde. Soweit man den Schilderungen entnehmen kann, ließ es sich Bossert auch nicht nehmen, trotz der Schwierigkeiten vor Ort, Tuch zu organisieren, um diese Hakenkreuzflagge selbst zu nähen. Noch schwerer wiegt, dass Bossert zusammen mit Eckhard Unger in intriganter Weise versuchte, jedoch dilettantisch ausgeführt, die Grabungsleitung übernehmen zu wollen u.a. mit dem Hinweis, dass verdiente Parteigenossen (wie er und Unger) diese Aufgabe übernehmen sollten. Nachweislich, so schreibt Bittel, hätten beide auch Berichte über die fehlende deutsche Gesinnung bei den Teilnehmern der Grabung (hier waren insbesondere wohl Bittel wie auch Güterbock gemeint) an entsprechende Instan381
382
Bossert H.Th., Çantaç und Kupapa. Neue Beiträge zur Entzifferung der kretischen und hethitischen Bilderschrift in: Mitteilungen der Alt-Orientalischen Gesellschaft, Bd. 6/3, Leipzig 1932. *1881 – †1965.
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Biografien
zen in Deutschland geschickt. Die fachliche Reputation der übrigen Teilnehmer allerdings sowie der wohl zu offensichtliche Versuch sich selbst ins Spiel zu bringen, ließen dieses Vorhaben schnell wie eine Seifenblase zerplatzen. Im Jahre 1934 erhielt H. Bossert den Ruf an die Universität Istanbul auf den Lehrstuhl für Altkleinasiatische Sprachen und Kulturen. Von dort aus war es für Bossert nun leichter Felsdenkmäler hethitischer Provenienz aufzusuchen und Inschriften zu kopieren und zu bearbeiten. Dieser Aufgabe kam Bossert nun in jedem Sommer nach und veröffentlichte eine beachtliche Anzahl an Funden. Durch die Kriegsereignisse ab 1939 kamen diese Aktivitäten nahezu völlig zum Erliegen und wurden erst wieder 1946 aufgenommen. In diesem Jahr 1946 gelang Bossert wohl der bedeutendste Fund oder wie Weidner in seinem Nachruf schreibt, der Fund seines Lebens, nämlich die Freilegung der phönikischen-hieroglyphen-hethitischen Inschriften auf den Reliefs der Burg auf dem Karatepe im Südosten Anatoliens. Diese Inschriften erwiesen sich als Bilinguen und so konnten eine Reihe großer Fortschritte bei Lesungen und Erforschung der hethitischen Hieroglyphen erzielt werden. Eine monographische Abhandlung dazu hat Bossert allerdings nicht verfasst, sondern seine Ergebnisse verstreut in mehreren Aufsätzen publiziert. 1942 publizierte er seinen Band „Altanatolien“ und im Jahre 1951 folgte sein Buch über „Altsyrien.“383 Im Jahre 1954 gründete er die sechsbändige Reihe Große Kulturen der Frühzeit sowie die Zeitschrift Jahrbuch für Kleinasiatische Forschung, von der zwei Bände in Heidelberg und einer in Ankara herausgegeben wurden. Ab dem Jahre 1955 unternahm Bossert mehrere Ausgrabungskampagnen in Misis. Dort hoffte er wichtige Funde aus der Hethiterzeit machen zu können, leider vergeblich. 1959 emeritierte Bossert in Istanbul und wurde Honorarprofessor für Kleinasiatische Altertumskunde in Freiburg im Breisgau. 384 Wilhelm Brandenstein, *23. Oktober 1898 (Salzburg) – † 1. Dezember 1967. Seine Jugend- und Schulzeit verbrachte Brandenstein in Salzburg. Im Zuge des Ersten Weltkrieges 1916 meldete sich der damals Sechzehn383
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Bossert H.Th., Altanatolien. Kunst und Handwerk in Kleinasien von den Anfangen bis zum völligen Aufgehen in der griechischen Kultur. Die Ältesten Kulturen des Mittelmeerkreises 2, Berlin 1942; Bossert, H. Th., Altsyrien. Kunst und Handwerk in Cypern, Syrien, Palästina, Transjordanien und Arabien von den Anfängen bis zum völligen Aufgehen in der griechisch-römischen Kultur, Tübingen, 1951. Zu Bossert siehe auch, Archiv für Orientforschung, Bd. 20, 1963, p.305f.
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jährige als Kriegsfreiwilliger zur kaiserlich-österreichischen Armee. Er wurde in den berüchtigten Kämpfen in den Dolomiten eingesetzt. Er kehrte im Jahre 1918 als hochdekorierter österreichischer Offizier aus dem Kriege zurück. Aus dieser Zeit resultiert auch das alpinistische Hobby des Hochgebirgsbergsteigens. Nach dem Ersten Weltkriege gehörte Wilhelm Brandenstein zur Elite der österreichischen alpinen Szene und schrieb im Jahre 1928 sogar einen viel beachteten Bergführer mit dem Titel Führer durch die Granatspitzgruppe. Nach dem Krieg studierte Brandenstein in Innsbruck Vergleichende Indogermanische Sprachwissenschaft, Klassische Philologie sowie Alte Geschichte und Orientalistik und legte im Jahre 1921 die Lehramtsprüfung ab. Brandenstein unterrichtete mehrere Jahre an höheren österreichischen Lehranstalten, betrieb aber in der verbleibenden Freizeit zahlreiche Studien auf dem Gebiete der altkleinasiatischen Sprachen, vor allem des Lydischen sowie des Altpersischen, eine Sprache, der er Zeit seines Lebens eng verbunden bleiben sollte. 1929 publizierte Brandenstein einen umfangreichen und beachteten Aufsatz Die lydische Sprache in der Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes, Bd.36, 1929, p. 263–304. Im Jahre 1936 habilitierte sich Brandenstein an der Universität Graz für Indogermanische Sprachwissenschaft und wurde 1941 zum außerordentlichen Professor und 1952 zum Ordinarius berufen. In Graz gründete Brandenstein auch die Publikationsreihe, Arbeiten aus dem Institut für Allgemeine- und Vergleichende Sprachwissenschaft. 1958 erschien sein bekanntestes Werk Handbuch des Altpersischen, das er zusammen mit seinem Schüler Manfred Mayrhofer verfasste und bis heute das grundlgegende Werk zur indogermanistischen Betrachtung dieser Sprache darstellt. Brandensteins weiteres wissenschaftliches Werk zeigt seine ungeheure Breite, denn er veröffentliche umfangreiche Studien zum Griechischen (Griechische Sprachwissenschaft, Sammlung Göschen 1954, 1959, 1966) und Etruskischen (Die Herkunft der Etrusker, 1936) aber auch zu historisch-orientalistischen Fragestellungen (Die Volksschichten in Troia, Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes, Bd. 52, 1953), Bemerkungen zur Völkertafel in der Genesis in der Festschrift Debrunner 1954. James Henry Breasted, *27. August 1865 (Rockford, Illinois) – †2. Dezember 1935 (New York) war amerikanischer Ägyptologe und Historiker. Zunächst studierte er Pharmazie und Hebräisch in Chicago und an der Yale University, aber im Jahre 1892 nahm er das Studium der Ägyptologie bei Adolf Erman und der Alten Geschichte bei Eduard Meyer in Berlin auf. Er schloss 1894 mit der Promotion ab, die er in lateinischer Sprache verfasste, und ging anschließend zurück in die Vereinigten Staaten. Er war der erste Amerikaner, der in Ägyptologie promovierte. Seine zweifellos bedeutends-
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te Hinterlassenschaft ist das heute so bekannte Oriental Institute der Universität von Chicago, das er mit finanzieller Unterstützung der John D. Rockefeller Stiftung im Jahre 1919 gründete und das bereits ein Jahrzehnt später zu den größten Instituten auf dem Gebiete der Forschungen zum Alten Orient gehörte. Mit dem Projekt des Chicago Assyrian Dictionary (CAD) begann dort auch das erste Großwörterbuchprojekt. Auf dem Rückweg von einer Ägyptenreise starb James Henry Breasted 1935 an einer Lungenentzündung. John Chadwick, *21. Mai 1920 – † 24. November 1998. Der englische Gräzist war zunächst Mitarbeiter am Wörterbuchprojekt des Oxford Classical Dictionary. Als Michael Ventris einen Vortrag über seine Entzifferungsversuche des Mykenischen beim Radiosender BBC hielt, war einer seiner Zuhörer John Chadwick. Chadwick war während des Krieges Kryptoanalytiker erst im ägyptischen Alexandria und später im englischen Bletchley Park. Im Rahmen eigener Seminarvorbereitungen sah er Ventris Notizen durch. Er betrachtete die Studien von Ventris als die eines Amateurs – der er ja auch war –, die er wissenschaftlich widerlegen konnte. Er wurde nach der Lektüre aber einer der ersten Anhänger von dessen Theorie. Da Ventris Griechisch nur aus der Schule kannte, fehlten ihm fundierte philologische Kenntnisse, diese konnte Chadwick beisteuern, dessen Fachgebiet die griechische Philologie war. Im Jahre 1958 publizierten Michael Ventris und John Chadwick ihr Entzifferungswerk The Decipherment of Linear B, Three Hundred Selected Tablets from Knossos, Pylos and Mycenae with Commentary and Vocabulary, Cambdrige University Press. Anton Deimel, *5. Dezember 1865 (Olpe) – † 7. August 1954 (Rom) war zu seiner Zeit der führende Sumerologe und gilt als Begründer der Sumerologie. Er beschäftigte sich vor allem mit den Wirtschaftstexten des 3. Jahrtausends v. Chr. und war die international geachtete Autorität, was die archaischen Zeichenformen des Sumerischen betraf. Deimel wurde im Jahre 1909 an das Pontificium Institutum Biblicum berufen und schuf grundlegende Werke zum Sumerischen, wie z.B. Liste der archaischen Keilschriftzeichen von Farå, Berlin 1922. Forrers gleichzeitig erschienene Zeichenliste der Bo©azköi-Texte ist auch dem Umstand zu verdanken, dass beide sich in der Vorderasiatischen Abteilung im Berliner Museum persönlich kennengelernt haben, als Deimel dort nach dem Ersten Weltkrieg zahlreiche Texte kopierte. Zu Deimels beeindruckenden Lebensleistungen gehört das 1925 begonnene Çumerische Lexikon, das im Jahre 1950 in neun
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umfangreichen Bänden vorlag. Im Alter von 88 Jahren starb Anton Deimel in Rom.385 Friedrich Delitzsch, *3. September 1850 – † 19. Dezember 1922, war Schüler Eberhard Schraders (1836–1908), des Begründers der Assyriologie in Deutschland und der bedeutendste Keilschriftforscher seiner Zeit. Delitzsch wurde 1877 Professor für semitische Sprachen und Assyriologie in Leipzig, 1893 ordentlicher Professor in Breslau und 1899 in Berlin. Er war Direktor der Vorderasiatischen Abteilung der Königlichen Museen zu Berlin sowie Mitbegründer und bedeutender Förderer der Deutschen Orientgesellschaft. Um die Erforschung der vorderasiatischen Sprachen hat sich Delitzsch große Verdienste erworben und auch die alttestamentliche Kritik gefördert. Durch seine Vorträge zum sogenannten Bibel-Babel-Streit wurde er weiten, auch nicht wissenschaftlichen Kreisen bekannt. Delitzsch bildete nahezu eine ganze Generation deutscher und internationaler Altorientalisten aus und baute den Universitätsstandort Berlin zur international führenden Forschungsstätte der Altorientalistik in der damaligen wissenschaftlichen Welt aus.. In seiner Funktion als Direktor der Vorderasiatischen Abteilung der Königlichen Museen zu Berlin setzte er durch, dass Studenten und Doktoranden das Originalmaterial des Museums, vor allem die inschriftlichen Funde, bearbeiten und auch herausgeben konnten. Eine sehr profitable Situation für alle Beteiligten. Das Museum erhielt quasi en passant die wissenschaftliche Aufarbeitung seines Fundus-Materials, konnte öffentlich mit seiner Sammlung werben und seinen guten Ruf begründen. Die Studenten und jungen Forscher konnten an Originaltexten arbeiten und erhielten die Möglichkeit, mit der Veröffentlichung bisher unpublizierten Materials auf sich aufmerksam zu machen. Die Altorientalistik als Fach hat von dieser fruchtbaren Symbiose sehr profitiert und nachhaltigen Auftrieb erhalten, was allein schon der große Zuwachs an Publikationen in den Jahren von 1900–1920 zeigt. Zu Delitzsch… Schülern zählten u.a. später so bekannte Forscher wie Julius Lewy, Ernst F. Weidner, Arthur Ungnad, Heinrich Zimmern und eben ab 1913/15 auch Emil Forrer.386 Hans Wilhelm Heinrich Ehelolf, *30. Juli 1891 (Hannover) – †29. Mai 1939 (Berlin). Sein Vater, Konrektor und Lehrer in Hannover, August Ehelolf stammte aus einem kleinen Dorf in Niedersachsen und seine Mutter, 385 386
Zu Anton Deimel, siehe Archiv für Orientforschung, Bd. 17, 1954–56, p. 229f. Zu Delitzsch siehe u.a. Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 76–77, 1922/23, p. 121–136 sowie seine selbstverfasste Autobiografie Mein Lebenslauf, Reclams Universum, 36. Jg., 1920, Heft 47.
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Luise Ehelolf, war gebürtige Hannoveranerin. Seine Schulzeit verbrachte Hans Ehelolf in Hannover und machte am dortigen Leibniz-Gymnasium 1910 sein Abitur. Noch im Jahre 1910 nahm er in Marburg bei Peter Jensen387 das Studium der Assyriologie im Hauptfach, sowie der semitischen Sprachwissenschaft und der Indologie in den Nebenfächern auf. Darüber hinaus beschäftigte er sich aber auch mit alt- und neutestamentlicher Bibel-Exegese sowie religionswissenschaftlichen Fragestellungen. Sein Studium fand fast ausschließlich in Marburg statt und es wurde nur im Jahre 1911 durch ein Gastsemester in Leipzig unterbrochen, als er sich bei Eduard Sievers und Karl Brugmann388 in indogermanischen Fragestellungen schulen ließ. Karl F. Geldner389 war Eheholfs indologischer Lehrer und dort hat er sich intensiv mit Form und Inhalt des Rgveda tiefer beschäftigt. Diese Kombination der Fächer war im Übrigen zu jener Zeit geläufiger als heute, wie auch das Beispiel Johannes Friedrich zeigt. Am 29. Juli 1914, drei Tage vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, promovierte Ehelolf bei Peter Jensen mit einer assyriologischen Arbeit über „Ein Wortfolgeprinzip im Assyrisch-Babylonischen“. Schon kurz nach dieser erfolgreichen Promotion wechselte Ehelolf nach Berlin und trat am 26. März 1915 als „wissenschaftlicher Hülfsarbeiter“, wie es damals in dem Arbeitsvertrag hieß, in den Dienst der Vorderasiatischen Abteilung des Berliner Museums unter der Leitung Otto Webers ein. Doch bevor er dort richtig Fuß fassen konnte, wurde er zum Militärdienst in die Kaiserliche Armee einberufen. Am 15. Oktober 1915 rückte der damals 24-jährige Ehelolf in die Kaserne ein und wurde militärisch grundausgebildet. Kurz vor Weihnachten desselben Jahres stieß er zum preußischen Füsilier-Regiment 73, wo seine Sprachbegabung und seine akademische Ausbildung schnell erkannt und er nutzbringend in der Orientarmee eingesetzt wurde. Es folgte die Versetzung als Dolmetscher für Arabisch zum 60. Fuß-Artillerie-Regiment.
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*16. August 1861 (Bordeaux) – †6. August 1936 (Marburg). *16. März 1849 (Wiesbaden) –†26. September 1919 (Leipzig). *17. September 1853 (Saalfeld) – †9. Februar 1929 (Marburg).
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Abb. 52 Personalstammblatt von Hans Ehelolf
Hans Ehelolf fand in den nächsten Jahren in verschiedenen Dienststellen der kaiserlichen Orientarmee Verwendung, vornehmlich im Staatsgebiet des damaligen Osmanischen Reiches. Dort erkrankte er bei einem Kommandounternehmen in der Wüste von Birseba schwer, als ihn eine Infektion mit schweren Fieberkrämpfen fast das Leben kostete. Gezeichnet von dieser schweren Krankheit und körperlich entkräftet, unternahm er dennoch mit nur einer weiteren Begleitperson einen wochenlangen Erkundungsritt entlang des Euphrats in Mesopotamien, der zudem unter äußerst ungünstigen klimatischen Bedingungen stattfand (wochenlanger Regen und anhaltende Kälte), die den schon geschwächten Ehelolf zusätzlich schwer belasteten. Für seine Verdienste in der kaiserlichen Armee erhielt Ehelolf das Eiserne Kreuz 2. Klasse sowie den Türkischen Eisernen Halbmond. Im September 1918 wurde er mit seinem Bataillon sowie den Resten der Deutschen Orientarmee von der Türkei nach Deutschland zurückverlegt. Nach der Kapitulation wurde er am 9. November 1918 aus dem Militärdienst entlassen. Noch im Jahre 1918 nahm Ehelolf seine Tätigkeit im Museum wieder auf und begann sich dort wieder wissenschaftlich zu betätigen. Im Rahmen seiner Tätigkeit lernte Hans Ehelolf Luise Hoßfeld kennen, die die Keilschrifttafeln fotografisch dokumentierte. Sie wurde am 1. April 1886 in Berlin geboren und war ausgebildete Fotografin und Fotolaborantin und
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später ebenfalls im Museum beschäftigt. Am 26. März 1921 heirateten Hans Ehelolf und Luise Hoßfeld in Berlin. Am 10. Juli 1923 habilitierte sich Ehelolf in Königsberg, blieb aber aus einem besonderen Pflichtgefühl dem Bo©azköi-Unternehmen gegenüber in Berlin und verzichtete schweren Herzens auf eine akademische Karriere. Innerhalb des Museums oblag ihm nun die wissenschaftliche Verantwortung für die Tafelsammlung. Nach dem Tode Otto Webers im Jahre 1928 wurde Ehelolf schließlich Kustos der Sammlung unter dem Direktor Walter Andrae und übernahm das gesamte Bo©azköi-Projekt in nahezu alleiniger Verantwortung. Daneben erteilte er am indologischen Seminar der Berliner Universität akademischen Unterricht. Als die Grabungen in Bo©azköi im Jahre 1931 unter der Leitung Kurt Bittels wieder aufgenommen wurden und gleich in der ersten Kampagne Textfunde zu Tage traten, wurde über weitere Grabungen in der alten Hethiterhaupstadt mit allen wichtigen Institutionen gesprochen. Bei einer dieser Gelegenheiten traf Kurt Bittel auf Hans Ehelolf und gab in einem später verfassten Erinnerungsband eine Einschätzung seines Eindruckes dieser ersten Begegnung. Hans Ehelolf wird dort als schwieriger Charakter, aber gebildeter – ja fast feinsinniger Mann geschildert, der durch sein Auftreten etwas arrogant wirkte. Bittel betont aber, dass der erste Eindruck kein bleibender war, sondern Ehelolf sich als umgänglicher Mensch herausstellte. In jenen Jahren war Hans Ehelolf – sowie die kleine Schar in Berlin tätiger Hethitologen – besonderen Belastungen ausgesetzt, mussten die Tafeln schließlich vertragsgemäß innerhalb eines Jahres restauriert, photograpiert und autographiert werden, was angesichts der reichlichen Textfunde eine enorme Anstrengung bedeutete. Zu seinen dienstlichen Pflichten als Museumsbeamter gehörte auch, dass er sich an den Publikumsführungen durch die Sammlungen des Museums beteiligte, die sehr oft an den besucherreichen Wochenenden stattfanden. Dies lässt sich den Publikationen des Museums entnehmen, in denen Hans Ehelolf des öfteren als Tourführer aufgeführt ist. Hans Ehelolf war musikalisch und spielte Klavier zur Entspannung. Heinrich Otten schilderte in einem Interview,390 dass man ihn abends spielen hörte, während unten die Mitarbeiter in den Museumsräumen noch an den Tafeln arbeiteten. Gelegentlich lud er auch die Mitarbeiter und Forscherkollegen zu sich in die im Museum gelegene Dienstwohnung ein und pflegte auf diesem Wege die Geselligkeit mit ihm zugewandten Menschen.
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Dieses Interview führte ich im April 2004.
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Am 29. Mai, dem Pfingstwochenende des Jahres 1939, verstarb Hans Ehelolf infolge einer Blutvergiftung. 391 Sir Arthur John Evans, *8. Juli 1851 (Nash Mills) – †11. Juli 1941 (Youlbury), war britischer Archäologe. Bekannt wurde er durch seine Entdeckung der minoischen Ruinen auf der Insel Kreta. Sein Vater war der renommierte britische Archäologe Sir John Evans, seine Mutter stammte aus einer reichen Verlegerfamilie. Er heiratete die Tochter des Historikers Edward Freeman und wurde 1884 Direktor des Ashmolean Museum in Oxford. Begeistert von der Entdeckung Trojas durch Heinrich Schliemann und inspiriert von Arthur Milchhöfers Theorie einer bronzezeitlichen Hochkultur, reiste er nach Kreta und kaufte das Grundstück, auf dem sich seiner Meinung nach die Ruinen von Knossos befanden. Am 23. März 1900 begann er mit den Ausgrabungen und heuerte dazu 30, später 100 Arbeiter auf eigene Kosten an. Die Männer legten einen prunkvollen Palast mit zahlreichen Fresken frei, den Evans dem mythischen König Minos zuschrieb. Teile der Ruinen ließ Evans später rekonstruieren, was schon damals viel Kritik verursachte und aus heutiger Sicht für Archäologen undenkbar wäre. Fundstücke aus Knossos ließ Evans 1903 in London ausstellen und erntete dafür Ruhm und Anerkennung. 1911 schlug ihn der englische König zum Ritter. Bis 1935 leitete er die Ausgrabungen auf Kreta, und ein Jahr später schloss er sein fünfteiliges Werk Palace of Minos über seine Entdeckungen ab. 392 Er starb 1941 kurz nach seinem 90. Geburtstag. Evans deutete, entgegen der heutigen Auffassung, die minoische Hochkultur als eine eigenständige, ohne äußere Einflüsse geschaffene Kultur. Carl Frank, *7. Februar 1881 (Nürnberg) – † 2 November 1945 (Marburg). Studium in München, Leipzig, Berlin; Promotion zum Dr. phil. im Juli 1905 an der Universität Leipzig in Orientalischer Philologie und Geschichte. Habilitation an der Universität Straßburg im Januar 1910 für Orientalistik und Assyriologie. Im August 1917 erhielt Frank das Kommando an der Dolmetscher-Schule Berlin, danach im stellvertr. Generalstab Berlin (Abt. Orient). Ernennung zum a.o. Professor an der Universität Straßburg am 15. Juni 1916; Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde Frank 1918 aus Elsass-Lothringen vertrieben. Er ging nach Berlin und nahm dort 391
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Siehe auch, Orientalistische Literaturzeitung, Bd. 42, 1939, p. 7, Archiv für Orientforschung, Bd. 13, 1939, p. 101f., Berliner Museen, Berichte aus den preußischen Kunstsammlungen, Jg. 1939, 58–60, Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 94, 1939, p. 5ff. 5 Bände, London 1921–1936.
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die Vorlesungstätigkeit an der Universität auf. Am 1. Januar 1937 erfolgte die Ernennung zum ordentlichen Professor für Assyriologie und zum Direktor des Orientalischen und Indogermanischen Seminars der Universität Marburg.393 Hugo Heinrich Figulla, *27. Dezember 1885 – † 6. Februar 1969 stammt gebürtig aus dem kleinen Ort Loslau im Kreise Rybnik in Oberschlesien. Das Gymnasium besuchte er in Ratibor. Sein Studium nahm er zunächst an der Univerität Berlin auf, wechselte dann aber zu Bruno Meissner nach Breslau und promovierte dort im Jahre 1911 mit der Arbeit Der Briefwechsel Belibnis. Historische Urkunden aus der Zeit Assurbanipals. Diese Arbeit erschien im Jahre 1912 in den Mitteilungen der VorderasiatischAegyptischen Gesellschaft (MVAG) als Band 17,1. Noch im gleichen Jahr 1912, gerade als Otto Weber Direktor der Vorderasiatischen Abteilung des Berliner Museums wurde, stieß der 27 jährige Figulla zu der kleinen Schar in Berlin forschender Keilschriftkundler. Otto Weber lenkte das Interesse des jungen Figulla auf die hethitischen Texte. Nach kurzer Tätigkeit in Konstantinopel kehrte Figulla nach Berlin zurück und widmete sich den Texten hethitischer Provenienz in den Sammlungen der Vorderasiatischen Abteilung. Otto Weber beteiligte Figulla an der Herausgabe hethitischer Texte, zunächst in der Reihe Keilschrifttexte aus Bo©azköi, wo er zusammen mit Ernst Weidner die Hefte 1und 2 und mit Otto Weber das Heft 3 fertigte. Nachdem diese Reihe eingestellt wurde, arbeitete Figulla auch an der neuen Reihe Keilschrifturkunden aus Boghazköi mit. Von seiner Hand stammen die Editionshefte 1, 2 und 11. Insgesamt war er diesen Unternehmungen von 1916 bis 1923 verpflichtet. In dieser Zeit wurde Figulla zum Leiter der Bibliothek des Seminars für Orientalische Sprachen in Berlin ernannt, einer neuen und vor allem den eigenen Unterhalt dauerhaft sichernden Aufgabe, die aber auch eine große und neue berufliche Belastung mit sich brachte. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Keilschrifttexten rückte daher in den Hintergrund. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges emigrierte H. Figulla zunächst in die Schweiz und kurz darauf nach Großbritannien. Das British Museum sicherte sich alsbald die Dienste des bekannten Assyriologen und stellte Figulla 1949 als wissenschaftlichen Mitarbeiter ein. Bis 1967 arbeitete Figulla dort und gab eine Reihe wertvoller Texteditionen heraus, wie z.B. zwei Bände der Reihe Ur Excavations (Band. IV; Business Texts of the New Babylonian Period und Band V; Letters and Documents of the Old-Babylonian Period). Mit dem Namen Figullas ist 393
Siehe auch Archiv für Orientforschung, Bd. 15, 1945–1951, p. 183.
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aber auch das Nachschlagewerk Catalogue of the Babylonian Tablets in the British Museum verbunden, das 1961 erschien. Hugo Figulla verstarb am 6. Februar 1969 in London im Alter von 83 Jahren.394 Johannes Friedrich, *27. August 1893 (Leipzig) – † 12. August 1972. Johannes Friedrich nahm nach seiner mit dem Abitur erfolgreich absolvierten Schullaufbahn das Studium – wie Albrecht Götze – an der renommierten Leipziger Universität auf. 1916, in den bewegten und turbulenten Zeiten des Ersten Weltkrieges, promovierte er bei dem renommierten Indogermanisten Karl Brugmann. Der Titel seiner Doktorarbeit lautet „Diminutivbildungen mit nicht diminutiver Bedeutung besonders im Griechischen und Lateinischen.“ Die Habilitation Friedrichs erfolgte bereits 1924. 1929 wurde er zum außerordentlichen Professor und 1936 zum ordentlichen Professor für altorientalische Sprachen ernannt. Friedrich beschäftige sich schon zu Beginn der Zwanziger Jahre mit dem gerade entschlüsselten Hethitischen und gehörte zu den wenigen Forschern, die sich am Aufbau der jungen Disziplin Hethitologie beteiligten. Er publizierte in diesen Jahren zahlreiche Beiträge und Textbearbeitungen und half entscheidend mit, die Hethitologie als philologische Disziplin auf ein gesichertes Fundament zu stellen. Seine Rolle in der sogenannten AΔΔijawa-Frage wurde bereits von O. Szemerényi395 beleuchtet. Dieser Streit, der ihn mitunter heftig mit Forrer zusammenstoßen ließ, verschaffte Friedrich auch zeitweise das Image eines „harten“ Kritikers oder auch des „Kettenhundes“ von F. Sommer. Diese Interpretation Szemerényis ist nun jedoch in neuem Licht zu sehen, insbesondere wenn man bedenkt, dass alle an der Diskusion Beteiligten – einschließlich Forrer – kein Blatt vor den Mund nahmen. Einige seiner Kritikpunkte an Forrer aus jener Zeit musste Friedrich noch zu Lebzeiten revidieren, da diese dem Fortschritt der Erkenntnis geschuldet waren. Dies tat er auch stets offen in seinen Publikationen. Erstaunlicherweise führte diese harte Kontroverse nicht zu einem absoluten Bruch in der fachwissenschaftlichen Beziehung zwischen Friedrich und Forrer, die noch über über viele Jahre eine kollegiale Korrespondenz pflegten. Ein Beleg dafür ist die Auseinandersetzung über die syntaktische Konstruktion Irrealis + Partikel man im Hethitischen, die sogar in den Briefwechseln eine Rolle spielte. 396 394 395 396
Zu Figulla siehe Archiv für Orientforschung, Bd. 22, 1971, 220. Siehe Eothen, Bd. 1, Festschrift für Pugliese Carratelli, Florenz 1988 p. 257–294. Brief an Johannes Friedrich vom 30. September 1931.
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Biografien „Sehr geehrter Herr Kollege! Besten Dank für die Zusendung Ihrer Besprechung! Ich freue mich, dass wir allmählich wieder auf den Boden sachlicher Diskussion zurückkehren. In diesem Sinne möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass doch der Irrtum auf Ihrer Seite liegt, wenn Sie S. 252 Anm. 1 schreiben: „ neben dem endlich von F. angenommenen Irrealis man“. Denn i c h bin es gewesen, der die irreale Bedeutung von man zuerst an KBo IV, 4, noch bevor ich diesen Text veröffentlichte, erkannt hat, daher auch bevor Ungnad aus demselben Text zur selben Erkenntnis kam und sie veröffentlichte. Ich habe daher auch schon in ZDMG.NF.I 21 oben geschrieben „ –man bezeichnet den Irrealis und wird mit dem Prt. Verbunden.“ (1922). Ich wäre Ihnen deshalb dankbar, wenn Sie diesen Irrtum, der Sie an mehreren Stellen zu öffentlichen Polemiken gegen mich veranlasst hat, bei nächster Gelegenheit auch öffentlich berichtigen würden. Ebenso wenig habe ich (S. 228) temi und techi verwechselt, weil meines Wissens ich als erster eine scharfe Trennung von mi- und hi-Konjugation durchgeführt habe und da ferner temi nicht einfach „sagen“ bedeutet, sondern „befehlend sagen”, d.h. „bestimmen” und das deutsche „bestimmen“ ist, da es zu „Stimme“ gehört, ein Verbum des Sagens, während techi zwar „setzen“ und „legen“, aber nicht „bestimmen“ bedeutet. Ich werde mir erlauben, Ihnen nächstens einige Separata zu senden, und bin für heute mit den besten Grüssen Ihr ergebener Dr. Emil Forrer“
In seiner Rezension zu Forrers Forschungen397 hatte Friedrich in Anspielung auf eine frühere Untersuchung aus seiner Feder nochmals mit ironischem Unterton darauf hingewiesen, dass Forrer nun seiner Interpretation des hethitischen Irrealis + man folgt.398 Auch die Verwechslung einiger Verbalformen wirft er Forrer vor. Insgesamt aber zeichnet sich diese Rezension Friedrichs durch einen deutlich sachlicheren Stil aus, als einige frühere Beiträge – er zollt sogar Forrer deutliches und anerkennendes Lob für die Lesungen des schwierigen Tawagalawa Briefes. Forrer schreibt nach dem Erscheinen dieser Rezension einen Brief an Friedrich in dem er feststellt, dass er, was den Irrealis betrifft, bereits bei den Arbeiten zu KBo IV, also 1920, die grundlegenden Fragen zu diesem grammatisch-syntaktischen Konstrukt herausgefunden habe und bittet darum, dass Friedrich, dies bei nächster Gelegenheit auch öffentlich korrigiert. Friedrich versäumt es freilich nicht in dem Briefwechsel ausdrücklich darauf hinzuweisen dass er seine ablehnende Haltung zu Forrers Griechen397 398
Indogermanische Forschungen, Bd. 49, 1931, p. 223–232 (Rez. Zu E. Forrer, Forschungen 1. Bd., Heft 2, Erkner 1929. Zum hethitischen Irrealis und Potentialis, in: Kleinasiatische Forschungen, Bd. 1.1, 1930, p. 286–296.
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hypothese aufrecht erhält. Auf das Schreiben Forrers antwortet Friedrich am 6. Okober 1931. „Sehr geehrter Herr Kollege, Haben Sie herzlichen Dank für Ihren freundlichen Brief vom 30.09., den ich zustimmend begrüsse, sowie für die mir heute zugegangenen Separata! Als Gegengabe für die letzteren gestatte ich mir, einen meiner chaldisch-urartäischen Artikel Ihnen als Drucksache zuzusenden, der Ihnen hoffentlich nicht ganz uninteressant ist. Sehr dankbar bin ich Ihnen für den Hinweis, dass Sie das irreale man zum mindesten gleichzeitig mit Ungnad und von ihm unabhängig gefunden haben; durch einen glücklichen Zufall spielt in Ihren Übersetzungen das von Ihnen daneben vorausgesetzte, von mir aber nicht anerkannte man „damit“ eine grössere Rolle. Ihrem Wunsche gemäss werde ich meinen Irrtum gern auch öffentlich berichtigen; hoffentlich finde ich bald Gelegenheit dazu. In der Griechenfrage habe ich meinen ablehnenden Standpunkt noch nicht aufgegeben, werde mich aber vorderhand nicht wieder in der Frage äussern. Einerseits ist ja eine Neubehandlung der Frage durch Sommer in Aussicht, und andererseits hoffe ich, dass Sie Ihre geographischen Untersuchungen über das westliche Kleinasien (Aççuwa-Länder) fortsetzen und so die Stellungnahme zu diesen Problemen erleichtern werden. Mit den besten Grüssen bin ich Ihr sehr ergebener Johannes Friedrich“
Von 1948 bis 1949 stand er der Universität Leipzig als Rektor vor und wurde 1950 an die Freie Universität Berlin berufen, wo er – neben der bereits mit einem Lehrstuhl und einem eigenen Institut etablierten Vorderasiatischen Archäologie – nun auch die Altorientalische Philologie ausbauen konnte. Friedrichs Wirken brachte zahlreiche grundlegende Werke hervor, die vornehmlich für den akademischen Unterricht gedacht waren, wie z.B. sein Hethitisches Keilschrift-Lesebuch oder seine Kurzgefasste Grammatik (Bd. I) und seine Lesestücke in Transkription. Auch sein Hethitisches Wörterbuch (die erste Lieferung erschien 1952) war viele Jahre ein grundlegendes Handbuch der Hethitologie. Auch als Herausgeber der Mitteilungen der Vorderasiatisch-Aegyptischen Gesellschaft und Mitherausgeber der Zeitschrift für Assyriologie – und dies über viele Jahrzehnte – hat er sich große Verdienste um die Hethitologie erworben. Er hat durch populärwissenschaftliche Werke wie das Bändchen Entzifferung verschollener Schriften und Sprachen positiv gewirkt und versucht, einem größeren Kreis interessierter Leser ein spannendes Thema fundiert näherzubringen. Johannes Friedrich war u.a. Mitglied der Sächsi-
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schen Akademie der Wissenschaften, des Deutschen Archäologischen Instituts und Ehrenmitglied der Deutschen Orientgesellschaft. Nach schwerer Krankheit starb Johannes Friedrich am 12. August 1972.399 John Garstang, *5. Mai 1876 – † 12. September 1956. Der britische Altertumsforscher und Archäologe John Garstang wurde in Blackburn in der britischen Grafschaft Lancashire geboren. Seine akademische Karriere begann Garstang zunächst am Jesus College in Oxford als Mathematiker und nicht im Bereich der altertumswissenschaftlichen Disziplinen. Schon als undergrate student weckten alte Sprachen und archäologische Themen sein Interesse, und so wechselte er frühzeitig in die Classics hinüber und studierte Latein und Griechisch. In diesem für viele Altertumskundler doch so typischen Bereich kam er mit der Indogermanistik und weiteren alten Sprachen sowie der Archäologie enger in Berührung und widmete sich bereits vor dem Examen altorientalischen (semitischen) Spachen. Nach einem glänzenden Abschluss seiner Studienjahre in Oxford war es kein Geringerer als William Flinders Petrie, der 1899 den damals 23-jährigen Garstang entdeckte und seine Fähigkeiten und sein außergewöhnliches Wissen und Talent richtig einschätzte. Flinders Petrie bot ihm in diesem Jahr 1899 und für das Jahr 1900 an, seine Expedition nach Abydos/Ägypten zu begleiten und erste Erfahrungen in der Grabungsmethodik und deren fachgerechte Auswertungen zu sammeln. Diese Zeit prägte den jungen Garstang, der sein Wissen und seine Erfahrungen in dieser Lehrzeit reichlich mehrte und von dem damals noch von Abenteurertum angehauchten Leben ganz eingenommen war. Er blieb dem Thema und dem Kulturkreis Ägypten auch in den folgenden Jahren eng verbunden, kehrte des Öfteren in das Land am Nil zurück und beteiligte sich an weiteren Ausgrabungen und entsprechenden Publikationen. Er war ob seiner schon sehr ausgeprägten Wissenschaftlichkeit in der Arbeitsweise bereits in diesem jungen Alter einer der bedeutenden Köpfe der britischen Altertumswissenschaften, überstrahlt vielleicht nur von A.H. Sayce. Im Alter von 26 Jahren wurde er 1902 von der Universität Liverpool zum Reader für Ägyptische Archäologie berufen. Seine Interessen, den Alten Orient betreffend, erweiterten sich ab 1903 und er begann sich für die Levante und Anatolien zu interessieren. Im Jahre 1904 unternahm er eine erste Sondierungsreise nach Anatolien, die der Erkundung interessanter Grabungsmöglichkeiten diente. Im Jahre 1907 erfolgte die Berufung zum Professor für Archäologie an der Liverpooler Universität 399
Zu John Garstang siehe auch Archiv für Orientforschung, Bd. 18, 1957–58, p. 228f., Syria, Bd. XXXIV, 1957, p. 401f., Anatolian Studies 6, 1956, p. 27–34.
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und eine zweite ausgedehnte Forschungsreise nach Anatolien. Diese Professur behielt er im Übrigen bis zu seiner Emeritierung 1941. Auf der besagten Reise besuchte er auch die Boghazköi-Grabungen Wincklers und Makridis, um sich vor Ort über erste Ergebnisse und die Grabung selbst aus erster Hand zu informieren. Im Vorfeld der Grabungen haben Garstang und Archibald Sayce versucht, diese Grabung in Boghazköi unter die Ägide eines britischen Teams zu stellen, scheiterten aber aufgrund der Einflussnahme des damaligen deutschen Kaisers Wilhelm II. auf diplomatischem Parkett. Auf seiner Weiterreise unternahm Garstang dann eigene, bescheidene Grabungen in Aleppo und Saktschegözu. Am letzteren Ort setzte er die Grabungen 1908 und 1911 fort und es gelang ihm dabei, größere Mengen an vorgeschichtlicher bemalter Keramik sicherzustellen und aufzunehmen. Auch Reliefdarstellungen auf Orthostaten wurden bei diesen Kampagnen gefunden. Angesichts der Funde Wincklers in Boghazköi ein bescheideneres Ergebnis, das Garstang in typisch britischer Manier einem Wettkampf ähnlich sah. Diese vermeintliche „Niederlage“ gegen Winckler schmerzte ihn noch Jahre später. Seine Grabungsreisen und gewonnenen Ergebnisse der Anatolienaufenthalte fasste Garstang 1910 in seinem Werk „The Land of the Hittites“ zusammen, dass 1929 überarbeitet unter dem Titel „The Hittite Empire“ erschien und für die damalige Zeit Standardwerkcharakter besaß. Vor dem Ersten Weltkrieg kehrte Garstang aber nochmal an den Nil zurück und grub in den Jahren 1910–1914 in den Wintermonaten in Meroë, der Hauptstadt des alten Äthiopien und half auch hier grundlegende neue Erkenntnisse zu gewinnen. 1919 kam es im Zuge der Neuordnung der europäischen Machtverhältnisse nach dem Weltkrieg und damit auch der grundlegenden Änderung der Kolonialverhältnisse zu einer Mandatsverwaltung der Briten für Palästina. Dort wurde er zum Gründungsdirektor der British School of Archaeology berufen und leitete diese Institution mit großem Erfolg bis 1926. In dieser Position arbeitete er auch entscheidend an den Antikengesetzen der Mandatsverwaltung mit und half auch bei der archäologischen Erschließung des Landes. Aus Beständen des ehemaligen Ottomanischen Museums, die sich in Jerusalem befanden, baute er die Sammlung des „Palestine Museum“ in Jerusalem auf und erweiterte diese bis 1926 um zahlreiche Fundstücke. Auch die erste große Nachkriegsgrabung in Ashkelon war das Verdienst Garstangs. Insgesamt ist diese Zeit in Palästina diejenige, die die bleibendsten Erfolge Garstangs hervorbrachte. Neben diesen Tätigkeiten fand Garstang aber noch genug Zeit und Energie, sich den Problemen der Hethiterforschung zu widmen und dort für den Fortgang seiner anatolischen Forschungen Sorge zu tragen. Im 1923 erschienenen Werk L.A. Mayers „Index of Hittite Names“ sind zahlreiche fundierte Hinweise und Notizen aus der Feder Garstangs eingear-
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fundierte Hinweise und Notizen aus der Feder Garstangs eingearbeitet, die den Wert des Werkes erheblich steigerten. Im Jahre 1922 war Garstang ebenfalls an der historisch zu nennenden Runde beteiligt, an der W.F. Albright von der American School of Oriental Research und L.H. Vincent von der École Biblique et Archaeologique Fran~aise teilnahmen, in der die Terminologie und die Klassifikationskriterien des archäologischen Materials der Levante festgelegt wurden und die zum größten Teil auch heute noch in Gebrauch sind. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Ankara das British Institute of Archaeology eröffnet, dessen erster Direktor, später auch Präsident, Garstang wurde. In dieser Zeit führte Garstang seine erfolgreichen und auch bekannten Grabungen in Mersin/Kilikien durch, die neue und weiterführende Ergebnisse für das Neolithikum und die frühe Bronzezeit erbrachten. Schon deutlich von Krankheit gezeichnet wurde Garstang im Jahre 1956 zu einer Mittelmeer-Kreuzfahrt eingeladen, bei der ihm sein größter Wunsch, noch einmal die Grabungensstätten bei Mersin zu sehen, erfüllt werden konnte. Zwei Tage nach Beendigung der Reise verstarb John Garstang am 12. November 1956. Hetty Goldmann, *19. Dezember 1881 (New York) – † 4. Mai 1972 (Princeton). Sie stammte aus einer vermögenden amerikanischen Familie. Ihr Vater Marcus Goldman sowie ihr Onkel Julius Sachs waren Mitbegründer der auch heute bekannten Investmentbank Goldmann & Sachs Investment Company. Im Jahre 1903 machte sie ihren Abschluss am BrynMawr-College. Es folgte von 1910–1912 eine Studienzeit an der American School of Classical Studies in Athen. 1916 promovierte sie in Archäologie am Radcliffe College in Cambridge, Massachusetts. Nach ihrer Zeit als Rot-Kreuz-Schwester während des Ersten Weltkriegs startete sie ihre erste archäologische Unternehmung und wurde die erste Amerikanerin, die ein offiziell entsandtes Ausgrabungsunternehmen leitete. 1921 grub sie die ionische Siedlung Colophon aus. Es folgten Ausgrabungen auf dem Balkan, Syrien und vor allem in der Türkei. 1936 wurde sie zur ersten Professorin an der School of Humanistic Studies in Princeton ernannt. Hetty Goldman engagierte sich seit dieser Zeit aktiv für die Unterbringung verfolgter jüdischer Gelehrter an amerikanischen Universitäten. Sie erhielt zahlreiche Ehrungen, u.a. die Goldmedaille des Archeological Institute of America. Albrecht Götze, *11. Januar 1897 (Leipzig) – † 15. August 1971 (New Haven). Götze verbrachte den ersten Teil seiner Kindheit in seiner Geburtsstadt. Er stammte aus einem gutsituierten Elternhaus, sein Vater war
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Psychologe und leitete ein psychiatrisches Sanatorium. Seine Gymnasialzeit absolvierte er dann in Darmstadt, wo sein Vater beruflich tätig war. Nach dem Abitur 1913 immatrikulierte sich Götze in München und wechselte 1915 zurück nach Leipzig an die dortige Universität. Doch schon zu Beginn des Jahres 1916 wurde er zur kaiserlichen Armee eingezogen und kämpfte an der damaligen Westfront als Soldat der Infanterie. Er wurde auf den berüchtigten Schlachtfeldern um Verdun und an der Somme eingesetzt, die zu den besonders schwer umkämpften Fronten des Ersten Weltkrieges zählten. Er wurde mehrfach verwundet. Für seine Tapferkeit im Kampf erhielt er das im Ersten Weltkrieg noch wenig verliehene Eiserne Kreuz 1. Klasse. Als 1918 die kaiserliche Armee demobilisiert wurde, kam er zunächst nach Berlin– wie viele junge Soldaten jener Zeit – und nahm seine Studien wieder auf. Dabei widmete er sich sowohl dem Studium der Indogermanistik als auch der Semitistik, das er in Heidelberg ab 1920 fortsetzte und 1922 mit der Promotion abschloss. Seine Doktorarbeit über „Die Relative Chronologie von Lauterscheinungen im Italischen“ wurde in der Zeitschrift Indogermanische Forschungen 41, 1922, p. 78–149 publiziert. Er blieb an der Heidelberger Universität, war dort von 1922–1927 als Privatdozent tätig und wurde 1927 zum außerordentlichen Professor für semitische Sprachen und Vergleichende Sprachwissenschaft berufen. Von 1930 an war er in Heidelberg ordentlicher Professor für Semitistik und Altorientalische Geschichte. Götze war zu diesem Zeitpunkt 33 Jahre alt. Albrecht Götze gehört zu jener ersten Gruppe von Forschern, die die Hethitologie mitbegründeten und entscheidend prägten. Ab 1921 befasste er sich intensiver mit der Erforschung Kleinasiens und des Hethitischen. Seine erste Publikation zu diesem neuen Forschungszweig erschien 1922 in der Zeitschrift für Assyriologie mit dem Titel „AkkadischHethitisches“.400 Eng verbunden ist der Name von Albrecht Götze mit den großen Bearbeitungen historischer Texte, die in der Reihe Mitteilungen der Ägyptisch-Vorderasiatischen Gesellschaft (MVAeG) ab Mitte der Zwanziger Jahre von Ferdinand Sommer herausgegeben wurden. 1925 erschien seine Monographie „Hattuçiliç”, 1928 „Madduwattaç“401, 1930 „Neue Bruchstücke zum großen Text des Hattuçiliç“402 und die umfangreiche Be-
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Indogermanische Forschungen, Bd. 49, 1931, p. 223–232 (Rez. Zu E. Forrer, Forschungen 1. Bd., Heft 2, Erkner 1929. Mitteilungen der Vorderasiatisch-Aegyptischen Gesellschaft, Bd. 32, Leipzig 1928. Mitteilungen der Vorderasiatisch-Aegyptischen Gesellschaft, Bd. 34/2, Leipzig 1939.
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arbeitung „Die Annalen des Murçilis“ 1933403. Diese Bearbeitungen der historischen Texte enthalten neben den gründlichen Umschriften und der genauen Übersetzungsarbeit sehr viel an kritischem philologischem Kommentar sowie zahlreiche lexikographisch orientierte Beiträge. Auch Götzes Interesse an historischen und geografischen Fragestellungen wird in allen Untersuchungen deutlich. Nachdem Forrer die Griechen in den Boghazköi-Texten auf das Tableau der wissenschaftlichen Diskussion gebracht hatte, gehörte Götze zu den wichtigen Teilnehmern dieses leidenschaftlichen Diskurses. Insbesondere Forrer und Götze gaben sich in ihren Auseinandersetzungen wenig Pardon. Sowohl Forrer als auch Götze haben in Berlin an Originaltafeln gearbeitet und Autographien für die Publikationsreihen KUB bzw. KBo erstellt. Götze war meist in den Ferien der Sommermonate im Berliner Museum und widmete sich dort intensiv den Tafeln. Aus den Jahren 1926–1930 stammen vier Keilschrifteditionen aus seiner Feder (KUB XIV, XIX, XXI, XXIII). 1930 veröffentlichte Götze im Selbstverlag noch Texte in VBoT404. Götze vertrat das Fach ab Mitte der Zwanziger Jahre in einer unglaublichen Breite.405 Er war neben philologischen Fragestellungen und der Autographie der Texte – ebenso wie Forrer – an historischen, geografischen, religionsgeschichtlichen Fragestellungen interessiert sowie an der Einordnung seiner Untersuchungsergebnisse in den Gesamthorizont der Altorientalistik bemüht. Im Jahre 1926 unternahm er eine Forschungsreise nach Anatolien und es ist auffallend, dass gerade dieses Jahr in der Hethitologie offenbar ein prädestiniertes Reisejahr war. Denn sowohl Forrer wie auch Hans Henning von der Osten waren 1926 in Anatolien unterwegs. Götze machte sich vor Ort mit den archäologischen Hinterlassenschaften vertraut und bemühte sich um eine direkte persönliche Einschätzung der geografisch-historischen Situation. Es verwundert daher nicht, dass 1933 sein grundlegendes und umfassendes Werk Kleinasien als Teil der „Kulturgeschichte des Alten Orient“
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Mitteilungen der Vorderasiatisch-Aegyptischen Gesellschaft, Bd. 38, Leipzig 1933. Verstreute Boghazköi-Texte, Marburg a.d. Lahn, 1930. Heinrich Otten, der seit Beginn der Dreißiger Jahre selbst im Berliner Museum arbeitete, erinnerte sich in einem Interview, das er dem Autor im April 2004 in der Akademie der Wissenschaften in Mainz gab, an die auffallende äußere Erscheinung des jungen Albrecht Götze. Vor allem sein längeres schwarzes Haar blieb H. Otten in Erinnerung, das er vorsichtig mit „man könnte sagen, er war ein früher Hippie“ beschrieb.
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erschien.406 Es ist für seine Zeit ein herausragendes Buch, das eine eindruckvolle Synopsis der Ergebnisse der hethitologischen Forschung darstellt und bis heute seinen Handbuchcharakter nicht verloren hat, auch wenn 70 Jahre Forschung in vielen Bereichen unseren Kenntnisstand erheblich erweitert haben. Politisch war Götze schon früh ein erbitterter Gegner des Nationalsozialismus. In selbstverfassten Essays und Aufrufen warnte er – eindringlich und prophetisch – vor der heraufziehenden politischen Gefahr. Er engagierte sich in der sogenannten Affäre Gumbel,407 was ihn bereits 1931/1932 auf die „Schwarze Liste“ der Nationalsozialisten brachte. Von 1932 an wurde die Situation in Heidelberg, wo Gumbel seit 1930 lehrte, immer prekärer. Vor allem rechtsradikale Studentenverbände agitierten gegen Gumbel und dessen Symphatisanten und verlangten immer wieder seine Entlassung. Schließlich wurde Emil Julius Gumbel am 5. August 1932 die Lehrberechtigung entzogen und er musste ins Exil gehen, aus dem er nicht mehr zurückkehrte. Götze, der seinen Kollegen stets auch öffentlich gegen die agitierenden Nationalsozialisten unterstützte, geriet nun seinerseits unter hohen Fahndungsdruck und riskierte viel, nicht nur was seine berufliche Stellung, sondern auch was sein Leben anbelangte. Als er im Sommer 1933 von einem Dänemark-Aufenthalt nicht mehr nach Deutschland zurückkehrte – möglicherweise hatte er eine konkrete Warnung aus seinem Familien- oder Freundeskreis erhalten – rettete ihm vermutlich sein Leben. Er verweilte zunächst in Kopenhagen und – typisch für Götze – nutzte die Zeit, zusammen mit dem Indogermanisten Holger Pedersen Murçilis Sprachlähmung408 herauszugeben. Von diesem Zeitpunkt an änderte er die Schreibung seines Namens von Götze in Goetze. 1934 bot sich Goetze die Chance auf ein zweites erfolgreiches Wissenschaftsleben in den Vereinigten Staaten. Die Universität Yale lud ihn zunächst zu einer Gastprofessur ein, aus der sich wenig später eine ordentli406 407
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Handbuch der Altertumswissenschaft, Dritte Abteilung, Zweiter Teil, München 1933. 1931 unterschrieb er einen Aufruf für den Heidelberger Statistiker Emil Julius Gumbel (1891–1966), der aufgrund seines pazifistischen Engagements an der Universität Heidelberg unter Beschuss geraten war. Später ist er als einziger Mathematiker neben Albert Einstein sowie anderen bekannten Persönlichkeiten aus Forschung, Politik und Gesellschaft auf der ersten Ausbürgerungsliste der Nationalsozialisten genannt worden. Gumbel war schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg, an dem er als Leutnant teilgenommen hatte, durch politischpazifistische Schriften in Erscheinung getreten. Öffentlich zog er sich den Zorn weiter Teile des Establishments zu, als er die Meinung äußerte, das passende Denkmal für den Ersten Weltkrieg sei keine Heldenstatue, sondern eine Steckrübe. Kopenhagen 1934.
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che Professur ergab. Yale wurde zur zweiten Heimat für ihn. Schon 1940 und mit der für ihn typischen strengen Konsequenz wurde Goetze amerikanischer Staatsbürger. Wie J. J. Finkelstein409 schreibt, bezeichnete Goetze diese neue Periode in den USA als seine akkadische Periode, obwohl seine hethitologischen Studien nie ruhten oder zum Erliegen kamen. Aber in den USA befasste er sich mit der Bearbeitung und Herausgabe zahlreicher altbabylonischer und assyrischer Dokumente. Außerdem baute er unter anderen die heute so bekannte Yale Babylonian Collection auf. Goetze war auch in den Nachkriegsjahren in den USA an zahlreichen Großprojekten maßgeblich beteiligt, entweder als Herausgeber oder als Autor: 1947 Old Babylonian Omen Texts, YOS 10; Journal of Cuneiform Studies (JCS,) oder seine Beiträge in Ancient Near Eastern Texts Relating To The Old Testament (ed. J.B. Pritchard). Goetze hatte im Laufe seiner amerikanischen Forschungsjahrzehnte zahlreiche Ämter und Funktionen: Director of the Baghdad School, Chairman of the Baghdad Committee of the American Schools of Oriental Research, Sterling Professorship u.v.m. Albrecht Goetze, der nach dem Zweiten Weltkrieg seine Sommerurlaube in Bayern verbrachte, starb am 15. August 1971 während eines solchen Aufenthaltes in Deutschland an einem Herzinfarkt. Sein Leichnam wurde in die USA überführt und in New Haven beigesetzt. Hans Friedrich Karl Günther, *16. Februar 1891 (Freiburg) – † 25. September 1968 (Freiburg) war bereits seit der Weimarer Republik und dann insbesondere im „Dritten Reich“ als „Rasseforscher“ tätig und als „Rassen-Günther“ oder „Rassepapst“ bekannt. Vielen gilt er als Urheber des nationalsozialistischen Rassegedankens. Günther wurde als Sohn eines Kammermusikers geboren und studierte Vergleichende Sprachwissenschaft und Germanistik an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, besuchte jedoch auch naturwissenschaftliche Vorlesungen über Zoologie und Geografie. Auch hörte er den damals führenden Anthropologen Eugen Fischer in Freiburg und erwarb bei ihm die Grundlagen für seine spätere Rassetheorie. Das Sommersemester 1911 verbrachte er an der Sorbonne in Paris. 1914, kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs, promovierte er in Freiburg zum Dr. phil.. Er meldete sich als Kriegsfreiwilliger, erkrankte jedoch schon während der Ausbildung beim Freiburger InfanterieRegiment 113 an Gelenkrheumatismus und verbrachte deshalb mehrere 409
Nachrufe auf Götze: Archiv für Orientforschung, Bd. 24, 1973, p. 243–245 Bulletin of the American Schools of Oriental Research 206, 1972, p. 3–6, Journal of the American Society, Bd. 92, 1972, p. 197–203, Zeitschrift für Assyriologie, Bd. 62, 1972, p. 163–164.
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Monat e im Krankenhaus . 1919 l egte er die Kriegsteilnehm erprüfung für das höhere Lehramt für S chul en ab. Günt her verstand si ch j edoch al s Schri ftstell er. S ein Erstlingswerk war di e „Bekenntnisschri ft“ mit dem Titel „Ritter , Tod und T euf el“. Heinrich Himml er war 1924 von dies em Buch sehr beeindruckt. In der kurzen Zeit von 1920 bis 1922 erst ellte der i m Grunde fachfremde Autor im Auft rag des Verl egers Julius F riedri ch Lehm ann s ein bereits dam als relativ weit verbreitet es und popul äres Hauptwerk „R ass enkunde des deutschen Volkes“. 1922 studierte Günther am Anthropologischen Institut der Universit ät Wien und arbeit ete im Mus eum für Ti er- und Völkerkunde in Dresden bei Bernhard Struck. Weiteres Studium 1922 bei Theodor Mollis on in Bresl au. Seit 1923 lebt e er zusam men mit seiner zweit en norwegis chen Frau in Skandinavien. In Norwegen lernt e Günther Vidkun Quisling kennen und s chätzen. Bereits dam als verkehrt e Günther in deuts chen nationalsozi alistis chen Kreis en. Der „völkische“ Architekt und Schriftst eller Paul Schultze-Naum burg vermittelte ihm Kontakt e zu Ri chard Walther Darré und Baldur von Schirach. Engpässe, di e auch ihn im Zuge der Welt wirts chaftskris e einholt en, zwangen ihn 1929 zur Rückkehr nach Deuts chl and. In Dres den frist ete er mit einer halben Lehrerstell e recht kümm erli ch sei n Das ein, bi s Wilhelm Frick, der erst e nati onals ozi alistische Mi nister in einem deutschen Land, ihm 1930 gegen den Will en der Universität J ena zu einem für ihn eigens eingericht et en Lehrst uhl für Sozial anthropologi e verhal f. Günther hatte hi erfür in akademis cher Hinsi cht außer s einer Prom otion keinerl ei Vorauss et zungen, was zu scharfen Protest en von Ordinari en aus ganz Deuts chl and führt e. Seine Antrittsvorl esung erhi elt durch di e Anwes enheit von Hitl er und Göring ei ne s ymbolhafte Bedeut ung. 1931 unt ernahm ei n 18-jähriger Arbeitslos er aus Wi en aus nicht m ehr völlig aufkl ärbaren Motiven einen Anschlag auf ihn, was von den Nationalsozi alist en politisch weidli ch ausges chl acht et wurde. 1932 wurde Günther Mitgli ed der NSDAP. 1935 wurde er ordentlicher Professor für Rass ekunde, Völkerbiologie und Ländliche Sozi ologi e an der Universit ät Berlin, von 1940 bis 1945 war er ordentlicher Professor und Institutsdi rektor an der AlbertLudwi gs-Universität in Freiburg im Breisgau. Günther erhielt i m Dritten Reich zahlrei che Ehrungen. So war er 1935 der erste P reist räger des „Prei s der NSDAP für Wiss ens chaft en“, 1937 erhi elt er di e „Rudolf- VirchowPlakett e“ der „Deutschen Philos ophis chen Gesells chaft“ . 1941 erhi elt er von Hitler die "Goethe-Medaill e für Kunst und Wiss ens chaft". Im März 1941 nahm er als Ehrengast an der Eröffnungstagung von Alfred Ros enbergs „Institut zur Erfors chung der J udenfrage“ t eil. In den Vort rägen wurde der „Volkstod“ der J uden als Zi el formuliert. Er sollt e durch „Verelendung der europäis chen Juden bei Zwangsarbeit in riesi gen
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Lagern in Polen“ erreicht werden. Günthers Kommentar war nur, die Veranstaltung sei langweilig gewesen. Nach Kriegsende verbrachte Günther drei Jahre in Internierungslagern. Sein Entnazifizierungsverfahren endete damit, dass er als „Mitläufer“ eingestuft wurde. Die Universität Freiburg hatte in diesem Verfahren vorgetragen, Günther habe sich in seiner Rassekunde in Grenzen gehalten, die auch von Gelehrten dieses Zweiges moderner Wissenschaft in anderen Staaten eingehalten würden. Auch nach Untergang des Dritten Reiches zog Günther seine Theorien nicht zurück. In dem unter seinem eigenen Namen Ende 1951 veröffentlichten Buch „Gattenwahl“ unterbreitete er – nach Auffassung heutiger Literatur – auch in den fünfziger Jahren noch allgemein konsensfähige Warnungen, wie beispielsweise vor der Heirat mit „Zuckerkranken, Frauenrechtlerinnen und Gewohnheitstrinkern“. In dem Schlusskapitel dieses Buches verharmloste er die Zwangssterilisationen der NS-Zeit und stellte die seinerzeit gesetzlich vorgeschriebenen NSEhegesundheitszeugnisse als richtungsweisend dar. Günther, der in seinen letzten Lebensjahren in Emmendingen lebte, publizierte auch nach 1945, unter anderem auch unter den Pseudonymen Ludwig Winter und Heinrich Ackermann. In seinem 1959 im Verlag des rechtsextremen Bund für Deutsche Götterkenntnis erschienenen "Der Begabungsschwund in Europa" warnte er vor einer zunehmenden „Verdummung der Bevölkerung“, weil sich die sittlich Haltlosen unkontrolliert und die Begabten viel zu selten fortpflanzten. Der „Untergang des Abendlandes“ könne nur durch eine überlegte Familienpolitik aufgehalten werden, die von den Tatsachen der Vererbung, Siebung, Auslese und Ausmerze ausgingen“. Die nationalsozialistischen Verbrechen bezweifelte Günther bis an sein Lebensende. „Wie viele Greuel würden über das Konzentrationslager Buchenwald zusammengelogen“, so Günther in dem Buch Mein Eindruck von Adolf Hitler. Oliver Robert Gurney, *28. Januar 1911 – † 11. Januar 2001, entstammte einer alten Quäkerfamilie und studierte nach seiner Ausbildung am bekannten Eton College Klassische Philologie an der Universität Oxford. Zur Hethitologie brachte ihn sein Onkel John Garstang, der sich seit 1907 bereits ausführlich mit dem Vorderen Orient beschäftigte. Im Wintersemenster 1935/1936 war Gurney zu Gast in Berlin und vertiefte seine hethitologischen Studien bei Hans Ehelolf und Emil Forrer. Nach seiner Rückkehr nach England promovierte Gurney mit der Arbeit Hittite Prayer of Murçili II. in: Annals of Archaeology and Anthroplogy 27, 1940, p. 1– 63. Nach seiner Rückkehr aus dem Zweiten Weltkrieg, an dem Gurney als Soldat der Royal Artillery und der Sudan Defence Force beteiligt war, nahm er seine wissenschaftliche Arbeit an der Universität Oxford wieder
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auf, wo er 33 Jahre lang wirkte und auf verschiedenen Gebieten der Altorientalistik auf eine fruchtbare Schaffensperiode zurückblicken konnte. Kurz vor seinem 90. Geburtstag verstarb Oliver R. Gurney.410 Hans Gustav Güterbock, *27. Mai 1908 (Berlin) – †29. März 2000 (Chicago).411 Hans Gustav Güterbock wuchs in einem begüterten und großbürgerlichen Haus in Berlin Nicolassee auf. Sein Vater Bruno Güterbock stammte aus einem jüdischen Elternhaus, war aber zum Protestantismus übergetreten und war lange Zeit einer der treibenden Persönlichkeiten der Deutschen Orientgesellschaft. Das Familienvermögen erlaubte es Bruno Güterbock, sein Leben als Privatier zu gestalten und sich der Wissenschaft und den Unternehmungen der Deutschen Orientgesellschaft zu widmen. So versteht sich beinahe von selbst, dass Hans Gustav Güterbock schon früh mit den materiellen Hinterlassenschaften des Alten Orients in Berührung kam und von der Faszination dieser alten Kulturen ergriffen wurde. Im Hause Güterbock gingen auch zahlreiche Persönlichkeiten der verschiedenen altorientalischen Disziplinen ein und aus, so dass von früher Jugend an der persönliche Kontakt zu Gelehrten die Interessen Hans Gustav Güterbocks mit geprägt hat. Nach dem Abitur nahm ihn der Kustos der Vorderasiatischen Abteilung, Hans Ehelolf, unter seine Fittiche und gab dem jungen Güterbock Privatunterricht in Hethitisch und führte ihn auf diese Weise in die Hethitologie ein. Wie dem Nachruf J. Rengers zu entnehmen ist, hat Güterbock die Begebenheit brieflich einmal selbst skizziert und die Worte Ehelolfs wiedergegeben. Ehelolf überzeugte ihn mit dem Argument, dass das Hethitische eine Sprache sei, bei der man alles von Anfang an neu machen könne und wenn es mit einer Karriere schließlich nicht werden würde, bliebe immer noch das Museum. Güterbock studierte in Berlin Sanskrit und Arabisch und zog dann nach Leipzig, wo er bei Johannes Friedrich und Benno Landsberger Hethitologie und Assyriologie studierte. Da die Hethitologie sich als eigenständiger 410 411
Siehe auch Anatolian Studies, Bd. 50, 2000, p. iii–iv, Proceedings of the British Academy, Bd. 120, 2003, p. 219–240. Vgl. auch die Memoiren seiner Mutter Grete Auer, Wenn ich mein Leben so betrachte...Wien-Bern-Marokko-Berlin. Erinnerungen im Auftrag von Hans Gustav Güterbock hrsg.von Herzeleide Henning, Berlin 1995, p. 261f. sowie den Nachruf in: Zeitschrift für Assyriologie, Bd. 91, 2001, p. 161–164 (G. Wilhelm) Istanbuler Mitteilungen, Bd. 51, 2001, p. 7–11 (Johannes Renger), das autobiografisch gestaltete Essay Güterbocks in J. Sasson Civilizations of the Ancient Near East, 1995, p. 276ff. Empfehlenswert sind die Artikel Güterbocks: Erinnerungen an das alte Bo©azköy-Archiv in: Altorientalische Forschungen, Bd. 24, 1997, p. 25–30 und Hans Ehelolf und das Berliner Bo©azköy-Archiv in: Das Altertum, Bd. 33 (1987), p. 114–120.
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Wissenschaftszweig gerade erst entwickelte, gehörte Güterbock zur ersten Generation von Hethitologen, die das Fach in den nächsten fünfzig Jahren entscheidend mit gestalteten. Schon vor der Promotion arbeitete Güterbock an der Edition der Keilschrifttexte mit und der erste Band aus seiner Feder ist KUB XXV mit hethitischen Festritualen. Im Jahre 1931 wurden die Ausgrabungen in der Hauptstadt des hethitischen Reiches unter Leitung von Kurt Bittel wieder aufgenommen, das als Kooperationsprojekt des Deutschen Archäologischen Institutes und der Deutschen Orientgesellschaft angelegt war. Als in den ersten beiden Jahren mehr als eintausend Tontafeln entdeckt wurden, holte Bittel den jungen Güterbock als Grabungsphilologen ins Team. 1933 promovierte Güterbock mit der gleichsam assyriologisch wie hethitologisch orientierten Arbeit Die historische Tradition und ihre literarische Gestaltung bei den Babyloniern und Hethitern bis 1200, die in der Zeitschrift für Assyriologie Bd. 42 (1934), p. 1–91 und 44 (1938) p. 45– 149 in zwei Teilen gedruckt wurde. Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten und deren antisemitische Gesetzgebung war es Güterbock nicht möglich, die erhoffte Anstellung als Assistent Ehelolfs an den Berliner Museen anzutreten. Er blieb aber der Berliner Hethitologie im Rahmen von Werkverträgen erhalten und arbeitete an der Erfassung und Katalogisierung der Keilschrifttafeln weiter und blieb auch den BoghazköiGrabungen erhalten, da die Deutsche Orientgesellschaft die Kosten hierfür übernahm. Ende 1935 erhielt Güterbock den Ruf an die neu gegründete Universität zu Ankara als Professor für Hethitologie. Dies war dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass die türkischen Auslandsstudenten in Berlin Güterbock Mitteilung darüber machten, dass in Ankara eine Position für Altorientalistik geschaffen werden sollte. Güterbock sprach daraufhin in der türkischen Botschaft in Berlin vor. Nach der Grabungskampagne 1935 wurde Güterbock nach Ankara eingeladen und erfuhr dort von seinem Ruf und der gleichzeitigen Berufung seines akademischen Lehrers Benno Landsberger für das Fach Assyriologie. Obwohl er nicht mehr offizielles Mitglied des Grabungsteams in Boghazköi war – denn in der Zwischenzeit war mit Heinrich Otten ein weiterer Schüler Ehelolfs Grabungsphilologe geworden – arbeitete Güterbock weiter für das BoghazköiUnternehmen und hier insbesondere an der Aufarbeitung der hethitischen Siegel, die bei der Grabung 1936 so zahlreich gefunden wurden. Die Ergebnisse seiner Studien legte Güterbock in dem Standardwerk Siegel aus
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Boghazköi in zwei Bänden vor. 412 In der Türkei heiratete Güterbock Franziska Hellmann, ebenfalls eine Emigrantin aus jüdischem Elternhaus. Nach dem Zweiten Weltkriege, als der Vertrag Güterbocks in Ankara, wie auch der Landsbergers, nicht verlängert wurde, ging Güterbock ins schwedische Uppsala. Nach nur einem Jahr wurde er an das renommierte Oriental Institute of Chicago berufen, wo er bis zu seinem Tode blieb. Mit seinem Namen ist das große und umfangreiche hethitische Wörterbuch (Chicago Hittite Dictionary) verbunden, dass seit 1975 in Chicago entsteht. In einem halben Jahrhundert hat Güterbock so zahlreiche Untersuchungen und Publikationen vorgelegt, das seine Auflistung hier nicht möglich ist.413 Im Jahre 1998 erhielt Güterbock die Ehrendoktorwürde der Freien Universität Berlin verliehen.414 Das Ehepaar Frida und Georg Hahn. Möglicherweise hätte die Erforschung der Hethiter und damit der Fortgang der Hethitologie als wissenschaftliche Disziplin insgesamt einen völlig anderen Weg genommen, wenn es das Unternehmer-Ehepaar Georg und Frida Hahn, geb. Sobernheim, nicht gegeben hätte, denn sie waren die ersten großzügigen Mäzene der jungen Wissenschaft. Sie finanzierten im Jahre 1906 die Expedition und die Grabung Hugo Wincklers in Boghazköi. Angesichts der geringen Mittel, die aus staatlichen Quellen zur Verfügung standen, waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahezu alle größeren archäologischen Unternehmungen auf die Förderungen durch großzügige Mäzene angewiesen. Georg Hahn (1863–1953) war Besitzer der Hahnschen Werke, einem großen Stahlunternehmen in Duisburg, das später in Zuge der Arisierung in den Besitz der Mannesmann AG überging. Nach dem Zweiten Weltkriege wurde die Familie großzügig entschädigt. Das Ehepaar Hahn gehörte zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer Gruppe von interessierten Laien, die der Assyriologe Winckler in Berlin um sich versammelte und sie für die Geschichte und Kultur des Alten Orients begeisterte..
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Hans Gustav Güterbock, Siegel aus Bo©azköy, Bd. I: Die Königssiegel der Grabungen bis 1938, Archiv für Orientforschung, Beiheft 7 und II: Die Königssiegel von 1939 und die übrigen Hieroglyphensiegel, Archiv für Orientforschung, Beiheft 8. Schriftenverzeichnisse sind in beiden Festschriften Güterbocks, die ihm zum 65. und 75. Geburtstag gewidmet wurden, zu finden. Anatolian Studies presented to Hans Gustav Güterbock, Leiden 1974, hrsg. K. Bittel, Ph.H.J. Houwink ten Cate, E. Reiner und Kaniççuwar. A tribute to Hans. G. Güterbock on his seventy-fifthbirthday, Chicago 1986. Siehe auch Zeitschrift für Assyriologie, Bd. 91, 2001, p. 161–164, Istanbuler Mitteilungen, Bd. 51, 2001, p.7f.
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Seine Frau Frida (1874–1955) stand durch ihren Bruder, den Arabisten Moritz Sobernheim, orientalistischen Themen bereits sehr nahe und hatte eine Sammlung von Porträts großer Orientalisten im Hause. Nach dem Ersten Weltkriege wurde Georg Hahn in den Vorstand der Deutschen Orientgesellschaft gewählt und übte diese ehrenamtliche Tätigkeit bis 1936 aus. Georg und Frida Hahn erhielten aus den Fundstücken der Wincklerschen Grabung einige wertvolle Objekte in Anerkennung ihrer Verdienste geschenkt, so. z.B. die Originaltafel des sogenannten AleppoVertrages (KBo I, Nr. 6), den Brief der ägyptischen Königin Naptera an die hethitische Königin PuduΔepa (KBo I 29) sowie zahlreiche Statuetten und Siegelzylinder. Wann das Ehepaar Hahn Europa in Richtung Brasilien verließ, ist nicht bekannt. Dr. Georg Hahn starb am 24. April 1953 und seine Frau wenig später am 12. Juli 1955 in Rio de Janeiro.415 Fritz Hommel *31. Juli 1854 (Ansbach) – †17. April 1936 (München), deutscher Orientalist. Hommel, Sohn eines Bezriksgerichtsrates, studierte ab 1872 in Leipzig Theologie. Schnell entwickelte Hommel ein ausgeprägtes Interesse an orientalischen Sprachen und beschäftigte sich sehr bald über die Theologie hinaus mit den semitischen Sprachen und dem indogermanischen Sanskrit. Er wurde anschließend Schüler von Friedrich Delitzsch und stieg als dessen erster Schüler in das Fach Assyriologie ein. Er promovierte 1877 mit der Arbeit „Die Namen der Säugetiere in den semitischen Sprachen“. 1885 veröffentlichte Hommel seine 1877 verfasste Habiltationarbeit „Geschichte Babyloniens und Assyriens“ und im gleichen Jahre wurde er außerordentlicher Professor für semitische Sprachen in München. Sein Hauptinteresse galt der Geschichte Vorderasiens und der Erforschung Kultur und Geistesleben der altorientalischen Völker insgesamt. Vor allem für die Semtistik schuf Hommel eine ganze Reihe wertvoller Arbeitsmaterialien, die über viele Jahrzehnte im akademischen Unterricht, aber auch darüber hinaus, Verwendung fanden, so z.B. seine 1893 veröffentlichte „Altsüdarabische Chrestomathie.“ Im Jahre 1925 emeritierte Hommel in München, hielt aber noch viele Jahre Vorlesungen und Seminare ab. 1926 verlffentklichte Hommel sein umfangreiches, 1100 Seiten umfassendes, Hauptwerk „Ethnologie und Geographie des Alten Orients.“ Bed√ich HroznŸ, *6. Mai 1879 (Lissa, Böhmen) – † 12. Dezember 1952 (Prag). Er wuchs als Sohn eines evangelischen Pfarrers in Böhmen auf. Er kam bereits früh mit orientalischen Sprachen in Berührung und sein Inte415
Siehe auch Archiv für Orientforschung, Bd. 17, 1954–56, p.493–494. Weitere interessante Familienunterlagen befinden sich im Mannesmann-Archiv in Mülheim a.d. Ruhr, die demnächst von mir gesichtet werden.
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resse an der Philologie ganz allgemein sowie an der Geschichte des Alten Orients intensivierte er bereits als Gymnasiast. Im Jahre 1897, nach seinem Abitur, immatrikulierte sich HroznŸ an der Universität Wien, um dort evangelische Theologie und Orientalistik zu studieren. Schon nach kurzer Zeit aber konzentrierte er sich auf das Studium der altorientalischen Sprachen und Geschichte. Nach erfolgreicher Promotion im Jahre 1901 mit einer Arbeit über „Südarabische Grafiti“ ging HroznŸ nach Berlin zu Friedrich Delitzsch und anschließend nach London, um seine Studien vor allem an bis dahin unpublizierten assyrischen Texten zu vertiefen. 1902 kehrte er dann nach Wien zurück und arbeitete bis 1918, mit kleinen Unterbrechungen, als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universitätsbibliothek Wien, wobei er auch Vorlesungen über semitische Sprachen hielt. 1905 habilitierte er sich in Wien.1914 sandte ihn die Deutsche Orientgesellschaft zusammen mit Heinrich Figulla nach Konstantinopel, um dort die bisher nicht erschlossenen hethitischen Texte zu kopieren und aufzuarbeiten. Die dort gemachten Notizen und Abschriften nutzte HroznŸ während des Ersten Weltkrieges zur intensiven Erforschung des Hethitischen. Es gelang ihm mit kombinatorischen und etymologischen Vergleichen das Hethitische zu erschließen und den indogermansichen Charakter der Sprache zu erweisen. Seine Ergebnisse legte HroznŸ 1915 in dem Bericht „Die Lösung des hethitischen Problems“416 vor. Ausführlicher und umfangreicher gestaltete sich seine zweite Publikation zum Hethitischen, die 1917 unter dem Titel „Die Sprache der Hethiter, ihr Bau und ihre Zugehörigkeit zum indogermanischen Sprachstamm. Ein Entzifferungsversuch.“ erschien.417 HroznŸ arbeitete bis zu seinem Tode am 12. Dezember 1952 intensiv an vielen zentralen Aufgaben der Hethitologie mit und half diese neue Disziplin zu etablieren. Er unternahm Ausgrabungen in Kleinasien und Syrien, arbeitete an der Entschlüsselung des Hieroglyphen-Luwischen und edierte Texte. Sein Forschungsansatz war stets auf die Zusammenführung der zahlreichen Einzelergebnisse aus verschiedenen Teildisziplinen zu einem Gesamtbild des Alten Orients ausgerichtet. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde HroznŸ an die Karls-Universität Prag berufen, wo er in den folgenden Jahrzehnten die Altorientalistik etablierte sowie mit der Fachzeitschrift Archiv Orientalni ein wichtiges Publikationsorgan ins Leben rief. In den Jahren 1924 und 1925 war er zu Ausgrabungen zunächst in Syrien (Aleppo), ohne dass er aber dort Bedeutsames entdecken konnte und dann in der Türkei (Kültepe) unterwegs. Dieses Unterfangen verlief wesentlich erfolgreicher, denn seine Entdeckung der „kappadokischen Keilschrifttexte“ in Kültepe nahe 416 417
Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft, Bd. 56, 1915, p. 17–50. Boghazköi-Studien, Bd. 1, 2/1, Leipzig 1917.
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dem türkischen Kayseri, war ein bedeutender Fund. Er hob dort mehr als 1000 Keilschrifttafeln aus dem Boden. HroznŸ wurde durch die Ehrendoktorwürden der Pariser Sorbonne und der Universitäten Oslo und Sofia für sein wissenschaftliches Werk gewürdigt. Nach langer Krankheit und nach einem neunmonatigen Krankenhausaufenthalt verstarb Bed√ich HroznŸ am 12. Dezember 1952 in Prag. 418 Paul Kretschmer, *2. Mai 1866 (Berlin) – † 9. März 1956 (Wien). Er galt als einer der führenden Indogermanisten seiner Zeit. Sein Forschungsschwerpunkt war vor allem die Rekonstruktion der Geschichte der griechischen Sprache419 sowie umfangreichere Untersuchungen hinsichtlich des Einflusses nicht-indogermanischer Sprachen, wie z.B. des Etruskischen auf Sprachen der indogermanischen Sprachfamilie. Für die Region rund um das Mittelmeer vertrat er die Auffassung, dass eine Nicht-Griechische Vorgängerkultur deutliche sprachliche Spuren im Griechischen, aber auch im Hethitischen hinterlassen habe. Paul Kretschmer war Ordinarius in Marburg (1897–1899) und Wien (1899–1936) und methodisch gehörte Kretschmer zu den Vertretern der junggrammatischen Schule, die besonderen Focus auf die Gültigkeit der Lautgesetze in den Sprachen legte. Wenig bekannt sein dürfte die Tatsache, dass Kretschmer sich während der nationalsozialistischen Zeit, nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938, couragiert und mutig für die Sicherheit des jüdischen Indogermanisten und Begründers der Albanologie Norbert Jokl eingesetzt hat. 420 Letztendlich konnte er dessen Deportation und seinen Tod aber nicht verhindern. Jokl starb entweder 1942 auf dem Transport in das Konzentrationslager Maly Trostinec oder aber er wurde dort im Lager ermordet. Die genauen Umstände seines Todes sind unklar. Benno Landsberger, *21. April 1890 (Friedeck – † 26. April 1968 (Chicago), war ebenso wie Julis Lewy Opfer der nationalsozialistischen Politik der Vertreibung jüdischer Gelehrter aus den deutschen Universitäten. Auf der Grundlage des perfiden Gesetzes mit dem Titel „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ hatten die Nationalsozialisten bis En418 419 420
Siehe auch Archiv für Orientforschung, Bd. 16, 1952–53, p. 395f., Revue d'Assyriologique, Bd. 47, 1953, p. 96–100. Grundlegend ist bis heute Kretschmers Band Einleitung in die Geschichte der griechischen Sprache, Göttingen 1896. Siehe dazu Mechthild Yvon, die eine Studie im Internet veröffentlicht hat; www.stadtbibliothek.wien.at/sammlungen/digital/von-mechthild-schicksal.pdf. Das Dokument trägt den Titel: Das Schicksal des Albanologen Norbert Jokl und seiner Bibliothek.
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de 1934 nahezu alle jüdischen Gelehrten aus den deutschen Universitäten entfernt. Landsberger wurde 1935 endgültig aus dem Dienst entlassen und ging zunächst in die Türkei, wo er beim Aufbau einer Fakultät für die Erforschung der Sprachen und Geschichte des Alten Orients entscheidend mitwirkte und die ersten türkischen Studenten ausbildete. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Landsberger an das Oriental Institute in Chicago berufen.421 Jörg Lechler, *28. August 1894 (Dessau) – † 22. Juli 1969 (Detroit.) Er studierte Klassische Archäologie in Berlin und Halle/Saale. Von1913 bis 1918 grub er das Gräberfeld auf dem Sehringsberg bei Helmsdorf aus. Von 1923 bis 1924 war er Assistent am Tell-Halaf-Museum von Oppenheims in Berlin und von 1924 bis 1935 arbeitete er als Archäologe in der Prignitz. Zusammen mit Hans Reinerth war er ab 1933 verantwortlich für die Herausgabe der Zeitschrift Mannus und übte die Funktion des Schriftleiters aus. In dieser Zeit verfasste Lechler auch Schriften zur Symbolik des Hakenkreuzes und untersuchte germanische Riten und Gebräuche ganz im Sinne der nationalsozialistischen Auffassung vom Germanen als Kulturträger. Zusammen mit Emil Forrer publizierte Lechler auch in der Zeitschrift Germanenerbe den Aufsatz „Über den Ursprung des Weihnachtsbaume“.422 Im Jahre 1936 siedelte Lechler in die USA über und lebte in Detroit, wo er bis 1965 am Art Institute der Wayne University arbeitete. Julius Lewy, *16. Februar 1895 (Berlin) – †19. Juni 1963 (Ohio) entstammt einer alteingesessenen jüdischen Berliner Familie. Nach dem Abitur an seinem Heimatort Berlin studierte Julius Lewy in Leipzig und Berlin Assyriologie. Er war der letzte Schüler Delitzschs in Berlin und promovierte 1921 mit der Arbeit „Das Verbum in den altassyrischen Gesetzen“. Ein Jahr später habilitierte er sich in Gießen für Assyriologie und Geschichte des Alten Orients und wurde 1930 zum Ordinarius ernannt. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland gehörte Lewy schon 1933 zu den ersten Opfern der neuen Politik. In den Jahren 1933/34 lehrte er zunächst an der Sorbonne in Paris und 1934 und 1936 nahm er eine Gastprofessur an der Johns Hopkins Universtiy in Baltimore an. Das Hebrew Union College in Ohio (Cincinnati) berief Julius Lewy schließlich und bot ihm eine neue berufliche Heimat. Er gehörte diesem College bis zu seinem Tode an. Lewy galt zu seinen Lebzeiten als der beste Kenner der altassyrischen Kültepe-Texte, die er 1926 auch veröffentlichte. Es folgten 421 422
Zu Landesberger siehe u.a. auch Archiv für Orientforschung, Bd. 22, 1968, p. 203f. Germanenerbe, Bd.1, 1936, p. 262 –265.
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zusammen mit Georg Eisser 1930 und 1935 noch die beiden Bände „Die altassyrischen Rechtsurkunden vom Kültepe.“423 Enno Littmann *16. September 1875 (Oldenburg) – †4. Mai 1958 (Tübingen). Schon als Schüler kam er mit orientalischen Sprachen in Berührung und war von diesem Gebiet fasziniert. Seine durch Nachhilfe erworbenen finanziellen Mittel investierte er in Sprachbücher und Grammatiken. Littmann studierte ab 1894 Evangelische Theologie, Orientalistik, Germanistik, Anglistik und Klassische Philologie in Berlin (bei August Dillmann), Greifswald und Halle (Saale). 1898 legte er sein Examen als „Oberlehrer“ für die Fächer Religion und Hebräisch ab und promovierte in orientalischer Philologie mit einer Arbeit über „Das Verbum in der TigreSprache.“ Von 1898 bis 1900 vertiefte er seine Studien bei Theodor Nöldeke in Straßburg und nahm an einer volkskundlichen Expedition nach Syrien und Palästina teil. Von 1901 bis 1904 las er an der Princeton University, beteiligte sich 1905 an einer von dort organisierten Expedition nach Eritrea und leitete 1906 die legendäre deutsche Aksum-Expedition. 1906 wurde er zum ordentlichen Professor für Orientalistik nach Straßburg berufen, 1914 nach Göttingen, 1917 nach Bonn, 1921 nach Tübingen, wo er bis zu seiner Emeritierung 1951 blieb424 Felix Ritter von Luschan, *11. August 1854 (Hollabrunn) – † 7. Februar 1924 (Berlin). Von Luschan war Arzt, Anthropologe, Forschungsreisender, Archäologe und Ethnograph. Er studierte Medizin in Wien und Anthropologie in Paris. 1878/79 wurde er Militärarzt in Bosnien und bereiste Dalmatien, Montenegro und Albanien. 1882 wurde er Privatdozent an der Universität Wien, 1885 Assistent am „Königlichen Museum für Völkerkunde“ (heute Ethnologisches Museum) in Berlin und war von 1904 bis 1911 Direktor der Afrika- und Ozeanien-Abteilung dieses Museums. Er habilitierte sich 1888 und wurde 1904 außerordentlicher und 1911 ordentlicher Professor mit dem ersten Lehrstuhl für Anthropologie an der Universität zu Berlin. Zu Beginn seiner Laufbahn forschte er gemeinsam mit Otto Benndorf in Lykien (Süd-Ost-Türkei). Bei Zincirli entdeckte er die Ruinen von Sam…al, der Hauptstadt eines späthethitischen Kleinfürstentums, die er 1888 bis 1902 freilegte. 1905 unternahm er eine Forschungsreise nach Südafrika. Als Direktor des Museum für Völkerkunde in Berlin erwarb er die „Altertümer von Benin“, eine Gruppe von Elfenbeinschnitzereien und Bronzefiguren. 423 424
Siehe auch Archiv für Orientforschung, Bd. 19, 1963, p. 262f. Siehe auch Archiv für Orientforschung,Bd. 18, 1957/58, p. 483f.
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Spyridon Nikolaou Marinatos, *4. November 1901 (Lixouri) – †1. Oktober 1974 (Santorini) war einer der bedeutendsten griechischen Klassischen Archäologen des 20. Jahrhunderts. Zu seinen bedeutendsten Entdeckungen gehörte die Ausgrabung der antiken Hafenstadt in Thera. In den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts studierte Marinatos u.a. in Berlin und Halle und hörte auch einige Vorlesungen Forrers in Berlin. Marinatos betreute während seiner Zeit auf Kreta auch die von Evans in Knossos gefundenen Tontäfelchen in Linear A- und B-Schrift. Zu den weiteren archäologischen Tätigkeitsfeldern von Marinatos gehörten u.a. die Ausgrabungen an den Thermopylen sowie an dem nahe gelegenen Gräberfeld, an dem 480 v. Chr. das persische Heer auf spartanische Truppenreste stieß. In den sechziger Jahren stieg Marinatos in Griechenland zum Generalinspektor des griechischen archäologischen Dienstes auf. Er kam beim Einsturz einer freigelegten Mauer bei den Ausgrabungen im antiken Thera ums Leben. Bruno Meissner, *25. April 1869 (Graudenz) – †13. März 1947 (Zeuthen) besuchte das Gymnasium in Graudenz. In Leipzig, Straßburg und Berlin studierte er Philosophie, Theologie und Alte Geschichte, vor allem jedoch altorientalische Philologie, Assyrisch, Äthiopisch, Arabisch, Hebräisch und darüber hinaus Griechisch. 1892 promovierte er an der Berliner Universität mit der Arbeit „De servitute babylonico-assyrica“ bei Friedrich Delitzsch. Er setzte seine Studien fort und veröffentlichte eine viel beachtete Arbeit zu verschiedenen Bauinschriften sowie zum altbabylonischen Privatrecht. 1894 habilitierte er sich an der Universität Halle mit der Schrift „Alexander und Gilgamos.“ Seine Antrittsvorlesung hielt er über „Die Abhängigkeit der aramäischen Kultur von der assyrischen, nach Lehnwörtern dargestellt.“ In den Jahren 1899/1900 nahm er als Assyriologe an Ausgrabungen in Babylon unter der Leitung Robert Koldeweys teil. Eine weitere Studienreise führte ihn auch nach Marokko. Ab 1901 war Meissner Lektor für Arabisch am Berliner Seminar für orientalische Sprachen und im Jahre 1902 erhielt er den Professorentitel sowie 1904 ein Extraordinariat an der Universität Breslau. Dort wurde er 1911 zum ordentlichen Professor für Assyriologie und orientalische Sprachen ernannt. 1921 nahm er einen Ruf an die Universität Berlin an, an der er bis 1936 lehrte. Bruno Meissner veröffentlichte sechs Hefte „Assyriologische Studien“ (1903–1913), eine assyrische Grammatik (1907) und zahlreiche Beiträge zur Lexikographie. Standardwerke der Assyriologie wurden seine Bücher „Babylonien und Assyrien“ (1920/1925), „Könige Babyloniens und Assyriens“ (1926) und „Die babylonisch-assyrische Literatur“(1930). Außerdem schrieb er über das Gilgamesch-Epos, zeichnete arabische Märchen
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auf und übersetzte neuarabische Schriften aus dem Irak. Sein „Akkadisches Handwörterbuch“ erschien nicht mehr zu Lebzeiten, es wurde im Auftrag der Berliner Akademie der Wissenschaften aus dem Nachlass herausgegeben (überarbeitet von Wolfgang von Soden, 1972/1981/1985). 1933 erfolgte die Aufnahme Meissners in die NSDAP (Mitglied-Nr. 1 734 554). Meissners Schwerpunkt lag in der philologischen Erschließung und Aufarbeitung der Texte und der Gewinnung verlässlicher Grundlagen für die Assyriologie. Trotz dieser philologischen Ausrichtung beherrschte Meissner das Fach in seiner ganzen Breite, was auch die archäologische und geschichtswissenschaftliche Seite einschloss. Sein Hobby war die Botanik und im Garten seines Hauses in Zeuthen pflanzte er seltene Bäume und Sträucher an. 425 Eduard Meyer, *25. Januar 1855 (Hamburg) – †31. August 1930 (Berlin) lehrte von 1902 bis 1923 Alte Geschichte an der Friedrich-WilhelmUniversität Berlin. Als Rektor der Universität machte er sich vor allem in den politisch und wirtschaftlich schwierigen Jahren 1919/20 u.a. durch die Schaffung der Studentenhilfe Berlin verdient. Als Historiker mit universalhistorischem Ansatz legte er eine umfangreiche fünfbändige „Geschichte des Altertums“ (GdA) vor, die einen Bogen zwischen Orient und Okzident zu schlagen versuchte. Meyer wurde 1855 als Sohn von Henriette (*1836–†1905) und Dr. Eduard Meyer (*1804–†1884) in Hamburg geboren. Schon früh erlernte er, nicht zuletzt durch seinen Vater, der selbst Altphilologe und Lehrer am Johanneum in Hamburg war, Latein und Griechisch. Meyer wuchs in einem liberalen, hanseatisch geprägten Umfeld auf und wurde seinen Fähigkeiten entsprechend auf der Gelehrtenschule des berühmten Johanneums unterrichtet. Hier konnte er nicht nur die für seinen wissenschaftlichen Werdegang so wichtigen ersten Kenntnisse des Hebräischen und Arabischen erhalten, sondern fand darüber hinaus in dem Thukydidesforscher und Schüler Niebuhrs Johannes Classen, der dem Johanneum als Rektor vorstand, einen geeigneten Mentor und ihm zugewandten Förderer. Mit Hilfe eines Stipendiums, das ihm aufgrund seiner überragenden schulischen Leistungen gewährt wurde, konnte er nach Erlangung des Abiturs bereits 1872 ein Studium der Geschichte in Bonn aufnehmen. Doch bereits ein Semester später verließ Meyer Bonn, um sich ganz den orientalischen Sprachen in Leipzig zu widmen, die er für seinen Plan, eine universalhistorische Geschichte des Altertums zu verfassen, benötigte. Er studierte in Leipzig u.a. Arabisch, Persisch, Türkisch, Syrisch, Sanskrit, Ägyptisch, 425
Siehe auch Archiv für Orientforschung, Bd.15, 1945–1951, p. 173–175.
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Geschichte, Philosophie und Völkerkunde, um schließlich 1875 mit der Arbeit „Gott Set-Typhon“ zu promovieren. Nach einer zweijährigen Anstellung als Privat- und Hauslehrer für die Kinder des englischen Generalkonsuls Sir Philip Francis in Konstantinopel, und nach Ableistung seines Militärdienstes in Hamburg, habilitierte sich Meyer 1879 mit seiner im Johanneum begonnenen Arbeit über die „Geschichte des Königreichs Pontos.“ Es folgten fünf für ihn sehr lehrreiche und von ihm selbst als lebendig bezeichnete Jahre als Privatdozent in Leipzig – dem damaligen Zentrum der Orientalistik in Deutschland – bis Meyer schließlich 1885 das Ordinariat in Breslau für Alte Geschichte besetzen konnte. Er folgte 1885 einem Ruf nach Halle sowie 1902 nach Berlin, wo er bis zu seinem Tod 1930 wirkte. Auch Meyer gehörte zu den großen Förderen der Deutschen Orientgesellschaft und versammelte eine große Schar Studenten aus dem In- und Ausland um sich, die später zu bekannten Forscherpersönlichkeiten heranwuchsen426. Schon im Jahre 1914 veröffentlichte Meyer eine Monographie über die Hethiter427, denen vor allem in den Jahren bis 1920 sein gesteigertes Interesse galt. Meyers Ruf als Universalhistoriker und führender Gelehrter auf diesem Gebiet im Europa seiner Zeit veranlasste letztendlich auch den jungen Forrer, nach Berlin zu gehen.428 Anton Moortgat, *21. September 1897 (Antwerpen) – †9. Oktober 1977 (Damme) studierte klassische Archäologie während des Ersten Weltkrieges in Deutschland und promovierte 1919 in Berlin mit einer Arbeit über „Das antike Torgebäude.“ Nach dem Studium nahm er eine Tätigkeit am Deutschen Archäologischen Institut in Rom auf. Seine Hinwendung zum Alten Orient begann 1926 mit der Studie „Hellas und die Achaemeniden.“ 1932 schuf er für die Vorderasiatische Archäologie mit seinem Werk „Die bildende Kunst des Alten Orients und die Bergvölker“ ein grundlegende Arbeit, die methodisch genau den motivlichen Inhalt und den Bildgedanken der altorientalischen Kunst herausarbeitete. Moortgat war von 1939 bis 1948 Kustos und Professor der Vorderasiatischen Abteilung der Staatlichen Museen in Berlin. 1941 wurde er an der Friedrich-Wilhelm Universität in Berlin zum Honorar-Professor ernannt. Auch auf dem Gebiet der 426 427 428
So auch u.a. Fritz Schachermeyr, Hans Henning von der Osten, James Henry Breasted, Emil Forrer u.v.m. Eduard Meyer, Reich und Kultur der Chetiter. Berlin 1914 Ähnlich wie Forrer argumentierte auch Fritz Schachermeyr, der ebenfalls zu Meyer nach Berlin ging, da dieser an Reputation und „Führerschaft“ auf geistigem Gebiete einen besonderen Ruf genoss. Schachermeyr hingegen – anders als Forrer – zeigte sich enttäuscht über den akademischen Unterricht Meyers. Siehe dazu ausführlicher Raulwing, 2007.
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Sumerologie publizierte Moortgat grundlegende Werke (Frühe „Bildkunst in Sumer“, Leipzig 1935; „Entstehung der sumerischen Hochkultur“ Leipzig 1945). Nach dem Zweiten Weltkriege wurde Moortgat auf den ersten ordentlichen Lehrstuhl für Vorderasiatische Archäologie der neugegründeten Freien Universität Berlin berufen. 1967 erschien sein krönendes Werk „Die Kunst des Alten Orient“, das ebenso in Englisch und Arabisch erschienen ist. Anton Mortgart gilt als Begründer der Vorderasiatischen Archäologie in Deutschland.429 Max Freiherr von Oppenheim, *15. August 1860 (Köln ) – † 15. November 1946 (Landshut) war deutscher Diplomat, Orientalist und vorderasiatischer Amateurarchäologe. Von Oppenheim war der Sohn von Albert Freiherr von Oppenheim, einem persönlich haftenden Gesellschafter der Kölner Privatbank Sal. Oppenheim. Er studierte Rechtswissenschaften in Straßburg, promovierte 1883, unternahm diverse Forschungsreisen u.a. in den Nahen Osten, wo er auch zeitweise diplomatische Funktionen wahrnahm. 1899 entdeckte von Oppenheim die hethitische Residenz Tell Halaf und wurde somit eine Berühmtheit unter den Amateurarchäologen. 1910– 1913 leitete er die dortigen Ausgrabungen und setzte diese nach dem Krieg 1927 und 1929 fort. Während des Ersten Weltkrieges war er im Auswärtigen Amt in Berlin, wo er die sogenannte Nachrichtenstelle für den Orient gründete sowie in der Botschaft in Konstantinopel tätig war. Aufgrund dieser Tätigkeit ist Max von Oppenheim auch der Lawrence von Arabien Deutschlands genannt worden. Die hier erwähnte Sammlung von Oppenheims, von der auf der Grundlage des Briefmaterials offenbar überlegt wurde, diese der Vorderasiatischen Abteilung im Berliner Museum zu überstellen, stammt von den Ausgrabungen aus der hethitischen Residenz am Siedlungshügel Tell Halaf und wurde in einem eigens gegründeten Tell Halaf-Museum ausgestellt und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Objekte seiner großen Orientalia-Sammlung verzierten dagegen die Wände der von Oppenheim-Stiftung am Kurfürstendamm in Berlin, wo von Oppenheim auch sein Domizil hatte. 430 Hans Henning von der Osten,431 *30. Oktober 1899 (Potsdam) – † 30. Juni 1960 (Uppsala) wurde als Sohn des preußischen Obersten Erimar von der Osten geboren. Er besuchte zunächst die Schule seiner Heimatstadt in Potsdam. Im Jahre 1911 wurde der Vater als Flügeladjutant des Herzogs 429 430 431
Siehe auch Archiv für Orientforschung, Bd. 25, 1975–1977, p. 345f. Sieh auch Archiv für Orientforschung, Bd. 15, 1945–1951, p. 180f. Nachruf auf Hans Henning von der Osten in: Gnomon, Bd. 34, 1962, p. 105–108.
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von Sachsen-Altenburg nach Altenburg versetzt. Dort erhielt Hans Henning von der Osten zunächst Privatunterricht, aber ab 1913 besuchte er das humanistische Gymnasium in Dresden. Er legte während des Ersten Weltkrieges das Notabitur ab und rückte 1917 ebenfalls zur Armee ein. An der Westfront in Frankreich eingesetzt, erlitt er eine schwere Verwundung, die ihn Zeit seines Lebens beeinträchtigte. Nach dem Kriege studierte Hans Henning von der Osten in Berlin die Fächer Archäologie, Alte Geschichte und Assyriologie u.a. bei Eduard Meyer und Friedrich Delitzsch. Dort lernte er auch Emil Forrer und Ernst Weidner näher kennen. Da er aber auch während der Zeit seines Studiums immer noch der Armee angehörte, die ihn lediglich für die Dauer seiner Studien von seinen militärischen Pflichten beurlaubte, wurde sein Studium immer wieder aufgrund seiner dienstlichen Obliegenheiten unterbrochen. Während der Besetzung des Rheinlandes im Jahre 1921 wurde von der Osten als Verbindungsoffizier zu einer der alliierten Besatzungsmächte abkommandiert. Im Laufe des Jahres 1922 beendete das damalige Reichswehrministerium seine Tätigkeit und von der Osten ging in die Vereinigten Staaten, zunächst nach New York, dann nach Chicago. Dort beendete er sein Studium und lernte den amerikanischen Ägyptologen James Henry Breasted kennen, der gerade mit finanzieller Unterstützung der John D. Rockefeller Stiftung das Oriental Institute of Chicago aufbaute und größere Forschungsaktivitäten im gesamten Vorderen Orient projektierte. Breasted engagierte den jungen deutschen Archäologen und ermöglichte ihm vier große Forschungsreisen nach Kleinasien, die von der Osten von 1926 –1931 im Auftrag des Oriental Institute Chicago durchführte. Dort erforschte von der Osten mit seinem Team u.a. die Siedlung Aliπar-Hüyük im nördlichen Kappadokien. Bei der Erforschung des Hügels gelang von der Osten erstmals der Nachweis sich überlagernder Besiedlungsschichten vom Chalkolithikum bis in die byzantinische Zeit.432 Im Jahre 1936 folgte er einem Ruf auf den Lehrstuhl für Archäologie an die Universität Ankara, wo er bis 1939 lehrte. Anschließend arbeitete er die Bestände altorientalischer Glyptik zweier amerikanischer Privatsammler auf. Im Jahre 1951 erhielt von der Osten einen Lehrauftrag an der schwedischen Universität in Uppsala, wo ihm 1959 aufgrund seiner vielfältigen Leistungen die Ehrendoktorwürde verliehen wurde. Sein Forschungsschwerpunkt in Uppsala bildete die Erforschung Syriens sowie die archäologische Untersuchung Irans. Im Jahre 1958 nahm von der Osten an einer deutsch-schwedischen Expedition im Auftrag des Deutschen Archäologischen Institutes teil, die die iranische Ruinenstätte Takht -i- Suleiman 432
Siehe Gnomon, Bd. 34, 1963, p. 1962.
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für Grabungen sondieren sollte, da diese zahlreiche materielle Hinterlassenschaften aus der Sassanidenzeit aufzuweisen hatte. Wenige Tage vor Beginn der zweiten Kampagne starb Hans Henning von der Osten am 30. Juni 1960 in Uppsala. Das Deutsche Archäologische Institut hatte ihm noch kurz zuvor die Leitung einer in Teheran zu gründenden Dependance zugedacht. Arno Max Poebel, *26. Januar 1881 (Eisenach) – † 3. März 1958 (Chicago) war einer der Pioniere der Sumerologie. 433 Poebel studierte Theologie und Philosophie von 1900 –1904 an den Universitäten Heidelberg, Marburg, Zürich und Jena. Anfang des Jahres 1905 ging Poebel, ausgestattet mit einem amerikanischen Stipendium, nach Philadelphia, um dort Assyriologie zu studieren. Er beteiligte sich dort auch an der Auswertung einer archäologischen Expedition der Universität Pennsylvania. Er war an der Herausgabe der Keilschrifttexte beteiligt. 1910 kehrte Poebel nach Deutschland zurück und habilitierte sich in Breslau mit einer Arbeit über „Die sumerischen Personennamen zur Zeit der Dynastie von Larsam und der ersten Dynastie von Babylon.“ Diese Arbeit markiert den Beginn der intensiven sumerologischen Forschungen Poebels. Im Jahre 1919 erhielt er eine außerordentliche Professur an der Universität Rostock. 1923 publizierte Poebel sein grundlegendes Werk „Grundzüge der sumerischen Grammatik“, das von ihm als Handbuch konzipiert worden ist und als Grundlage für weitere sprachwissenschaftliche Forschungen angesehen wurde. 1925 erhielt er schließlich die ordentliche Professur für semitische und ägyptische Sprache in Rostock und vertrat das Fach in beeindruckender Breite. Neben Sumerisch und Akkadisch unterrichte er auch Syrisch und Arabisch. 1929 ließ sich Poebel für eine Gastprofessur am Oriental Institute der Universität von Chicago beurlauben, wo er an dem Großprojekt des „Chicago Assyrian Dictionary“ mitarbeitete. Als am 1. Mai 1933 seine Beurlaubung in Rostock nicht mehr verlängert wurde und er zur Rückkehr nach Deutschland aufgefordert wurde, verweigerte Poebel die Rückkehr aus politischen Gründen. Seine Position in Chicago wurde in eine reguläre Professur umgewandelt. 1946 emeritierte Poebel. Hans Reinerth, *13. Mai 1900 – † 13. April 1990, deutscher Archäologe. Sein Studium schloss Reinerth mit der Promotion 1921 in Tübingen ab und 1925 erfolgte die Habilitation. Das Tübinger Urgeschichtliche Forschungsinstitut unter der Leitung von Richard Rudolf Schmidt führte seinerzeit Grabungen am Federsee durch. Reinerth übernahm hier bald eine 433
Zur Vita Arno Poebels siehe Utz Maas, Verfolgung und Vertreibung deutschsprachiger Sprachforscher 1933–1945, Bd. II, Osnabrück 2004, p. 360ff.
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Grabungen am Federsee durch. Reinerth übernahm hier bald eine wichtige Rolle und untersuchte die bronzezeitliche Wasserburg Buchau, deren Grabungspublikation er Zeit seines Lebens aber schuldig blieb. Im Jahre 1934 wurde Reinerth Nachfolger von Gustav Kossinna, auf dessen Lehrstuhl an der Universität Berlin (bis 1945). Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges war Reinerth Leiter des Reichsbundes für die Deutsche Vorzeit und Direktor des Pfahlbaumuseums in Unteruhldingen. Hans Reinerth ist durch seine Tätigkeit im Dritten Reich einer der umstrittensten deutschen Archäologen. Er war einer der wenigen nationalsozialistisch belasteten Archäologen, die in der Nachkriegszeit ihre Karriere nicht fortsetzen konnten. Der Tübinger Prähistoriker Hans Reinerth hatte sich bei den vorgeschichtlichen Ausgrabungen in Bad Buchau einen guten Namen gemacht. Sein maßloser Ehrgeiz nach der Habilitation 1925 (im Alter von nur 25 Jahren) und verschiedene berufliche Misserfolge führten zwischen 1928 und 1932 zum Bruch mit der etablierten Wissenschaft. Anfang 1928 setzten erste Kontakte zu Alfred Rosenberg, dem späteren Chefideologen der NSDAP (1893–1946), ein. Reinerth trat im Dezember 1931 in die NSDAP und in den „Kampfbund für deutsche Kultur“ ein. Ein Jahr später begründete er innerhalb des Kampfbundes eine Fachgruppe für Vorgeschichte. Die Vorgeschichte oder „deutsche“ Vorgeschichte hatte mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten eine neue und zugleich unwissenschaftliche Wertschätzung erlangt. Hinzu kamen einige führende Funktionäre des NS-Systems, wie Alfred Rosenberg oder Heinrich Himmler (1900–1945), die sich persönlich einbrachten und bemühten, in dieser Frage Führungsfunktionen einzunehmen. Für Reinerths Werdegang war nun der Balte Alfred Rosenberg bis zum Untergang des „Dritten Reiches“ von entscheidender Bedeutung. Bereits im Juni 1932 publizierte er seine Neuordnung der deutschen Vor- und Frühgeschichte in den von Rosenberg betreuten Nationalsozialistischen Monatsheften. Darin forderte er die Gründung eines Reichsinstituts für Vor- und Frühgeschichte. Im Mittelpunkt seiner Vorhaben im Februar 1933 stand die Gründung eines „Reichsinstituts für Vorgeschichte“ mit drei Abteilungen und seine Forderungen einer Neugestaltung der deutschen Forschungslandschaft. Am 28. März 1934 erweiterte Reinerth seine Forderungen und verlangte, dass sein Institut auch die Zentralstelle für die vorgeschichtliche Forschung und Lehre auf dem gesamten Reichsgebiet werde. Außenstellen sollten in Athen, Rom, Madrid, Stockholm und Herrmannstadt (Siebenbürgen) entstehen. Dazu hatten sich die entscheidenden Gegenspieler Reinerths um das von Himmler am 1. Juli 1935 gegründete „Deutsche Ahnenerbe“ der SS versammelt. Zuvor hatte sich bereits im Juni 1934 in Berlin um den Präsidenten des Deutschen Archäologischen Instituts, Theodor Wiegand (1864–1936), um den Museumsdirektor und Honorarprofessor
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Wilhelm Unverzagt (1892–1971) und den Archäologen Alexander Langsdorff (1898–1946) ein Gegenpol gebildet, wobei Langsdorff der SS mit der Nähe zu Himmler im „Persönlichen Stab“ angehörte. Reinerth gelang es aber zunächst, mit allgemeiner Unterstützung den Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte unter ihm als „Bundesführer“ zu bilden und eine neue Machtposition zu erreichen (Gleichschaltung). Dieser erste politische Abschnitt Reinerths wurde durch weitere Funktionen im NS-System, u. a. als Leiter der Abteilung Vor- und Frühgeschichte im Amt Rosenberg im Mai 1934, abgesichert. Am 1. November 1934 erhielt Reinerth auf Vorschlag Rosenbergs und gegen den Willen der Philosophischen Fakultät die Berufung an die Universität in Berlin. Die Verstärkung des Widerstandes gegen Reinerth in seinem Machtstreben seit Mitte 1935 (besonders unter Theodor Wiegand und Langsdorff) zeigt sich darin, dass sich „Rosenberg und Himmler in mehreren Briefen höflich um die Vor- und Frühgeschichte (und) um die Person Reinerths streiten“ (Schöbel 2002, 346). Erst am 2. Juli 1936 wurde Reinerth, nach einem Tischgespräch Rosenbergs und Rusts mit Adolf Hitler anläßlich eines Mittagessens, mit der Ausarbeitung eines Planes zu einem vom Archäologischen Institut unabhängigen Reichsinstitut beauftragt. Zu einer Umsetzung dieses Vorhabens kam es jedoch nicht. Weitere Zerwürfnisse Reinerths mit zahlreichen Fachkollegen erfolgten 1935 im „Reichsleistungskampf der Deutschen Studentenschaft“. Er instrumentalisierte seinen Studenten Joachim Benecke (1912–1943) zu einem Ausfall gegen den Marburger Ordinarius Gero von Merhart (1866– 1959), den man ins „Lager des politischen Katholizismus und der Jesuiten“ stellte, um ihn „außerdem als weltanschaulich gefährlich“ zu diffamieren und aus dem Fach zu entfernen. Intern wurde daraufhin gegen Reinerth, der auch in der Berliner Universität isoliert war, ein „Ehrenverfahren“ durchgeführt. Letztlich führte das 1943 zu einem Prozess am Parteigericht, in dem er im Februar 1945 aus der NSDAP ausgeschlossen wurde. Alfred Rosenberg, *12. Januar 1893 (Talinn damals Reval) – † 16. Oktober 1946 (Nürnberg) wuchs in einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie auf. Ein Studium der Architektur und Ingenieurswissenschaften in seiner Heimatstadt und in Moskau schloss er zwar ab, wird aber niemals in seinem Beruf tätig. Bereits 1918 kommt er nach München, wo er sich völkischen und nationalistischen Kreisen anschließt. Hier lernt er auch Hitler kennen. Er beteiligt sich aktiv am Hitler-Putsch 1923, übernimmt dann zeitweise während Hitlers Festungshaft wichtige Stellvertreterfunktionen. Nach Auffassung der Nationalsozialisten gehört Alfred Rosenberg also zu den sogenannten „alten Kämpfern“. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich in dieser Zeit mit
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ideologischen Grundsatzfragen. Zahlreiche kleinere, vor allem aggressiv antisemitische Schriften werden bereits damals von ihm publiziert. Hitler erkennt rasch dieses spezifische Talent Rosenbergs und macht ihn zum Schriftleiter des Völkischen Beobachters. Zuvor war er unter Eckart bereits einige Zeit Redakteur gewesen. „Schriftleiter“ gibt er dann auch als seinen Beruf an, als er 1930 für die Fraktion der NSDAP in den Reichstag einzieht. Bereits ein Jahr zuvor hatte er den „Kampfbund für deutsche Kultur“ gegründet, der vorwiegend propagandistisch wirkte. Auch nach der Machtergreifung blieb Rosenberg – trotz seiner eigenen, machtpolitischen Ambitionen – von Hitler auf die Position des Parteitheoretikers festgelegt. Zunächst wurde er „Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP“, das sich mangels wirklicher Funktionen im Wesentlichen auf verschiedene Propaganda-Aktivitäten beschränkte. Ähnlich wohlklingend, aber wenig einflussreich, war auch seine Ernennung zum „Beauftragen des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP“. Im Ansatz stecken blieb Rosenbergs Projekt für eine „Hohe Schule“. Das sollten nationalsozialistische Universitäten mit klarer ideologischer Ausrichtung sein. Einige Professorenstellen waren bereits eingerichtet, das Projekt zerschlug sich dann aber im Fortgang des Krieges. Auffällig ist, dass Rosenberg kaum wirkliche Machtpositionen besetzen konnte. Die Stellung eines bloßen Theoretikers galt innerhalb der NSCliquen ohnehin wenig. Diese definierten sich selbst als Tat- und Gewaltmenschen, denen jede Art des Intellektualismus fremd war. Eine reale Machtposition innerhalb der NS-Führung konnte Rosenberg nicht aufbauen. Insbesondere in Joseph Goebbels hatte er einen machtbewussten Rivalen. Goebbels verachtete Rosenberg nicht nur persönlich, sondern beanspruchte selbst, den ideologischen Kurs von Partei und Regime mit zu bestimmen. Goebbels war es auch, der Rosenberg und seinen „Kampfbund“ innerhalb der Reichskulturkammer – der nationalsozialistischen Monopolorganisation für alle Art kultureller Aktivitäten – weitgehend kaltstellte. Wenige verbliebene kulturelle Aktivitäten riss in späteren Jahren der Verband „Kraft durch Freude“ an sich. Deren Chef, Robert Ley, erwies sich gegenüber Rosenberg ebenfalls als der größere Machtpolitiker. Selbst als Chefredakteur des „Völkischen Beobachters“ wurde er 1937 von Hitler abgelöst. Er erhielt den schmückenden, praktisch aber funktionslosen Titel eines „Herausgebers“. Als Chef des „Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg“ veranlasste Rosenberg einen gigantischem Kunstraub, in dem er Bibliotheksbestände, Gemälde und andere Kunstwerke aus den besetzten Gebieten ins Reich
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verfrachten ließ. 1941 wurde er zum „Reichsminister für die besetzten Ostgebiete“ ernannt und war so auch für die dort begangenen Greueltaten mitverantwortlich. Bernhard Rust, *30. September 1883 (Hannover) – † 8. Mai 1945 (in Berne durch Suizid) war von 1934 bis 1945 Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Rust studierte Germanistik, Latein und Griechisch und wurde Gymnasiallehrer am Ratsgymnasium in Hannover. Schon im Jahre 1922 trat er der NSDAP bei. Vom 22. März 1925 bis 30. September 1928 war er Gauleiter von Hannover-Ost und nach der Neugliederung der Gaugrenzen wurde er am 1. Oktober 1928 zum Gauleiter des neu gegründeten Gaues Süd-Hannover-Braunschweig ernannt. Bereits 1930 erhielt er einen Sitz im Reichstag. Am 2. Februar 1933 wurde er kommissarischer preußischer Kultusminister und 1934 mit Bildung des Reichserziehungsministeriums in Personalunion Reichsminister. Auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums verloren unter Rusts Ägide etwa tausend Hochschullehrer, vor allem Juden, Sozialdemokraten und Liberale, Stellung und Beruf. Dieses schwächte Deutschlands Stellung im globalen Wissenschaftsbereich deutlich. Rusts Credo während seiner Amtszeit lautete : „Wir brauchen eine neue arische Rasse an den Universitäten, oder wir werden die Zukunft verlieren; die Hauptaufgabe der Erziehung ist es, Nationalsozialisten zu bilden.“
Die neue Verfassung für die deutschen Universitäten und Hochschulen vom April 1935 zielte auf die Zentralisierung und Beschränkung der akademischen Selbstverwaltung. Die Rektoren waren fortan „Führer der Hochschule“ und direkt Rust unterstellt. Rust ernannte ebenfalls den Leiter des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) sowie des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbundes (NSDDB). Beide Verbände dienten der Ideologisierung des Lehrbetriebes und waren der NSDAP angeschlossen. Rust hatte im Ämterchaos des Dritten Reiches geringen Einfluss und musste immer mehr Zuständigkeiten an konkurrierende Organisationen abtreten, etwa an die SS, die Hitlerjugend oder die Deutsche Arbeitsfront. Sein Vorhaben, das deutsche Schulsystem im nationalsozialistischen Geiste grundlegend umzugestalten, scheiterte, nicht zuletzt an den kriegsbedingten Unterrichtsbeeinträchtigungen wie Kinderlandverschickung, Lehrkräfte- und Raummangel. Am 8. Mai 1945, dem Tag der bedingungslosen Kapitulation, beging Rust in Berne bei Oldenburg Selbstmord. Claude Frederic Armand Schaeffer-Forrer *6. März 1899 – †5. Oktober 1982. C.F.A. Schaeffer hat bei Robert Forrer, Emil Forrers Vater, in
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Straßburg Kassische Archäologie studiert und war zunächst auf dem Gebiet der mitteleuropäischen Vorgeschichte tätig. Bis zum Jahre 1929 war er Kurator des Museums für Römische Vorgeschichte in Straßburg. Schaeffer heiratete Odile Forrer, die jünsgte Schwester Emil Forrers Im Jahre 1929 zog es ihn zusammen mit seinem Schwager Emil Forrer nach Syrien, wo er die bedeutende Entdeckung von Ras Shamra machte, die sein Schwager Emil Forrer richtig als Ugarit identifizierte. Die zahlreichen Textfunde in Ugaritischer, akkadischer und hurritischer Sprache gestatten einen umfangreichen und tiefen Einblick in das politische und kulturelle Leben dieser altorientalischen Metropole am ausgehenden zweiten vorchristlichen Jahrtausend. Die Erforschung der materiellen Hinterlassenschaften und der wissenschaftlichen Erschließung dieser so bedeutenden altorientalischen Kultur ist mit dem Namen Schaeffers verbunden und sein Lebenswerk. 1932 hat sich Schaeffer aber auch erfolgreich auf Zypern betätigt und begann 1934 mit systematischen Ausgrabungen in Enkomi an der Ostküste. Auch im östlichen Anatolien in Arslantepe bei Malytya hat Schaeffer kurzzeitig Grabungen aufgenommen und dabei den sicheren Nachweis archaischer bemalter Keramik mesopotamischen Stils nachgewiesen. Aus seinem umfangreichen wissenschaftlichen Œuvre sind vor allem „The cuneiform texts of Ras Shamra-Ugarit“, 1939 „Le Palais royal d'Ugarit“, 1955 und das monumentale Werk „Stratigraphie comparée et chronologie de l'Asie occidentale, IIIe et IIe millénaires“, 1948, zu nennen. Martin Schede, *22. Oktober 1883 – †Februar 1947, deutscher Archäologe, schloss sein Studium der Klassischen Archäologie, Kunstgeschichte und Alten Geschichte 1909 mit seiner Dissertation über „Simaornamentik, Entwicklung des Anthemien- und Rankenmotivs“ ab. 1910 trat Schede als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in den Dienst der Königlichen Museen zu Berlin, allerdings nicht mit diesem Dienstort. Denn von 1910 bis 1913 arbeitete er bei den Ausgrabungen am Apollontempel in Didyma mit, seit Oktober 1910 auch am Heraion von Samos. Dort assistierte er Theodor Wiegand. Den Ersten Weltkrieg erlebte Schede als Offizier in der deutschen Orientarmee vor allem in Anatolien und in Syrien. 1919 wurde er Kustos und Professor an den Berliner Museen und kümmerte sich hauptsächlich um die Antikenabteilung. 1924 ging er als Repräsentant der Preußischen Museen in die Türkei und organisierte in Istanbul entscheidend den Aufbau der Zweigstelle des Deutschen Archäologischen Institutes. Im Jahre 1929 eröffnete die Abteilung Istanbul, deren erster Direktor Schede wurde. Auf sein Wirken hin beschränkten sich die Forschungen dieses Instituts nicht nur auf die Gebiete des Altertums, sondern reichten von den Hethitern bis in die türkische Geschichte. 1938 wurde er zum Präsidenten
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des DAI als Nachfolger Theodor Wiegands gewählt. 1939 folgte die Wahl zum Vorsitzenden der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft und führte diese Gesellschaft in den schwierigen Zeiten des Nationalsozialismus. Das genaue Todesdatum ist nicht bekannt. Schede starb im Februar 1947 an den Folgen von „Entbehrungen und Hunger“ wie Kurt Bittel in seinem Nachruf, Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 102, 1952, p. 237 hervorhebt. Carl Schoch, *5. März 1873 (Pilgram) – † 19. November 1929 (Oxford) wurde als ältester Sohn des Rittergutbesitzers C. Schoch in Pilgram geboren. Er erhielt bis zu seinem 11. Lebensjahr Privatunterricht und besuchte anschließend das Gymnasium in Frankfurt a.d. Oder, das er 1893 mit dem Abitur verließ. Von 1893–1898 studierte er in Marburg und Berlin Mathematik. Zunächst nahm Schoch 1898 eine Stellung als Versicherungsmathematiker in Mannheim an, wechselte aber später nach Ludwigshafen. Als ihn im Jahre 1922 die französische Besatzungsbehörde hinderte, von Mannheim nach Ludwigshafen zu pendeln, kam es zur entscheidende Wende – zu intensivem akademischen Arbeiten – in Schochs Leben. Zunächst verdingte er sich mit Hilfsarbeiten, aber 1924 ging er nach Oxford, um mit dem britischen Astronomen J. K. Fotheringham an der astronomischen Auswertung babylonischer Texte zu arbeiten. Von 1926 an arbeitete Schoch am Astronomischen Recheninstitut in Oxford. Seine Beschäftigung mit den komplexen astronomischen Berechnungen geht aber bereits auf das Jahr 1900 zurück. Die Kieler Sternwarte, vertreten durch Carl Wirtz, hatte Forrer Carl Schoch als Experten empfohlen, nicht ohne den Hinweis, dass Schoch eine äußerst schwierige und im persönlichen Umgang abweisende Persönlichkeit sei. Schoch starb am 19. November 1929 infolge einer schweren Erkrankung, die auch für sein schroffes und merkwürdiges Wesen der letzten Lebensjahre mitverantwortlich war. Die Briefe Schochs an Forrer enthalten umfangreiche sowie sehr detaillierte Berechnungen und von Hand skizzierte Darstellungen zu astronomischen Erscheinungen. Diese sind übersät von zum Teil äußerst beleidigenden Ausdrücken. Forrer empfahl Schoch, sich doch Kopien von seinen eigenen Briefen zu machen, damit er diese nochmals lesen und feststellen könne, wie beleidigend er seine Briefe an ihn schreibe. Wolfram von Soden, *19. Juni 1908 (Berlin) – †6. Oktober 1996 (Münster). Wolfram von Soden entstammt einer bekannten Berliner Theologenund Akademikerfamilie. Sein Großvater Hermann von Soden (1852 – 1914) schuf die vierbändige und 3000 Seiten umfassende Ausgabe des griechischen Neuen Testaments und sein Vater Hans von Soden (1881– 1945) war ebenfalls ein angesehener Kirchenhistoriker. So bekam Wolf-
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ram von Soden schon während seiner Jugend eine umfassende Ausbildung und fühlte sich früh zu den Sprachen des Orients hingezogen. Nach dem Abitur in Marburg 1925 begann von Soden das Studium der der Altorientalistik in Marburg und in R. Borgers Nachruf ist festgehalten, wie von Soden zu dieser Disziplin fand. Demnach hat ihn das Buch Carl Bezolds „Ninive und Babylon“, das er als Jugendlicher geschenkt bekam, für die Altorientalistik interessiert. Von Soden studierte bei Benno Landsberger und promovierte 1931 mit einer Arbeit zum Thema „Der hymnisch-epische Dialekt des Akkadischen.“ 1936 wurde er – gerade erst 28jährig – als Professor an die Universität Göttingen berufen. Während sein alter Lehrer Landsberger aufgrund der nationalsozialistischen Rassenpolitik Deutschland verließ, trat von Soden 1934 erst der SA, 1937 schließlich der NSDAP bei. Die nationalsozialistische Wissenschaftspolitik unterstützte er mit Werken wie „Der Aufstieg des Assyrerreichs als geschichtliches Problem“ (1937) und „Arabische wehrsprachliche Ausdrücke“ (1942). Einer Einberufung zur Wehrmacht konnte er 1940 mit einem Wechsel auf einen Lehrstuhl an der Universität Berlin (Nachfolge Bruno Meissner) entgehen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde von Soden als Vorbelastetem der Wiedereintritt in den Lehrbetrieb verwehrt. Aufgrund seiner außerordentlichen Fähigkeiten und weil sich sein früherer Lehrer Benno Landsberger aus den USA für ihn einsetzte, wurde er 1955 nach Wien berufen. Später ging er nach Münster, wo er bis zu seiner Emeritierung lehrte. Seine wissenschaftliche Fachbibliothek hinterließ er 1996 dem sich damals im Aufbau befindlichen Institut für Altorientalistik an der Universität Leipzig, dem Ort, an dem sein Lehrer Landsberger lange Zeit gewirkt hatte. Trotz der Nähe, die von Soden zum Nationalsozialismus gezeigt hatte und die ihm auch nach dem Kriege den direkten Wiedereinstieg in die akademische Karriere erschwerte, bleibt sein wissenschaftliches Werk unumstritten. Seine grundlegenden Werke wie „Grundriss der akkadischen Grammatik“ und „Akkadisches Handwörterbuch“ sind bis heute in der Forschung nicht ersetzt worden und zeugen von Wolfram von Sodens hoher Gelehrsamkeit. Neben Friedrich Delitzsch, Adam Falkenstein, Benno Landsberger und Dietz Otto Edzard ist er als eine der prägendenden und einflussreichen Persönlichkeiten der deutschsprachigen Altorientalistik zu nennen.434
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Siehe auch Archiv für Orientforschung Bd. 24/25, 1997/98, p. 588–594, Zeitschrift für Assyriologie, Bd. 87, 1997, p. 163–167.
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Ferdinand Sommer, *4. Mai 1875 (Trier) – † 3. Juni 1962 (München) verbrachte seine Schulzeit von 1884–1893 in Kassel und schloss am örtlichen humanistischen Gymnasium seine schulische Ausbildung mit dem Abitur ab. Sein Vater, von Beruf Rechnungsrat, legte viel Wert auf eine umfassende Bildung seines Sohnes, insbesondere auf fundierte Lateinkenntnisse. Das Studium nahm Sommer zunächst in Marburg auf, wechselte aber später an die Universität Freiburg im Breisgau und promovierte dort 1896 bei Rudolf Thurneysen mit einer Arbeit über das „infigierte Personalpronomen im Altirischen.“435 Sommer vertiefte seine indogermanistischen Studien anschließend bei Karl Brugmann436 in Leipzig und widmete sich in den nächsten Jahren intensiv der Erforschung und detaillierten Beschreibung der lateinischen Sprachgeschichte. Sommer habilitierte sich im Jahre 1899, im Alter von nur 24 Jahren, bei Karl Brugmann mit der Arbeit „Die Komparationssufixe im Lateinischen.“ Intensiv setzte Sommer aber auch weiterhin seine Lateinisch-indogermanischen Studien fort und veröffentlichte 1902 das „Handbuch der lateinischen Laut- und Formenlehre“, 437 ein umfangreiches und grundlegendes Kompendium der lateinischen Sprache, das bis heute ein Standardwerk der Indogermanistik wie der Latinistik darstellt. Dieses Opus magnum zeigte bereits, was Sommer auch in all seinen späteren Arbeiten auszeichnete, nämlich die sichere und grundlegende philologische Beherrschung des Materials sowie die scharfe Trennung von Gesichertem auf der einen und Möglichem oder Wahrscheinlichem auf der anderen Seite in der wissenschaftlichen Analyse des Sprachmaterials. Dieses bleibende und äußerst fundierte Werk des jungen Sommer gab den Ausschlag, dass er bereits im Alter von 27 Jahren auf das Ordinariat für Indogermanistik nach Basel berufen wurde. Dort legte man auf eine enge Verbindung von Indogermanistik und Klassischer Philologie traditionell großen Wert. 1905 begann Sommer in Basel mit der grundlegenden Untersuchung der griechischen Sprachgeschichte, die u.a. umfassend die Wirkung des geschwundenen inlautenden /-s/ auf den Anlaut, die Besonderheiten des
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Die Arbeit wurde in Zeitschrift für Celtische Philologie, Bd. 1, 1897, p. 177–231 mit dem Titel: Zur Lehre vom Pronomen personale infixum in altirischen Glossen gedruckt. *16. März 1849 (Wiesbaden) – †29. Juni 1919 (Leipzig). Dieser Titel ist 1977 (Heidelberg) in vierter Auflage erschienen. Die zweite und dritte Auflage erschien 1914 in Heidelberg und wurde von Sommer überarbeitet.
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homerischen Griechisch sowie die wichtigen Analysen zur griechischen Poesie umfassten.438 Im Jahre 1909 wurde Sommer nach Rostock und vier Jahre später nach Jena berufen, bevor er mit einer kurzen Zwischenstation in Bonn (1924) im Jahre 1926 nach München wechselte, wo er dann bis zu seinem Lebensende wirken sollte. 1912 befasste sich Sommer mit dem Germanischen und hier insbesondere mit der gotischen Syntax und etymologischen Studien zur germanischen Wortgeschichte. 439 1914 veröffentlichte Sommer sein Werk zur baltischen Nominalbildung,440 das bis heute – trotz der wissenschaftlichen Fortschritte der zurückliegenden Jahrzehnte – nicht ersetzt worden ist. 1916 legte Sommer eine weitere fundamentale Publikation zu einem weiteren Zweig der indogermanischen Sprachfamilie vor. Die Untersuchung der Feminina der uund i- Stämme im Vedischen und Altiranischen, in der Sommer die genaue Kenntnis der Quellen nachweist und eine genaue und umfassende Methodik der vergleichenden indogermanischen Sprachwissenschaft zur Anwendung bringt. In nur 14 Jahren hatte Sommer in bedeutenden Sprachkreisen der damaligen Indogermanistik Arbeiten von großer wissenschaftlicher Tragweite verfasst, die über viele Jahrzehnte – und teilweise bis heute, von übergeordenter Bedeutung waren. Arbeiten zum Slawischen, zum Armenischen und zum Venetischen441 runden sein sprachvergleichendes Gesamtwerk ab. Als Bed√ich HroznŸ 1917 das Hethitische entschlüsselte und erneut den indogermanischen Charakter herausarbeitete442, war Sommer, wie viele seiner indogermanistischen Zeitgenossen zunächst skeptisch, was diese Klassifizierung betraf. Geradezu typisch für Sommer war sein Bemühen um eine eigene Beurteilung der Fakten, vor allem der schriftlichen Quellen und so beschloss er, sich in die Keilschrift, das Assyrische wie auch das Hethitische einzuarbeiten, um die Überlieferung kritisch beurteilen zu 438 439 440 441 442
F. Sommer, Griechische Lehrstudien, Straßburg 1905. Siehe F. Sommer, PBB 37, 1912, p. 481–49; Die syntaktische Function von sa qimanda und sa qimands. Die indogermanischen iå- und io- Stämme im Baltischen, Leipzig 1914. Vgl. Zur venetischen Schrift und Sprache in: Indogermanische Forschungen, Bd. 42, 1924, p. 90–132. J. Knudtzon hatte bereits 1902 anhand der Amarna-Tafeln den indogermanischen Charakter erkannt. Allerdings „widerrief“ er diese Erkenntnis, als ihn die meisten Indogermanisten jener Zeit deswegen attackierten. Erst seit der Entdeckung ˆattuças 1906 durch H. Winckler und der damit einhergehenden zahlreichen Tafelfunde war es überhaupt möglich, den indogermansichen Charakter des Hethitischen auf einer breiteren Materialbasis abzusichern.
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ten, um die Überlieferung kritisch beurteilen zu können. Dabei half ihm zunächst der Assyriologe Arthur Ungnad443 und führte ihn ab 1918 in das Assyrische und in die Keilschrift ein. 1920 publizierte Sommer mit „Hethitisches“444 seine erste Veröffentlichung auf dem Gebiete der Hethitologie und übte bereits in dieser Arbeit in zum Teil scharfen Formulierungen Kritik an der bisher durch HroznŸ und Forrer angewandten Methodik, die sich nach seiner Auffassung all zu schnell der Etymologie und dem Anklang an Indogermanisches hingab. Sommer forderte zunächst eine Deutung des Hethitischen aus sich selbst heraus und forderte die Forschergemeinde auf, auf der Basis penibler philologischer Forschungen – unter Ausschaltung der etymologischen Methode – vorzugehen. Für die Anerkennung der Hethitologie in benachbarten Wissenschaften, vor allem der Indogermanistik war dieses Bändchen von großer Bedeutung. Denn die Bestätigung Sommers, dass das Hethitische tatsächlich zur indogermansichen Sprachfamilie gehörte und das HroznŸ dies richtig erkannt und begründet hatte, beendete die erneut aufkommende Diskussion hinsichtlich der Einordnung des Hethitischen bei einem Teil der nach wie vor skeptischen Indogermanisten. Die Autorität und das fachliche Gewicht Sommers verhalfen den Ergebnissen HroznŸs entscheidend schneller zum Durchbruch. Für Sommer typisch scheint auch die strenge und bisweilen auch verletzende Art gewesen zu sein, mit der er tatsächliche oder auch nur vermeintliche Schwächen und Unzulänglichkeiten seiner Mitforscher ins Visier nahm. Von 1921 an wurde Hans Ehelolf Sommers wichtigster keilschriftlicher Berater, den Sommer selbst als seinen „selbstlosen und aufopfernden Freund“ bezeichnete. Sommer hatte auch über diese freundschaftliche Verbindung zu Ehelolf stets einen direkten Draht zu den in Berlin aufbewahrten Keilschrifttafeln und zu der Edition der Texte in den autographierten Ausgaben von KBo und KUB. Dies zeigt sich in den zahlreichen Rezensionen der Editionsbände, die Sommer verfasste. Sommer betrieb in den Zwanziger und Dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts intensive hethitologische Studien und prägte die junge Disziplin entscheidend mit. 1924 veröffentlichte er zusammen mit Hans Ehelolf „Das hethtitische Ritual des Påpanikri von Komana“, das für nachfolgenden Textbearbeitungen in der Hethitologie Vorbild wurde. 445 Neben der Umschrift und der Übersetzung wurde ein philologischer Kommentar sowie ein vollständiges Wörterverzeichnis mitgegeben. 443 444 445
*1880 (Magdeburg) – †1945 (Berlin). Boghazköi-Sudien, Bd. 4, 1920. Boghazköi-Studien, Bd. 10, 1924.
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In der ab 1924 einsetzenden AΔΔijawa-Diskussion, die neben der Erwähnung der Griechen in den hethitischen Texten vor allem auch die Nennung des mykenischen Festlandes in den Texten postulierte, schaltete sich Sommer erst ab 1926 ein und war von da an der wichtigste Vertreter der Gegenposition. Von 1924–1926 trat Sommer das Ordinariat an der Universität Bonn an. Am 1. April 1926 übernahm er die Professur für Indogermansiche Sprachwissenschaft in München. 1932 bearbeitete Sommer umfassend das gesamte einschlägige Textmaterial zu dieser Frage und publizierte seine ablehnenden Ergebnisse in der Monographie „Die AΔΔijava-Urkunden“446 und legte 1934 mit „AΔΔijavafrage und Sprachwissenschaft“ 447 eine weitere – vor allem auf sprachwissenschaftliche Argumente fußende – ablehnende Behandlung der Frage vor. Auf dem Gebiete der Altanatolischen Sprachen hat sich Sommer fast ausschließlich auf das Hethitische beschränkt. Nur das Lydische erregte noch Sommers Forschungsinteresse und so publizierte er zusammen mit Paul Kahle448 1927 eine lydisch-aramäische Bilingue, die den Schlüssel zur weiteren Erforschung des Lydischen darstellte. 449 Zusammen mit Ehelolf begründete Sommer 1927 die Zeitschrift Kleinasiatische Forschungen, um eine Bündelung der Publikationen hethitologischer und verwandter Wissenschaften zu schaffen. Dieses vorbildliche Vorhaben, das auch Sommers Verdienste um die Ordnung der Strukturen des Faches verdeutlicht, ist leider nach dem Erscheinen von nur drei Heften (1927–1930) aus finanziellen Gründen eingestellt worden. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es sieben Jahre früher erneut Forrer war, der die Idee einer neuen Zeitschrift, in der die Ergebnisse der Disziplin gebündelt veröffentlicht werden sollten, ins Spiel brachte. So weit feststellbar, ist es aber bei der Idee geblieben und zu keiner konkreten Umsetzung gekommen. Trotz seiner intensiven Beschäftigung mit dem Hethitischen ab 1920 verfasste Sommer einige didaktisch wertvolle Lehrbücher für die Klassische Philologie und Indogermanistik gleichermaßen, lag ihm doch diese pädagogische Aufgabe der Nutzbarmachung sprachwissenschaftlicher Ergebnisse für den Unterricht stets am Herzen. 450 Die meisten dieser Werke 446 447 448 449 450
Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Abteilung, Neue Folge 2. Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Abteilung, Neue Folge 9. *1875 – †1964. Kleinasiatische Forschungen, Bd. 1.1, 1927, p. 18–86, Die lydisch-aramäische Bilinguis. Leipzig 1917, Sprachgeschichtliche Erläuterungen für den Griechischunterricht; Leipzig 1921; Vergleichende Syntax der Schulsprachen (Deutsch, Englisch, Fran-
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haben inzwischen mehrere Auflagen erfahren und sind auch heute noch fester Bestandteil des akademischen Unterrichts. Seine Qualitäten als akademischer Lehrer werden von vielen Schülern in den Nachrufen lobend erwähnt und so verwundert es nicht, dass Sommer eine Reihe von bekannten Indogermanisten bzw. Hethitologen ausgebildet hat. Beispielhaft seien hier Albert Debrunner oder Annelies Kammenhuber genannt. Zusammen mit Adam Falkenstein, 451 der nach dem Tode Ehelolfs 1939 Sommers Ratgeber in Sachen Keilschrift wurde, publizierte Sommer mit der Monographie „Die hethitisch-akkadische Bilingue des ˆattuçili I.“ eine weitere umfangreiche und fundierte Untersuchung zu einem bedeutenden Text. Damit setzte er auch die Reihe der von ihm und Ehelolf begonnenen Gemeinschaftsarbeiten erfolgreich fort. Es überrascht nicht, dass Sommer 1947 mit „Hethiter und Hethitisch“452 den damaligen Stand der hethitologischen Forschung zusammenfassend und verständlich für den Einstieg in diese Themen publizierte und für den akademischen Unterricht ein weiteres unentbehrliches Werk schuf. Persönlich wurde Sommer durch den Verlust seiner umfangreichen Materialsammlungen getroffen, als durch die Zerstörung seiner Wohnung im Zweiten Weltkrieg auch seine private Bibliothek vernichtet wurde. Die ausgelagerte Seminarbibliothek des Münchener Institutes wurde kurz vor Kriegsende ebenfalls völlig vernichtet, so dass Sommer kaum über wissenschaftliche Hilfsmittel verfügte, als er sich an die Abfassung von „Hethiter und Hethitisch“ machte. Die letzten Lebensjahre widmete sich Sommer der Erforschung der homerischen Überlieferung und den Feinheiten der homerischen Sprache. Am 3. Juni 1962 starb Ferdinand Sommer in München. Ferdinand Sommers Verdienst um die methodischen Grundlagen der Hethitologie sind von allen Hethtitologen der ersten Forschergeneration anerkannt und gewürdigt worden. Seine Maxime, dass der Sprachforscher einen Text für seine Zwecke erst benutzen kann, wenn dieser philologisch gesichert und interpretiert ist, hat die junge Disziplin von den Kinderkrankheiten der allzu großzügigen etymologischen Deutung befreit. Dass Sommer dabei des Öfteren in seiner Kritik den Boden der Sachlichkeit und der Angemessenheit überschritt, ist wohl der Tatsache geschuldet, dass er
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zösisch, Lateinisch, Griechisch); Leipzig 1920 Lateinische Schulgrammatik mit sprachwissenschaftlichen Erläuterungen. Assyriologe und Sumerologe *17. September 1906 – †16. Oktober 1966. Stuttgart 1947.
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an sich selbst und an andere strengste Maßstäbe anlegte, wie Schüler und Zeitgenossen in den Nachrufen immer wieder bezeugen. 453 Mary Hamilton Swindler, *1884 (Bloomington) – †1967, studierte an der Indiana University Klassische Sprachen und Klassische Archäologie. 1912 promovierte sie am Bryn-Mawr College in Pennsylvania, wo die meiste Zeit ihres Lebens tätig blieb. Sie gründete dort auch das erlesene Museum, in welchem noch heute eine beeindruckende Sammlung klassischer Artefakte zu sehen ist. Sie galt als eine ausgewiesene Expertin für die ägäische Antike und widmete ihre Forscherkraft ganz diesem spannenden und umfangreichen Thema. Im Jahre 1931 wurde Mary Swindler Professorin für Klassische Archäologie am Bryn-Mawr-College und koordinierte seit dieser Zeit auch die archäologischen Unternehmungen des Colleges. Von 1932–1946 war sie die verantwortliche Herausgeberin des American Journal of Archaeolgy. Albert Joseph Gustav Thumb, *18. Mai 1865 (Freiburg) – † 14. August 1915 (Freiburg) studierte vom Wintersemester 1884/1885 bis Ende des Wintersemesters 1885/1886 ebenda bei Karl Brugmann. Im SS 1886 ging er nach Heidelberg, wo er im wesentlichen Indogermanische Sprachwissenschaft bei Hermann Osthoff hörte, und wechselte zum WS 1886/1887 für zwei Semester nach Leipzig, wo er wiederum bei Karl Brugmann studierte. 1888 erfolgte die Promotion in Vergleichender Sprachwissenschaft und Klassischer Philologie bei Rudolf Thurneysen in Freiburg im Breisgau. Im Sommer 1889 ging er ans Berliner Seminar für Orientalische Sprachen, um Neugriechisch zu lernen. Im Februar 1889 legte er in Karlsruhe das Staatsexamen in Klassischer Philologie ab. Darüber hinaus machte er Sprachstudien, deren Ergebnisse in sein „Handbuch der neugriechischen Volkssprache“ ebenso einflossen wie in die Habilitationsschrift und den Habilitationsvortrag, die er nach der Rückkehr nach Deutschland im Juli 1890 verfertigte. Der Griechenlandreise folgte ein Praktikum als Mittelschullehrer an einem Freiburger Gymnasium und die Habilitation (1891) in den Fächern Vergleichende Sprachwissenschaft und neugriechische Sprache. Ab 1891 lehrte er zunächst als Privatdozent und später als außerordentlicher Professor (ab 1895) Sprachwissenschaft und Neugriechisch an 453
Siehe auch Archiv für Orientforschung, Bd. 20, 1963, p. 299f., Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 114, 1964, p. 13–15, Gnomon, Bd. 34, 1962, p. 844–847, Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1962, p. 179–185, Münchener Studien zur Sprachwissenschaft, Beiheft 1, Neue Folge, Ferdinand Sommer, Schriften aus dem Nachlaß, 1977, hrsg. von B. Forssman, p. 333–339.
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der Universität Freiburg und war darüber hinaus bis 1901 als Gymnasiallehrer tätig. Im Jahr 1901 wurde Thumb außerordentlicher Professor in Marburg; zum Wintersemester 1909/1910 folgte er einem Ruf auf die Professur für Vergleichende Sprachwissenschaft an der Kaiser-WilhelmsUniversität Straßburg Michael George Francis Ventris, *12. Juli 1922 – †6. September 1956 war englischer Architekt und Sprachwissenschaftler. Mit Beginn seiner Schulzeit ging er in die Schweiz, wo er schon bald fließend Französich und Deutsch sprach. Mit sechs Jahren brachte er sich selbst Polnisch bei. Wie seinerzeit Champollion entwickelte auch er eine Vorliebe für alte Sprachen. Mit sieben Jahren arbeitete er ein Buch über Hieroglyphen durch, das auf Deutsch verfasst war. Später hörte er einen Vortrag von Evans über die Inschriften in Linear B und er schwor sich, diese Sprache zu entziffern. Ventris gelang es 1952, zusammen mit John Chadwick, die Inschriften in Linear B zu entziffern, und er stellte dabei fest, dass die damit aufgezeichnete Sprache der älteste bekannte griechische Dialekt war. Im Alter von nur 34 Jahren starb Michael Ventris am 6. September 1956 an den Folgen eines Verkehrsunfalles. Charles Virolleaud, *2. Juli 1879 – †17. Dezember 1968 studierte in Paris und war im Jahr 1900 Mitbegründer der Zeitschrift Babyloniaca. 1906 wurde er Direktor der Archäologischen Abteilung des französischen Kommissariats in Syrien und Libanon mit Sitz in Beirut und war von 1918 bis 1928 Direktor an der École Pratique des Hautes-Études in Paris. Virolleaud war in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts maßgeblich an der Erforschung des Ugaritischen beteiligt. Arnold Friedrich Walther, *31. Mai 1880 (Hamburg) – †18. Mai 1938 (Chicago) studierte von 1899 bis 1903 Theologie und semitische Sprachen an den Universitäten Halle, Rostock und Marburg. Walther arbeitete zunächst ab 1906 als Hilfsprediger in Hamburg. Er kehrte aber an die Universität zurück und promovierte bei Heinrich Zimmern in Leipzig über das altbabylonische Gerichtswesen. In den Jahren von 1914 bis 1918 war Walther Kriegsteilnehmer. Nach seiner Rückkehr ins Zivilleben wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Vorderasiatischen Abteilung der Berliner Museen. Durch seine Akribie und Genauigkeit bei der Herstellung von Keilschriftautographien machte sich Walther schnell einen Namen. Im Jahre 1930 wechselte Walther an das Oriental Institute der Universität Chicago und wurde zunächst Editorial Assistant des Chicago Assyrian Dictionary. Seit dem 2. Juni 1932 war Walther Associate Professor for Hittite und in dieser Position direkter Nachfolger Forrers. Kurz vor seinem 58.
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Geburtstag verstarb Walther in Chicago. Er wurde in seiner Wohnung – tot an seinem Schreibtisch sitzend – aufgefunden. 454 Otto Weber,*1877– † 1928.455 Otto Weber studierte bei Fritz Hommel in München Assyriologie und semitische Sprachen und fokussierte sein wissenschaftliches Interesse zunächst auf altsüdarabische Inschriften. Nach seinem Studium war Weber in Landshut (Bayern) als Museumsbeamter tätig. Als im Jahre 1911 die Vorbereitungen auf die Neubesetzung der Kustodenstelle der Vorderasiatischen Abteilung der Berliner Museen begannen (Nachfolge Leopold Messerschmidt) und eine Kandidatenliste aufgestellt wurde, war recht schnell auch Otto Weber im Gespräch. Weber, der zu den engeren Freunden Hugo Wincklers zählte und, wie dieser, der damals verbreiteten Idee des Pan-Babylonismus456 anhing, hatte sich bereits mit einigen fundierten Arbeiten einen tadellosen Ruf geschaffen. Im damaligen Bibel-Babel-Streit hatte er im Jahre 1904 mit der Arbeit „Theologie und Assyriologie im Streite um Babel und Bibel“ 457 in die Diskussion eingegriffen und dabei gegen Friedrich Delitzsch Stellung bezogen, der der führende Vertreter dieser Disputation war. Dies schadete ihm aber nicht, da Friedrich Delitzsch im Zuge des weiteren Berufungsverfahrens zur Besetzung der Kustodenstelle nichts gegen Weber als Nachfolger Messerschmidts einzuwenden hatte, sondern sich – im Gegenteil – sogar für ihn aussprach. Denn Webers Werk über die „Literatur der Babylonier und Assyrer“458, das nach Ansicht der zeitgenössischen Kritik ein verdienstvolles und umfassendes Werk darstellte, wies ihn als sachkundigen Assyriologen aus. In der Reihe „Der alte Orient“, hatte Weber einige Arbeiten publiziert, die durch ihren umfassenden Ansatz und durch ihre allgemeinverständliche Diktion Resultate assyriologischer Forschungen einem breiten Publikum nahe brachten. Auch seine bis dahin erworbenen beruflichen Erfahrungen, die er ja bereits im Museumsdienst gemacht hatte, qualifi454 455 456
457 458
Siehe auch Archiv für Orientforschung, Bd. 13, 1939, p. 311. Vgl. Nicola Crüsemann, Vom Zweistromland zum Kupfergraben. Jahrbuch der Berliner Museen, 42. Bd., 2000, p. 171ff. Der Satz „was in der Bibel steht, das wurde zuvor bereits in Babylon erzählt“ war die Losung des sogenannten „Bibel-Babel Streites“ oder des „Panbabylonismus“ der zu Beginn des 20. Jahrhunderts die alttestamentliche Forschung wie auch die Altorientalistik prägte. Führende Vertreter der Altorientalistik, vor allem F. Delitzsch und H. Winckler versuchten, die Entstehung der Bibel allein aus der babylonischen Literatur zu erklären und lösten damit eine sehr kontrovers geführte Diskussion aus. O.Weber, 1904, Leipzig. O. Weber, Die Literatur der Babylonier und Assyrer, Leipzig 1907.
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zierten ihn zusätzlich für die Kustodenstelle im Berliner Museum. Er war in Berlin bereits bekannt und geschätzt, als er zur Berufung anstand. Die offizielle Ernennung Webers zum Kustos der Vorderasiatischen Abteilung erfolgte am 1. April 1912 unter gleichzeitiger Verleihung des Professorentitels. Dies war eine Neuerung gegenüber seinem Vorgänger und stärkte insgesamt die Position des Kustos im Berliner Museumsbetrieb. Einer der ersten Aufgaben, der sich Weber in seiner neuen Funktion widmen musste, war die Begleitung des Museumsneubaus, dessen Planungen und Ausbau damals energisch vorangetrieben wurden. Weber war praktisch vom ersten Tage an intensiv mit den Planungen befasst. Dabei kam es zu einer kongruenten und scheinbar auch fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Walter Andrae, dem Mitausgräber Babylons und Assurs. Alsbald war Weber ein wertgeschätzter Kollege im Museumsbetrieb und so schrieb Bruno Güterbock, Schriftführer der Deutschen Orientgesellschaft im Jahre 1913 an Robert Koldewey: „... jedenfalls hat er vor den reinen Buchgelehrten, die sonst alle Assyriologen sind, eine große Liebe für die Sachen, für die Altertümer voraus. In dieser Beziehung und auch in manch anderen, halte ich ihn für besser noch als seinen Vorgän459 ger Messerschmidt.“
Durch sein geschicktes Verhalten gelang es ihm, auch das Interesse Bodes für die Angelegenheiten der Vorderasiatischen Abteilung zu wecken, so dass er von ihm schließlich die Möglichkeit in Aussicht gestellt bekam, eine Expedition nach Boghazköi unternehmen zu können. Vom 24. Mai bis zum 28. Juni 1913 reiste Weber in die Türkei und hielt sich in Konstantinopel auf, um bessere und persönlichere Beziehungen zum dortigen Königlich-Ottomanischen Museum zu knüpfen. Diese Verbindungen sollten sich in lohnender Weise für die Vorderasiatische Abteilung auszahlen. Er erreichte in direkten Verhandlungen mit Halil Bey, seinem Direktoriumskollegen in Istanbul, eine der wohl wertvollsten Leistungen seines Lebens. Zum einen erhielt er die Zusage, dass die Ruinenstätte der Hethiterhauptstadt für ein eventuelles deutsches Unternehmen wieder freigegeben wird und zum anderen konnte er in den Verhandlungen erwirken, dass die bunten und heute weltbekannten Glasziegel des Ishtar-Tores aus der Grabung in Babylon direkt nach Berlin gesandt wurden. Auch im Zusammenhang mit den hethitischen Tontafeln, die sich im Museum zu Konstantinopel befanden, konnte sich Weber – in Fortsetzung dieser Reise – 1915 durchsetzen und vertraglich vereinbaren, dass die Tafeln zur Aufarbeitung und Restaurierung zukünftig nach Berlin geschickt 459
Siehe N. Crüsemann, 2000, Vom Zweistromland zum Kupfergraben. Jahrbuch der Berliner Museen, 42. Bd., 2000, p. 172.
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wurden. Schon im Januar 1916 trafen die ersten Kisten in Berlin ein, weitere Sendungen erfolgten 1917. Er schuf damit die Grundlage für die schon wenige Jahre später bedeutende Rolle Berlins als Hauptstadt der Hethitologie. Seine weiteren Bemühungen um die Hethiter sowie der Publikation der Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet trugen dazu bei, dass der Hethitologie ein sicheres Fundament geschaffen wurde. Weber initiierte zahlreiche Reihen, die sich mit den Boghazköi-Tafeln befassten. Bereits Ende 1916 (also nur knapp zehn Monate nach dem Eintreffen der ersten Kisten mit Keilschrifttafeln) erschienen die beiden ersten Hefte der Reihe Keilschrifttexte aus Boghazköi (KBo), als deren Herausgeber die DOG auftrat. Die Initiative und der Motor dieser Reihe war jedoch fraglos Otto Weber. Hinzu kamen ab 1917 die Reihen Boghazköi-Studien (BoSt), die vornehmlich der Auswertung einzelner Fragestellungen dienten, sowie ab 1921 die Keilschrifturkunden aus Boghazköi (KUB) in denen Keilschrifttexte autographiert publiziert wurden. Die unterschiedlichen Interessen und Schwerpunkte in der fachlichen Ausrichtung Delitzschs auf der einen und Webers auf der anderen Seite führten zur offiziellen Teilung der Vorderasiatischen Abteilung am 24. April 1916. Während Delitzsch nun die von ihm ausschließlich betreuten babylonisch-assyrischen Objekte des Museums übernahm, beschränkte sich Weber auf die hethitischen Fundstücke. Beide erhielten den Titel eines Direktors. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Ausscheiden von Delitzsch aus den Ämtern und Funktionen des Museums wurde Otto Weber am 30. September 1918 der erste hauptamtliche Direktor der Vorderasiatischen Abteilung. Bis zu seinem plötzlichen Tode im Jahre 1928, der im Urlaub ereilte, blieb Weber die treibende Kraft für die Boghazköi betreffenden Fragen und Projekte im Museum.460 Wilhelm Weber, *1882 – † 1948, Prof. für Alte Geschichte. Nach dem Abschluss des Gymnasiums in Heidelberg studierte Weber klassische Philologie und Geschichte in der Universität Heidelberg. 1907 promovierte er an der Universität Heidelberg mit der Dissertation „Die Adoption Kaiser Hadrians.“ Danach war er als Lehrer an Gymnasien in Heidelberg und Rastatt tätig. 1908/09 war er Stipendiat des Deutschen Archäologischen Instituts und reiste nach Italien, Griechenland, Kleinasien, Syrien, Palästina, Ägypten und Spanien. 1911 besuchte er Spanien, später führten ihn Studienreisen nach Frankreich, in die Niederlande, nach Belgien und mehr460
Siehe auch Archiv für Orientforschung, Bd. 5, 1928/29, p. 40.
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fach nach Italien, den Balkan und Kleinasien. Nach der Rückkehr von seiner Spanienreise habilitierte sich Weber für das Fach Alte Geschichte mit der Arbeit „Zwei Untersuchungen zur Geschichte ägyptisch-griechischer Religion.“ 1912 erhielt er den Ruf auf ein Ordinariat für Alte Geschichte an der Universität Groningen (Niederlande). 1915 meldete er sich als Freiwilliger zum Dienst im deutschen Heer, beim Kriegseinsatz in Litauen infizierte er sich mit Tuberkolose und wurde mit bleibenden Schäden entlassen. Seit 1916 lehrte er als besoldeter Extraordinarius in Frankfurt am Main. 1918 wurde er auf ein Ordinariat an der Universität Tübingen berufen. 1925 wechselte er nach Halle, 1931 an die Universität Berlin. 1946 wurde Weber emeritiert. Weber galt als Althistoriker von Rang. Er veröffentlichte zu ägyptisch-griechischen Terrakotten (1911/14), zu Josephus und Vespasian und zur „Staatenwelt in der Frühzeit des Griechentums“ (1925) sowie zur römischen Geschichte. In seinen Arbeiten ersetzte Weber jedoch wissenschaftliche Analyse häufig durch aktuell determinierte Deutung und bediente sich allzu oft gewalttätiger Schicksals- und Wesensrhetorik. Seit 1917 engagierte er sich als Redner für die Vaterlandspartei, in Universitätsreden profilierte sich Weber nach 1918 als Anhänger der einstigen Staatsform (Antrittsvorlesung „Zur Geschichte der Monarchie“, 1919) und formulierte die Sehnsucht nach einem neuen Führer: „Wünschen wir uns und unserem Reich, dass der Erlauchte bald kommt!“ Geradezu folgerichtig erscheint, dass Weber, mehr als andere Althistoriker, dem nationalsozialistischen Führerkult huldigte. Seine Biografie des Kaisers Augustus („Princeps – Studien zur Geschichte des Augustus“, 1935) geriet so zum Ausdruck eines ideologischen Programms vom Weltherrscher als Friedens- und Glücksbringer. 461 Ernst Weidner, *7. Oktober 1891 (Pasewalk) – †8. Februar 1976 (Graz) gehörte wie Forrer, Lewy und Andere zur großen Pioniergeneration der deutschen Assyriologie. Er war Schüler von Delitzsch und zeigte schon früh seine Meisterschaft im Kopieren von Keilschrifttexten. Zusammen mit H. Figulla autographierte er den ersten Band der Keilschrifturkunden aus Boghazköi. Bis 1915, da war Weidner gerade 24 Jahre, hatte er auch bereits vier Buchpublikationen vorgelegt. Weidners Arbeiten waren stets von großer Qualität und erreichten einen besonderen Wert für die altorientalische Forschung, man ist versucht zu sagen, Weidner schuf „Klassiker“. In erster
461
Siehe auch: Weber, Biographisches Lexikon zur Geschichtswissenschaft, S. 644; Burkhard Meissner, Forschung, Lehre und Organisation des Lehrstuhles für Alte Geschichte der Universität Halle im 20. Jahrhundert: Profilsuche zwischen Orient und Abendland, Mangel und Fluktuation. In: Rupieper, Beiträge, S. 233 ff.
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Linie sind hier zu nennen „Politische Dokumente aus Kleinasien“462, die „Inschriften der altassyrischen Könige“463 und „Die Bibliothek Tiglatpilesars I.“464 Trotz mehrfacher Aufforderung Meissners, sich zu habilitieren, hat dies Weidner immer abgelehnt. Statt dessen arbeitet er bis Ende 1942 als Journalist in Berlin und gründete die bis heute angesehene Fachzeitschrift Archiv für Orientforschung, die er in Forrerscher Manier im Selbstverlag erscheinen ließ. Am 1. Januar 1943 wurde Weidner Ordinarius für Assyriologie in Graz. Weidners umfangreiches Wirken als Journalist, Herausgeber, Forscher und Lehrer brachte ihm den größten Respekt seiner Fachkollegen ein. 1934 erhielt Weidner die Leibniz-Medaille der Preußischen Akademie der Wissenschaften und wurde 1955 korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.465 Theodor Wiegand, *30. Oktober 1864 (Bendorf) – † 19. Dezember 1936 (Berlin) wurde als ältester Sohn des Arztes Konrad Wiegand und dessen Frau Ida geboren. Nachdem er das Abitur in Kassel abgelegt hatte, studierte er klassische Archäologie und Altertumswissenschaften an den Universitäten von München, Berlin und Freiburg. Während seiner Studienzeit in München wurde er Mitglied in der Studentenverbindung Corps Suevia. 1893 promovierte Wiegand in Freiburg mit einer Arbeit über eine Bauinschrift von Puteoli. 1894 begab er sich nach Athen, wo er sich unter Wilhelm Dörpfeld an den Grabungen auf der Akropolis beteiligte. 1895 ging er als Stipendiat des Deutschen Archäologischen Institutes und Assistent des Archäologen und Architekten Carl Humann nach Priene, an der kleinasiatisch – ionischen Küste. Als jener nach drei Wochen erkrankte, führte er die Grabungskampagne fort. Nach Humanns Tod 1896 wurde er zu dessen Nachfolger als Ausgrabungsleiter in Priene und als Direktor der Berliner Museen mit Sitz in Smyrna ernannt. Nachdem er 1899 die Freilegung Prienes, das wegen der Geschlossenheit der Stadtanlage und des guten Erhaltungszustandes der Häusergrundrisse auch das „griechische Pompeji“ genannt wird, erfolgreich abgeschlossen hatte, grub er von 1899 bis 1911 die antike Weltstadt und Handelsmetropole Milet aus. Hier waren bedeutende Vorarbeiten zu leisten, da der Grabungsplatz besiedelt war und das sumpfige Gelände erst trocken gelegt werden musste. Die Hoffnung Wiegands, die archaische Stadt, das Milet der Naturphilosophen Thales und Anaximander wiederzufinden, das 494 v. Chr. während des Ionischen Aufstandes durch die Perser 462 463 464 465
1923 1926 1953 Siehe auch Archiv für Orientforschung, Bd. 25, 1975–77, p. 351f.
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zerstört worden war, sollte sich nur bedingt erfüllen. Stattdessen stieß er auf die hellenistisch-römische Schicht mit ihren prächtigen Repräsentationsbauten, darunter das berühmte Markttor von Milet, heute eines der Hauptwerke des Berliner Pergamonmuseums. Weitere Ausgrabungen fanden in Didyma (1905–1911) und auf Samos (1910–1911) statt. Wiegands letzte Grabung war 1927 die Wiederaufnahme der Untersuchung von Pergamon, wo er die Arsenale auf der Burg entdeckte und das vor der Stadt gelegene Heiligtum des Asklepios freilegte. Am 14. Januar 1900 heiratete er die Tochter des Bankiers Georg von Siemens, Marie von Siemens, mit der er zwei Söhne hatte. Theodor Wiegand war von 1899 bis 1911 auswärtiger Direktor der Berliner Museen in Konstantinopel und darüber hinaus wissenschaftlicher Attaché bei der deutschen Botschaft in Konstantinopel. Als somit diplomatischer Arm der Museen vertrat er die archäologischen Interessen Deutschlands im Osmanischen Reich und koordinierte die immer umfangreicheren deutschen Grabungen im Orient, u.a. auch in Mesopotamien. 1917–1918 war Wiegand u.a. für den Abschluss der 1898 nach dem dortigen Besuch von Kaiser Wilhelm II. begonnenen deutschen Grabungsaktivitäten in Baalbek im Libanon verantwortlich, deren Ergebnisse er 1921 bis 1924 in einem dreibändigen Werk im Verlagshaus de Gruyter publizierte. Von 1912 bis 1930 war Wiegand Direktor der Antikenabteilung der Museen in Berlin. Hierbei war er für den Aufbau und vor allem die Einrichtung des Pergamonmuseums auf der Berliner Museumsinsel zuständig. 1916 hat er die Thronende Göttin aus Tarent für die Berliner Museen erworben und 1925 die hocharchaische Berliner Göttin aus Keratea, Attika. 1923 wurde Wiegand in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. 1935 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Bendorf ernannt. Von 1932 bis 1936 war er Präsident des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches. In dieser Funktion hat er während des „Dritten Reiches“ die ideologische Einflussnahme seitens der Nationalsozialisten (Amt Rosenberg) auf die Klassische Archäologie verhindert. Im Streit um die Ausdehnung der Befugnisse des neugegründeten Reichsinstituts für Vorund Frühgeschichte, das eigene Außenstellen in Rom und Athen anstrebte, war Theodor Wiegand die entscheidende Persönlichkeit, die sich dem Institusgründer Hans Reinerth, einem überzeugten Nationalsozialisten, entgegenstellten.466 466
Eine ausführliche Biografie Wiegands schrieb C. Watzinger Theodor Wiegand, ein deutscher Archäologe 1864–1936, München 1944. Wiegands Sohn gab 1970 Briefe und Reiseberichte über seines Vaters Zeit in der Türkei heraus, die unter dem Titel Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 – 1918 erschienen sind. Siehe auch die
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Hugo Winckler, *4. Juli 1863 (Gräfenhainichen) – †19. April 1913 (Berlin). Winckler gehörte zur ersten Generation der Schüler Eberhard Schraders und promovierte 1886 in Berlin. Im gleichen Jahr gründete er dort mit Felix Peiser die Vorderasiatische Gesellschaft. Sein Interesse galt der Rekonstruktion der altorientalischen Geschichte und damit der Erschließung der Quellen für diese historischen Forschungen. Mit großer Hartnäckigkeit verfolgte er auch das Ziel in Boghazköi Grabungen durchzuführen, da er dort Texte aus der Armana-Zeit vermutete. Im Jahre 1906 war er am Ziel und nach einer langen und mühsamen Reise holte er in einer ersten Grabung viele Tontafeln aus der Erde und identifizierte die Hauptstadt des hethitischen Reiches. Die Grabungen, die 1907 und 1912 fortgeführt wurden, erbrachten insgesamt an die zehntausend Keilschrifttafeln nebst Bruchstücken.467 Der gesundheitlich angeschlagene Winckler erkrankte während seiner anstrengenden zweiten Kampagne in Boghazköi schwer und erholte sich nicht mehr von dieser Erkrankung. Noch bevor einen umfassenden und abschließenden Bericht zu seiner Grabungstätigkeit schreiben konnte, verstarb Winckler 1913 in Berlin. Heinrich Zimmern, *14. Juli 1862 (Graben) – †17. Februar 1931 (Leipzig). Heinrich Zimmern besuchte zunächst die Grundschule in Graben nahe Karlsruhe und wechselte im Alter von 12 Jahren auf das Gymnasium in Saarbrücken, wo er 1881 die Reifeprüfung ablegte. Von 1881 bis 1883 studierte er Theologie und semitische Sprachen mit der Spezialisierung auf das Assyrische in Leipzig, Berlin und wieder Leipzig. 1883 legte er in Karlsruhe die erste theologische Prüfung ab. Im Jahre 1885 promovierte er an der Universität Leipzig mit der Dissertation „Babylonische Bußpsalmen“ zum Dr. phil. Er setzte seine Keilschriftstudien an der Universität Erlangen fort, um, wie er in einem Lebenslauf schrieb, „sich der wahrheitsgemäßen Erforschung des alttestamentlichen Geschichtsverlaufes“ zu widmen. 1887 trat er eine Stelle als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in der Bibliothek der Universität Straßburg an. 1889 habilitierte er sich an der Universität Königsberg für das Fach semitische Philologie. 1890 wechselte er als Privatdozent an die Universität Halle. 1894 wurde Zimmern als außerordentlicher Professor für Assyriologie nach Leipzig berufen. 1899 nahm er einen Ruf nach Breslau als Ordinarius für semitische Philologie an. Schon im nächsten Jahr wurde er schließlich als ordentlicher Professor _____________ 467
Würdigung Kurt Bittels in: Archäologenbildnisse. Porträts und Kurzbiografien von klassischen Archäologen deutscher Sprache, Mainz 1988, p. 154–155. Siehe hierzu auch ausführlich J. Renger, 1979, p. 165 f. sowie den Nachruf von Felix Peiser in Orientalistische Literaturzeitung, Bd. 16 (1913), p. 198.
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für orientalische Sprachen an die Universität Leipzig berufen. Zimmern verfasste ein dreibändiges Werk „Zur Kenntnis der babylonischen Religion“, in dem er vor allem auf die Inhalte von Ritualtafeln für Wahrsager, Beschwörer und Sänger einging (1896–1901, Nachdruck 1976). Er war Mitherausgeber des hebräischen und aramäischen Handwörterbuchs und verfasste zahlreiche Beiträge der „Enzyklopedia Biblica.“468
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Siehe auch Archiv für Orientforschung, Bd. 7, 1931/32, p.146f.
Schriftenverzeichnis Emil Forrers Ein vollständiges und validiertes Schriftenverzeichnis von Emil Forrer zu erstellen, erscheint mir angesichts der Vielzahl seiner Zeitungsartikel, die er in El Salvador verfasst hat und die nicht exakt in einem von ihm selbst geführten Schriftenverzeichnis aufgeführt sind, unmöglich. Zahlreiche seiner Arbeiten sind zwar in Dokumenten genannt, waren mir aber nicht zugänglich. Insofern bleibt Einiges unsicher. Diejenigen Einträge, die in seinem eigenen Schriftenverzeichnis nur mit einem Titel aufgeführt sind, Erscheinungsort und Jahr aber nicht nennen, habe ich ausgelassen. Alle anderen Schriften habe ich aufgeführt und mit dem Zusatz non vidi gekennzeichnet, wenn ich ihrer zum Zwecke der Überprüfung nicht habhaft werden konnte. 1916
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1922b 1922c 1922d 1923a
Zur Chronologie der neuassyrischen Zeit. Mitteilungen der Vorderasiatischen Gesellschaft (MVAG), Heft 20 (1915). Die acht Sprachen der Boghazköi-Inschriften. Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 53, p. 1029–1048. Die Provinzeinteilung des assyrischen Reiches. Leipzig. Keilschrifttexte aus Boghaköi. (KBo) 4. Heft, Leipzig. Die Ausbeute aus den Boghazköi-Inschriften. Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft, Bd. 61, p. 20–39. Die Inschriften und Sprachen des Hatti-Reiches. Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 76 (N.F. 1), p. 174–269. Die BoghazköiTexte in Umschrift. ( BoTU), Bd. 1, Einleitung; Die Keilschrift von Boghazköi. Leipzig. Die Boghazköi-Texte in Umschrift. (BoTU), Bd. 2. Teil 1, Geschichtliche Texte aus dem alten Hatti-Reich, Leipzig. Spanien als Zinnland und Atlantis. Münchener Zeitung vom 2. Dezember (non vidi). Wer war der erste Valutaspekulant? Welt und Wissen Nr. 9. Beilage der Straßburger Neuesten Nachrichten vom 13. August (non vidi).
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Schriftenverzeichnis Emil Forrers
Babylonische Könige als Archäologen. Welt und Wissen, Nr. 33. Beilage der Straßburger Neuesten Nachrichten vom 13. November (non vidi). Vorhomerische Griechen in den Keilschrifttexten von Boghazköi. Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft, Bd. 63, p. 1–22. Die Griechen in den Boghazköi-Texten. Orientalistische Literaturzeitung, Bd. 27, p.113–118. Die Boghazköi-Texte in Umschrift. (BoTU), Bd. 2, Teil 2, Geschichtliche Texte aus dem neuen Hatti-Reich. Leipzig. Forschungen, Bd. 1, Teil 1; Die Arzaova-Länder. Erkner bei Berlin (Selbstverlag). Forschungen, Bd. 2, Teil 1; Astronomische Festlegung des Soppilulijomas, Morsilis und Amenophis IV–Lage von Kizzuvadna Gargamis und Astata–Die pippidSprache. Erkner bei Berlin (Selbstverlag). Eine Forschungsreise um das alte Hatti-Reich. Türkische Post, Tageszeitung für den nahen Osten 1 Jg. 156 vom 4. November 1926, p. (non vidi). Archäologische Reise in Kleinasien zur Erforschung des Hatti-Reiches. Forschungen und Fortschritte, Bd. 3, p. 169–170. Ergebnisse einer archäologischen Reise in Kleinasien. Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft, Bd. 65, p. 27–43. Ergebnisse einer archäologischen Reise in Kleinasien 1926. Mitteilungen des Bundes der Asienkämpfer, Nr. 9, p. 64–67. Ein siebenter Kasus im Alt-Kanisischen. Mitteilungen der Altorientalischen Gesellschaft (MAOG) 4, Altorientali sche Studien Bruno Meissner zum sechzigsten Geburtstag gewidmet, von Freunden, Kollegen und Schülern, p. 30– 35. AΔΔijava, in: Reallexikon der Assyriologie (RlA) I/1, p. 53–57. Berlin und Leipzig. Weitere Beiträge in RlA I: A.A., p. 2 Abzisna, p. 15 Abzôva (Abzûwa), p. 15
Apçu, p. 124 Arad-mu, p. 128 Araovanna, p. 139–140
Schriftenverzeichnis Emil Forrers
Adian, p. 36 Aduma, p. 39 AΔdatsaeri, p. 53 AΔuna, p. 58 Akutu, p. 66 AlalΔa, p. 67 Alanas, p. 67 Alaçija, p. 67–68 AlΔa, p. 69 Allubratas, p. 71 Âl-marât çarri, p. 72 Almina, p. 72 Altanna, p. 73 Alzi, p. 88–90 Amatu, p. 93 Ankuva, p. 109 AsΔarpaja, p. 167 Assuva, p. 227 Assyrien, p. 228–297 Astarpa-Fluß, p. 304 Astata, p. 304–305 Aura, p. 314 Ba˛ asa, p. 32 Babanhi, p. 328-329 Badarti, p. 389 BadΔauar, p. 389 Badutu, p. 390 Baitanu, p. 392 Balâ, p. 392–393 Bamate, p. 396 Baz(i), p. 439–440 Bêlanu, p. 473
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Ararra, p. 140 Arbaga, p. 141 Arbidum, p. 142 Arbunâ, p. 142 Aribsa, p. 144 Arijâbe, p. 148 Arimatta, p. 149 Arnabanu, p.152 Arrî, p. 154 Arinna, p. 149f. Arinnanda-Gebirge Arlanda, p. 151 Armatana, p. 151 Arnabanu, p. 152 Arzawa, p. 162–163 Arzja, p. 164 Banbala, p. 396 Baqarri, p. 398 Barbarra, p. 399 Barga, p. 401 Barkala, p. 402 Barnaki, p. 402 Barnamtarra, p. 402 Barçib, p. 402 BartaΔuina, p. 429 BaruΔu, p. 429 Baçime, p. 431 Baçimu, p. 431 Ba'u, p. 431 Battânu, p. 432 Bazu, p. 440
Chronologie Adad-Niraris II. Zeitschrift für Assyriologie, Bd. 38 p. 209–216. Forschungen. Bd. 1.2 Die Nachbarländer des HattiReiches von Arzaova bis Griechenland, Erkner, (Selbstverlag). Rezension zu A. Götze. Das Hethiterreich. Seine Stellung zwischen Ost und West. Leipzig 1928 in: Orientalistische Literaturzeitung, Bd. 32, p. 174–176.
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1932c 1932d 1934 1935 1936a
Schriftenverzeichnis Emil Forrers
Stratification des langues et des peuples dans le ProcheOrient préhistorique. Jounal Asiatique, Nr. 217, p. 227–252. La découverte de la Grèce mycénienne dans les textes cunéiformes de l˛empire hittite. Revue des études gréques (REG), Bd. 43, p. 279–294. çakija(Δ) = "verfinstern"! Kleinasiatische Forschungen (KlF), Bd. 1, p. 273–286. Für die Griechen in den Boghazköi-Inschriften. Kleinasiatische Forschungen (KlF) Bd. 1/2, p. 252–272. Apollon, Vulcanus und die Kyklopen in den BoghazköiTexten. Revue Hittite et Asianique, Bd. 1 (Fasc. 5), p. 141–163. Hajasa-Azzi. Caucasica, Bd. 9, p. 1–24. Rezension zu J. Karst, Grundsteine zu einer mittelländisch-asianischen Urgeschichte; Ethnographische Zusammenhänge der Liguro-Iberer und Proto-Illyrer mit der Lelegisch-Hetitisch-Alarodischen Völkergruppe erwiesen in Toponymie, völkischer Onomastik und vergleichender Mythologie, Leipzig 1928, in: Caucasica, Bd. 8, p. 151–152 Rezension zu G. A. Barton, Hittite Studies, Part I. : A Hittite Manual for Beginners; Part II. : The "Treaty" of Murçilis with Kupanta-KAL. Paris 1928, in: American Jounal of Semitic Languages and Literatures, Bd. 47, p. 299–300. Die Entzifferung der hethitischen Bilderschrift. Actes du XVIIe Congrès International des Orientalistes, Leiden, 7–12 Septembre 1931, Leiden, p. 47–50. Die sogenannte hethitische Bilderschrift. American Jour nal of Semitic Languages and Literatures, Bd. 48, p. 137–69. Die hethitische Bilderschrift. Chicago. Entzifferung der hethitischen Bilderschrift. Forschungen und Fortschritte, Bd. 8/1 p. 3–4. Neue Probleme zum Ursprung der indogermanischen Sprachen. Mannus, Nr. 26, p. 115–127. Göttergeschichte als Weltgeschichte im Alten Orient. Forschungen und Fortschritte, Bd. 11, p. 398–399. Eine Geschichte des Götterkönigtums aus dem HattiReiche. Mélanges Franz Cumont. Annuaire de l˛Institut de
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1936b 1936c 1936d
1936e 1936f 1937a 1937b 1937c
1937d 1938a 1938b
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Philogie et d˛Histoire Orientales et Slaves IV, p. 687–713, Bruxelles. Vom Ursprung des Weihnachtsbaumes. (Mit Jörg Lechler) Germanenerbe, Bd. 1, p. 262–265. The Hittites in Palestine I. Palestine Exploration Quartely, Nr. 68, p. 190–203. Götterkönigtümer als Vorgeschichtsperioden Babyloniens. Forschungen und Fortschritte, Bd. 12, p. 20–21; 255–256. The Hittites in Palestine I. Palestine Exploration Quartely, Nr. 69, p. 190–203. Götterkönigtümer als Vorgeschichtsperioden Babyloniens. Forschungen und Fortschritte, Bd. 12, p. 255–256. The Hittites in Palestine II. Palestine Exploration Quartely, Nr. 69, p. 100–115. Kilikien zur Zeit des Hatti-Reiches. Klio, Bd. 30, p. 137–186. Rez. zu R.J. Forbes Bitumen and Petroleum in Antiquity, Leiden 1936, in: Orientalistische Literaturzeitung, Bd. 40, p. 673–675. Note sur un cylindre babylonien et un cachet hittite des Ras Shamra, Syria, Nr. XVIII, p. 155–158. Quelle und Brunnen in Alt-Vorderasien. Glotta, Bd. 26, p. 178–202. Beiträge in RlA II, Berlin und Leipzig. Bisaia, p. 32, Dalaova, p. 103 BuruçΔanda, p. 82 Dunanapa, p. 239 Daggata, p. 101 Durmitta, p. 247 Appendix II, in: Ehrich, Ann M.H. Early pottery of the Jebeleh Region, Philadelphia = Memories of the American Philosophical Society XIII, p. 113–125. Eine unbekannte griechische Kolonie des sechsten Jahrhunderts v. Chr. in Phönikien. Bericht über den VI. Internationalen Kongress für Archäologie, Berlin, 21.- 26. August 1939 (Archäologisches Institut des Deutschen Reiches), Berlin, p. 360–365. Das Abendmahl im Hatti-Reich. Actes du XXe Congès In ternational des Orientalistes, Bruxelles, 5.–10. Septembre 1938 Louvain, p. 124–128. Familienschutz vor 4250 Jahren. Neue Zürcher Zeitung Nr. 1912 vom 14. Dezember (non vidi).
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Vom Ursprung des Weihnachtsbaumes. Neue Zürcher Zeitung Nr. 1988 vom 25. Dezember (non vidi). 8000 Jahre Menschheitsgeschichte im alten Orient nach den letzten Ausgrabungen und neuesten Erkenntnissen. (Forschungen V) Zürich. Epitafio latino en letras goticas en San Salvador. La Universidad, Organo de la Universidad Autónoma de El Salvador, p. 142–149 (non vidi). Karthago wurde erst 673-663 v. Chr. gegründet, in: Fest schrift Franz Dornseiff zum 65. Geburtstag, hrsg. von: H. Kusch, Leipzig, p. 85–93. El mundo de la Religión y el de la Filosofia. Sintesis, Revista cultural de El Salvador I, 4, p. 81–95 (non vidi). El génesis de Imperio Hatti. Prima parte. Sintesis, Revista cultural de El Salvador I, 6, p. 87–104 (non vidi). El génesis de Imperio Hatti Segunda parte. Sintesis, Revista cultural de El Salvador I, 8, p. 101–114 (non vidi). La pintura de los Griegos. Ars, Revista de la Dirección de Bellas Artes 5, p. 57–73 (non vidi). El uso de las fuerzas atómicas en El Salvador. Humanidades, Revista de la Facultad de Humanidades, 1, p. 64– 78 (non vidi). El Dr. Forrer cree factible un subway para San Salvador. Impuestos municipales naturales vom 21. April (non vidi). La Creación del mundo y su-sentido según la Astrofisica. San Salvador, 25 Seiten. (non vidi). Un sistema factible de alarma volcánica. Diario del Hoy, 23. Mai (non vidi). El régimen de los motivos superiores. Revista Cultura no. 16, p. 7–14 (non vidi). De cómo fué a hacer estos descubrimientos. Diario Latino San Salvador, 19. November. (non vidi). A qué se deben los terremotos en Chile. Diario de Conce tión de Chile, 21. Januar (non vidi). A qué se deben los terremotos en Chile. Diario Latino San Salvador, 20. Mai (non vidi). La cuadriculación de Nueva York; de origin indio o europeo? Diario del Hoy San Salvador, 5. März. (non vidi). Origen del Urbanismo Colonial Espanol. Diario del Hoy, San Salvador, 12. März (non vidi).
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1962c 1962d 1962e 1962f 1962g 1963a 1963b 1963c 1964a 1964b 1964c 1964d 1964e 1964f 1964g 1964h 1964i 1964j 1964k 1964l 1964m
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Teotihuacan, capital antiquisima de Mexiko. Diario del Hoy, 19. März (non vidi).. La Antigua San Salvador. Diario del Hoy, San Salvador, 28. März (non vidi). Luna y Sol de Teotihuacan y Pithágoras. Diario del Hoy, San Salvador, 2. April (non vidi). El Hogar del Universo. Diario del Hoy, San Salvador, 9. April (non vidi). Centros de Gobierno artificiales. Diario del Hoy, San Salvador, 30. April (non vidi). La Atlantida I. Diario del Hoy, San Salvador, 25. Februar (non vidi). La Atlantida II. Diario del Hoy, San Salvador, 26. Februar (non vidi). La Atlantida III. Diario del Hoy, San Salvador, 27. Februar (non vidi). Immigraciones prehistoricas a America arqueologicamente compro badas. Pythogoras 4, p. 16–28 (non vidi). Historia Geólogica de El Salvador. Con dos mapas y dos tablas. San Salvador. Selbstverlag, 57 Seiten (non vidi). Los milagrosos rayos Láser. Diario del Hoy, San Salvador, 7. April (non vidi). La noticia periodistica más antigua del mundo griego. Perdiódico El Periodista, 31. Oktober (non vidi). El eclipse lunar del 30 de Diciembre de 1963. Diario del Hoy, San Salvador, 3. Januar (non vidi). Mapas mudos nde El Salvador. San Salvador, Selbstverlag (non vidi). Mapas mudos de Centroamérica. San Salvador, Selbstverlag (non vidi). El mejor esclavo. Diario del Hoy, San Salvador, 16. Januar (non vidi). Los computadores y el hombre. Diario del Hoy, San Salvador, 24. Januar (non vidi). El apocalipsis de la bomba atómica. Diario del Hoy, San Salvador, 2. Februar (non vidi). Bejucos, manos y serpientes. Diario del Hoy, San Salvador, 10. Februar (non vidi). Avistan en El Salvador un satélite artificial. Diario del Hoy, San Salvador, 19. Februar (non vidi). El cometa de Halley. Diario del Hoy, San Salvador, 27. Februar (non vidi).
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Mapas escolares del Viejo Mundo para el sexto grado. Europa, Asia, Africa, Oceanía. San Salvador, Selbstverlag (non vidi). Por que llamamos la Revista de los Amigos de la Ciencia Pythagoras? Pythágoras, Revista de los amigos de la Ciencia Bd. 1, p. 3–4 (non vidi). El origen del sistema planetario solar. Una nueva teoría. Pythágoras, Revista de los amigos de la Ciencia Bd. 1, p. 5–13 (non vidi). Pitón y Quetzalcoatl. Pythágoras, Revista de los amigos de la Ciencia Bd. 1, p. 30–32 (non vidi). comprobadas. Con un mapa y retrato del "Homo Habilis". Pythágoras, Revista de los amigos de la Ciencia Bd. 2, p. 16–28 (non vidi). Las atmosféras de los planetas y la teória tetrahélica. Pythágoras, Revista de los amigos de la Ciencia Bd. 2, p. 29–39 (non vidi). Earliest History of Amerika. Precolumbian Relations of America. Resumé of the Americanistic Investigations of Dr. Emilius O. Forrer, formely professor at the Universties of Berlin, Chicago, Baltimore, San Salvador. Zürich and San Salvador (non vidi). Buildingstones for Earliest American History I-VII. San Salvador (non vidi). El 8 de Octubre de 1964 comenzó una nueva era cronológica. Diario del Hoy, San Salvador, 5. Januar (non vidi). La matanza de perros es ilegal. Diario del Hoy, San Salvador, 23. Januar (non vidi). Sobre la actual ola de temblores. Diario del Hoy, San Salvador, 18. Februar (non vidi). Cuál fué la profundidad de foco de los temblores? Diario del Hoy, San Salvador, 26. Februar (non vidi). La informacion cientifica acera del gran temblor. Diario del Hoy, San Salvador, 10. Mai (non vidi). Habrá otro temblor igual? Diario del Hoy, San Salvador, 12. Mai (non vidi). La predicción de temblores. Diario del Hoy, San Salvador, 13. Mai (non vidi). Lo extrano del gran temblor del 3 de Mayo. Diario del Hoy, San Salvador, 14. Mai (non vidi).
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Llevémosle agua al lago de Llopango! Diario del Hoy, San Salvador, 19. Mai (non vidi). Teoría de los volcanes. Diario del Hoy, San Salvador, 26. Mai (non vidi). Qué pasa cuando el volcán Chaparrastiqu "erupciona"? Diario del Hoy, San Salvador, 18. Mai, 19. Mai, 29. Mai (non vidi). Analysis of Salvadorian Earthquakes & Nature and Condition of Vulcanism. San Salvador, Selbstverlag (non vidi). La materia, una ilusion. Diario del Hoy, San Salvador, 3. August (non vidi). La expansion de la Tierra Diario del Hoy, San Salvador, 10. August (non vidi). La traslacion de los continentes. Diario del Hoy, San Salvador, 11. August (non vidi). Los Quasares intrigan a los astrónomos. Diario del Hoy, San Salvador, 12. August (non vidi). Marcianos, Marcianos! Diario del Hoy, San Salvador, 18. August (non vidi). Der Untergang des Hatti-Reiches. Ugaritica, Bd. VI, p. 207–228 Meropis. America en los tiempos de Homero, los Olmecas invadieron a Europa, Centro América y Mexiko eran conocidos en Antiguo Mundo desde el ano 715 ante de Cristo. San Salvador (mit Ricardo Suarez Salaverria). The First Millennium of Americas Ancient most History Beginning in 715 B.C. (Based on Forrers Book MeropisHomeric America, a forgotten continent). San Salvador. Homerisch und Silenisch. San Salvador, Selbstverlag Dramatic Relations between America and Europe. San Salvador.
Vorlesungen Emil Forrers 1926-1944 Wintersemester 1926–1927 Einführung in die Keilschrift in Form einer Geschichte der Keilschrift Erklärung von Boghazköi-Texten Sommersemester 1927 Siedlungsarchäologie des alten Orients Erklärung von Boghazköi-Texten Wintersemester 1927–1928 Die historischen Beziehungen zwischen dem Hatti-Reich und mykenischem Griechenland Sumerische Wirtschaftstexte Sommersemester 1928 Ethnologie des alten Orients Sumerische Texte Einführung in das Kanisische (Hethitische) Wintersemester 1928–1929 Einführung in das Kanisische (Keilschrift-Hethitische), II. Teil Geschichte des alten Orients (3000 - 300 v.Chr.) Sommersemester 1932 Kanisische (Keilschrift-hethitische) Texte Volk und Sprache der hethitischen Bilderinschriften Wintersemester 1932–1933 Ethnologie der Urbevölkerungen Vorderasiens und Europas Fortsetzung der Analyse der hethitischen Bilderinschriften Sommersemester 1934 Tabalische (Bilderschrift-hethitische) Texte Erklärung der ältesten sumerischen Texte Die Kultur des Hatti-Reiches
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Vorlesungen Emil Forrers 1926-1944
Sommersemster 1935 Einführung in die tabalische (hethitische) Bilderschrift Die Kultur des Hatti-Reiches Wintersemester 1935–1936 Tabalische (hethitische) Bilderinschriften Kulturgeschichte des Hatti-Reiches Kolloquium über Einzelfragen der Kulturgeschichte des Hatti-Reiches Sommersemester 1936 Erklärung tabalisch = hethitischer Bilderinschriften Kanisisch (Keilschrift-Hethitisch) für Anfänger Einzelfragen der Geschichte des alten Orients Wintersemester 1936–1937 Kanisische (Keilschrift-Hethitisch) für Fortgeschrittene Rassenforschung auf sprachlicher Grundlage und ihr Verhältnis zu vorgeschichtlichen Ergebnissen Sommersemester 1937 Frühgeschichtliche Beziehungen zwischen Europa und dem alten Orient Geographie des Hatti-Reiches Wintersemester 1937–1938 Kanisische (Keilschrift-Hethitische) Texte für Fortgeschrittene Rassen, Sprachen und Völker des alten Orients Sommersemester 1938 Sumerische Königsinschriften (für Anfänger) Kanisisch (Keilschrift-Hethitisch) nach Bedarf Geschichte Assyriens Wintersemester 1938–1939 Einführung in das Elamische Kanisische (Hethitische) Texte Sommersemester 1939 Elamisch II Kanisische Texte Einführung in die protohattische Sprache Die Sagenwelt des alten Orients
Vorlesungen Emil Forrers 1926-1944
Wintersemester 1939–1940 Kanisische (Keilschrift-Hethitische) Texte Geschichte des alten Orients I.Trisemester 1940 Keilschrift für Anfänger Geschichte des alten Orients II. Trisemester 1940 Sprachen und Völker des alten Orients Kanisisch (Keilschrift-Hethitisch) nach Bedarf Tabalisch (Bilderschrift Hethitisch) III. Trisemester 1940 Keilschrift II Kanisisch (Keilschrift-Hethitisch) für Fortgeschrittene Sumerische Geschichte Sommersemester 1941 Keilschrift III Babylonische Geschichte Wintersemester 1941–1942 Keilschriften für Fortgeschrittene Kanisisch (Keilschrift-Hethitisch) für Fortgeschrittene Babylonische Geschichte II Elamisch Sommersemester 1942 Die Geschichte des Reiches von Urartu u. Keilschrift Die Geschichte des Reiches von Gutium Die Geschichte des Reiches von Ur im 2. Jahrtausend v. Chr. Keilschrift für Fortgeschrittene Kanisisch (Keilschrift-Hethitisch) für Fortgeschrittene Wintersemester 1942–1943 Babylonische Geschichte Kanisisch Die Geschichte der Reiche von Nisin und Babylon Sommersemester 1943 Vor- und Frühgeschichte des alten Orient
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Vorlesungen Emil Forrers 1926-1944
Geschichte des alten Orient mit besonderer Berücksichtigung Armeniens Sommersemester 1944 Geschichte des Hatti-Reiches
Ehen und Kinder 1. Ehe Margarete Sommer 1895 Straßburg–1977 Zürich (verh. 1918–1931)
Kinder aus dieser Ehe: Wolfgang Walter Forrer 30.07.1922 Berlin lebt in Ebmatingen/Schweiz
2. Ehe Lucie Mathilde Dorothea Sophie Bader,1905 Hannover –1931 Kalleberge (Preußen), verh. vom 18.4. 1931–19.11. 1931 3. Ehe Käthe Marie Helene Przewlowsky 1911 Rixdorf –1984 Heiden/Schweiz verh. 1934–1943
Kinder aus dieser Ehe: Tell Karl-Heinz Forrer geb. 05.04 1935 Erkner Maya Dorothea Forrer 11.04.1936 Erkner lebt in Bad Kreuznach
4. Ehe Elsa Dorothea Haupt *1921 (Berlin) verh. seit dem 30.12.1944 lebt in San Salvador
Kinder aus dieser Ehe: Midas Silenus Forrer 15.09.1946 Zürich lebt in Wien Orplid Caingala Forrer 27.06. 1948 San Salvador lebt in San Salvador Rhea Saturna Forrer 31.07.1949 San Salvador lebt in Zürich Tearco Silkanni Forrer 09.01. 1952 San Salvador lebt in San Salvador Dido Elisa Forrer 23.04.1953 San Salvador lebt in San Salvador
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Ehen und Kinder
Abaris Calypso Forrer 06.02. 1955 San Salvador lebt in San Salvador Ingo Pytheas Forrer 18.07. 1960 San Salvador lebt in San Salvador Paris Alexander Forrer 05.10. 1963 San Salvador lebt in San Salvador
Ausgewählte Bibliografie Da die direkt zitierte Fachliteratur in den Fußnoten im Haupttext, ohne die in der Wissenschaft üblichen Abkürzungen der Fachzeitschriften und stets mit vollem Titel und Jahreszahl genannt ist, finden sich in dieser Bibliografie die zugrunde gelegte Sekundärliteratur und die benutzten Enzyklopädien. Ich hoffe auf diese Weise dem Leser, der dem Fach ferner steht, das Lesen erleichtert und das umständliche Heraussuchen von Abürzungen erspart zu haben.
ALAURA, SILVIA 2002. La prima trattativa diplomatica dei „Musei reali di Berlino“ per una concessione di scavo a Bo©azköy, in: Anatolia antica. Studi in memoria di Fiorella Imparati (Gedenkschrift für Fiorella Imparati 23–46.), Eothen, Bd. 11, Florenz. ANDRAE, WALTER 1977. Das wiedererstandene Assur. 2. durchgesehene Auflage, hrsg. von: B. Hrouda, München. ANDRAE, W ALTER 1988. Lebenserinnerungen eines Ausgräbers, 2. Auflage, Stuttgart. ANTIKE W ELT 21 1990. Pergamon-und Bodemuseum: Ägyptisches Museum, Papyrussammlung; Vorderasiatisches Museum Antikensammlung; Frühchristlich-byzantinische Sammlung, Mainz. AUER, GRETE 1995. Wenn ich mein Leben so betrachte... Wien-BernMarokko-Berlin, Erinnerungen. Im Auftrag von Hans-Gustav Güterbock. hrsg. von: Herzeleide Henning, Berlin. BETTHAUSEN, PETER 1987. Die Museumsinsel zu Berlin. Mit Farbaufnahmen von Dietmar Riemann, Berlin. BITTEL, KURT 1968. Das Museum in Bo©azköy, in: Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft, Bd. 100, p. 23–32. BITTEL, KURT 1998. Reisen und Ausgrabungen in Ägypten, Kleinasien, Bulgarien und Griechenland 1930–1934, in: Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz, Geistes- und sozialwissenschaftliche Klasse, Jahrgang 1998, Nr. 5, Stuttgart. BUCHHOLZ, HANS 1999. Ugarit, Zypern und Ägäis: Kulturbeziehungen im zweiten Jahrtausend v. Chr., in: Alter Orient und Altes Testament Veröffentlichungen zur Kultur und Geschichte des Alten Orients und des Alten Testaments, Bd. 261.
428
Ausgewählte Bibliografie
BRYCE, TREVOR B. 1989. Ahhiyawans and Mycenaeans–An Anatolian Viewpoint, in: Oxford Journal of Archaeology, Volume 8, p. 297-310. CHOLIDIS, NADJA 2002. Der Tell Halaf und sein Ausgräber Max Freiherr von Oppenheim. Kopf hoch! Mut hoch! Und Humor hoch! Vorderasiatisches Museum, Staatliche Museen zu Berlin, Mainz. CURTIUS, LUDWIG 1950. Deutsche und antike Welt–Lebenserinnerungen, Stuttgart. CRÜSEMANN, NICOLA 2000. Vom Zweistromland zum Kupfergraben, Jahrbuch der Berliner Museen, 42. Bd. DIETRICH, MANFRIED 1995. (Hrsg.) Ugarit und seine altorientalische Umwelt. Ugarit 1, Abhandlungen zur Literatur Alt-Syrien-Palästinas. EBELING, ERICH 1932. (Begr.) Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie nach Erich Ebeling, hrsg. von: Ernst Weidner, Berlin. FEST, JOACHIM 1996. Das Gesicht des Dritten Reiches: Profile einer totalitären Herrschaft / 3. Auflage, München. FEST, JOACHIM 1989. Hitler: eine Biographie, Frankfurt/Main. FRIEDRICH, JOHANNES 1935. Die mykenischen Griechen und das alte Vorderasien. (Ein Überblick über die Forschungen der letzten Jahre), in: Humanistisches Gymnasium, 1935, p. 177–189. FRIEDRICH, JOHANNES 1939. Entzifferungsgeschichte der hethitischen Hieroglyphenschrift, Stuttgart. FRIEDRICH, JOHANNES 1942. Deutschlands Anteil an der Erschliessung der Keilschriftsprachen (Bericht über die Arbeitstagung der deutschen Orientalisten), in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 96, 1942, p. 25–26. FRIEDRICH, JOHANNES 1951. Schriftsysteme und Schrifterfindungen im Alten Orient und bei modernen Naturvölkern, in: Archiv Orientálni 19, p. 245–259. FRIEDRICH, JOHANNES 1959. Die hethitischen Gesetze. Transkription, Übersetzung sprachliche Erläuterungen und vollständiges Wörterverzeichnis. Leiden (Photomechanischer Nachdruck mit einer Vorbemerkung von A. Kammenhuber, Leiden 1971). GARSTANG, JOHN/ 1959. The Geography of the Hittite Empire, London. OLIVER GURNEY GOETZE, ALBRECHT 1940. Kizzuwatna and the Problem of Hittite Geography, New Haven. GOETZE, ALBRECHT 1957. The Roads of Northern Cappadocia in Hittite Times, in: Revue Hittite et Asianique, Bd. 61, p. 91–103. GRONAU, DIETRICH 1994. Mustafa Kemal Atatürk oder die Geburt der Republik, Frankfurt am Main.
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432 IM Iraq JANES JAOS JCS JEOL
JNES KlF Klio MDOG MIO MVA(e)G
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WZKM
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GsBossert
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1985
FsCarratelli
1988
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FsGüterbock
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1979
GsMeriggi
1984
FsNeumann
1982
FsOtten
1973
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FsPuhvel
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CAD
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CHD
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HEG
HhGl HW 2 Auflage RGTC 6
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Dokumentenverzeichnis Dokument
Beschreibung
Buchseite
Nr. 1
Emil Forrers handschriftliche Anmeldung zur Promotion vom 12. Januar 1917. Protokoll der mündlichen Prüfung Forrers vom 8. März 1917. Urkunde der Universität Berlin über Forrer Studienaufenthalt in Berlin bis zum Sommersemester 1914. Brief an den Führer des NS-Dozentenbundes Dr. Emil Steinbeck vom November1939. Deckblatt der Münchener Habilitationsschrift aus dem Jahre 1921. Inhaltsverzeichnis der Habilitationsschrift. Brief von Eduard Meyer an Emil Forrer vom 6. Mai 1928. Einladung zum 1. Deutschen Orientalistentag in Leipzig vom 1. Juli 1921. Meldung zum zweiten Versuch der Habilitation vom ersten Dezember 1922 in Berlin. Ablehnungsmitteilung des Dekans der Phil. Fak. Berlin zu Forrers zweitem Habilitationsverfahren. Beispiel aus Forrers Zeichenliste Brief von Felix Ritter von Luschan an Emil Forrer vom 9. April 1923
p. 22, Abb. 1
Nr. 2 Nr. 3
Nr. 4
Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8
Nr. 9
Nr. 10
Nr. 11 Nr. 12
469
N.V. = nicht im Buch verwendet, also ergänzendes Material.
p. 26, Abb.2 n.V469.
p. 59, 84f., 88f., 237ff. p. 65, Abb. 3
n.V. p. 68, 119f. p. 70f.
p. 76
p. 79
p. 81, Abb.4 p. 89
438
Nr. 13 Nr. 14 Nr. 15
Nr. 16
Nr. 17
Nr. 18
Nr. 19 Nr. 20
Nr. 21
Nr. 22 Nr. 23 Nr. 24 Nr. 25
Nr. 26
Nr. 27
Nr. 28 Nr. 29
Dokumentenverzeichnis
Postkarte von Albrecht Götze an Emil Forrer vom 22. März 1924 Richtigstellung Carl Schochs Ausschnitt aus „Der Bote“ vom 14. Mai 1927 zur AΔΔijawaDiskussion. Ausschnitt aus„Der Bote" vom 4. September 1929 zur AΔΔijawaDiskussion. Brief Emil Forrers an Paul Kretschmer vom 5. Oktober 1936. Brief von Oliver R. Gurney an Emil Forrer vom 11. Oktober 1936. Briefauszug von Oliver R. Gurney an Emil O. Forrer vom 22. Februar 1937 Briefauszug von Emil Forrer an Piero Meriggi vom 13. September 1938 Gutachten von Wilhelm Weber zur Person Emil Forrer vom 22. Oktober 1937 Brief an Carl Heinrich Becker vom 25. Juni 1932. Brief von der Redaktion der KLIO an Emil Forrer vom 21. September 1936. Brief Emil Forrers an die Redaktion der KLIO vom 5. Februar 1937 Aus dem Protokoll der Phil. Fak. Berlin zu Forrers Probevortrag vom 2. März 1925. Einladung von James Henry Breasted an Emil Forrer zum Mittagessen ins Hotel Esplanade zu Berlin. Brief von Emil Forrer an James Henry Breasted über die Verzögerungen beim Druck seines „tabalischen Grammatik.“ Brief von William F. Albright an an Emil Forrer vom 14. Oktober 1932 Brief von Emil Forrer an W.F. Albright
p. 109, Abb. 5 p. 118 p. 123
p. 123
p. 129
p. 130f.
p. 130f. p. 136
p. 145
p. 148f. n.V. n.V. p. 165
p. 180, Abb. 24
p. 208f.
p. 209 p. 210
Dokumentenverzeichnis
Nr. 30
Nr. 31 Nr. 32 Nr. 33 Nr. 34
Nr. 35
Nr. 36
Nr. 37
Nr. 38 Nr. 39
Nr. 40
Nr. 41
Nr. 42
Nr. 43
Nr. 44
439
vom 30. Oktober 1932 (Antwort auf Nr. 28) Vertragliche Vereinbarung zwischen p. 215, Abb. 28 Bryn-Mawr-College und Emil Forrer (undatiert) Brief an Victor Martin von Emil Forrer p. 223f. (März 1933) Brief Emil Forrers an den Rektor der p. 230 Universität Berlin vom 3. Jnauar 1938 Lehrauftragserteilung an Emil Forrer p. 233, Abb. 30 vom 17. Juni 1938. Brief Emil Forrers an den Dekan der p. 235 Phil. Fak. Berlin. Vorschläge zu Gutachtern in eigener Sache. Ablehnungsschreiben des Ministeriums p. 245, Abb. 31 in Sachen Ehelolf als Nachfolger Meißners in Berlin. Ablehnungsschreiben des Ministeriums p. 248, Abb. 32 in Sachen Forrers Bewerbung auf die Nachfolge Ehelolfs als Kustos der VA. Brief Emil Forrers an den Dekan der p. 257f. Phil. Fak. Berlin mit der Mitteilung über die Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei vom 23. Februar 1937. Skizze Forrers über die Aufgaben eines p. 268 „Türkischen Hatti-Institutes”. Antrag auf Ernennung Forrers zum p. 262, Abb. 35 außerordentlichen Professor vom 25. Februar 1939 Antrag Forrers zur Ernennung zum p. 263 „Dozenten neuer Ordnung“ vom 12. Juli 1939 Brief an Reichserziehungsminister p. 264 Bernhard Rust zwecks Anerkennung seiner Dienstjahre. Rechtliche Stellungsnahme des p. 267, Abb. 37 Ministeriums zu Forrers Verbeamtung vom 11. Mai 1940. Aberkennungsmitteilung des Reichsp. 270, Abb. 38 ministers für Erziehung und Wissenschaft Bernhard Rust vom 29. Mai 1941. Handschriftliche Matrix Forrer zur n.V.
440
Nr. 45 Nr. 46
Nr. 47
Nr. 48
Nr. 49 Nr. 50 Nr. 51 Nr. 52
Nr. 53 Nr. 54 Nr. 55 Nr. 56
Dokumentenverzeichnis
Erforschung der Maya-Sprachen. Bewerbung Forrers auf die vakante p. 278 Professur für Amerikanistik in Berlin. Forrers Mitteilung über eine p. 283 Nebenbeschäftigung in der Wehrmacht vom 30. März 1942. Brief von Hans Reinerth an Forrer p. 287 vom 7. Juli 1943 mit der Mitteilung, dass Forrers Einsatz als Kustos der VA unwahrscheinlich sei. Bestätigung für Forrers Tätigkeit für p. 290, Abb. 43 die Hohe Schule der NSDAP vom 22. September 1944. Schreiben der „Forschungsstelle Orient“ p. 292 an Forrer vom 11. November 1944 Brief von Brandensteins an Forrer p. 294 vom 23. April 1943. Brief Forrers an den Oberbürgermeister p. 300 von Berlin vom 28. Mai 1945. Schreiben von Dr. Settegast an den p. 303 an den Magistrat von Berlin in der Personalangelegenheit Forrer vom 20. Juni 1945 Vorbemerkung zu Forrers p. 310f. „Forschungen V“ Brief Forrers an Hans Gustav Güterbock p. 331 vom 6. August 1983 Brief von Hans Gustav Güterbock p. 332f. an Emil Forrer vom 4. Februar 1984 Ausatz von Emil Forrer: „Attal-ia, p. 333 Millavanda und Lügen-Landkarten“ vom 31. Juli 1983.
Indices
Sachindex Achäer, 103, 106, 109, 114, 133 Ägypten, 6, 9, 83, 97, 132, 174, 181, 286, 324, 339, 366, 405 Ägyptisch, 14, 308, 384 Anatolier, 314 Andamanoiden, 314 Andrae, 45, 88, 141, 242, 302, 304, 307, 350, 360, 403 Ankara, 217, 256, 257, 261, 262, 284, 355, 368, 376, 377, 387 Azteken, 318, 339 Dissertation, 14, 21, 25, 30, 37, 54, 56, 57, 136, 179, 393, 404, 408 Deutsche Orientgesellschaft, IX, 5, 6, 12, 15, 36, 37, 42, 43, 44, 45, 50, 56, 58, 60, 61, 62, 74, 79, 82, 83, 87, 88, 91, 97, 98, 101, 105, 108, 109, 135, 140, 141, 172, 173, 174, 176, 240ff., 285, 302, 3501 357, 366, 375, 376, 378, 379, 384, 403, 404 Dozentenbund der NSDAP, 229 Ethnolinguistik, VIII eurasisch, 314 Fluchformeln, 100, 208, 209 Forschungsstelle Orient, 294, 295
Griechenbuch, 111, 120, 178, 199 Griechenfrage, 110, 111, 112, 126, 128, 365 Habilitation, VI, 33, 37, 57, 63, 70, 71, 72, 73, 77, 79, 81, 100, 101, 102, 121, 138, 167, 168, 169, 266, 362, 363, 388, 401 Hatti, 79, 133, 242 Hattisch, 49 Hebräisch, 180, 356, 382, 383 Hieroglyphenluwisch, 94, 100, 209 Hohe Schule der NSDAP, 290, 291, 292, 294, 312, 390 Hypoboreer, 324 Indogermanen, 67, 152, 230, 231, 295 Indo-Hittite, 98 Kanisisch, 48, 214, 420, 421, 422 Kurden, 202, 337
Linearschriften, 189, 357, 382, 401 Luvier, 226, 260, 261, 297 Luwier, 95, 96, 99, 332
444
Manda-Leute, 296, 297 Maya, 214, 263, 275, 277, 279, 324, 326 Meropis, 323, 326, 327, 338 Ministerium, 232, 233, 234, 239, 243, 246, 247, 248, 249, 250, 254, 262, 268, 271, 275 Muschelesser, 314 Museo Guzmán, VII, 338 NSDAP, 229, 239, 246, 281, 283, 289, 290, 294, 301, 303, 304, 312, 315, 373, 383, 388, 390, 391, 392, 394 NSV, 283 Olmeken, 324 Orient–Comité, 43 Oriental Institute Chicago, VII, IX, 72, 98, 104, 125, 130, 146, 174, 178, 179, 180, 181, 184, 185, 186, 187, 189, 190, 192, 193, 195, 198, 200, 202, 203, 205, 206, 210, 211, 214, 215, 216, 220, 222, 223, 254, 261, 333, 350, 356, 368, 372, 377, 380, 387, 388, 402 Orientalistentag zu Leipzig, 73, 74, 76, 77, 114, 223 Otto, IX, 5, 30, 32, 33, 36, 43, 45, 50, 51, 52, 53, 57, 58, 61, 64, 65, 70, 87, 135, 138, 139, 305, 350, 359, 360, 362, 382, 395, 402, 404 Parteidienststellen der NSDAP, 284 Pelasger, 209
Sachindex
Picten, 325 Popol Vuh, 324 Preußische Akademie der Wissenschaften, 407 Rasse, 231, 314, 392 Royal Asiatic Society, 2 Seevölker, 209, 226 Société Scientifique Fran~aise, 10 Staatliche Museen Berlin, 9, 11, 15, 25, 30, 32, 36, 37, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 52, 55, 58, 59, 61, 89, 90, 91, 107, 113, 135, 139, 140, 141, 142, 143, 147, 182, 219, 242, 243, 244, 246, 248, 249, 250, 251, 281, 289, 301, 302, 303, 307, 308, 309, 338, 357, 358, 360, 361, 363, 367, 370, 373, 376, 382, 386, 400, 403, 404 Tabali, 209 Tabalier, 260, 332 Tabalisch, 421 Tartessier, 324 Thesaurus Hethiticus, 86, 87, 89 337, 351, 360, 368, 377, 379, 380, 393, 403, 408 Ugaritisch, 194 Urheimat, 230, 315 Verbeamtung, 146, 265, 270, 272, 275, 282
Sachindex
Vorderasiatische Abteilung, 41, 42, 52, 55, 87, 88, 141, 241, 303, 403
Vulkan, 47, 320 Zinnland, 66, 67, 69, 325
445
Personenindex Aelianus, 317 Albright, William F. IX, 72, 210, 212, 213, 214, 215, 217, 220, 221, 222, 223, 276, 350, 368 Andrae, Walter 45, 88, 141, 242, 302, 304, 307, 350, 360, 403 Atatürk, Kemal Pascha 255, 256, 257 Babinger, Franz 172, 350 Barth, Heinrich 5 Bauer, Hans 71, 144, 194, 351 Becker, Dr. Carl 148, 150 Bellori, Giovanni Pietro 41 Cemil, Hassan 257 Chadwick, John 191, 356, 401 Champollion, Fran~ois 1, 401 Chantre, Ernest 5 Deimel, Anton 62, 82, 83, 237, 241, 357 Delitzsch, Friedrich X, 14, 18, 20, 21, 24, 25, 26, 30, 31, 34, 55, 179, 240, 243, 357, 358, 378, 379, 383, 386, 395, 402, 404, 405 Dörpfeld, Wilhelm 30, 34, 406 Dreyer, Dr. 305, 308, 309 Ebeling, Erich IX, 55, 62, 63, 71, 237, 241
Ehelolf, Hans IX, XI, 18, 34, 51, 52, 53, 55, 56, 63, 77, 78, 87, 88, 89, 90, 91, 116, 118, 119, 134, 137, 139, 140, 141, 142, 143, 145, 149, 154, 175, 176, 238, 239, 241, 242, 243, 244, 245, 246, 248, 249, 250, 301, 302, 343, 358, 359, 360, 361, 375, 398, 399 Erman, Adolf 42, 43, 356 Eteokles, 108, 112 Evans, Arthur Sir 189, 190, 191, 192, 193, 202, 203, 352, 361, 382, 401 Figulla, Heinrich 44, 52, 53, 55, 58, 362, 363, 379, 405 Frank, Carl 8, 14, 19, 93, 100, 237, 362 Friedrich, Johannes V, IX, X, 1, 14, 18, 20, 30, 41, 50, 99, 110, 112, 114, 115, 116, 117, 119, 120, 124, 127, 128, 133, 136, 139, 141, 142, 147, 149, 178, 194, 231, 237, 240, 357, 359, 363, 364, 365, 366, 372, 373, 376, 378, 379, 383, 386, 395, 401, 402 Garstang, John 5, 132, 366, 367, 368, 374 Goldman, Hetty 217, 219, 220, 221, 368
Personenindex
Götze, Albrecht IX, 18, 50, 79, 110, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 119, 120, 124, 127, 128, 133, 136, 139, 141, 142, 144, 145, 147, 149, 153, 154, 178, 229, 237, 343, 363, 369, 370, 371, 372 Grotefend, Georg Friedrich 1 Günther, Hans F.K. IX, 231, 372, 373, 374 Gurney, Oliver R. IX, 131, 132, 374 Güterbock, Hans Gustav IX, 22, 37, 74, 88, 91, 94, 127, 134, 136, 140, 143, 182, 229, 241, 243, 256, 332, 333, 334, 335, 354, 372, 375, 376, 377, 403 Hahn, Georg und Frida 172, 377, 378 Halil, Bey 403 Hincks, Edward 1 Hirsch, Aron 172, 176 Hommel, Fritz 64, 70, 77, 144, 378, 402 Hoßfeld, Luise 360 HroznŸ, Bed√ich 6, 44, 45, 48, 49, 50, 52, 56, 58, 77, 78, 79, 94, 104, 107, 119, 124, 135, 142, 143, 237, 378, 397 Humann, Karl 5, 406 Köcher, Franz IX Kretschmer, Paul IX, 108, 112, 128, 130, 133, 138, 237, 297, 380 Landsberger, Benno 229, 236, 256, 376, 380, 394, 395
447
Lechler, Jörg 230, 231, 234, 236, 252, 254, 255, 381 Lewy, Julius IX, 215, 229, 358, 380, 381, 405 Littmann, Enno 8, 14, 381 Luschan, Felix Ritter von 32, 55, 92, 152, 382 Makridi, Theodor 5 Marinatos, Spyridon 190, 192, 193, 382 Martin, Victor 223, 224, 225, 226, 238, 393 Meißner, Bruno 71, 73, 79, 81, 140, 144, 145, 150, 168, 236, 362, 383, 394 Meriggi, Piero IX, 94, 138, 207, 353 Meyer, Eduard IX, X, 14, 15, 18, 19, 20, 21, 24, 25, 26, 30, 31, 32, 33, 34, 36, 38, 46, 47, 48, 50, 51, 53, 57, 63, 64, 65, 70, 74, 76, 77, 79, 80, 81, 87, 88, 89, 95, 97, 102, 104, 109, 115, 118, 120, 121, 123, 134, 135, 136, 139, 142, 144, 147, 150, 151, 153, 167, 168, 172, 174, 178, 179, 186, 234, 240, 241, 312, 356, 384, 385, 386 Midas, 315, 316, 317, 318, 326, 328 Moortgat, Anton 248, 302, 307, 385 Niebuhr, Carsten 1 Oppenheim, Max Freiherr von IX, 251, 252, 253, 254, 385 Oppert, Jules 1
448
Personenindex
Poebel, Arno IX, 71, 144, 174, 204, 387 Puchstein, Otto 5 Raulwing, Peter XIII, 55, 110, 312, 385 Rawlinson, Henry C. 1 Reinerth, Hans IX, 230, 231, 236, 238, 246, 252, 253, 254, 282, 286, 287, 288, 289, 291, 293, 294, 381, 388, 389, 408 Rodriguez, Pipo 330 Rosenberg, Alfred 253, 287, 290, 291, 388, 389, 390, 391, 407 Rust, Bernhard 147, 229, 233f., 237, 266, 271, 273, 294, 391, 392 Sapper, Karl 14, 325 Schachermeyr, Fritz IX, 54, 55, 57, 114, 126, 133, 385 Schaeffer, Claude F.A. XI, 192, 193, 194, 196, 199, 200, 217, 351, 392 Schede, Martin 238, 393 Schliemann, Heinrich 106, 107, 361 Schoch, Carl 120, 325, 393 Settegast, Dr. 305, 308, 309 Silenus, 316, 317, 318, 324, 326 Soden, Wolfram von 239, 246, 281, 383, 394, 395 Sommer, Ferdinand V, IX, 18, 50, 73ff., 85, 86, 95, 100, 107, 110, 112, 116, 118ff., 141, 142, 143, 145, 146, 147, 149, 150, 152, 174, 178, 187, 212,
214, 219, 237, 242, 251, 280, 281, 343, 353, 354, 363, 365, 370, 371, 395ff., Sommer, Gretl, VII, IX, 20, 21, 24, 25, 26, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 40, 46, 57, 201, 204 Spiegelberg, 8, 14, 15, 308 Steinbeck, Dr. 51, 62, 87, 90, 91, 140, 239 Strabo, 13 Streitberg, Wilhelm 64, 65, 110 Süffert, Fritz XII, 10, 300 Swindler, Mary 220, 400 Szemerényi, Oswald V, VI, 126, 127, 137, 145, 150, 363
Talbot, William Henry F. 1 Texier, Charles Felix Marie 5 Theopompus, 317 Thumb, Adalbert 14, 400 Ungnad, Arthur IX, 358, 364, 365, 397 Valle, Pietro della 1 Ventris, Michael 191, 357, 401 Virolleaud, Charles 194, 196, 401 Von der Osten, Hans Henning 179 Walter, Arnold XIII, 45, 53, 57, 64, 90, 138, 290, 294, 304, 350, 360, 403 Weber, Wilhelm, 148, 150, 240, 241, 242, 248, 362, 402,
Personenindex
Weber, Otto, IX, 5, 30, 32, 33ff., 43, 45, 50ff., 61ff., 70, 79, 87, 88. 89, 135, 138, 139, 141, 305, 350, 359, 360, 362, 382, 395, 403ff., Weidner, Ernst IX, 31, 53, 55, 56, 58, 62, 63, 72, 141, 237, 241, 353, 355, 358, 362, 386, 405
449
Wiegand, Theodor 238, 253, 389, 393, 406, 407, 408 Winckler, Hugo 5, 48, 151, 367, 377, 397, 402, 408 Zimmern, Hans 33, 46, 91, 242, 322, 326
Geografischer Index
AΔΔia, 112 AΔΔijava, 124, 126, 127, 210, 399 AΔΔijawa, IV, 47, 51, 67, 68, 73, 83, 101, 105, 106, 107, 108, 110, 112, 114, 115, 116, 123, 125, 127, 128, 130, 131, 132, 133, 141, 143, 144, 145, 147, 148, 176, 210, 236, 331, 332, 333, 342, 343, 363, 399 AΔΔijawafrage, 142, 144 Achäer, 101, 104, 107, 112, 131 Aelianus, 317 Ägypten, 6, 10, 80, 94, 130, 172, 179, 285, 324, 339, 366, 405 Ägyptisch, 15, 307, 384 Ahhijawa, 126, 223, 295, 296, 335 Albright, V, 69, 208, 210, 211, 212, 213, 214, 215, 218, 219, 220, 222, 275, 349, 368 Amathunt, 193, 195, 196, 197, 198, 201 Anatolier, 313 Andamanoiden, 313 Andrae, 42, 85, 139, 241, 301, 303, 306, 349, 360, 404 Ankara, 215, 255, 256, 260, 261, 283, 354, 368, 376, 377, 387 Arinna, 199, 200, 336 Assyrien, 4, 6, 63, 66, 68, 69, 294, 313, 383 Atatürk, 254, 255, 256 Azteken, 318, 339
Babinger, 170, 350 Babylonien, 4, 6, 64, 120, 149, 186, 294, 313, 383 Baltimore, V, VI, 144, 208, 210, 211, 213, 214, 219, 220, 223, 227, 231, 257, 264, 266, 274, 278, 301, 349, 381 Barth, 5 Bauer, 68, 142, 192, 350 Becker, 146, 148 Beirut, 5, 195, 214, 217, 283, 402 Bellori, 38 Berlin, II, V, VI, VII, VIII, IX, 3, 5, 7, 9, 11, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 23, 27, 28, 29, 30, 31, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 50, 52, 53, 54, 55, 57, 60, 62, 67, 69, 71, 75, 76, 77, 80, 91, 92, 96, 97, 98, 110, 111, 117, 129, 139, 140, 141, 142, 144, 147, 165, 167, 170, 177, 179, 182, 188, 197, 214, 222, 224, 231, 235, 236, 237, 238, 239, 242, 245, 247, 248, 251, 255, 256, 260, 262, 264, 265, 272, 278, 279, 280, 282, 284, 288, 289, 293, 297, 299, 300, 301, 302, 303, 304, 309, 349, 350, 352, 354, 356, 357, 358, 360, 361, 362, 365, 369, 370, 373, 374, 375, 376, 377, 379, 380, 381, 382, 383, 384, 385, 386,
452
Geografischer Index
387, 389, 393, 394, 395, 398, 404, 406, 407, 408, 409 Beyrouth, 195 Bezold, 27 Bittel, 172, 174, 175, 350, 353, 354, 360, 376, 377, 394 Blegen, 189, 351 Bo©azköi, 3, 5, 6, 34, 40, 41, 44, 45, 46, 48, 49, 50, 62, 66, 67, 75, 76, 79, 81, 86, 91, 96, 103, 127, 131, 133, 165, 171, 172, 177, 353, 357, 360, 362 Bode, 40, 352 Boghazköi, 31, 37, 42, 49, 51, 52, 55, 57, 58, 59, 60, 71, 77, 85, 103, 113, 138, 152, 172, 203, 239, 240, 247, 248, 301, 318, 336, 362, 367, 370, 377, 404, 405, 406, 409 Bonnard, 223, 224, 225, 226 Böotien, 107 Bossert,, V, 91, 96, 352, 354 Brandenstein, V, 294, 296, 355 Brüssel, V Bryn Mawr, V, 218, 219, 278, 301 Bryn Mawr-College, V Büyükkale, 5 Byblos, 195, 197 Cemil, 256 Chadwick, 189, 356, 402 Champollion, 1, 402 Chantre, 5 Chicago, III, V, VI, 97, 115, 123, 128, 144, 147, 152, 170, 172, 176, 177, 178, 179, 182, 183, 184, 186, 187, 188, 191, 193, 196, 198, 200, 202, 203, 204, 209, 210, 212, 214, 220, 222, 231, 242, 248, 253, 257, 260,
264, 266, 284, 301, 332, 356, 375, 377, 380, 387, 388, 402 Cóban, 325 Comayagua, 320 Comité, 40 Cypern, 195, 196, 248, 284, 354 Deimel, 59, 79, 80, 236, 240, 356 Delitzsch, VI, 15, 17, 19, 20, 23, 24, 25, 27, 28, 31, 52, 177, 239, 242, 357, 378, 379, 383, 387, 395, 403, 405, 406 Detroit, 252, 253, 254, 381 Dissertation, 14, 20, 24, 27, 34, 51, 53, 54, 134, 177, 393, 405, 409 DOG, 6, 33, 55, 57, 59, 85, 88, 138, 239, 240, 241, 242, 349, 405 Domuz-Tepe, 217 Dörpfeld, 27, 31, 407 Dozentenbund, 228 Dresdener Codex, 274 Dreyer, 304, 307, 308 Ebeling, V, 52, 59, 60, 68, 236, 240 Ehelolf, V, VII, 17, 31, 48, 49, 50, 52, 53, 60, 74, 75, 84, 85, 86, 87, 88, 114, 116, 132, 135, 137, 138, 139, 140, 141, 143, 147, 152, 173, 174, 237, 238, 240, 241, 242, 243, 244, 245, 247, 248, 249, 300, 301, 343, 358, 359, 360, 361, 374, 375, 398, 399, 400 El, I, II, III, 12, 53, 162, 168, 262, 275, 278, 298, 317, 319, 321, 322, 324, 326, 328, 329, 330, 337, 340, 343, 411
Geografischer Index
Erkner, VII, 12, 37, 98, 101, 113, 129, 160, 168, 177, 186, 201, 208, 219, 220, 224, 273, 299, 300, 304, 307, 309, 343, 364, 369 Erman, 39, 40, 356 Eteokles, 106, 110 Ethnolinguistik, IV eurasisch, 313 Evans, 187, 188, 189, 190, 191, 200, 201, 351, 361, 383, 402 Figulla, 41, 49, 50, 52, 55, 362, 363, 379, 406 Fluchformeln, 97, 206, 207 Forschungsstelle, 293, 294 Frank, 9, 15, 18, 90, 97, 236, 361 Friedrich, I, V, VI, 1, 15, 17, 19, 27, 38, 47, 96, 108, 110, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 122, 125, 130, 131, 133, 137, 139, 140, 145, 147, 176, 192, 230, 236, 239, 357, 358, 363, 364, 365, 366, 372, 373, 376, 378, 379, 383, 387, 395, 402, 403 Garstang, 5, 129, 366, 367, 368, 374 Genf, V, 152, 209, 222, 224, 225, 227, 257 Goldman, 214, 215, 217, 218, 219, 368 Götze, V, 17, 47, 76, 108, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 117, 122, 125, 126, 130, 131, 133, 137, 139, 140, 142, 143, 145, 146, 147, 151, 152, 176, 228, 236, 343, 363, 369, 370, 371, 372
453
Gretl, III, V, 19, 20, 23, 24, 25, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 37, 43, 54, 199, 202 Griechenbuch, 109, 118, 176, 197 Griechenfrage, 108, 109, 110, 123, 126, 365 Griechenland, 61, 93, 96, 103, 110, 118, 125, 126, 128, 172, 184, 193, 223, 295, 296, 383, 405, 421 Grotefend, 1 Guatemala, 320, 325, 329 Günther, V, 230, 372, 373, 374 Gurney, V, 129, 130, 374 Güterbock, V, 21, 34, 71, 85, 88, 91, 124, 132, 134, 138, 141, 180, 228, 240, 242, 255, 332, 333, 334, 335, 354, 375, 376, 377, 404 Habilitation, II, 30, 34, 54, 60, 67, 68, 69, 70, 74, 76, 78, 97, 98, 99, 119, 136, 165, 166, 167, 265, 361, 363, 388, 401 Hager, 11, 337 Hahn, 170, 377, 378 Halil, 404 Hasan Cemal, 258 Hatti, 76, 131, 241 Hattisch, 46 Hattuça, 6, 350 Hebräisch, 178, 356, 382, 383 Hieroglyphenluwisch, 91, 97, 207 Hincks, 1 Hirsch, 170, 174 Hohe Schule, 289, 290, 291, 293, 311, 391 Hommel, 61, 67, 74, 142, 378, 403 Honduras, 278, 319, 320, 321, 329, 330, 331
454
Geografischer Index
Hoßfeld, 360 HroznŸ, 6, 41, 42, 45, 46, 47, 49, 53, 55, 74, 75, 76, 91, 102, 105, 117, 122, 133, 139, 141, 236, 378, 397, 398 Humann, 5, 407 Humboldt, 18 Hypoboreer, 324 Indien, 294, 295, 297 Indogermanen, 64, 150, 229, 230, 294 Indo-Hittite, 95 Indonesien, 314 Istanbul, 5, 175, 237, 255, 351, 354, 393, 404 Jerköi, 174, 199, 200 Kambodscha, 314 Kandia, 190, 191 Kanisisch, 45, 212, 422, 423 Köcher, V Kreta, 61, 63, 64, 96, 187, 188, 189, 190, 191, 193, 196, 199, 201, 203, 248, 284, 301, 351, 361, 383 Kretschmer, V, 106, 110, 126, 128, 131, 136, 236, 296, 380 Kurden, 200, 337 Kürschner, 304, 308 Landsberger, 228, 235, 255, 376, 380, 395 Lattaquié, 195, 214, 217, 218 Lechler, 229, 230, 233, 235, 251, 253, 254, 381 Lewy, V, 213, 228, 357, 380, 381, 406 Linear, 187, 356, 383, 402
Littmann, 9, 15, 382 Louisiana, 319 Luschan, 29, 52, 89, 150, 382 Luvier, 225, 259, 260, 296 Luwier, 92, 93, 96, 331, 332 Makridi, 5 Manda, 295, 296 Marinatos, 188, 190, 191, 383 Martin, 222, 223, 224, 225, 237, 393 Maya, 212, 262, 274, 276, 278, 324, 326 Maya-Kultur, 274 Meilen, 10 Meissner, 68, 70, 76, 78, 138, 142, 143, 148, 166, 235, 362, 383, 395 Meriggi, V, 91, 136, 205, 353 Meropis, 323, 326, 327, 337 Mexiko, 319, 324, 330 Meyer, V, VI, 15, 17, 18, 19, 20, 23, 24, 25, 27, 28, 29, 30, 31, 33, 35, 43, 44, 45, 47, 48, 50, 54, 60, 61, 62, 67, 71, 73, 74, 76, 77, 78, 84, 85, 86, 92, 94, 99, 102, 107, 113, 116, 118, 119, 121, 132, 133, 134, 137, 140, 142, 145, 148, 149, 151, 165, 166, 170, 172, 176, 177, 184, 233, 239, 240, 311, 356, 384, 385, 387 Midas, 314, 315, 317, 318, 326, 328 Milet, 39, 195, 407 Millavanda, 195, 333, 335, 336 Ministerium, 231, 232, 233, 238, 242, 245, 246, 247, 248, 249, 253, 261, 267, 270, 274 Mischrife, 218
Geografischer Index
455
Moortgat, 247, 301, 306, 385, 386 Muschelesser, 313 Museo Guzmán, III, 337 Museum, 10, 12, 16, 24, 27, 29, 33, 34, 37, 38, 40, 41, 42, 43, 44, 49, 52, 55, 56, 58, 86, 87, 88, 105, 111, 133, 137, 138, 139, 140, 141, 145, 180, 217, 241, 242, 243, 245, 247, 248, 249, 250, 280, 288, 300, 301, 302, 306, 307, 308, 337, 357, 359, 361, 362, 367, 370, 373, 376, 382, 386, 401, 404, 405 Mykene, 61, 104, 107
Orientalistentag, 70, 71, 73, 74, 112, 222 Orientgesellschaft, V, 6, 13, 16, 34, 39, 40, 41, 42, 47, 53, 55, 58, 71, 76, 79, 80, 84, 94, 95, 98, 103, 106, 107, 133, 170, 171, 172, 174, 284, 301, 357, 366, 375, 376, 378, 379, 385, 404 Otto, V, 27, 29, 30, 40, 42, 47, 48, 49, 50, 54, 55, 58, 61, 62, 67, 84, 133, 136, 137, 304, 350, 358, 360, 362, 382, 395, 403, 405
Neuchâtel, V New Orleans, 319 New York, 91, 92, 212, 214, 319, 356, 368, 387 Niebuhr, 1 NSDAP, 228, 238, 245, 280, 282, 288, 289, 293, 300, 301, 302, 303, 311, 314, 373, 384, 389, 390, 391, 392, 395 NSV, 282
Paris, VII, 1, 5, 42, 91, 103, 104, 152, 193, 194, 195, 257, 326, 327, 372, 381, 382, 402 Parteidienststellen, 283 Pelasger, 207 Picten, 324 Poebel, V, 68, 142, 172, 202, 388 Popol, 324 Portugal, 63, 324 Preußische Akademie der Wissenschaften, 408 Promotion, II, 10, 14, 17, 18, 20, 22, 28, 31, 34, 66, 147, 356, 358, 361, 369, 373, 376, 379, 388, 401 Pteria, 5 Puchstein, 5
Olmeken, 324 Oppenheim, V, 250, 251, 252, 253, 386 Oppert, 1 Orchomenos, 107 Oriental, III, V, 69, 95, 102, 123, 128, 144, 172, 176, 177, 178, 179, 182, 183, 184, 185, 187, 188, 190, 191, 193, 196, 198, 200, 201, 203, 204, 208, 209, 212, 213, 214, 218, 220, 222, 253, 260, 333, 349, 356, 368, 372, 377, 381, 387, 388, 402
Qal∞at-er-Rus, 257 Qal-at-er-rus, 217, 218 Ras Shamra, 190, 191, 192, 193, 194, 195, 350, 393 Rasse, 230, 313, 392 Ras-Shamra, 218
456
Geografischer Index
Raulwing, IX, 52, 108, 311, 385 Rawlinson, 1 Reichsamt, 284, 286 Reichsminister, 145, 232, 233, 265, 270, 272, 293, 392 Reinerth, V, 229, 230, 235, 237, 245, 251, 252, 253, 281, 285, 286, 287, 288, 290, 292, 293, 381, 388, 389, 408 Rodriguez, 330 Rosenberg, 252, 286, 289, 290, 389, 390, 391, 408 Royal Asiatic Society, 2 Rust, 228, 236, 265, 392 San, II, III, VIII, 275, 317, 320, 321, 322, 324, 326, 328, 333, 337 San Salvador, II Sapper, 15, 325 Schachermeyr, V, 51, 52, 54, 112, 124, 131, 385 Schaeffer, VII, 12, 190, 191, 192, 194, 197, 198, 214, 350, 392, 393 Schede, 237, 393, 394 Scherman, 61 Schliemann, 104, 105, 361 Schoch, 118, 325, 394 Schottland, 324 Schweiz, III, 18, 135, 147, 224, 273, 274, 280, 308, 309, 310, 319, 327, 362, 402 Seevölker, 207, 225 Settegast, 304, 307, 308 Silenus, 315, 317, 318, 323, 324, 326 Société Scientifique Fran~aise, 11 Soden, 238, 245, 280, 384, 394, 395
Sommer, I, III, V, 17, 19, 25, 28, 29, 30, 31, 37, 43, 47, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 82, 83, 92, 97, 105, 108, 110, 114, 116, 117, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 133, 134, 135, 136, 137, 139, 140, 141, 143, 144, 145, 147, 148, 150, 172, 176, 185, 210, 212, 217, 236, 241, 279, 280, 343, 352, 354, 363, 365, 369, 371, 396, 397, 398, 399, 400, 401 Spanien, 64, 324, 325, 405 Spiegelberg, 9, 15, 307 Spiegelburg, 15 Steinbeck, 48, 59, 84, 87, 88, 138, 238 Strabo, 13 Straßburg, VII, 3, 9, 10, 11, 12, 14, 15, 17, 18, 19, 21, 23, 29, 43, 90, 190, 191, 192, 197, 272, 301, 352, 361, 382, 383, 386, 393, 397, 402, 409 Streitberg, 61, 62, 108 Süffert, VIII, 11, 299 Swindler, 218, 401 Syrien, 12, 86, 94, 129, 145, 214, 215, 217, 218, 219, 220, 237, 241, 248, 252, 253, 257, 283, 284, 294, 301, 332, 336, 354, 368, 379, 382, 393, 402, 405 Szemerényi, I, II, 124, 134, 143, 147, 363 Tabali, 207 Tabalier, 259, 332 Tabalisch, 423 Talbot, 1 Tartessier, 324 Taruiça, 107
Geografischer Index
Tavium, 5 Tegucigalpa, 320, 321 Tell ˆalaf, 250 Tell Sukas, 218, 257 Tell-Sukas, 241 Teotihuacan, 319, 320 Texas, 319 Texier, 5 Theopompus, 317 Thesaurus Hethiticus, 83, 84, 86 Thumb, 15, 401 Trapezunt, 195 Troia, 10, 61, 102, 104, 107, 128, 208, 351, 355 Türk Tariª Kurumu, 258 Türk Tarih Kurumu, 256 Türkei, 31, 42, 104, 198, 217, 222, 248, 254, 255, 256, 257, 258, 260, 261, 283, 284, 301, 337, 350, 359, 368, 377, 379, 381, 393, 404, 408 Ugarit, 12, 192, 393 Ugaritisch, 192 Ungnad, V, 358, 364, 365, 398 Urheimat, 229, 314 Valle, 1 Ventris, 189, 356, 402 Verbeamtung, 144, 264, 269, 271, 274, 281
457
Virolleaud, 192, 194, 402 Von der Osten, 177 Vorderasiatische Abteilung, 38, 39, 49, 52, 84, 85, 138, 240, 302, 404 Vulkan, 44, 320 Walter, IX, 42, 50, 54, 61, 87, 136, 289, 293, 303, 349, 360, 404 Weber, V, 27, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 40, 47, 49, 50, 51, 52, 55, 58, 59, 60, 76, 84, 85, 86, 87, 88, 94, 133, 137, 138, 139, 144, 145, 146, 148, 239, 240, 241, 247, 362, 403, 404, 405, 406 Weidner, V, 28, 50, 52, 53, 55, 59, 60, 69, 139, 236, 240, 353, 354, 358, 362, 387, 406 Wiegand, 237, 252, 389, 393, 407, 408 Winckler, 5, 45, 149, 367, 377, 397, 403, 409 Yazilikaya, 5 Zimmer, 30, 43, 88, 241, 322, 326 Zinnland, 63, 64, 66, 325 Zürich, III, V, 10, 60, 272, 309, 310, 315, 318, 319, 326, 388 Zypern, 128, 193, 195, 198, 201, 393
Geografischer Kartenausschnitt Vorderasiens