Einführung in die Volkswirtschaftslehre. [Hauptbd.] [7., überarbeitete Auflage. Reprint 2018] 9783486806786, 9783486256239

Das Lehrbuch stellt nach der Überarbeitung in der 7. Auflage eine in sich abgerundete Gesamtdarstellung der Volkswirtsch

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German Pages 936 Year 2001

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur siebten Auflage
Erster Teil. Einführung in die Preistheorie
Erstes Kapitel. Die Grundprobleme der Volkswirtschaft
Zweites Kapitel. Der Markt: Angebot und Nachfrage Ein erster Überblick
Drittes Kapitel. Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie
Viertes Kapitel. Die Kosten
Fünftes Kapitel. Das Unternehmen und seine Umgebung
Sechstes Kapitel. Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz
Siebentes Kapitel. Marktmacht und Marktversagen
Achtes Kapitel. Faktormärkte
Zweiter Teil. Einführung in die Makroökonomische Theorie
Erstes Kapitel. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Zweites Kapitel. Arbeitslosigkeit und Inflation
Drittes Kapitel. Vom Geld
Viertes Kapitel. Ein "klassisches" makroökonomisches Modell
Fünftes Kapitel. Grundzüge der Keynesianischen Theorie I
Sechstes Kapitel. Die Gesamtnachfrage: Das Is-Lm-Modell
Siebentes Kapitel. Das Gesamtangebot: Alternative Makroökonomische Modelle
Achtes Kapitel. Stabilitätspolitische Kontroversen
Neuntes Kapitel. Öffentliche Schuld
Dritter Teil. Einführung in die Außenwirtschaftstheorie
Erstes Kapitel. Ursachen und Wirkungen Internationalen Handels
Zweites Kapitel. Zölle und andere Handelsbarrieren
Drittes Kapitel. Die Zahlungsbilanz
Viertes Kapitel. Der Wechselkurs
Fünftes Kapitel. Die Anpassung der Zahlungsbilanz
Sechstes Kapitel. Bestimmungsgründe des Wechselkurses
Siebentes Kapitel. Internationale Währungssysteme in Historischer Perspektive
Namensverzeichnis
Sachwortverzeichnis
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Einführung in die Volkswirtschaftslehre. [Hauptbd.] [7., überarbeitete Auflage. Reprint 2018]
 9783486806786, 9783486256239

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Einführung in die Volkswirtschaftslehre Von

Dr. Horst Demmler Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre

7., überarbeitete Auflage

R. Oldenbourg Verlag München Wien

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Demmler, Horst: E i n f ü h r u n g in die Volkswirtschaftslehre / von Horst Demmler. - München ; Wien : Oldenbourg [Hauptbd.]. . - 7., Überarb. Aufl.. - 2001 ISBN 3 - 4 8 6 - 2 5 6 2 3 - 8

© 2001 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Druck: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Druckerei GmbH ISBN 3 - 4 8 6 - 2 5 6 2 3 - 8

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil: Einführung in die Preistheorie Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft A. B. C. D.

Ausgangstatsachen der Volkswirtschaft Grundfragen der Volkswirtschaftslehre Probleme bei der Lösung der Grundfragen Die Lösung der Grundfragen in der Marktwirtschaft Anhang A. Gesamtertrag, Durchschnittsertrag und Grenzertrag B. Ein erster Hinweis auf das Äquimarginalprinzip

1 6 9 14 21 21 30

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage: Ein erster Überblick A. B. C. D. E. F. G.

Der Markt Die Nachfrage Das Angebot Die Marktpreisbildung Die Interdependenz von Märkten Höchst- und Mindestpreise Steuern und Subventionen

35 38 47 54 58 63 72

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie A. Die Beziehungen zwischen Gesamtgrößen, Durchschnittsgrößen und Grenzgrößen B. Marginal- und Äquimarginalprinzip C. Elastizität

79 88 102

Viertes Kapitel: Die Kosten A. B. C. D.

Vom Kostenbegriff der Klassiker zum Opportunitätskostenbegriff Das einzelwirtschaftliche Opportunitätskostenkalkül Die Kosten bei gegebener Betriebsgröße Die langfristigen Kostenfunktionen

123 127 136 145

Fünftes Kapitel: Das Unternehmen und seine Umgebung A. B. C.

Das Unternehmen als Organisationsform G c w i n n m a x i m i e r u n g als Unternehmensziel Die Marktformen

153 156 158

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz A. B. C. D. E. F.

Der optimale Produktionsplan Das Angebot Die Marktpreisbildung Staatliche Höchstpreise Steuern und Subventionen Vollständige Konkurrenz und Effizienz

163 175 190 200 204 207

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen A. B. C. D. E. F.

D a s Monopol Monopolistische Konkurrenz DasOligopol Wettbewerbspolitische M a ß n a h m e n gegen Marktmacht Öffentliche Güter Externe Effekte

219 239 241 261 272 273

Achtes Kapitel: Faktormärkte A. B. C. D. E.

Die Bedeutung der Faktormärkte und ihre Stellung im Wirtschaftskreislauf Die Faktornachfrage Der Faktor Boden Der Faktor Arbeit Kapital, Zins und G e w i n n

289 292 301 306 321

Zweiter Teil: Einführung in die Makroökonomische Theorie Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung A. B. C.

Einführung in die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für die Bundesrepublik Reale und nominale Größen

342 352 378

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation A. B.

Arbeitslosigkeit: Messung, Arten und Ursachen Die Inflation und ihre Kosten

387 410

Drittes Kapitel: Vom Geld A. B. C. D.

Was ist Geld? Das Geldangebot Die geldpolitischen Instrumente der Bundesbank Die Geldnachfrage

429 434 444 453

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell A. Das Saysche Theorem B. Grundzüge des klassischen Modells: Output, Beschäftigung und realer Zins C. Grundzüge des klassischen Modells: Geldmenge, Preisniveau und gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht

463 468 480

Fünftes Kapitel: Grundzüge der keynesianischen Theorie: Das Einkommen-Ausgaben-Modell A. Das kurzfristige Gleichgewicht im Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft B. Der elementare Multiplikator C. Das Gleichgewichtseinkommen in der geschlossenen Volkswirtschaft im Staat

495 502 507

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell A. B. C. D. E.

Gütermarktgleichgewicht und die IS-Kurve Geldmarktgleichgewicht und die LM-Kurve Die Bestimmung des Gleichgewichtseinkommens Geld- und Fiskalpolitik im IS-LM-Modell Das IS-LM-Modell als Theorie der Gesamtnachfrage Erster Exkurs: Alternative Einkommenshypothesen Zweiter Exkurs: Alternative Investitionstheorien

520 527 536 543 556 564 573

Siebentes Kapitel: Das Gesamtangebot: Alternative Makroökonomische Modelle A. B. C. D. E.

Die neoklassische Synthese Ein keynesianisches Modell mit starren Nominallöhnen Das monetaristische Modell Neue Klassische Makroökonomie Ein neokeynesianisches Modell

581 591 596 603 608

A c h t e s Kapitel: Stabilitätspolitische K o n t r o v e r s e n A. B. C.

Beschränkte Wirksamkeit der Fiskalpolitik 615 Allgemeine Einwände gegen diskretionäre stabilitätspolitische Maßnahmen 622 Die Regelbindung 629 N e u n t e s Kapitel: Ö f f e n t l i c h e S c h u l d

A. B. C. D. E.

Stand und Entwicklung der öffentlichen Schuld Ursachen der Staatsverschuldung Die Dynamik der Staats Verschuldung Die Messung des Haushaltsdefizits Die Last der öffentlichen Schuld

635 639 641 644 647

Dritter Teil: E i n f ü h r u n g in die A u ß e n w i r t s c h a f t s t h e o r i e E r s t e s K a p i t e l : U r s a c h e n und W i r k u n g e n i n t e r n a t i o n a l e n H a n d e l s A. Die wachsende Bedeutung des Außenhandels und die Außenhandelsverflechtung der Bundesrepublik Deutschland B. Das Theorem der komparativen Kosten C. Ursachen komparativer Vorteile D. Neuere Außenhandelstheorien

665 677 691 703

Z w e i t e s Kapitel: Zölle u n d a n d e r e H a n d e l s b a r r i e r e n A. B.

Handelsbarrieren und die Regeln des GATT Die Wirkung von Handelsbeschränkungen bei Wettbewerb auf dem Inlandsmarkt C. Zölle und Kontingente bei einem Monopol auf d e m Inlandsmarkt D. Zollargumente E. Zollunion

717 720 726 729 743

Drittes Kapitel: Die Z a h l u n g s b i l a n z A. B. C. D. E.

Das Grundschema der Zahlungsbilanz Die Teilbilanzen Das Buchungssystem Zahlungsbilanz und Wirtschaftskreislauf Zahlungsbilanzkonzepte

755 758 766 771 775

Viertes Kapitel: D e r Wechselkurs A. B. C. D.

Der nominale Wechselkurs Der reale Wechselkurs Der Außenwert der Währung Feste und flexible Wechselkurse

779 783 785 787

F ü n f t e s Kapitel: Die A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz A. Die Zahlungsbilanzanpassung bei festen Wechselkursen B. Wechselkursänderung und Zahlungsbilanz C. Die monetäre Theorie der Zahlungsbilanz

795 807 823

Sechstes Kapitel: B e s t i m m u n g s g r ü n d e des Wechselkurses A. B. C. D.

Die Kaufkraftparitätentheorie Zinsen, Erwartungen und Wechselkurs Die monetäre Wechselkurstheorie Die Portfoliotheorie

829 836 844 849

Siebentes Kapitel: Internationale Währungssysteme in historischer Perspektive A. B. C. D.

Internationale Währungssysteme in historischer Perspektive Das System von Bretton Woods Die Zeit nach Bretton Woods Vom Europäischen Wechselkurssystem zur Währungsunion

859 863 866 869

Namensverzeichnis

890

Sachwortverzeichnis

893

Vorwort zur siebten Auflage

Im April 1999 wurde die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für die Bundesrepublik Deutschland auf das neue Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen umgestellt. Das eigenständige deutsche System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wurde aufgegeben. Das neue System wurde zur gleichen Zeit auch in den anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union eingeführt. Gegenüber dem bisherigen System bringt das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen gravierende Veränderungen, die weitreichender sind als alle früheren Umstellungen. Vertraute Begriffe wie das Bruttosozialprodukt gibt es nicht mehr. Die Sektoreneinteilung wurde grundlegend geändert. Ein einheitlicher Unternehmenssektor existiert nicht mehr. Der Investitionsbegriff wurde wesentlich erweitert. Für die siebte Auflage des Lehrbuchs wurde deshalb das erste Kapitel des zweiten Teils über die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung neu geschrieben.

Vorwort zur sechsten Auflage Mit dieser sechsten Auflage wird das bei den Studenten beliebte Lehrbuch in beträchtlich erweiterter Form vorgelegt. Ich hoffe, damit die häufig geäußerten Wünsche vieler Leser zu erfüllen. Das Lehrbuch, das in den ersten fünf Auflagen eine Einführung in die Preistheorie war, wird mit dieser Auflage durch eine Einführung in die makroökonomische Theorie und die Theorie der Internationalen Wirtschaftsbeziehungen wesentlich ergänzt.

Vorwort zur ersten Auflage "Wenn wir etwas mit Mühe lesen, so ist der Autor gescheitert", hat Jorge Louis Borges mit Blick auf die schöne Literatur erklärt. Der Autor eines Lehrbuches kann leider nicht versprechen, daß die Lektüre seines Buches dem Leser keine Mühe bereiten wird. Er kann aber versuchen, dem Leser unnötige Mühe zu ersparen. Einfaches sollte nicht unnötig kompliziert dargestellt werden, Triviales nicht durch einen weihevollunverständlichen Wissenschaftsjargon in den Rang eines Mysteriums erhoben werden, zu dem nur Eingeweihte Zugang haben. "Wer's nicht einfach und klar sagen kann, der sollte schweigen und weiterarbeiten, bis er's klar sagen kann", hat Sir Karl Popper geschrieben. Es bleibt dem Leser überlassen zu beurteilen, ob der Verfasser besser geschwiegen hätte.

Das Lehrbuch ist aus Vorlesungen zur Einführung in die Volkswirtschaftslehre hervorgegangen, die ich in Gießen gehalten habe. Es ist die etwas erweiterte Fassung des mikroökonomischen Teils der Einführungsvorlesung. Das Buch bietet auch Studenten anderer Fachbereiche einen relativ geschlossenen Überblick über die Preistheorie und ist deshalb als Lehrbuch für Nebenfachstudenten und für Studenten an Fachhochschulen und Wirtschafts- und Verwaltungsakademien geeignet. Besonders freuen würde ich mich, wenn das Buch auch an den wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereichen in jenem Teil Deutschlands verwendet würde, dessen Bewohner eine mehr als vierzigjährige kommunistische Herrschaft ertragen mußten. Das vorliegende Buch weist einige Besonderheiten auf. Im ersten Kapitel wird ausführlich erläutert, wie komplex die Aufgabe ist, in einer modernen, auf Arbeitsteilung beruhenden Volkswirtschaft die Handlungen von Millionen Haushalten und Unternehmen zu koordinieren. Es wird gezeigt, wie es in einem marktwirtschaftlichen System unter idealen Bedingungen zu einer optimalen Allokation der Ressourcen kommt und wie wichtig die Rolle der Preise als Instrument der Koordination ist. Der Leser soll so in die Lage versetzt werden, die preistheoretischen Analysen in einen größeren Zusammenhang einzuordnen. Im zweiten Kapitel wird in einem einführenden Überblick gezeigt, wie sich auf einem Wettbewerbsmarkt die Preise bilden. Die Begriffe Konsumentenrente und Produzentenrente werden frühzeitig eingeführt. Dadurch ist es möglich, die Wirkungen von Höchst- und Mindestpreisen gründlich zu analysieren. Im dritten Kapitel wird der Leser mit dem elementaren mikroökonomischen Instrumentarium vertraut gemacht. Das Kapitel ist zugleich eine Einführung in die Denkweise der Ökonomen. Marginalprinzip, Äquimarginalprinzip und der Elastizitätsbegriff werden ausführlich behandelt. Auf die Darstellung der traditionellen Haushaltstheorie und der Produktionstheorie wurde verzichtet. Die Preistheorie konnte dadurch umfassender erörtert werden, als dies sonst möglich gewesen wäre. Im vierten Kapitel wird der für das ökonomische Verständnis wichtige Opportunitätskostenbegriff ausführlicher erläutert als in anderen Lehrbüchern. Vertrautheit mit dem Opportunitätskostenbegriff hilft, viele gedankliche und praktische Fehler zu vermeiden. Nach einer kurzen Einführung in die Theorie des Unternehmens, einer knappen Diskussion des Gewinnmaximierungsprinzips und einem Überblick über die Marktformen im fünften Kapitel wird im sechsten Kapitel die Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz erörtert. Außer dem kurzfristigen Gleichgewicht wird auch das langfristige Gleichgewicht bei vollständiger Konkurrenz dargestellt. Im letzten Teil des sechsten Kapitels wird das Thema des ersten Kapitels wieder aufgegriffen. Es wird gezeigt, daß es bei vollständiger Konkurrenz auf allen Märkten und Abwesenheit externer Effekte zu einer optimalen Faktorallokation kommt. Damit wird eine Grundlage für die Beurteilung alternativer Marktformen geschaffen. Im siebenten Kapitel wird zunächst die Preisbildung im Monopol einschließlich der monopolistischen Preisdifferenzierung ausführlich behandelt. Es wird nur ein einführender Überblick über die Preisbildung bei monopolistischer Konkurrenz und im Oligopol gegeben. Ich hoffe aber, daß die Darstellung der Oligopolpreisbildung dem

Leser dennoch die besonderen Probleme der Preisbildung bei dieser in der Realität wichtigen Marktform verständlich macht. Die preistheoretischen Analysen werden ergänzt durch einen Überblick über die wichtigsten wettbewerbspolitischen Fragen. Auch die wesentlichen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen werden dargestellt. Den Abschluß des Kapitels bildet eine Diskussion der externen Effekte. Im achten Kapitel wird die Faktorpreisbildung behandelt. Die Besonderheiten der Preisbildung bei den Faktoren Arbeit, Boden und Kapital werden erläutert. Den Studenten, die mich ermutigt haben, meine Vorlesung als Buch zu veröffentlichen, danke ich für Anregungen. Die Zeichnungen wurden zum größten Teil von Herrn Georg Wenisch angefertigt. Herr Heinz Bellendorf erstellte das Personen- und das Sachwortverzeichnis. Herr Axel Besser half mit Rat bei der Textverarbeitung. Herr Heinz Bellendorf, Herr Axel Besser, Frau Silke Specht und Frau Jutta Venitz haben Teile des Manuskripts gelesen. Herr Erik Theissen hat das gesamte Manuskript korrekturgelesen und wichtige Verbesserungsvorschläge gemacht. Mein besonderer Dank gilt Frau Kornelia Mambour, die einen Teil der Zeichnungen anfertigte, und mit großer Einsatzbereitschaft, Geduld und bewundernswerter Sachkenntnis in der Textverarbeitung eine unmittelbar reproduktionsfähige Vorlage erstellte.

Horst Demmler

Erster Teil

Einführung in die Preistheorie

Erstes Kapitel Die Grundprobleme der Volkswirtschaft A.

Ausgangstatsachen der Volkswirtschaft

1.

Das Problem der Knappheit

Alle Menschen haben Wünsche, die sie sich erfüllen möchten. Solche Wünsche nennt man Bedürfnisse. Man definiert: Ein Bedürfnis ist das Gefühl eines Mangels, verbunden mit dem Bestreben, diesen Mangel zu beseitigen.1 Die Mittel, die geeignet sind, die Bedürfnisse zu befriedigen, nennt man Güter. Man unterteilt die Güter häufig in Güter im engeren Sinne und Dienstleistungen. Brot, Wein, Kleidung und Autos sind Güter im engeren Sinne. Die Tätigkeiten eines Arztes, Anwalts oder Frisörs stellen Dienstleistungen dar. Unser Einkommen reicht nicht aus, alle Güter und Dienstleistungen zu kaufen, die wir haben möchten. Wir können nicht alle Bedürfnisse befriedigen. Auch der Millionär kann nicht alles kaufen, was er gerne kaufen möchte; er ist nicht reich genug. Unsere Welt ist und war - jedenfalls seit der Katastrophe im Garten Eden - eine Welt der Knappheit. Diese Knappheit zwingt uns zu wirtschaften. Der Einzelne muß wählen, welche Bedürfnisse befriedigt werden sollen. Schon als Kind lernt man, daß auf die Frage "welches von zwei Dingen möchtest Du haben?" die Antwort "beide" nicht zulässig ist. Die Entscheidung, ein Gut zu kaufen, bedeutet, daß man wegen dieser Entscheidung auf etwas anderes verzichten muß. Nur wenn alle Güter in unbeschränkter Menge zur Verfügung stünden und zu ihrer Gewinnung keine Anstrengungen erforderlich wären, könnten wir alle Bedürfnisse einschließlich des Bedürfnisses nach Freizeit befriedigen. Der Zwang zu wirtschaften entfiele. Es wäre sinnlos, Volkswirtschaftslehre zu studieren. Häufig sagt man, wir lebten heute in einer Gesellschaft des Überflusses. Tatsächlich ist unser Lebensstandard im Vergleich zum Lebensstandard unserer Vorfahren, die vor hundert Jahren lebten, oder im Vergleich zum Lebensstandard in den Entwicklungsländern sehr hoch. Wenn man mit der These von der Überflußgesellschaft aber meint, die Bürger selbst seien der Ansicht, ihre Bedürfnisse seien gesättigt, ihr Einkommen so hoch, daß sie sich alle Wünsche erfüllen könnten, so ist diese These nur schwer mit der Realität zu vereinbaren. Wir beobachten nämlich, daß alle Gruppen danach streben, ihr Einkommen zu erhöhen. Die Gewerkschaften rufen Streiks aus, um Lohnerhöhungen durchzusetzen, die um ein oder zwei Prozent höher sind als das, was die Arbeitgeber anbieten. Vorschläge, die Einkommen der Lehrer geringfügig zu kürzen, um die Lehrerarbeitslosigkeit zu vermindern, stoßen auf erbitterten Widerstand der Lehrerverbände. Die Bundesregierung verursacht Krisen in der Europäischen Gemeinschaft, um die Einkommen der Bauern geringfügig zu erhöhen. Kürzungen der Sozialleistungen rufen einen Sturm der Entrüstung hervor. Keiner möchte mehr Steuern zahlen als er muß. Die Zahl derer, die glauben, ihr Einkommen sei zu hoch, scheint also verschwindend klein zu sein. Die durchschnittliche Nettolohn- und -gehaltssumme der beschäftigten Arbeitnehmer betrug 1995 in Deutschland monatlich 2 600 DM. Der Wohlstand müßte also

1

D i e Definition geht zurück auf von Hermann, Friedrich B. W. Staatswirtschaftliche Untersuchungen, z w e i t e A u f l a g e , München 1874, Seite 5.

2

Erstes Kapitel: D i e Grandprobleme der Volkswirtschaft

beträchtlich steigen, wenn das durchschnittliche Nettoeinkommen so hoch sein sollte, wie das eines Oberstudienrats. 1 Doch scheint auch die Zahl der Oberstudienräte klein zu sein, die glauben, ihr Einkommen sei so hoch, daß sie sich alle Wünsche erfüllen können. Das heißt: Die Bürger unseres Landes sind der Meinung, daß sie nicht alle ihre Bedürfnisse befriedigen können. Das Prinzip der Knappheit zwingt sie zu wirtschaften. Was für den einzelnen gilt, gilt auch für die Gesellschaft. Das Grundproblem ist das der Knappheit. Gewiß können wir durch Produktion die Güter erzeugen, die geeignet sind, unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Wir können uns entscheiden, mehr Autos oder mehr Spülmaschinen herzustellen. Aber wenn wir mehr Arbeitskräfte und andere Sachmittel einsetzen, um mehr Autos zu produzieren, sind wir gezwungen, die Produktion anderer Güter einzuschränken. Wenn wir mehr arbeiten, müssen wir auf Freizeit verzichten. Wir benötigen knappe Ressourcen, um Güter zu produzieren. Unsere Produktionsmöglichkeiten sind durch unser technisches Wissen und die Menge und Qualität der verfügbaren Produktionsfaktoren beschränkt. Praktisch alle Ressourcen sind knapp. Diese Knappheit zwingt uns, Wahlentscheidungen zu treffen, das heißt, zu wirtschaften. In der Volkswirtschaftslehre analysieren wir die Wahlmöglichkeiten, die die Haushalte, die Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt haben. Auch für die Volkswirtschaft folgt aus der Knappheit, daß wir auf etwas verzichten müssen, wenn wir von einem Gut mehr haben wollen. Man sagt auch: There is no such thing as a free lunch. Es gibt nichts umsonst. Der Wert der Dinge, auf die man verzichten muß, wenn man sich entscheidet, mehr von einem Gut zu haben, sind die Kosten der Entscheidung. Diese Kosten nennt man auch Verzichtskosten oder Opportunitätskosten. Man definiert: Die Kosten einer Handlung oder Entscheidung sind gleich der am höchsten bewerteten Alternative, auf die man wegen der Handlung oder Entscheidung verzichten muß. 2.

Die Produktionsfaktoren

In unserer Welt der Knappheit fallen die Güter, die geeignet sind, unsere Bedürfnisse zu befriedigen, nicht wie Manna vom Himmel. Wir müssen arbeiten, um ein Hemd, ein Auto oder ein Haus herzustellen. Wir produzieren diese Güter nicht mit unseren Händen allein. Wir benutzen Werkzeuge, setzen Maschinen ein. Alle Mittel, die wir bei der Produktion von Gütern einsetzen, nennt man Produktionsfaktoren. Nach einer auf die Klassiker der Nationalökonomie 2 zurückgehenden großen lehrgeschichtlichen Tradition teilt man die Produktionsfaktoren in drei große Gruppen ein: Arbeit, Boden und Kapital. Die Klassiker stellten die Faktoren Arbeit und Boden als primäre oder originäre Produktionsfaktoren dem Faktor Kapital gegenüber, der als produziertes Produktionsmittel definiert wurde.

1

D a s Nettoeinkommen eines Oberstudienrats (letzte Dienstaltersstufe, verheiratet, ein Kind) belief sich 1995 auf mehr als 6 0 0 0 D M .

2

Zu den Klassikern der Volkswirtschaftslehre zählt man j e n e Wirtschaftswissenschaftler, die zum ersten Mal eine zusammenhängende Lehre von der Wirtschaft entwickelten und die so die Volkswirtschaftslehre als eigenständige wissenschaftliche Disziplin begründet haben. Die wichtigsten Vertreter der klassischen Schule sind A d a m Smith ( 1 7 2 3 - 1790), T h o m a s Robert Malthus ( 1 7 6 6 - 1 8 3 4 ) , David Ricardo (1772-1823), Jean Baptiste Say ( 1 7 6 7 - 1 8 3 1 ) und John Stuart Mill (1806-1873).

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

a.

3

Der Faktor Arbeit

In der Volkswirtschaftslehre versteht man unter Arbeit jede menschliche Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, Einkommen zu erzielen. Wir sprechen nicht von Arbeit, wenn der Student A. in seiner Freizeit Tennis spielt. Steffi Graf und Boris Becker hingegen arbeiten, wenn sie Tennis spielen. Man hat den Faktor Arbeit früher als originären Produktionsfaktor angesehen. Darunter verstand man einen Faktor, der nicht selbst das Ergebnis eines Produktionsprozesses ist. Tatsächlich ist heute der Faktor Arbeit in der Regel das Ergebnis von Investitionen in die Ausbildung und somit Produkt eines Produktionsprozesses wie Maschinen und Werkzeuge auch. Durch Investitionen in die Ausbildung werden Fähigkeiten erworben, die Kapital darstellen. Man nennt diese spezielle Form des Kapitals Humankapital. b.

Der Faktor Boden

Boden ist der Oberbegriff für die "natürlichen und unerschöpflichen Kräfte der Natur"; er ist ein Sammelbegriff für die Hilfsmittel, die von der Natur gratis zur Verfügung gestellt werden. Der Boden dient uns als Anbauboden bei der landwirtschaftlichen Produktion, als Abbauboden bei der Gewinnung von Rohstoffen und als Standort. Für die Klassiker war der Boden wie der Faktor Arbeit ein originärer Produktionsfaktor, der nicht Ergebnis eines Produktionsprozesses ist. Boden als originärer Produktionsfaktor stellt heute eine Ausnahme dar. Durch Rodung, Bewässerung, Entwässerung und andere Investitionen wurde die Qualität des Bodens verändert. Der Boden ist heute deshalb wie der Faktor Kapital Ergebnis von Produktionsprozessen. Der Boden ist aber als "Geschenk der Natur" der Menge nach begrenzt. Dies ist wegen des in der Volkswirtschaftslehre berühmten Gesetzes vom abnehmenden Ertragszuwachs von Bedeutung. Das Gesetz besagt, daß bei fortgesetzter Erhöhung der Einsatzmenge eines Faktors (des variablen Faktors) bei konstanter Einsatzmenge der übrigen Produktionsfaktoren schließlich ein Punkt erreicht wird, von dem an der zusätzliche Ertrag sinkt, der zusätzlichen Einheiten des variablen Faktors zu verdanken ist. Diesen zusätzlichen Ertrag pro zusätzlicher Faktoreinheit nennt man den Grenzertrag oder das Grenzprodukt des variablen Faktors. Ist zum Beispiel X das erzeugte Gut und der Faktor Arbeit (A) der variable Faktor, so läßt sich der Grenzertrag des Faktors Arbeit in der Produktion von X als AX/ AA schreiben. Der Grenzertrag gibt also die Veränderung des Outputs pro zusätzlich eingesetzter Faktoreinheit an.1 Das Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs besagt, daß es zu sinkenden Grenzerträgen des variablen Faktors kommen muß, wenn die Einsatzmenge des variablen Faktors kontinuierlich erhöht wird.

1

Siehe dazu auch den Anhang zu diesem Kapitel.

4

Erstes Kapitel: Die Gnindproblemc der Volkswirtschaft

Warum ist das so? Wenn das Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs nicht gälte, würde auf einer gegebenen Bodenfläche bei vermehrtem Arbeitseinsatz der Ertrag stets proportional oder überproportional steigen. Wir könnten zum Beispiel auf einer Fläche von zehn Hektar j e d e beliebige Menge Weizen erzeugen, wenn der Arbeitseinsatz entsprechend erhöht würde. Anders gesagt: Käme es nicht zu abnehmenden Ertragszuwächsen, müßte es möglich sein, die Weltbevölkerung aus einem Blumentopf zu ernähren. Wenn es bei vermehrtem Arbeitseinsatz zu sinkenden Ertragszuwächsen kommt, wird von einem bestimmten Arbeitseinsatz an auch der Ertrag pro Arbeiter sinken. Wenn im Zeitablauf die Bevölkerung kontinuierlich wächst und deshalb der Arbeitseinsatz bei gegebener Bodenfläche kontinuierlich steigt, wird dies bei sonst gleichen Bedingungen zu sinkenden Erträgen pro Arbeiter und somit zu sinkendem Pro-Kopf-Einkommen in der Volkswirtschaft führen. Es war dieser Zusammenhang, auf den der Pfarrer Thomas Robert Malthus (1766-1834) in seinem 1798 erschienenen "Essay on the principle of population" hingewiesen hat. Dieses Buch hat mit seinen Prognosen einen nachhaltigen Einfluß auf die Haltung gegenüber dem Bevölkerungswachstum gehabt. c.

Der Faktor Kapital

Zum Produktionsfaktor Kapital in einem weiteren Sinne zählt man alle Güter, die produziert, aber noch nicht an die Haushalte verkauft worden sind. Fabrikgebäude, Maschinen, Werkzeuge, aber auch die Lagerbestände der Unternehmen an Roh-, Hilfsund Betriebsstoffen, an Halb- und Fertigwaren, sind Kapital. Auch Konsumgüter, die produziert, aber noch nicht an die Haushalte verkauft wurden, stellen Kapital im weiteren Sinne dar. In einem engeren Sinne versteht man im Anschluß an die Klassiker unter Kapital nur die produzierten Produktionsmittel. Kapital im engeren Sinne sind also Güter, die hergestellt worden sind, damit sie bei der Herstellung anderer Güter eingesetzt werden können. Mit Hilfe von Kapital können wir bei gegebenem Arbeitseinsatz mehr produzieren. Anders gesagt: Der Einsatz von Kapitalgütern bewirkt, daß die Arbeitsproduktivität steigt. Der Bauer kann mit einem Traktor, einem Pflug und einem Mähdrescher mehr produzieren als ohne den Einsatz dieser Kapitalgüter. Allerdings muß man berücksichtigen, daß zur Herstellung der Kapitalgüter Ressourcen benötigt werden, und daß sich die Kapitalgüter abnutzen. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß Kapitalgüter netto produktiv sind. 3.

Die Produktionsmöglichkeiten

In einer modernen Volkswirtschaft wird eine fast unübersehbare Zahl von Gütern und Dienstleistungen in Hunderttausenden von Unternehmen produziert. Irgendwie muß entschieden werden, - was in welchen Mengen produziert werden soll, - wie die Produktionsfaktoren eingesetzt werden sollen und - wie die produzierten Güter verteilt werden sollen.

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

5

Um die Grundprobleme in verständlicher Form darstellen zu können, soll vereinfachend unterstellt werden, daß es nur zwei Güter oder Gütergruppen gibt, die produziert werden. Diese Güter können Brot und Bier - die wichtigsten Nahrungsmittel der Bauern im Mittelalter - oder Nahrung und Kleidung sein. Wir nennen die Güter X und Y. Die Reduktion der Gütervielfalt auf zwei Güter macht es möglich, den Grundtatbestand der Knappheit durch eine sogenannte Produktionsmöglichkeitenkurve, die man auch Transformationskurve nennt, zu veranschaulichen. Abb. 1.1

Abbildung 1.1 zeigt eine solche Produktionsmöglichkeitenkurve. Auf der Abszisse werden Mengeneinheiten des Gutes X und auf der Ordinate Mengeneinheiten des Gutes Y abgetragen. Die Produktionsmöglichkeitenkurve, die die Punkte A, B, C und D verbindet, gibt die verschiedenen Kombinationen der Güter X und Y an, die bei alternativer Verwendung einer gegebenen Menge von Produktionsfaktoren maximal hergestellt werden können. Die Transformationskurve gibt also an, welche Mengen von Y maximal hergestellt werden können, wenn eine bestimmte Menge von X produziert wird. Lage und Gestalt der Transformationskurve werden durch das technische Wissen und die Menge und Qualität der verfügbaren Produktionsfaktoren bestimmt. Der fundamentale Grundtatbestand der Knappheit zeigt sich darin, daß die Kurve von links oben nach rechts unten fällt, also eine negative Steigung hat. Das bedeutet: Wir müssen die Produktion von Y einschränken, wenn wir die Produktion von X erhöhen wollen. Soll zum Beispiel die Produktion von X von x, auf x 2 steigen, sind wir gezwungen, die Produktion des Gutes Y von y, auf y 2 zu senken. Die Erhöhung der Produktion von X ist deshalb mit Kosten verbunden. Die Opportunitätskosten der Steigerung der Produktion des Gutes X von x, auf x 2 sind gleich dem Wert, den die Ay Einheiten des Gutes Y haben, auf deren Produktion verzichtet werden muß. Punkte oberhalb der Transformationskurve können bei gegebenem technischen Wissen und gegebener Einsatzmenge der Produktionsfaktoren nicht erreicht werden. Damit Punkte auf der Transformationskurve realisiert werden, ist es erforderlich, die Produktionsfaktoren optimal einzusetzen. Geschieht das nicht, werden Punkte unterhalb der Transformationskurve verwirklicht. Es wird ineffizient produziert. Alle Punkte auf der

6

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

Transformationskurve geben Güterkombinationen an, die nur verwirklicht werden können, wenn effizient produziert wird. Effiziente Produktion bedeutet, daß es nicht mehr möglich ist, die Produktionsmenge eines Gutes zu erhöhen, ohne die eines anderen Gutes zu verringern. B.

Grundfragen der Volkswirtschaftslehre

1.

Was soll produziert werden?

Punkte auf der Transformationskurve wie A, B, C oder D in Abbildung 1.1 stellen alternative Güterbündel dar. Irgendwie muß entschieden werden, welche Güterbündel produziert werden sollen. In jedem Wirtschaftssystem muß die Frage, was produziert werden soll, beantwortet werden. Manche meinen, es sei am besten, wenn diese Frage durch den Staat, das Zentralkomitee einer herrschenden Partei oder die Regierung eines demokratischen Staates entschieden wird, weil diese Instanzen am besten wissen, was den Menschen nutzt, was ihre "wahren Bedürfnisse" sind. Der Staat müßte also entscheiden, ob es besser ist, mehr Fernsehgeräte oder mehr Kühlschränke zu produzieren, ob mehr Rosenkohl oder Blumenkohl angebaut werden sollte. In einer Demokratie überläßt man es den Bürgern zu entscheiden, welche Partei regieren soll. Sie bringen ihre Präferenzen in allgemeinen Wahlen zum Ausdruck. Man hält sie für fähig, solche Entscheidungen zu treffen. Es wäre widersprüchlich, den Bürgern zuzutrauen, die "richtige" Regierung zu wählen, sie aber für unfähig zu halten zu entscheiden, ob es für sie besser ist, Kraut oder Rüben zu kaufen. Die liberale Tradition, in der die Volkswirtschaftslehre seit Adam Smith (1723-1790) steht, hat dazu geführt, daß die Frage, was produziert werden soll, unter der Annahme analysiert wird, die individuellen Präferenzen sollten diese Entscheidung bestimmen. Man nennt die Forderung, die individuellen Präferenzen sollten den Ausschlag geben, das ökonomische Selbstbestimmungspostulat. Ein Wirtschaftssystem, in dem die Frage, was produziert werden soll, nach Maßgabe der individuellen Präferenzen entschieden wird, nennt man ein System mit Konsumentensouveränität. Gegen die Forderung, die individuellen Präferenzen sollten die Struktur der Produktion bestimmen, wird mitunter eingewandt, die Präferenzen seien nicht originär oder elementar, sondern ihrerseits durch Produktion und Werbung bestimmt. Die Konsumenten würden also veranlaßt, ihr Geld für die Befriedigung von Bedürfnissen auszugeben, die selbst produziert worden seien und deren Befriedigung deshalb unwichtig sei. Tatsächlich produzieren die Unternehmen nicht nur Güter, sondern zugleich den Wunsch, diese zu besitzen, und zwar durch den Akt der Produktion selbst und durch Werbung. Es gibt wenig konkrete Bedürfnisse, die originär in dem Sinne sind, daß sie unabhängig von der Produktion, dem Beispiel anderer oder gar Voraussetzung für die Erhaltung des Lebens sind. Unsere angeborenen oder originären Bedürfnisse sind vermutlich jene, die das Überleben in der kleinen Horde von Jägern und Sammlern ermöglicht haben, und die im Verlauf von 50 000 Generationen genetisch verankert wurden. Unsere originären Bedürfnisse sind die des Steinzeitmenschen. Die Geschichte der Zivilisation ist die

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

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Geschichte der Zähmung des Wilden in uns durch einen Prozeß kultureller Evolution, in dem sich differenzierte Bedürfnisse erst bildeten. Anders gesagt: Wenn Goethe keine Gedichte geschrieben hätte, wären wir nicht bestrebt, einen Band mit seinen Gedichten zu kaufen. Wenn Beethoven nicht komponiert hätte, hätten wir nicht den Wunsch, Schallplatten mit den späten Streichquartetten zu erwerben. Das Argument, die Befriedigung j e n e r Bedürfnisse, die erst durch die Produktion geschaffen werden, sei unwichtig, l ä u f t a u f die Behauptung hinaus, alle kulturellen Bedürfnisse seien unwichtig, Kunst und Kultur wertlos. Auch d i e Demokratie beruht auf der Forderung, die Bürger sollten die Möglichkeit haben, ihre Präferenzen in allgemeinen Wahlen geltend zu machen, obwohl auch diese Präferenzen nicht originär sind, sondern durch die geschichtliche Entwicklung, die gesellschaftliche Struktur, das Beispiel anderer und durch massive Werbung geprägt sind. Das ökonomische Selbstbestimmungsprinzip ist so gesehen das Korrelat zum Demokratieprinzip. Wenn die Entscheidung der Frage, was produziert werden soll, durch die individuellen Präferenzen bestimmt sein soll, müssen diejenigen, die die Produktionsentscheidungen treffen, hinreichend genau über die Präferenzen von Millionen von Haushalten informiert werden. Es muß gewährleistet werden, daß diese Informationen die Produktionsentscheidungen bestimmen. Die Produktionsentscheidungen müssen auf die Konsumentenwünsche abgestimmt werden. Eine wichtige Koordinationsaufgabe ist also zu lösen. 2.

W i e soll produziert w e r d e n ?

Auf die Frage, wie produziert werden soll, antworten wir: Die Produktionsfaktoren sollten so eingesetzt werden, daß es mit gegebenem Faktoreinsatz nicht mehr möglich ist, die Produktion eines Gutes zu erhöhen, ohne die eines anderen Gutes zu vermindern. Es sollte also effizient produziert werden. Graphisch gesehen bedeutet dies, daß ein Punkt auf der Transformationskurve erreicht wird. Wenn dieses Ziel erreicht werden soll, muß in jedem einzelnen Unternehmen effizient produziert werden. Wenn zum Beispiel auf den Feldern des Bauern A. nur Weizen und Mais produziert werden, so setzt effiziente Produktion voraus, daß Mais auf den Feldern angebaut wird, die dafür besonders geeignet sind. Würde auf solchen Feldern statt Mais Weizen angebaut und Mais auf jenen Feldern erzeugt, die sich besonders gut f ü r den Anbau von Weizen eignen, so würde ineffizient produziert. Es wäre möglich, mit gegebenem Faktoreinsatz von beiden Gütern mehr zu produzieren. Oder nehmen wir an, ein Bauer produziere auf Feldern unterschiedlicher Fruchtbarkeit nur Weizen. Effiziente Produktion bedeutet, daß der Faktor Arbeit in ganz bestimmter Weise auf die Felder verteilt wird. Wenn zum Beispiel der Faktor Arbeit so eingesetzt würde, d a ß der Grenzertrag des Faktors Arbeit, also der zusätzliche Ertrag, der dem Einsatz der letzten Einheit des Faktors Arbeit zu verdanken ist, auf Feld 1 größer wäre als auf Feld 2, würde das Ziel, effizient zu produzieren, verfehlt. Man könnte mit gegebenem Arbeitseinsatz mehr produzieren, indem mehr Arbeit auf Feld 1 und weniger Arbeit auf Feld 2 eingesetzt wird. 1

1

Vergleiche hierzu die Ausführungen zum Äquimarginalprinzip im Anhang zu diesem Kapitel.

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Erstes Kapitel: Die Grundproblemc der Volkswirtschaft

Der einzelne Bauer, der die Fruchtbarkeitsverhältnisse auf seinen Feldern kennt, weiß, w o er am besten Mais und wo er Weizen anbauen sollte. Er weiß aus Erfahrung, wie er seine Felder bewirtschaften muß, um mit gegebenem Arbeitseinsatz eine möglichst große M e n g e eines Gutes zu produzieren. Er allein kennt die besonderen Umstände des Ortes und der Zeit und kann deshalb die Aufgabe, effizient zu produzieren, so gut wie möglich lösen, obwohl er das spezielle Wissen kaum so weitergeben könnte, daß ein Dritter aufgrund seiner Informationen allein die optimalen Produktionsentscheidungen treffen könnte. W e n n in der Volkswirtschaft insgesamt effizient produziert werden soll, genügt es allerdings nicht, daß in jedem einzelnen Unternehmen effizient produziert wird. Es ist notwendig, daß es zu einer optimalen Arbeitsteilung zwischen den Unternehmen kommt. Die Produktionsfaktoren müssen optimal auf die Betriebe verteilt werden. So müssen zum Beispiel die insgesamt in der Produktion von Weizen eingesetzten Arbeitskräfte so auf die verschiedenen Unternehmen verteilt werden, daß der Grenzertrag des Faktors Arbeit in allen Unternehmen gleich groß ist. Wenn nämlich der Grenzertrag des Faktors Arbeit in Unternehmen A größer wäre als in Unternehmen B, könnte der Gesamtertrag an Weizen erhöht werden, indem mehr Arbeitskräfte im Unternehmen A und weniger Arbeitskräfte im Unternehmen B beschäftigt werden. W e n n in der Volkswirtschaft insgesamt Weizen und Mais effizient produziert werden sollen, genügt es nicht, daß jeder einzelne Bauer Weizen und Mais auf den Feldern anbaut, die d a f ü r besonders geeignet sind. Das schließt nämlich nicht aus, daß sowohl die Produktion von Weizen als auch die Produktion von Mais erhöht wird, indem Bauer A. mehr Mais und weniger Weizen und Bauer B. mehr Weizen und weniger Mais erzeugen. Es m u ß also in jeder Volkswirtschaft eine wichtige und sehr schwierige Koordinationsaufgabe gelöst werden. Es muß zu einer optimalen Verteilung der insgesamt eingesetzten Faktorleistungen auf die einzelnen Unternehmen und die Produktion der einzelnen Güter k o m m e n , wenn effizient produziert werden soll. Es stellt sich die Frage: Wie kann es erreicht werden, daß das besondere Wissen über die Produktionsmöglichkeiten, die Kenntnis der besonderen Umstände des Ortes und der Zeit, die unmittelbar nur in dezentralisierter Form in Hunderttausenden von Unternehmen vorhanden sind, genutzt wird und zugleich die gesamtwirtschaftliche Koordinationsaufgabe der optimalen Verteilung der Faktoren auf die Unternehmen gelöst wird? 3.

W i e sollen die Güter verteilt w e r d e n ?

Die produzierten Güter müssen irgendwie an die Bürger verteilt werden. Wenn man davon ausgeht, daß die Bürger selbst am besten wissen, was ihnen nutzt, ist es notwendig, bei der Verteilung der Güter die individuellen Präferenzen zu berücksichtigen. Der Antialkoholiker sollte also keinen Schnaps, der Nichtraucher keine Zigarren und der Vegetarier kein Schweinefleisch erhalten. Es muß verhindert werden, daß Frau Krause, die ein Paar weiße Tennisschuhe Größe 38 haben möchte, ein Paar schwarze Fußballschuhe Größe 4 4 erhält, die Herr Meyer gerne hätte. Wie kann es erreicht werden, daß Familie Müller ihren W ü n s c h e n entsprechend viel Blumenkohl und wenig Rosenkohl erhält und Familie Schmidt mehr Rosenkohl als Blumenkohl bekommt, weil das ihren Präferenzen entspricht?

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

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Auch die Informationen über die Präferenzen der Haushalte sind nicht in zentralisierter Form verfügbar. Sie sind unmittelbar nur als Wissen in den Köpfen von Millionen von Bürgern vorhanden. Wenn bei der Verteilung der Güter den individuellen Präferenzen Rechnung getragen werden soll, muß das nur in dezentralisierter Form verfügbare Wissen genutzt werden. Es ergibt sich also die Aufgabe, dieses Wissen so zu nutzen, daß die Güter "richtig" verteilt werden. Das Wissen wird dann optimal genutzt, wenn die Güter so verteilt werden, daß es nicht mehr möglich ist, durch Umverteilung einen besser zu stellen, ohne einen anderen schlechter zu stellen. C.

Probleme bei der Lösung der Grundfragen

1.

Probleme bei zentraler Planung

In jedem Wirtschaftssystem müssen die Grundprobleme der Volkswirtschaft gelöst werden. Es muß dafür gesorgt werden, daß die Produktionsentscheidungen auf die Konsumentenwünsche abgestimmt werden. Es muß effizient produziert werden. Die produzierten Güter müssen so verteilt werden, daß den unterschiedlichen Präferenzen der Menschen Rechnung getragen wird. Es sind schwierige Koordinationsaufgaben zu lösen. Es liegt nahe zu vermuten, daß diese Koordinationsaufgaben nur mit Hilfe eines Systems zentraler Planung gelöst werden können. Damit die Probleme durch umfassende und verbindliche zentrale Planung gelöst werden, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Die wichtigsten sind: - Zentrale Instanzen müßten hinreichend genau über die Präferenzen von Millionen von Haushalten informiert werden. Zentrale Behörden müßten also Kenntnisse haben, die unmittelbar nur die Bürger selbst besitzen. Dabei handelt es sich um ein Wissen, das zentraler Erfassung schwer zugänglich ist. - Zentrale Instanzen müßten über die Produktionsmöglichkeiten in Hunderttausenden von Betrieben so informiert werden, daß sie entscheiden können, was, wie und wo produziert werden soll. Es müßte einer zentralen Instanz ein Wissen verfügbar gemacht werden, das unmittelbar nur in Hunderttausenden von Betrieben vorhanden ist und das sich seiner Natur nach jedenfalls zum Teil statistischer Erfassung entzieht. - Zentrale Instanzen müßten in der Lage sein, eine gewaltige Masse an Informationen zu verarbeiten, um einen umfassenden, verbindlichen Plan aufzustellen. - Zentrale Instanzen müßten kontrollieren können, daß der Plan durchgeführt wird. Es wäre insbesondere ein gewaltiges Informationsproblem zu lösen. Dabei wären zentrale Instanzen vor allem darauf angewiesen, daß sie die richtigen Informationen über die Produktionsmöglichkeiten in den Betrieben erhalten. Welches Interesse aber sollten die Betriebe haben, zentrale Instanzen richtig zu informieren, wenn ihnen aufgrund ihrer Information mehr oder weniger schwer zu erfüllende Planaufgaben zugewiesen werden? Um abschätzen zu können, wie groß die Schwierigkeiten bei zentraler Planung sind, soll im folgenden Abschnitt dargelegt werden, wie komplex eine durch Arbeitsteilung und Spezialisierung charakterisierte moderne Volkswirtschaft ist.

10

2.

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

Arbeitsteilung, Spezialisierung und Komplexität

Eine moderne Industriegesellschaft ist durch die außerordentlich weitgehende Spezialisierung der Produktion und die damit verbundene Arbeitsteilung charakterisiert. Die meisten Menschen in den industrialisierten Ländern sind überwiegend damit beschäftigt, Güter und Dienstleistungen herzustellen, die nicht für sie selbst, sondern für andere bestimmt sind. Durch die Arbeitsteilung kann die Produktivität gesteigert werden. Adam Smith hat dies im ersten Kapitel seines berühmten Buches "Der Wohlstand der Nationen" erläutert. Über seinen Besuch in einer Stecknadelfabrik schreibt er: "Der eine Arbeiter zieht den Draht, der andere streckt ihn, ein dritter schneidet ihn, ein vierter spitzt ihn zu, ein fünfter schleift das obere Ende, damit der Kopf aufgesetzt werden kann. Auch die Herstellung des Kopfes erfordert zwei oder drei getrennte Arbeitsgänge. Das Ansetzen des Kopfes ist eine eigene Tätigkeit, ebenso das Weißglühen der Nadel, ja selbst das Verpacken der Nadel ist eine Arbeit für sich".1 Smith beobachtete, daß infolge der Arbeitsteilung zehn Arbeiter täglich 48 000 Nadeln herstellen konnten. Ohne Arbeitsteilung hätte der Einzelne dagegen nicht einmal zwanzig Nadeln fertigen können. Arbeitsteilung bewirkt also eine beträchtliche Erhöhung der Arbeitsproduktivität: - Sie erlaubt es dem Einzelnen, sich auf die Tätigkeiten zu spezialisieren, für die er besonders geeignet ist. Schon immer wußte man, wie Samuelson anmerkte, daß es zweckmäßig ist, wenn die Dicken fischen, die Schlanken jagen und die Geschickten zaubern. - Sie macht es möglich, spezielle Fähigkeiten zu entwickeln. Wer gleichzeitig Schreiner, Maurer, Programmierer und Anlageberater ist, wird nicht jene Fähigkeiten erlangen, die man erwirbt, wenn man sich als Schreiner oder Programmierer spezialisiert. - Sie macht die Verwendung spezieller Werkzeuge und Maschinen sinnvoll. Der Aufwand, der mit der Herstellung spezieller Produktionsmittel verbunden ist, lohnt sich nur, wenn diese hinreichend intensiv genutzt werden. Die Anschaffung einer Hebebühne lohnt sich nicht, wenn sie nur zweimal im Jahr benutzt wird. - Sie macht es möglich, die Produktion dort zu konzentrieren, wo die natürlichen Voraussetzungen für die Produktion besonders günstig sind. Man kann zwei Formen der Arbeitsteilung unterscheiden: die betriebliche und die gesellschaftliche Arbeitsteilung. Bei der betrieblichen Arbeitsteilung wird der

1

Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen, Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen. Aus dem Englischen nach der fünften Auflage übertragen und mit einer Würdigung v.on Horst Claus Recktenwald, München 1974, Seite 9- 10. Die erste englische Ausgabe des Wealth of Nations erschien 1776.

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

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Arbeitsvorgang in die einzelnen Teile zerlegt und auf die Arbeiter aufgeteilt. Die Tätigkeiten werden durch die Betriebsleitung koordiniert. Außerdem gibt es eine Arbeitsteilung zwischen den Betrieben: etwa zwischen dem Schreiner, dem Maurer und dem Installateur. Auch ihre Tätigkeiten müssen irgendwie koordiniert werden. Die Arbeitsteilung, durch welche die Produktivität erhöht werden kann, hat auch Schattenseiten. Die Menschen werden voneinander abhängig. Wegen der größeren Monotonie empfinden sie weniger Befriedigung in der Arbeit. Der Produktionsprozeß wird undurchschaubar. Gefühle der Einflußlosigkeit und der Bedeutungslosigkeit breiten sich aus. Im Anschluß an Karl Marx (1818-1883) spricht man von Entfremdung. Anders als es eine nostalgische Literatur häufig suggeriert, war die Arbeitsteilung mit ihren Schattenseiten in der "guten alten Zeit" keineswegs unbekannt. Was Adam Smith in seinem berühmten Stecknadelbeispiel beschrieb, wäre wohl selbst den Gewerbetreibenden des Mittelalters nicht allzu erstaunlich erschienen. Schon damals gab es vor allem eine ausgeprägte zwischenbetriebliche Arbeitsteilung. So gab es etwa im Schmiedehandwerk in Zentren wie Nürnberg oder Köln "Grobschmiede, Klein-, Huf-, Messerund Nagelschmiede, Harnischmacher und Haubenschmiede, Spengler, Keßler, Messingund Kupferschmiede, Nädler, Gürtler, Kannen-, Pfannen-, Silber- und Goldschmiede."1 Über Arbeitsmonotonie hatten gewiß auch schon die flandrischen Textilarbeiter im Mittelalter zu klagen. Über ihre Tätigkeiten lesen wir: "Das Sortieren der Wolle nach verschiedenen Stärken besorgten Frauen im Lagerhaus. Die großen Schmutzbrocken schlagen Männer heraus. Dann wurde die Wolle an Frauen weitergegeben, die entweder allein oder mit ihren Kindern in Räumen in der Stadt oder nahegelegenen Dörfern arbeiteten und die sie wuschen, kämmten, (ohne Spinnräder) spannten und das Garn mit zerlassener Butter schlichteten. Die übrige Arbeit wurde zumeist von paarweise arbeitenden Personen geleistet, die mechanische Bewegungen ausführten. An den Webstühlen für das schwere Tuch waren je zwei Männer nötig, die abwechselnd das Schiffchen warfen und die Pedale und das Webblatt niederdrückten, welche die Fäden fixierten. Vom Webstuhl ging das Tuch zum Walktrog, wo es in einer Lösung aus alkalischen Erden in heißem Wasser und Urin geschwemmt und verdickt und dann gewaschen wurde."2 Das Tuch wurde dann noch von den Färbern behandelt, und es folgten drei Appreturverfahren, das Dehnen, das Kardieren und das Scheren.3 Was die moderne industrialisierte Volkswirtschaft auszeichnet, ist der gewaltige Umfang, in dem spezialisierte Maschinen und Werkzeuge aller Art, also produzierte Produktionsmittel in der Produktion eingesetzt werden. Die Produktion erfolgt also mit Hilfe von Kapitalgütern, die selbst das Ergebnis eines Produktionsprozesses sind. Arbeitsteilung und Spezialisierung gewinnen so nach Art und Ausmaß eine neue Qualität. So konnten 1980 mit Hilfe einer Maschine fünfhundert Stecknadeln pro Minute hergestellt werden. Ein Arbeiter kann 24 Maschinen bedienen. Im Jahre 1980 waren in Großbritannien nur insgesamt fünfzig Arbeiter damit beschäftigt, Stecknadeln herzustellen.4

1

Hermann Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Band 1, München 1977, Seite 168.

2

Sylvia L. Thrupp, Das mittelalterliche Gewerbe, 1 000-1 500, in Cipolla/Borchardt, Europäische Wirtschaftsgeschichte, Band 1, Seite 161. (Englischer Originaltitel: The Fontana Economic History of Europe, Hrsg. Carlo M. Cipolla).

3

Ebenda.

4

Vergleiche Clifford Pratten, The Manufacture of Pins, Journal of Economic Literature, Band 18 (1980), Seite 93-96.

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Erstes Kapitel: Die Gnindproblemc der Volkswirtschaft

Der größte Teil der Beschäftigten stellt Güter her, die nicht unmittelbar d e m Konsum dienen. Sie produzieren Produktionsmittel, mit deren Hilfe andere Produktionsmittel hergestellt werden. In einem Stahlwerk wird Stahl produziert, aus dem Maschinen hergestellt werden, die im Bergwerk eingesetzt werden, um Kohle zu fördern, die wiederum zum Teil in Stahlwerken eingesetzt wird. Tatsächlich ist der Produktionsprozeß in einer modernen Industriegesellschaft so komplex, daß kaum jemand weiß, wie selbst scheinbar einfache Konsumgüter hergestellt werden. Weiß irgend jemand wirklich, wie Butter hergestellt wird? Der Bauer weiß, wie er die Kühe füttern m u ß und wie sie zu melken sind. Weiß er auch, wie die Milchkannen und die Lastkraftwagen produziert werden, die zum Transport der Milch benötigt werden? Wie stellt man die Kühleinrichtungen für die Molkerei her und wie den Stahl, der zu ihrer Produktion erforderlich ist? Wie repariert man die Kühltruhe, in der im Supermarkt die Butter aufbewahrt wird, wenn sie am Wochenende nicht funktioniert? 1 Niemand ist in der Lage, allein einen Bleistift herzustellen. 2 Die Holzfäller wissen, wie man die Bäume fällt, die das Holz für die Bleistifte liefern. Wie aber produziert man die Motorsägen, die die Holzfäller benötigen und wie den Stahl für die Sägen und das Walzwerk, in dem die Stahlbleche produziert werden? Wie erzeugt man den Hanf oder das Nylon für die Seile, mit deren Hilfe man die Baumstämme herunterzieht? W i e gewinnt man in Ceylon, Süd-Korea, Madagaskar oder Österreich den Graphit für die Bleistiftminen? Wer weiß wirklich, wie man Kupfer und Zink für den Messingring gewinnt, der das Radiergummi hält? Wie stellt man die winzigen, dünnen Messingbleche her? Wie gewinnt man aus dem Rüböl aus Indonesien durch Schwefelung die gelbliche, schwammig-elastische Masse, die man Faktis oder Ölkautschuk nennt, und die man zum Radieren von Bleistiftschrift benötigt? Unsere Vorstellungskraft reicht kaum aus, um sich ein Bild von der Komplexität einer modernen Volkswirtschaft zu machen. In der Bundesrepublik etwa kaufen 61 Millionen Menschen in 27 Millionen Haushalten täglich, wöchentlich, monatlich Millionen von Produkten. Sie kaufen nichteinfach Schuhe oder Fahrräder oder Tische, sondern sie wollen in der einundzwanzigsten Woche des Jahres 1989 in Gießen ein Paar weiße Damentennisschuhe Größe 38 erwerben. 23 Millionen beschäftigte Arbeitnehmer produzierten in 2,6 Millionen Arbeitsstätten und 2,1 Millionen Unternehmen im Jahre 1988 Güter und Dienstleistungen im Werte von 2 128 Milliarden DM. 3 Die Produktion findet statt in Stahlwerken, Bergwerken und Automobilfabriken, in Papierfabriken, Brauereien und Schlachthöfen, in Anwaltspraxen, Frisörsalons und Banken, in Gewerbeaufsichtsämtern, Eisdielen und Discos, in Tanzschulen und Baumschulen, in Universitäten und im Zirkus, in Krankenhäusern und in Krematorien. Es wird produziert bei Siemens, Thyssen, Nixdorf und in der Würstchenbude an der Straßenecke.

1

Vergleiche Armen A. Alchian and William P. Allen, Exchange and Production: Competition, Coordination and Control, zweite Auflage, Belmont 1977, Seite 14-15.

2

Siehe Milton und Rose Friedman, Free to Choose, New York und London 1979, Seite 11-13. Milton und Rose Friedman berichten über die erstaunliche Geschichte eines Bleistifts, der einem gewissen Mr. Leonard E. Read seine Entstehungsgeschichte erzählt, um zu zeigen, wie durch freiwilligen Tausch Tausende von Menschen in aller Welt kooperieren.

3

Die Zahlen über die Arbeitsstätten und Unternehmen beziehen sich auf die Volkszählung aus dem Jahre 1987.

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

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W i e ist es möglich, die Arbeit von 2,1 Millionen Unternehmen, in denen eine nicht mehr überschaubare Vielfalt an Produkten hergestellt wird, zu koordinieren? Wie können die Produktionsentscheidungen kontinuierlich auf die Konsumentenwünsche abgestimmt werden? Wie kann man die Güter so verteilen, daß den Präferenzen von Millionen von Haushalten in bezug auf Millionen von Gütern entsprochen wird? Der Versuch, die Probleme durch umfassende zentrale Planung zu lösen, scheitert daran, daß das Informationsproblem in einer komplexen, modernen Industriegesellschaft nicht bewältigt werden kann. Es ist unmöglich, eine zentrale Instanz hinreichend genau über die Präferenzen von Millionen von Haushalten in bezug auf Millionen von Produkten zu informieren. Es ist nicht möglich, eine zentrale Instanz so über die Produktionsmöglichkeiten in 2,1 Millionen Unternehmen und 2,6 Millionen Arbeitsstätten zu informieren, daß aufgrund dieser Informationen ein umfassender, verbindlicher Plan aufgestellt werden kann, in dem festgelegt wird, was und wie zu produzieren ist. 3.

P r o b l e m e bei der Lösung der G r u n d f r a g e n in einem marktwirtschaftlichen System

Es gibt eine Alternative zu einem System umfassender zentraler Planung: die Marktwirtschaft. Die Marktwirtschaft ist kein System, das von Menschen entworfen worden ist. Sie ist wie unsere Sprache Ergebnis eines Prozesses kultureller Evolution. Die Marktwirtschaft ist ein System dezentraler Planung, - in dem die Entscheidungen dezentral in den einzelnen Unternehmen und Haushalten getroffen werden, also von denen, die das Wissen über die Produktionsmöglichkeiten und Präferenzen haben, - in dem die dezentralen Entscheidungen mit Hilfe des Preissystems koordiniert werden und - in dem die Kontrolle durch den Wettbewerb erfolgt, der bewirkt, daß das einzelwirtschaftliche Erwerbsstreben auf eine gesamtwirtschaftlich erwünschte Produktion ausgerichtet wird. Man hat ein marktwirtschaftliches System wie folgt charakterisiert: "Wähle Deine Beschäftigung. Produziere was Du willst. Was Du tust, an wen Du verkaufst, von wem Du kaufst, die Preise, die Du forderst und zahlst, das alles ist Deine Sache. Es steht Dir, von wenigen Beschränkungen abgesehen, frei zu produzieren, was Du willst, gleichgültig, ob es benötigt wird oder nicht, ob schon zu viel davon vorhanden ist oder nicht. Es steht Dir frei, darauf zu verzichten, irgendeine Tätigkeit aufzunehmen, wie groß auch immer die Güterknappheit ist, wie dringend Deine Hilfe gebraucht wird. Es steht Dir frei, von dem zu kaufen, der bereit ist zu verkaufen und an den zu verkaufen, der willens ist, Deine Produkte zu kaufen. Es steht Dir auch frei, es abzulehnen zu kaufen

14

Erstes Kapitel: Die Grundproblemc der Volkswirtschaft

oder zu verkaufen, wann immer es Dir gefällt, aus jedem beliebigen Grund oder auch aus gar keinem Grund." 1 Man könnte auch sagen: Jeder macht, was er will, keiner macht, was er soll, aber alle machen mit. Ein solches System ist offenbar das Gegenstück zu einem System zentraler und verbindlicher Planung, in dem jeder macht, was er soll. Wie aber kann ein solches System in einer durch Arbeitsteilung und Spezialisierung charakterisierten Volkswirtschaft funktionieren, in der jede Entscheidung von anderen Entscheidungen abhängt und deshalb schwierige Koordinationsaufgaben gelöst werden müssen? Warum produziert das System kein Chaos? Wie ist es möglich, daß in einem solchen System die Bewohner Gießens, Frankfurts oder Münchens täglich mit allen Gütern versorgt werden, die sie zu kaufen wünschen? Tatsächlich sehen wir: Die Bürger Gießens, Frankfurts, Münchens werden täglich, wöchentlich, monatlich mit allen Gütern versorgt, ohne daß es ins Gewicht fallende Mangelsituationen oder Überschüsse gibt und obwohl keiner weiß, wieviel Brot, Milch, Patenthämmer, Schwallbrausen und Damentennisschuhe der Größe 38 die Bürger Gießens oder Frankfurts zu kaufen wünschen. Wir stellen fest, daß es Mangelsituationen oder Überschüsse regelmäßig dann gibt, wenn der Staat eingreift, indem er etwa einen Mietstopp erläßt oder Mindestpreise für landwirtschaftliche Produkte festsetzt. Wir sehen auch, daß Engpässe und Versorgungsschwierigkeiten zum gewohnten Bild jener Volkswirtschaften gehören, in denen versucht wird, durch zentrale Planung die komplexen Koordinierungsaufgaben zu lösen. Es war diese, für die kommunistischen Länder typische Erscheinung, die einen Sprayer inspirierte, an die Berliner Mauer zu schreiben: Montags kein Brot, freitags kein Bier, lieber Erich, wir danken Dir! Es war nicht zuletzt die Unfähigkeit der Machthaber in den vormals kommunistischen Ländern, die Grundfragen der Volkswirtschaft in einer arbeitsteiligen und komplexen Industriegesellschaft durch zentrale Planung zu lösen, die die revolutionären Veränderungen im früheren Ostblock ausgelöst und die in der DDR zum Sturz Erich Honeckers und zur Beseitigung des SED-Regimes geführt hat. D.

Die Lösung der Grundfragen in der Marktwirtschaft 2

1.

Was wird produziert?

Die Frage, was produziert wird, wird in einem marktwirtschaftlichen System durch die unabhängigen Entscheidungen von Millionen von Haushalten und Hunderttausenden von

1

Sumner H. Slichter, Modem Economic Society, New York 1928, Seite 36.

2

Die Lektüre dieses Abschnitts mag dem Leser Schwierigkeiten bereiten. Es ist nicht schlimm, wenn er einige Teile nicht ganz versteht. Das Thema wird am Ende des sechsten Kapitels noch einmal aufgegriffen. Mit den in den ersten sechs Kapiteln erworbenen Kenntnissen wird es dann leichter sein zu verstehen, wie in einem marktwirtschaftlichen System - unter idealen Bedingungen - die Grundfragen gelöst werden.

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

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Unternehmen gelöst. Die Haushalte geben ihr Geld so aus, daß sie bei gegebenem Einkommen ihre Bedürfnisse möglichst gut befriedigen. Sie lassen sich bei ihren Entscheidungen von ihren Präferenzen und von den Preisen der Güter leiten. Die Unternehmer treffen ihre Entscheidungen, indem sie die Produktionsmöglichkeiten in ihren Betrieben berücksichtigen. Sie lassen sich von den Preisen der Produktionsfaktoren und von den GUterpreisen leiten, die sie beim Verkauf erzielen können. Die Entscheidungen der Haushalte und der Unternehmen erfolgen unabhängig voneinander. Der einzelne Haushalt, der Milch oder Eier kauft, kümmert sich nicht darum, wieviel Milch und Eier die anderen Haushalte kaufen. Der einzelne Bauer weiß nicht, wieviele Eier in den anderen Betrieben produziert werden. Jeder macht, was er will. Natürlich ist es notwendig, daß die Entscheidungen der Nachfrager und der Anbieter aufeinander abgestimmt werden. Eine gewaltige Koordinationsaufgabe muß gelöst werden. Wie geschieht das? In einem marktwirtschaftlichen System wird die Koordinationsaufgabe mit Hilfe des Preissystems gelöst. In groben Zügen ist die Art und Weise, wie das geschieht, aus der Alltagserfahrung bekannt. Wenn wir ein Gut hinreichend dringend wünschen, sind wir bereit, soviel dafür zu zahlen, daß sich die Produktion des Gutes lohnt. Welche Mengen wir zu kaufen wünschen, hängt von den Preisen ab, die wir zahlen müssen. Ist Kalbfleisch billig und Rindfleisch teuer, werden wir viel Kalbfleisch und wenig Rindfleisch kaufen. Die Menge, die wir von einem bestimmten Gut zu kaufen wünschen, ist um so größer, j e niedriger der Preis ist. In Abbildung 1.2 werden auf der Abszisse Einheiten des Gutes X und auf der Ordinate der Preis des Gutes X abgetragen. A b b . 1.2 P

0

x

Die eingezeichnete N a c h f r a g e k u r v e N hat einen von links oben nach rechts unten fallenden Verlauf. Die Menge, die von X nachgefragt wird, ist also um so größer, j e niedriger der Preis ist.

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Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

Die Produzenten werden eine um so größere Menge anbieten, je höher der Preis ist. Steigt der Preis von Weizen relativ zum Preis von Mais, lohnt es sich für die Bauern, mehr Weizen und weniger Mais anzubauen. In Abbildung 1.3 hat deshalb die Angebotskurve für ein Gut X einen von links unten nach rechts oben steigenden Verlauf.

Die Menge, die von X angeboten wird, ist also um so größer, je höher der Preis ist. Der Preis bildet sich am Markt durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. In Abbildung 1.4 schneiden sich die Nachfragekurve und die Angebotskurve beim Preis Po und der Menge x 0 . Wir nennen p0 den Gleichgewichtspreis und x0 die Gleichgewichtsmenge. Bei einem Preis, der wie der Preis p, kleiner ist als der Gleichgewichtspreis Po, ist die Menge x,, die angeboten wird, kleiner als die Menge x2, die nachgefragt wird. Abb. 1.4

Es gibt beim Preis p, zahlreiche Nachfrager, deren Kaufwünsche nicht befriedigt werden können. Es ergibt sich ein Nachfrageüberschuß. Ein Preis, der wie der Preis p, kleiner ist als der Gleichgewichtspreis, wird auf einem freien Markt nicht langfristig Bestand haben. Einige Nachfrager werden höhere Preise anbieten, um das Gut zu erhalten. Die Anbieter werden erkennen, daß sie höhere Preise durchsetzen können. Der Preis wird steigen. Erst bei einem Preis p 0 ist die angebotene Menge gleich der nachgefragten Menge. Es besteht keine Preissteigerungstendenz mehr.

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

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Andererseits würde auch ein Preis, der größer als p0 ist, bei Wettbewerb keinen Bestand haben. Die Anbieter wären nicht in der Lage, die Menge zu verkaufen, die sie verkaufen möchten. Einige Anbieter werden erkennen, daß es für sie vorteilhaft ist, ihre Konkurrenten zu unterbieten. Der Prozeß der Preisunterbietung hält an, bis der Gleichgewichtspreis Po erreicht wird. Beim Gleichgewichtspreis p0 können alle Anbieter soviel verkaufen, wie sie möchten und alle Nachfrager soviel kaufen, wie sie zu kaufen wünschen. Durch den Preismechanismus wird die Koordinationsaufgabe gelöst, die Produktionsentscheidungen auf die Käuferwünsche abzustimmen. Bilden sich für alle Güter Gleichgewichtspreise, können alle Unternehmen und alle Haushalte ihre einzelwirtschaftlichen Pläne realisieren. Der Preismechanismus bewirkt eine vollständige Koordination aller Entscheidungen. Nehmen wir an, die Bürger haben den Wunsch, mehr Fleisch und weniger Kartoffeln zu konsumieren als bisher. Offenbar ist es notwendig, daß die Produzenten irgendwie über die veränderten Präferenzen informiert werden und daß sie veranlaßt werden, auf diese Informationen zu reagieren, indem sie mehr Fleisch und weniger Kartoffeln erzeugen. Wer informiert die Produzenten und wer zwingt sie, in der gewünschten Weise zu reagieren? Wir wissen, daß die Bürger keine Petitionen an die Bundestagsabgeordneten richten, um diese zu bitten, dafür zu sorgen, daß mehr Fleisch produziert wird. Die Regierung erläßt keine Anordnungen an Hunderttausende von Bauern, um diese zu verpflichten, die Produktion von Fleisch zu steigern. Die veränderten Präferenzen bedeuten, daß die Konsumenten bei gegebenen Preisen mehr Fleisch als bisher zu kaufen wünschen.

In Abbildung 1.5 ist N 0 die ursprüngliche Nachfragekurve. Wegen ihrer größeren Vorliebe für Fleisch fragen die Bürger jetzt bei alternativen Preisen jeweils mehr nach. Graphisch bedeutet dies, daß sich die Nachfragekurve nach rechts verschiebt. N, ist die neue Nachfragekurve. Beim bisherigen Gleichgewichtspreis p 0 ist die jetzt nachgefragte Menge größer als die angebotene Menge. Der Preis steigt. Der neue Gleichgewichtspreis ist p,. Zu diesem Preis wird die Menge x, angeboten und nachgefragt.

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Erstes Kapitel: Die Grundproblcmc der Volkswirtschaft

Durch den steigenden Preis werden Zehntausende von Unternehmen über die geänderten Präferenzen informiert. Zugleich erhalten sie einen Anreiz, mehr Ressourcen f ü r die Produktion von Fleisch zu verwenden. Der Preis erfüllt die Funktion der Information und der Motivation. Aber auch die Käufer werden durch den steigenden Preis über die größere Knappheit des Gutes informiert. Sie erhalten so einen Anreiz, das teurer gewordene Gut durch andere Güter zu ersetzen. Sie kaufen bei dem höheren Preis p, weniger als sie beim bisherigen Gleichgewichtspreis p 0 zu kaufen wünschten. U m Güter zu produzieren, werden Produktionsfaktoren benötigt. Auch f ü r diese Produktionsfaktoren bilden sich durch Angebot und Nachfrage Preise. Den Unternehmen entstehen Kosten, weil sie f ü r die Produktionsfaktoren oder für ihre Nutzung Preise zahlen müssen. Die Kosten, die bei der Produktion eines bestimmten Gutes entstehen, sind gleich den Zahlungen an die Faktoreigner, die notwendig sind, um diese zu veranlassen, ihre Faktoren f ü r die Produktion eines bestimmten Gutes zur Verfügung zu stellen. Die Preise, die f ü r die Faktoren gezahlt werden müssen, hängen davon ab, welche Preise die Faktoreigner erzielen könnten, wenn sie ihre Faktoren für die Produktion anderer Güter zur Verfügung stellen. Die Faktorpreise, die die Faktoreigner bei alternativer Verwendung der Faktoren erzielen können, werden bestimmt durch die Mengen, die von anderen Gütern mit Hilfe der Faktoren erzeugt werden können, und durch die Preise, zu denen die Güter am Markt verkauft werden können. Die Faktorpreise sind also Ausdruck des Produktionswertes, der bei alternativer Verwendung der Faktoren erzeugt werden könnte. Anders gesagt: Die Faktorpreise sind Ausdruck der volkswirtschaftlichen Opportunitätskosten, die mit dem Einsatz der Faktoren verbunden sind. Somit sind auch die Produktionskosten, die einem Unternehmen durch den Einsatz von Produktionsfaktoren entstehen, Ausdruck der volkswirtschaftlichen Opportunitätskosten. Die Kosten spiegeln den Wert der Güter wider, die erzeugt werden könnten, wenn die Produktionsfaktoren f ü r die Produktion anderer Güter eingesetzt würden. Die Unternehmen sind bestrebt, ihren Gewinn zu maximieren. Der Gewinn ist die Differenz aus Erlös und Kosten. Es lohnt sich für die Unternehmen, ihre Produktionsmenge zu erhöhen, wenn die zusätzlichen Kosten kleiner sind als der zusätzliche Erlös, der beim Verkauf der Güter erzielt werden kann. Die Unternehmen werden bei Konkurrenz fortfahren, die Produktion zu erhöhen, bis die zusätzlichen Kosten der Produktion der letzten Einheit gleich dem Erlös der letzten Einheit, also gleich dem Preis des erzeugten Gutes sind. Die zusätzlichen Kosten, die infolge der Produktion der letzen Einheit entstehen, geben an, wie hoch der Wert der anderen Güter ist, die erzeugt werden könnten, wenn die zur Produktion der letzten Einheit eines Gutes benötigten Faktoren in der Produktion anderer Güter eingesetzt würden. D a d i e Produktionsmenge nur erhöht wird, wenn die zusätzlichen Kosten kleiner sind als der Preis, den die Käufer eines Gutes zu zahlen bereit sind, ist der zusätzliche Produktionswert, der geschaffen wird, niemals kleiner, als der Produktionswert der anderen Güter, die man mit Hilfe der Produktionsfaktoren hätte erzeugen können. W e n n alle Unternehmen - wie gezeigt - eine solche Menge eines Gutes produzieren, daß die zusätzlichen Kosten der Produktion der letzten Einheit gleich dem Preis des erzeugten Gutes sind, kann mit Hilfe der Ressourcen, die eingespart werden, indem man von einem Gut weniger produziert, nichts hergestellt werden, dessen Produktionswert größer ist als der Wert der Produktion, auf den man verzichten müßte.

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

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Wenn die sich auf den Märkten bildenden Preise Gleichgewichtspreise sind, kann jeder Haushalt von allen Gütern die Mengen kaufen, die er bei gegebenem Einkommen kaufen möchte. Der einzelne Haushalt wird sein Geld so ausgeben, daß er nur Dinge kauft, die für ihn mindestens so nützlich sind, wie die Güter, die er stattdessen kaufen könnte. Das bedeutet: Mit Hilfe der Ressourcen, die verfügbar werden, wenn von einem Gut weniger produziert wird, kann nichts produziert werden, was irgendein Haushalt für nützlicher hält, als die Güter, die tatsächlich hergestellt werden. Die Frage, was produziert werden soll, wird also in einem marktwirtschaftlichen System unter bestimmten idealen Bedingungen - die hier implizit unterstellt werden - optimal gelöst. Es ist nicht mehr möglich, irgendeinen Haushalt besser zu stellen, indem man mehr von einem Gut und weniger von einem anderen Gut herstellt, ohne daß dadurch gleichzeitig ein anderer Haushalt schlechtergestellt wird. 2.

Wie wird produziert?

Das zweite Hauptproblem, das in jedem Wirtschaftssystem gelöst werden muß, besteht darin, die Volkswirtschaft so zu organisieren, daß effizient produziert wird. Die Produktionsfaktoren müssen so eingesetzt werden, daß es nicht mehr möglich ist, die Produktion eines Gutes zu erhöhen, ohne daß die eines anderen Gutes verringert wird. Um effizient zu produzieren, ist es notwendig, das Wissen über die Produktionsmöglichkeiten, die Kenntnisse der besonderen Umstände des Ortes und der Zeit, die nur in dezentralisierter Form in Hunderttausenden von Betrieben verfügbar sind, zu nutzen. In einem marktwirtschaftlichen System geschieht das, indem man die Produktionsentscheidungen denen überläßt, die unmittelbar über dieses Wissen verfügen: den Unternehmen selbst. Wenn den Unternehmen die Differenz zwischen den Erlösen und den Kosten als Gewinn zufließt, werden sie bemüht sein, eine gegebene Menge eines Gutes mit minimalen Kosten zu produzieren. Sie werden mit gegebenen Ressourcen möglichst viel produzieren. Der Gewinnanreiz und der Wettbewerb sorgen dafür, daß in den Betrieben effizient produziert wird. Soll gesamtwirtschaftlich effizient produziert werden, genügt es aber nicht, wenn in jedem einzelnen Unternehmen effizient produziert wird. Die vorhandenen Faktoren müssen optimal auf die einzelnen Betriebe und die Produktion der verschiedenen Güter verteilt werden. Es muß eine wichtige gesamtwirtschaftliche Koordinationsaufgabe gelöst werden. Wie geschieht das? Wir haben bereits erläutert: Der Preis, den eine Unternehmung für einen Produktionsfaktor zu zahlen hat, gibt den Produktionswert an, der mit Hilfe des Faktors in anderen Unternehmen erzeugt werden könnte. Wird eine Einheit eines Produktionsfaktors zusätzlich im Unternehmen A eingesetzt, so spiegelt der Preis des Produktionsfaktors den Wert des Produktionsausfalls wider, der dadurch an anderer Stelle der Volkswirtschaft eintritt. Der Preis eines Faktors ist Ausdruck der volkswirtschaftlichen Opportunitätskosten, die mit dem Einsatz des Faktors verbunden sind.

20

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

Die Faktorpreise erfüllen so eine wichtige Informations- und Motivationsfunktion. Die Unternehmen werden durch die Faktorpreise darüber informiert, wie groß der Produktionswert ist, der bei alternativem Einsatz erzeugt werden könnte. Es wird verhindert, daß Faktoren in Unternehmen eingesetzt werden, in denen sie einen geringeren Produktionswert erzeugen als bei alternativer Verwendung. Für jedes einzelne Unternehmen lohnt es sich, den Faktoreinsatz zu erhöhen, wenn der Wert der zusätzlichen Produktion noch größer ist als der Faktorpreis, das heißt größer ist als der Wert des Produktionsausfalls, der an anderer Stelle der Volkswirtschaft entsteht. Der Faktoreinsatz wird also von allen Unternehmen so lange erhöht, bis der Wert der zusätzlichen Produktion, der einer zusätzlichen Einheit eines Faktors zu verdanken ist, gleich dem Faktorpreis ist. Anders gesagt: Die Unternehmen setzen in der Produktion solche Faktormengen ein, daß der Wert der zusätzlichen Produktion, der der letzen Faktoreinheit zu verdanken ist, in allen Unternehmen gleich groß ist. Das bedeutet: Der Gesamtwert der Produktion wird maximiert. Wäre nämlich der Wert der zusätzlichen Produktion der letzten Faktoreinheit im Unternehmen A größer als im Unternehmen B, könnte der Produktionswert noch erhöht werden, indem mehr von dem Faktor im Unternehmen A und weniger im Unternehmen B eingesetzt wird. Wenn die Faktoren so eingesetzt werden, daß der Gesamtwert der Produktion maximiert wird, wird effizient produziert. Es ist nicht mehr möglich, die Produktion eines Gutes zu erhöhen, ohne die eines anderen zu verringern. Wenn zum Beispiel nur die Güter X und Y produziert werden, so ist bei gegebenen, durch Angebot und Nachfrage bestimmten Güterpreisen der Gesamtwert der Produktion gleich p x x + py y. Wenn dieser Wert ein Maximum ist, ist es nicht mehr möglich, die Produktion von X zu erhöhen, ohne die Produktionsmenge von Y zu verringern. Es wird ein Punkt auf der Transformationskurve erreicht. 3.

Wie w e r d e n die Güter verteilt?

Das dritte Grundproblem, das in jeder Volkswirtschaft gelöst werden muß, besteht darin, die Güter "richtig" zu verteilen. Geht man vom ökonomischen Selbstbestimmungspostulat aus, so muß bei der Verteilung der Güter den unterschiedlichen Präferenzen Rechnung getragen werden. Wie stellen wir sicher, daß der Nichtraucher keine Zigarren erhält und der Freund der Musik von Mauricio Kagel und Luigi Nono nicht mit Schallplatten der Mainzer Hofsänger bedacht wird? Die marktwirtschaftliche Lösung dieses Problems ist einfach und allen bekannt. Man überläßt die Kaufentscheidungen denen, die allein ihre Präferenzen kennen: den Bürgern selbst. Sind die sich am Markt bildenden Preise Gleichgewichtspreise, können alle ihre Konsumpläne realisieren. Jeder wird bemüht sein, sein Geld so auszugeben, daß er mit gegebenem Einkommen seine Bedürfnisse optimal befriedigt. Jeder wird die Güter kaufen, die er mindestens so hoch einschätzt wie die, die er mit gegebenem Einkommen auch hätte kaufen können. Es ergibt sich eine Verteilung der Güter auf die Haushalte, die optimal in dem Sinne ist, daß es nicht mehr möglich ist, durch Umverteilung einen Haushalt besser zu stellen, ohne einen anderen schlechter zu stellen. Dies bedeutet nicht, daß die sich ergebende Verteilung der Güter fair oder gerecht ist. Das wäre nur dann so, wenn die Einkommensverteilung in einer Marktwirtschaft gerecht wäre. Der Marktmechanismus bewirkt jedoch nicht, daß die Einkommen so verteilt werden, wie es unseren allerdings sehr unterschiedlichen Gerechtigkeitsvorstellungen

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

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entspricht. Es ist deshalb Aufgabe des Staates, durch Umverteilungsmaßnahmen dafür zu sorgen, daß sich eine Einkommensverteilung ergibt, die mit den herrschenden Gerechtigkeitsvorstellungen vereinbar ist. Anhang A. 1.

Gesamtertrag, Durchschnittsertrag und Grenzertrag Der Gesamtertrag

Das Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs besagt, daß es bei kontinuierlich steigendem Einsatz eines variablen Faktors und konstanter Einsatzmenge der anderen Faktoren schließlich zu sinkenden Ertragszuwächsen kommt. Der funktionale Zusammenhang zwischen der Einsatzmenge eines variablen Faktors A und dem Output kann durch eine Gesamtertragsfunktion dargestellt werden. Die Gesamtertragskurve in Abbildung 1.6 ist der graphische Ausdruck der Funktion x = f (a).

Auf der Abszisse wird die Einsatzmenge des variablen Faktors Arbeit, auf der Ordinate der in physischen Einheiten gemessene Gesamtertrag des Gutes X abgetragen. Der vertikale Abstand der Gesamtertragskurve von der Abszisse gibt an, wie hoch der Gesamtertrag bei alternativen Mengen des Faktors Arbeit ist. Bei der Faktoreinsatzmenge a, können also a,B Einheiten des Gutes X hergestellt werden. Abbildung 1.7 zeigt, wie sich die Ausbringungsmenge ändert, wenn die Faktoreinsatzmenge variiert wird. Wird die Einsatzmenge um Aa von a, auf a 2 erhöht, so steigt die Produktionsmenge um CD auf a 2 D. Wird der Einsatz um den gleichen Betrag Aa von a2 auf a 3 erhöht, so beträgt der Ertragszuwachs nur noch EF. Der Ertragszuwachs sinkt weiter auf GH, wenn die Faktoreinsatzmenge von a3 auf a 4 steigt. Unsere Gesamtertragskurve weist also abnehmende Ertragszuwächse auf. Die Ertragszuwächse sinken in Abbildung 1.7 von Anfang an.

22

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

Abb. 1.7

u

X

0

a.

a.2

a

a4

a

Das braucht jedoch nicht so zu sein. Abbildung 1.8 zeigt eine Gesamtertragskurve, bei der der Ertrag im Anfangsbereich proportional zur Faktoreinsatzmenge steigt. Erst wenn die Faktoreinsatzmenge größer als a! ist, kommt es bei steigendem Faktoreinsatz zu sinkenden Ertragszuwächsen. Abb. 1.8

X

0

a

a

Es ist möglich, daß der Ertrag in einem Anfangsbereich überproportional steigt, weil zum Beispiel die Möglichkeit besteht, durch Arbeitsteilung die Arbeitsproduktivität zu erhöhen. Erst danach kommt es zu abnehmenden Ertragszuwächsen. In Abbildung 1.9 verläuft die Gesamtertragskurve bis zum Wendepunkt W, der bei der Faktoreinsatzmenge a, erreicht wird, konvex zur Abszisse; danach verläuft sie konkav. Erst vom Wendepunkt an kommt es zu sinkenden Ertragszuwächsen. Bei dem in Abbildung 1.9 dargestellten Verlauf der Gesamtertragskurve spricht man von einem "ertragsgesetzlichen" Verlauf der Gesamtertragskurve.

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

23

Abb. 1.9

2.

Der Durchschnittsertrag

Der Durchschnittsertrag ist der Quotient aus dem Gesamtertrag und der Faktoreinsatzmenge. Bezeichnen wir den Gesamtertrag mit x und die Faktoreinsatzmenge mit a, so ist der Durchschnittsertrag gleich x/a. Anders gesagt: Der Durchschnittsertrag ist der Ertrag pro Faktoreinheit. Abb. 1.10

B

/a i 0

\

/

a,

a

In Abbildung 1.10 wird die Faktoreinsatzmenge a, durch die Länge der Strecke Oa, gemessen. Der Output \ { wird durch die Länge der Strecke a,B angegeben. Der Durchschnittsertrag bei der Faktormenge a, ist gleich x,/a,. Graphisch wird er durch den Tangens des Winkels a gemessen. Es ist tan a = a,B/Oa, = x,/a, = Durchschnittsertrag In Abbildung 1.11 ist der Durchschnittsertrag bei der Faktoreinsatzmenge a, gleich tan oq. Der Durchschnittsertrag bei der Faktoreinsatzmenge a 2 ist tan ctj. Der Durchschnittsertrag sinkt also mit wachsender Faktoreinsatzmenge und zwar sinkt er bei dem in Abbildung 1.11 dargestellten Verlauf der Gesamtertragskurve von Anfang an.

24

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

A b b . 1.11

In Abbildung 1.12 hingegen bleibt der Durchschnittsertrag bis zur Faktoreinsatzmenge a, konstant und sinkt erst, wenn die Faktormenge über a, hinaus erhöht wird. A b b . 1.12

Bei ertragsgesetzlichem Verlauf der Gesamtertragskurve steigt der Durchschnittsertrag in einem Anfangsbereich mit steigender Faktoreinsatzmenge. A b b . 1.13

Wird die Faktoreinsatzmenge erhöht, so steigt in Abbildung 1.13 der Durchschnittsertrag, bis die Menge a[ eingesetzt wird. Bei dieser Faktormenge hat der Durchschnittsertrag ein Maximum. Erst bei größeren Faktormengen kommt es zu sinkenden Durchschnittserträgen.

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

25

Wir können graphisch auch unmittelbar darstellen, wie sich der Durchschnittsertrag bei wachsender Faktoreinsatzmenge verändert. Zu diesem Zweck wird in Abbildung 1.14 auf der Abszisse die Faktoreinsatzmenge und auf der Ordinate der Durchschnittsertrag dargestellt. Den unterschiedlichen Verläufen der Gesamtertragskurven in den Abbildungen 1.11, 1.12 und 1.13 entsprechen die in Abbildung 1.14a, 1.14b und 1.14c dargestellten Durchschnittsertragskurven. Abbildung 1.14a zeigt eine Durchschnittsertragskurve, bei der der Durchschnittsertrag von Anfang an fällt. Wir haben gesehen, daß dies der Fall ist, wenn die Gesamtertragskurve streng konkav zur x-Achse verläuft wie in Abbildung 1.11. Die Durchschnittsertragskurve braucht allerdings nicht linear zu verlaufen. Abb. 1.14

Der Durchschnittsertragskurve in Abbildung 1.14b entspricht die Gesamtertragskurve in Abbildung 1.12, bei der der Gesamtertrag in einem Anfangsbereich proportional zur Faktoreinsatzmenge steigt. Die Durchschnittsertragskurve in Abbildung 1.14c läßt sich aus einer ertragsgesetzlich verlaufenden Gesamtertragsfunktion ableiten, wie sie Abbildung 1.13 zeigt. 3.

Der Grenzertrag

Der Grenzertrag ist die Veränderung des Gesamtertrags pro zusätzlich eingesetzter Faktoreinheit. Bezeichnen wir die Änderung des Gesamtertrags mit Ax, die Veränderung im Faktoreinsatz mit Aa, so gilt: Grenzertrag = Ax/Aa Häufig sagt man auch vereinfachend, der Grenzertrag sei der zusätzliche Ertrag, der einer zusätzlichen (oder der letzten) Faktoreinheit zu verdanken ist. Wenn man diese Definition

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Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

verwendet, ist jedoch stets zu bedenken, daß der Grenzertrag nicht Ax ist, sondern Ax/ Aa. Selbst wenn man Aa gleich eins setzt, unterscheiden sich die Größen Ax und Ax/ Aa durch ihre Dimension. Wenn man in Abbildung 1.15 den Faktoreinsatz von a, um Aa auf a 2 erhöht, steigt der Ertrag um Ax. Abb. 1.15

Der Grenzertrag ist Ax/Aa. In Abbildung 1.15 wird er durch tan a gemessen. Bei der von uns bisher verwandten Definition hängt jedoch die Höhe des Grenzertrags davon ab, wie groß Aa ist. Wenn zum Beispiel in Abbildung 1.16 die Faktoreinsatzmenge nicht auf a 2 sondern auf a 3 erhöht würde, so wäre der Grenzertrag kleiner als wenn sie nur auf a 2 erhöht würde. Abb. 1.16

Es ist nämlich EF/BF kleiner als CD/BD. Der Grenzertrag ist deshalb nicht eindeutig definiert, sofem man keine Vereinbarung darüber trifft, wie groß Aa sein soll. Man hat deshalb vereinbart, daß Aa sehr klein sein soll; mathematisch formuliert: Aa soll gegen Null gehen.

27

Erstes Kapitel: Die Grundprobleme der Volkswirtschaft

Wir schreiben deshalb:

Grenzertrag des Faktors A

=

lim — a«- g ist. Doch ist ihr Gewinn kleiner als der Verlust der Konsumenten (d - g < d + e). Deshalb ergibt sich ein gesellschaftlicher Verlust, wenn statt der Menge x„ nur die Menge x, produziert wird. Anders gesagt: Würde statt der Menge x, die Menge x^ produziert, könnte man (theoretisch) alle besser stellen. Algebraisch ist der soziale Überschuß X

X

= Jf(x)dx-Jg(x)dx 0 0 Dabei sind f(x) und g(x) die inverse Nachfrage- und Angebotsfunktion. Der soziale Überschuß wird maximiert, wenn die erste Ableitung Null ist. 1 Bildet man die erste Ableitung und setzt sie gleich Null, erhält man f(x) - g(x) f(x)

= =

2 0 g(x)

Der soziale Überschuß wird maximiert, wenn f(x) = g(x) ist. Diese Bedingung ist nur dort erfüllt, wo sich Angebotskurve und Nachfragekurve schneiden. Das bedeutet: Der soziale Überschuß wird maximiert, wenn die Gleichgewichtsmenge x 0 produziert wird. E.

Die Interdependenz von Märkten

1.

Vertikale und horizontale Interdependenz

Die Preise, die sich auf einem Markt bilden, hängen von den Preisen auf anderen Märkten ab. Wird auf einem Markt das Gleichgewicht gestört, weil sich die Nachfrage oder das Angebot ändert, so hat dies in der Regel Auswirkungen auf andere Märkte. Die einzelnen Märkte sind in einem marktwirtschaftlichen System miteinander verbunden.

1

Allgemein ermittelt man relative Extrema einer Funktion, indem man die 1. AbleitungderFunktion bildet, gleich Null setzt und den entstehenden Ausdruck nach der abhängigen Variablen auflöst. Ein relatives Maximum liegt vor, wenn an der so ermittelten Stelle die 2. Ableitung der Funktion kleiner als Null ist. Auf die Überprüfung der zweiten, hinreichenden Bedingung wird hier verzichtet.

2

fI f(x)dx=F(x)-F(0) 0 Da F(0) eine Konstante ist, setzen wir -F(0) = c und erhalten F(x) + c. Die erste Ableitung nach x ist f(x).

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

59

Wenn zum Beispiel ein Rohstoff knapper wird, weil das Angebot sinkt, wird der Preis des Rohstoffs steigen. Dies hat Auswirkungen auf die Preise der Güter, die mit Hilfe des Rohstoffs hergestellt werden. Die Preise dieser Güter werden steigen, und zwar ceteris paribus um so stärker, je größer der Anteil der Ausgaben für den Rohstoff an den gesamten Kosten ist. Handelt es sich bei den mit Hilfe des Rohstoffs hergestellten Gütern um Zwischengüter, die ihrerseits wieder als Inputs in der Produktion anderer Güter eingesetzt werden, so werden auch die mit Hilfe dieser Zwischengüter hergestellten Güter teurer. Letztlich schlagen sich die höheren Rohstoffpreise in höheren Preisen der Konsumgüter nieder, die direkt oder indirekt mit Hilfe des knapper gewordenen Rohstoffs produziert werden. Die einzelnen Märkte sind vertikal verbunden. Steigt der Preis für einen bestimmten Rohstoff, so werden die Unternehmen bestrebt sein, den teurer gewordenen Faktor durch andere Faktoren zu substituieren. Die Nachfrage nach Faktoren, die geeignet sind, den teurer gewordenen Faktor zu substituieren, wird steigen. Die steigende Nachfrage führt zu steigenden Preisen dieser Faktoren. Solche Substitutionsvorgänge finden auf allen vertikalen Stufen statt. Handelt es sich bei den mit Hilfe des Rohstoffs produzierten Gütern um Zwischengüter, die ihrerseits wieder als Inputs in der Produktion eingesetzt werden, und deren Preise wegen des Preisanstiegs des Rohstoffs gestiegen sind, so werden auch diese Zwischengüter in der Produktion durch andere Inputs teilweise substituiert. Die Nachfrage nach Faktoren, die geeignet sind, die teurer gewordenen Zwischenguter zu ersetzen, steigt. Dies hat eine Preissteigerung zur Folge. Auch die Konsumenten werden bemüht sein, die Konsumgüter, deren Preise gestiegen sind, weil zu ihrer Produktion direkt oder indirekt der teurer gewordene Rohstoff eingesetzt wird, durch andere Konsumgüter teilweise zu ersetzen. Auf allen vertikalen Stufen werden Substitutionsvorgänge ausgelöst, die zu Preisänderungen führen. Es gibt außer der vertikalen auch eine horizontale Verbundenheit der Märkte. 2.

Bestimmung der Preise bei verbundenen Märkten

Der einzelne Markt ist im Gleichgewicht, wenn sich auf diesem Markt ein Preis bildet, bei dem die angebotene Menge gleich der nachgefragten Menge ist. Insgesamt besteht Gleichgewicht, wenn sich auf allen Märkten ein Gleichgewichtspreis gebildet hat. Dabei ist bei der Ermittlung der Preise zu berücksichtigen, daß die einzelnen Märkte über die Preise verbunden sind. Wir wollen uns das Problem, die Gleichgewichtspreise in einem System interdependenter Märkte zu bestimmen, an einem einfachen Modell mit zwei Märkten verdeutlichen. Es handelt sich um die Märkte für Kaffee und Tee. Die Nachfrage nach Kaffee möge auch vom Preis für Tee und die Nachfrage nach Tee vom Preis für Kaffee abhängen. In der folgenden Zeichnung wird angenommen, daß die Märkte in der Ausgangssituation im Gleichgewicht sind. Die Gleichgewichtspreise in der Ausgangssituation sind p£ und p". Infolge einer Mißernte in Brasilien mag das Angebot an Kaffee sinken. Der Kaffeepreis steigt auf p*. Wenn Kaffee und Tee Substitutionsgüter sind, wird die Nachfrage nach Tee steigen,

60

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

Abb. 2.20

N}=fü>r,p£)

Kaffee 0

weil der Kaffeepreis gestiegen ist. Die Nachfragekurve nach Tee verschiebt sich von N°r nach Nj. Der Teepreis steigt. Die Preiserhöhung bei Kaffee hat Auswirkungen auf den Preis von Tee, weil der Teemarkt über die Nachfragefunktion für Tee xT = f(p r , pK) mit dem Kaffeepreis verbunden ist. Die Erhöhung des Teepreises wird aber Rückwirkungen auf den Kaffeepreis haben, wenn auch der Kaffeemarkt über die Nachfragefunktion xK = f(pK, p r ) mit dem Teemarkt verbunden ist, weil Tee durch Kaffee substituiert werden kann. Die Erhöhung des Teepreises bewirkt, daß die Nachfrage nach Kaffee steigt, der Kaffeepreis wird sich erhöhen, die Nachfrage nach Tee steigen, etc. Die Preise pj- und p'r sind also noch nicht die neuen Gleichgewichtspreise. Unsere graphische Methode ist offenbar schlecht geeignet, die neuen Gleichgewichtspreise zu ermitteln. Deshalb soll unsere Aufgabe, die neuen Gleichgewichtspreise für Kaffee und Tee zu ermitteln, algebraisch formuliert werden. Die Nachfrage nach Kaffee sei eine Funktion des Kaffee- und des Teepreises. Das Angebot an Kaffee sei eine Funktion des Preises von Kaffee. Wir schreiben: x

ic = Xk(Pk> Pr) x

ic = Xk(Pk)

x

k-xk

=

0

Nachfragefunktion für Kaffee Angebotsfunktion für Kaffee Gleichgewichtsbedingung

Analog schreiben wir für das Angebot an und die Nachfrage nach Tee: x

t

t(Pt> Pk)

Nachfragefunktion für Tee

Xj = Xjipj.)

Angebotsfunktion für Tee

= x

n

a

X*j* Xy — ••u

Gleichgewichtsbedingung

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

61

Setzen wir die Angebots- und Nachfragefunktionen in die jeweiligen Gleichgewichtsbedingungen ein, erhalten wir: x

K(PK> Pr) ~ xk(PK) = 0 x

t(PK> PT) - *T(PT) = o

Betrachten wir nurdie erste der beiden Gleichungen, so sieht man, daß es eine Gleichung mit zwei zu bestimmenden Größen, den Gleichgewichtspreisen p K und p x , ist. Den Gleichgewichtspreis für Kaffee können wir nur bestimmen, wenn wir den Preis für Tee kennen. Ganz analog können wir mit Hilfe der zweiten Gleichung den Gleichgewichtspreis für Tee nur bestimmen, wenn wir den Preis für Kaffee kennen. Wir können aber die beiden Gleichungen als ein Gleichungssystem auffassen. Es ist ein System von zwei Gleichungen und zwei zu erklärenden Variablen. Als Lösung dieses Gleichungssystems erhalten wir die Gleichgewichtspreise pK und pr, sofern eine Lösung existiert. Wegen der allgemeinen Interdependenz von Märkten ist eigentlich eine Partialanalyse, bei der wir nur einen Markt betrachten, unvollständig. Wenn also das Angebot an Kaffee sinkt, dann ist streng genommen der Schnittpunkt der neuen Angebotskurve mit der Nachfragekurve noch nicht der neue Gleichgewichtspreis. Wir müßten zusätzlich die Auswirkungen auf andere Märkte und die Rückwirkungen auf den Kaffeemarkt berücksichtigen. Für praktische Zwecke wird aber der durch den Schnittpunkt der neuen Angebotskurve mit der Nachfragekurve bestimmte Preis meistens eine befriedigende Approximation des wahren neuen Gleichgewichtspreises sein. Wir werden deshalb im folgenden in der Regel unterstellen, daß die Rückwirkungen vernachlässigt werden können. 3.

Marktverbundenheit durch Arbitrage und Spekulation

Auf eine spezielle Art sind Märkte verbunden, auf denen sich für das gleiche Gut Preise auf räumlich unterschiedlichen Märkten bilden. Weichen diese Preise voneinander ab, so daß sich regional differenzierte Preise ergeben, ist es möglich, durch sogenannte Arbitragegeschäfte die Preisunterschiede zu nutzen, um Gewinne zu erzielen. In Abbildung 2.21 wird unterstellt, daß der Preis auf dem räumlichen Teilmarkt 1 höher ist als der Preis auf dem Teilmarkt 2. In einem solchen Fall lohnt es sich, das Gut auf Teilmarkt 2 zu kaufen, um es auf Teilmarkt 1 zu verkaufen, sofern die mit einer solchen Transaktion verbundenen Kosten pro Einheit (Transportkosten, Zins- und Versicherungskosten) kleiner sind als die Preisdifferenz. Die Nachfrage auf Teilmarkt 2 und das Angebot auf Teilmarkt 1 steigen, wenn die Arbitrageure ihre Gewinnchancen nutzen. Der Preis auf Teilmarkt 2 wird steigen, der Preis auf Teilmarkt 1 wird sinken. Wenn mit der Arbitrage keine Kosten verbunden sind, ist Arbitrage lohnend, sofern eine Preisdifferenz besteht. Anders gesagt: Infolge der Arbitrage wird sich auf beiden Märkten ein einheitlicher Preis bilden. Sind die Arbitragegeschäfte mit Kosten verbunden, kann der Preisunterschied zwischen den Märkten dauerhaft nicht größer sein als die Transferkosten.

62

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

Abb. 2.21

In gleicher Weise können zeitlich getrennte Märkte durch Arbitrage verbunden sein. Für ein bestimmtes Gut möge sich ein Preis bilden, der heute zu zahlen ist, wenn heute geliefert wird. Solche Preise nennt man Kassapreise. Für das gleiche Gut möge sich am Terminmarkt ein Terminpreis bilden. Auf dem Terminmarkt werden Verträge abgeschlossen, durch die der Verkäufer verpflichtet wird, zu einem zukünftigen Zeitpunkt bestimmte Güter zu liefern, und durch die der Käufer verpflichtet wird, diese Güter zum gleichen in der Zukunft liegenden Termin zu bezahlen. Der Terminpreis ist also bereits heute bekannt. Er bildet sich an organisierten Warenbörsen durch Angebot und Nachfrage. 1 Ist die Differenz zwischen Terminpreis und Kassapreis größer als die intertemporalen Transferkosten (Lagerhaltungskosten, Versicherungskosten, Zinskosten), ist gewinnbringende Arbitrage möglich. Man könnte in diesem Fall das Gut am Kassamarkt kaufen und gleichzeitig am Terminmarkt zum Terminpreis verkaufen. Das zum Kassapreis gekaufte Gut wird bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Termingeschäft erfüllt wird, gelagert, und dann zur Erfüllung des Termingeschäfts geliefert. Ist der Terminpreis größer als die Summe aus Kassapreis und intertemporalen Transferkosten, treten Arbitrageure auf den Plan. Wegen ihrer Aktivität kann die Differenz zwischen Termin- und Kassapreis die Transferkosten dauerhaft nicht übersteigen. Von Arbitrage spricht man dann, wenn die die Arbitrage bestimmenden Preise bekannt sind. Für die Arbitrage ist das Fehlen spezieller Preisrisiken typisch. In vielen Fällen ist aber der zukünftige Preis nicht schon heute bekannt. 2 Es gibt lediglich Erwartungen über die Höhe des zukünftigen Preises. Wird heute gekauft, um das Gut zu einem späteren Zeitpunkt zu verkaufen, weil man eine Preissteigerung erwartet, spricht man von Spekulation.

1

Warenbörsen mit Terminmärkten existieren zum Beispiel für Sojabohnen, Weizen, Mais, Reis, Kaffee, gefrorene Schweinebäuche, Baumwolle, Wolle, Gold, Silber, Kupfer, Zinn oderBlei. Die wichtigsten Rohstoffbörsen sind Chicago, New York und London. Für die Transaktionen ist eine genaue Standardqualität festgelegt. Außerdem wird eine Mindestmenge (eine sogenannte Kontrakteinheit) vorgeschrieben. Bei Kakao beträgt diese Kontrakteinheit zum Beispiel 3 0 000 englische Pfund. Für den Studenten A., der gerne Kakao trinkt, scheidet deshalb die Warenbörse als günstige Einkaufsquelle aus.

2

Auch bei Gütern, für die es organisierte Terminmärkte gibt, sind zwar die Terminpreise, nicht aber die zukünftigen Kassapreise bekannt.

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

63

Spekulation liegt also vor, wenn Waren, Devisen oder Wertpapiere gekauft werden, weil man hofft, sie zu einem späteren Zeitpunkt mit Gewinn verkaufen zu können. Spekulation ist die durch das Streben nach Gewinn motivierte Ausnutzung erwarteter Preisunterschiede. Sie ist im Gegensatz zur Arbitrage immer mit einem Preisrisiko verbunden. Auch durch die Spekulation werden zeitlich getrennte Märkte verbunden. Rechnen die Spekulanten zum Beispiel mit einer schlechten Kaffeernte in Brasilien, so werden sie erwarten, daß der Kaffeepreis steigt. Sie werden heute Kaffee kaufen, um ihn später mit Gewinn zu verkaufen (Kassamarktspekulation). Infolge der Nachfrage durch die Spekulanten wird der heutige Preis steigen. Die für die Zukunft erwartete Knappheit schlägt sich infolge der zeitlichen Verbundenheit der Märkte in höheren Gegenwartspreisen nieder. Eine Alternative zur Kassamarktspekulation besteht darin, Kaffee per Termin heute zu kaufen, um ihn in der Zukunft zu einem höheren Preis zu verkaufen. Die Nachfrage läßt zunächst den Terminpreis steigen. Der steigende Terminpreis bewirkt, daß auch der Kassapreis steigt. Ein Spekulant, der Kaffee oder Weizen per Termin kauft, will allerdings den Kaffee oder Weizen selbst nicht haben. Er wäre sehr unangenehm überrascht, wenn eines Morgens der Spediteur klingelt, um zwanzig Tonnen Kaffee zu liefern. Der Spekulant wird seinen Kontrakt rechtzeitig wieder verkaufen. Spekulanten sind nämlich Leute, die Waren verkaufen, die sie nicht haben und Waren kaufen, die sie nicht haben wollen. Spekulanten wird oft vorgeworfen, daß sie durch ihre Aktivität die Preise in die Höhe treiben. Dies tun sie auch, wenn sie kaufen. Aber wenn sie verkaufen, tragen sie zu einer Preissenkung bei. Kaufen sie, wenn die Preise niedrig sind und verkaufen sie, wenn die Preise hoch sind, tragen sie in der Regel zu einer Preisstabilisierung bei. F.

Höchst- und Mindestpreise

1.

Höchstpreise

Der Staat greift häufig in die Preisbildung ein und setzt Höchst- und Mindestpreise fest. Wird für ein Gut ein Höchstpreis festgesetzt, so darf das Gut nicht zu einem höheren als dem festgesetzten Preis verkauft werden. Ein Höchstpreis ist nur dann wirksam, wenn er niedriger ist als der Marktpreis. Würde ein Höchstpreis über dem Gleichgewichtspreis festgesetzt, so würde sich der niedrigere Gleichgewichtspreis bilden. In Abbildung 2.22 wird in der Ausgangssituation ohne staatlichen Eingriff die Gleichgewichtsmenge x 0 zum Gleichgewichtspreis p 0 verkauft. Bei diesem Preis ist die angebotene Menge gleich der nachgefragten Menge. Es wird angenommen, daß der Staat einen Höchstpreis p m „ festsetzt. Aus Abbildung 2.22 ist zu ersehen, daß bei diesem Preis die nachgefragte Menge x 2 größer ist als die angebotene Menge x,. Es ergibt sich also ein Nachfrageüberschuß. Nicht alle Käufer können die Menge kaufen, die sie kaufen möchten. Der Nachfrageüberschuß ergibt sich deshalb, weil infolge der Festsetzung des Höchstpreises die angebotene Menge sinkt und die nachgefragte Menge steigt.

64

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

Abb. 2.22

P

0 a.

x

x,0

X

X

Fehlallokation als Folge von Höchstpreisen

In Abbildung 2.22 sinkt die angebotene Menge von x 0 auf x„ weil der Höchstpreis p m „ festgesetzt wird. Wird die Menge x, produziert, so ist der Nachfragepreis p,, also der Preis, den die Käufer für die letzte Einheit zu zahlen bereit sind, größer als der Angebotspreis p max , der angibt, wie hoch die zusätzlichen Kosten sind, die mit der Produktion der letzten Einheit verbunden sind. Würde statt der Menge x, die Menge x 0 produziert, so wäre der Wert der zusätzlichen Produktion - gemessen durch die Fläche unter der Nachfragekurve zwischen x, und x0 - größer als die zusätzlichen Kosten, gemessen durch die Fläche unter der Angebotskurve zwischen x, und x0. Anders gesagt: Würden zusätzlich Produktionsfaktoren eingesetzt, um statt der Menge x, die Menge x0 zu produzieren, so wäre der Wert des Produktionsausfalls, der an anderer Stelle der Volkswirtschaft eintritt, weil dort die für die Produktion von X zusätzlich benötigten Produktionsfaktoren abgezogen werden müssen, um c + d kleiner als der Wert der zusätzlichen Produktion des Gutes X. Die Festsetzung eines Höchstpreises führt also zu einer Fehlallokation der Ressourcen, weil eine zu kleine Menge des Gutes X produziert wird. Wir können dies auch anders begründen: Der Höchstpreis bewirkt, daß der soziale Uberschuß nicht maximiert wird. Wegen der Festsetzung des Höchstpreises steigt die Konsumentenrente um b - c. Die Veränderung der Produzentenrente ist -b - d. Der soziale Überschuß sinkt also um c + d. Der Vorteil der Käufer ist kleiner als der Verlust der Verkäufer. Man könnte theoretisch alle besser stellen, wenn man statt der Menge x, die Menge x0 produzierte. Infolge des Höchstpreises ergibt sich ein Wohlfahrtsverlust von c + d. b.

Höchstpreise als Instrument der Verteilungspolitik

Ein Höchstpreis wird meistens aus verteilungspolitischen Gründen eingeführt, häufig auf Druck derjenigen, für die ein Höchstpreis vorteilhaft ist. Wer das Gut zum Höchstpreis statt zum höheren Gleichgewichtspreis kaufen kann, erzielt einen Einkommensvorteil. Wegen des Nachfrageüberschusses können allerdings nicht alle Käuferwünsche erfüllt werden. Der niedrige Preis nutzt denen nichts, die das Gut nicht erhalten; er nutzt denen wenig oder nichts, die nur eine kleinere Menge kaufen können als sie möchten. Die Nachfrager, die bereit sind, zum Gleichgewichtspreis zu kaufen und die bei Festsetzung eines Höchstpreises leer ausgehen, erleiden Nachteile. Außerdem steht natürlich dem Einkommensvorteil derjenigen, die zum Höchstpreis

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

65

kaufen können, ein entsprechender Verlust der Verkäufer gegenüber. Wird zum Beispiel ein Höchstpreis für Mietwohnungen eingeführt, so profitieren die Mieter auf Kosten der Vermieter. Es findet eine Umverteilung zugunsten der Mieter und zu Lasten der Vermieter statt. Umverteilung kann sinnvoll sein, wenn die Bezieher niedriger Einkommen Vorteile zu Lasten der Bezieher höherer Einkommen haben. Offenbar sind aber nicht alle Vermieter reich und nicht alle Mieter arm. Umverteilung mit Hilfe von Höchstpreisen ist allenfalls Verteilungspolitik ä la Robin Hood. Man sollte dann auf Höchstpreise als Instrument der Verteilungspolitik verzichten, wenn es bessere verteilungspolitische Instrumente gibt. c.

Formen der Nichtpreisrationierung

Bei jedem knappen Gut, bei dem bei einem Preis von Null die nachgefragte Menge größer als die angebotene Menge ist, muß entschieden werden, wer das Gut erhält. Wird ein Gut zum Gleichgewichtspreis verkauft, so erhalten die Käufer das Gut, die am meisten für das Gut zu zahlen bereit sind. Die Zahlungsbereitschaft entscheidet über die Verteilung des Gutes auf die Käufer. Man sagt auch: Es wird mit Hilfe des Preises rationiert. Wird ein Höchstpreis festgesetzt, erfüllen die Preise die Aufgabe der Rationierung nicht mehr. An die Stelle der Rationierung über den Preis müssen Methoden der Nichtpreisrationierung treten. Das Windhundverfahren Eine Art der Nichtpreisrationierung besteht darin, das Gut an die zu verkaufen, die zuerst da sind, nach dem Motto: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Diese Form der Nichtpreisrationierung wird auch als Windhundverfahren bezeichnet. Da diejenigen nichts erhalten, die zuletzt kommen, werden alle bemüht sein, die ersten zu sein. Warteschlangen bilden sich. Den Käufern, die gezwungen sind "Schlange zu stehen", entstehen Kosten. Diese Kosten bestehen in dem Wert der Aktivitäten, auf die die Käufer verzichten müssen, während sie in der Schlange warten. Wenn bei dem Höchstpreis pmax die Menge x, produziert wird (Abbildung 2.22), wären die Käufer bereit, für die letzte Einheit noch einen Preis in Höhe von p, zu zahlen. Die Wartekosten, die die Käufer zu tragen bereit sind, um die letzte produzierte Einheit zu erhalten, sind gleich der Differenz aus p, und p mai . Käufer, die bereit sind, einen höheren Preis zu zahlen, sind gewillt, noch höhere Wartekosten auf sich zu nehmen. Die Schlange wird so lang sein oder sich so früh bilden, daß dem Käufer, der gerade noch bereit ist, einen Preis von p, zu zahlen, Wartekosten in Höhe von p, - praax entstehen. 1 Die gesamten Kosten, die den Käufern entstehen, die insgesamt die Menge x, kaufen, betragen also p, • x,. Die Wartekosten in Höhe von (p[ - pmax)x, stellen volkswirtschaftlich gesehen Verschwendung dar. Würde die Menge x, zum Preis p, verkauft, wären die Kosten für die Käufer nicht größer. Den Verkäufern fiele aber ein zusätzlicher Erlös in Höhe von (Pi • PmM)xi z u - Wird allgemein nicht zu Gleichgewichtspreisen, sondern zu Höchstpreisen oder Festpreisen verkauft, können die Wartekosten sehr hoch sein. So wurde geschätzt, daß in der Sowjetunion die Käufer durchschnittlich 14 Stunden in der Woche in der Schlange warten.

1

Es wird hier vereinfachend unterstellt, daß für alle die Wartekosten pro Zeiteinheit gleich groß sind.

66

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

Korruption und Diskriminierung Auch wenn die Güter eigentlich nach dem Windhundverfahren verteilt werden sollten, kann man regelmäßig beobachten, daß keineswegs nur diejenigen das Gut erhalten, die sich zuvor "angestellt" haben. Den Verkäufern fällt beim Windhundverfahren eine Machtposition zu. Die knappen Güter, bei denen zum Höchstpreis ein NachfrageÜberschuß entsteht, werden an Freunde und Bekannte und an diejenigen, die sich erkenntlich zeigen "unter der Theke" verkauft. Die alten Römer, die schon Erfahrung mit Höchstpreisen hatten, sagten in diesen Fällen: Manus manum lavat. Eine Hand wäscht die andere. Diese Form der Korruption gehört zum gewohnten Bild der Nichtpreisrationierung nach dem Windhundverfahren. Man kann es auch anders sagen: Ein Teil der Käufer wird diskriminiert. Gewiß können die Anbieterauch diskriminieren, wenn ein Gut zum Gleichgewichtspreis verkauft wird. Dem Verkäufer entstehen aber Kosten, wenn er etwa an Freunde billig verkauft und nicht an die verkauft, die am meisten zu zahlen bereit sind. Die Festsetzung eines Höchstpreises bedeutet, daß die Kosten der Diskriminierung vermindert werden oder ganz entfallen, weil der Verkäufer auch bei Diskriminierung zum Höchstpreis noch so viel verkaufen kann, wie er möchte. Wird also zum Beispiel ein Höchstpreis für Wohnungen festgesetzt, können die Vermieter langhaarige Studenten, Ausländer oder Familien mit Kindern abweisen, ohne daß ihnen Nachteile entstehen. Administrative Rationierung Man wird auf längere Sicht bemüht sein, die hohen Kosten und andere negative Begleiterscheinungen des Windhundverfahrens zu vermeiden. Häufig geschieht das, indem man Güter, für die ein Höchstpreis festgesetzt wurde, administrativ rationiert. Man spricht auch von Rationierung im engeren Sinne. Der Staat übernimmt es, die Güter zu verteilen. Er macht das, indem er Bezugsscheine (Marken) kostenlos ausgibt. Der Käufer muß dann zusätzlich zum Höchstpreis einen Bezugsschein abgeben, um das Gut zu erhalten. Im Idealfall werden soviele Bezugsscheine ausgegeben, daß genau die zum Höchstpreis angebotene Menge gekauft werden kann. Wie aber sollten die Bezugsscheine an die Nachfrager verteilt werden? Wird jedem die gleiche Menge zugeteilt, so wird auf die individuellen Präferenzen keine Rücksicht genommen. Sollten auch Nichtraucher Bezugsscheine für Zigarren und Antialkoholiker Bezugsscheine für Schnaps erhalten? Sollten Benzinmarken auch an die ausgegeben werden, die gar nicht Auto fahren? Sollte der Handelsvertreter R., der bisher monatlich 20 000 km mit dem Auto gefahren ist, die gleiche Menge an Benzinmarken erhalten wie Professor D., der das Auto nur zu Sonntagsausflügen benutzt? Das kann nicht die geeignete Lösung sein. Man wird deshalb versuchen, den individuellen "Bedarf' zu berücksichtigen. Wie aber kann der Bedarf ermittelt werden? Wie soll entschieden werden, wieviele Benzinmarken der einzelne erhält, wenn Benzin rationiert wird? Soll derjenige, der täglich 25 km bis zu seinem Arbeitsplatz fahren muß, eine größere Menge an Benzinmarken erhalten als der, der seinen Arbeitsplatz zu Fuß erreichen kann? Müßte man berücksichtigen, ob der Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden kann? Wann sind die Verkehrsverbindungen so schlecht, daß dies nicht zumutbar ist? Wem sollte zugemutet werden, zu Fuß zu gehen

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

67

oder mit dem Fahrrad zu fahren? Sollte dem plattfüßigen und asthmatischen Professor D. in gleicher Weise die Benutzung des Fahrrads zugemutet werden wie dem jungen Studenten A. ? Das Beispiel macht deutlich: Der Versuch, dem individuellen "Bedarf' in angemessener Weise Rechnung zu tragen, wird nicht gelingen. Deshalb ist zu prüfen, ob man einen Handel mit Benzinmarken zulassen sollte, damit sich eine den individuellen Präferenzen entsprechende Verteilung auf die Wirtschaftssubjekte ergibt. Läßt man einen Handel mit Benzinmarken zu, wird sich ein Preis für Benzinmarken bilden. In Abbildung 2.23 wird zum festgesetzten Höchstpreis die Menge x, angeboten. Die Menge x, könnte zum Nachfragepreis p, verkauft werden.

Werden soviele Benzinmarken ausgegeben, daß gerade die Menge x, damit gekauft werden kann, wird sich für die Benzinmarken ein Preis in Höhe von p, - p mai bilden. In Abbildung 2.23 ist AB die Nachfragekurve für Benzin. AC ist die aus der Nachfrage nach Benzin abgeleitete Nachfragekurve für Benzinmarken. Der vertikale Abstand der Nachfragekurve AC von der Preisgeraden p mai gibt an, wie hoch der Preis ist, der sich bei alternativen Mengen von Benzin (und den entsprechenden Mengen an Benzinmarken) auf dem Markt für eine Benzinmarke bildet. Wird ein Handel mit Benzinmarken zugelassen, so erhalten diejenigen Benzin, die am meisten zu zahlen bereit sind. Ein Teil der Bürger wird zusätzlich zu den Benzinmarken, die ihnen vom Staat zugeteilt worden sind, Benzinmarken kaufen. Sie können nur Benzinmarken kaufen, wenn andere bereit sind, Benzinmarken zu verkaufen. Nehmen wir an, für Benzin würde ein Höchstpreis von 1,50 DM pro Liter festgesetzt. Der Preis, der sich am Markt für eine Benzinmarke bildet, die den Kauf von einem Liter Benzin zum festgesetzten Höchstpreis ermöglicht, betrage 2 DM. Wer also zum Beispiel für 40 Liter Benzinmarken kauft, zahlt 80 DM. Er muß außerdem pro Liter Benzin 1,50 DM zahlen, also zusätzlich 60 DM. Insgesamt kosten ihn die 40 Liter Benzin 140 DM. Wer Benzinmarken kauft, bekundet damit, daß ihm die 40 Liter Benzin mehr wert sind als die Güter, die er sonst für 140 DM kaufen könnte. Der Käufer von Benzinmarken steht sich nach seiner eigenen subjektiven Einschätzung infolge des Kaufs von Benzinmarken besser. Bürger, die für 40 Liter Benzinmarken verkaufen, erhalten 80 DM. Sie verzichten durch den Verkauf der Benzinmarken darauf, Benzin zu kaufen, für das

68

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

sie 60 DM zahlen müßten. Insgesamt stehen dem Verkäufer von Benzinmarken 140 DM zur Verfügung, die er zum Kauf anderer Güter verwenden kann. Der Einzelne wird Benzinmarken für 40 Liter Benzin nur verkaufen, wenn er die Güter, die er für 140 DM kaufen kann, höher einschätzt als die 40 Liter Benzin, auf deren Kauf er verzichtet. Auch der Verkäufer von Benzinmarken steht sich infolge der Transaktion nach seiner eigenen subjektiven Einschätzung besser. Das heißt: Läßt man einen Handel mit Benzinmarken zu, so stehen sich sowohl diejenigen, die Benzinmarken kaufen, als auch die, die Benzinmarken verkaufen, besser. Dritte werden nicht geschädigt. Deshalb ist nicht einzusehen, warum man im Fall der administrativen Rationierung einen Handel mit Bezugsscheinen nicht zulassen sollte. Schwarze Märkte Wird ein Höchstpreis festgesetzt, der unter dem Marktpreis liegt, so ergibt sich eine Differenz zwischen dem Nachfragepreis und dem Angebotspreis. Der Wert, den die letzte Einheit für die Käufer hat, ist größer, als die zusätzlichen Kosten, die entstehen, wenn die letzte Einheit produziert wird. In Abbildung 2.23 ist die Differenz gleich Pi ~ Pmax- Es besteht ein Anreiz, den Höchstpreis zu umgehen. Für Anbieter ist es vorteilhaft, wenn sie das Gut zu einem höheren Preis als dem staatlich festgesetzten Höchstpreis verkaufen können; für die Nachfrager ist ein Kauf zu einem höheren Preis vorteilhaft, wenn sie so eine größere Menge erhalten, als sie sonst bekämen. Kommt es zu solchen Transaktionen, so sagt man, daß sich ein schwarzer Markt bildet. Ein schwarzer Markt ist ein Markt, auf dem ein Gut, für das ein Höchstpreis festgesetzt wurde, zu einem höheren Preis als dem gesetzlich festgesetzten Preis verkauft wird. Beim Verkauf auf dem schwarzen Markt wird gegen geltendes Recht verstoßen. Für Käufer und Verkäufer besteht deshalb bei solchen Transaktionen das Risiko, entdeckt und bestraft zu werden. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß selbst drakonische Strafen die Entstehung schwarzer Märkte nicht verhindern können. Meistens richten sich die Sanktionen in erster Linie gegen den Verkäufer. Der Verkäufer trägt dann bei Transaktionen au f dem schwarzen Markt ein besonderes Risiko. Er wird nur dann als Anbieter auf dem schwarzen Markt in Erscheinung treten, wenn seine Risikokosten im Preis vergütet werden. In Abbildung 2.24 ist A 0 die normale Angebotskurve, die angibt, welche Mengen angeboten würden, wenn es keinen Höchstpreis gäbe. Abb. 2.24

P

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

69

Bei einem Höchstpreis p m „ kann legal kein höherer Preis als der festgesetzte Höchstpreis verlangt werden. Der Ast der Angebotskurve A0, der oberhalb von praax verläuft, ist deshalb irrelevant, wenn der Höchstpreis pmax gilt. Zum festgesetzten Höchstpreis wird nur die Menge x, angeboten, sofem es keinen Schwarzmarkt gibt. Bildet sich ein Schwarzmarkt, so wird häufig ein Teil der Menge x, dem normalen Markt entzogen und auf dem Schwarzmarkt angeboten. Kann das Gut auf dem schwarzen Markt zu einem höheren Preis als p m „ verkauft werden, wird es für die Anbieter aber auch lohnend sein, insgesamt eine größere Menge als x, zu produzieren. Die Angebotskurve A, gibt an, wie groß die insgesamt produzierte Menge bei alternativen Schwarzmarktpreisen ist. A, muß deshalb oberhalb von A 0 verlaufen, weil das Risiko der Anbieter im Preis vergütet werden muß. Am Schwarzmarkt bildet sich der Preis p 2 . Dieser Preis ist höher als der Gleichgewichtspreis p 0 , der sich ohne staatlichen Höchstpreis bilden würde. Die Anbieter werden versuchen, das Risiko, bestraft zu werden, zu minimieren. Sie werden sich für Praktiken entscheiden, die nicht so eindeutig illegal sind wie ein Verkauf zu einem Preis, der höher ist als der Höchstpreis. So können etwa die Anbieter die Käufer verpflichten, zusätzlich zu dem Gut, das sie zum Höchstpreis kaufen möchten, ein anderes Gut zu kaufen, für das keine Höchstpreisregelung gilt und das dann zu einem überhöhten Preis verkauft wird. Vermieter etwa mögen verlangen, daß der Mieter altes Mobiliar übernimmt, für das er einen weit überhöhten Preis zahlen muß. Vermieter mögen von ihren Mietern verlorene Baukostenzuschüsse fordern oder hohe zinslose Darlehen, die als Kaution getarnt sind. Oder das Gut, für das eine Höchstpreisregelung gilt, wird nur verkauft, wenn der Käufer seinerseits ein Gut liefert, für das ein Höchstpreis gilt und bei dem der Nachfragepreis den Höchstpreis beträchtlich übersteigt. Es ist nicht möglich, alle Praktiken, durch die eine Höchstpreisregelung umgangen werden kann, erschöpfend aufzuzählen, weil die Umgehungsmöglichkeiten nahezu unerschöpflich sind. Qualitätsverschlechterung Wird ein Höchstpreis festgesetzt, so wird dadurch für die Anbieter ein Anreiz geschaffen, sich durch Verminderung der Qualität der angebotenen Produkte oder durch einen Abbau von Serviceleistungen für den niedrigeren Preis schadlos zu halten. Wegen des Nachfrageüberhangs brauchen die Anbieter nicht zu befürchten, daß sie die von ihnen produzierten Güter nicht mehr verkaufen können, wenn sie qualitativ minderwertige Güter anbieten. Wird hingegen ein Gut zum Gleichgewichtspreis verkauft, würde ein Anbieter, der die Qualität seiner Produkte herabsetzt, seine Kunden verlieren. Der Anreiz, die Qualität zu reduzieren, hält bei Festsetzung eines Höchstpreises so lange an, wie ein Nachfrageüberschuß besteht. Letztlich bekommen die Käuferein Gut, dessen Qualität dem Preis entspricht, den sie zahlen. Man kann diese Konsequenz der Festsetzung eines Höchstpreises zum Beispiel beobachten, wenn langfristig ein Höchstpreis für Wohnungen festgesetzt wird. Die Häuser und die Wohnungen verfallen, weil dringende Reparaturen nicht ausgeführt werden. Die langfristigen Wirkungen eines Höchstpreises für Wohnungen, der beträchtlich unter dem Marktpreis liegt, können nur noch durch ein Flächenbombardement übertroffen werden.

70

2.

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

Mindestpreise

Wird ein Mindestpreis festgesetzt, so darf das Gut nicht zu einem niedrigeren als dem festgesetzten Mindestpreis verkauft werden. Ein Mindestpreis ist nur dann wirksam, wenn er über dem Gleichgewichtspreis festgesetzt wird.

In Abbildung 2.25 ist der Mindestpreis pmin höher als der Gleichgewichtspreis p 0 . Bei dem Mindestpreis wird die Menge x, nachgefragt und die Menge x 2 angeboten. Es ergibt sich ein Angebotsüberschuß. Wird die Menge x2, die zum Mindestpreis angeboten wird, zu dem Preis verkauft, zu dem sie vom Markt aufgenommen wird, ergäbe sich der Preis p2, der noch unter dem Gleichgewichtspreis läge. Soll dies vermieden werden, sind zusätzliche staatliche Eingriffe notwendig. a.

Mindestpreise als verteilungspolitisches Instrument

Meistens werden Mindestpreise aus verteilungspolitischen Gründen eingeführt. Man will den Anbietern Einkommensvorteile zukommen lassen. Dies geht zu Lasten der Käufer. Besonders häufig werden Mindestpreise für landwirtschaftliche Güter festgesetzt. Den Einkommensvorteilen der Bauern stehen dann Verluste der Käufer gegenüber. Mindestpreise als verteilungspolitisches Instrument wären dann diskutabel, wenn alle Bauern arm und alle Käufer reich wären. Der Anteil der Ausgaben für landwirtschaftliche Güter bzw. für die daraus hergestellten Nahrungsmittel am Einkommen ist um so größer, je niedriger das Einkommen ist. Das bedeutet: Die Bezieher niedriger Einkommen werden durch die höheren Preise für Lebensmittel überproportional belastet. Bisher hat noch niemand die Ansicht vertreten, daß eine sinnvolle Verteilungspolitik darin besteht, die Bezieher niedriger Einkommen relativ höher zu belasten als die Bezieher höherer Einkommen. Selbst wenn man der Meinung ist, Einkommen sollten zugunsten der Bauern umverteilt werden, sind Mindestpreise ein schlechter Weg, dies zu tun. b.

Anbaubeschränkung

Die Festsetzung eines Mindestpreises macht zusätzliche staatliche Maßnahmen notwendig. Wird lediglich ein Mindestpreis festgesetzt, so ergibt sich ein Angebotsüberschuß. Bei Festsetzung eines Mindestpreises für landwirtschaftliche Güter werden die

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

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Bauern einen Teil der Produktion nicht verkaufen können. Die Überschußproduktion würde auf den Markt drängen und zu einem niedrigeren als dem festgesetzten Preis verkauft. Dies wäre zwar illegal, aber in der Praxis nicht zu verhindern. Eine Möglichkeit, einen Angebotsuberschuß zu vermeiden, bestünde darin, daß der Staat Anbaubeschränkungen erläßt. Er würde im Idealfall die Produktion so beschränken, daß nur die Menge produziert wird, die auch nachgefragt wird. Das ist in Abbildung 2.25 die Menge x,. Dies führt jedoch zu einer Fehlallokation der Ressourcen. Der soziale Überschuß sinkt um c + e. Der Verlust an Konsumentenrente in Höhe von b + c ist größer als die zusätzliche Produzentenrente in Höhe von b - e. Man könnte (theoretisch) alle besser stellen, wenn statt der Menge x, die Gleichgewichtsmenge x 2 produziert würde. Außerdem ergibt sich bei dieser Lösung das Problem, die Quoten auf die einzelnen Produzenten zu verteilen und sicherzustellen, daß die festgelegten Produktionsquoten auch eingehalten werden. Die damit verbundenen Verwaltungskosten sind auch ein Bestandteil der volkswirtschaftlichen Kosten dieses Verfahrens. Ein spezielles Problem besteht auch darin, die Quoten so zu verteilen, daß die insgesamt produzierte Menge so kostengünstig wie möglich produziert wird. Diese Aufgabe kann bei einer administrativen Verteilung der Quoten auf die Produzenten nicht befriedigend gelöst werden. c.

Aufkaufprogramm

Eine Alternative zur Anbaubeschränkung besteht darin, daß der Staat den Angebotsüberschuß aufkauft und lagert. In Abbildung 2.25 müßte der Staat die Menge x 2 - x, zum Mindestpreis pmin kaufen. Die Ausgaben des Staates betrügen dann pmin • (x 2 -x,). Es fragt sich, was der Staat mit den aufgekauften Produkten macht. Meist werden sie für eine gewisse Zeit gelagert und dann vernichtet oder zu Schleuderpreisen im Ausland verkauft. Die volkswirtschaftlichen Kosten eines solchen Programms sind besonders groß. Im Vergleich zu einer Situation, bei der die Gleichgewichtsmenge x0 zum Gleichgewichtspreis p 0 verkauft wird, erhöht sich die Produzentenrente um b + c + g. Dem steht jedoch ein Verlust an Konsumentenrente von b + c gegenüber. Wenn wir unterstellen, daß der Erlös beim Verkauf auf dem Weltmarkt gerade die Lagerkosten deckt, wären außerdem noch die Ausgaben des Staates in Höhe von pmin • (x 2 -x,) als volkswirtschaftlicher Verlust in Ansatz zu bringen. Insgesamt ergäbe sich bei diesem Programm ein gesamtwirtschaftlicher Wohlfahrtsverlust in Höhe von pmln • (x 2 -x,)-g (Abbildung 2.25). d.

Subventionsprogramm

Beim Aufkaufprogramm erzielen die Produzenten Einnahmen in Höhe von pmin • x2. Eine Alternative zum Aufkaufprogramm ist ein Subventionsprogramm. Bei diesem Programm könnte man den Produzenten ebenfalls Einnahmen in Höhe von pmln • x2 garantieren. Man würde die Anbieter veranlassen, die Menge x2, die die Produzenten beim Mindestpreis pmin anbieten, zu dem Preis zu verkaufen, zu dem der Markt die Menge x 2 aufnimmt. Das ist in Abbildung 2.25 beim Preis p 2 der Fall. Pro verkaufter Einheit müßte dann den Produzenten vom Staat eine Subvention in Höhe der Differenz zwischen dem Mindestpreis und dem tatsächlich erzielten Preis p 2 gezahlt werden. Die Erlöse der Produzenten betragen dann p 2 • x 2 + (pmi„-p2) • x 2 = Pmin • x2- Die Ausgaben des Staates sind gleich (pmin-p2) • x2. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten dieses Programms wären bedeutend kleiner als die des Aufkaufprogramms. In Abbildung 2.25

72

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

werden die volkswirtschaftlichen Kosten durch die Fläche h gemessen. Ein solches Programm ist aber trotzdem bei den Politikern nicht beliebt, weil es in aller Regel für den Staat erheblich teurer ist als das Aufkaufprogramm. G.

Steuern und Subventionen

1.

Die Wirkungen von Stücksteuern

a.

Die Anbieter zahlen die Steuer

In diesem Abschnitt soll analysiert werden, wie sich die Einführung einer Stücksteuer auf den Preis eines Gutes auswirkt. Der Staat erhebt eine Stücksteuer, die von den Anbietern zu zahlen ist. Pro Ausbringungseinheit müssen die Anbieter eine Stücksteuer von t D M zahlen. Wird eine Stücksteuer erhoben, muß zwischen dem Marktpreis p, den die Nachfrager an die Anbieter zahlen, und dem Nettopreis p" unterschieden werden. Der Nettopreis p~ ist der Erlös, der pro Einheit den Anbietern verbleibt, nachdem sie die Stücksteuer von t DM gezahlt haben. Es ist p~ = p-t. Die Menge, die pro Periode angeboten wird, hängt vom Nettopreis p" ab. Es ist xa = f(p~) oder x" = f(p-t) In Abbildung 2.26 sind N und A0 die Nachfragekurve und die Angebotskurve vor Einführung der Steuer. N ist der graphische Ausdruck der speziellen Nachfragefunktion x" = lOO-lOp und A 0 ist der Graph der speziellen Angebotsfunktion x* = -20+10p. Die entsprechenden inversen Nachfrage- und Angebotsfunktionen sind p = 10-0, lx" und p = 2+0, lx".

In der Ausgangssituation ergibt sich durch den Schnittpunkt von N und A 0 der Gleichgewichtspreis p 0 = 6, zu dem die Gleichgewichtsmenge x = 40 angeboten und nachgefragt wird. Wenn die Anbieter bisher bei dem Preis p = 6 vierzig Einheiten-von X angeboten haben, werden sie nach Einführung der Steuer die gleiche Menge anbieten, wenn sich der Nettopreis der Anbieter nicht ändert. Sie werden also vierzig Einheiten anbieten, wenn p" = 6 ist. Waren die Anbieter in der Ausgangssituation bei einem Preis p = 4 bereit, zwanzig Einheiten anzubieten, werden sie nach Einführung der Steuer die

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

73

gleiche Menge bei einem Nettopreis p" = 4 anbieten. Das bedeutet: Der Marktpreis p muß nach Einführung der Steuer von t DM pro Einheit jeweils um t DM größer sein, wenn die Anbieter veranlaßt werden sollen, die gleiche Menge auszubringen wie in der Ausgangssituation vor Einführung der Steuer. Infolge der Steuer verschiebt sich die Angebotskurve um den Betrag der Steuer nach oben. In Abbildung 2.26 wurde unterstellt, daß von den Anbietern pro Ausbringungseinheit eine Steuer von t = 2 DM gezahlt werden muß. Um diesen Betrag liegt die neue Angebotskurve A, oberhalb der Angebotskurve A 0 . Durch den Schnittpunkt der neuen Angebotskurve A, mit der Nachfragekurve N werden der neue Gleichgewichtspreis p, = 7 DM und die neue Gleichgewichtsmenge x = 30 bestimmt. Der Preis ist um eine DM von 6 DM auf 7 DM gestiegen; die Gleichgewichtsmenge ist um 10 Einheiten von 40 auf 30 gesunken. Der Nettopreis der Anbieter ist von p 0 = 6 DM auf p7 = 5 DM gesunken. Abbildung 2.26 zeigt, daß der Marktpreis nicht um den vollen Betrag der Steuer steigt. Die Anbieter müssen pro Ausbringungseinheit eine Steuer von 2 DM zahlen; der Preis steigt aber nur um eine DM. Die Anbieter können in unserem Beispiel nur die Hälfte der von ihnen zu zahlenden Steuer auf die Käufer "überwälzen". Anders gesagt: Die Stücksteuer wird jeweils zur Hälfte von den Anbietern und den Nachfragern getragen. Wir können die Auswirkungen auf den Preis, den die Einführung einer speziellen Verbrauchssteuer hat, auch algebraisch bestimmen. Die Nachfrage ist eine Funktion des Marktpreises p. Es ist xn = lOO-lOp. Das Angebot ist eine Funktion des Nettopreises p~. Es ist x a = -20+10p". Wir erhalten das folgende Gleichungssystem: xn xa xn p~

= = = =

lOO-lOp -20 + 10p" xa p-t

(Nachfragefunktion) (Angebotsfunktion) (Gleichgewichtsbedingung) (Definition des Nettopreises)

Setzt man die Nachfragefunktion und die Angebotsfunktion in die Gleichgewichtsbedingung ein und ersetzt man p" durch p-t, erhält man: 20 + 10 (p-t) 20p p

= = =

lOO-lOp 120 + 10t 6 + 1/21

Der Marktpreis p steigt nur um die Hälfte der pro Mengeneinheit zu zahlenden Steuer. Für t = 2 DM steigt der Preis nach Einführung der Steuer von 6 DM auf 7 DM. Das ist der Marktpreis, den die Nachfrager zu zahlen haben. Der Nettopreis der Anbieter ist: P" p"

= =

P-t 6 - 1/21

Für t = 2 DM beträgt der Nettopreis der Anbieter 5 DM.

74

b.

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

Die Nachfrager zahlen die Steuer

Das Ergebnis ändert sich nicht, wenn die Stücksteuer statt von den Anbietern von den Nachfragern gezahlt werden muß. Die Nachfragekurve gibt an, welche Mengen die Nachfrager bei alternativen Preisen kaufen möchten. In der Ausgangssituation vor Einführung der Steuer waren sie bereit, bei einem Preis von 6 DM vierzig Einheiten zu kaufen. Sie werden auch nach Einführung der Steuer bereit sein, vierzig Einheiten zu kaufen, wenn die Summe aus dem Marktpreis, den sie an die Anbieter zahlen, und der pro Einheit zu zahlenden Steuer 6 DM beträgt. Der Marktpreis muß nach Einführung der Steuer jeweils um t = 2 DM niedriger sein, damit sie bereit sind, jeweils die gleiche Menge zu kaufen wie in der Ausgangssituation. Das bedeutet: Infolge der Einführung der Stücksteuer verschiebt sich die Nachfragekurve wie in Abbildung 2.27 um den Steuerbetrag t = 2 DM nach unten. Abb. 2.27

p 10

A o :x a =-20+10p

9

8 P, + =7 Po =

6

P. = 5 4

N 0 : x n =100-10p

3

N,:x"=100-10(p+t)

2 1 0

10 20 30 40 50 60 70 80 9 0 1 0 0

1

Abbildung 2.27 zeigt, daß die neue Nachfragekurve N, die Angebotskurve bei der neuen Gleichgewichtsmenge x = 30 schneidet. Der Marktpreis sinkt von p 0 = 6 DM auf p, = 5 DM. Das ist jetzt zugleich der Nettopreis der Anbieter. Er ist genauso hoch wie in dem zuvor diskutierten Fall, in dem die Anbieter die Steuer zu zahlen hatten. Die Nachfrager müssen zusätzlich zum Marktpreis P[ = 5 DM eine Steuer von 2 DM pro Einheit zahlen. Der volle Preis p+ beträgt also 7 DM. Das ist derselbe Preis, den die Nachfrager zu zahlen haben, wenn die Anbieter die Stücksteuer zahlen müssen. Wir erhalten mit Hilfe unseres einfachen Modells das bemerkenswerte Ergebnis, daß der Teil der Stücksteuer, der von den Anbietern oder von den Nachfragern getragen wird, nicht davon abhängt, wer die Steuer zu zahlen hat. c.

Wer trägt die Steuer?

In unserem Beispiel wurde die Steuer je zur Hälfte von den Anbietern und den Nachfragern getragen. Die Hälfte der Steuer wurde überwälzt. Das braucht aber nicht so zu sein. Das Ausmaß, in dem die Steuer überwälzt wird, hängt von der Steigung der Nachfrage- und der Angebotskurve ab. Der Teil der Steuer, der von den Nachfragern getragen wird, ist um so größer, je steiler die Nachfragekurve verläuft. In Abbildung 2.28 sind zwei Grenzfälle dargestellt. Es wird angenommen, daß die Anbieter die Steuer

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

75

zu zahlen haben. In Abbildung 2.28a ist die Nachfragekurve eine Parallele zur Preisachse. Der Preis steigt nach Einführung der Stücksteuer um den vollen Steuersatz t von Po auf p,. Die Steuer wird vollkommen überwälzt. Die Steuerlast wird allein von den Nachfragern getragen. Abb. 2.28

In Abbildung 2.28b verläuft die Nachfragekurve parallel zur Abszisse. Der Marktpreis p ändert sich nicht. Es ist p 0 = Pi- Der Nettopreis der Anbieter sinkt um den vollen Betrag der Stücks teuer. Die Anbieter tragen die gesamte Steuerlast. Die Stücks teuer kann nicht überwälzt werden. Aus der Analyse der Grenzfälle wird deutlich: Der Teil der Steuer, der von den Anbietern auf die Nachfrager überwälzt wird, ist ceteris paribus um so größer, je steiler die Nachfragekurve ist.1 Die Verteilung der Steuerlast auf Anbieter und Nachfrager hängt auch von der Steigung der Angebotskurve ab. Es ist hilfreich, wenn man wieder zwei Grenzfälle analysiert. In Abbildung 2.29a ist die Angebotskurve eine Parallele zur Mengenachse. Nach Einführung der Stücksteuer steigt der Marktpreis um den Betrag der Stücksteuer von p 0 auf p,. Die Steuer wird vollständig überwälzt. Die Steuerlast wird allein von den Nachfragern getragen. In Abbildung 2.29b verschiebt sich die Angebotskurve "in sich" nach oben. Da bei einem negativen Nettopreis nichts angeboten wird, beginnt die Angebotskurve erst bei einem Bruttopreis in Höhe des Steuersatzes t. Man ersieht aus Abbildung 2.29b, daß sich der Marktpreis nicht ändert. Der Nettopreis der Anbieter sinkt um den vollen Betrag der Stücksteuer.

1

Mit Hilfe des Begriffs der Preiselastizität der Nachfrage, der im nächsten Kapitel eingeführt wird, kann man auch formulieren: Der Teil der Steuer, der überwälzt wird, ist ceteris paribus um so größer, je unelastischer die Nachfrage ist.

76

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

Abb. 2.29 b)

a) P

0

P

X]

x0

x

0

X

Die Steuer wird allein von den Anbietern getragen. Die S tücksteuer kann nicht überwälzt werden. Man erkennt: Der Teil der Steuer, der von den Nachfragern getragen wird, ist ceteris paribus um so größer, je flacher die Angebotskurve verläuft. 1 2.

Die Wirkung von Subventionen

Es soll jetzt geprüft werden, wie sich der Marktpreis verändert, wenn den Anbietern pro Ausbringungseinheit eine Subvention von s DM gezahlt wird. Infolge der Subvention sind die Anbieter bereit, eine gegebene Menge zu einem Preis anzubieten, der um s DM niedriger ist als der Preis, bei dem sie die gleiche Menge ohne Subvention anbieten. Graphisch bedeutet dies, daß sich infolge der Subvention die Angebotskurve um s DM nach unten verschiebt. In Abbildung 2.30 ist p 0 der Marktpreis in der Ausgangssituation. Wird pro Ausbringungseinheit eine Subvention von s DM gezahlt, verschiebt sich die Angebotskurve von A0 nach A,. Der Marktpreis sinkt von p0 auf p,. Die Subvention kommt zum Teil den Nachfragern in Form eines niedrigeren Preises zugute. Der Bruttopreis der Anbieter ist p+ = p,+s. Er ist höher als der bisherige Marktpreis p0. Man macht sich leicht klar: Wenn die Angebotskurve eine Parallele zur Mengenachse ist oder die Nachfragekurve parallel zur Preisachse verläuft, sinkt der Marktpreis um den vollen Betrag, mit dem die Produktion pro Ausbringungseinheit subventioniert wird. Die Subvention kommt ausschließlich den Nachfragern in Form einer Preissenkung zugute. Der Bruttopreis der Anbieter ändert sich nicht. Wenn die Angebotskurve eine Parallele zur Preisachse ist, oder die Nachfragekurve parallel zur Mengenachse verläuft, ändert sich der Marktpreis nicht. Die Subvention kommt in diesem Fall ausschließlich den Anbietern zugute.

1

Mit Hilfe des Begriffs der Preiselastizität des Angebots kann man auch formulieren: Der Teil der Steuer, der von den Nachfragern getragen wird, ist ceteris paribus um so größer, je elastischer das Angebot ist.

77

Zweites Kapitel: Der Markt: Angebot und Nachfrage

Abb. 2.30

D

0

X0

X

X

Allgemein gilt: Die Preissenkung, die sich infolge der Subvention ergibt, ist ceteris paribus um so größer, je flacher die Angebotskurve und je steiler die Nachfragekurve verläuft. Literatur zum zweiten Kapitel Paul A. Samuelson, William D. Nordhaus, Economics, 13. Auflage, New York u.a. 1989, viertes Kapitel: The Elements of Supply and Demand, S. 55-71 William J. Baumöl, Alan S. Blinder, Economics, Principles and Policy, 3. Auflage, San Diego u.a. 1985, viertes Kapitel: Supply and Demand: An Initial Look, S. 49-69 Jürgen Franke, Grundzüge der MikroÖkonomie, 4. Auflage, München, Wien 1988, erstes Kapitel: Einführung, Grundzüge der Markttheorie, S. 6-18 Artur Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 9. Auflage, München 1987, viertes Kapitel: Fundamente der Analyse, S. 97-105 Roy J. Ruffin, Modern Price Theory, Glenview u.a. 1988, zweites Kapitel: The Essentials of Pricing, S. 9-33

Drittes Kapitel Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie A.

Die Beziehungen zwischen Gesamtgrößen, Durchschnittsgrößen u n d Grenzgrößen.

In diesem Abschnitt werden die Beziehungen zwischen Gesamtgrößen, Durchschnittsgrößen und Grenzgrößen analysiert. Dies geschieht am Beispiel der Begriffe Erlös (Gesamterlös), Durchschnittserlös und Grenzerlös. Die Beziehungen, die abgeleitet werden, gelten jedoch allgemein - gleichgültig, ob die Gesamtgrößen der Erlös oder zum Beispiel der Ertrag oder die Kosten sind. Es geht darum, die grundsätzlichen Zusammenhänge darzustellen, die rein logischer Art sind. Deshalb lassen sie sich mit Hilfe der Mathematik analysieren. Bei der Analyse vieler mikroökonomischer Beziehungen ist es nützlich, diese Beziehungen zu kennen. 1.

Definition der Begriffe Gesamterlös, Durchschnittserlös und Grenzerlös

In Abbildung 3.1 ist N die lineare Gesamtnachfragekurve, die die funktionale Beziehung zwischen dem Preis eines Gutes und der nachgefragten Menge wiedergibt.

Bei einem Preis p, wird die Menge x, nachgefragt. Die Gesamtausgaben der Käufer betragen p,x,. Die Ausgaben der Käufer sind die Erlöse der Verkäufer. Der Erlös (Gesamterlös) ist also das Produkt aus Preis und Menge. In Abbildung 3.1 ist der Erlös bei der Menge x, gleich dem Rechteck Ox^p,. 1 Allgemein gilt: Erlös (Gesamterlös) = R = p x

2

Den Durchschnittserlös erhält man, wenn man den Erlös durch die Zahl der Einheiten (kurz: die Menge) dividiert.

1

Es wird hier und im folgenden unterstellt, daß alle Einheiten zum gleichen Preis verkauft werden.

2

"R" ist die Abkürzung des englischen Wortes "revenue". Der Buchstabe E wird später als Abkürzung für Einkommen verwendet.

80

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

_ . . . ... Durchschnittserlos

=

Erlös — Menge

=

R — = x

p x x

=

p

Wenn zum Beispiel beim Verkauf von fünf Einheiten ein Erlös von zwanzig DM erzielt wird, beträgt der Durchschnittserlös, der Erlös pro Stück, vier DM. Werden, wie wir unterstellen, alle Einheiten zum gleichen Preis verkauft, ist der Durchschnittserlös gleich dem Preis. Die Nachfragefunktion x = f(p) gibt an, welche Mengen bei alternativen Preisen nachgefragt werden. Die inverse Nachfragefunktion ist p = f ' ( x ) ' . Da der Preis gleich dem Durchschnittserlös ist, kann man die inverse Nachfragefunktion auch als Durchschnittserlösfunktion bezeichnen. Ist die Durchschnittserlösfunktion (inverse Nachfragefunktion) p = a - bx, so erhält man die Gesamterlösfunktion, indem man mit der Menge multipliziert: R = p • x = ax - bx 2 Abb. 3.2 P

1

Wir fassen bei der inversen Nachfragefunktion den Preis als Funktion der Menge auf. Eine Funktion x = f(p) hat eine inverse Funktion, wenn unterschiedliche Werte von p zu unterschiedlichen Werten von x führen. Das ist bei einer normal verlaufenden Nachfragekurve der Fall. Häufig bezeichnet man auch die inverse Nachfragefunktion einfach als "Nachfragefunktion".

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

81

In Abbildung 3.2 sind die inverse Nachfragefunktion p = a - bx im oberen Teil und die Erlösfunktion R = ax - bx 2 im unteren Teil dargestellt. 1 Die inverse Nachfragekurve p = a - bx schneidet die Abszisse bei der Sättigungsmenge x = a/b und die Ordinate bei dem Prohibitivpreis a.2 Sowohl beim Prohibitivpreis p = a als auch bei der Sättigungsmenge x = a/b ist der Gesamterlös Null. Der Gesamterlös bei der Menge x, wird im oberen Teil von Abbildung 3.2 durch das Rechteck Ox,Sp, dargestellt, im unteren Teil durch den Abstand der Gesamterlöskurve von der Abszisse. Der Durchschnittserlös bei der Menge x, ist im oberen Teil der Abbildung 3.2 gleich dem Abstand der Durchschnittserlösfunktion von der Abszisse, im unteren Teil gleich tan a = Pix,/x, = p,. In Abbildung 3.3 wird dargestellt, wie sich der Erlös ändert, wenn der Preis von p auf p+Ap (Ap 0) steigt. Abb. 3.3

Die Erlösänderung AR ist gleich der Differenz der Flächen a und b. Die Fläche a gibt an, um welchen Betrag der Erlös steigt, wenn Ax Einheiten des Gutes X zusätzlich zum Preis p + Ap verkauft werden. Diese Erlöszunahme ist Ax (p +A p). Die Fläche b gibt an, um welchen Betrag der Erlös sinkt, weil die bisher verkaufte Menge x zu einem Preis p + Ap verkauft wird, der um Ap kleiner ist als p. Die Erlösabnahme ist also Ap • x. Die Änderung des Erlöses beträgt demnach:

1

Es ist nicht zulässig, Durchschnittserlösfunktion und Gesamterlösfunktion im gleichen Koordinatensystem darzustellen. Der Durchschnittserlös hat die Dimension DM pro Mengeneinheit, der Gesamterlös die Dimension DM.

2

Ist p = a - bx, so wäre p = 0, wenn x = a/b ist; bei p = a ist x = 0.

82

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

AR = Ax • (p + Ap) + Ap • x = Ax • p + Ax Ap + Ap • x

1

Läßt man Ap gegen Null gehen, so wäre Ap • Ax relativ sehr klein zu den anderen Größen und kann vernachlässigt werden. Um anzudeuten, daß Ax und Ap sehr kleine Größen sind, schreiben wir dR = dx • p + dp • x

2

Dividiert man durch dx, so erhält man: dR d T

P + X

dp d^

Diesen Ausdruck nennt man Grenzerlös. Der Grenzerlös gibt die Veränderung des Gesamterlöses pro zusätzlich abgesetzter Einheit an. Man sagt auch (mißverständlich): Der Grenzerlös ist der zusätzliche Erlös, der dem Absatz der letzten Einheit zu verdanken ist. In dR _

dp

ist p der zusätzliche Erlös, der sich ergibt, weil eine Einheit mehr verkauft wird. Diesem Mehrerlös steht die Erlösminderung x(dp/dx) gegenüber. Sie ist das Produkt aus der Menge x und der Preisänderung dp/dx, die eintritt, weil die Absatzmenge um eine Einheit erhöht wird. Man erhält den Ausdruck für den Grenzerlös auch, wenn man die erste Ableitung des Gesamterlöses nach der Menge bildet. Mit Hilfe der Produktregel erhält man aus R=p•x dR dx

dp dx

— = P + x-r:

Ersetzt man p durch f(x), so schreibt man auch:

1

Das ergibt sich aus : R, = p • x R 2 = (p + Ap) • (x + Ax) R 2 - R, = AR = p • x + p • Ax + Ap • x + Ap • Ax - p • x AR = Ax • p + Ax • Ap + Ap • x

2

Diesen Ausdruck für dR erhält man auch unmittelbar als totales Differential von R = x • p.

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

83

— = f(x) + x f ( x ) dx Genau genommen ist die erste Ableitung des Gesamterlöses nach der Menge ein Grenzwert und kein Quotient aus zwei kleinen Größen. Von einem nicht rigorosen mathematischen Standpunkt aus ist es aber häufig hilfreich, diesen Grenzwert als Quotienten zu interpretieren. In diesem Sinne kann die erste Ableitung des Gesamterlöses nach der Menge als Veränderung des Gesamterlöses pro zusätzlich ausgebrachter Mengeneinheit, also als Grenzerlös, interpretiert werden. Dies bedeutet, daß wir den Grenzerlös graphisch als Steigung der Gesamterlösfunktion auffassen können.

Der Grenzerlös bei der Ausbringungsmenge x, ist also gleich der Steigung der Gesamterlösfunktion im Punkt S. Diese wird gemessen durch tan a . Wir fassen zusammen: Erlös

= Preis Menge

oder R = p • x

Durchschnitts-

= Erlös: Menge

oder R/x

=

oder dR/dx

= p + x~

=p

erlös Grenzerlös

= Veränderung des Gesamterlöses pro zusätzlicher Einheit

2.

Die Beziehungen zwischen Gesamterlös, Durchschnittserlös und Grenzerlös

Die Durchschnittserlösfunktion p = a - bx gibt an, wie groß der Durchschnittserlös bei alternativen Absatzmengen ist. Die entsprechende Gesamterlösfunktion lautet:

84

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

R = p • x = ax - bx2 Die Grenzerlösfunktion als erste Ableitung der Gesamterlösfunktion nach der Menge ist: dR _ d ( £ j c ) _ dx dx

a

_ 2 bx

In Abbildung 3.5 sind Durchschnittserlösfunktion, Grenzerlösfunktion und Gesamterlösfunktion dargestellt. Abb. 3.5

Durchschnittserlösfunktion und Grenzerlösfunktion sind in das gleiche Diagramm eingezeichnet worden. Dies ist möglich, weil sowohl der Durchschnittserlös als auch der Grenzerlös die Dimension DM pro Mengeneinheit haben. Die Grenzerlösfunktion verläuft unterhalb der Durchschnittserlösfunktion. Im Schnittpunkt mit der Abszisse ist der Grenzerlös a - 2bx = 0. Die Grenzerlösfunktion schneidet also die Abszisse bei x = a/2b, der halben Sättigungsmenge. Bei kleineren Mengen (x < a/2b) ist der Grenzerlös- gemessen durch den vertikalen Abstand der Grenzerlösfunktion von der Abszisse- positiv; für x > a/2b ist der Grenzerlös negativ.

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

85

Die Gesamterlösfunktion im unteren Teil von Abbildung 3.5 hat ein Maximum bei der Menge x = a/2b. Man findet das Maximum der Gesamterlösfunktion, indem man die erste Ableitung bildet und gleich Null setzt. 1 R = ax - bx2 ^ = a-2bx = 0 dx X=

a 2b

Die erste Ableitung der Gesamterlösfunktion ist aber nichts anderes als die Grenzerlösfunktion. Es gilt also: Die Gesamterlösfunktion hat ein Maximum, wenn der Grenzerlös Null ist. Ist der Grenzerlös positiv, kann der Gesamterlös erhöht werden, wenn eine Einheit mehr abgesetzt wird. Abb. 3.6

In Abbildung 3.6 ist der Gesamterlös bei der Menge x, gleich p,x,. Dies ist gleich der Fläche unter der Grenzerlöskurve zwischen 0 und x,, also gleich 0x,MB. 2 Wird bei einer Menge x, der Absatz um Ax auf x2 erhöht, so ist der damit verbundene Erlöszuwachs gleich der Fläche unter der Grenzerlöskurve zwischen x, und x 2 . Damit steigt der Erlös. Deshalb gilt:

1

Dies ist nur die notwendige Bedingung für ein Maximum. In unserem Beispiel ist anschaulich klar, daß es sich um ein Maximum handelt.

2

Ist F(x) die Gesamterlösfunktion, so ist dF(x)/dx = F'(x) die Grenzerlösfunktion. Aufgrund des Integrationssatzes gilt: F ( x , ) - F ( 0 ) = jF'(x)dx.

o

Graphisch ist dies die Fläche unter der Grenzerlöskurve zwischen 0 und x,.

86

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

Ist der Grenzerlös positiv, so nimmt der Gesamterlös zu, wenn die Menge steigt. Es gilt auch die Umkehrung: Wenn der Gesamterlös steigt, ist der Grenzerlös positiv. Nimmt nämlich der Gesamterlös zu, wenn die Menge erhöht wird, ist die Steigung der Gesamterlösfunktion positiv (siehe Abbildung 3.5). Da der Grenzerlös gleich der Steigung der Gesamterlösfunktion ist, ist auch der Grenzerlös positiv. Wenn der Grenzerlös negativ ist, sinkt der Gesamterlös, wenn die Absatzmenge erhöht wird. Dies kann unmittelbar aus Abbildung 3.5 abgelesen werden. Es gilt auch umgekehrt: Sinkt der Gesamterlös, so ist die Steigung der Gesamterlöskurve und damit der Grenzerlös negativ. Die abgeleiteten Zusammenhänge gelten allgemein für die Beziehungen zwischen Grenzgröße und Gesamtgröße:

Wenn die Gesamtgröße steigt, ist die Grenzgröße positiv. Wenn die Gesamtgröße sinkt, ist die Grenzgröße negativ. Wenn die Gesamtgröße ein Maximum oder ein Minimum erreicht, ist die Grenzgröße Null.

Bei normal verlaufenden Nachfragekurven sinkt der Preis - der Durchschnittserlös -, wenn die Menge steigt. Wenn der Durchschnittserlös sinkt, muß der Grenzerlös kleiner als der Durchschnittserlös sein. Das ergibt sich unmittelbar aus der Formel für den Grenzerlös dR _

dp

Der Durchschnittserlös ist p. Wenn mit steigender Menge der Durchschnittserlös sinkt, ist dp/dx kleiner als Null und somit auch x(dp/dx) kleiner als Null. Dies bedeutet, daß der Grenzerlös kleiner als der Durchschnittserlös ist. Es gilt auch umgekehrt: Ist der Grenzerlös kleiner als der Durchschnittserlös, so sinkt der Durchschnittserlös mit steigender Menge. Graphisch kommt dies in unseren Abbildungen dadurch zum Ausdruck, daß die Grenzerlösfunktion unterhalb der Durchschnittserlösfunktion verläuft. 1

1

Für die erste sehr kleine Einheit sind Durchschnittsgröße, Gren/.größe und Gesamtgröße gleich, wenn die Gesamtgröße für x = 0 ebenfalls Null ist. Wenn zum Beispiel die erste Einheit zum Preis von zwei D M verkauft wird, sind Durchschnittserlös, Grenzerlös und Gesamterlös gleich zwei DM. Wenn die erste Einheit sehr klein ist, liegt der Punkt, bei dem Durchschnittserlös und Grenzerlös gleich sind, mikroskopisch nah an der Ordinate, so daß er praktisch auf der Ordinate liegt. Deshalb haben in unseren Zeichnungen Durchschnittserlösfunktionen und Grenzerlösfunktionen den gleichen Ordinatenabschnitt. Genau genommen ist der Durchschnittserlös bei einer Ausbringungsmenge von Null natürlich nicht definiert.

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

87

Es gilt allgemein: Wenn die Durchschnittsgröße fällt, ist die Grenzgröße kleiner als die Durchschnittsgröße. Dazu ein Beispiel: Wenn der Student A. nach drei Klausuren eine Durchschnittsnote von 3,5 hat und sein Notendurchschnitt sich nach der vierten Klausur auf 3,0 verbessert, muß die vierte Klausur sowohl besser als 3,5 als auch besser als 3,0 gewesen sein. Die Grenzgröße muß bei sinkender Durchschnittsgröße kleiner als die Durchschnittsgröße sein. Ist x die Zahl der Einheiten und D die Durchschnittsgröße, so ist die Gesamtgröße D • x. Nennen wir die Marginalgröße M, so gilt: „ d(D • x) ^ dD M = - l - — - = D+x-— dx dx Die Ableitung muß nach der Produktregel gebildet werden, da die Durchschnittsgröße D selbst wieder von der Zahl der Einheiten x abhängt. Wenn die Durchschnittsgröße sinkt, ist dD/dx < 0 und folglich M < D. Wenn die Durchschnittsgröße steigt, ist dD/dx > 0 und folglich M > D. Wenn die Durchschnittsgröße sich nicht ändert, ist dD/dx = 0 und folglich M = D. Es gilt also: Wenn die Durchschnittsgröße sinkt, ist die Grenzgröße kleiner als die Durchschnittsgröße. Wenn die Durchschnittsgröße steigt, ist die Grenzgröße größer als die Durchschnittsgröße. Wenn die Durchschnittsgröße sich nicht ändert, ist die Grenzgröße gleich der Durchschnittsgröße. Der Verlauf der Grenzerlösfunktion und der Durchschnittserlösfunktion hängt unter anderem von der Zahl der Anbieter auf dem Markt ab. Man kann zwei Extremfälle unterscheiden: Wenn ein Gut nur von einem Unternehmer angeboten wird, gibt die Gesamtnachfragefunktion an, welche Mengen der Anbieter zu alternativen Preisen verkaufen kann. Man nennt einen solchen Anbieter einen Monopolisten.

88

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

Die inverse Gesamtnachfragefunktion p = f(x) bezeichnet man im deutschen Schrifttum auch als Preisabsatzfunktion des Monopolisten. Verkauft der Monopolist alle Einheiten zum gleichen Preis, ist die Preisabsatzfunktion die Durchschnittserlösfunktion des Monopolisten. Da eine normal verlaufende Gesamtnachfragefunktion negative Steigung hat, fällt der Durchschnittserlös mit steigender Menge; der Grenzerlös ist für einen Monopolisten also kleiner als der Durchschnittserlös und damit kleiner als der Preis. Das Gegenstück zum Monopolisten ist ein Anbieter in vollständiger Konkurrenz. Darunter versteht man einen Anbieter, der einer von sehr vielen ist, die ein völlig gleichartiges Gut anbieten. Er kann den Marktpreis durch Variation seiner Absatzmenge im Gegensatz zum Monopolisten nicht beeinflussen. Man sagt: Der Marktpreis ist für ihn eine gegebene Größe, ein Datum. Das bedeutet: Der Durchschnittserlös sinkt nicht, wenn die Absatzmenge erhöht wird. Die Preisabsatzfunktion eines Anbieters in vollständiger Konkurrenz ist praktisch eine Parallele zur Mengenachse in Höhe des Marktpreises (siehe Abbildung 3.7). Abb. 3.7

pi

DE

0

x

Wir haben abgeleitet: Wenn die Durchschnitts große sich nicht ändert, ist die Grenzgröße gleich der Durchschnittsgröße. In unserem Zusammenhang bedeutet das: Die Durchschnittserlösfunktion ist zugleich die Grenzerlösfunktion eines Anbieters in vollständiger Konkurrenz. Das ist auch unmittelbar einsichtig. Wenn eine zusätzliche Einheit zum gleichen Preis verkauft wird wie die bisher verkauften Einheiten, ist der zusätzliche Erlös - der Grenzerlös - gleich dem Preis, das heißt gleich dem Durchschnittserlös. Grenzerlösfunktion und Durchschnittserlösfunktion fallen für einen Anbieter in vollständiger Konkurrenz zusammen. B.

Marginal- u n d Äquimarginalprinzip

1.

Das Marginalprinzip

Bei ökonomischen Entscheidungen geht es in der Regel um die triviale Frage: "Lohnt es sich"? Ein Unternehmer, der überlegt, ob er die Produktionsmenge erhöhen soll, ein Haushalt, der erwägt, das alte Auto durch ein neues zu ersetzen, eine Regierung, die

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

89

prüft, ob der schnelle Brüter fertiggestellt werden soll - stets muß geprüft werden, ob die zusätzlichen Vorteile einer Handlung größer als die zusätzlichen Kosten sind. Dies ist der Inhalt des sogenannten Marginalprinzips. Was als Vorteil und was als Kosten einer Entscheidung anzusehen ist, hängt von den jeweiligen Zielen ab. Betrachten wir zunächst ein ganz einfaches Entscheidungsproblem. Das Ziel bestehe darin, einen möglichst großen Erlös zu erreichen. Der Erlös ist eine Funktion der abgesetzten Menge. Soll der Erlös maximiert werden, muß so viel abgesetzt werden, daß der Grenzerlös Null wird. Mathematisch handelt es sich darum, das Maximum der Erlösfunktion zu bestimmen. Ein Erlösmaximum wird erreicht, wenn die erste Ableitung der Erlösfunktion nach der Menge Null ist.1 Die erste Ableitung ist aber - wie wir gezeigt haben - gleich dem Grenzerlös. Es ist nützlich, sich stets auch über den ökonomischen Sinn dieser Aussage klar zu sein: Solange der Grenzerlös positiv ist, kann man den Erlös noch erhöhen, indem man etwas mehr absetzt. Oder nehmen wir an, der Ertrag solle maximiert werden. Unser Marginalprinzip sagt uns, daß der Ertrag nur dann maximiert wird, wenn der Grenzertrag Null ist. Ist nämlich der Grenzertrag eines Faktors noch positiv, kann der Gesamtertrag noch erhöht werden, indem man mehr Einheiten des Produktionsfaktors einsetzt. Die Beispiele, mit denen wir bisher unser Marginalprinzip erläutert haben, waren insofern einseitig, als wir nur die Vorteile betrachtet haben, die mit Entscheidungen verbunden sind, die Kosten aber nicht berücksichtigt haben. Wenn zum Beispiel die produzierte Menge erhöht wird, um den Erlös zu steigern, ist jedoch zu beachten, daß dem Unternehmen Kosten entstehen, wenn es die Produktion erhöht. Die zu Beginn gestellte Frage: "Lohnt es sich"? kann nur dann beantwortet werden, wenn wir auch die Kosten berücksichtigen, die mit unseren Entscheidungen verbunden sind. In der mikroökonomischen Theorie wird deshalb meist angenommen, die Unternehmen seien bestrebt, ihren Gewinn zu maximieren. Der Gewinn ist definiert als Erlös minus Kosten. Welche Mengen müssen ausgebracht werden, wenn dieses Ziel erreicht werden soll? Aufgrund unseres Marginalprinzips gilt: Man muß soviel produzieren, daß der Grenzgewinn, also der zusätzliche Gewinn der letzten Einheit, Null wird. Da der Gewinn definiert ist als Erlös minus Kosten, bedeutet ein Grenzgewinn von Null, daß der Grenzerlös gleich den Grenzkosten - den zusätzlichen Kosten der letzten Einheit - sein muß. Wäre zum Beispiel der Grenzerlös größer als die Grenzkosten, so wäre der Grenzgewinn nicht Null. In einem solchen Fall könnte der Gewinn noch erhöht werden, indem man mehr produziert. Täte man das nicht, so versäumte man eine Chance, seinen Gewinn zu erhöhen. Man kann die Bedingung für ein Gewinnmaximum auch algebraisch ableiten: Bezeichnen wir den Gewinn mit G, den Erlös mit R und die Kosten mit K, so ist G = R - K. Alle Größen sind eine Funktion der Menge. Der Gewinn hat ein Maximum, wenn die erste Ableitung der Gewinnfunktion Null ist: dG/dx = dR/dx - dK/dx = 0; somit erhält man als notwendige Bedingung für ein Gewinnmaximum: dR/dx = dK/dx. Die erste Ableitung der Kostenfunktion nach der Menge nennt man Grenzkosten.

1

Dies ist nur die notwendige Bedingung für ein Maximum.

90

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

Auch wenn zu entscheiden ist, wieviel Arbeitskräfte pro Periode beschäftigt werden sollen, wenden wir unser Marginalprinzip an: Man sollte soviel Arbeitskräfte beschäftigen, daß der zusätzliche Nettogewinn, der dem Einsatz des letzten Arbeiters zu verdanken ist, Null wird. Wie ist das zu verstehen? Wenn der Einsatz des Faktors Arbeit erhöht wird, wird der in physischen Einheiten gemessene Ertrag steigen. Der zusätzliche Ertrag, der dem Einsatz einer zusätzlichen Einheit des Faktors Arbeit zu verdanken ist, ist der Grenzertrag des Faktors Arbeit. Er mag zum Beispiel zehn Einheiten Weizen betragen. Kann eine Einheit Weizen zum Preis von zwanzig DM verkauft werden, so beträgt der zusätzliche Erlös, der dem Einsatz einer zusätzlichen Einheit des Faktors Arbeit zu verdanken ist, zweihundert DM. Wenn dieser Betrag größer ist als die zusätzlichen Ausgaben, die mit der Beschäftigung eines zusätzlichen Arbeiters verbunden sind, lohnt es sich, die Beschäftigung zu erhöhen. Der Grenzgewinn wäre noch positiv. 1 Man nimmt an, die Konsumenten seien bestrebt, ihr Einkommen so zu verwenden, daß sie ihren Nutzen maximieren. Wieviel Filetsteaks und Pampelmusen sollten sie kaufen? Ist es richtig, soviel Filetsteaks zu kaufen, daß der Grenznutzen, der zusätzliche Nutzen der letzten Einheit, Null wird? Dies wäre tatsächlich die Lösung, wenn die Konsumenten keiner Beschränkung unterlägen, sie also von allen Gütern soviel kaufen könnten, daß durch den Kauf zusätzlicher Einheiten der Nutzen nicht mehr erhöht werden könnte. In unserer Welt der Knappheit können aber selbst Millionäre nicht von allen Gütern soviel kaufen, wie sie wollen. Ihr Einkommen reicht nicht aus. Sie unterliegen bei ihren Entscheidungen einer Beschränkung durch ihr Einkommen, einer sogenannten Einkommensrestriktion. In dieser Situation wäre es falsch, soviele Steaks oder Pampelmusen zu kaufen, bis der Grenznutzen Null ist, weil mit dem Geld, das für die letzte Pampelmuse ausgegeben wird, ein höherer Nutzen erzielt werden kann, wenn man damit Güter kauft, deren Grenznutzen noch positiv ist. Wohlgemerkt: Das ist deshalb so, weil die Einkommensrestriktion es verhindert, daß man von allen Gütern eine so große Menge kaufen kann, daß der Grenznutzen überall Null wird. In vielen Fällen sind Wirtschaftssubjekte Restriktionen unterworfen, die verhindern, daß sie das unbeschränkte Maximum realisieren können. Ein Unternehmen etwa, für das das optimale Werbebudget bestimmt werden soll, mag nicht über die finanziellen Mittel verfügen, alle Aktivitäten bis zu einer Grenze zu betreiben, bei der der marginale Nettogewinn Null wird. Es wäre in diesem Fall nicht richtig, soviel für Werbung auszugeben, daß der marginale Nettogewinn der letzten Mark Null ist. Das einfache Marginalprinzip gilt auch in diesem Fall nicht. Wie aber muß verfahren werden, wenn infolge einer Restriktion das unbeschränkte Maximum nicht erreicht werden kann? Wir können uns auch in diesen Fällen von einem einfachen Prinzip leiten lassen: dem Äquimarginalprinzip.

1

Ist X das produzierte Gut und A der Produktionsfaktor, so ist x=f(A). Der Grenzertrag ist dx/dA. Der zusätzliche Erlös, der dem Einsatz einer zusätzlichen Einheit des Faktors A zu verdanken ist, ist px dx/dA. Diesen zusätzlichen Erlös nennt man das Grenzwertprodukt, wenn px eine durch den Markt gegebene Größe ist, die nicht von der Ausbringungsmenge des betroffenen Unternehmens abhängt. Bedingung für gewinnmaximalen Einsatz des Faktors Arbeit ist px (dx/dA)-w=0. Dies kann man umformen zu p,(dx/dA)=w. Der Gewinn ist dann maximal, wenn das Grenzwertprodukt gleich dem Lohnsatz w, also gleich dem Faktorpreis ist.

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

2.

91

Das Äquimarginalprinzip

Wir wollen dieses Prinzip an einem einfachen Beispiel erläutern. Ein Monopolist kann sein Produkt auf zwei verschiedenen Märkten absetzen. Es istdas Ziel des Monopolisten, die Absatzmenge so auf die Teilmärkte zu verteilen, daß der Erlös möglichst groß wird. Unterliegt der Monopolist keiner Beschränkung, wird er auf jedem der beiden Teilmärkte soviel absetzen, daß der Grenzerlös auf beiden Teilmärkten Null wird. Wie aber ist es, wenn die insgesamt für den Absatz verfügbare Menge kleiner ist als die Menge, die insgesamt auf den beiden Märkten abgesetzt werden müßte, um das unbeschränkte Maximum zu erreichen? Nennen wir die Menge, die auf dem ersten Teilmarkt abgesetzt wird, x„ die auf dem zweiten Markt abgesetzte Menge x2, so lautet die Beschränkung: x, + x 2 = x.1 In Abbildung 3.8 werden die Mengen der Güter auf den Achsen abgetragen.

Die Gerade AB ist der graphische Ausdruck der Restriktion x, + x 2 = x. Es seien x, und x 2 die Mengen, die abgesetzt werden müßten, um das unbeschränkte Maximum zu erreichen. Punkt C stellt das unbeschränkte Maximum dar, das aber mit der verfügbaren Menge x nicht verwirklicht werden kann. Die Frage, wie in diesem Fall die Menge x so auf die Teilmärkte verteilt werden muß, damit der Gesamterlös maximiert wird, läßt sich mit Hilfe des Äquimarginalprinzips beantworten. Die Menge ist so aufzuteilen, daß die Bedingung Grenzerlös auf Teilmarkt 1

=

Grenzerlös auf Teilmarkt 2

oder d(PiXi) dx,

1

_

d(p 2 x 2 ) dx2

Eigentlich lautet die Restriktion x, + x 2 < x. Wir nehmen aber an, daß x kleiner ist als die Menge, die abgesetzt werden müßte, um das unbeschränkte Maximum zu realisieren. Es wird zusätzlich unterstellt, daß die Erlösfunktion sich "gut verhält". Siehe dazu den dritten Abschnitt dieses Kapitels.

92

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

erfüllt ist. Der ökonomische Sinn des Äquimarginalprinzips ist leicht einzusehen. Wäre diese Bedingung verletzt, wäre zum Beispiel der Grenzerlös auf Teilmarkt 1 größer als der Grenzerlös auf Teilmarkt 2, so könnte der Erlös erhöht werden, indem man eine Einheit mehr auf Teilmarkt 1 und eine Einheit weniger auf Teilmarkt 2 absetzt. Beträgt etwa der Grenzerlös auf dem ersten Teilmarkt zehn DM, der Grenzerlös auf dem zweiten Teilmarkt vier DM, so könnte der Erlös um sechs DM erhöht werden, wenn auf Teilmarkt 1 eine Einheit mehr und auf Teilmarkt 2 eine Einheit weniger abgesetzt wird. Diese Überlegungen können in einfacher Weise auf ähnliche Fälle übertragen werden: a. Ein Bauer baut auf zwei verschiedenen Feldern Weizen an. Wieviele Arbeitsstunden sollte er auf die Bewirtschaftung des ersten Feldes und wieviele Stunden auf die Bewirtschaftung des zweiten Feldes verwenden, wenn der Gesamtertrag x (zum Beispiel gemessen in Doppelzentnern Weizen) möglichst groß sein soll und seine Arbeitszeit knapp ist? Der Ertrag x hängt von der Zahl der Arbeitsstunden ab: x = f(a). Die erste Ableitung dieser Ertragsfunktion nach der Arbeitsleistung dx/da nennt man den Grenzertrag oder das Grenzprodukt des Faktors Arbeit. Der Grenzertrag ist also die Veränderung des Gesamtertrags pro zusätzlicher (oder: der zuletzt eingesetzten) Einheit eines Faktors. Nach dieser terminologischen Vorbemerkung läßt sich mit Hilfe des Äquimarginalprinzips unmittelbar die notwendige Bedingung für ein Ertragsmaximum formulieren. Sie lautet: Grenzertrag der Arbeit auf Feld 1

=

Grenzertrag der Arbeit auf Feld 2

oder dx,

dx 2

da,

da 2

Wäre der Grenzertrag der Arbeit auf Feld 1 größer als auf Feld 2, so könnte der Gesamtertrag bei gegebener Arbeitszeit erhöht werden, indem eine Arbeitsstunde mehr für die Bewirtschaftung des ersten Feldes und eine Arbeitsstunde weniger für die Bewirtschaftung des zweiten Feldes verwandt würde. b. Ein Unternehmer produziert eine bestimmte Menge eines Gutes X in zwei verschiedenen Betrieben. Wie muß die Gesamtmenge auf die Betriebe 1 und 2 verteilt werden, wenn die Gesamtkosten so gering wie möglich sein sollen? Die Kosten in den beiden Betrieben sind jeweils eine Funktion der Menge. Es ist also K, = f(x,) und K 2 = f(x 2 ). Die erste Ableitung der Kostenfunktion nach der Menge, dK/dx, sind die Grenzkosten. Die Kosten sind insgesamt nur dann so klein wie möglich, wenn die Bedingung

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

Grenzkosten in Betrieb 1

93

Grenzkosten in Betrieb 2

=

oder dK,

dK 2

dx.

dx 2

erfüllt ist. Wären etwa die Grenzkosten im ersten Betrieb größer als im zweiten Betrieb, so könnten die Gesamtkosten gesenkt werden, wenn man eine Einheit weniger in Betrieb 1 und eine Einheit mehr in Betrieb 2 produzierte. c. Wie sollte ein Konsument, der seinen Nutzen maximieren will, sein Einkommen für den Kauf der Güter X und Y verwenden, wenn er das unbeschränkte Nutzenmaximum nicht realisieren kann, weil sein Einkommen zu klein ist? Der Nutzen U hängt von der Menge der Güter ab, die er kauft: U = f(x,y). Wir nennen 8U/6x den Grenznutzen des Gutes X und 5U/8y den Grenznutzen des Gutes Y. Der Grenznutzen gibt die Veränderung des Gesamtnutzens an, wenn der Konsum eines Gutes pro Periode um eine Einheit höher wird. Man sagt auch: Der Grenznutzen ist der Nutzenzuwachs einer zusätzlich (oder: der zuletzt) konsumierten Einheit. Wollen wir diese Aufgabe lösen, müssen wir beachten, daß die Preise der Güter X und Y in der Regel unterschiedlich sind. Das Äquimarginalprinzip wäre falsch angewendet, wenn von den Gütern X und Y soviel gekauft wird, daß der Grenznutzen von X gleich dem Grenznutzen von Y wird. 1 Wird das Äquimarginalprinzip korrekt angewendet, so muß das Einkommen so verwendet werden, daß der Grenznutzen der letzten Mark, die für Gut X ausgegeben wird, gleich dem Grenznutzen der letzten Mark ist, die für Y ausgegeben wird. Die notwendige Bedingung für ein Nutzenmaximum lautet also: Grenznutzen vonX

_

P*

Grenznutzen vonY Py

oder 8U =

5U 8 ^

px = Preis von Gut X py = Preis von Gut Y

1

Nehmen wir an, der Preis von X sei doppelt so hoch wie der Preis von Y. Wird soviel von X und Y gekauft, daß der Grenznutzen von X gleich dem Grenznutzen von Y wird, könnte der Gesamtnutzen erhöht werden. Würde nämlich eine Einheit von X weniger gekauft, könnte man zwei Einheiten von Y mehr kaufen. Die Nutzenminderung, die sich ergibt, wenn eine Einheit von X weniger konsumiert werden kann, wird schon durch den zusätzlichen Konsum einer Einheit von Y ausgeglichen. Der Nutzen steigt also insgesamt um den Grenznutzen der zweiten Einheit von Y.

94

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

Man nennt diese Bedingung auch das "Gesetz vom Ausgleich der gewogenen Grenznutzen" oder das zweite Gossensche Gesetz zu Ehren von Hermann Heinrich Gossen (1810-1858), der diese Bedingung in seinem Buch "Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln" formulierte. Auch der Sinn dieser Bedingung ist unmittelbar einsichtig. Wäre der Grenznutzen der letzten Mark, die für Gut X verwendet wird, größer als der Grenznutzen der letzten Mark, die für Gut Y ausgegeben wird, könnte der Gesamtnutzen erhöht werden, wenn eine Mark mehr für X und eine Mark weniger für Y ausgegeben wird. d. Ein Unternehmer produziert das Gut X mit Hilfe der Produktionsfaktoren V, und V 2 . Die Produktionsfunktion x = f(v„ v2) beschreibt den funktionalen Zusammenhang zwischen den Einsatzmengen der Faktoren V, und V 2 und dem Output. Für die Produktionsfaktoren müssen pro Einheit die Preise q, und q 2 gezahlt werden. Der Unternehmer will mit gegebener Ausgabensumme für die Produktionsfaktoren möglichst viel von X herstellen. Wie muß er seine Ausgaben für den Kauf der Faktoren V, und V2 verwenden? Wird das Äquimarginalprinzip angewandt, ergibt sich: Der Grenzertrag der letzten Mark, die für V, ausgegeben wird, muß gleich dem Grenzertrag der letzten Mark sein, die für V 2 verwendet wird. Das heißt: Grenzertrag vonV,

Grenzertrag vonV 2

Qi

Q2 oder

5x

8x

Auch hier erkennt man unmittelbar, daß bei Verletzung dieser Bedingung der Gesamtertrag noch erhöht werden kann. 3.

Das Lagrange-Verfahren

Bei allen Aufgaben, bei denen wir die notwendige Bedingung für ein Maximum oder Minimum mit Hilfe des Äquimarginalprinzips formuliert haben, handelt es sich mathematisch darum, das Maximum oder Minimum einer Funktion zu finden, wenn der unbeschränkte Extremwert wegen einer Restriktion nicht erreicht werden kann. Durch die Restriktion wird der Wertebereich der Variablen beschränkt. Nur die Werte, die der Restriktion genügen, sind zulässig. Baumol hat den Unterschied zwischen einer beschränkten und einer unbeschränkten Maximierungsaufgabe anschaulich mit Hilfe einer geographischen Analogie erläutert. Wenn wir den höchsten Berg der Erde suchen, werden wir finden, daß dies der Mount Everest ist. Seine geographische Lage ist durch einen bestimmten Längengrad und

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

95

Breitengrad gegeben. Wenn unsere Maximierungsaufgabe durch die Bedingung beschränkt ist, der Berg solle in Europa liegen, wird das Ergebnis in zwei Punkten von dem Ergebnis der unbeschränkten Maximierungsaufgabe abweichen: Der durch Längengrad und Breitengrad bestimmte geographische Ort ändert sich und der Berg ist nicht so hoch. Auf unsere Aufgabe übertragen, bedeutet dies: In der Regel erhält man für das beschränkte Maximum andere Werte für die unabhängigen Variablen und einen kleineren Funktionswert als für das unbeschränkte Maximum. Das braucht allerdings nicht so zu sein. Hätte bei unserer geographischen Aufgabe die Restriktion gelautet, der Berg solle in Asien liegen, so hätte sich weder die geographische Lage noch die Höhe des Berges infolge der Restriktion verändert. In Abbildung 3.9 sei R die Größe, deren Maximum wir suchen. R ist eine Funktion von x, und x 2 . Die Restriktion sei x, + x2 < x. Sie wird graphisch durch die Fläche in der x,x 2 - Ebene wiedergegeben, die durch die x,- und x 2 -Achsen und die Gerade x, + x 2 = x begrenzt wird.

A ist das unbeschränkte Maximum. Wegen der Restriktion sind aber nur Werte zulässig, die der Restriktion x, + x 2 < x genügen. Dadurch wird auch der Wertebereich der Zielfunktion beschränkt. Das unbeschränkte Maximum kann nicht realisiert werden. Das beschränkte Maximum ist B. Es liegt genau über der Geraden x, + x 2 = x. Die Restriktion ist also als Gleichung erfüllt. Das braucht aus zwei Gründen nicht so zu sein: Zum einen könnte es sein, daß die Restriktion nicht bindend ist, so daß A im Inneren des zulässigen Wertebereichs liegt. Sind x, und x 2 die Koordinaten von A in der x,x 2 -Ebene, so mag x größer als x, und x2 sein. Die Restriktion wäre im Maximum als Ungleichung erfüllt. Wir haben bei unseren Aufgaben zum Äquimarginalprinzip unterstellt, daß die Restriktion tatsächlich bindend ist, das unbeschränkte Maximum also nicht verwirklicht werden kann. Diese Annahme soll beibehalten werden. Zum anderen können wir auch dann noch nicht sicher sein, daß das beschränkte Maximum ein Punkt ist, der genau über der Geraden x, + x 2 = x liegt. In Abbildung 3.9 hat die Funktion die Form eines Berges oder einer umgestülpten Salatschüssel. Ist man auf dem Weg zur Bergspitze, so geht es kontinuierlich bergan. Man durchwandert auf dem Weg nach oben nicht irgendwelche "Zwischentäler". Von einer solchen Funktion

96

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

sagt man, daß sie sich "gut verhalte". Erst durch dieses Wohlverhalten wird sichergestellt, daß das beschränkte Maximum genau über x, + x 2 = x liegt. Gäbe es "Zwischentäler", könnte es so sein, daß die Punkte über der Restriktion x, + x 2 = x genau in einem solchen "Zwischental" liegen. Das beschränkte Maximum läge dann wieder im Innern des zulässigen Wertebereichs. Wenn wir sicher sein können, daß die Restriktion als Gleichung erfüllt ist, oder wenn die Restriktion von vornherein als Gleichung (und nicht als Ungleichung) gegeben ist, gibt es ein mathematisches Verfahren, mit dem wir die Aufgabe lösen können, ein beschränktes Maximum oder Minimum zu finden: das Lagrange-Verfahren oder, wie man auch sagt, die Methode der Lagrange-Multiplikatoren. Wir wollen dieses Verfahren am Beispiel eines Monopolisten erläutern, der eine gegebene Menge x auf zwei verschiedenen Märkten verkauft, auf denen er unterschiedliche Preise verlangen kann. Er will die Menge so auf die Märkte verteilen, daß sein Erlös maximiert wird. Die zu maximierende Funktion ist also R = p,x, + p 2 x 2 Die Restriktion lautet: x, + x 2 = x. Um diese Aufgabe mit Hilfe des Lagrange-Verfahrens zu lösen, muß zuerst die Lagrange-Funktion gebildet werden. Dies geschieht wie folgt". 1. Man formt die Restriktion x, + x2 = x so um, daß auf einer Seite der Gleichung Null steht. Die Gleichung lautet dann: x - x, - x 2 = 0. 2. Man multipliziert den (so) erhaltenen Ausdruck mit der Konstanten X , die man den unbestimmten Lagrange-Multiplikator nennt. Wir erhalten: A. (x - x, -x 2 ). 3. Man addiert diesen Ausdruck zur Zielfunktion. In unserem Beispiel ergibt sich: L=p,x, + p2x2 + X(x. - x, - x2). Dies ist die gesuchte Lagrange-Funktion. Sie enthält die drei unabhängigen Variablen x,, x 2 und X . Sind mehrere Nebenbedingungen zu beachten, so sind diese ebenso umzuformen, mit weiteren Lagrange-Multiplikatoren zu multiplizieren und zur Zielfunktion zu addieren. 1 In einem weiteren Schritt bildet man die partiellen Ableitungen der Lagrange-Funktion nach x „ x 2 und X und setzt die Ableitungen gleich Null. Man erhält:

1

Wenn in unserem Fall eine zweite Nebenbedingung in Form einer Gleichung gegeben wäre, so mag sich graphisch ein Schnittpunkt der zwei Geraden in der x,x 2 -Fläche ergeben. Der zulässige Wertebereich schrumpft zu einem Punkt. Die Bestimmung des Extremwerts wäre trivial. Dies ist anders, wenn die Zahl der unabhängigen Variablen größer als die Zahl der Restriktionen ist.

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

6L=£(PiXI)_J1 = 8x] dxi 2.

3.

SL

d(p2x2)

Sx 2

dx 2

-X

97

0

=0

8L _ gjj- = x - x 1 - x 2 = 0

Dies ist ein System, das aus drei Gleichungen besteht und das die drei Variablen x„ x 2 und X enthält. Die Lösung des Gleichungssystems ergibt die optimalen Werte für x„ x2 und X. Man beachte: Indem wir partiell nach X ableiten und die Ableitung gleich Null setzen, erhalten wir x - x, - x 2 = 0. Die ursprüngliche Restriktion wird also als eine der drei Gleichungen unseres Gleichungssystems reproduziert. Dadurch wird gewährleistet, daß die Restriktion erfüllt ist. Die Logik des Lagrange-Verfahrens wird damit verständlich. Wenn in dem Lagrangeausdruck L = R + X (x - x, - x2) der Klammerausdruck Null ist, dann ist L = R. Das bedeutet: Die Werte von x, und x2, die die Lagrangefunktion maximieren, sind die Werte, die auch die ursprünglich durch eine Nebenbedingung beschränkte Erlösfunktion maximieren. Anders gesagt: Statt die ursprünglich beschränkte Maximierungsaufgabe zu lösen, können wir die ganz andere Aufgabe lösen, das unbeschränkte Maximum der Lagrange- Funktion zu ermitteln. Aus den ersten beiden Gleichungen unseres Gleichungssystems erhält man: d(Pi x i) , —; =X dx!

, und

d(p2x2) — =X dx2

und somit d(PiX|) dx,

=

d(p2x2) dx2

als notwendige Bedingung für ein Erlösmaximum. Dies ist nichts anderes als jene Bedingung, die wir schon mit Hilfe des Äquimarginalprinzips gefunden haben. Wir wollen abschließend ein konkretes Zahlenbeispiel mit Hilfe des LagrangeVerfahrens lösen. Gegeben seien die Preisabsatzfunktionen p, = 10 - 0,5 x, und p2 = 18 - x2. Die entsprechenden Erlösfunktionen sind

98

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

p,x, = 10x, -0,5x* und P2X2 — I8X2 — X2 • Der Gesamterlös soll maximiert werden. Die Restriktion ist x, + x2 = 13. Die Lagrange-Funktion lautet: L = 1 Ox, - 0,5x^ +18x 2 - x 2 + A.(l 3 - x, - x2) Wir bilden die ersten Ableitungen und setzen diese gleich Null: 1.

t ~ = 10-x,-X = 0 ox,

2.

— = 18-2x2-X = 0 öx2

3.

13-x,-x2 = 0

er

Aus den beiden ersten Gleichungen ergibt sich 4.

10 — x, = 1 8 - 2 x 2

4a.

x,=2x2-8

Setzt man 4a. in 3. ein, so erhält man: x2 = 7 Wird die Gesamtmenge optimal auf die Teilmärkte verteilt, müssen sieben Einheiten auf dem zweiten Teilmarkt und damit 1 3 - 7 = 6 Einheiten auf dem ersten Teilmarkt abgesetzt werden (x, = 6). Aus Gleichung 1 oder 2 ergibt sich als optimaler Wert für X:

X= A Man kann diese Aufgabe auch mit Hilfe des Äquimarginalprinzips lösen. Dazu ermittelt man zunächst die Grenzerlösfunktionen für beide Märkte (sie ergeben sich als erste Ableitung der Gesamterlösfunktionen) und setzt sie gleich:

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

10-x

18 - 2 X

Grenzerlös auf Markt 1

Grenzerlös auf Markt 2

99

2

Aus dieser Gleichung und der Restriktion x, + x 2 = 13 kann man die optimalen Werte für x, und x 2 ermitteln. Es bleibt zu prüfen, wie der Lagrange-Multiplikator X zu interpretieren ist. In unserem Beispiel gilt: Der Lösungswert von X gibt an, wie sich der maximale Erlös R ändert, wenn eine Einheit von x mehr zur Verfügung steht, wenn also x um eine Einheit zunimmt. Es ist also

Allgemein gibt der Lösungswert von Xan, um welchen Betrag sich der Zielfunktionswert ändert, wenn die Restriktion um eine Einheit gelockert wird.

4.

Anwendung: Fehler erkennen und vermeiden

In der Praxis werden häufig Entscheidungen getroffen, denen ein stark vereinfachtes Kalkül zugrunde liegt. Dabei werden oft Durchschnittsgrößen statt Grenzgrößen verwendet, weil Durchschnittsgrößen bekannt sind oder leicht ermittelt werden können. Die entsprechenden Grenzgrößen sind meist nicht unmittelbar bekannt und können oft nur mit Mühe näherungsweise bestimmt werden. Wenn etwa ein Unternehmen pro Periode einen Gewinn von eintausend DM erzielt und fünfhundert Einheiten verkauft, ist der Durchschnittsgewinn - der Gewinn pro Stück zwei DM. Wie groß der Grenzgewinn ist, könnte nur mit einem gewissen Aufwand ermittelt werden. Man müßte prüfen, wie hoch die zusätzlichen Kosten und der zusätzliche Erlös wären, wenn man die Produktionsmenge erhöhte. Die Buchhaltung liefert unmittelbar nur Informationen über Gesamtgrößen und Durchschnittsgrößen. Die folgenden Beispiele sollen auf die Fehler aufmerksam machen, die vorkommen können, wenn man bei dem Optimalitätskalkül von Durchschnittsgrößen statt von Grenzgrößen ausgeht. a. In einer Familie wird überlegt, ob es sich lohnt, daß die Ehefrau eine Halbtagsbeschäftigung annimmt. Pro Jahr könnte sie dadurch 20 000 DM brutto verdienen. Der Mann verdient 80 000 DM. Die Eheleute wissen, daß sie von dem zusätzlichen Einkommen Steuern zahlen müssen. Sie prüfen deshalb, um welchen Betrag das Nettoeinkommen steigt, wenn die Beschäftigung angenommen wird. Der Steuerberater teilt ihnen mit, daß bei einem Familieneinkommen von 100 000 DM 34,5 Prozent als Steuern zu zahlen sind. Um die zusätzlichen Steuern zu ermitteln, rechnet das Ehepaar daher: 0,345 20 000 = 6 900 DM

100

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

Sie glauben deshalb, das zusätzliche Nettoeinkommen werde 20 000 D M - 6 900 DM = 13 100 DM betragen. Später stellen sie fest, daß das zusätzliche Nettoeinkommen viel geringer ist. Welchen Fehler haben sie gemacht? Sie haben dem Kalkül den durchschnittlichen Steuersatz - eine Durchschnittsgröße - zugrunde gelegt. Der Einkommensteuertarif ist aber progressiv: Der durchschnittliche Steuersatz nimmt mit steigendem Einkommen zu. Daraus folgt schon, daß der Grenzsteuersatz größer als der durchschnittliche Steuersatz ist. Die Steuer, die zusätzlich gezahlt werden muß, ist also größer als der Betrag von 6 900 DM, den man mit Hilfe des durchschnittlichen Steuersatzes errechnet hat. Tatsächlich steigt der durchschnittliche Steuersatz von 31 Prozent bei einem Einkommen von 80 000 DM auf 34,5 Prozent bei einem Einkommen von 100 000 DM an. Die Familie mußte bisher Steuern in Höhe von 0,31 • 80 000 DM = 24 800 DM zahlen. Bei einem Familieneinkommen von 100 000 DM zahlt sie 0,345 • 100 000 DM = 34 500 DM an Steuern. Die zusätzlichen Steuern betragen also 9 700 DM, das sind nicht 34,5 Prozent, sondern 48,5 Prozent des zusätzlichen Einkommens. b. Ein Monopolist bietet sein Produkt auf zwei verschiedenen, räumlich getrennten Märkten an, auf denen er unterschiedliche Preise verlangen kann. Der Monopolist hat bisher auf jedem Markt 4 000 Einheiten pro Periode verkauft. Auf dem Markt A erzielt er einen Preis von 6 DM, auf dem Markt B einen Preis von 5 DM. Die Produktionsmenge wird um eintausend Einheiten erhöht, die aus organisatorischen Gründen nur auf einem der beiden Teilmärkte verkauft werden sollen. Marktforscher haben ermittelt, daß der Preis von 6 DM auf 5,50 DM sinkt, wenn die zusätzliche Menge auf Markt A verkauft wird. Die Geschäftsleitung entscheidet sich dafür, die zusätzliche Menge auf Markt A abzusetzen und gibt folgende Begründung: Ein Preis von 5,50 DM ist immer noch höher als ein Preis von 5 DM, der bisher auf Markt B erzielt wurde. Außerdem sei zu erwarten, daß der Preis auf Markt B noch unter 5 DM sinken werde, wenn die zusätzliche Menge dort verkauft würde. Ist die Entscheidung richtig? Ob die Entscheidung richtig ist, kann mit den gegebenen Informationen nicht festgestellt werden. Die Begründung ist jedenfalls unzureichend. Für die richtige Entscheidung kommt es nicht darauf an, daß der Durchschnittserlös auf Markt A größer ist als auf Markt B, es kommt allein darauf an, wie groß der zusätzliche Erlös jeweils ist. Der zusätzliche Erlös kann aber durchaus größer sein, wenn die zusätzliche Menge auf Markt B statt auf Markt A verkauft wird, obwohl der Preis auf Markt B niedriger ist. Sinkt zum Beispiel der Preis auf Markt B von 5 DM auf 4,80 DM, wenn die zusätzliche Menge auf Markt B verkauft wird, erweist sich die Entscheidung, die zusätzliche Menge auf Markt A zu verkaufen, als falsch. Der zusätzliche Erlös beträgt nämlich:

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

101

bei Verkauf auf Markt A 5 000 ' 5,50 DM - 4 000 6 DM = 3 500 DM bei Verkauf auf Markt B 5 000 4,80 DM - 4 000 5 DM = 4 000 DM c. Ein Unternehmen hat bisher pro Jahr zwei Millionen Einheiten eines Gutes produziert und auf dem Inlandsmarkt zu einem Preis von 1,50 DM verkauft. Die Kosten pro Stück betragen zwei DM, so daß ein buchhalterischer Verlust von 0,50 DM pro Stück entstand. Insgesamt ergab sich ein Verlust von einer Million Mark. Ein kommunistisches Land ist bereit, zwei Millionen Einheiten zu einem Preis von 1,30 D M zu kaufen. Der Inlandspreis wird davon nicht berührt. Da die Kapazität bisher nicht ausgelastet war, ist das Unternehmen in der Lage, die zusätzliche Menge auf den vorhandenen Anlagen zu produzieren. Kann es lohnend sein, den Auftrag anzunehmen, obwohl der Preis noch unter dem im Inland erzielten Preis von 1,50 DM liegt, bei dem ein Verlust von 0,50 DM pro Stück entstand? Bei der Prüfung dieser Frage stellt sich heraus, daß die Durchschnittskosten auch bei einer Produktionsmenge von vier Millionen mit 1,50 DM pro Stück noch höher sind als der Preis von 1,30 DM. Man lehnt es deshalb ab, den Auftrag anzunehmen. Ist die Entscheidung richtig? Nein, man hätte den Auftrag annehmen sollen. Es kommt allein darauf an, ob die zusätzlichen Kosten geringer sind als der zusätzliche Erlös. Schon aus der Beobachtung, daß die Durchschnittskosten sinken, wenn die Produktion von zwei Millionen auf vier Millionen Stück erhöht wird, kann man schließen, daß die zusätzlichen Kosten pro Einheit kleiner als die Durchschnittskosten sind. Man kann aus den Angaben auch den genauen Betrag ermitteln, um den die Kosten steigen. Die Gesamtkosten bei einer Produktion von zwei Millionen Einheiten sind: 2 Millionen • 2 DM = 4 Millionen DM. Die Gesamtkosten bei einer Produktion von vier Millionen Einheiten betragen: 4 Millionen • 1,50 DM = 6 Millionen DM. Die zusätzlichen Kosten belaufen sich also auf zwei Millionen DM. Dem steht ein zusätzlicher Erlös von 2 Millionen • 1,30 DM = 2,6 Millionen DM gegenüber. Das Unternehmen könnte also den Verlust von einer Million Mark um 600 000 DM auf 400 000 DM verringern.

102

C.

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der milcroökonomischen Theorie

Elastizität

Elastizität ist ein wichtiger Begriff der Volkswirtschaftslehre. Sicherheit im Umgang mit diesem Konzept gehört zum unerläßlichen Handwerkszeug des Ökonomen. Von der großen Zahl der Elastizitätsbegriffe werden in diesem Abschnitt nur drei für die Preistheorie besonders wichtige Konzepte exemplarisch behandelt: die direkte Preiselastizität der Nachfrage, die Einkommenselastizität und die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage. 1.

Die direkte Preiselastizität der Nachfrage

a.

Definition

Es ist wünschenswert, einen Koeffizienten zu haben, der angibt, wie die nachgefragte Menge auf Preisänderungen reagiert. Es liegt nahe, in dem Quotienten aus der absoluten Mengenänderung Ax und der absoluten Preisänderung Ap den gesuchten Koeffizienten zu sehen. Der Koeffizient Ax/Ap hätte aber Nachteile, die es nicht ratsam erscheinen lassen, die Reagibilität der Nachfrage durch ihn zu messen. Der numerische Wert würde von den Einheiten abhängen, in denen das Gut gemessen wird. Der Wert des Koeffizienten ändert sich, wenn zum Beispiel Weizen in kg statt in Tonnen oder Pfund gemessen wird. Der Wert hängt auch davon ab, in welchen Einheiten der Preis gemessen wird. Es wäre nicht sinnvoll, die Reagibilität der Nachfrage bei unterschiedlichen Gütern zu vergleichen, wenn zum Beispiel Autos in Stück, Whisky in Litern und Brot in Pfund gemessen wird. Vor allem wäre aber ein Vergleich der Reagibilität der Nachfrage bei verschiedenen Gütern mit Hilfe des Koeffizienten Ax/Ap nicht aussagekräftig. Wenn zum Beispiel der Preis für ein Pfund Butter um eine DM sinkt, wird man erwarten, daß dies eine beachtliche Steigerung der nachgefragten Menge bewirkt. Wenn aber der Preis eines Autos um eine DM sinkt, wird von vornherein klar sein, daß dies keine Veränderung der nachgefragten Menge zur Folge hat. Dies ist deshalb so, weil eine Preissenkung um eine DM bei Butter eine relativ große, bei Autos eine relativ unbedeutende Preissenkung wäre. Man stellt deshalb nicht auf die absoluten, sondern besser auf die relativen Änderungen ab, wenn man die Reagibilität der Nachfrage auf Preisänderungen mißt. Wendet man dieses Konzept an, so erhält man den Koeffizienten der direkten Preiselastizität der Nachfrage, der wie folgt definiert ist:

Preiselastizität der Nachfrage nach Gut X

relative Änderung der von Gut X nachgefragten Menge relative Preisänderung bei Gut X Ax x

Ap p

Ax Ap

p x

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

103

Bei dieser Definition ist zunächst das Minuszeichen auf der rechten Seite erklärungsbedürftig. Mit dieser Konvention wird bezweckt, den Ausdruck auf der rechten Seite im Normalfall positiv werden zu lassen. Wenn etwa der Preis von p, auf p 2 steigt, so ist Ap = p 2 - p, positiv. Bei normalem Verlauf der Nachfragekurve bewirkt die Preissteigerung, daß die Menge sinkt: Ax = x 2 - x, ist negativ. Dies bedeutet, daß der Quotient Ax/Ap negativ ist, weil Zähler und Nenner verschiedene Vorzeichen haben. Das Minuszeichen in unserer Definition stellt also sicher, daß wir im Normalfall einen positiven Wert für die Preiselastizität der Nachfrage erhalten. Dies erleichtert die sprachliche Verständigung. Der Leser muß aber beachten, daß dieser Konvention in der Literatur nicht durchgängig gefolgt wird. Die Preiselastizität der Nachfrage ist, wie andere Elastizitätsbegriffe auch, eine dimensionslose Größe, da sich die Dimensionen herauskürzen. Unsere Formel enthält noch eine Unklarheit: Wenn sich Preis und Menge ändern, so ist klar, welche Werte für Ax und Ap einzusetzen sind. Es ist nicht klar, welche Werte für x und p eingesetzt werden sollen. Setzt man die Ausgangswerte ein, so erhält man in der Regel ein anderes Ergebnis, als wenn man die nach einer Preisänderung erreichten Endwerte einsetzt. Vereinbart man, stets die Ausgangswerte einzusetzen, so ergäbe sich für eine Preiserhöhung ein anderer Wert als der Wert, den man erhält, wenn diese Preiserhöhung wieder rückgängig gemacht würde. Dies sei an folgendem Beispiel erläutert: In der Ausgangssituation sei p, = 10, X! = 10. In der Endsituation sei p2 = 8, x 2 = 12,5. Setzt man in die Formel für x und p die Ausgangswerte ein, so erhält man: Preiselastizität der Nachfrage

_

2,5 10 - 2 10

_

5 4

_

^

Setzt man die Endwerte ein, so erhält man: Preiselastizität der Nachfrage

_ ~

2,5 8 - 2 12,5

_ ~

4 5

_ '

Es ist deshalb üblich, bei diskreten Preisänderungen die Formel für die sogenannte Bogenelastizität zu verwenden. 1 Dabei ersetzt man x durch (x, + x2) / 2 und p durch (Pi + P2) / 2. Man erhält:

1

Auch der Ausdruck Ax/Ap • p/x wird manchmal als Bogenelastizität bezeichnet.

104

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

Bogenpreiselastizität der Nachfrage 2

Ax

P1 + P2

Ap

X!+X

2

Es empfiehlt sich, diese Formel stets bei diskreten Preisänderungen zu verwenden. In unserem Zahlenbeispiel erhält man: Bogenpreiselastizität

- 2 ' 22,5

In d e m Beispiel verändern sich die Gesamtausgaben infolge der Preissenkung nicht (P! x, = p 2 x 2 = 100). Der Leser möge beachten, daß in einem solchen Fall die Bogenelastizität immer den Wert eins hat. In der Wirtschaftstheorie wird allerdings meist das Konzept der sogenannten Punktpreiselastizität verwendet. Die Punktelastizität ist der Grenzwert der Bogenelastizität, wenn Ap gegen Null geht. Man schreibt: Punktpreiselastizität der Nachfrage

*p

dx

p

dp

x

Soll daran erinnert werden, daß x außer von p noch von anderen Variablen abhängt, so schreibt man:

e,

8x

p

8p

x

In j e d e m Fall wird aber bei Verwendung des Elastizitätsbegriffs unterstellt, daß die anderen Variablen, die x beeinflussen können, konstant sind (ceteris paribus-Annahme). b.

Graphische Bestimmung der Preiselastizität

In Abbildung 3.10 ist AB eine lineare Nachfragekurve. Es soll ermittelt werden, wie groß die Preiselastizität der Nachfrage im Punkt P mit den Koordinaten x und p ist. Es ist: tany =

da y der Steigungswinkel der Nachfragekurve ist. Weiter ist t a n y ' = - - £ , da

nach einem bekannten Satz gilt: tany' = - t a n ( 1 8 0 ° - y ) . t a n y ' kann man auch ausdrücken durch t a n y ' =

Gegenkathete _ Ankathete

PC AC '

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

105

Abb. 3.10

Beim Winkel a sind lediglich Ankathete und Gegenkathete vertauscht; tan a ist also der Kehrwert von tany': dx tana

AC

=-dTpc

Weiterhin gilt tanß = ^ Setzt man

Exp

=E=^ .

= ^ und j- = ^ in die Formel für die Preiselastizität ein, so erhält man:

_ _ d x p _ A C PC AC PA ~ " d p ' x ~ PC OC " OC " PB

Dabei ergibt sich der letzte Schritt durch Anwendung der Strahlensätze. Für einen beliebigen Punkt auf einer linearen Nachfragekurve kann die Preiselastizität der Nachfrage also unmittelbar abgelesen werden. Sie ist gleich dem Verhältnis aus dem unteren Streckenabschnitt PA und dem oberen Streckenabschnitt PB. In Abbildung 3.11 ist M der Mittelpunkt von AB. Aufgrund des gerade abgeleiteten Satzes ist die Preiselastizität der Nachfrage in M genau gleich eins. Für alle Punkte zwischen A und M ist die Preiselastizität kleiner als eins. Man sagt auch, die Nachfrage sei in diesem Bereich unelastisch. Für alle Punkte zwischen M und B ist die Preiselastizität größer als eins. Man sagt, die Nachfrage sei elastisch. Jeder Punkt einer normal verlaufenden linearen Nachfragekurve hat also eine andere Preiselastizität.

106

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

Abb. 3.11

In Abbildung 3.12a, 3.12b und 3.12c sind jeweils zwei Nachfragekurven N, und N 2 eingezeichnet. Zu jedem Punkt P, auf N, ist ein Punkt P 2 auf N 2 eingezeichnet, in dem die Preiselastizität der Nachfrage gleich der Preiselastizität der Nachfrage in P, auf N, ist. Dies ergibt sich jeweils aufgrund des Strahlensatzes. Man hüte sich insbesondere vor der falschen Aussage, die Preiselastizität der Nachfrage in P 2 auf N 2 in Abbildung 3.12a sei deshalb größer als in P, auf N„ weil N 2 flacher verläuft, eine gegebene Preisänderung also eine absolut größere Mengenänderung zur Folge habe. Man muß beachten, daß bei der Elastizität auf die relativen Änderungen abgestellt wird. Abb. 3.12

a)

b)

c)

In Abbildung 3.13 sind zwei Nachfragekurven dargestellt, die sich in P schneiden. In diesem Fall ist P A ' / P B ' > PA/PB. Die Preiselastizität der Nachfrage in P auf N 2 ist größer als die Preiselastizität der Nachfrage in P auf N,. Die flacher verlaufende Nachfiragekurve N 2 ist in P elastischer als die steiler verlaufende Nachfragekurve N,.

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

107

Abb. 3.13

0

A

A'

X

Die Abbildungen 3.14a und 3.14b zeigen zwei extrem verlaufende lineare Nachfragekurven. In Abbildung 3.14a ist die Preiselastizität der Nachfrage in jedem Punkt unendlich; man sagt, die Nachfrage sei vollkommen elastisch. In Abbildung 3.14b ist sie in jedem Punkt gleich Null; man sagt, die Nachfrage sei vollkommen unelastisch. Die in Abbildung 3.14a dargestellte Nachfragekurve ergibt sich als Nachfragekurve aus der Sicht eines Anbieters, der einer von sehr vielen Anbietern ist und der praktisch zum Marktpreis beliebig viel verkaufen kann (Preisabsatzfunktion eines Anbieters in vollständiger Konkurrenz). Vollkommen unelastisch wie in Abbildung 3.14b kann die Nachfrage dagegen nur in einem bestimmten Bereich sein. Eine senkrechte Nachfragekurve bedeutet, daß unabhängig vom Preis (also bei beliebig hohem Preis) eine konstante Menge gekauft wird. Dies kann in der Realität nur bei ganz speziellen Gütern ( z.B. lebenswichtige Medikamente ) und auch da nur näherungsweise erfüllt sein. Abb. 3.14

a)

b)

Verläuft die Nachfragekurve nicht linear, wie in Abbildung 3.15, so ermittelt man graphisch die Preiselastizität der Nachfrage in einem beliebigen Punkt P, indem man die Tangente in diesem Punkt an die Kurve legt.

108

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

Die Preiselastizität der Nachfrage in P ist —^ • ' . Dies ist gleich tan a • tan ß = PA/PB . Die Beweisführung ist die gleiche wie bei linearen Nachfragekurven. Bei nichtlinearen Nachfragekurven ist die Preiselastizität der Nachfrage also gleich dem Verhältnis der Tangentenabschnitte PA/PB. Dabei ist zu beachten, daß zu jedem Punkt der nichtlinearen Nachfragekurve eine andere Tangente gehört.

In der folgenden Übersicht sind die Sprechweisen wiedergegeben, die bei unterschiedlichen Preiselastizitäten üblich sind. e*P = 0 0 1 ,

so ist 1/Ejp < 1

und also p • (1 - l/e^) > 0

Istexpl

und also p

Ist 6 ^ = 1 ,

so ist 1/6^ = 1

und also p - ( l - l / e , p ) = 0

113

(l-l/e,p) 1

R' < 0

R' = 0

R' > 0

In Abbildung 3.19 sind die Beziehungen zwischen Preiselastizität, Grenzerlös und Gesamterlös abschließend graphisch dargestellt. Abb 3.19

f.

Die Determinanten der Preiselastizität der Nachfrage

Die Preiselastizität der Nachfrage nach einem Gut X ist ceteris paribus um so größer, je mehr Substitutionsgüter es gibt und je besser sie geeignet sind, das Gut X zu ersetzen. Je zahlreicher nämlich die Substitutionsgüter sind und je besser sie nach dem Urteil der Käufer geeignet sind, das Gut X zu ersetzen, um so eher wird ein Käufer des Gutes X bei einer Preiserhöhung auf andere Güter ausweichen oder bei einer Preissenkung für X das Gut X statt der bisher gekauften Substitutionsgüter nachfragen. Auch die Zahl

114

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

der Käufer, die bei einer Preiserhöhung von X andere Güter nachfragen oder die bei einer Preissenkung das Gut X statt anderer Güter kaufen, wird um so größer sein, je besser und zahlreicher die Substitutionsprodukte sind. Ob andere Güter nach dem Urteil der Käufer geeignet sind, das Gut X zu ersetzen, hängt nicht nur von den Eigenschaften dieser Güter ab, sondern auch davon, wie hoch ihr Preis relativ zum Preis des Gutes X ist. Ein Gut Y mag aufgrund seiner Qualität, seiner Eigenschaften und Verwendungszwecke vorzüglich geeignet sein, Gut X zu ersetzen. Ist Y erheblich teurer als X, so werden die Käufer X dennoch nicht als durch Y austauschbar ansehen. Eine Preiserhöhung beim Gut X wird die bisherigen Käufer des Gutes X nicht veranlassen, X durch Y zu substituieren, wenn X auch nach der Preiserhöhung noch billiger als Y ist. Dies kann bedeuten, daß es für das Gut X nach dem Urteil der Käufer erst dann gute Substitutionsgüter gibt, wenn der Preis für X so hoch festgesetzt wird, daß X in die gleiche Preisklasse gelangt wie die Substitutionsgüter. Im allgemeinen ist die Zahl der geeigneten Substitutionsgüter um so größer, je enger ein Gut definiert ist. So ist die Preiselastizität der Nachfrage nach Zigaretten der Marke Marlboro größer als die Preiselastizität der Nachfrage nach Zigaretten im allgemeinen. Wenn der Preis für Zigaretten der Marke Marlboro steigt, gibt es zahlreiche andere Marken, auf die der Käufer ausweichen kann. Steigt der Preis für Zigaretten allgemein, so gibt es als mögliche Substitute nur Zigarren, Pfeifentabak oder Kautabak. Es gibt weniger und schlechtere Substitutionsmöglichkeiten. Die Preiselastizität ist langfristig größer als kurzfristig. Die These besagt, daß eine bestimmte Preisänderung eine um so größere Veränderung der p r o Periode nachgefragten Menge bewirkt, je länger der Zeitraum ist, über den die Preisänderung wirksam gewesen ist. Dies ist erstens deshalb so, weil häufig eine gewisse Zeit vergeht, bis die Mehrzahl der Käufer über eine Preisänderung informiert ist. Die Käufer benötigen zweitens Zeit, um zu erkennen, welche Substitutionsmöglichkeiten als Folge einer Preisänderung lohnend geworden sind. Vor allem aber vergeht drittens Zeit, um die lohnenden Substitutionsmöglichkeiten zu realisieren. Wenn zum Beispiel der Benzinpreis drastisch steigt, haben die Autofahrer kurzfristig nur die Möglichkeit, weniger Auto zu fahren oder die Geschwindigkeit zu reduzieren, um den Benzinverbrauch einzuschränken. Man benötigt schon eine gewisse Zeit, um Fahrgemeinschaften zu organisieren. Wenn die Käufer beim Kauf neuer Autos dem Benzinverbrauch größere Bedeutung beimessen, wird sich die Automobilindustrie bemühen, durch Veränderungen an Motoren und Karosserien Autos zu entwickeln und herzustellen, die weniger Benzin verbrauchen. Es vergeht Zeit, bis diese Autos auf den Markt kommen, und es vergeht viel Zeit, bis der gesamte Kraftfahrzeugbestand an den höheren Benzinpreis angepaßt wird. Es kann ein gravierender Fehler sein, die langfristigen Substitutionsmöglichkeiten zu unterschätzen. Die OPEC mußte dies erfahren. Dies gilt aber auch in anderen Bereichen. So können die Folgen einer Reallohnerhöhung für die Beschäftigung langfristig gravierender sein als kurzfristig, weil auch für die Umstellung auf arbeitssparende Produktionstechniken Zeit benötigt wird.

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

115

Die Preiselastizität der Nachfrage nach einem Gut hängt im allgemeinen vom Preis des betrachteten Gutes ab. Nur im Spezialfall einer isoelastischen Nachfragefunktion gilt dies nicht. Im allgemeinen wird angenommen, daß die Preiselastizität um so größer ist, je höher der Preis eines Gutes ist. Man vermutet, daß mit steigendem Preis eines Gutes die ökonomisch relevanten Substitutionsmöglichkeiten zunehmen. Für eine normal verlaufende lineare Nachfragefunktion wurde (in Abbildung 3.11) gezeigt, daß die Preiselastizität mit steigendem Preis zunimmt. Die Preiselastizität der Nachfrage ist ceteris paribus um so größer, je größer die Einkommenselastizität ist. Die Preiselastizität der Nachfrage ist bei normalen Gütern ceteris paribus um so größer, je größer der Anteil der Ausgaben für das Gut am Einkommen ist. 2.

Die Einkommenselastizität

a.

Definition

Die Einkommenselastizität ist ein Koeffizient, mit dessen Hilfe gemessen wird, wie die Nachfrage auf Einkommensänderungen reagiert. Dabei wird unterstellt, daß alle anderen Größen, die die nachgefragte Menge beeinflussen, konstant sind. Man definiert:

Einkommenselastizität der Nachfrage für das Gut X

_

relative Veränderung der nachgefragten Menge von Gut X relative Veränderung des Einkommens

Da die relative Mengenänderung bei Gut X = Ax/x, die relative Einkommensänderung gleich AE/E ist, schreibt man: Einkommenselastizität der Nachfrage für Gut X Ax AE

CxB

Ax E ~ AE x

Auch bei der Einkommenselastizität erhält man bei diskreten Änderungen unterschiedliche Werte, je nachdem, ob man für E und x die Werte der Ausgangssituation oder die Endwerte einsetzt. 1

1

Vergleiche hierzu bereits die Ausführungen zur Preiselastizität der Nachfrage, Abschnitt C. l.a.

116

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

Deshalb empfiehlt es sich auch hier, bei diskreten Änderungen die Formel für die Bogenelastizität zu verwenden: Bogenelastizität des Einkommens

_

Ax E ^ E j AE x, + x2

In der Wirtschaftstheorie verwendet man meistens das Konzept der Punktelastizität. Sie ist der Grenzwert der Bogenelastizität, wenn AE gegen Null geht.

E

b.

_dx E " e ~dE x

Graphische Bestimmung der Einkommenselastizität

Der funktionale Zusammenhang zwischen Einkommen und nachgefragter Menge eines Gutes X wird in Abbildung 3.20a und 3.20b durch zwei unterschiedliche Kurven dargestellt. Solche Kurven nennt man Engel-Kurven, zu Ehren des Statistikers und Direktors des Königlich Sächsischen Statistischen Bureaus Ernst Engel (1821-1896), der den Zusammenhang zwischen Einkommen und der Nachfrage nach Nahrungsmitteln untersuchte. Er stellte fest, daß die Ausgaben für Nahrungsmittel mit steigendem Einkommen zwar absolut zunehmen, der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel am Einkommen aber mit steigendem Einkommen sinkt. Diese Aussage bezeichnet man auch als "Engelsches Gesetz". Abb. 3 . 2 0

Die dargestellten Engelkurven stellen Spezialfälle dar, weil die Engelkurven im Ursprung beginnen. Das braucht nicht so zu sein. Bestimmte Güter werden erst nachgefragt, wenn ein Mindesteinkommen erzielt wird. Bei der in Abbildung 3.20a eingezeichneten Engelkurve nimmt der Quotient x/E mit wachsendem Einkommen kontinuierlich ab; in Abbildung 3.20b steigt er dagegen kontinuierlich an. Daraus kann bereits geschlossen werden, daß bei der Engelkurve in Abbildung 3.20a die Einkommenselastizität in jedem Punkt kleiner als eins ist, während sie in Abbildung 3.20b stets größer als eins ist.

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

117

Schreibt man nämlich die Einkommenselastizität _dx E dE x

e E_

"

als

£xE

dx x ~dE:E'

so wird deutlich, daß sie sich als Quotient aus der Marginalgröße dx/dE und der entsprechenden Durchschnitts große x/Eauffassen läßt. Wenn aber, wie in Abbildung 3.20a, die Durchschnittsgröße mit wachsendem Einkommen sinkt, so muß die Marginalgröße kleiner als die Durchschnittsgröße sein. Wenn aber dx/dE kleiner als x/E ist, so ist e ^ = (dx/dE):(x/E) kleiner als eins. Umgekehrt muß bei steigender Durchschnittsgröße wie in Abbildung 3.20b, die Marginalgröße größer als die Durchschnittsgröße sein, so daß die Einkommenselastizität größer als eins ist. Diese Überlegungen lassen sich durch die folgende graphische Bestimmung der Einkommenselastizität bestätigen. In Abbildung 3.21a und 3.21b ist jeweils in einem Punkt P eine Tangente an die Engelkurve gelegt worden. Abb. 3.21 a) X

b) X

E A

118

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

Für beide Zeichnungen gilt: dx

tan a • tan ß =

PC

dx E PC OC OC PA dE x ~ BC PC ~ BC ~ PB

Der letzte Schritt ergibt sich aus der Anwendung der Strahlensätze PA

Die Einkommenselastizität wird also durch das Verhältnis der Streckenabschnitte PA und PB bestimmt. Dabei ist A der Schnittpunkt der Tangente mit der Ordinate, auf der die abhängige Variable abgetragen ist; B der Schnittpunkt mit der Abszisse. In Abbildung 3.21a ist die Einkommenselastizität in P kleiner als eins, in Abbildung 3.21b ist sie in P größer als eins. Abbildung 3.22 zeigt die Engelkurve als eine Ursprungsgerade. Abb. 3.22

x

0

E

Für jeden Punkt auf der Engelkurve gilt: dx/dE = x/E. In jedem Punkt dieser Engelkurve ist also die Einkommenselastizität (dx/dE) / (x/E) gleich eins. Dies gilt unabhängig davon, welche Steigung die Engelkurve hat. Anders gesagt: Die Punkte A und B aus Abbildung 3.21a und 3.21b liegen in Abbildung 3.22 im Ursprung des Koordinatensystems, so daß für jeden Punkt der Engelkurve PA = PB ist. Eine Engelkurve braucht nicht stets eine positive Steigung zu haben. Hat die Engelkurve in einem bestimmten Einkommensintervall eine negative Steigung, so ist die Ein-

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

119

kommenselastizität negativ. Man sagt, das betrachtete Gut sei inferior. Güter, deren Einkommenselastizität positiv ist, bei denen also die Nachfrage mit steigendem Einkommen steigt, nennt man normale oder superiore Güter. 1 c.

Algebraische Bestimmung der Einkommenselastizität

Die algebraische Bestimmung der Einkommenselastizität ist formal nicht anders als die Bestimmung der Preiselastizität. Sie sei am Beispiel der Funktion x = a + b • E illustriert. x = a + b-E

dx E dE x

b-E x

b-E ^ " a + b-E Für ein bestimmtes Einkommen ermittelt man die Einkommenselastizität, indem man für E den entsprechenden Wert einsetzt. d.

Die Bedeutung alternativer Werte der Einkommenselastizität

Auch bei der Einkommenselastizität ist es wichtig, zwischen Gütern zu unterscheiden, deren Einkommenselastizität größer als eins ist, und solchen, bei denen die Einkommenselastizität kleiner als eins ist. Güter, deren Einkommenselastizität größer als eins ist, nennt man häufig Luxusgüter. Güter, deren Einkommenselastizität kleiner als eins ist, nennt man lebensnotwendige Güter. Ist e xli = (dx/dE) • (E/x) = (dx/dE): (x/E) größer als eins, so ist dx/dE größer als x/E. Dies impliziert, daß x/E mit wachsendem Einkommen steigt. 2 Bei konstanten Preisen steigt dann auch p„ • x/E, der Anteil der Ausgaben für dieses Gut am Einkommen. Bei Gütern, deren Einkommenselastizität größer als eins ist, steigt der Anteil der Ausgaben für dieses Gut am Einkommen, wenn das Einkommen steigt.

1

Man sagt besser, ein Gut sei in einem bestimmten Einkommensintervall inferior oder normal. Es ist nämlich nicht möglich, daß ein Gut über den gesamten Einkommensbereich ein inferiores Gut ist.

2

Wenn die Grenzgröße dx/dE größer ist als die Durchschnittsgröße x/E, dann steigt die Durchschnittsgröße.

120

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

Ist die Einkommenselastizität kleiner als eins, so sinkt x/E bei steigendem Einkommen; bei konstanten Preisen sinkt auch px • x / E . Bei Gütern, deren Einkommenselastizität kleiner als eins ist, sinkt der Anteil der Ausgaben am Einkommen, wenn das Einkommen steigt. Die Unterscheidung der Güter nach der Einkommenselastizität ist wirtschaftspolitisch bedeutsam. Spezifische Verbrauchsteuern auf Güter, deren Einkommenselastizität kleiner als eins ist, belasten die Bezieher kleiner Einkommen überproportional stark, weil bei diesen Gütern der Anteil der Ausgaben am Einkommen um so höher ist, j e niedriger das Einkommen ist. Die Tatsache, daß in der Bundesrepublik Nahrungsmittel mit der Hälfte des allgemeinen Steuersatzes besteuert werden, kann verteilungspolitisch mit dem Hinweis gerechtfertigt werden, daß die Einkommenselastizität für Nahrungsmittel kleiner als eins ist. Allerdings kommen die meisten empirischen Studienzu dem Ergebnis, daß alkoholische Getränke, Tabakwaren, Kaffee und Tee Einkommenselastizitäten kleiner als eins haben. Diese Güter unterliegen in der Bundesrepublik speziellen Verbrauchsteuern, die aufgrund der ermittelten Einkommenselastizitäten nicht mit dem verteilungspolitischen Grundsatz der geringeren Belastung niedriger Einkommen vereinbar sind. 1 3.

Die Kreuzpreiselastizität

Die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage mißt die Reaktion der nachgefragten Menge eines Gutes X auf die Preisänderung bei einem Gut Y. Es wird unterstellt, daß alle anderen Größen sich nicht ändern. Auch bei der Kreuzpreiselastizität stellt man auf die relativen Änderungen ab. Kreuzpreiselastizität der Nachfrage bei Gut X in bezug auf Preisänderungen bei Gut Y

_

relative Mengenänderung bei Gut X relative Preisänderung bei Gut Y

_ Ax

Ap y

x ' py =

AX

Py

Ap y

x

Läßt man Apy gegen Null gehen, erhält man die Punktelastizität:

1

Wird in den Studien nach Einkommensklassen unterschieden, gilt dies zum Teil bei sehr niedrigen Einkommen nicht, so daß die angesprochene verteilungspolitische Fragwürdigkeit nur eingeschränkt gilt.

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

121

= dX Py y dp y x

%p

Die Kreuzpreiselastizität mißt die Beziehungen zwischen zwei Gütern. Sind X und Y Güter, die das gleiche Bedürfnis befriedigen und bei denen das eine Gut deshalb durch das andere ersetzt werden kann, so ist zu erwarten, daß eine Preissteigerung bei Gut Y dazu führt, daß mehr von Gut X nachgefragt wird. In diesem Fall wäre dp y > 0 (wegen py2 - pyi > 0) und auch dx > 0 (wegen x 2 - x, > 0), so daß der Koeffizient der Kreuzpreiselastizität positiv ist. Man sagt dann, Gut X sei ein Substitutionsgut für Gut Y. Im allgemeinen wird dann auch Y ein Substitutionsgut für X sein. In diesem Sinne sind vermutlich Gin und Wodka, Butter und Margarine, Rindfleisch und Schweinefleisch, Holz und Kunststoff Substitutionsgüter. Sind X und Y Güter, die gemeinsam zur Befriedigung eines Bedürfnisses benötigt werden, wie Kameras und Filme, Tabak und Pfeifen, Autos und Benzin, so wird eine Preiserhöhung bei Gut Y dazu führen, daß weniger von Gut X nachgefragt wird. Der Koeffizient der Kreuzpreiselastizität ist negativ (wegen dp > 0 und dx < 0 haben Zähler und Nenner unterschiedliche Vorzeichen). Man sagt, X sei ein Komplementärgut für Y. Ist auch e^ < 0 , kann man sagen: Die Güter X und Y sind Komplementärgüter. Die Abbildungen 3.23a und 3.23b zeigen, welcher funktionale Zusammenhang zwischen dem Preis des Gutes Y und der von Gut X nachgefragten Menge besteht. Abb. 3.23

0

x 0

x

In Abbildung 3.23a steigt die von Gut X nachgefiragte Menge bei steigendem Preis für Y; dx/dp Y ist positiv. Gut X ist also ein Bruttosubstitutionsgut für Y. In Abbildung 3.23b sinkt die von X nachgefragte Menge mit steigendem Preis für Y; dx/dp Y ist negativ. X ist ein Bruttokomplementärgut für Y. Die Kreuzpreiselastizität kann graphisch mit Hilfe des gleichen Verfahrens ermittelt werden, das wir schon bei der Bestimmung der direkten Preiselastizität und der Einkommenselastizität kennengelernt haben. Auch die algebraische Ermittlung erfolgt analog.

122

Drittes Kapitel: Das elementare Instrumentarium der mikroökonomischen Theorie

Literatur zum dritten Kapitel Artur Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 9. Auflage, München 1987, viertes Kapitel: Fundamente der Analyse, S. 106-114 Jürgen Franke, Grundzüge der MikroÖkonomik, 4. Auflage, München 1988, erstes Kapitel: Einführung, Grundzüge der Markttheorie, S. 19-28 Jack Hirshleifer, Price Theory and Applications, 3. Auflage, Englewood Cliffs 1984, zweites Kapitel: Working Tools, S. 41-52 William J. Baumol, Economic Theory and Operation Analysis, 4. Auflage, Englewood Cliffs 1977, drittes Kapitel: Marginal Analysis, S. 21-41 Roy J. Ruffin, Modern Price Theory, Glenview u.a. 1988, fünftes Kapitel: The Characteristics of Market Demand, S. 106-138 Harald Gerfin, Peter Heimann, Artikel Elastizität, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Stuttgart u.a. 1979, Band 2, S. 353-362

Viertes Kapitel Die Kosten A.

V o m Kostenbegriff der Klassiker zum Opportunitätskostenbegriff

Wir haben im zweiten Kapitel beschrieben, wie sich bei Wettbewerb der Preis durch Angebot und Nachfrage bildet. Es wurde erläutert, daß die Angebotskurve durch die Produktionskosten bestimmt wird. Wir haben jedoch bisher nicht genau erklärt, was unter Kosten zu verstehen ist. Dies soll in diesem Kapitel geschehen. Dabei mag es nützlich sein, mit Hilfe eines kurzen historischen Rückblicks darzustellen, was die Klassiker unter Kosten verstanden haben. 1.

Die Arbeitskosten als Bestimmungsgrund der Preise bei Adam Smith 1

In einer berühmten Passage des sechsten Kapitels des ersten Buches der "Wealth of Nations" heißt es: "If among a nation of hunters ... it usually costs twice the labour to kill a beaver which it costs to kill a deer, one beaver should naturally exchange for or be worth two deer." Die Kosten bestehen in diesem elementaren Modell, in dem die Preisbildung auf der untersten Entwicklungsstufe eines Landes erklärt werden soll, auf der Arbeit der einzige (knappe) Produktionsfaktor ist, nur in Arbeitskosten. Diese werden gemessen durch die durchschnittlich erforderliche Arbeitszeit. Die relativen Preise für Biber und Hirsche sind Ausdruck der unterschiedlichen Arbeitszeit, die erforderlich ist, um Biber oder Hirsche zu jagen. Adam Smith weist darauf hin, daß selbst in seinem elementaren Modell die Preisbildung nur dann so einfach erklärt werden kann, wenn Arbeit ein homogener Produktionsfaktor ist und unterschiedliche Tätigkeiten das gleiche Maß an Anstrengungen erfordern. Die Preise werden bei diesen Annahmen allein durch die in Arbeitszeit gemessenen Kosten bestimmt. Wir hatten dagegen im zweiten Kapitel gezeigt, daß Angebot und Nachfrage die Preise bestimmen. Wie ist es zu erklären, daß bei Smith nur die Kosten, nicht aber die Nachfrage den natürlichen Preis eines Gutes bestimmen? Smith gelangt zu seinem Ergebnis, weil er implizit unterstellt, daß die Arbeitszeit, die erforderlich ist, um Biber oder Hirsche zu fangen, nicht von der Menge an Bibern oder Hirschen abhängt, die gejagt werden. Die Tiere stehen in unbegrenzter Menge als Objekte der Jagd zur Verfügung. Die in Arbeitsstunden gemessenen Kosten, die entstehen, wenn man einen Biber oder Hirsch erlegt, sind stets gleich groß; sie sind unabhängig von der Menge an Bibern oder Hirschen, die gejagt werden. Anders formuliert: Die Durchschnittskosten sind sowohl bei der Jagd

1

Smith, Adam, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, (Erstausgabe 1776), Band 1, Edwin Cannan (Hrsg.), Methuen: London 1961, S. 53.

124

Viertes Kapitel: Die Kosten

auf Biber als auch bei der Jagd auf Hirsche konstant. Deshalb sind die Preise rein angebotsdeterminiert; die Nachfrage hat keinen Einfluß auf die Preise. Dies kann mit Hilfe des uns vertrauten Angebots- und Nachfrageschemas verdeutlicht werden. Abb. 4.1 a)

b)

Abbildung 4.1a zeigt eine Angebotskurve und eine Nachfragekurve nach Bibern, Abbildung 4 . 1 b zeigt die entsprechenden Kurven für Hirsche. Die Kosten, die entstehen, wenn man einen Biber jagt, betragen O B und sind genau doppelt so groß wie die Kosten OH, die entstehen, wenn man einen Hirsch fängt. Die Gleichgewichtspreise sind ebenfalls O B und OH. Steigt nun zum Beispiel die Nachfrage nach Bibern, so werden mehr Biber gejagt. Die Gleichgewichtspreise ändern sich nicht, weil die Angebotskurven für Biber und Hirsche Parallelen zur Mengenachse sind. Wäre die Arbeitszeit, die erforderlich ist, um einen Biber zu fangen, von der Zahl der B i b e r abhängig, die gejagt werden, wäre also die durchschnittliche Arbeitszeit um so größer, j e mehr Biber pro Periode gefangen werden, so wäre die Kurve, die die Höhe der Durchschnittskosten der Jagd auf Biber widerspiegelt, keine Parallele zur Mengenachse.

Viertes Kapitel: Die Kosten

125

Die Kosten pro Biber steigen mit wachsender Menge an. Das Tauschverhältnis, das sich am Markt bildet, hängt dann, wie Abbildung 4.2 zeigt, von der Nachfrage ab. 1 Wenn es j e d e m freisteht, Hirsche oder Biber zu jagen, wird sich f ü r Biber ein Preis von pf bilden, wenn die Nachfrage gleich N® ist, während sich bei der größeren Nachfrage N® ein Preis pf bilden würde. 2.

Mängel der Arbeitskostentheorie

Der Versuch, die "natürlichen Preise" der Güter mit Hilfe einer Arbeitskostentheorie zu erklären, stößt auf Schwierigkeiten, wenn man die extremen Vereinfachungen aufgibt, die dem Modell Adam Smiths zugrundeliegen. Wenn in der Produktion eines Gutes nicht nur ein einziger homogener Produktionsfaktor eingesetzt wird, sondern unterschiedliche Produktionsfaktoren wie zum Beispiel Arbeit unterschiedlicher Qualität, Boden und Kapital, ist es nicht mehr möglich, die Preisbildung mit Hilfe einer Arbeitskostentheorie zu erklären. Adam Smith war gezwungen, auf eine Produktionskostentheorie der Preise zurückzugreifen. Für die heterogenen Inputs, die in der Produktion eingesetzt werden, müssen Preise gezahlt werden. Der natürliche Preis eines Bibers ist jetzt doppelt so hoch wie der eines Hirsches, weil die zur Jagd auf Biber benötigten Produktionsfaktoren doppelt so viel kosten wie die Faktoren, die eingesetzt werden müssen, um Hirsche zu jagen. Die Preise der Güter hängen von den Preisen ab, die für die Produktionsfaktoren gezahlt werden müssen. Warum ist ein Paar Schuhe doppelt so teuer wie ein Hemd? Weil die für die Produktion benötigten Faktoren doppelt so viel kosten! Eine solche Produktionskostentheorie der Preise ist jedoch eine Leeraussage, wenn sie nicht eine Erklärung der Preisbildung der Produktionsfaktoren enthält. Ohne eine solche Theorie der Faktorpreisbildung werden Preise durch Preise erklärt. Adam Smith hatte eine solche Theorie der Faktorpreisbildung nicht. 3.

Die Erklärung der Preisbildung mit Hilfe des Opportunitätskostenkonzepts

Es fragt sich, wie die Mängel geheilt werden können, die sich bei dem Versuch ergeben, die Preisbildung mit Hilfe einer Arbeitskostentheorie zu erklären. Es ist wünschenswert, einen Kostenbegriff zu verwenden, der die Schwächen des von A d a m Smith verwendeten Kostenbegriffs nicht hat. Ein solcher Kostenbegriff ist das Opportunitätskostenkonzept. Wir wollen zunächst zeigen, wie sich mit Hilfe dieses Konzepts die Preisbildung im elementaren Modell von Smith erklären läßt. Betrachten wir, um den Opportunitätskostenbegriff zu erläutern, zunächst einen einzelnen Jäger, der Biber und Hirsche fangen kann, der aber nicht die Möglichkeit hat, Biber gegen Hirsche zu tauschen.

1

Die Durchschnittskostenkurvc ist die Angebotskurve, weil für das Recht, Biber zu jagen, kein Preis gezahlt werden muß, obwohl der genutzte Faktor knapp ist. Die Lösung ist ineffizient. Siehe dazu die Ausführungen über externe Effekte im siebenten Kapitel.

126

Viertes Kapitel: Die Kosten

In der Zeit, die er benötigt, einen Biber zu fangen, kann er zwei Hirsche erlegen. Wenn er sich entscheidet, einen Biber zu jagen, muß er auf zwei Hirsche verzichten, die er in der gleichen Zeit hätte fangen können. Der Einzelne wird nur dann Biber jagen, wenn er einen Biber mindestens so hoch schätzt wie zwei Hirsche. Der Wert, den die zwei Hirsche für ihn haben, auf deren Fang er verzichtet, sind die Kosten der Entscheidung, einen Biber zu jagen. Oder vergegenwärtigen wir uns die Situation von Robinson. Wenn Robinson sich entscheidet zu jagen, muß er darauf verzichten, in der gleichen Zeit aus d e m Talg von getöteten Ziegen eine Lampe herzustellen oder aus den Fellen getöteter Tiere eine kniefreie Hose zu fertigen. Er wird sich entscheiden zu jagen, wenn er das erwartete Ergebnis der Jagd höher bewertet als die Lampe oder die kniefreie Hose. Die am höchsten bewertete Alternative, auf die er verzichtet, wenn erjagt, sind die Kosten der Entscheidung zu jagen. Diese Kosten nennt man Verzichtskosten, Alternativkosten oder Opportunitätskosten. Gibt es einen Markt, auf dem Biber gegen Hirsche getauscht werden können, so sind für den einzelnen die Kosten der Entscheidung, einen Biber zu jagen, gleich dem Tauschwert von zwei Hirschen, die er in der gleichen Zeit fangen könnte. Könnte ein Hirsch gegen einen Biber getauscht werden, so würde es sich nicht lohnen, Biber zu jagen. Die Kosten der Entscheidung, einen Biber zu jagen, sind gleich dem Tauschwert von zwei Hirschen und damit also gleich zwei Bibern. Selbst derjenige, der Biber haben möchte, könnte in der gleichen Zeit, die er braucht, um einen Biber zu jagen, zwei Hirsche erlegen, die er gegen zwei Biber tauschen könnte. Die Kosten der Entscheidung, Biber zu jagen, bestehen also nicht in den Arbeitskosten, sondern in dem Tauschwert der Hirsche, auf die man verzichtet. Weil der Einzelne nur dann Biber fängt, wenn die Kosten nicht größer sind als der Tauschwert des Bibers, wird niemand Biber jagen, wenn der (erwartete) Tauschwert eines Bibers geringer ist als zwei Hirsche. Andererseits wird niemand Hirsche jagen, wenn der Tauschwert von zwei Hirschen kleiner ist als ein Biber. Wenn es lohnend sein soll, sowohl Hirsche als auch Biber zu jagen, muß sich am Markt ein Tausch verhältnis bilden, bei d e m genau zwei Hirsche gegen einen Biber getauscht werden. Die relativen Preise können also mit Hilfe unseres Opportunitätskostenbegriffs ohne Rückgriff auf eine Arbeitskostentheorie erklärt werden. Tatsächlich ist ein Opportunitätskostenkalkül der Akteure implizit Bestandteil der Preiserklärung von A d a m Smith. Nur wenn ein solches Opportunitätskostenkalkül der Jäger unterstellt wird, kann man erklären, warum die in Arbeitszeit gemessenen Kosten die relativen Preise bestimmen. Die Überlegenheit des Opportunitätskostenbegriffs als Instrument, die Preisbildung zu erklären, zeigt sich allerdings gerade dann, wenn eine Arbeitskostentheorie versagt. Nehmen wir an, um Weizen oder Mais zu produzieren, sei nur Boden erforderlich. Boden sei der einzige knappe Produktionsfaktor. Der Aufwand an Arbeit sei vernachlässigbar klein. Auf der gegebenen Bodenfläche können entweder zwei Einheiten Mais oder eine Einheit Weizen hergestellt werden. Um eine Einheit Weizen zu erzeugen, m u ß also jeweils auf zwei Einheiten Mais verzichtet werden. Die Produktion von Weizen ist nur lohnend, wenn der Preis von Weizen mindestens doppelt so groß ist wie der Preis von Mais. Die Erzeugung von Mais ist nur lohnend, wenn man für zwei Einheiten Mais mindestens eine Einheit Weizen erhält. Wenn Mais und Weizen angeboten werden, muß also der Preis f ü r Weizen genau doppelt so groß sein wie der Preis von Mais. Um die Preisbildung zu erklären, wäre ein Rückgriff auf eine "Bodenwerttheorie" der Preise nicht notwendig. Eine solche Bodenwerttheorie wäre eine überflüssige metaphysische Spielerei.

Viertes Kapitel: Die Kosten

127

Wir haben gesehen, daß eine Arbeitskostentheorie scheitert, wenn mehrere heterogene Inputs in der Produktion eingesetzt werden. Das Opportunitätskostenkonzept ist dagegen auch in diesem Fall anwendbar. Die Kosten der Entscheidung, mit Hilfe von Arbeit, Boden und Kapital ein bestimmtes Gut herzustellen, sind gleich dem Wert der Güter, die man mit Hilfe der Faktoren erzeugen könnte, wenn diese in der Produktion anderer Güter eingesetzt würden. Wenn man mit Hilfe der Faktoren statt einer Einheit von X stets zwei Einheiten von Y herstellen könnte, würde im Gleichgewicht eine Einheit von X doppelt so teuer sein wie eine Einheit von Y, sofern beide Güter angeboten werden. 1 In einer Geldwirtschaft muß der einzelne f ü r die von ihm eingesetzten Produktionsfaktoren Preise zahlen, wenn er sie kauft. Die Ausgaben für die Produktionsfaktoren bestimmen, wie hoch die Produktionskosten für den einzelnen sind. Die volkswirtschaftlichen Produktionskosten bestehen jedoch in dem Wert der Güter (gemessen durch die Zahlungsbereitschaft der Käufer), auf deren Herstellung verzichtet werden muß, weil Produktionsfaktoren in der Herstellung eines bestimmten Gutes eingesetzt werden und deshalb nicht für die Produktion anderer Güter zur Verfügung stehen. Die einzelwirtschaftlichen Kosten, deren Höhe durch die Preise der Produktionsfaktoren bestimmt wird, stimmen unter bestimmten Bedingungen mit den volkswirtschaftlichen Kosten überein. W a r u m ? Der Preis, den ein Unternehmen f ü r einen Produktionsfaktor zu zahlen hat, wird durch die Preise bestimmt, die die Eigentümer der Faktoren erzielen können, wenn sie ihre Produktionsfaktoren für die Produktion anderer Güter verwenden. Die Faktorpreise, die die Faktoreigner bei alternativer Verwendung erzielen können, werden durch den Wert der Güter bestimmt, die bei alternativem Einsatz erzeugt werden können. In diesem Sinne sind die Faktorpreise Ausdruck der gesamtwirtschaftlichen Produktionskosten, die mit dem Faktoreinsatz verbunden sind. Die einzelwirtschaftlichen Kosten - gemessen durch die Preise der Produktionsfaktoren - spiegeln den Wert der Güter wider, die erzeugt werden könnten, wenn die Produktionsfaktoren in der Produktion anderer Güter eingesetzt würden. 2 Welche Mengen bei alternativen Preisen angeboten werden, hängt von den Entscheidungen der einzelnen Anbieter ab. Wir müssen also zunächst das Verhalten der einzelnen Anbieter erklären. Wir unterstellen, daß die Anbieter rational handelnde, ihren Nutzen maximierende Akteure sind. Das bedeutet: Sie treffen Entscheidungen, indem sie prüfen, auf welche Alternativen sie verzichten, indem sie die Entscheidung treffen. Wir müssen deshalb zunächst den einzelwirtschaftlichen Kostenbegriff genau analysieren. B.

Das einzelwirtschaftliche Opportunitätskostenkalkül

1.

Kosten u n d u n v e r m e i d b a r e Belastungen

Wenn die Kosten einer Entscheidung stets die am höchsten bewertete Alternative sind, auf die wegen der Entscheidung verzichtet werden muß, können Kosten nur jene Ausgaben

1

Wir haben, dem Beispiel von Smith folgend, hier der Einfachheit halber unterstellt, daß die Kosten nicht eine Funktion der Menge sind.

2

Dies braucht nicht so zu sein. Die privaten Kosten können aus verschiedenen Gründen von den gesamtwirtschaftlichen Kosten abweichen. Dies wird später noch erläutert.

128

Viertes Kapitel: D i e Kosten

oder sonstigen Belastungen sein, die man vermeiden kann, indem man die Entscheidung nicht trifft. Unvermeidbare Belastungen sind deshalb keine Kosten im Sinne des Opportunitätskostenbegriffs. A n g e n o m m e n , alle Bürger eines Landes müßten eine Kopfsteuer von monatlich einhundert D M zahlen. Jeder muß diese Steuer zahlen, was immer er tut. A . muß diese Steuer auch zahlen, wenn er sich als Fischhändler in G. niederläßt. Es wäre aber falsch, diese Steuer als Kosten der Entscheidung anzusehen, Fischhändler in G. zu werden. Die Steuer stellt eine unvermeidbare Belastung dar. Sie kann nicht vermieden werden, indem man darauf verzichtet, Fischhändler in G. zu sein. Die monatlich zu zahlenden einhundert D M sind keine Kosten im Sinne des Opportunitätskostenprinzips. Häufig werden die Ausgaben für Wohnung, Kleidung und Nahrung, die den Studenten entstehen, als Kosten des Studiums angesehen. Die Ausgaben f ü r Wohnung, Kleidung und Nahrung entstehen jedoch auch dann, wenn man nicht studiert. Sie können nicht vermieden werden, indem man darauf verzichtet zu studieren. Deshalb sind diese Ausgaben nicht Kosten der Entscheidung zu studieren. 2.

K o s t e n und die a m höchsten bewertete Alternative

Eine Entscheidung ist wirtschaftlich nur dann vernünftig, wenn der Nutzen dieser Entscheidung größer ist als die Kosten, die mit der Entscheidung verbunden sind. Die Kosten der Entscheidung bestehen in der am höchsten bewerteten Alternative, auf die infolge der Entscheidung verzichtet werden muß. Wenn in der Welt der Jäger, die A d a m Smith beschreibt, der erwartete Preis eines Bibers doppelt so hoch ist wie der eines Hirsches, ist es f ü r den Jäger gleichgültig, ob er einen Biber oder zwei Hirsche erlegt. Hat er aber die Möglichkeit, in der gleichen Zeit, in der er einen Biber erlegt, ein Wildschwein zu erlegen, das er gegen drei Hirsche tauschen kann, wäre es für den einzelnen Jäger nicht sinnvoll, einen Biber zu jagen. Er würde nämlich dann auf ein Wildschwein oder drei Hirsche verzichten, um einen Biber zu jagen, der nur zwei Hirsche wert ist. Die Kosten der Entscheidung, einen Biber zu jagen, wären größer als der Tauschwert des Bibers. N e h m e n Sie an, der Vermögensberater R. hat f ü r Frau S. eine Million DM angelegt. Der Betrag verzinst sich jährlich zu vier Prozent. Auf den Hinweis, daß sich der Betrag zu sechseinhalb Prozent verzinst hätte, wenn er den Betrag in Bundesanleihen angelegt hätte, antwortet der Vermögensberater: "Wenn ich das Geld als Sichteinlage bei einer Bank angelegt hätte, würde sich der Geldbetrag gar nicht verzinsen". Es dürfte klar sein, daß R. seine Entscheidung so nicht rechtfertigen kann. Die Kosten seiner Entscheidung, das Geld zu vier Prozent verzinslich anzulegen, bestehen in der am höchsten bewerteten Alternative, auf die verzichtet wurde. Man könnte sonst jede noch so törichte Entscheidung mit d e m Hinweis rechtfertigen, der Verlust wäre noch größer gewesen, wenn man das Geld z u m Fenster hinausgeworfen hätte. Rationale Entscheidungen zu treffen bedeutet, daß man die Kosten der Entscheidung nicht mit irgendeiner Alternative, sondern mit der am höchsten bewerteten Alternative vergleicht. Dies mag trivial sein, aber man beobachtet dennoch häufig, daß gegen diese Überlegung verstoßen wird. Dies mag durch das folgende Beispiel belegt werden:

Viertes Kapitel: Die Kosten

129

Dem Politiker H. obliegt es, einen besonders aufwendigen Verwaltungsbau einzuweihen. In der Bevölkerung hat es Proteste gegen die Verschwendung von Steuergeldern für den Bau dieses "Bonzenbunkers" gegeben. Der Politiker H., von dem bekannt ist, daß er alle Verteidigungsausgaben für sinnlos hält, erklärt in seiner Einweihungsrede, er wisse, daß es Einwände gegen den Bau gegeben habe. Alle Proteste seien jedoch unberechtigt. Vergleiche man nämlich die Ausgaben für das Verwaltungsgebäude mit den Ausgaben für einen Tornado, so seien die Ausgaben auf jeden Fall gerechtfertigt. Sollte man dem Politiker H. unsere Steuergelder anvertrauen? Sicher nicht! Wenn nämlich H. selbst glaubt, daß er mit dem Hinweis auf die von ihm für sinnlos gehaltenen Ausgaben für Tornados die Ausgaben für das Verwaltungsgebäude gerechtfertigt hat, wäre H. ein ökonomischer Narr. Wenn H. das aber selbst nicht glaubt, wäre er ein Demagoge. Vermutlich sollten wir weder Narren noch Demagogen unsere Steuergelder anvertrauen. 3.

Kosten als Verzichtskosten

Die Kosten einer Entscheidung oder Handlung sind immer gleich dem Wert der Dinge, auf die man wegen der Entscheidung oder Handlung verzichten muß. Der Opportunitätskostenbegriff zwingt uns zu erkunden, worauf wir verzichten müssen, wenn wir eine Entscheidung treffen. Die Kosten einer Entscheidung brauchen nicht in Zahlungen zu bestehen, die man wegen der Entscheidung leisten muß. Wenn Frau S., verunsichert durch Meldungen über hohe Verluste der Banken im Auslandsgeschäft, sich entschließt, ihr Geld vom Sparkonto abzuheben, um es zu Hause unter der Matratze zu verstecken, ist ihre Entscheidung mit Kosten verbunden, obwohl sie nichts zahlen muß. Die Kosten ihrer Handlung bestehen in den Zinsen, die sie erhielte, wenn sie ihr Geld auf dem Sparkonto belassen hätte. Die Kosten sind die Zinsen, auf die sie verzichten muß. Wir beobachten, daß die Supermärkte an jedem Wochenende Sonderangebote anbieten. Die Supermärkte reduzieren keineswegs die Preise aller Waren, sondern nur die einiger ausgewählter Artikel. Die Unternehmen rechnen damit, daß die Käufer, durch die Sonderangebote angelockt, auch ihren Bedarf an den übrigen Waren decken. Die meisten Käufer tun dies auch, obwohl sie wissen, daß sie die Geldausgaben für ihre Einkäufe beträchtlich reduzieren könnten, wenn sie einen Supermarkt nach dem anderen abfahren würden. Eine solche Handlung wäre aber mit Kosten verbunden. Abgesehen von den höheren Transportkosten müßten die Käufer viel mehr Zeit für ihre Einkäufe aufwenden. Sie müßten auf angenehmere Beschäftigungen verzichten, denen sie sonst nachgehen könnten. Eine Familie erwirbt ein Haus zu einem Preis von 300 000 DM. Sie hat 100 000 DM gespart; für 200 000 DM nimmt sie einen Hypothekarkredit in Anspruch. Sie muß acht Prozent Zinsen zahlen. Man errechnet Zinskosten von 16 000 DM. Sind die jährlichen Zinskosten korrekt ermittelt? Es wurde der Fehler gemacht, nur die expliziten Kosten zu berücksichtigen. Man hat nicht berücksichtigt, daß infolge der Entscheidung, das Haus zu kaufen, für das Eigenkapital von 100 000 DM kein Zinseinkommen erzielt werden kann. Wenn die 100 000 DM zu sechs Prozent angelegt werden könnten, so müßte auf ein Zinseinkommen von 0,06 • 100 000 DM = 6 000 DM verzichtet werden. Die jährlichen Zinskosten betragen also nicht 16 000 DM, sondern 22 000 DM.

130

Viertes Kapitel: Die Kosten

In der Bundesrepublik ist man über den dramatischen Geburtenrückgang besorgt. Man hat dies auch damit erklärt, daß die Kosten, die entstehen, wenn man Kinder großzieht, gestiegen sind. Die Kosten bestehen aber keineswegs nur aus den monatlichen Ausgaben für Nahrung, Kleidung und Wohnung. Sie bestehen vor allem darin, daß in der Regel ein Ehepartner für längere Zeit kein Einkommen erzielt. Dieses Einkommen, auf das man verzichten muß, wenn man mehrere Kinder hat, ist der wichtigste Kostenfaktor. Wenn wir unterstellen, daß es in der Regel die Frau ist, die ihren Beruf aufgibt, sind die Kosten um so höher, je höher das Einkommen ist, das die Frau erzielen könnte. Tatsächlich haben amerikanische Untersuchungen gezeigt, daß die Zahl der Kinder mit wachsendem Bildungsstand der Frau fällt. Wir hatten uns schon klar gemacht, daß nicht die Ausgaben für Unterkunft, Nahrung und Bekleidung als Kosten des Studiums anzusehen sind, weil diese Ausgaben nicht deshalb entstehen, weil man sich entscheidet zu studieren. Die Kosten des Studiums bestehen in dem Einkommen, auf das man verzichtet, weil man studiert. Die Kosten eines Studiums sind oft größer als man denkt. Das Unternehmen U. ist Eigentümer einer Lagerstätte einer nicht regenerierbaren Ressource. Es möge nichts kosten, Einheiten des Ressourcenvorrats zu fördern und zu verkaufen. Bedeutet dies, daß die Entscheidung, einen Teil des Ressourcenvorrats heute zu verkaufen, nicht mit Kosten verbunden ist? Wenn man heute einen Teil des Ressourcenvorrats verkauft, so bedeutet dies, daß man auf den Erlös verzichtet, den man erhielte, wenn man zu einem späteren Zeitpunkt verkauft. Nehmen wir an, daß der Preis, den man pro Ressourceneinheit erhält, wenn erst nach einem Jahr verkauft wird, p, beträgt. Die Kosten der Entscheidung, eine Einheit des Ressourcenvorrats heute zu verkaufen, bestehen in dem diskontierten Wert des Erlöses, der nach einem Jahr erzielt werden könnte. 1 Die Kosten der Entscheidung, eine Ressourceneinheit heute zu verkaufen, sind also gleich p,/(l+i). Es lohnt sich nur dann, heute zu verkaufen, wenn der heutige Preis p0 mindestens gleich p,/( 1 +i) ist. Andererseits lohnt es sich nur dann, erst nach einem Jahr zu verkaufen, wenn der Preis p, mindestens gleich p 0 (l+i) ist. Wenn also in beiden Perioden Ressourceneinheiten angeboten werden sollen, so muß p, = p 0 (l+i) sein. Das bedeutet: Im Gleichgewicht muß der Preis, der für eine Ressourceneinheit bezahlt werden muß, nach Maßgabe des Zinssatzes i wachsen. Es ist Pi ~ Po Po

1

Wir müssen den zukünftigen Erlös diskontieren, weil bei positivem Zinssatz i ein Geldbetrag p,, der erst nach einem Jahr verfügbar ist, weniger wert ist als ein glcich hoher Geldbetrag heute. Ein heute verfügbarer Betrag p 0 kann verzinslich angelegt werden und wächst nach einem Jahr auf Pi = Po + 'Po = PoO+i). Daraus folgt, daß p,/(l+i) der Gegenwartswert des nach einem Jahr verfügbaren Erlöses von p, ist.

Viertes Kapitel: Die Kosten

4.

Sunk costs und die Irrelevanz historischer Anschaffungskosten

a.

Sunk costs are sunk

131

Der Opportunitätskostenbegriff soll uns helfen, richtige Entscheidungen zu treffen. Kosten entstehen, wenn unter mehreren Alternativen gewählt werden kann und die Entscheidung für eine bestimmte Alternative gefällt wird. Kosten sind die negativen Aspekte der Entscheidung. Der Opportunitätskostenbegriff ist ein auf die Zukunft gerichtetes entscheidungsorientiertes Konzept. Kosten, die mit einer Entscheidung verbunden sind, verlieren ihre Bedeutung, nachdem die Entscheidung gefällt worden ist, wenn infolge der Entscheidung die Alternativen, auf die man verzichtet hat, nicht mehr realisiert werden können. Dies soll an einem Beispiel erläutert werden. Ein Schreiner mag die Möglichkeit haben, Stühle oder Tische zu produzieren. Er mag sich entscheiden, Stühle zu produzieren, weil er hofft, diese zu hohen Preisen verkaufen zu können. Indem er sich entscheidet, Stühle zu produzieren, verzichtet er auf den Erlös, den er erzielt haben würde, wenn er statt der Stühle Tische produziert hätte. Die Erlöse, auf die er verzichtet, sind die Kosten der Entscheidung, Stühle zu produzieren. Die Erwartungen des Schreiners in bezug auf die Preise, die er für die Stühle erzielen kann, mögen sich im nachhinein als zu optimistisch erweisen. Wenn er nun prüft, ob es sich lohnt, die Stühle dennoch zu den unerwartet niedrigen Preisen zu verkaufen, oder ob es besser ist, die Stühle zu lagern, um sie später zu verkaufen, spielt die Erkenntnis, daß es besser gewesen wäre, Tische statt der Stühle zu produzieren, keine Rolle. Es wäre töricht zu sagen: Ich werde die Stühle nur verkaufen, wenn der Erlös, den ich erziele, mindestens so hoch ist wie der Erlös, den ich erzielt haben würde, wenn ich statt der Stühle Tische produziert hätte. Dies mag ja bedeuten, daß er bis zum St. Nimmerleinstag auf seinen Stühlen sitzen bleibt. Nachdem er die Stühle produziert hat, sind die Kosten dieser Entscheidung ohne Bedeutung, weil die Alternative, auf die verzichtet wurde (nämlich Tische zu produzieren), nicht mehr realisiert werden kann. Wenn die Kosten, die mit einer Entscheidung verbunden sind, ihre entscheidungsbestimmende Bedeutung verlieren, nachdem die Entscheidung gefällt worden ist, so schließt das nicht aus, daß die Entscheidung Konsequenzen hat, die man tragen muß. Wenn aber die Konsequenzen einer Entscheidung nicht mehr vermieden werden können, nachdem die Entscheidung getroffen worden ist, stellen diese Konsequenzen unvermeidbare Belastungen dar. Da sie keine Kosten im Sinne des Opportunitätskostenprinzips sind, sollten sie die laufenden Entscheidungen also nicht beeinflussen. Diese unvermeidbaren Belastungen, die als Folge früherer Entscheidungen entstanden sind, nennt man sunk costs. Nehmen wir an, der Schreiner habe eine teure Spezialmaschine gekauft, die es ihm gestattet, Stühle, aber keine Tische zu produzieren. Der Schreiner hat einen Kredit aufgenommen, um die Maschine zu kaufen. Er muß monatlich 2 000 DM für Zinsen und Tilgung des Kredits zahlen. Diese monatlichen Belastungen sind eine Folge der Entscheidung, die Maschine zu kaufen. Sie sind aber für die Frage, ob es sich lohnt, mit Hilfe der Maschine Stühle zu produzieren, ohne Bedeutung. Sie sagen nichts darüber aus, was es kostet, diese Maschine zu benutzen, um Stühle zu produzieren. Um diese Frage zu beantworten, kommt es nur auf die Alternativen an, die der Schreiner noch hat, nachdem er die Maschine gekauft hat. Die historischen Anschaffungskosten oder die daraus folgenden monatlichen Belastungen sind für diese Frage unmittelbar ohne Bedeutung. Wenn

132

Viertes Kapitel: Die Kosten

der Schreiner nicht die Möglichkeit hat, die Maschine zu verkaufen, und er die Maschine nicht für andere Zwecke verwenden kann, sind die Anschaffungskosten nach dem Erwerb der Maschine sunk costs. Sie stellen eine nicht mehr vermeidbare Belastung dar. Schon Jevons hat dies durch die Formel "Bygones are forever bygones" ausgedrückt. Es wäre falsch, diese unvermeidbaren Belastungen als Kosten der Nutzung der Maschine anzusehen. Man sagt deshalb auch lakonisch: Sunk costs are sunk.1 b.

Die Irrelevanz historischer Anschaffungskosten

Die These, daß historische Anschaffungskosten die laufenden Entscheidungen nicht bestimmen sollten, sei an dem folgenden Beispiel erläutert: Der Student A. hat in der Fernsehlotterie "Mit fünf DM sind Sie dabei" gespielt und ein Auto gewonnen, für das er 15 000 DM hätte zahlen müssen, wenn er es gekauft hätte. Nachdem er zunächst eine kleine Urlaubsreise gemacht hat, überlegt er sich, ob er das Auto für den Rest des Studiums (ein Jahr) behalten soll, oder ob es besser ist, es zu verkaufen. Er errechnet seine Kosten wie folgt: 1. Steuer und Versicherung für ein Jahr 2. laufende Kosten für Instandhaltung und Benzin bei vorgesehener Nutzung (18 000 km) Summe der Kosten

1 200 DM 3 000 DM 4 200 DM

Sonstige Kosten, so meint er, entstehen ihm nicht. Insbesondere entstehen keine Zinskosten und Kosten für Abschreibung, da ihn das Auto nichts gekostet habe. Welche Fehler macht A.? Die Tatsache, daß ihn das Auto nichts gekostet hat, besagt nicht, daß seine Entscheidung, das Auto für ein Jahr zu halten, keine Kosten mit sich bringt. Die Entscheidung, das Auto zu behalten, bedeutet, daß er auf die Alternative verzichtet, das Auto zu verkaufen. Nehmen wir an, er könne 14 000 DM für das Auto bekommen, wenn er es jetzt verkauft, aber nur 11 000 DM, wenn er es nach einem Jahr verkauft. Er habe die Möglichkeit, das Geld heute zu sechs Prozent anzulegen. Die Entscheidung, das Auto zu behalten, bedeutet, daß er auf Zinserträge in Höhe von sechs Prozent von 14 000 DM = 840 DM verzichtet. Am Ende des Jahres hätte er also 14 840 DM, wenn er das Auto heute verkauft, statt nur 11 000 DM, wenn er es behält. Er hätte also bei einem Verkauf nach einem Jahr 3 840 DM mehr. Als Barwert ausgedrückt entspricht dies bei einem Zinssatz von sechs Prozent einem Betrag von 3 623 DM. Die Kosten der Entscheidung, das Auto ein Jahr zu behalten, sind also um 3 623 DM größer als errechnet.

1

Der Grundgedanke ist schon vor mehr als 2 300 Jahren von Aristoteles (389 bis 322 vor Christus) formuliert worden. Im sechsten Buch der Nikomachischen Ethik schreibt er: "Übrigens kann niemals Vergangenes den Gegenstand einer Entscheidung bilden: niemand nimmt sich vor, Troja nicht zerstört zu haben. Man überlegt sich ja nicht das, was vergangen ist, sondern was geschehen wird und eine Veränderung zuläßt. Das Vergangene aber kann unmöglich nicht geschehen sein." Aristoteles zitiert den Dichter Agathon (geboren kurz nach 450 vor Christus), dessen Werke heute verloren sind: 'Denn dies allein ist auch der Gottheit nicht vergönnt: Vollbrachte Taten ungeschehen zu machcn.' Vergleiche Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch VI, Ausgabe Rcclam, Seite 156.

Viertes Kapitel: Die Kosten

133

Die Kosten der Entscheidung, das Auto ein Jahr zu halten, ändern sich nicht, wenn A. das Auto nicht in der Lotterie gewonnen, sondern für 15 000 DM gekauft hat. Wenn A. nach einer Urlaubsreise erfährt, daß er nur noch 14 000 DM für das Auto bekommt, wenn er es sofort verkauft und bei der geplanten Nutzung erwartet, daß er nach einem Jahr 11 000 DM erhält, sind die Kosten der Entscheidung, das Auto ein Jahr zu halten, genauso hoch, wie in dem zuvor erörterten Fall. Für die Höhe der Kosten, die infolge der Entscheidung entstehen, das Auto für ein Jahr zu behalten, kommt es nicht auf die historischen Anschaffungskosten an. Mit der Entscheidung, das Auto zu behalten, verzichtet er auf einen Erlös von 14 000 DM. Diese 14 000 DM und nicht die Anschaffungskosten von 15 000 DM sind die Ausgangsgröße zur Ermittlung der Opportunitätskosten. Man sagt häufig: Wenn man ein Auto für 14 000 DM verkauft, das erst kurz zuvor für 15 000 DM gekauft worden ist, entstehe infolge des Verkaufs ein Verlust von eintausend DM. Richtig ist, daß die Wertminderung in Höhe von eintausend DM bereits entstanden ist und nicht mehr vermieden werden kann. Der Betrag von eintausend DM stellt sunk costs dar. Sie sollten die Entscheidung, ob das Auto verkauft werden sollte, nicht beeinflussen. Es besteht sonst die Gefahr, daß gutes Geld dem bereits verlorenen nachgeworfen wird. Es ist wichtig, sich stets an das Motto "sunk costs are sunk" zu erinnern. Es gibt im jüdischen Witz die Geschichte von dem Juden, der bemerkt, daß er gegen einen Falschspieler spielt, der aber dennoch weiterspielt, denn so sagt er: "Kann ich denn aufhören, wo ich so bin im Verlust"? Ähnlich handelt der Student A., der, seinen Hunger und die Aufnahmefähigkeit seines Magens überschätzend, in einem Landgasthof ein besonders großes Essen bestellt. A. ist schon satt, bevor er die Hälfte des Essens verspeist hat. Er ißt aber weiter nach dem Motto: Lieber sich den Bauch verrenken, als dem Wirt etwas schenken. Nicht klüger argumentieren diejenigen, die fordern, der "Schnelle Brüter" müsse fertiggestellt werden, weil sonst Verluste in Höhe der vielen Milliarden Mark entstehen, die bereits investiert worden sind. c.

Die Kosten der Nutzung dauerhafter Kapitalgüter

Die Kosten der Entscheidung, das Auto für ein Jahr zu behalten, sind allerdings streng zu unterscheiden von den Kosten der Entscheidung, in einer konkreten Situation das Auto zu nutzen, nachdem man sich entschieden hat, das Auto ein Jahr zu halten. Der Student A. mag sich zum Beispiel fragen, ob es billiger ist, mit dem Auto oder mit der Bundesbahn von Frankfurt nach Basel zu fahren. Es wäre falsch, diese Frage aufgrund der folgenden Überlegung zu entscheiden: "Die Gesamtkosten, das Auto ein Jahr zu behalten und im vorgesehenen Umfang (18 000 km pro Jahr) zu nutzen, belaufen sich auf 4 200 DM + 3 623 DM = 7 823 DM. Pro Kilometer ergeben sich also Kosten von 7 823 DM : 18 000 = 0,43 DM. Da bei der Fahrt mit der Bundesbahn nur dreißig Pfennig pro Kilometer zu zahlen sind, ist es billiger, mit der Bundesbahn zu fahren." Diese Rechnung ist deshalb falsch, weil die Ausgaben für Steuern und Versicherung, die Zinskosten und der Wertverlust, der unabhängig vom Umfang der Nutzung ist, nicht Kosten der Entscheidung sind, das Auto zu nutzen. Diese Kosten können nicht vermieden werden, indem man statt mit dem Auto mit der Bahn fährt, nachdem A. sich entschieden hat, das Auto zu behalten. Unser Beispiel kann uns helfen, wenn wir allgemein die Kosten bestimmen wollen, die mit der Nutzung eines dauerhaften Kapitalgutes, zum Beispiel einer Maschine, verbunden sind. Solche Güter, die nicht in einer Periode verbraucht, sondern über mehrere Perioden genutzt werden, erleiden im Zeitablauf einen Wertverlust. Dieser Wertverlust wird in

134

Viertes Kapitel: Die Kosten

der Buchhaltung durch Abschreibungen erfaßt. Bei der Ermittlung der Abschreibungsbeträge werden unterschiedliche Verfahren angewendet. Im einfachsten Fall erfolgt die Abschreibung in gleichbleibenden Jahresbeträgen (lineare Abschreibung). Dabei werden die Anschaffungskosten gleichmäßig auf eine normale Nutzungsdauer verteilt. Der jährliche Abschreibungsbetrag wird ermittelt, indem man die Anschaffungskosten durch die Zahl der Jahre dividiert, in denen das Anlagegut genutzt wird. Nehmen wir an, eine Maschine habe 2 0 0 0 0 0 D M gekostet. Die normale Nutzungsdauer beträgt fünf Jahre. Für jedes Jahr wird ein Abschreibungsbetrag von 4 0 0 0 0 D M errechnet. Die Höhe der Abschreibung wird also durch die historischen Anschaffungskosten bestimmt. Im betriebswirtschaftlichen Rechnungswesen geht es darum, diese Kosten im Rahmen einer ex post-Rechnung möglichst genau zu erfassen. Der Opportunitätskostenbegriff ist dagegen ein auf die Zukunft gerichtetes entscheidungsbestimmendes Konzept. Für die Frage, ob es sich lohnt, die Produktion mit Hilfe von Maschinen, die bereits gekauft worden sind, fortzuführen und für die Frage, was es kostet, die Maschinen zu nutzen, kommt es auf die historischen Anschaffungskosten nicht an. Wenn geprüft werden soll, ob die Produktion mit Hilfe der Maschinen fortgesetzt werden soll, oder ob es besser ist, die Maschinen zu verkaufen und die Produktion einzustellen, bestehen die Kosten der Entscheidung, die Maschine nicht zu verkaufen, in dem Erlös, den man beim Verkauf erzielen würde. Es lohnt sich, die Produktion fortzuführen, wenn der diskontierte Wert der zukünftigen Nettoerlöse, der dem Einsatz der Maschinen zu verdanken ist, größer ist als der Erlös, den man erzielt, wenn man die Maschinen verkauft. Hat man sich entschieden, die Produktion fortzuführen, fragt es sich, was es kostet, die Maschine tatsächlich zu nutzen. Die Kosten der Nutzung bestehen in dem Wertverlust, den die Maschine infolge der Nutzung erleidet. Wertverluste, die unabhängig davon eintreten, ob die Maschine genutzt wird oder nicht, sind keine Kosten der Nutzung der Maschine. Wenn infolge der Nutzung der Maschine die Lebensdauer verkürzt wird, bestehen die Kosten der Nutzung der Maschine in dem diskontierten Nettoerlös, den man am Ende der Lebensdauer erzielte, wenn man in der Gegenwart auf ihre Nutzung verzichtete. Diese Kosten hängen von den für die Zukunft erwarteten Nettoerlösen ab. Es gibt also eine Hierarchie von Entscheidungssituationen. Jede spätere Entscheidung muß von der Situation ausgehen, die durch frühere Entscheidungen herbeigeführt wurde. Belastungen, die durch frühere Entscheidungen verursacht worden sind und die nicht mehr vermieden werden können, sind für spätere Entscheidungen irrelevant. 5.

F i x e K o s t e n und variable Kosten

Üblicherweise teilt man die Gesamtkosten in zwei Arten auf: die fixen Kosten und die variablen Kosten. Als fixe Kosten bezeichnet man j e n e Kosten, die nicht mit der Ausbringungsmenge variieren. Sie sind gleich hoch, gleichgültig ob man zehn Einheiten oder einhundert Einheiten pro Periode produziert. Dazu gehören zum Beispiel die Zinskosten auf das in die Gebäude und Maschinen investierte Kapital. Die variablen Kosten hingegen sind dadurch charakterisiert, daß sie mit der produzierten Menge variieren (zum Beispiel Rohstoffkosten, Energiekosten, Teile der Lohnkosten). Anders gesagt: Die zusätzlichen fixen Kosten, die entstehen, wenn man die Produktionsmenge erhöht, sind gleich Null. Die Entscheidung, die laufende Produktion zu erhöhen, ist hinsichtlich der sogenannten fixen Kosten nicht mit Opportunitätskosten verbunden. Fixe Kosten sind in bezug auf die

Viertes Kapitel: Die Kosten

135

Frage, ob die Produktion um zehn Einheiten erhöht werden soll oder nicht, keine Opportunitätskosten. Sie können deshalb auch keinen Einfluß auf die Frage haben, ob es richtig ist, die Produktion um eine bestimmte Menge zu erhöhen oder nicht. Wenn Kosten stets nichts anderes sind als Opportunitätskosten, fragt es sich, inwiefern fixe Kosten überhaupt als Kosten anzusehen sind. Denn Ausgaben, die absolut fix sind, die nicht vermieden werden können, sind keine Kosten im Sinne von Opportunitätskosten. Der Begriff fixe Kosten mag aber dennoch sinnvoll verwendet werden, wenn wir zwischen zwei Arten von Entscheidungen unterscheiden: grundsätzlichen und laufenden Entscheidungen. Zu den grundsätzlichen Entscheidungen gehört die Frage, ob die Produktion fortgeführt werden soll oder ob es besser ist, sie einzustellen und die Anlagen zu verkaufen oder zu verpachten. Zu den laufenden Entscheidungen gehört die Frage, welche Menge produziert werden soll, wenn die Entscheidung, die Produktion aufrechtzuerhalten, gefallen ist. Wenn es nur darum geht zu entscheiden, ob es richtig ist, einhundert oder einhundertzehn Einheiten pro Periode zu produzieren, sind alle Kosten, die nicht mit der Ausbringungsmenge variieren, fix. Diese fixen Kosten sind im Rahmen der laufenden Entscheidung keine Opportunitätskosten. Ihre Höhe ist ohne jeden Einfluß auf die zu treffende Entscheidung. Wenn es allerdings darum geht, ob die Produktion überhaupt fortgeführt werden soll, ist zu berücksichtigen, daß durch die Aufgabe der Produktion Kosten wegfallen, die zwar invariant in bezug auf die Produktionsmenge sind, wie zum Beispiel Zinskosten auf das in die Anlagen investierte Kapital, Grundsteuer, Versicherungsbeiträge, die aber durch Einstellung der Produktion wegfallen, weil man die Anlagen verkaufen kann. Nehmen wir an, ein Unternehmen habe Maschinen für 100 0 0 0 D M gekauft und könne diese heute für 2 0 0 0 0 DM verkaufen, wenn die Produktion eingestellt wird. Der Verkauf der Maschinen bringt Zinserträge in Höhe von sechs Prozent von 2 0 0 0 0 D M mit sich. Wenn man also prüft, ob es richtig ist, die Produktion fortzuführen oder nicht, muß man sich klar sein, daß die Entscheidung, die Produktion fortzuführen, mit Kosten verbunden ist, die im Rahmen der laufenden Entscheidung nicht zu berücksichtigen sind. Von diesen vermeidbaren fixen Kosten sind die "eingefrorenen Kosten", die sunk costs, zu unterscheiden, die durch keine Entscheidung vermeidbar sind. Nehmen Sie an, ein Unternehmen habe Maschinen für einen Anschaffungspreis von 100 0 0 0 D M gekauft. Nachdem die Maschinen installiert sind, beträgt der maximal zu erzielende Nettoerlös aus dem Verkauf nurnoch 2 0 0 0 0 D M . Es sind sunk costs in Höhe von 8 0 0 0 0 D M entstanden. Nach der Installation der Maschinen können diese Kosten überhaupt nicht mehr vermieden werden. Weil sie nicht mehr vermieden werden können, sind sie für keine mögliche Handlung oder Entscheidung Kosten im Sinne des Opportunitätskostenbegriffs. Auch bei der Frage, ob die Produktion eingestellt werden soll oder nicht, dürfen sie nicht berücksichtigt werden. Allerdings ist zu beachten: Wenn man noch vor der Entscheidung steht, ob man Maschinen für 100 0 0 0 DM kaufen soll, muß man bei seiner Entscheidung von den zu zahlenden Anschaffungspreisen ausgehen. Zu einem Zeitpunkt, zu dem man die Maschinen noch nicht gekauft hat, sind 100 0 0 0 D M der Betrag, dessen Zahlung man vermeiden kann, wenn man die Maschinen nicht kauft. Wenn man also die Frage stellt, was die Produktion eines Gutes X mit Hilfe von Maschinen, die man noch nicht gekauft hat, kosten wird, ist vom Anschaffungspreis auszugehen. Solange man die Maschinen noch nicht gekauft hat, sind noch keine sunk costs entstanden. In dieser Situation ist also bei der Berechnung der Opportunitätskosten vom Anschaffungspreis auszugehen.

136

Viertes Kapitel: Die Kosten

Ob Kosten vermeidbar sind, wird in der Regel auch von der Länge des Zeitraums abhängen, den man der Betrachtung zugrunde legt. Kurzfristig sind zum Beispiel auch Teile der Lohnkosten nicht vermeidbar, wenn längerfristige Arbeitsverträge abgeschlossen worden sind. Kurzfristig ist es häufig nicht möglich, fixe Faktoren zu verkaufen oder zu verpachten. Häufig wird eine kurze Periode definiert als eine Periode, die so kurz ist, daß die fixen Kosten nicht vermieden werden können. Dann sind kurzfristig nur die variablen Kosten Kosten im Sinne des Opportunitätskostenprinzips. Die gesamten fixen Kosten sind kurzfristig sunk costs. Sie können in der kurzen Periode die laufenden Entscheidungen nicht beeinflussen. C.

Die Kostenfunktion bei gegebener Betriebsgröße

Die Unternehmen versuchen, alternative Mengen eines Gutes mit jeweils minimalen Kosten herzustellen. Die Funktion K = f (x), welche alternativen Mengen des Gutes X die jeweils minimalen Kosten zuordnet, nennt man Kostenfunktion. Die Kostenfunktion beschreibt also den funktionalen Zusammenhang zwischen alternativen Ausbringungsmengen und den jeweils niedrigsten Kosten. Für die Produktion werden Produktionsfaktoren benötigt, deren Einsatz Kosten verursacht. Bei der Bewertung der Produktionsfaktoren ist vom Opportunitätskostenprinzip auszugehen. 1.

Die Gesamtkostenfunktion

Wenn wir die kurze Periode als Periode definieren, die so kurz ist, daß die gesamten fixen Kosten nicht vermieden werden können, sind die fixen Kosten unvermeidbare Belastungen. Sie können die laufenden Entscheidungen nicht beeinflussen. Sie sind keine Kosten im Sinne des Opportunitätskostenprinzips. Die entscheidungsrelevanten gesamten Kosten sind gleich den variablen Kosten (VK). K (x) = VK (x) Die Produktion ist kurzfristig lohnend, wenn die Erlöse größer als die variablen Kosten sind. In Abbildung 4.3 sind auf der Abszisse die produzierten Mengen (x) und auf der Ordinate die gesamten variablen Kosten (VK) abgetragen. Im einfachsten Fall (Abbildung 4.3a) steigen die variablen Kosten proportional zur Ausbringungsmenge an, bis die Kapazitätsgrenze xmax erreicht wird. Das braucht aber nicht so zu sein. Die Kosten mögen zwar im Anfangsbereich proportional zur Ausbringungsmenge steigen, aber überproportional zunehmen, wenn man sich der Kapazitätsgrenze xmax nähert (Abbildung 4.3b). Dies ist zu erwarten, wenn Engpässe auftreten, bevor die absolute Kapazitätsgrenze erreicht wird. In der Volkswirtschaftslehre hat man allerdings dem in Abbildung 4.3c dargestellten Kostenverlauf besondere Aufmerksamkeit gewidmet, bei dem die Kosten zunächst unterproportional und dann überproportional steigen. Auch wir werden im folgenden diesen Kostenverlauf zugrundelegen.

137

Viertes Kapitel: Die Kosten

Abb. 4.3

Die Gesamtkosten sind nur dann gleich den variablen Kosten, wenn die gesamten fixen Kosten nicht vermeidbar sind. In der Regel ist es aber möglich, einen Teil der fixen Kosten zu vermeiden, indem man fixe Faktoren, die die Ursache fixer Kosten sind, verkauft und die Produktion einschränkt oder ganz aufgibt. Diese vermeidbaren fixen Kosten sind Kosten der Entscheidung, die Produktion aufrechtzuerhalten. Da sie aber invariant in bezug auf die Produktionsmenge sind, nennen wir sie fixe Kosten. Wenn also zu entscheiden ist, ob der Betrieb fortgeführt werden soll oder nicht, sind diese vermeidbaren fixen Kosten entscheidungsrelevante Opportunitätskosten. Die Gesamtkosten sind dann gleich der Summe aus den variablen Kosten und den vermeidbaren fixen Kosten (FKV). K = VK + FKV Wenn man prüft, ob es sich lohnt, einen bestimmten Betrieb zu errichten, um ein Gut mit Hilfe von Faktoren herzustellen, die noch gekauft werden müssen, ist bei der Ermittlung der Kosten vom Anschaffungspreis auszugehen. Das gilt auch, wenn entschieden werden muß, ob abgenutzte Anlagen und Maschinen ersetzt werden sollen. Solange die Faktoren noch nicht gekauft worden sind, geben die Anschaffungskosten die Beträge an, die vermieden werden können, indem man auf den Kauf verzichtet. Wenn man fragt, was es kosten wird, alternative Mengen eines Gutes in einem bestimmten Betrieb herzustellen, ist also bei allen Produktionsfaktoren vom Anschaffungspreis auszugehen. Will man die Situation darstellen, die sich nach Errichtung des Betriebes ergeben wird, ist es üblich, die gesamten Kosten in die variablen und die fixen Kosten aufzuteilen. Die fixen Kosten enthalten in dieser konventionellen Betrachtungsweise außer den später noch vermeidbaren fixen Kosten auch die nach dem Kauf der Faktoren nicht mehr vermeidbaren fixen Kosten. Sie enthalten also auch die nach dem Kauf der Faktoren nicht entscheidungsrelevanten sunk costs. Es gilt also: K

=

VK

Gesamtkosten

=

variable Kosten

+

FKV

+ vermeidbare fixe Kosten

+

FK„

+

nicht vermeidbare fixe Kosten

138

Viertes Kapitel: Die Kosten

Die so definierten Gesamtkosten sind nur entscheidungsrelevant, wenn zu prüfen ist, ob es sich lohnt, einen bestimmten Betrieb zu errichten oder die Produktion in einem bestimmten Betrieb langfristig aufrechtzuerhalten. Da die fixen Kosten mit der Ausbringungsmenge nicht variieren, sind sie bei jeder Menge gleich groß. In Abbildung 4.4 tragen wir auf der Abszisse die ausgebrachte Menge und auf der Ordinate die gesamten fixen Kosten ab. Abb. 4.4

K

A FK 0

x

Die Kurve, die angibt, wie hoch die fixen Kosten bei alternativen Mengen sind, ist eine Parallele zur Mengenachse. Der vertikale Abstand dieser Geraden von der Abszisse gibt die Höhe der fixen Kosten an. Die Gesamtkostenkurve erhalten wir, indem wir die variablen Kosten zu den fixen Kosten addieren. Abb. 4.5

A

0 In Abbildung 4.5 gibt der vertikale Abstand der Gesamtkostenkurve K von der Abszisse an, wie groß die Gesamtkosten bei alternativen Mengen sind. Bei der Menge x, sind die Gesamtkosten gleich x,C. Das ist die Summe aus den fixen Kosten von x,B und den variablen Kosten von BC.

139

Viertes Kapitel: Die Kosten

2.

Die Durchschnittskosten

Für viele Zwecke sind Durchschnittskostenkurven hilfreicher als Gesamtkostenkurven. Man erhält die totalen Durchschnittskosten (TDK), indem man die Gesamtkosten durch die ausgebrachte Menge dividiert. TDK

=

x

Da die Gesamtkosten gleich der Summe aus variablen Kosten und fixen Kosten sind, sind die totalen Durchschnittskosten (TDK) gleich der Summe aus den durchschnittlichen variablen Kosten (DVK) und den durchschnittlichen fixen Kosten (DFK). Aus K

=

VK

+

FK

+

FK — x

erhält man durch Division durch die Menge x K

_

x TDK

a.

VK

x =

DVK

+

DFK

Die fixen Durchschnittskosten

Die durchschnittlichen fixen Kosten (DFK) ergeben sich also, indem die gesamten fixen Kosten durch die ausgebrachte Menge dividiert werden. Da die gesamten fixen Kosten nicht mit der Ausbringungsmenge variieren, sind die durchschnittlichen fixen Kosten um so kleiner, je größer die ausgebrachte Menge ist. In Abbildung 4.6a werden die durchschnittlichen fixen Kosten durch den Tangens des Winkels gemessen, den eine Ursprungsgerade mit der positiven Richtung der Abszisse bildet. Wird zum Beispiel die Menge x, ausgebracht, so gibt tan a die Höhe der durchschnittlichen fixen Kosten an. Je größer die Menge, um so kleiner ist der Tangens des Winkels, der die Höhe der durchschnittlichen fixen Kosten mißt. Bei der Menge x2 betragen sie tan ß. In Abbildung 4.6b werden auf der Ordinate die durchschnittlichen fixen Kosten (DFK) abgetragen. Die Kurve der durchschnittlichen fixen Kosten ist eine von links oben nach rechts unten fallende Kurve. Da in jedem Punkt der Kurve das Produkt aus dem Ordinatenwert (DFK) und dem Abszissenwert (x) gleich den fixen Kosten, also gleich einer Konstanten ist, muß die Kurve der durchschnittlichen fixen Kosten der Ast einer Hyperbel sein.

140

b.

Viertes Kapitel: Die Kosten

Die variablen Durchschnittskosten

Die durchschnittlichen variablen Kosten erhält man, indem man die variablen Kosten durch die ausgebrachte Menge dividiert. In Abbildung 4.7 werden die durchschnittlichen variablen Kosten durch den Tangens des Winkels gemessen, den eine Ursprungsgerade mit der positiven Richtung der Abszisse bildet.

Bei der Menge x, sind die durchschnittlichen variablen Kosten gleich tan a. Wird eine größere Menge als X! ausgebracht, so wird der Winkel, den eine Ursprungsgerade mit der Abszisse bildet, kleiner, und zwar bis die Menge x2 ausgebracht wird. Wird mehr als x 2 produziert, so vergrößert sich der Winkel wieder. Die variablen Durchschnittskosten sinken also bis zur Menge x2, erreichen bei x 2 ein Minimum und steigen dann wieder an. Dieser Verlauf der Kurve der durchschnittlichen variablen Kosten wird in Abbildung 4.8 dargestellt.

Viertes Kapitel: Die Kosten

c.

141

Die totalen Durchschnittskosten

Da die totalen Durchschnittskosten gleich der Summe aus den variablen und den fixen Durchschnittskosten sind, erhält man die Kurve der totalen Durchschnittskosten, indem man die Kurve der variablen Durchschnittskosten und die Kurve der fixen Durchschnittskosten addiert. Abb. 4.9

DVK TDK TDK DVK

In Abbildung 4.9 gibt der vertikale Abstand zwischen der Kurve der totalen Durchschnittskosten und der Kurve der variablen Durchschnittskosten die Höhe der durchschnittlichen fixen Kosten an. Da die durchschnittlichen fixen Kosten mit wachsender Ausbringungsmenge sinken, muß der vertikale Abstand zwischen der DVK-Kurve und der TDK-Kurve mit steigender Menge immer kleiner werden. Die Kurve der totalen Durchschnittskosten nähert sich asymptotisch der Kurve der durchschnittlichen variablen Kosten. Die Kurve der variablen Durchschnittskosten hat ihr Minimum bei der Ausbringungsmenge x,. Da aber die Kurve der durchschnittlichen fixen Kosten kontinuierlich fällt, muß die TDK-Kurve bei der Menge x, noch fallen. Die Kurve der totalen Durchschnittskosten erreicht bei der Menge ein Minimum, bei der die Kurve der variablen Durchschnittskosten mit der gleichen Rate steigt, mit der die Kurve der fixen Durchschnittskosten sinkt.

142

Viertes Kapitel: Die Kosten

Man kann die Kurve der totalen Durchschnittskosten auch unmittelbar aus der Gesamtkostenkurve ableiten, wie Abbildung 4.10 zeigt.

x2

0

x

Bei der Menge x, (Abbildung 4.10a) sind die gesamten Kosten gleich dem vertikalen Abstand des Punktes A auf der Gesamtkostenkurve von der Abszisse. Die totalen Durchschnittskosten (TDK) sind gleich tan a. Wird die Ausbringungsmenge erhöht, so wird der Winkel, den eine Ursprungsgerade mit der positiven Richtung der Abszisse bildet, kleiner. Bei der Menge x 2 tangiert eine Ursprungsgerade die Gesamtkostenkurve. Die totalen Durchschnittskosten sinken also bis zur Menge x 2 und haben bei der Menge x2 ein Minimum. Wird eine größere Menge als x2 produziert, steigen die totalen Durchschnittskosten. Die Kurve der totalen Durchschnittskosten verläuft also so, wie in Abbildung 4.10b dargestellt. 3.

Die Grenzkostenkurve

Die Grenzkosten sind die Rate der Veränderung der Kosten pro zusätzlich ausgebrachter Mengeneinheit. Man sagt auch: Die Grenzkosten sind die zusätzlichen Kosten, die entstehen, wenn die Produktionsmenge um eine Einheit erhöht wird. Algebraisch sind sie definiert als die erste Ableitung der Gesamtkostenfunktion nach der Menge: Grenzkosten

=

^ dx

Graphisch sind die Grenzkosten gleich der Steigung der Gesamtkostenkurve in einem Punkt.

143

Viertes Kapitel: Die Kosten

Da die fixen Kosten sich nicht ändern, wenn die Produktionsmenge variiert wird, ist die Änderung der Gesamtkosten, die sich ergibt, wenn eine Einheit mehr produziert wird, ausschließlich auf die Änderung der variablen Kosten zurückzuführen. „ Grenzkosten

=

dK — dx

=

dVK —-— dx

Graphisch können wir die Grenzkosten sowohl durch die Steigung der Gesamtkostenkurve als auch durch die Steigung der Kurve der variablen Kosten messen. Mit Hilfe von Abbildung 4.11 kann man zeigen, wie sich der Verlauf der Grenzkostenkurve aus dem Verlauf der Gesamtkostenkurve herleiten läßt. Abb. 4.11

Die Steigung der Gesamtkostenkurve nimmt zunächst kontinuierlich bis zum Wendepunkt W der Kurve ab. Von W an nimmt die Steigung der Gesamtkostenkurve zu. Das bedeutet: Bis zum Wendepunkt W, also bis zur Ausbringungsmenge x,, sinken die Grenzkosten. Sie erreichen bei der Ausbringungsmenge x, ein Minimum. Danach steigen die Grenzkosten. Dieser Verlauf der Grenzkostenkurve wird in Abbildung 4.1 l b dargestellt. Bei der Menge x 2 haben die totalen Durchschnittskosten - gemessen durch tan a - ein Minimum. Tan a mißt aber auch die Steigung der Gesamtkostenkurve bei der Ausbringungsmenge x2, ist also Ausdruck der Grenzkosten. Daraus folgt: Im Minimum der totalen Durchschnittskosten sind die Grenzkosten gleich den totalen Durchschnittskosten. Ganz analog läßt sich graphisch zeigen, daß im Minimum der variablen Durchschnittskosten die Grenzkosten gleich den variablen Durchschnittskosten sind.

144

Viertes Kapitel: Die Kosten

4. Der Zusammenhang zwischen Gesamtkostenkurven, Durchschnittskostenkurven und Grenzkostenkurven In Abbildung 4.12a ist die Gesamtkostenkurve dargestellt. Die fixen Kosten betragen OF. Der vertikale Abstand der Gesamtkostenkurve K von FF' gibt an, wie hoch die variablen Kosten bei alternativen Ausbringungsmengen sind. Abbildung 4.12b zeigt die aus der Gesamtkostenkurve K abgeleitete Grenzkostenkurve und die Kurve der variablen sowie der totalen Durchschnittskosten. Abb. 4.12

a)

b)

Bis zu der dem Punkt W entsprechenden Menge x, nimmt die Steigung der Gesamtkostenkurve ab. Wird die Produktion über x, hinaus erhöht, nimmt die Steigung der Gesamtkostenkurve zu. Die Grenzkosten sinken also zunächst, erreichen bei der Menge x, ein Minimum und steigen dann. Der Verlauf der Grenzkostenkurve ist in Abbildung 4.12b wiedergegeben. Die variablen Durchschnittskosten werden in Abbildung 4.12a durch den Tangens des Winkels gemessen, den wir erhalten, wenn wir einen Punkt der Gesamtkostenkurve mit dem Punkt F verbinden. Dieser Winkel wird zunächst kleiner, wenn wir die Ausbringungsmenge bis zur Menge x2 erhöhen. Im Punkt B tangiert eine von F ausgehende Gerade die Gesamtkostenkurve. Die variablen Stückkosten sinken zunächst und erreichen bei der Menge x2 ein Minimum. Wird mehr als x2 produziert, steigen die variablen Durchschnittskosten an. Man erkennt: Bei der Menge x2 sind die variablen Durchschnittskosten, gemessen durch tan ß, gleich der Steigung der Gesamtkostenkurve (Abbildung 4.12a). Bei der Menge x2, bei der die variablen Durchschnittskosten ein Minimum haben, sind daher die variablen Durchschnittskosten gleich den Grenzkosten. In Abbildung 4.12b wird deshalb die Kurve der variablen Durchschnittskosten in ihrem Minimum von der Grenzkostenkurve geschnitten.

Viertes Kapitel: Die Kosten

145

Die totalen Durchschnittskosten werden in Abbildung 4.12a durch den Tangens des Winkels gemessen, den eine Ursprungsgerade mit der positiven Richtung der Abszisse bildet. Die totalen Durchschnittskosten sinken bis zur Menge x3, haben dort ein Minimum und steigen danach an. Bei der Menge x 3 sind sie gleich tan a , der zugleich die Steigung der Gesamtkostenkurve im Punkt C mißt. Im Minimum der totalen Durchschnittskosten sind also die totalen Durchschnittskosten gleich den Grenzkosten. In Abbildung 4.12b wird daher die Kurve der totalen Durchschnittskosten von der Grenzkostenkurve geschnitten. Aus Abbildung 4.12 ersieht man: Wenn die Durchschnittskosten fallen, sind die Grenzkosten kleiner als die Durchschnittskosten. Wenn die Durchschnittskosten steigen, sind die Grenzkosten größer als die Durchschnittskosten. Im Minimum der Durchschnittskosten sind die Grenzkosten gleich den Durchschnittskosten. Diese Aussagen gelten sowohl für die variablen als auch für die totalen Durchschnittskosten. D.

Die langfristigen Kostenfunktionen

Die Kostenfunktionen, die bisher dargestellt wurden, gaben an, wie hoch die Kosten bei alternativen Ausbringungsmengen sind, wenn der Produktionsapparat - die Betriebsgröße - gegeben ist. Man nennt diese Kostenfunktionen auch kurzfristige Kostenfunktionen. Langfristig sind alle Faktoren variabel. Langfristig kann auch die Betriebsgröße verändert werden. Bei unterschiedlichen Betriebsgrößen ergeben sich unterschiedliche kurzfristige Kostenfunktionen. Durch die Wahl der Betriebsgröße wird die kurzfristige Kostenfunktion bestimmt. 1.

Die langfristige Stückkostenkurve

In Abbildung 4.13 wurde angenommen, daß das Unternehmen zwischen drei Betriebsgrößen wählen kann, die jeweils durch die Kurven der totalen Durchschnittskosten (TDK) charakterisiert sind. Langfristig kann sich das Unternehmen für eine beliebige Betriebsgröße entscheiden. Es wird jenen Betrieb errichten, der es ihm gestattet, die geplante Menge mit den niedrigsten Kosten zu produzieren. Wenn die geplante Menge kleiner als x, ist, sind die Kosten am geringsten, wenn in dem Betrieb produziert wird, der in Abbildung 4.13 durch die Kostenkurve TDK, charakterisiert ist. Ist die Menge größer als x, aber kleiner als x2, ist es am besten, den mittelgroßen Betrieb (TDKj) zu errichten. Wenn die geplante Ausbringungsmenge größer als x 2 ist, sind die Kosten am geringsten, wenn in dem großen Betrieb produziert wird, dessen Kurve der totalen Durchschnittskosten TDK 3 ist.

146

Viertes Kapitel: Die Kosten

Abb. 4 . 1 3

Die langfristige Stückkostenfunktion gibt die minimalen Durchschnittskosten an, die entstehen, wenn alternative Mengen jeweils in dem Betrieb hergestellt werden, in dem die Kosten am niedrigsten sind. In Abbildung 4.13 ist die langfristige Stückkostenkurve der durchgezogen eingezeichnete Teil der drei kurzfristigen Stückkostenkurven. Die langfristige Stückkostenkurve besteht also aus den Teilstücken der kurzfristigen Stückkostenkurven, die unterhalb der Kostenkurven der anderen Betriebe liegen. In der Regel gibt es mehr als drei Betriebsgrößen. Im Grenzfall kann die Betriebsgröße kontinuierlich variiert werden. Es gibt dann unendlich viele kurzfristige Kostenkurven, die jeweils mit der langfristigen Kostenkurve nur einen Punkt gemeinsam haben.

In Abbildung 4 . 1 4 tangiert die langfristige Kostenkurve die kurzfristigen Kostenfunktionen jeweils bei der Menge, die in dem Betrieb, der durch die kurzfristige Kostenfunktion T D K beschrieben wird, kostengünstiger hergestellt werden kann als in irgendeinem anderen Betrieb, der größer oder kleiner ist. Mathematisch formuliert: Die langfristige Stückkostenkurve ist die Umhüllungskurve der kurzfristigen Stückkostenkurven. Im Bereich der Mengen xx 0 ), werden die kurzfristigen Stückkostenkurven in Punkten tangiert, in denen die kurzfristigen Stückkosten ebenfalls steigen. Wenn also zum Beispiel die Menge x 2 mit minimalen Kosten produziert werden soll, muß dies in einem Betrieb geschehen, dessen kurzfristige Stückkostenkurve T D K 2 ist. Die Menge x 2 ist größer als die Menge, bei der die Stückkostenkurve T D K 2 ein Minimum hat. Nur wenn die Menge x 0 produziert werden soll, bei der die langfristige Stückkostenkurve ein Minimum hat, wird gleichzeitig auch im Minimum der kurzfristigen Stückkostenkurve produziert. 2.

Die langfristige G e s a m t k o s t e n k u r v e

Der langfristigen Stückkostenkurve entspricht eine langfristige Gesamtkostenkurve. So wie die langfristige Stückkostenkurve die Umhüllungskurve der kurzfristigen Stückkostenkurven ist, ist die langfristige Gesamtkostenkurve die Umhüllungskurve der kurzfristigen Gesamtkostenkurven. Anders formuliert: Wenn die Betriebsgröße kontinuierlich variiert werden kann, wird die langfristige Gesamtkostenkurve jeweils nur in einem Punkt von den kurzfristigen Gesamtkostenkurven tangiert. Abb. 4 . 1 5

In Abbildung 4 . 1 5 sind außer der langfristigen Gesamtkostenkurve (lf. K ) die kurzfristigen Gesamtkostenkurven K , und K 2 dargestellt, die die langfristige Kostenkurve bei den Mengen x, und x 2 tangieren. Soll die Menge x, mit langfristig minimalen Kosten hergestellt werden, muß in einem Betrieb produziert werden, dessen kurzfristige Kostenkurve K , ist. Um die größere Menge x 2 mit minimalen Kosten herzustellen, muß in dem größeren Betrieb produziert werden, für den die kurzfristige Kostenkurve K 2 gilt.

148

3.

Viertes Kapitel: Die Kosten

Die langfristige Grenzkostenkurve

Die langfristigen Grenzkosten sind die Veränderung der langfristigen Gesamtkosten pro zusätzlich ausgebrachter Mengeneinheit. Graphisch werden sie gemessen durch die Steigung der langfristigen Gesamtkostenkurve. Wenn die langfristigen Durchschnittskosten fallen, sind die langfristigen Grenzkosten kleiner als die langfristigen Durchschnittskosten. Wenn die langfristigen Durchschnittskosten steigen, sind die langfristigen Grenzkosten größer als die langfristigen Durchschnittskosten. Die Kurve der langfristigen Durchschnittskosten wird in ihrem Minimum von der langfristigen Grenzkostenkurve geschnitten. Aus Abbildung 4.15 ersieht man, daß bei der Menge x, und bei der Menge x 2 die Steigung der langfristigen Gesamtkostenkurve gleich der Steigung der kurzfristigen Gesamtkostenkurven K, und K2 ist. Es gilt: Wird eine bestimmte Menge mit der für diese Menge optimalen Betriebsgröße produziert, ist die Steigung der langfristigen Gesamtkostenkurve gleich der Steigung der kurzfristigen Gesamtkostenkurve. Anders formuliert: Wenn eine bestimmte Menge mit langfristig minimalen Kosten produziert wird, sind die langfristigen Grenzkosten gleich den kurzfristigen Grenzkosten.

Um in Abbildung 4.16 die Menge x, mit langfristig minimalen Kosten zu produzieren, muß ein Betrieb errichtet werden, dessen Kostenfunktion durch die kurzfristige Stückkostenkurve TDK, beschrieben wird. Bei der Menge x, sind die kurzfristigen Durchschnittskosten TDK, gleich den langfristigen Durchschnittskosten lf. DK. Die kurzfristigen Grenzkosten (kf. GK) sind bei der Menge x, gleich den langfristigen Grenzkosten (lf. GK). 4.

Alternative Kostenverläufe

Wir haben bisher unterstellt, daß die langfristigen Stückkosten erst fallen, ein Minimum erreichen und danach sofort wieder steigen. Das braucht nicht so zu sein. In Abbildung 4.17 ist die langfristige Durchschnittskostenkurve eine Parallele zur Mengenachse.

149

Viertes Kapitel: Die Kosten

A b b . 4.17

jf.DK TDK

TDK

V V X V V 0

lf.DK

x

Als Umhüllungskurve berührt sie die kurzfristigen Durchschnittskostenkurven in deren Minimum. Die langfristige Durchschnittskostenkurve hat weder einen fallenden noch einen steigenden Ast. Eine sehr kleine Menge kann also in einem kleinen Betrieb genauso kostengünstig hergestellt werden wie eine große Menge in einem großen Betrieb. Ein solcher Verlauf der langfristigen Stückkostenkurve ist denkbar, wenn alternative Mengen des Gutes jeweils durch proportionale Veränderung der Einsatzmengen aller Faktoren hergestellt werden können. In der Realität ist es meistens möglich, größere Mengen kostengünstiger herzustellen. Die langfristige Stückkostenkurve hat bis zu einer bestimmten M e n g e einen fallenden Ast. D a s kann verschiedene Ursachen haben: a. Wenn größere Mengen hergestellt werden, können Produktionsmittel verwendet werden, die in kleinerem Maßstab nicht verfügbar sind. Unteilbarkeiten bewirken, daß die langfristigen Stückkosten bis zu einer bestimmten Grenze sinken. b. Wenn größere Mengen in größeren Betrieben hergestellt werden, ergeben sich zusätzliche Möglichkeiten der Arbeitsteilung und Spezialisierung. Die Arbeiter erlangen durch Spezialisierung größere Geschicklichkeit; Zeiten für die Umstellung von einer Tätigkeit auf eine andere entfallen. Die Zeit für die Ausbildung sinkt. c. Für die Kosten der Fertigung ist es häufig von Bedeutung, daß Inhalt und Oberfläche ähnlicher Körper sich nicht proportional verändern. So ist zum Beispiel das Volumen eines Würfels, dessen Kanten drei Meter lang sind, 27mal so groß wie der Inhalt eines Würfels mit einer Kantenlänge von einem Meter. Die Oberfläche ist aber nur neunmal so groß. Da in vielen Fällen (Erdölraffinerie, Zementherstellung, Stahlproduktion) der Output proportional zum Volumen bestimmter Inputs (Behälter, Rohrleitungen) ist, die Kosten sich aber ungefähr proportional zur Oberfläche verändern, kommt e s zu sinkenden Stückkosten. d. Die Vorräte, die notwendig sind, um kurzfristig Schwankungen der Nachfrage zu begegnen, können in größeren Betrieben relativ kleiner sein, wenn das durchschnittliche Verhalten einer großen Zahl von Kunden geringere Schwankungen aufweist als das Verhalten einer kleineren Zahl von Kunden. Ein kleines Unternehmen, d a s nur eine spezialisierte Maschine einsetzt, muß eine zweite als Reserve halten, um bei einem

150

Viertes Kapitel: Die Kosten

unerwarteten Ausfall der Maschine die Produktion aufrechterhalten zu können. In einem größeren Betrieb, der fünf Maschinen einsetzt, mag ebenfalls eine Reservemaschine ausreichen. Es gibt also zahlreiche Gründe dafür, daß die langfristigen Stückkosten in der Regel bis zu einer bestimmten Ausbringungsmenge sinken. Doch sinken die Stückkosten in der Regel nicht unbegrenzt, weil früher oder später die Möglichkeiten, die Kosten zu senken, indem mehr produziert wird, erschöpft sind. Von einer bestimmten Produktionsmenge an können die langfristigen Durchschnittskosten auch wieder steigen. Die Probleme der Koordination wachsen mit der Unternehmensgröße. Es wird schwieriger, die Informationen zu erhalten, die man braucht, um Entscheidungen zu fällen und es wird schwieriger sicherzustellen, daß Entscheidungen auch ausgeführt werden. Es besteht bei wachsender Unternehmensgröße die Gefahr, daß sich bürokratischer Leerlauf und Trott ausbreiten und die Verwaltung hypertrophiert. Ein Spötter meinte: Ein Frisörsalon mit zweihundert Beschäftigten kann keine Kunden mehr rasieren, weil die Angestellten vollauf damit beschäftigt sind, sich gegenseitig zu rasieren. Selbst wenn aber bei großen Mengen die langfristigen Stückkosten steigen, bedeutet dies nicht, daß die langfristige Stückkostenkurve den in den Abbildungen 4.14 und 4.16 unterstellten U-förmigen Verlaufhat. Empirische Untersuchungen lassen vermuten, daß im allgemeinen die langfristigen Stückkosten zunächst fallen und dann nahezu konstant sind. Erst bei großen Produktionsmengen mag es dann zu steigenden langfristigen Stückkosten kommen. Es ergibt sich der in Abbildung 4.18 dargestellte Verlauf.

A b b . 4.18

if.DK lf.DK

Von besonderer Bedeutung ist jene Menge, die mindestens produziert werden muß, damit mit minimalen Stückkosten produziert werden kann. In Abbildung 4.19 ist das die Menge Xo. Durch x 0 ist die minimale optimale Betriebsgröße bestimmt. Die minimale optimale Betriebsgröße ist wettbewerbspolitisch von großer Bedeutung. Ist sie im Vergleich zur Nachfrage groß, ist es nicht möglich, daß viele Unternehmen das Gut anbieten, wenn die gesamte produzierte Menge mit minimalen Kosten produziert werden soll. Im Grenzfall kann es so sein, daß ein Unternehmen die Gesamtmenge kostengünstiger produzieren kann als zwei oder mehr Unternehmen.

Viertes Kapitel: Die Kosten

151

In Abbildung 4.19 wird zu einem Preis in Höhe der minimalen langfristigen Durchschnittskosten die Menge x, nachgefragt. Zwar ist x,>x 0 , doch kann die Menge x, nur dann so kostengünstig wie möglich produziert werden, wenn die Menge x, von nur einem Unternehmen produziert wird. Sind zwei oder mehr Betriebe an der Produktion der Menge x, beteiligt, so muß mindestens ein Betrieb eine Menge ausbringen, die kleiner ist als x0. Dann aber wird in diesem Betrieb nicht mit minimalen Stückkosten produziert. Es liegt der Fall des natürlichen Monopols vor. Literatur zum vierten Kapitel James M. Buchanan, Cost and Choice, Chicago und London 1969 Ronald H. Coase, Business organization and the accountant, in: James M. Buchanan, G. F. Thirlby (Hrsg.), L. S. E. Essays on Costs, Birkenhead 1973, S. 97-132 Philip H. Wicksteed, The Common Sense of Political Economy, erweiterte Auflage, London 1933, (erste Auflage 1910), neuntes Kapitel: Distribution. Cost of Production, S. 377-398 Ross D. Eckert, Richard H. Leftwich, The Price System and Ressource Allocation, 10. Auflage, Chicago u.a. 1988, zehntes Kapitel: Costs of Production, S. 268-311 Artur Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 9. Auflage, München 1987, sechstes Kapitel: Angebot: Verkaufsplan des Unternehmens, S. 166-177

Fünftes Kapitel Das Unternehmen und seine Umgebung In marktwirtschaftlichen Systemen werden G ü t e r u n d Dienstleistungen in Unternehmen hergestellt. Die Unternehmen kaufen von den Haushalten Faktorleistungen. Die Zahlungen an die Haushalte als Entgelt f ü r die Faktorleistungen sind E i n k o m m e n der Haushalte. Die Unternehmen verkaufen Güter und Dienstleistungen an die Haushalte, den Staat oder an andere Unternehmen.

A.

Das Unternehmen als Organisationsform

Die Unternehmen stellen organisatorische Einheiten dar, in denen wirtschaftliche Leistungen in der Regel durch das Z u s a m m e n w i r k e n mehrerer Wirtschaftssubjekte erstellt werden. Die Unternehmensleitung koordiniert die verschiedenen Tätigkeiten. Wir haben im zweiten Kapitel gezeigt, daß die Aktivitäten zahlreicher selbständiger Wirtschaftssubjekte durch den Markt koordiniert werden. Dies wirft die Frage auf, warum es darüber hinaus noch spezieller organisatorischer Einheiten bedarf, deren A u f g a b e es ist, die Tätigkeiten der Wirtschaftssubjekte zu koordinieren. W a r u m gibt es in der auf freiwilliger Kooperation beruhenden Marktwirtschaft die "Inseln der bewußten Macht in diesem Ozean unbewußter Kooperation, die wie Butterklumpen in einem Eimer Buttermilch zusammenhängen". 1 W a r u m gibt es diese hierarchischen Organisationen, in denen die "unsichtbare Hand" des Marktes durch die sichtbare Hand ersetzt wird, die mit Hilfe von Weisungen und Befehlen die Tätigkeiten der einzelnen dirigiert? Tatsächlich werden die Tätigkeiten der selbständigen Schneider, Bäcker und Installateure mit Hilfe des Preismechanismus koordiniert. Die Vorteile der Arbeitsteilung werden damit allerdings noch nicht erschöpft. W i e schon A d a m Smiths berühmtes Stecknadelbeispiel zeigt, kann die Arbeitsproduktivität erhöht werden, wenn mehrere Personen im Team zusammenwirken und sich auf bestimmte Tätigkeiten spezialisieren. Doch ist mit dem Hinweis auf die Vorteile der arbeitsteiligen Teamproduktion noch nicht erklärt, warum man Unternehmen braucht, um die Vorteile der Spezialisierung zu verwirklichen. Im Prinzip könnten Stecknadeln arbeitsteilig produziert werden, indem selbständige Wirtschaftssubjekte multilaterale Vereinbarungen treffen und sich vertraglich verpflichten, bestimmte Leistungen zu erbringen. Doch die Kosten, die entstehen, um solche multilateralen Verträge auszuhandeln, abzuschließen und zu erzwingen, würden oft prohibitiv hoch sein. Die Zahl der Verträge kann reduziert werden, wenn sich alle gegenüber einer einzigen Stelle - der Unternehmensleitung vertraglich binden. W e n n an die Stelle vieler multilateraler Verträge jeweils ein bilateraler Vertrag mit der Unternehmensleitung tritt, können die Transaktionskosten gesenkt werden. Wir können deshalb das Unternehmen als j e n e organisatorische Einheit auffassen, die es ermöglicht, bei minimalen Transaktionskosten die Vorteile der auf Arbeitsteilung beruhenden Teamproduktion zu nutzen.

1

Dennis H. Robertson, The Control of Industry, Cambridge 1923, S. 85.

154

Fünftes Kapitel: Das Unternehmen und seine Umgebung

Die bilateralen Verträge, die mit der Unternehmensleitung abgeschlossen werden, bestehen in der Regel darin, daß die Beteiligten eine begrenzte Menge an Verfügungsrechten an die Unternehmensleitung delegieren, die als Gegenleistung ein bestimmtes Einkommen in Form von Löhnen und Zinsen garantiert. Der typische Arbeitsvertrag besteht darin, daß die Arbeitnehmer sich verpflichten, Arbeitsleistungen zu erbringen, indem sie den Anweisungen der Unternehmensleitung folgen. Der Arbeitsvertrag tritt an die Stelle des Werkvertrages. Das Unternehmen garantiert ein festes Einkommen. Das Risiko von Einkommensschwankungen kann so auf diejenigen übertragen werden, denen als Residualeinkommensbeziehern die Differenz zwischen Erlösen und Kosten zufällt. Das Unternehmen kann deshalb auch als eine Institution aufgefaßt werden, die es möglich macht, das Risiko von denen tragen zu lassen, die risikofreudig und bereit sind, das Risiko zu tragen. In vielen Fällen werden in der arbeitsteiligen Produktion spezifische Produktionsfaktoren eingesetzt, deren Wert davon abhängt, daß sie langfristig mit anderen spezifischen Faktoren kooperieren. Faktoren sind spezifisch, wenn sie für andere Zwecke wenig geeignet sind. Investitionen in diese Faktoren führen zu sunk costs. So mag man zum Beispiel in eine Maschine investieren, die 40 000 DM kostet. Nachdem die Investition getätigt worden ist, sei der diskontierte Wert des Nettoerlöses, der bei alternativer Verwendung der Maschine erzielt werden könnte, nur 10 000 DM. Es sind sunk costs in Höhe von 30 000 DM entstanden. Der Eigentümer der Maschine läuft Gefahr, daß die selbständigen Partner, mit denen er in der Produktion kooperiert, sich opportunistisch verhalten und im Laufe der Zeit den Preis für die Faktorleistungen so stark senken, daß der Eigentümer der Maschine nicht auf seine vollen Kosten kommt. Die Partner mögen erkennen, daß dem Faktoreigner keine andere Wahl bleibt, als die niedrigen Preise zu akzeptieren, sofern sein Erlös noch etwas höher ist als der Erlös, der bei alternativem Einsatz der Maschine erzielt werden kann. Im Grenzfall erleidet der Faktoreigner einen Verlust in Höhe der gesamten sunk costs. Ressourceneigner, die wissen, daß der Wert ihrer Ressourcen von den Leistungen anderer in der arbeitsteiligen Produktion kooperierender Ressourcen abhängt, werden Schutz vor Ausbeutung durch opportunistisches Verhalten der Partner suchen. Zu diesem Zweck können sie gemeinsames Eigentum an jenen Ressourcen schaffen, die voneinander abhängig sind. Wenn den Eigentümern des Ressourcenbündels als Residualeinkommensbeziehern der Überschuß der Erlöse über die Kosten zufällt, ist die Gefahr der Ausbeutung durch opportunistisches Verhalten gebannt. An die Stelle divergierender Interessen der Eigentümer der verschiedenen spezifischen Faktoren tritt das gemeinsame Interesse, das Faktorbündel möglichst erfolgreich einzusetzen. Wir können deshalb das Unternehmen als eine Institution auffassen, die den Eigentümern spezifischer Ressourcen Schutz vor Ausbeutung durch opportunistisches Verhalten der in der Produktion kooperierenden Faktoreigner bietet. Wenn Kosten durch arbeitsteilige Teamproduktion gesenkt werden können, ergibt sich das Problem, wie der Beitrag des einzelnen gemessen werden kann. Wenn ein allein arbeitender Bäcker Brötchen zum Marktpreis verkauft, ist sein Einkommen ein hinreichend genaues Maß für die Wertschöpfung, die er erbracht hat. Wenn mehrere im Team zusammenarbeiten, um ein Gut herzustellen, kann man den Beitrag des einzelnen nicht bestimmen, indem man feststellt, wieviel sie insgesamt produziert haben. Tatsächlich spricht man von Teamproduktion im engeren Sinne dann, wenn der gesamte Output sich nicht als Summe der separierbaren Outputs darstellen läßt, die den Inputs

Fünftes Kapitel: Das Unternehmen und seine Umgebung

155

der Mitglieder des Teams zu verdanken sind. Wenn aber der Beitrag des einzelnen nicht gemessen werden kann, besteht für jeden ein Anreiz, weniger zu tun, weil die Nachteile dieser Handlungsweise nicht nur von ihm, sondern auch von allen anderen getragen werden. Die Kosten der Drückebergerei sind für den einzelnen kleiner als für das Team. Da jeder dazu neigt, sein Verhalten an den Kosten auszurichten, die er zu tragen hat, werden alle weniger intensiv arbeiten als sie bei korrekter Messung ihrer Arbeitsleistung arbeiten würden. Im Ergebnis stehen sich alle schlechter als bei kostenloser Messung ihrer Arbeitsleistung. Doch wenn auch die Leistung des einzelnen nicht unmittelbar gemessen werden kann, ist es doch meistens möglich, durch Beobachtung und Kontrolle des Verhaltens der Mitglieder eines Teams den Beitrag des einzelnen zu schätzen und Drückebergerei zu verhindern. Die Mitglieder des Teams können ihre Dilemmasituation überwinden, wenn sie jemanden beauftragen, das Verhalten der Mitglieder zu kontrollieren und zu überwachen. Wenn derjenige, dem es obliegt, das Verhalten zu kontrollieren, das Recht hat, die Mitgliedschaft im Team zu begründen und zu beenden und wenn er außerdem Anordnungen geben kann, wird es möglich, Drückebergerei auf ein Minimum zu reduzieren. Wer aber kontrolliert die Kontrolleure? Wie stellt man sicher, daß die, denen die Leitung des Unternehmens übertragen wird, ihre Aufgabe gut erfüllen? Eine Antwort auf diese Frage ist das klassische kapitalistische Unternehmen. Die Leitung des Unternehmens obliegt denen, die als Residualeinkommensbezieher den Überschuß des Erlöses über die Kosten erhalten. Als Residualeinkommensbezieher hat der Leiter des Unternehmens den optimalen Anreiz, seine Aufgaben so gut wie möglich zu erfüllen. Der klassische Unternehmer vereinigt also die Funktion der Unternehmensleitung mit der des Eigentümers. Der klassische Unternehmer schließt Verträge mit den Anbietern der Faktorleistungen ab, in denen Art und Dauer der Tätigkeit und die Entlohnung fixiert werden, verfügt über die Macht, die Tätigkeiten der Mitglieder des Teams zu dirigieren und zu koordinieren, kann Mitgliedschaften in der Gruppe begründen und beenden, trifft alle mit der Leitung des Unternehmens verbundenen Entscheidungen, kann seine Rechte transferieren, bezieht Residualeinkommen. Anders formuliert: Das klassische kapitalistische Unternehmen ist jene Institution, durch die die mit der Teamproduktion verbundenen Probleme befriedigend gelöst werden können.

156

Fünftes Kapitel: Das Unternehmen und seine Umgebung

Es fragt sich, welche Gruppe von Faktoreignern in der Regel Residualeinkommensbezieher und Eigentümer sein wird. Das brauchen nicht diejenigen zu sein, die Kapital zur Verfügung stellen. Es können auch die Arbeiter oder eine Gruppe von Arbeitern sein, die anderen Arbeitnehmern Löhne und den Kapitalgebern Zinsen zahlen. Der Residualeinkommensbezieher muß aber den Arbeitnehmern, denen er einen bestimmten Lohn garantiert, und den Kapitalgebern, denen er Zinsen zahlen muß, die Gewähr bieten, daß er seine Verpflichtungen auch dann erfüllen kann, wenn er keine Gewinne erzielt. Dazu ist es in der Regel notwendig, daß er selbst Kapital zur Verfügung stellt, mit dem er haftet. Deshalb werden meistens die Kapitaleigner Residualeinkommensbezieher sein. Eigentümer von spezifischen Ressourcen, deren Wert in starkem Maße von der in arbeitsteiliger Produktion erbrachten Leistung abhängt, haben ein besonderes Interesse, die Leitung des Unternehmens selbst zu übernehmen oder entscheiden zu können, wer diese Aufgabe übernehmen soll. Das sind vor allem diejenigen, die Beteiligungskapital zur Verfügung stellen. Aber auch Arbeitnehmer verfügen häufig über unternehmensspezifische Fähigkeiten; sie haben oft Häuser gebaut, die sie nur mit Verlust verkaufen können, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren und in einer anderen Gegend Beschäftigung finden. Sie werden deshalb fordern, daß sie durch ihre Vertreter die Möglichkeit haben, die Unternehmensleitung zu kontrollieren. Die modernen Großunternehmen haben meistens die Rechtsform der Kapitalgesellschaft. Dies sind Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit. Es gibt häufig viele Eigentümer, deren Haftung beschränkt ist. Der Entschluß, Risikokapital bereitzustellen, wird dadurch erleichtert. Bei der Aktiengesellschaft wird das Risiko auf viele Aktionäre verteilt. Die Aktionäre können ihr Risiko vermindern, indem sie sich an verschiedenen Unternehmen beteiligen. Für die großen Kapitalgesellschaften ist die Trennung von Eigentum und Unternehmensleitung typisch. Dies macht eine zusätzliche Spezialisierung möglich. Als Leiter der Unternehmen können diejenigen berufen werden, die dazu besonders befähigt sind. Es ist nicht notwendig, daß sie außerdem Kapital zur Verfügung stellen. Die Eigentümer können sich darauf beschränken, haftendes Kapital einzubringen. Allerdings entsteht damit das Problem, die Unternehmensleitung zu kontrollieren. Die Eigentümer müssen sicherstellen, daß die Unternehmensleitung ihre Interessen vertritt. B.

G e w i n n m a x i m i e r u n g als Unternehmensziel

Um das Verhalten der Unternehmen beschreiben und erklären zu können, müssen wir wissen, welche Ziele die Leitung des Unternehmens verfolgt. Die traditionelle Auffassung besagt, daß die Unternehmensleiter bestrebt sind, den Gewinn des Unternehmens zu maximieren. Ein Gewinn wird erzielt, wenn der Erlös größer ist als die Summe aus Opportunitätskosten und sunk costs. Die Unternehmen kaufen Faktorleistungen und Inputs bei privaten Haushalten und anderen Unternehmen. Die Ausgaben, die entstehen, sind Kosten, die man k o n t r a k t b e s t i m m t e Kosten nennt. Zu den Kosten zählt aber auch der Wert der Faktorleistungen, die von den Eigentümern des Unternehmens selbst zur Verfügung gestellt werden. Wenn zum Beispiel der Eigentümer im eigenen Betrieb arbeitet, ist der Lohn, der bei alternativer Beschäftigung höchstens erzielt werden könnte, Bestandteil derKosten. Auch die kalkulatorischen Zinsen auf das Eigenkapital sindKosten. Gewinn

Fünftes Kapitel: Das Unternehmen und seine Umgebung

157

im volkswirtschaftlichen Sinne entsteht erst, wenn der Erlös größer ist als die Summe aus kontraktbestimmten Kosten und jenen Kosten, die mit dem Einsatz der Faktoren verbunden sind, die von den Eigentümern selbst bereitgestellt werden. In der Alltagssprache und im Geschäftsleben versteht man unter Gewinn meistens den Überschuß des Erlöses über die kontraktbestimmten Kosten. Die Höhe des Gewinns hängt bei dieser Definition von der Finanzstruktur des Unternehmens ab. Je größer der Anteil des Fremdkapitals ist, um so geringer ist ceteris paribus der Gewinn. Tatsächlich stellt ein Teil des so definierten Gewinns Faktoreinkommen der Eigentümer des Unternehmens dar. Es ist volkswirtschaftlich irreführend, Faktoreinkommen wie Löhne, Zinsen und Pacht als Gewinne zu deklarieren. Wenn man annimmt, die Unternehmen seien bestrebt, ihren Gewinn zu maximieren, bezieht man sich auf den volkswirtschaftlichen Gewinnbegriff. Versteht man - wie in der Alltagssprache - unter Gewinn den Überschuß des Erlöses über die kontraktbestimmten Kosten, könnte der Gewinn stets erhöht werden, indem Fremdkapital durch Eigenkapital ersetzt wird. Es ist offensichtlich falsch zu behaupten, der so definierte Gewinn werde maximiert. Im allgemeinen unterstellen wir in der Volkswirtschaftslehre, die Wirtschaftssubjekte seien bestrebt, ihren Nutzen zu maximieren. Zu diesem Zweck versuchen die Faktoreigner, ein möglichst hohes Faktoreinkommen zu erzielen. Die Arbeiter möchten einen möglichst hohen Lohn, die Kapitalgeber einen möglichst hohen Zins erhalten. Die Residualeinkommensbezieher versuchen ihr erwartetes Ginkommen zu maximieren. 1 Dies wird erreicht, wenn die Differenz zwischen den erwarteten Erlösen und den Kosten möglichst groß ist. Anders formuliert: Die Residualeinkommensbezieher sind bestrebt, den (langfristigen) Gewinn des Unternehmens zu maximieren. 2 Gegen die Gewinnmaximierungshypothese wird geltend gemacht, daß diese zwar für das klassische kapitalistische Unternehmen eine zutreffende Annahme sei, nicht aber für die großen Kapitalgesellschaften, deren Aktienbesitz weit gestreut sei und für die die Trennung von Eigentum und Unternehmensleitung typisch sei. In diesen Unternehmen verfüge das Management über einen großen, von den Eigentümern nicht kontrollierten Handlungsspielraum. Dieser werde von den Managern genutzt, um eigene Interessen zu verfolgen. Die Manager seien bestrebt, ihren eigenen Nutzen zu maximieren. So wird zum Beispiel die Meinung vertreten, die Manager der Großunternehmen maximierten den Erlös unter der Nebenbedingung, daß ein gewisser Mindestgewinn erzielt werde, weil das Einkommen und das Ansehen der Manager stärker vom Umsatz als vom Gewinn abhänge. Das Management könne bei weit gestreutem Aktienbesitz durch die einzelnen Aktionäre nicht kontrolliert werden, weil die Informationskosten, die bei wirksamer Kontrolle von den Aktionären getragen werden müßten, für jeden einzelnen größer seien als der von ihm erwartete Nutzen.

1

Genauer muß es heißen, daß die Residualeinkommensbezieher ihren erwarteten Nutzen maximieren. Maximierung des Erwartungswerts des Einkommens führt nur bei Risikoneutralität zur Maximierung des erwarteten Nutzens.

2

Auf die Unterscheidung zwischen langfristiger und kurzfristiger Gewinnmaximierung wird nicht näher eingegangen.

158

Fünftes Kapitel: Das Unternehmen und seine Umgebung

Selbst in großen Publikumsgesellschaften ist jedoch in der Regel eine Kontrolle des Managements möglich. Aktionäre haben Mitbestimmungsrechte und können ein Management abwählen, von dem sie glauben, daß es ihren Interessen zuwiderhandelt. Sie können sich zu Aktionärsvereinigungen zusammenschließen, um effektiv kontrollieren zu können. Es gibt institutionelle Anleger wie Investmentfonds, für die es sich lohnt, die Informationskosten in Kauf zu nehmen, um das Management wirksam kontrollieren zu können. Die Aktionäre können ihr Stimmrecht Banken übertragen, die als Kreditgeber über die für eine Kontrolle notwendigen Informationen verfügen. Ein Management, das den Interessen der Aktionäre zuwiderhandelt, läuft Gefahr, durch Übernahmeangebote abgelöst zu werden. Sind nämlich die Gewinne niedriger als möglich, schlägt sich dies in entsprechend niedrigen Börsenkursen nieder. Es lohnt sich, selbst zu einem über dem Börsenkurs liegenden Preis eine Mehrheitsbeteiligung zu erwerben und das Management zu entlassen, um mit einem besseren Management höhere Gewinne zu erzielen. Bei der Analyse der Preisbildung in den folgenden Kapiteln wird deshalb die traditionelle Gewinnmaximierungshypothese beibehalten.

C.

Die Marktformen

Das Verhalten der Unternehmen hängt nicht nur von den Zielen ab, sondern auch von der Struktur der Märkte, auf denen die Unternehmen anbieten. Wie schon im zweiten Kapitel erwähnt, hat es sich als nützlich erwiesen, die Märkte nach der Zahl der Anbieter und der Nachfrager zu klassifizieren. Wenn es viele Nachfrager gibt, können wir zwischen Polypol, Oligopol und Monopol unterscheiden, je nachdem ob es viele Anbieter, wenige Anbieter oder nur einen Anbieter gibt. Wenn wir auch auf der Seite der Nachfrager zwischen vielen, wenigen und einem Nachfrager unterscheiden, ergibt sich das folgende Marktformenschema. Zahl der Anbieter

viele

wenige

einer

viele

bilaterales Polypol

Oligopol

Monopol

wenige

Nachfrageoligopol (Oligopson)

bilaterles Oligopol

beschränktes Monopol

Zahl der Nachfrager

einer

Nachfragemonopol beschränktes Nach- bilaterales Monopol (Monopson) fragemonopol

Man erhält neun Marktformen. In der ersten Zeile der Matrix sind die uns schon bekannten Marktformen Polypol (genauer: bilaterales Polypol), Oligopol und Monopol aufgeführt. In der zweiten Zeile erscheinen die Marktformen, die man erhält, wenn es wenige Nachfrager gibt und auf der Seite der Anbieter zwischen vielen, wenigen und einem unterschieden wird. Man spricht vom Nachfrageoligopol oder vom Oligopson, wenn wenigen Nachfragern viele Anbieter gegenüberstehen. Gibt es wenige Nachfrager und

Fünftes Kapitel: Das Unternehmen und seine Umgebung

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wenige Anbieter, liegt ein bilaterales Oligopol vor. Stehen einem Anbieter wenige Nachfrager gegenüber, so wird die Marktmacht des Monopolisten durch die geringe Zahl der Nachfrager oligopsonistisch beschränkt. Man spricht deshalb von einem beschränkten Monopol. Die dritte Zeile der Matrix zeigt die Marktformen, die sich ergeben, wenn es nur einen Nachfrager gibt. Gibt es viele Anbieter, so nennt man die Marktform Nachfragemonopol oder Monopson. Stehen einem Nachfrager wenige Anbieter gegenüber, erhält man das oligopolistisch beschränkte Nachfragemonopol. Gibt es nur einen Anbieter und einen Nachfrager, liegt ein bilaterales Monopol vor. Bei dem dargestellten Marktformenschema nimmt man an, daß die Marktteilnehmer auf derselben Marktseite annähernd gleich groß sind. Diese sogenannte Symmetrieannahme braucht nicht erfüllt zu sein. So mag es neben einem großen Anbieter mehrere kleine Anbieter geben. In diesem Fall spricht man von einem Teilmonopol. Gibt es neben wenigen mittelgroßen Anbietern mehrere kleine Anbieter, liegt ein Teiloligopol vor. Analog kann es ein Teilmonopson und ein Teiloligopson geben. Wenn man sowohl auf der Anbieterseite als auch auf der Seite der Nachfrager die asymmetrische Größenverteilung der Marktteilnehmer berücksichtigt, erhält man ein Marktformenschema mit 5 • 5 = 25 Marktformen. Für den Preisbildungsprozeß ist außer der quantitativen Besetzung der Marktseiten auch die qualitative Beschaffenheit des Marktes von Bedeutung. Wenn die von den Unternehmen angebotenen Produkte von den Käufern als vollkommen austauschbar angesehen werden, sagt man, die Güter seien homogen oder die Homogenitätsbedingung sei erfüllt. Wenn sich die auf einem Markt angebotenen Güter im Urteil der Käufer unterscheiden, die Produkte also nicht als vollkommen austauschbar angesehen werden, ist die Homogenitätsbedingung nicht erfüllt. Die Homogenitätsbedingung wird verletzt, wenn die Güter sachlich nicht gleichartig sind. Die verschiedenen Mineralwasser, Mittelklasseautos oder Herrenhemden sind zwar häufig gute Substitutionsgüter, aber sachlich nicht gleich. Die Güter mögen sich auch lediglich durch die Verpackung, die Aufmachung oder die Marke unterscheiden. In all diesen Fällen wird es sachliche Präferenzen der Käufer für bestimmte Produkte geben. Vor allem im Handel und im Dienstleistungsgewerbe sind häufig die Art der Bedienung und die räumliche Lage der Geschäfte bedeutsam. Man kauft den Rinderbraten beim Metzger A, weil die Bedienung freundlich oder der Inhaber im gleichen Sportverein ist. Es kann also persönliche Präferenzen geben, die den Kaufentscheid beeinflussen. Man kauft das Brot beim Bäcker B, weil sein Geschäft an der nächsten Straßenecke liegt und der Weg zum Bäcker C weiter ist. Es gibt in diesem Fall räumliche Präferenzen. Man fliegt mit einer bestimmten Luftfahrtgesellschaft in den Urlaub, weil die Abflugzeiten günstiger sind als bei konkurrierenden Unternehmen. Zeitliche Präferenzen können daher ebenfalls die Entscheidung der Nachfrager bestimmen. Wenn es keine sachlichen, persönlichen, räumlichen oder zeitlichen Präferenzen gibt, ist die Homogenitätsbedingung erfüllt. Man nennt Märkte heterogen, wenn die Homogenitätsbedingung nicht erfüllt ist.

160

Fünftes Kapitel: Das Unternehmen und seine Umgebung

Wenn auf einem Markt Anbieter und Nachfrager über die Preise, die Qualität der Güter und die sonstigen Geschäftsbedingungen vollständig informiert sind, herrscht vollständige Markttransparenz. Wenn die Homogenitätsbedingung erfüllt ist und vollständige Markttransparenz herrscht, sagt man, der Markt sei vollkommen. Ist die Homogenitätsbedingung erfüllt, ohne daß vollständige Markttransparenz gegeben ist, sagt man, der Markt sei temporär unvollkommen. Auf einem vollkommenen Markt kann es im Gleichgewicht nur einen einheitlichen Preis geben. Es gilt das von Jevons formulierte Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise. Wie schon im zweiten Kapitel erläutert wurde, lassen sich die Märkte auch nach dem Organisationsgrad unterscheiden. Nur auf ideal organisierten Märkten wird stets zum Gleichgewichtspreis verkauft. Wettbewerbspolitisch von großer Bedeutung ist es, ob die Anbieter auf einem Markt durch Markteintrittsbarrieren vor potentiellen Konkurrenten geschützt sind. Anbieter verfügen nur dann dauerhaft über Marktmacht, wenn potentielle Konkurrenten durch Markteintrittsbarrieren an einem Markteintritt gehindert werden können. Über die verschiedenen Arten von Markteintrittsbarrieren und ihre Bedeutung für die Preisbildung wird der Leser in dem Abschnitt über die Monopolpreisbildung im siebenten Kapitel informiert. In den beiden folgenden Kapiteln werden nur einige besonders wichtige Marktformen analysiert. Die asymmetrischen Marktformen werden nicht behandelt. Es wird unterstellt, daß es stets viele Nachfrager gibt. Es werden also nur das Polypol, das Oligopol und das Monopol analysiert. Es wird jedoch sowohl die Preisbildung auf dem vollkommenen Markt als auch die auf dem unvollkommenen Markt erörtert. Die in den beiden folgenden Kapiteln sechs und sieben behandelten Marktformen ergeben sich aus der folgenden Übersicht. Art des Marktes Zahl der Anbieter viele

vollkommener Markt

unvollkommener Markt

homogenes Polypol heterogenes Polypol (vollständige Kon(monopolistische kurrenz) Konkurrenz)

wenige

homogenes Oligopol

einer

Monopol

heterogenes Oligopol —

Von diesen fünf Marktformen werden das homogene Polypol und das Monopol ausführlicher behandelt. Über die Preisbildung beim Oligopol und beim heterogenen Polypol wird nur ein erster Einblick gegeben.

Fünftes Kapitel: Das Unternehmen und seine Umgebung

161

Literatur zum fünften Kapitel Ronald H. Coase, The Nature of the Firm, Economica, Band 16 (1937), S. 386-405 Armen A. Alchian, Harold Demsetz, Production, Information Costs and Economic Organization, American Economic Review, Band 62 (1972), S. 777-795 Armen A. Alchian, Susan Woodward, Reflections on the Theory of the Firm, Journal of Institutional and Theoretical Economics (Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft), Band 143 (1987), S. 110-136 Jochen Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 5. Auflage, Heidelberg 1987, S. 391-403 und S. 368-375 Alfred E. Ott, Grundzüge der Preistheorie, 3. Auflage, Göttingen 1979, S. 32-65

Sechstes Kapitel Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz Auf einem Markt herrscht vollständige Konkurrenz, wenn er durch die folgenden Merkmale beschrieben werden kann: 1. Es gibt viele Anbieter und viele Nachfrager. Der Marktanteil des einzelnen Marktteilnehmers ist so klein, daß der einzelne durch Variation der Ausbringungsmenge oder der nachgefragten Menge das Marktgeschehen nicht fühlbar beeinflussen kann. 2. Es gibt keine sachlichen, persönlichen, räumlichen oder zeitlichen Präferenzen. Die Homogenitätsbedingung ist erfüllt. 3. Es herrscht vollständige Markttransparenz. 4. Der Markteintritt ist langfristig frei. Da die Homogenitätsbedingung erfüllt ist und vollständige Markttransparenz herrscht, gilt das Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise. Es gibt im Gleichgewicht nur einen einheitlichen Marktpreis. Der einzelne Marktteilnehmer kann den Marktpreis nicht fühlbar beeinflussen. Der Preis ist für den einzelnen Anbieter und Nachfrager ein Datum. Die Menge ist Aktionsparameter. Anbieter und Nachfrager verhalten sich als Mengenanpasser. Wir wollen unterstellen, daß auch auf den Märkten für die Produktionsfaktoren, die zur Produktion des betrachteten Gutes benötigt werden, vollständige Konkurrenz herrscht. Da das einzelne Unternehmen nur eines von vielen Unternehmen ist, kann es durch seine Faktornachfrage die Faktorpreise nicht fühlbar beeinflussen. Vereinfachend gesagt: Auch die Faktorpreise sind für das einzelne Unternehmen ein Datum. Im ersten Abschnitt soll der optimale Produktionsplan für ein Unternehmen in vollständiger Konkurrenz bestimmt werden. Der Abschnitt zerfällt in zwei Teile. Im ersten Teil wird die optimale Ausbringungsmenge bestimmt. Im zweiten Teil wird die Bedingung für den optimalen Faktoreinsatz abgeleitet. A.

Der optimale Produktionsplan

1.

Die Bestimmung der optimalen Ausbringungsmenge

Wenn der Marktpreis für das einzelne Unternehmen ein Datum ist, läßt sich die Gesamterlösfunktion als R=p•x

164

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

schreiben. Der Durchschnittserlös R/x ist gleich dem Preis. Er ist nicht von der Ausbringungsmenge abhängig, also konstant. Daraus folgt, daß der Grenzerlös gleich dem Durchschnittserlps ist. Der zusätzliche Erlös, der erzielt wird, wenn die Ausbringungsmenge um eine Einheit erhöht wird, ist gleich dem Preis. a.

Graphische Bestimmung der optimalen Ausbringungsmenge

Der graphische Ausdruck der Gesamterlösfunktion ist eine Ursprungsgerade, deren Steigung gleich dem Marktpreis ist. In Abbildung 6.1 ist zusätzlich zur Gesamterlösfunktion eine Gesamtkostenfunktion dargestellt.

Das Unternehmen maximiert seinen Gewinn, wenn der Überschuß des Erlöses über die Kosten ein Maximum ist. Von Gewinn sprechen wir, wenn der Erlös größer ist als die Summe aus Opportunitätskosten und sunk costs. Damit ein Gewinn erzielt wird, muß der Erlös also so groß sein, daß nicht nur die gesamten Opportunitätskosten gedeckt werden, sondern auch die sunk costs hereingeholt werden und danach noch ein Überschuß verbleibt. Der Gewinn wird in Abbildung 6.1 maximiert, wenn die Menge x, produziert wird. Bei dieser Menge ist der vertikale Abstand zwischen der Erlösfunktion und der Kostenfunktion am größten. Graphisch findet man die gewinnmaximale Menge, indem man eine Parallele zur Gesamterlösfunktion an die Kostenfunktion legt. Bei der gewinnmaximalen Menge ist also die Steigung der Gesamtkostenfunktion gleich der Steigung der Gesamterlösfunktion. Dies bedeutet, daß die gewinnmaximale Menge ausgebracht wird, wenn der Grenzerlös gleich den Grenzkosten ist. Da der Grenzerlös gleich dem Preis ist, ergibt sich als Bedingung für die gewinnmaximale Ausbringungsmenge: Grenzkosten dK dx

=

Preis P

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

165

Häufig ist es hilfreicher, die gewinnmaximale Menge graphisch mit Hilfe der Grenzerlösfunktion und der Grenzkostenfunktion zu bestimmen. In Abbildung 6.2 ist die Grenzerlöskurve eine Parallele zur Mengenachse in Höhe des Marktpreises. Sie fällt mit der Durchschnittserlöskurve zusammen.

K'(x) ist der Graph der Grenzkostenfunktion und TDK ist der Graph der totalen Durchschnittskosten. Die gewinnmaximale Menge ist die Menge x,. Bei dieser Ausbringungsmenge sind die Grenzkosten gleich dem Preis. Wird statt der Menge x, eine kleinere oder größere Menge produziert, sinkt der Gewinn. Wenn zum Beispiel statt der Menge x, die Menge x 2 produziert wird, so sind die zusätzlichen Kosten gleich der Fläche unter der Grenzkostenfunktion zwischen x, und x 2 . Der zusätzliche Erlös ist gleich der Fläche unter der Grenzerlöskurve zwischen x, und x2. Die zusätzlichen Kosten wären also um die in Abbildung 6.2 schraffierte Fläche größer als der zusätzliche Erlös. Der Gewinn sinkt um die schraffierte Fläche, wenn statt x, die Menge x2 produziert wird. Auch wenn statt der Menge x, eine kleinere Menge produziert wird, sinkt der Gewinn, weil die Erlösminderung größer ist als die Kostensenkung. Die Bedingung Grenzkosten gleich Preis wird allerdings auch erfüllt, wenn die Menge x' produziert wird. Bei dieser Menge wird aber nicht der Gewinn, sondern der Verlust maximiert. Wenn nämlich eine größere Menge als x' produziert wird, ist der zusätzliche Erlös größer als die zusätzlichen Kosten. Wird eine kleinere Menge als x' produziert, ist die Erlösminderung kleiner als die Kostensenkung. Die Menge x' ist also ein (relatives) Gewinnminimum! In Abbildung 6.2 erzielt das Unternehmen nur dann einen Gewinn, wenn die produzierte Menge größer als x" ist. Bei der Menge x " sind die totalen Durchschnittskosten gleich dem Preis, die gesamten Kosten sind also gleich dem Erlös. Wird eine kleinere Menge als x" produziert, sind die Kosten größer als der Erlös. Es entsteht ein Verlust. Man nennt die Menge x", die mindestens produziert werden muß, damit kein Verlust entsteht, auch die Gewinnschwelle. Die Differenz zwischen dem Preis und den totalen Durchschnittskosten ist der Stückgewinn. Der Stückgewinn ist bei der gewinnmaximalen Menge x, gleich AB. Der Gesamtgewinn ist gleich dem Produkt aus Stückgewinn und Ausbringungsmenge; er ist also g l e i c h \ l • AB, wenn der Gesamtgewinn maximiert wird. Der Stückgewinn wird

166

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

maximiert, wenn die Menge x 0 produziert wird, bei der die Stückkosten ein Minimum haben. Maximierung des Stückgewinns bedeutet aber nicht, daß der Gesamtgewinn maximiert wird. Würde die Menge x 0 produziert, so könnte der Gesamtgewinn erhöht werden, wenn die Produktion auf x, erhöht würde. Die zusätzlichen Kosten wären nämlich um CDA kleiner als der zusätzliche Erlös. Der Preis, der am Markt erzielt wird, kann auch kleiner sein als die totalen Durchschnittskosten. Das Unternehmen ist dann nicht in der Lage, einen Gewinn zu erzielen. Diese Situation wird in Abbildung 6.3 dargestellt. Abb. 6.3

P TDK

0

x

Die Bedingung Grenzkosten gleich Preis wird erfüllt, wenn die Menge x, produziert wird. Bei dieser Menge sind die totalen Durchschnittskosten um AB größer als der Preis. Es werden nicht die gesamten Kosten gedeckt. Es entsteht ein Verlust in Höhe der schraffierten Fläche PABD. Wenn die Produktion aufrechterhalten wird, gibt es jedoch keine Menge, bei der der Verlust niedriger ist als bei der Menge x,. Würde zum Beispiel eine kleinere Menge als x, produziert, so wäre die Erlösminderung größer als die Kostenminderung; der Verlust wäre also noch größer. Würde eine größere Menge als x, produziert, so wären die zusätzlichen Kosten größer als der zusätzliche Erlös. Die Menge x, ist also jene Menge, bei der der Verlust minimiert wird, sofern die Produktion aufrechterhalten wird. Es fragt sich jedoch, ob es nicht besser wäre, die Produktion ganz einzustellen. Um dies zu entscheiden, muß man die Verluste, die entstehen, wenn die Produktion fortgeführt wird, mit den Verlusten vergleichen, die entstehen, wenn die Produktion eingestellt wird. Wenn man die kurze Periode als eine Periode definiert, in der die fixen Kosten nicht vermeidbar sind, fallen die fixen Kosten kurzfristig auch an, wenn nicht produziert wird. Wird der Betrieb stillgelegt, entsteht also ein Verlust in Höhe der gesamten fixen Kosten. In Abbildung 6.3 entsteht ein Verlust in Höhe von x, • BC, der größer ist als der Verlust in Höhe von PABD, der sich ergibt, wenn die Menge x, produziert wird. Es lohnt sich also, die Produktion aufrechtzuerhalten, wenn der Preis - wie in Abbildung 6.3 - größer ist als die variablen Durchschnittskosten, weil aus dem Erlös noch ein Teil der fixen Kosten gedeckt werden kann. Dies ist immer möglich, wenn der Marktpreis noch größer ist als die variablen Durchschnittskosten in ihrem Minimum. Deshalb nennt man den Punkt M, in dem die variablen Durchschnittskosten ihr Minimum haben, auch das Betriebsminimum.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

167

Langfristig wird die Produktion in einem gegebenen Betrieb nur aufrechterhalten, wenn der Preis mindestens die totalen Durchschnittskosten deckt. Ein Unternehmen wird einen bestimmten Betrieb nur errichten, wenn der erwartete Preis mindestens gleich dem Minimum der totalen Durchschnittskosten ist. Die Anlagen werden nur dann nach ihrem Verschleiß erneuert, wenn die totalen Durchschnittskosten gedeckt werden können. Häufig beschränkt man sich bei der Analyse auf diese beiden Entscheidungssituationen. Man sagt: Kurzfristig wird die Produktion aufrechterhalten, wenn der Preis mindestens gleich dem Minimum der variablen Durchschnittskosten ist; langfristig ist ein Preis in Höhe des Minimums der totalen Durchschnittskosten die Preisuntergrenze. Dabei wird nicht berücksichtigt, daß es nicht nur die Alternativen gibt, entweder den Betrieb vorübergehend stillzulegen und die Betriebsbereitschaft aufrechtzuerhalten, ohne daß fixe Kosten vermieden werden können oder die Produktion fortzuführen, bis die Maschinen abgenutzt sind. Der Autofahrer hat nicht nur die Möglichkeit, das Auto nicht zu nutzen oder es so lange zu fahren, bis es schrottreif ist. Er kann das Auto verkaufen und so einen Teil der fixen Kosten vermeiden. Auch der Unternehmer hat in der Regel die Möglichkeit, die fixen Faktoren, die Ursache der fixen Kosten sind, zu verkaufen und so einen Teil der fixen Kosten zu vermeiden. Die Produktion aufrechtzuerhalten ist nur lohnend, wenn der Preis mindestens gleich dem Minimum der Summe aus den variablen Durchschnittskosten und den durchschnittlichen vermeidbaren fixen Kosten ist. Anders gesagt: Die Produktion wird nur fortgeführt, wenn der Preis mindestens gleich den durchschnittlichen Opportunitätskosten ist. In Abbildung 6.4 wird eine Situation dargestellt, in der es sich nicht lohnt, die Produktion fortzuführen, obwohl der Preis größer ist als die variablen Durchschnittskoslen. Abb. 6.4

p|

TDK VDK K'

TDK DOK VDK

P

0

x

Bei der Menge x, ist der Preis um AC größer als die variablen Durchschnittskosten. Die durchschnittlichen fixen Kosten sind CB. Die vermeidbaren fixen Kosten sind DC. Die Differenz BD stellt nicht vermeidbare fixe Kosten, also sunk costs, dar, die keine Kosten im Sinne desOpportunitätskostenprinzips sind. Wird die Produktion fortgeführt, werden die durchschnittlichen Opportunitätskosten nicht gedeckt. Der Beitrag zur Deckung der fixen Kosten bei Fortführung der Produktion ist kleiner als der Betrag, um den die fixen Kosten durch Verkauf oder Verpachtung der fixen Faktoren pro Periode vermindert werden können. Es lohnt sich nicht, die Produktion fortzuführen.

168

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Wie hoch die durchschnittlichen Opportunitätskosten sind, hängt von den Alternativen ab, die das Unternehmen hat. Die Alternativen, die verfügbar sind, hängen von dem Zeitraum ab, der der Betrachtung zugrunde liegt. Langfristig nennen wir die Periode, in der alle für wünschenswert erachteten Veränderungen vorgenommen werden können. Langfristig wird die Produktion in einem gegebenen Betrieb nur aufrechterhalten, wenn die totalen Durchschnittskosten gedeckt werden. Die kurze Periode ist dann negativ definiert. Man kann beliebig viele kurze Perioden unterscheiden. Dies ist deshalb so, weil die Zeit ein Kontinuum ist. Der traditionellen Aussage, daß es sich stets lohnt, die Produktion fortzuführen, wenn der Preis größer ist als die variablen Durchschnittskosten, liegt eine dichotomische Aufteilung der Zeit in eine lange Periode und eine bestimmte kurze Periode zugrunde, bei der wichtige Aspekte realer Entscheidungssituationen nicht gewürdigt werden können. Die Aussage, es lohne sich, die Produktion aufrechtzuerhalten, wenn der Preis mindestens gleich den variablen Durchschnittskosten ist, ist so gesehen ein Spezialfall der allgemeinen Aussage, daß es sich nur dann lohnt, die Produktion in einem gegebenen Betrieb aufrechtzuerhalten, wenn der Preis mindestens gleich den durchschnittlichen Opportunitätskosten ist. Die traditionelle Aussage ist zutreffend, wenn man ergänzend eine der folgenden speziellen Annahmen macht: 1. Die kurze Periode wird als eine Periode definiert, in der fixe Kosten nicht vermieden werden können. Fixe Kosten fallen in gleicher Höhe auch dann an, wenn nicht produziert wird. Es wird unterstellt, daß die Periode so kurz ist, daß die Betriebsbereitschaft aufrechterhalten werden muß. Die fixen Faktoren können nicht verkauft oder verpachtet werden. Anders gesagt: Die kurze Periode wird so definiert, daß die gesamten fixen Kosten sunk costs sind. Die durchschnittlichen Opportunitätskosten sind dann gleich den variablen Durchschnittskosten. 2. Die fixen Faktoren, die Ursache der fixen Kosten sind, sind spezifisch für das betrachtete Unternehmen. Sie können außerhalb des Unternehmens nicht verwendet werden. Der Erlös, der beim Verkauf erzielt werden kann, ist Null. Die gesamten fixen Kosten sind sunk costs und deshalb nicht entscheidungsrelevant. Dies bedeutet, daß die durchschnittlichen Opportunitätskosten gleich den variablen Durchschnittskosten sind. 3. Die fixen Faktoren sind nicht spezifisch für das einzelne Unternehmen, wohl aber spezifisch für die Branche. Die fixen Faktoren können also nur in anderen Unternehmen der gleichen Branche verwendet werden. Wenn alle Unternehmen der Branche gleich sind, haben die fixen Faktoren für alle Unternehmen den gleichen Wert. In Abbildung 6.4 bedeutet dies, daß die anderen Unternehmen der gleichen Branche für die fixen Faktoren maximal einen Betrag in Höhe von x, • AC pro Periode zu zahlen bereit sind. Die durchschnittlichen Opportunitätskosten sind also für jedes einzelne Unternehmen bei der optimalen Ausbringungsmenge gleich dem Marktpreis p. Die Unternehmen sind alle gerade in der Lage, ihre durchschnittlichen Opportunitätskosten zu decken. Kein Unternehmen steht sich besser, wenn es die Produktion einstellt. Wenn der Preis sinkt, sinken die vermeidbaren fixen Kosten, weil der Betrag, der pro Periode für die fixen Faktoren erzielt werden könnte, entsprechend sinkt. Die Opportunitätskosten sind eine Funktion des Preises. Ihre Höhe hängt vom Marktpreis ab. Sinkt der Marktpreis auf das Minimum der variablen Durchschnittskosten, ist der Erlös, der bei einem Verkauf von fixen Faktoren erzielt werden könnte, gleich Null. Die durchschnittlichen Opportunitätskosten sind dann

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

169

gleich den variablen Durchschnittskosten. Die Produktion wird also erst eingestellt, wenn der Preis kleiner ist als die variablen Durchschnittskosten in deren Minimum. Das Minimum der variablen Durchschnittskosten ist die Preisuntergrenze. 4. Die Unternehmen rechnen damit, daß der Preis nur vorübergehend so niedrig ist, daß die durchschnittlichen Opportunitätskosten nicht gedeckt werden. Sie erwarten, daß der Prei s wieder steigt, so daß der diskontierte Wert der für die Zukunft erwarteten Überschüsse der Erlöse über die variablen Kosten größer ist als der Erlös, der beim Verkauf der fixen Faktoren erzielt werden könnte.

In diesen speziellen Fällen ist die traditionelle Aussage zutreffend, daß es "kurzfristig" lohnt, die Produktion fortzuführen, wenn der Preis größer ist als die variablen Durchschnittskosten. Wenn man eine dieser speziellen Annahmen macht, kann man es bei der traditionellen Aussage belassen. b.

Analytische Bestimmung der gewinnmaximalen Ausbringungsmenge

Der Gewinn ist die Differenz aus Erlös und Kosten. G = R(x) - K(x) G = p • x - K(x) Algebraisch findet man die gewinnmaximale Menge, indem man die Gewinnfunktion nach der Menge ableitet und diese Ableitung gleich Null setzt. ^ = p-K'(x) = 0 dx (1)

P = K'(x)

Soll ein Maximum erzielt werden, so muß die zweite Ableitung kleiner als Null sein. d2G — r2 = dx (2)

d2K „ ^ 0 dx

Dies besagt, daß die Grenzkostenkurve eine positive Steigung haben muß. Wir haben schon gesehen, daß die Bedingung Grenzkosten gleich Preis in Abbildung 6.2 sowohl bei der Menge x' als auch bei der Menge x, erfüllt ist. Aber nur die Menge x, stellt ein Gewinnmaximum dar. Nur bei der Menge x, hat die Grenzkostenkurve eine positive Steigung. Auch wenn die Bedingungen (1) und (2) erfüllt sind, bedeutet dies noch nicht, daß es sich für das Unternehmen lohnt, zu produzieren. Der Preis muß mindestens gleich den durchschnittlichen Opportunitätskosten sein. Als zusätzliche Bedingung ergibt sich:

170

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

(3)

p > Min DOK

Wenn wir annehmen, daß die gesamten fixen Kosten auch durch Aufgabe der Produktion nicht vermieden werden können, muß der Preis mindestens gleich den variablen Durchschnittskosten in deren Minimum sein. (3a) 2.

p > Min DVK Die Bestimmung der gewinnmaximalen Faktoreinsatzmenge

Die Menge der Güter, die pro Periode produziert werden können, hängt von den Mengen der Produktionsfaktoren ab, die eingesetzt werden. Der funktionale Zusammenhang zwischen den Faktormengen und dem maximal erzeugbaren Output kann durch die Funktion x = f(v,.v2,

,v n )

beschrieben werden, die man Produktionsfunktion nennt. Dabei ist x die Menge des Outputs, v,, v 2 , v n , sind die Mengen der Inputs 1, 2 bis n. Wir wollen im folgenden annehmen, daß kurzfristig nur die Einsatzmenge eines Faktors variiert werden kann. Die Einsatzmenge aller anderen Faktoren sei kurzfristig auf einem bestimmten Niveau fixiert. Der funktionale Zusammenhang zwischen dem Output und der Einsatzmenge eines variablen Faktors bei Konstanz der Einsatzmengen der anderen Faktoren wird durch die Ertragsfunktion * = f(Vl.V2,

Vn)

beschrieben, die einen Ausschnitt aus der Produktionsfunktion darstellt. Die zusätzliche Produktion, die sich ergibt, wenn die Einsatzmenge eines Faktors um eine Einheit erhöht wird, nennen wir das Grenzprodukt dieses Faktors. Algebraisch ist das Grenzprodukt definiert als die erste partielle Ableitung der Ertragsfunktion nach der Menge eines Faktors. Der zusätzliche Erlös, den man erhält, wenn man die Einsatzmenge eines Faktors um eine Einheit erhöht, ist das Produkt aus dem physischen Grenzprodukt und dem Preis, den man am Markt für eine Einheit des Gutes X erzielt. Wenn man zum Beispiel vier Einheiten eines Gutes X zusätzlich herstellen kann, indem man den Faktoreinsatz um eine Einheit erhöht, und das Gut X zum Preis von fünf DM verkauft werden kann, so ist der zusätzliche Erlös, der dem zusätzlichen Faktoreinsatz zu verdanken ist, gleich zwanzig DM. Man nennt diesen zusätzlichen Erlös den Wert des Grenzprodukts oder das Grenzwertprodukt, wenn der Güterpreis p für den Anbieter ein Datum ist.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

171

Güterpreis • Physisches Grenzprodukt

Grenzwertprodukt eines Faktors V

öx

GWP

Nach diesen terminologischen Vorbemerkungen können wir die Bedingung für einen optimalen Faktoreinsatz ableiten. a.

Verbale Begründung der Bedingung für die optimale Faktoreinsatzmenge

Wird die Einsatzmenge eines Faktors erhöht, so stehen dem zusätzlichen Erlös zusätzliche Ausgaben für den Kauf des Faktors gegenüber. Für das Unternehmen lohnt es sich, die Faktoreinsatzmenge zu erhöhen, wenn der zusätzliche Erlös, der dem erhöhten Faktoreinsatz zu verdanken ist, größer ist als die zusätzlichen Ausgaben oder Faktorkosten. Für einen Anbieter in vollständiger Konkurrenz, für den der Güterpreis ein Datum ist, ist der zusätzliche Erlös, der dem Einsatz der letzten Faktoreinheit zu verdanken ist, gleich dem Grenzwertprodukt. Da für den einzelnen Anbieter der Faktorpreis eine durch den Markt bestimmte Größe ist, sind die zusätzlichen Ausgaben, die infolge des Einsatzes einer zusätzlichen Faktoreinheit entstehen, gleich dem Faktorpreis. Es lohnt sich also, den Faktoreinsatz zu erhöhen, wenn das Grenzwertprodukt größer als der Faktorpreis ist. Der Gewinn kann erst dann nicht mehr durch Veränderung der Faktoreinsatzmenge erhöht werden, wenn das Grenzwertprodukt gleich dem Faktorpreis ist. Die Bedingung für gewinnmaximalen Faktoreinsatz lautet also für einen Anbieter in vollständiger Konkurrenz:

8x

Grenzwertprodukt

q Faktorpreis

Durch diese Gleichung wird eine Beziehung zwischen dem Faktorpreis und der Einsatzmenge des betrachteten Faktors hergestellt. Die Größe des Grenzprodukts ist eine Funktion der Faktoreinsatzmenge. Die Gleichung besagt, daß eine solche Menge des Faktors eingesetzt wird, daß der Wert des Grenzprodukts gleich dem Faktorpreis wird. b.

Graphische Ableitung der Bedingung für optimalen Faktoreinsatz

Graphisch kann der funktionale Zusammenhang zwischen der Einsatzmenge eines variablen Faktors und dem Output durch eine Gesamtertragskurve dargestellt werden. In Abbildung 6.5 wird ein ertragsgesetzlicher Verlauf unterstellt. Der Output nimmt bis zum Wendepunkt mit zunehmender Rate und danach mit abnehmender Rate zu. Multipliziert man den Output mit dem Preis von X, erhält man eine Gesamtwertproduktkurve. Die Gestalt der Kurve ändert sich nicht. Auf der Ordinate wird statt der

172

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Menge x(v) das Produkt aus Menge und Preis (p • x(v)) abgetragen. Der vertikale Abstand der Kurve von der Abszisse gibt jetzt an, wie groß der Erlös ist, der bei alternativen Einsatzmengen des Faktors V erzielt wird. In Abbildung 6.6 ist zusätzlich zur Gesamtwertproduktkurve die Faktorausgabenkurve q • v eingezeichnet. Der Tangens des Winkels, den diese Ursprungsgerade mit der positiven Richtung der Abszisse bildet, ist gleich dem Faktorpreis q. Der vertikale Abstand von der Abszisse gibt an, wie groß die Ausgaben für den Faktor V bei alternativen Einsatzmengen sind.

Der Gewinn wird maximiert, wenn die Differenz zwischen dem Gesamterlös und den variablen Kosten q • v am größten ist. Das ist bei jener Einsatzmenge der Fall, bei der der vertikale Abstand zwischen der Gesamtwertproduktkurve und der Faktorausgabenkurve ein Maximum ist. Das Maximum liegt dort, wo die Steigung der beiden Kurven gleich ist. Die Menge v, ist also die gewinnmaximale Einsatzmenge des Faktors V. Da die Steigung der Gesamtwertproduktkurve algebraisch gleich der ersten Ableitung von p • x(v) nach der Menge des Faktors V, also gleich p • 5x/5v ist, und die Steigung der Faktorausgabenkurve gleich q ist, ergibt sich als Bedingung für den gewinnmaximalen Faktoreinsatz

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

8x

173

q

Grenzwertprodukt

=

Faktorpreis

Abbildung 6.6 zeigt, daß auch bei der Menge v' die Steigung der beiden Kurven gleich ist. Bei der Menge v' ist jedoch der Überschuß der Kosten über den Erlös ein Maximum. Bei dieser Faktormenge wird also nicht der Gewinn, sondern der Verlust maximiert. c.

Analytische Ableitung der Bedingung für gewinnmaximalen Faktoreinsatz

Der Gewinn ist die Differenz zwischen Erlösen und Kosten. Die gesamten Kosten sind die Summe aus den variablen Kosten und den fixen Kosten. Da wir unterstellen, daß nur die Einsatzmenge eines Faktors variiert werden kann, sind die variablen Kosten gleich den Ausgaben für den variablen Faktor, also gleich q • v. Als Gewinnfunktion erhalten wir: G= px-qv-K

f

Um die gewinnmaximale Einsatzmenge des Faktors eins zu finden, bilden wir die erste Ableitung nach der Faktormenge und setzen diese gleich Null. 5G

öx

Als notwendige Bedingung für gewinnmaximalen Faktoreinsatz erhalten wir also wieder die Bedingung Grenzwertprodukt gleich Faktorpreis. Als Bedingung zweiter Ordnung erhält man:

Die Ungleichung (2) besagt, daß das Grenzwertprodukt bei gewinnmaximalem Faktoreinsatz sinken muß. Das Grenzwertprodukt sinkt nur dann, wenn das physische Grenzprodukt sinkt. Gewinnmaximaler Faktoreinsatz impliziert also, daß wir im Bereich sinkender Ertragszuwächse produzieren. Anders formuliert: Die Ertragsfunktion muß bei der optimalen Faktoreinsatzmenge konkav zur v,-Achse verlaufen. Diese Bedingung ist in Abbildung 6.6 bei der Menge v' nicht erfüllt.

174

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Damit ist aber nur gezeigt worden, welche Faktormenge eingesetzt wird, wenn die Produktion lohnt. Es lohnt sich aber nur dann zu produzieren, wenn der Erlös mindestens die gesamten variablen Kosten deckt. 1 Es muß also zusätzlich die Bedingung (3)

p•x>q •v

erfüllt sein. Diese Bedingung läßt sich auch als

v

Px

schreiben. Da bei gewinnmaximalem Faktoreinsatz der Faktorpreis q gleich dem Grenzwertprodukt ist, erhält man durch Einsetzen x

8x

v~5v Bei gewinnmaximalem Faktoreinsatz ist also das Durchschnittsprodukt stets gleich oder größer als das Grenzprodukt. Wenn das Grenzprodukt gleich dem Durchschnittsprodukt ist, erreicht das Durchschnittsprodukt ein Maximum. Wenn das Grenzprodukt kleiner als das Durchschnittsprodukt ist, sinkt das Durchschnittsprodukt. Es wird also in j e n e m Bereich produziert, in dem das Durchschnittsprodukt ein Maximum hat oder sinkt. Abb. 6.7

In Abbildung 6.7 erreicht das Durchschnittsprodukt - gemessen durch den Tangens des Winkels a - ein Maximum bei der Einsatzmenge v,. Der seinen Gewinn maximierende Produzent wird also die Menge v, oder eine größere Menge des Faktors einsetzen.

1

Wenn ein Teil der fixen Kosten durch Einstellung der Produktion vermieden werden kann, lohnt sich die Produktion nur, wenn der Erlös mindestens gleich der Summe aus variablen Kosten und vermeidbaren fixen Kosten ist. Siehe hierzu die ausführliche Darstellung in Abschnitt A.l.a.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

d.

175

Die Beziehung zwischen Inputregel und Outputregel

Ein Unternehmen maximiert seinen Gewinn, wenn die Grenzkosten gleich dem Preis sind. Diese Bedingung wird auch als "Outputregel" bezeichnet. Der Faktoreinsatz ist gewinnmaximal, wenn die Bedingung Grenzwertprodukt gleich Faktorpreis erfüllt ist. Man nennt dies auch die "Inputregel". Die von uns abgeleiteten Bedingungen sind nicht unabhängig voneinander. Wird jene Ausbringungsmenge mit minimalen Kosten produziert, bei der der Gewinn maximiert wird, so ist durch Bestimmung des Outputs auch determiniert, welche Faktormengen eingesetzt werden müssen. Umgekehrt wird durch die Bestimmung der gewinnmaximalen Faktoreinsatzmengen zugleich auch die Höhe des maximal erzielbaren Outputs festgelegt. Wir können die Inputregel p • GPV = q

(GPV = Grenzprodukt

von

V)

auch schreiben als

F

GPV

Der Ausdruck auf der rechten Seite stellt die Grenzkosten dar. Das Grenzprodukt des Faktors V (GPV) gibt an, um welche Menge die Produktion von X steigt, wenn zusätzlich eine Faktoreinheit eingesetzt wird. Der Kehrwert 1 /GPV gibt an, wie groß die zusätzliche Faktormenge ist, die eingesetzt werden muß, um die Produktion von X um eine Einheit zu erhöhen. Wenn also zum Beispiel das Grenzprodukt eines Faktors gleich zwei ist, so ist die Faktormenge, die zusätzlich eingesetzt werden muß, um eine Einheit von X mehr zu produzieren, gleich 0,5 Faktoreinheiten. Die zusätzlichen Kosten, die entstehen, wenn eine Einheit von X zusätzlich produziert wird, erhält man, indem die Zahl der Faktoreinheiten, die zusätzlich benötigt werden, mit dem Faktorpreis multipliziert wird. Die zusätzlichen Kosten sind also gleich q/GPV. Es gilt:

p =

g?V

=

k (x)

'

Die Outputregel Preis gleich Grenzkosten ist also in der Inputregel enthalten. B.

Das Angebot

1.

Die kurzfristige Angebotsfunktion

Die Menge, die insgesamt von einem Gut bei alternativen Preisen angeboten wird, ergibt sich aus der Addition der Mengen, die von den einzelnen Unternehmen angeboten werden. Um die Gesamtangebotsfunktion abzuleiten, muß deshalb zunächst analysiert werden, welche Mengen das einzelne Unternehmen anbietet.

176

a.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Die kurzfristige Angebotsfunktion des individuellen Anbieters

Die individuelle Angebotsfunktion gibt an, welche Menge das einzelne Unternehmen bei alternativen Preisen anbietet. Bei der Bestimmung der optimalen Ausbringungsmenge haben wir gezeigt, daß das einzelne Unternehmen seinen Gewinn maximiert, wenn es jene Menge ausbringt, bei der die Grenzkosten gleich dem Marktpreis sind. Durch die Bedingung Grenzkosten gleich Preis wird eine Beziehung zwischen dem Preis und der angebotenen Menge hergestellt. Bei alternativen Preisen gibt die Bedingung an, welche Menge jeweils produziert werden muß, damit die Grenzkosten gleich dem Preis sind.

In Abbildung 6.8 werden die Grenzkostenkurve und die Kurve der durchschnittlichen Opportunitätskosten dargestellt. Bei dem Marktpreis p, ist die Bedingung Grenzkosten gleich Preis nur erfüllt, wenn die Menge x, produziert wird. Beim Marktpreis p 2 muß die Menge x 2 , beim Preis p 3 die Menge x 3 ausgebracht werden, wenn der Gewinn maximiert werden soll. Die Grenzkostenkurve informiert also darüber, welche Mengen bei alternativen Preisen angeboten werden. Die Grenzkostenkurve ist die Angebotskurve eines Unternehmens, das auf einem Markt vollständiger Konkurrenz anbietet. Allerdings lohnt es sich nur dann zu produzieren, wenn der Preis mindestens gleich den durchschnittlichen Opportunitätskosten ist. Wenn, wie in Abbildung 6.9, der Marktpreis kleiner als p 0 ist, wird das Unternehmen auch kurzfristig nichts anbieten. Die Angebotskurve unseres Unternehmens hat deshalb bei einem Preis in Höhe von p 0 eine Unstetigkeitsstelle. Die Angebotskurve fällt für Preise, die kleiner als p0 sind, mit der Preisachse zusammen. Nur für Preise, die gleich oder größer als p 0 sind, ist die Grenzkostenkurve die Angebotskurve. Man kann auch vereinfachend sagen, indem man nur auf die positiven Ausbringungsmengen abstellt, daß die Grenzkostenkurve vom Minimum der durchschnittlichen Opportunitätskosten an die individuelle Angebotskurve eines Anbieters in vollständiger Konkurrenz ist.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Abb. 6.9

177

P K'

K'W DOK

0

x

Wenn wir annehmen, daß die gesamten fixen Kosten kurzfristig nicht vermeidbar sind, sind die durchschnittlichen Opportunitätskosten gleich den durchschnittlichen variablen Kosten. Das Unternehmen bietet nur an, wenn der Preis mindestens gleich den variablen Durchschnittskosten in deren Minimum ist. In diesem Fall kann man auch sagen, daß die Grenzkostenkurve vom Minimum der variablen Durchschnittskosten an die individuelle Angebotskurve eines Anbieters in vollständiger Konkurrenz ist. Die angebotete Menge ist um so größer, je höher der Preis ist. Doch hängt die Menge, die angeboten wird, nicht nur vom Preis des erzeugten Gutes ab. Sie hängt auch von den Preisen der Faktoren ab, die kurzfristig variiert werden können. Wenn sich zum Beispiel die Faktorpreise erhöhen, so wird sich in der Regel die Grenzkostenkurve nach oben verschieben. Bei gegebenem Marktpreis wird weniger angeboten. Die angebotene Menge ist darüber hinaus auch eine Funktion der Einsatzmenge der fixen Faktoren, die kurzfristig nicht variiert werden kann. Wir können deshalb als allgemeine Angebotsfunktion schreiben xa = f(p,q,q 2i

q„v)

Die kurzfristige Angebotskurve ist dann der Graph dieser Funktion bei konstanten Werten für q und v x* = f(p,q,q 2i b.

q„v)

Die kurzfristige Gesamtangebotsfunktion

Die Menge, die bei gegebenem Marktpreis insgesamt von allen Unternehmen einer Branche angeboten wird, ergibt sich durch Addition der Mengen, die von den einzelnen Unternehmen angeboten werden. Im Abbildung 6.10 erhält man die Menge OC, die insgesamt angeboten wird, durch Addition der Menge OA, die vom Unternehmen A und der Menge OB, die vom Unternehmen B beim Preis p, angeboten wird.

178

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Abb. 6.10

A

B

C

Man erhält die beim Preis p, insgesamt angebotene Menge auch, indem man die individuellen Grenzkostenkurven horizontal addiert, so daß sich die aggregierte Grenzkostenkurve EK' ergibt. Da die Grenzkostenkurve als individuelle Angebotskurve eines Anbieters in vollständiger Konkurrenz interpretiert wurde, liegt es nahe, die aggregierte Grenzkostenkurve als Gesamtangebotskurve aufzufassen. Es ist jedoch zu bedenken, daß die individuellen Grenzkostenkurven unter der Annahme konstanter Faktorpreise abgeleitet worden sind. Tatsächlich ist das einzelne Unternehmen nur eines von sehr vielen Unternehmen und kann deshalb durch Variation der Faktornachfrage die Faktorpreise nicht fühlbar beeinflussen. Wenn aber alle Unternehmen der Branche die Produktion und damit ihre Faktornachfrage erhöhen, kann dies zur Folge haben, daß die Faktorpreise steigen. Wenn die Faktorpreise steigen, verschieben sich die individuellen Kostenkurven nach oben. Die Wirkung, die solche Faktorpreiseffekte haben, können mit Hilfe von Abbildung 6.11 illustriert werden. Abb. 6.11

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

179

In der Ausgangssituation beim Marktpreis p, bietet das repräsentative Unternehmen (Abb. 6.1 la) die Menge x, an. Alle Unternehmen zusammen bieten die Menge X, an. Der Produktionsmenge X, entspricht eine bestimmte Faktornachfrage. Bei gegebener Faktornachfrage bilden sich bestimmte Faktorpreise. Dem Marktpreis p, sind so indirekt bestimmte Faktorpreise zugeordnet. Die Grenzkostenkurve K', gilt unter der Annahme, daß die Faktorpreise, die sich beim Güterpreis p t bilden, konstant sind. Dies gilt auch für die aggregierte Grenzkostenkurve (Abb. 6.11 b), die sich durch horizontale Addition der individuellen Grenzkostenkurven ergibt. Abbildung 6.11a zeigt, daß das repräsentative Unternehmen beim Güterpreis p 2 die Menge x' 2 anbieten würde, wenn sich die Faktorpreise gegenüber der Ausgangssituation nicht änderten. Dies wäre eine realistische Annahme, wenn beim Preis p 2 nur das betrachtete Unternehmen seine Produktion erhöhte. Zwar würde auch in diesem Fall das Unternehmen seine Faktornachfrage erhöhen, doch wäre der dadurch bewirkte Faktorpreiseffekt für das betrachtete Unternehmen und für alle anderen Unternehmen vernachlässigenswert klein. Deshalb sagt man auch vereinfachend, der Faktorpreis sei für das einzelne Unternehmen ein Datum. Wenn aber der Marktpreis von p, auf p 2 steigt, wird nicht nur das betrachtete Unternehmen die Produktionsmenge steigern. Alle Unternehmen erhöhen ihre Produktion. Wenn das Faktorangebot nicht vollkommen elastisch ist, wird die gestiegene Faktornachfrage bewirken, daß die Faktorpreise für alle Unternehmen fühlbar steigen. Man sagt auch, die Produktion sei mit negativen pekuniären externen Effekten verbunden, die intern für die Branche sind. Der pekuniäre externe Effekt, der sich wegen der Produktionssteigerung eines einzelnen Unternehmens ergibt, ist für jedes der anderen Unternehmen vernachlässigenswert klein. Die Summe dieser pekuniären externen Effekte ist es nicht. Wenn alle Unternehmen die Produktion erhöhen, verändern sich die Faktorpreise für jedes einzelne Unternehmen fühlbar, sofern das Faktorangebot nicht vollkommen elastisch ist. Wenn die Faktorpreise steigen, wird dies in der Regel bedeuten, daß sich die individuellen Grenzkostenkurven nach oben verschieben. 1 In Abbildung 6.1 l a bedeutet dies, daß beim Marktpreis p 2 nicht K',, sondern K' 2 die individuelle Grenzkostenkurve des betrachteten Unternehmens ist. Die veränderte Lage der relevanten Grenzkostenkurve spiegelt wider, daß infolge der gestiegenen Produktion die Faktornachfrage und die Faktorpreise gestiegen sind. Die Ausbringungsmenge des repräsentativen Unternehmens steigt deshalb nicht von x, auf x' 2 , sondern nur auf x2. Verbindet man die Punkte A, und A 2 in Abbildung 6.1 la, erhält man die um den Faktorpreiseffekt korrigierte individuelle Angebotskurve. Die Gesamtangebotskurve S,S 2 in Abbildung 6.11b ergibt sich durch horizontale Addition der um den Faktorpreiseffekt korrigierten individuellen Angebotskurven.

1

Steigt der Preis eines Faktors, so sind bei alternativen Mengen die Gesamtkosten stets größer als zuvor. Daraus folgt nicht zwingend, daß auch die Grenzkosten bei j e d e r M e n g e größer als vorher sind.

180

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Sie verläuft steiler als die Kurve, die sich durch Addition der Grenzkostenkurven ergibt. Die negativen externen Effekte bewirken also, daß das Gesamtangebot weniger elastisch ist.' Natürlich kann es auch so sein, daß die Faktorpreise selbst dann nicht fühlbar steigen, wenn alle Unternehmen einer Branche ihre Faktornachfrage erhöhen. Dies ist so, wenn der Faktor vollkommen elastisch angeboten wird, die Faktorangebotskurve also eine Parallele zur Mengenachse ist. Aber selbst bei nicht vollständig elastischem Faktorangebot kann das Faktorangebot für eine bestimmte Branche vollkommen elastisch sein. Das ist dann so, wenn der betrachtete Faktor von vielen Branchen nachgefragt wird und die Gesamtnachfrage nach dem Faktor durch eine Branche relativ zur gesamten Faktornachfrage unbedeutend ist. 2.

Die langfristige Angebotskurve

Das einzelne Unternehmen wird bei gegebener Betriebsgröße die Produktion langfristig nur aufrechterhalten, wenn der Preis mindestens gleich den totalen Durchschnittskosten ist. Aber auch wenn der Marktpreis so niedrig ist, daß es im gegebenen Betrieb nicht mehr möglich ist, Verluste zu vermeiden, kann es lohnend sein, die Produktion fortzuführen, indem die Betriebsgröße variiert wird. Langfristig kann die Einsatzmenge aller Faktoren variiert werden. Das Unternehmen kann auch die Betriebsgröße verändern. Langfristig ist es lohnend, ein Gut zu produzieren, wenn der Marktpreis noch mindestens gleich den langfristigen Durchschnittskosten ist.

1

Wir haben uns auf den Fall der negativen externen Effekte beschränkt, der vorliegt, wenn bei Ausdehnung der Produktion die Faktorpreise steigen. Wenn die Produktion ausgedehnt wird, können bei verstärkter Faktomachfrage die Faktorpreise auch sinken. In diesem Fall spricht man von positiven externen Effekten. Diese werden erst bei der Diskussion der langfristigen Angebotskurve im nächsten Abschnitt erörtert. Die individuellen Grenzkostenkurven können sich auch verschieben, wenn die Produktion mit sogenannten technologischen externen Effekten verbunden ist. Auch darauf soll erst im Zusammenhang mit der Diskussion der langfristigen Angebotskurve eingegangen werden.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

181

In Abbildung 6.12 sind eine langfristige und eine kurzfristige Durchschnittskostenkurve dargestellt. Die kurzfristige Durchschnittskostenkurve repräsentiert eine bestimmte Betriebsgröße. Im gegebenen Betrieb kann die Menge x, kostengünstiger hergestellt werden als in Betrieben, die kleiner oder größer sind. Beim Marktpreis p 0 entsteht jedoch ein Verlust. Da aber der Preis noch über dem Minimum der langfristigen Durchschnittskosten liegt, kann das Gut mit Gewinn produziert werden, indem eine kleinere Betriebsgröße gewählt wird. Wenn zum Beispiel ein Betrieb errichtet wird, in dem die Menge XQ mit minimalen Stückkosten produziert werden kann, wird ein Gewinn erzielt. a.

Die langfristige Angebotskurve des einzelnen Unternehmens

Unsere Überlegungen haben gezeigt, daß es sich langfristig lohnt, ein Gut zu produzieren, wenn der Preis mindestens gleich den langfristigen Durchschnittskosten in deren Minimum ist. Ein Gut wird langfristig nicht angeboten, wenn der Preis kleiner als die langfristigen Durchschnittskosten ist. Deshalb gilt: x" = 0, wenn p < min lf. DK x" > 0, wenn p > min lf. DK Bei konstantem Güterpreis wird das Unternehmen langfristig jene Menge anbieten, bei der die langfristigen Grenzkosten gleich dem Preis sind. Die langfristige Grenzkostenkurve vom Minimum der langfristigen Durchschnittskosten an ist also die individuelle langfristige Angebotskurve, wenn der Preis gleich oder größer ist als die langfristigen Durchschnittskosten in ihrem Minimum. Ist der Preis niedriger, so wird nichts angeboten. Abb. 6.13

P lf.K '

lf.DK

Po

0

x

In Abbildung 6.13 fällt also für p < p 0 die langfristige Angebotskurve mit der Preisachse zusammen. Für p > p 0 ist die langfristige Grenzkostenkurve die individuelle Angebotskurve.

182

b.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Das langfristige "Gruppengleichgewicht"

Langfristig haben auch Unternehmen, die das Gut bisher nicht angeboten haben, die Möglichkeit, die Produktion aufzunehmen und in den Markt einzutreten. Wir wollen die Unternehmen, die das Gut bisher nicht angeboten haben, die aber die Möglichkeit haben, das Gut zu produzieren, potentielle Konkurrenten nennen. Potentielle Konkurrenten werden in den Markt eintreten, wenn sie Gewinne erzielen können. Dies ist möglich, wenn der Preis noch über den minimalen langfristigen Durchschnittskosten der potentiellen Konkurrenten liegt. Wenn potentielle Konkurrenten die gleichen Kostenfunktionen haben wie die etablierten Unternehmen, werden potentielle Konkurrenten in den Markt eintreten, wenn die etablierten Unternehmen Gewinne erzielen. Durch den Markteintritt erhöht sich die angebotene Menge; der Preis sinkt. Solange der Marktpreis noch größer ist als die minimalen langfristigen Durchschnittskosten, werden weitere Unternehmen in den Markt eintreten. Der Prozeß hält an, bis der Preis gleich dem Minimum der langfristigen Durchschnittskosten ist. Im langfristigen Gleichgewicht ist also für alle Unternehmen der Preis gleich dem Minimum der langfristigen Druchschnittskosten. Da die langfristige Durchschnittskostenkurve in ihrem Minimum von einer kurzfristigen Durchschnittskostenkurve tangiert wird, ist im Gleichgewicht der Preis auch gleich dem Minimum der kurzfristigen Durchschnittskosten. Da die Durchschnittskosten in ihrem Minimum gleich den Grenzkosten sind, ist der Preis im Gleichgewicht auch gleich den kurzfristigen und langfristigen Grenzkosten. Im langfristigen Gleichgewicht gilt also für das repräsentative Unternehmen: p = If. DK = kf. DK = lf. K' = kf. K' Die Situation, in der sich das einzelne Unternehmen im langfristigen Gleichgewicht befindet, wird in Abbildung 6.14 dargestellt. Abb. 6.14

p

kf.DK

Beim Gleichgewichtspreis p 0 wird im Minimum der lang- und kurzfristigen Durchschnittskosten in Höhe von p 0 produziert. Wenn die Kostenfunktionen aller Unternehmen gleich sind, produzieren alle Unternehmen die Menge x0, wenn die langfristigen Durchschnittskostenkurven wie in Abbildung 6.14 einen u-förmigen Verlaufhaben. Die

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

183

Menge X 0 , die insgesamt produziert wird, ist n • x0, wobei n die Zahl der Unternehmen i s t , die das Gut X anbieten. Langfristig ist die Branche im Gleichgewicht, wenn zum Marktpreis p 0 die Menge angeboten wird, die zu diesem Preis nachgefragt wird. Bei dem unterstellten Kostenverlauf ist die Zahl der Unternehmen, die im langfristigen Gleichgewicht das Gut X anbieten, determiniert. Sie ist gleich Xo/x0 = n. Wenn hingegen die langfristige Durchschnittskostenkurve bis zur minimalen optimalen Betriebsgröße fällt und dann horizontal verläuft, wie in Abbildung 6.15, ist weder die Betriebsgröße noch die Zahl der Unternehmen, die das Gut anbieten, determiniert. Abb. 6.15

lf.DK

m.o.B

c.

Die langfristige Gesamtangebotskurve

Es fragt sich, wie sich langfristig der Preis ändert, wenn die Gesamtnachfrage sinkt oder steigt.

In Abbildung 6.16 herrscht in der Ausgangssituation bei der Nachfrage N 0 lang- und kurzfristiges Gleichgewicht beim Preis p 0 . Zu diesem Preis wird die Menge x0 angeboten und nachgefragt. Wenn die Nachfrage von N 0 auf N, steigt, werden die etablierten Unternehmen ihre Produktion ausdehnen. Treten keine externen Effekte auf, so ergibt

184

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

sich die kurzfristige Angebotsfunktion durch horizontale Addition der individuellen Grenzkostenkurven. Der Preis steigt kurzfristig auf p,. Bei diesem Preis erzielen die etablierten Unternehmen Gewinne. Langfristig werden die etablierten Unternehmen ihre Kapazität erweitern. Langfristig kommt es zu einem Markteintritt neuer Anbieter, die die Gewinnchancen nutzen, die sich auf dem Markt bieten. Deshalb erhält man die langfristige Gesamtangebotskurve nicht durch horizontale Addition der langfristigen Grenzkostenkurven der etablierten Unternehmen. Horizontal verlaufende langfristige Gesamtangebotskurve (constant cost industry) Tatsächlich kann die langfristige Gesamtangebotskurve eine Parallele zur Mengenachse sein, obwohl die individuellen Angebotskurven aller Anbieter eine positive Steigung haben. Ein horizontaler Verlauf der langfristigen Gesamtangebotsfunktion ergibt sich, wenn - keine Faktorpreiseffekte auftreten, so daß sich die Faktorpreise auch dann nicht ändern, wenn der Branchenoutput steigt oder fällt, - keine technologischen externen Effekte auftreten, die intern für die Branche sind, - die Produktionsfaktoren homogen sind, so daß die Kostenfunktionen für alle etablierten und potentiellen Anbieter identisch sind. Wenn die Kostenfunktionen für alle etablierten und potentiellen Konkurrenten gleich sind, sind für alle Anbieter die minimalen langfristigen Durchschnittskosten gleich groß. Es bildet sich ein Gleichgewichtspreis in Höhe des Minimums der langfristigen Durchschnittskosten. Wenn die Kosten der Anbieter sich auch dann nicht ändern, wenn der Branchenoutput variiert wird, wird langfristig jede beliebige Menge zu einem Preis in Höhe des Minimums der langfristigen Durchschnittskosten angeboten. In Abbildung 6.16 wird deshalb der Güterpreis langfristig nicht steigen, wenn die Nachfrage von N 0 auf N, steigt. Bei jedem Preis, der größer ist als p 0 , ist der Preis größer als die langfristigen Durchschnittskosten in deren Minimum. Die Anbieter erzielen Gewinne. Neue Anbieter treten in den Markt ein. Die Ausbringungsmenge steigt und der Preis sinkt. Der Prozeß hält an, bis der Preis wieder gleich dem Minimum der langfristigen Durchschnittskosten ist. Der Preis sinkt also langfristig auf p 0 . Die Angebotsmenge steigt in Abbildung 6.16 auf x„ ohne daß sich langfristig der Preis im Vergleich zur Ausgangssituation verändert. Die Nachfrage hat langfristig keinen Einfluß auf die Höhe des Marktpreises. Der Preis ist langfristig rein angebotsdeterminiert. Die langfristige Angebotskurve ist eine Parallele zur Mengenachse. Man sagt in diesen Fall auch, daß die Branche eine "constant cost industry" sei. Langfristige Angebotskurve mit positiver Steigung (increasing cost industry) Die langfristige Gesamtangebotskurve wird eine positive Steigung haben, wenn eine oder mehrere der zuvor gemachten Annahmen nicht erfüllt sind.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

185

1. Eine positiv geneigte langfristige Gesamtangebotskurve ergibt sich, wenn die Produktion mit negativen pekuniären externen Effekten verbunden ist, die intern für die Branche sind, wenn also mit steigendem Branchenoutput die Faktorpreise steigen. Steigende Faktorpreise bewirken, daß sich die Kostenkurven der einzelnen Unternehmen nach oben verschieben, wie dies in Abbildung 6.17 dargestellt wird. Abb. 6.17 a)

b)

In der Ausgangssituation bei der Nachfrage N 0 herrscht langfristiges Gleichgewicht beim Preis p 0 . Die Menge X 0 wird nachgefragt und angeboten. Alle Unternehmen produzieren im Minimum der langfristigen Durchschnittskosten (lf. DK 0 ). Das einzelne Unternehmen produziert die Menge x0. Es ist X 0 = n • x0. Wenn die Nachfrage von N 0 auf N, steigt, wird die Produktion ausgedehnt. Die steigende Produktion und die damit verbundene steigende Faktornachfrage führt zu steigenden Faktorpreisen. Die individuellen Kostenkurven verschieben sich nach oben. Wird insgesamt die Menge X, produziert, so ist lf. DK, die langfristige Kostenkurve der etablierten Anbieter und der potentiellen Konkurrenten. Größere , Produktionsmengen können deshalb nur zu langfristig steigenden Preisen angeboten werden. Die langfristige Angebotskurve hat eine positive Steigung. In Abbildung 6.17 ergibt sich ein neues Gleichgewicht beim Preis p,. Alle Unternehmen produzieren wieder im Minimum der langfristigen Durchschnittskosten. In Abbildung 6.17 wurde der spezielle Fall dargestellt, daß sich infolge der Faktorpreiserhöhung die Menge, bei der die langfristigen Stückkosten ihr Minimum haben, nicht ändert. Die Produktionssteigerung von X 0 auf X, wäre also allein auf den Markteintritt neuer Unternehmen zurückzuführen.

1

Das braucht nicht so zu sein. Das Minimum der langfristigen Durchschnittskostenkurve kann nach der Faktorpreiserhöhung auch bei einer kleineren oder größeren Menge liegen.

186

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

2. Die langfristige Gesamtangebotskurve kann auch deshalb eine positive Steigung haben, weil die Produktion mit negativen technologischen externen Effekten verbunden ist, die intern für die Branche sind. Wenn alle Unternehmen einer Branche ihre Ausbringungsmenge erhöhen, kann dies unmittelbar die Produktionsbedingungen der Unternehmen einer Branche negativ beeinflussen und bewirken, daß die Durchschnittskosten für jedes einzelne Unternehmen steigen. Dies sei an einem Beispiel erläutert. Die Unternehmen einer Branche produzieren alle im gleichen Gebiet. Wenn das einzelne Unternehmen die Produktion ausdehnt, wird die Luft stärker verschmutzt. Die Reinigungskosten für das betrachtete Unternehmen und alle anderen Unternehmen steigen. Die zusätzlichen Reinigungskosten, die dem einzelnen Unternehmen entstehen, sind vernachlässigenswert gering, wenn nur ein Unternehmen die Ausbringungsmenge erhöht. Wenn aber alle Unternehmen der Branche die Produktion erhöhen, sind für jedes einzelne Unternehmen die zusätzlichen Reinigungskosten beachtlich. Die Kostenkurven der Unternehmen verschieben sich deshalb nach oben, wenn der Output der Branche steigt. Die Wirkungen, die negative technologische externe Effekte auf die individuellen Kostenkurven und auf die Branchenangebotskurve haben, unterscheiden sich nicht von den Wirkungen, die negative pekuniäre externe Effekte haben. In beiden Fällen führt eine Erhöhung des Branchenoutputs dazu, daß sich die individuellen Kostenkurven nach oben verschieben. Im Fall der pekuniären externen Effekte werden die Wirkungen durch den Preismechanismus vermittelt; sie finden ihren Niederschlag in steigenden Faktorpreisen. Bei den technologischen externen Effekten werden unmittelbar die Produktionsbedingungen der beteiligten Unternehmen beeinflußt. Wenn es in der positiven Ökonomie nur darum geht zu erklären, welche Mengen bei alternativen Preisen angeboten werden, ist die Unterscheidung zwischen pekuniären externen Effekten und technologischen externen Effekten bedeutungslos. Bei einer normativen Betrachtung ist die Unterscheidung allerdings wichtig. 3. Eine langfristige Angebotsfunktion mit positiver Steigung kann sich auch ergeben, wenn die Produktionsfaktoren nicht homogen sind und bei steigender Produktion Faktoren minderer Qualität eingesetzt werden müssen. Wenn die Nachfrage nach Kohle gering ist und nur wenig Kohle gefördert wird, wird man Kohle dort fördern, wo die Abbaubedingungen besonders günstig sind. Steigt die Nachfrage nach Kohle, ist es notwendig, Kohle in Bergwerken mit ungünstigeren Abbaubedingungen zu fördern. Damit auch die Grenzanbieter ihre Kosten decken können, muß der Preis steigen. Ein anderes Beispiel: Wenn die Nachfrage nach Weizen steigt, muß Weizen auch auf schlechteren Böden angebaut werden, auf denen mit gleichem Aufwand an Arbeit, Düngemitteln und sonstigen Faktoren nur ein geringerer Ertrag erzielt werden kann. Der Preis muß steigen, damit auch die Landwirte, die auf den schlechteren Böden Weizen erzeugen, noch ihre Kosten decken können. In Abbildung 6.18 wird in der Ausgangssituation bei der Nachfrage N 0 insgesamt die Menge x 0 produziert und zum Gleichgewichtspreis p 0 verkauft (Abb. 6.18c). Bei diesem Preis wird Weizen nur von den Bauern der Gruppe A angeboten, die auf gutem Boden produzieren. Die Anbieter produzieren im Minimum ihrer langfristigen

187

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Stückkostenkurve die Menge x0. Die Bauern der Gruppe B produzieren in der Ausgangssituation nichts, da sie bei dem Preis p0 ihre Kosten nicht decken können (Abb. 6.18b). Abb. 6.18

b)

c)

lf.A

Wenn die Nachfrage auf N, steigt, werden die Produzenten der Gruppe A ihre Produktion ausdehnen. Der Marktpreis muß steigen. Beim Preis p, produzieren die Bauern der Gruppe A die Menge x,. Bei diesem Preis lohnt sich auch für die Bauern der Gruppe B die Aufnahme der Produktion von Weizen. Der Preis für Weizen wird nicht über p, hinaus steigen, solange es noch potentielle Anbieter der Gruppe B gibt, die bei einem Preis, der marginal größer als p, ist, in den Markt eintreten. Die langfristige Angebotskurve hat deshalb den in Abbildung 6.18c dargestellten treppenförmigen Verlauf. Wenn wir die spezielle Annahme aufgeben, daß es genau zwei Arten von Böden gibt und statt dessen unterstellen, daß die Bodenqualitiät kontinuierlich variiert, erhalten wir statt der treppenförmigen langfristigen Angebotskurve eine normal verlaufende kontinuierlich ansteigende Angebotskurve. Unsere Darstellung legt die Vermutung nahe, daß bei dem Gleichgewichtspreis p„ der sich bei der Nachfrage N, bildet, die Produzenten der Gruppe A Gewinne erzielen. Nur die Grenzanbieter erzielen keine Gewinne und nur diese - so scheint es - produzieren im Minimum der langfristigen Durchschnittskosten. Der Gewinn der Anbieter der Gruppe A beträgt - scheinbar - x, • AB. Das ist aber genau der Betrag, den ein Pächter pro Periode für das Recht zahlen müßte, Weizen auf gutem Boden anzubauen. Wäre die Pacht niedriger als x, • AB würde es sich lohnen, Boden dieser Güteklasse zu pachten. Der Wettbewerb der Pächter treibt den Preis so hoch, daß die pro Periode zu zahlende Pacht genau x, • AB beträgt. Die Pächter, die Weizen auf dem besseren Boden erzeugen, erzielen keinen Gewinn. Für die Pächter verschiebt sich die Durchschnittskostenkurve nach oben. Abbildung 6.19 zeigt, daß die Pächter bei der gewinnmaximalen Menge keinen Gewinn erzielen.

188

Abb. 6.19

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

P

LDK,

V,

0

x

Die Pächter produzieren im Minimum der langfristigen Durchschnittskostenkurve lf. DK,. Der "Gewinn" erweist sich als Faktoreinkommen, das den Eigentümern knapper spezifischer Produktionsfaktoren zufließt, die in gleicher Qualität nur in beschränkter Menge vorhanden sind. Man bezeichnet im Anschluß an David Ricardo dieses Faktoreinkommen als Rente. Es fragt sich, ob wir zu einem anderen Ergebnis kommen, wenn der Boden nicht verpachtet wird, sondern vom Eigentümer selbst bebaut wird. Der Eigentümer hätte die Möglichkeit, den Boden zu einem Preis von x, • AB pro Periode zu verpachten. Dieses Pachteinkommen stellt den Betrag dar, auf den er verzichtet, wenn er sich entscheidet, den Boden selbst zu bebauen. Das Pachteinkommen, das erzielt werden könnte, ist Ausdruck der Opportunitätskosten der Entscheidung, Weizen auf eigenem Boden selbst zu erzeugen. Auch in diesem Fall wird also kein Gewinn erzielt. Vorwärts geneigte langfristige Gesamtangebotskurve Die langfristige Gesamtangebotskurve kann mit wachsender Ausbringungsmenge auch fallen. Wir beschreiben eine solche Kurve als vorwärts geneigte Gesamtangebotskurve. 1 Sie wird in Abbildung 6.20 dargestellt. Die Ursachen für den fallenden Verlauf der langfristigen Angebotskurve können positive externe Effekte sein, die intern für die Branche sind. Dabei kann es sich um "pekuniäre" oder technologische externe Effekte handeln. 2 Pekuniäre externe Effekte liegen vor, wenn eine Erhöhung des Branchenoutputs zu sinkenden Faktorpreisen führt. Zu sinkenden Faktorpreisen kann es bei steigender Faktornachfrage kommen, wenn zum Beispiel die Faktoren von einem Monopolisten gekauft werden, dessen Durchschnittskosten mit steigender Ausbringungsmenge sinken und der gehalten ist, einen Preis in Höhe der Durchschnittskosten festzusetzen. Positive technologische externe Effekte liegen vor, wenn die Erhöhung des Branchenoutputs bewirkt, daß sich die

1

Eine Angebotskurve mit negativer Steigung kann auch rückwärts geneigt sein (backward bending supply curve). D i e s wird hier nicht behandelt.

2

Der Begriff pekuniäre externe Effekte wird hier rein deskriptiv verwendet. Es soll mit dem Begriff in diesem Zusammenhang nicht suggeriert werden, daß die pekuniären externen Effekte nicht paretorelevant seien.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Abb. 6.20

189

P A

A x

0

Produktionsbedingungen der Unternehmer verbessern. So mögen sich zum Beispiel bei steigendem Branchenoutput die Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten für alle Unternehmen der Branche verbessern. Die positiven externen Effekte bewirken, daß eine Angebotskurve, die sonst eine positive Steigung haben würde, flacher verläuft. Sie können auch bewirken, daß die langfristige Angebotskurve nach vorne geneigt wird, also einen fallenden Verlauf hat. Die externen Effekte bewirken in diesem Fall, daß sich die individuellen Durchschnittskostenkurven und die individuellen Grenzkostenkurven nach unten verschieben. Auch die aggregierten Grenzkostenkurven werden dann nach unten verschoben. Alternativen Ausbringungsmengen sind alternative aggregierte Grenzkostenkurven zugeordnet, die jeweils eine positive Steigung haben, wie Abbildung 6.21 zeigt. Abb. 6.21

P

ZK:

A

0

x

In jedem Punkt der Angebotskurve produzieren alle Anbieter im Minimum ihrer langfristigen Stückkostenkurve. Bei der Ausbringungsmenge XQ sind für alle Anbieter die minimalen langfristigen Stückkosten gleich p 0 , bei der Ausbringungsmenge x, sind sie gleich p,.

190

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Die vorwärts geneigte Angebotskurve gibt an, wie hoch bei gegebener Ausbringungsmenge der Preis mindestens sein muß, damit die Unternehmen diese Menge produzieren. Sie gibt im Unterschied zur normalen Angebotskurve nicht an, wie groß die Angebotsmenge maximal bei gegebenem Preis ist. Sie zeigt vielmehr, wie groß die Menge mindestens sein muß, damit die Anbieter bei gegebenem Preis ihr Angebot aufrechterhalten. C.

Die Marktpreisbildung

Bei vollständiger Konkurrenz kann weder der Verkäufer noch der Käufer den Preis beeinflussen, zu dem ein Gut gekauft und verkauft wird. Der einzelne Käufer kauft von den Gütern solche Mengen, daß bei gegebenen Ausgaben sein Nutzen maximiert wird. Der Anbieter produziert die Mengen, bei denen der Gewinn maximiert wird. Die Preise bilden sich auf dem Markt, wo das Gesamtangebot der Unternehmen auf die Gesamtnachfrage der Haushalte trifft. Die Gesamtnachfrage ergibt sich durch Addition der Nachfragen der einzelnen Haushalte. Die Gesamtnachfragefunktion gibt an, welche Mengen die Käufer insgesamt bei alternativen Preisen zu kaufen wünschen. Das Gesamtangebot ergibt sich durch Addition der Angebote der einzelnen Unternehmen. Dabei ist langfristig auch das Angebot der neu in den Markt eintretenden Unternehmen zu berücksichtigen. Die Gesamtnachfragefunktion und die Gesamtangebotsfunktion lassen sich in einem Diagramm zusammenfassen. Das Marktgleichgewicht ergibt sich dort, wo die Gesamtnachfragekurve die Gesamtangebotskurve schneidet. Abb. 6.22

p

0

x

Algebraisch ergibt sich der Gleichgewichtspreis aus der Gleichgewichtsbedingung x a (p) = x n (p) Dies ist eine Gleichung, aus der sich der Gleichgewichtspreis ermitteln läßt. Die Gleichgewichtsmenge läßt sich ermitteln, indem man den Gleichgewichtspreis in die Angebotsfunktion oder in die Nachfragefunktion einsetzt.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

1.

191

Existenz des Marktgleichgewichts

Ein Gleichgewicht in dem gerade beschriebenen Sinn existiert nur dann, wenn sich die Gesamtangebotsfunktion und die Gesamtnachfragefunktion schneiden. Ein solcher Schnittpunkt existiert jedoch in den in Abbildung 6.23 dargestellten Fällen nicht. Abb. 6.23 a)

b)

In Abbildung 6.23a gibt es bei positiven Mengen keinen Schnittpunkt der Angebotskurve mit der Nachfragekurve. Die Preise, die die Nachfrager zu zahlen bereit sind, sind bei allen Mengen kleiner als die Preise, bei denen es sich für die Produzenten lohnt, das Gut herzustellen. So mag zum Beispiel die Zahlungsbereitschaft der Haushalte für Tropenhelme mit eingebautem Ventilator nicht ausreichen, um die Hersteller zu veranlassen, dieses Gut zu produzieren. Wir können diesen Fall interpretieren, indem wir sagen, daß sich ein Gleichgewicht bei der Ausbringungsmenge Null ergibt. In Abbildung 6.23b ist selbst bei einem Preis von Null die angebotene Menge größer als die Menge, die nachgefragt wird. Man bezeichnet das Gut X in einem solchen Fall als freies Gut. Alle können bei einem Preis von Null solche Mengen von dem Gut erhalten, wie sie wollen. Wir können sagen, daß Gleichgewicht bei einem Preis von Null herrscht. 2.

Der Anpassungsmechanismus

Wir haben bisher den Anpassungsmechanismus nicht befriedigend beschrieben, der bewirkt, daß ein Gleichgewicht erreicht wird. Wir haben die Prozesse nicht analysiert, die durch die Aktionen der Marktteilnehmer in einer Situation in Gang gesetzt werden, in der noch kein Gleichgewicht herrscht. In Abbildung 6.24 ergibt sich bei der Nachfrage N 0 ein Gleichgewicht beim Preis p0. Wenn die Nachfrage auf N, steigt, ergibt sich beim bisherigen Gleichgewichtspreis p0 ein Nachfrageüberschuß.

192

Sechstes Kapitel:: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Abb. 6.24

P A

P P

o

0

x

Der neue Gleichgewichtspreis ist p,. Es fragt sich, wie der Anpassungsprozeß verläuft, der zum neuen Gleichgewicht führt. Wie reagieren die Marktteilnehmer auf die Ungleichgewichtssituation? Wie kann es überhaupt zu dem neuen Gleichgewichtspreis p, kommen, wenn die Anbieter und die Nachfrager den Preis als Datum ansehen und sich als Mengenanpasser verhalten? Wer setzt den Preis fest? Man hat bemerkt, daß die unsichtbare Hand Adam Smiths bei dieser wichtigen Frage etwas zu unsichtbar ist. a.

Die walrasianische Preisanpassungshypothese

Man hat in der Theorie Zuflucht zu einem deus ex machina genommen, den man zu Ehren von Walras (1834-1910) den walrasianischen Auktionator nennt. Dieser Auktionator hat die Rolle eines Koordinators, dem es obliegt, den Gleichgewichtspreis zu ermitteln. Er ruft zu Beginn der Marktperiode einen Preis aus, den alle Marktteilnehmer als Datum ansehen. Die Marktteilnehmer geben die Mengen bekannt, die sie zu dem vom Auktionator aufgerufenen Preis kaufen oder verkaufen möchten. Ist die nachgefragte Menge größer als die angebotene Menge, ruft der Auktionator einen höheren Preis aus. Ergibt sich beim aufgerufenen Preis ein Angebotsüberschuß, senkt der Auktionator den Preis. Dieser Prozeß wird fortgesetzt, bis ein Preis ausgerufen wird, bei dem die nachgefragte Menge gleich der angebotenen Menge ist. Der Prozeß, mit dem man sich nach und nach an den Gleichgewichtspreis herantastet, nennt man im Anschluß an Walras tâtonnement. Der Prozeß des tâtonnement endet erst, wenn der Gleichgewichtspreis gefunden worden ist. In diesem Modell finden Transaktionen nur zum Gleichgewichtspreis statt. Es gibt keine Käufe oder Verkäufe zum Ungleichgewichtspreisen. Man nennt Märkte, auf denen mit Hilfe eines Auktionators sichergestellt wird, daß nur zum Gleichgewichtspreis verkauft wird, ideal organisierte Märkte. Die realen Märkte weisen nicht jenen Organisationsgrad auf, der beim tâtonnement vorausgesetzt wird. Börsenmäßig organisierte Märkte sind eine Annäherung an ideal organisierte Märkte. Auf den meisten realen Märkten steht kein Koordinator in Form eines Maklers oder Auktionators zur Verfügung. Es fragt sich, wie auf nicht organisierten Konkurrenzmärkten die Anpassung an ein Gleichgewicht erfolgt. Vollzieht sich der Anpassungsprozeß auch ohne Makler ähnlich wie er im tâtonnement-Modell beschrieben wird? Anders gesagt: Ist das tâtonnement ein brauchbares Bild der realen Anpassungsprozesse?

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

193

Welche Reaktionen der Marktteilnehmer sind in der Ungleichgewichtssituation, wie sie sich in Abbildung 6.24 beim Preis p 0 ergibt, zu erwarten? Da beim Preis p 0 ein Nachfrageüberhang besteht, werden die Nachfrager, die erkennen, daß sie zum bisherigen Marktpreis nicht soviel kaufen können, wie sie möchten, bereit sein, einen höheren Preis zu zahlen. Dies ist für sie günstiger als auf den Kauf ganz oder zum Teil zu verzichten. Die Anbieter werden erkennen, daß sie einen höheren Preis verlangen können, ohne den gesamten Absatz zu verlieren. Der einzelne Anbieter kann in der Ungleichgewichtssituation auch dann einen höheren Preis erzielen, wenn seine Konkurrenten zunächst noch zum bisherigen Gleichgewichtspreis verkaufen, und zwar selbst dann, wenn die Nachfrager über alle Preise informiert sind. Es dürfte allerdings realistischer sein anzunehmen, daß in einer Ungleichgewichtssituation die Nachfrager keine vollständige Übersicht über die Preise haben, die die Anbieter verlangen. Der Markt ist temporär unvollkommen. Die Produzenten, die sich bei vollständiger Konkurrenz im Gleichgewicht als Mengenanpasser verhalten, werden im Ungleichgewicht also den Preis nicht als Datum ansehen. Der Preis ist keine gegebene Größe, sondern Entscheidungsvariable. Die Anbieter sind Preissetzer. Sie verfügen über einen gewissen Preisspielraum. Während des Anpassungsprozesses kann es zu Divergenzen zwischen den Preisen der verschiedenen Anbieter kommen. Jevons Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise gilt im Ungleichgewicht nicht. Die Anpassung führt - so scheint es - jedoch auch auf realen Märkten im wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen wie sie durch den walrasianischen Auktionator im Rahmen des tâtonnement herbeigeführt werden. Bei einem Nachfrageüberhang steigt der Preis, beim Angebotsüberhang sinkt der Preis. Der Anpassungsprozeß endet, wenn ein neues Gleichgewicht erreicht ist. Der entscheidende Unterschied zwischen dem Anpassungsprozeß auf ideal organisierten Märkten und dem Anpassungsprozeß auf realen Märkten ohne Auktionator besteht darin, daß auf ideal organisierten Märkten Transaktionen nur zum Gleichgewichtspreis stattfinden, während es auf realen Märkten Transaktionen auch zu Ungleichgewichtspreisen gibt. Wenn in Abbildung 6.24 die Nachfrage von N 0 auf N, steigt, wird zunächst ein Teil der Anbieter zum bisherigen Preis p 0 verkaufen. Die Nachfrager, die zum niedrigeren Preis p 0 kaufen können, erhalten dadurch einen Einkommensvorteil. Infolge des Einkommenseffektes kann es zu einer Verschiebung der Nachfragekurve kommen. Vor allem können sich Auswirkungen auf andere Märkte ergeben. b.

Marshalls Anpassungshypothese

Einige Ökonomen sind der Meinung, daß Marshalls Anpassungshypothese reale Anpassungsprozesse besser beschreibt als die walrasianische Preisanpassungshypothese. Marshalls Hypothese besagt, daß die Ausbringungsmenge steigt, wenn der Nachfragepreis den Angebotspreis übersteigt und daß die Ausbringungsmenge sinkt, wenn der Angebotspreis größer ist als der Nachfragepreis.

194

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Abb. 6.25

P A N P

n

P" N

A 0

x

X

In Abbildung 6.25 wird infolge einer Störung statt der Gleichgewichtsmenge die Menge Xo angeboten. Diese wird zum Nachfragepreis p n verkauft. DerNachfragepreis ist größer als der Angebotspreis p \ also größer als der Preis, der mindestens gezahlt werden muß, damit die Menge x 0 angeboten wird. Nach Marshalls Anpassungshypothese reagieren die Anbieter, indem sie die Produktion ausdehnen. Der Nachfragepreis sinkt, der Angebotspreis steigt. Dieser Prozeß hält an, bis der Gleichgewichtspreis erreicht wird. Wird umgekehrt statt der Gleichgewichtsmenge die größere Menge x, produziert, so ist der Angebotspreis größer als der Nachfragepreis. Die Ausbringungsmenge sinkt. Die Differenz zwischen Angebotspreis und Nachfragepreis wird kleiner. Der Prozeß hält an, bis die Gleichgewichtswerte erreicht werden. Es wird unterstellt, daß die Anpassung kontinuierlich verläuft. Die Probleme, die sich ergeben, wenn kontinuierliche Anpassung nicht möglich ist, beschreibt das Cobweb-Modell. (Vgl. den folgenden Abschnitt 6.4) 3.

Stabilität des Gleichgewichts

Auf einem Markt herrscht Gleichgewicht, wenn sich ein Preis bildet, bei dem die angebotene Menge gleich der nachgefragten Menge ist. Wir nennen ein Gleichgewicht stabil, wenn bei Abweichungen vom Gleichgewicht Tendenzen ausgelöst werden, die eine Rückkehr zum Gleichgewicht bewirken. Ein Gleichgewicht ist instabil, wenn bei Abweichungen vom Gleichgewicht die Reaktionen der Marktteilnehmer bewirken, daß man sich weiter vom Gleichgewicht entfernt. Unsere bisherigen Überlegungen haben schon gezeigt, daß bei normalem Verlauf der Angebots- und Nachfragekurven das Gleichgewicht stabil ist. Es spielt keine Rolle, ob wir die walrasianische Preisanpassungshypothese oder Marshalls Hypothese zugrunde legen. Dies sei mit Hilfe von Abbildung 6.26 erläutert. Bei dem Ungleichgewichtspreis p, ist die nachgefragte Menge x 2 größer als die angebotene Menge x,. Aufgrund der walrasianischen Preisanpassungshypothese steigt der Preis. Der Prozeß hält an, bis der Gleichgewichtspreis erreicht wird. Das Gleichgewichtist stabil. Dies gilt auch, wenn Marshalls Anpassungshypothese zugrunde gelegt wird. Wird die Menge x, angeboten, so ist der Nachfragepreis p 2 größer als der Angebotspreis p,. Die Ausbringungsmenge wird erhöht, der Nachfragepreis sinkt und

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Abb. 6.26

195

P A P

2

P N

x

0

der Angebotspreis steigt. Preis und Menge bewegen sich in Richtung auf die Gleichgewichtswerte Po und x0. Das Gleichgewicht ist stabil, weil bei einer Gleichgewichtsstörung Reaktionen ausgelöst werden, die zum Gleichgewicht zurückführen. Es fragt sich, ob das Gleichgewicht auch stabil ist, wenn die Angebotskurve wegen positiver externer Effekte, die intern für die Branche sind, vorwärts geneigt ist. In Abbildung 6.27 ist die Angebotskurve vorwärts geneigt und verläuft flacher als die Nachfragekurve. Abb. 6.27

p N

0

x1

X

Infolge einer Störung wird die Menge x, statt der Gleichgewichtsmenge x 0 angeboten. Bei der Ausbringungsmenge x, ist der Nachfragepreis kleiner als der Angebotspreis. Geht man von Marshalls Hypothese aus, so wird dies dazu führen, daß die angebotene Menge eingeschränkt wird. Der Angebotspreis und der Nachfragepreis steigen. Es findet eine Bewegung auf das Gleichgewicht hin statt. Bei einer Ausbringungsmenge, die kleiner als Xq ist, ist der Nachfragepreis größer als der Angebotspreis. Die Ausbringungsmenge wird erhöht. Man bewegt sich auf das Gleichgewicht zu. Das Gleichgewicht ist also stabil, wenn wir Marshalls Anpassungshypothese zugrunde legen.

196

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Es scheint allerdings so zu sein, daß wir zu einem anderen Ergebnis kommen, wenn wir die walrasianische Anpassungshypothese zugrunde legen. Nehmen wir wieder an, daß infolge einer Störung die Menge x, produziert wird, die zum Nachfragepreis p, verkauft wird. Beim Preis p, wünschen die Anbieter - so scheint es - die Menge x' zu verkaufen. Wird die Menge x' angeboten, so ist die angebotene Menge größer als die nachgefragte Menge. Der Preis sinkt. Man bewegt sich weiter vom Gleichgewicht weg. Das Gleichgewicht ist scheinbar nicht stabil. Bei einer derart schematischen Behandlung der Ungleichgewichtssituation wird der Anpassungsprozeß jedoch nicht korrekt beschrieben. Tatsächlich passen sich die einzelnen Anbieter entsprechend ihrer positiv geneigten Grenzkostenkurve an, die gilt, wenn insgesamt die Menge x, produziert wird. In Abbildung 6.28 ist deshalb die aggregierte Grenzkostenkurve ZK', eingezeichnet, die durch den Punkt N geht. A b b . 6.28

P

Wenn der Anpassungsprozeß nicht mit externen Effekten verbunden wäre, würden die Anbieter die Menge x' ausbringen. Es ergäbe sich beim Preis p, ein Nachfrageüberschuß, der entsprechend der walrasianischen Preisanpassungshypothese eine Preissteigerung auslöste. Tatsächlich werden durch den Versuch der Anbieter, die Produktion auf x' zu beschränken, außerdem die Bedingungen auf dem Faktormarkt oder die technischen Produktionsbedingungen so verändert, daß sich die individuellen Grenzkostenkurven und somit auch die aggregierte Grenzkostenkurve nach oben verschieben. Wenn also zum Beispiel der vorwärts geneigte Verlauf der Angebotskurve darauf zurückzuführen ist, daß sich die Faktorpreise erhöhen, wenn die Faktornachfrage sinkt, so ist die Einschränkung der Produktionsmenge mit steigenden Faktorpreisen verbunden, durch die die aggregierte Grenzkostenkurve nach oben verschoben wird. Würde also die Menge x' produziert, so wäre nicht mehr ZK', die relevante aggregierte Grenzkostenkurve. Die neue (in Abbildung 6.28 nicht eingezeichnete) aggregierte Grenzkostenkurve würde vielmehr die Angebotskurve im Punkt N' schneiden. Würde die Menge x' zum Nachfragepreis verkauft, ergäbe sich ein Nachfrageüberhang. Man erkennt: Der Prozeß der Preissteigerung hält an, bis die Gleichgewichtsmenge x 0 zum Gleichgewichtspreis PO verkauft wird. Das Gleichgewicht erweist sich als stabil!

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

197

Wir können allerdings bei einer nach vorne geneigten Angebotskurve nur dann zeigen, daß das Gleichgewicht stabil ist, wenn die Angebotskurve flacher verläuft als die Nachfragekurve. Das Gleichgewicht ist instabil, wenn die Angebotskurve steiler ist als die Nachfragekurve. Man wird jedoch in der Regel annehmen können, daß die Angebotskurve tatsächlich flacher ist als die Nachfragekurve. Die negative Steigung der Angebotskurve ergibt sich ja nur deshalb, weil eine an und für sich positiv geneigte oder horizontal verlaufende Angebotskurve durch externe Effekte, die intern für die Branche sind, etwas nach vorn geneigt wird. 1 4.

Das Cobweb-Theorem

Die Anpassungshypothese Marshalls besagt, daß die Ausbringungsmenge erhöht wird, wenn der Nachfragepreis größer ist als der Angebotspreis. Dabei wurde bisher implizit unterstellt, daß die Anpassung kontinuierlich erfolgt. Die Annahme einer kontinuierlichen Anpassung muß bei solchen Produkten aufgegeben werden, bei denen - wie bei vielen landwirtschaftlichen Produkten mit jährlichem Erntezyklus - alle Anbieter bereits in einer früheren Periode entscheiden müssen, welche Mengen produziert und in einer späteren Periode auf den Markt gebracht werden. Wenn die produzierten Güter nicht gelagert werden können, wird die in einer Periode angebotene Menge durch Produktionsentscheindungen einer früheren Periode bestimmt. Eine im Zeitablauf kontinuierliche Anpassung ist nicht möglich. Die Entscheidung über die produzierte Menge hängt von dem für die kommende Periode erwarteten Preis ab. Dieser Preis ist den Produzenten unbekannt, wenn sie ihre Anbauentscheidungen treffen. Man kann unterschiedliche Hypothesen über die Bildung von Preiserwartungen aufstellen. Dem Cobweb-Theorem liegen statische Preiserwartungen zugrunde. Alle Anbieter erwarten, daß der Preis, der sich in der kommenden Periode bildet, gleich dem Preis der laufenden Periode ist. In Abbildung 6.29 wird deshalb unterstellt, daß die angebotene Menge in einer Periode t durch den Preis bestimmt wird, der sich in der Periode t-1 bildet. Es wird in der Periode t eine solche Menge angeboten, daß der Angebotspreis gleich dem Preis der Periode t-1 ist. Der Preis, der sich tatsächlich in einer Periode bildet, ist der Preis, bei dem die angebotene Menge auch nachgefragt wird. In Abbildung 6.29a wird in der Ausgangssituation die Menge x 0 angeboten und zum entsprechenden Nachfragepreis p 0 verkauft. Die Anbieter bieten deshalb in der folgenden Periode 1 die Menge x, an, die aber nur zum Preis p, verkauft werden kann. Dies veranlaßt die Anbieter, die angebotene Menge zu reduzieren; sie bieten in der Periode 2 die Menge x 2 an, die zum Preis p2 verkauft werden kann. Die Preise schwanken

1

Es wurde nur der Fall der vorwärts geneigten Angebotskurve behandelt. Eine Angebotskurve mit negativer Steigung kann auch rückwärts geneigt sein, wie dies bei der Arbeitsangebotskurve der Fall sein kann. Je höher der Lohn ist, um so niedriger ist dann das Arbeitsangebot. Während eine vorwärts geneigte Angebotskuve angibt, wie hoch der Preis mindestens sein muß, damit eine bestimmte Menge angeboten wird, gibt eine rückwärts geneigte Angebotskurve an, welche Menge bei alternativen Preisen maximal angeboten wird. Bei einer rückwärts geneigten Angebotskurve muß die Angebotskurve steiler verlaufen als die Nachfragekurve, wenn das Angebot stabil sein soll.

198

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Abb. 6.29 a)

b)

um den Gleichgewichtspreis. Die Preisschwankungen werden im Zeitablauf immer kleiner. Man nähert sich nach und nach dem Gleichgewichtspreis und der Gleichgewichtsmenge. In diesem Sinn ist das Gleichgewicht in Abbildung 6.29a stabil. Dies ist in Abbildung 6.29b anders, in der die Nachfragekurve steiler als die Angebotskurve verläuft. Wird in der Ausgangssituation die Menge x«, angeboten und zum Preis Po verkauft, so steigt die angebotene Menge in der Periode 1 auf x,. Diese Menge kann nur zum Preis P[ verkauft werden. Die Anbieter reduzieren die Menge auf x2, die zum Preis p 2 verkauft wird, etc. Auch jetzt sehen wir, daß Preise und Mengen um die Gleichgewichtswerte schwanken. Die Schwankungsamplitude wird im Zeitablauf immer größer. Die Entwicklung führt immer weiter von den Gleichgewichtswerten weg. Der Markt ist deshalb instabil im Sinne des Cobweb- Theorems. Dem Cobweb-Modell liegt eine extrem naive Preiserwartungshypothese zugrunde. In jeder Periode erwarten die Unternehmer, daß der Preis der laufenden Periode auch der Preis ist, der sich in der zukünftigen Periode bildet, obwohl diese Erwartung sich stets als falsch erweist. Die Erfahrungen früherer Perioden bestimmen im CobwebModell die Preiserwartungen nicht. Bei konstanter Nachfrage wird der zukünftige Preis nur dann gleich dem gegenwärtigen Preis sein, wenn sich die insgesamt angebotene Menge nicht ändert. Beim CobwebModell wird unterstellt, daß jeder einzelne Anbieter seine Angebotsmenge an dem gegenwärtigen Preis ausrichtet. Jeder einzelne Anbieter muß also erwarten, daß nur er, nicht aber die anderen Unternehmer ihre Produktionsmenge ändern, obwohl es keinen vernünftigen Grund für diese Erwartung bezüglich des Verhaltens der Konkurrenten gibt. Anders formuliert: Es wird unterstellt, daß die Unternehmer nicht nur an Gedächtnisschwund leiden, sondern auch, daß die Bildung von Preiserwartungen nicht durch rationale Überlegungen beeinflußt wird. Man wird im allgemeinen nicht erwarten können, daß Unternehmer, die sich durch diese Eigenschaften auszeichnen, dauerhaft ihr Angebot aufrechterhalten können. Ein kluger Unternehmer wird erkennen, daß es sich lohnt, die Produktion auszudehnen, wenn der Preis niedrig ist, und sie einzuschränken, wenn er hoch ist. Wenn genügend viele Anbieter sich so verhalten, verläuft

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

199

die Anpassung völlig anders als der Prozeß, der durch das Cobweb-Theorem beschrieben wird. Das Cobweb-Modell kann deshalb selbst in den Fällen nicht als allgemeine Anpassungshypothese aufgefaßt werden, in denen eine kontinuierliche Anpassung nicht möglich ist. Es beschreibt eher pathologische Ausnahmefälle, die allerdings durchaus eintreten können. So hat man für die Zeit vor 1914 einen sogenannten Schweinezyklus beobachtet. Das Angebot an Mastschweinen und die Schweinepreise schwankten zyklisch in einer Form, wie sie durch das Cobweb-Theorem beschrieben werden kann. 5.

Das kurz- und langfristige Gleichgewicht

Wir haben bei der Erörterung der Marktpreisbildung nicht zwischen kurz- und langfristigen Angebotskurven unterschieden. Tatsächlich galten die Darlegungen in diesem Abschnitt mutatis mutandis sowohl für die kurze als auch für die lange Periode. Der entscheidende Unterschied zwischen der kurzfristigen Gesamtangebotskurve und der langfristigen Gesamtangebotskurve besteht darin, daß langfristig das Angebot elastischer ist. In Abbildung 6.30 ist deshalb die langfristige Angebotskurve (lf. A) flacher als die kurzfristige Angebotskurve (kf. A). Zusätzlich wurde die uns schon aus dem zweiten Kapitel bekannte "momentane Angebotskurve" (m. A) eingezeichnet, die vertikal verläuft. Sie bezieht sich auf eine Periode, die so kurz ist, daß die Anbieter keine Möglichkeit haben, die Ausbringungsmenge zu variieren. Das Angebot ist vollkommen unelastisch.

In der Ausgangssituation bei der Nachfrage N 0 ist die Branche im kurz- und langfristigen Gleichgewicht. Der Gleichgewichtspreis ist p0, die Gleichgewichtsmenge ist x 0 . Wir wollen prüfen, wie sich der Gleichgewichtspreis verändert, wenn die Nachfrage von N 0 auf N, steigt. Aus Abbildung 6.30 ersieht man, daß in der sehr kurzen Periode, in der die Anbieter die Ausbringungsmenge nicht variieren können, die Anpassung allein durch die Preisänderung erfolgen muß. Der neue Gleichgewichtspreis ist pm. In der kurzen Periode, in der die Einsatzmenge einiger Faktoren variiert werden kann, steigt der Preis auf p k , die pro Periode ausgebrachte Menge erhöht sich ebenfalls. Langfristig steigt dagegen der Preis nur auf p„ die pro Periode ausgebrachte Menge steigt stärker als kurzfristig, weil die etablierten Unternehmen die Möglichkeit haben,

200

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

ihre Kapazität zu erweitern und weil neue Anbieter in den Markt eintreten können. Dabei wird in Abbildung 6.30 unterstellt, daß die langfristige Angebotskurve eine positive Steigung hat. Das braucht natürlich nicht so zu sein. Die langfristige Angebotskurve könnte auch horizontal verlaufen. In diesem Fall würde sich langfristig der Preis gar nicht verändern; die Ausbringungsmenge würde auf x', steigen. Diese Menge würde zum bisherigen Gleichgewichtspreis angeboten. Wäre die Angebotskurve negativ nach vorn geneigt, würde der Gleichgewichtspreis sogar sinken. Die Menge würde noch über x'i hinaus steigen. D.

Staatliche Höchstpreise

Im zweiten Kapitel wurden die Folgen analysiert, die sich ergeben, wenn der Staat auf einem Wettbewerbsmarkt Höchst- oder Mindestpreise festsetzt. In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, daß langfristig die Folgen gravierender sind als kurzfristig. In Abbildung 6.31 ist außer der kurz- und langfristigen Angebotskurve eine momentane Angebotskurve eingezeichnet, die vertikal verläuft. Der Staat setzt einen Höchstpreis OH fest, der unter dem Gleichgewichtspreis p0 liegt.

In der sehr kurzen Frist, in der das Angebot vollkommen unelastisch ist, verändert sich die angebotene Menge nicht, wenn der Staat den Höchstpreis OH festsetzt. Da jedoch die nachgefragte Menge von x0 auf x' steigt, ergibt sich ein Nachfrageüberschuß. Der Preis muß deshalb als Rationierungsinstrument durch irgendeine Form der Nichtpreisrationierung ergänzt werden. Kurzfristig sinkt die angebotene Menge auf xk. Der Nachfrageüberhang steigt auf x' - xk. Es wird nicht jene Menge produziert, bei der der soziale Überschuß ein Maximum ist. Der Gewinn der Konsumenten ist kleiner als der Verlust der Produzenten. Der soziale Überschuß sinkt um a+b+c. Langfristig sinkt die angebotene Menge auf x,. Der Nachfrageüberhang ist jetzt noch größer und beträgt x' - x,. Die Summe aus Konsumentenrente und Produzentenrente ist um die Flächen a + b + d + e kleiner als bei der Ausbringungsmenge x0.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

201

Bei dieser Betrachtung werden die Kosten der Nichtpreisrationierung außer acht gelassen. Dies wäre nur richtig, wenn es eine Methode der kostenlosen Rationierung nach der höchsten Zahlungsbereitschaft gäbe. Kommt es zum Beispiel infolge des Nachfrageüberhangs zu Warteschlangen, so stellen die Wartekosten Verluste für die Käufer dar, die den Preisvorteil zum Teil oder auch vollständig aufheben können. Aber auch wenn keine Wartekosten entstehen, ergeben sich Verluste, sofern die Güter nicht nach der maximalen Zahlungsbereitschaft verteilt werden. So mag die Verteilung auf die Käufer, die bereit sind, den Höchstpreis zu zahlen, rein zufällig sein. Der Käufer, der gerade noch bereit ist, den Höchstpreis zu zahlen, hat die gleiche Chance, beliefert zu werden, wie der Käufer, der bereit ist, einen viel höheren Preis zu zahlen. Es soll bei der folgenden Überlegung angenommen werden, daß jeder Käufer nur eine Einheit des Gutes zu kaufen wünscht. Betrachten wir den Fall der sehr kurzen Periode, in der das Angebot vollkommen unelastisch ist. Die angebotene Menge ändert sich also nicht, wenn der Staat einen Höchstpreis festsetzt. Wenn kostenlose Rationierung nach der höchsten Zahlungsbereitschaft möglich wäre, würde in Abbildung 6.32 infolge der Festsetzung des Höchstpreises OH die Konsumentenrente um b steigen, die Produzentenrente um b sinken. Die Konsumentenrente würde also von a auf a + b steigen. Ein Wohlfahrtsverlust ergäbe sich nicht. Abb. 6.32

p. A A

N

0

x

Bei Zufallsrationierung hat jeder, der das Gut zum Höchstpreis kaufen möchte, die gleiche Chance, das Gut zu erhalten. Die durchschnittliche Konsumentenrente ist deshalb 1/2 -AH. Der Erwartungs wert der gesamten Konsümentenrente ist 1/2- AH • XQ. Der Erwartungswert der Konsumentenrente wird in Abbildung 6.33 durch das schraffierte Dreieck AHB dargestellt. Die Fläche dieses Dreiecks ist um das Dreieck ABG kleiner als a + b in Abbildung 6.32. Infolge der Festsetzung des Höchstpreises sinkt also die Summe aus Produzentenrente und (erwarteter) Konsumentenrente um den Inhalt des Dreiecks ABG.

202

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Aus Abbildung 6.34 ersieht man, daß das Dreieck ABG inhaltsgleich mit dem Dreieck P 0 BG ist. Die Dreiecke ABG und P 0 BG sind Dreiecke mit gleicher Grundseite (BG) und Höhe (P 0 G).

Der Erwartungswert der Konsumentenrente steigt also nur um die Hälfte des Betrages, um den die Produzentenrente sinkt. (Diese sinkt um P 0 HBG; das entspricht der Fläche b in Abbildung 6.32). So gesehen ergibt sich bei Festsetzung des Höchstpreises OH und Zufallsrationierung ein Wohlfahrtsverlust von 1/2 • P 0 HBG oder von b/2. Betrachtet man statt der sehr kurzen Periode, in der die Angebotskurve vertikal verläuft, die kurze oder die lange Periode, so treten zu den Verlusten, die sich aus der Verringerung des Angebots ergeben, die Verluste hinzu, die mit der Nichtpreisrationierung verbunden sind. Es ist möglich, daß sich infolge der Höchstpreisfestsetzung die Käufer als Gruppe schlechter stehen als beim höheren Gleichgewichtspreis. Es soll abschließend geprüft werden, welche Wirkungen ein staatlicher Höchstpreis hat, wenn die langfristige Angebotskurve nach vorne geneigt ist.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

A b b . 6.35

203

P

A N

0

x

In Abbildung 6.35 ist p 0 der Gleichgewichtspreis und x 0 die Gleichgewichtsmenge. Der Staat setzt den Höchstpreis OH fest. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob sich keine besonderen Probleme ergäben. Beim Höchstpreis scheint die angebotene Menge größer zu sein als die nachgefragte Menge. Die angebotene Menge muß lediglich - so scheint es - auf die Menge x, reduziert werden, die nachgefragt wird. Tatsächlich bewirkt der Höchstpreis, daß das betrachtete Gut gar nicht mehr angeboten wird! Wenn bisher die Menge x 0 angeboten wurde, passen sich die Anbieter entsprechend der bei dieser Menge relevanten aggregierten Grenzkostenkurve ZK' 0 an. Sie schränken insgesamt die Produktion ein und würden die Menge x ' ausbringen, wenn die Mengeneinschränkung nicht mit einer Verschiebung der Kostenkurven verbunden wäre. Tatsächlich verschieben sich die Kostenkurven nach oben, wenn die insgesamt ausgebrachte Menge sinkt. Durch den Versuch, die Produktion weiter einzuschränken, verschieben sich die Kostenkurven weiter nach oben. Der Prozeß endet erst, wenn gar nichts mehr produziert wird. Man kann das Ergebnis auch noch anders begründen. Der Höchstpreis ist kleiner als der Preis, der mindestens gezahlt werden muß, damit die Anbieter die Menge x,, die zum Höchstpreis nachgefragt wird, auch anbieten. Würde die Menge x, produziert, könnten die Anbieter nicht ihre Kosten decken. Alle Anbieter würden Verluste erleiden. Das Angebot wird bei alternativen Mengen nur aufrechterhalten, wenn der Preis mindestens gleich dem Angebotspreis ist. Er muß also mindestens so hoch sein, daß ein Punkt auf der Angebotskurve realisiert wird. Eine bestimmte Menge wird nur nachgefragt, wenn der Preis höchstens gleich dem Nachfragepreis ist. Bei einem Höchstpreis, der wie O H kleiner ist als der Gleichgewichtspreis, gibt es keine Menge, bei der beide Bedingungen erfüllt werden können. Das Ergebnis kann noch anders begründet werden. Bei vorwärts geneigter Angebotskurve gibt die Angebotskurve an, welche Menge mindestens angeboten werden muß, damit die Anbieter ihre Kosten decken können. Nur wenn sie dazu in der L a g e sind, werden sie ihr Angebot aufrechterhalten. Die Nachfragekurve gibt an, welche Menge die Nachfrager höchstens bei gegebenem Preis zu kaufen bereit sind. Bei jedem Preis, der wie OH kleiner als p 0 ist, ist die Menge, die höchstens nachgefragt wird, kleiner als die Menge, die mindestens nachgefragt werden müßte, damit das Gut angeboten wird.

204

E.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Steuern und Subventionen

Schon im zweiten Kapitel wurde analysiert, wie eine Stücksteuer wirkt. In diesem Abschnitt soll ergänzend untersucht werden, wie sich die Erhebung einer Stücksteuer langfristig auswirkt. Wir haben gezeigt, daß die Einführung einer Stücksteuer die kurzfristige Angebotskurve nach oben verschiebt. Das gilt in gleicher Weise auch für die langfristige Angebotskurve. Die Erhebung einer Stücksteuer führt dazu, daß die langfristigen Stückkosten um den Betrag steigen, der pro Einheit als Steuer gezahlt werden muß. Die langfristige Stückkostenkurve verschiebt sich also um den Steuerbetrag nach oben. Eine gegebene Menge wird langfristig nur zu einem Preis angeboten, der um die Stücksteuer über dem bisherigen Preis liegt. Weil das Angebot langfristig elastischer ist als kurzfristig, wirkt eine Stücksteuer langfristig anders als kurzfristig. In Abbildung 6.36a verschiebt sich die kurzfristige Angebotskurve A 0 wegen der Einführung der Stücksteuer um den Steuerbetrag t nach oben. Der Preis, den die Käufer zu zahlen haben, steigt auf p,. Der Nettopreis der Anbieter sinkt auf p". Die Steuer wird nur zum Teil überwälzt. Die ausgebrachte Menge sinkt von x 0 auf x,.

Abb. 6.36

a)

b)

In Abbildung 6.36b verläuft die langfristige Angebotskurve horizontal. Die Branche ist also eine "constant cost industry". Durch die Einführung der Stücksteuer verschiebt sich die Angebotskurve um den Betrag t, der pro Einheit als Steuer zu zahlen ist, nach oben. Der Preis steigt um den vollen Betrag der Stücksteuer. Die Steuer wird also vollständig überwälzt. Der Nettopreis d e r Anbieter sinkt nicht. Die Gleichgewichtsmenge sinkt von x 0 auf x,. Sie sinkt langfristig stärker als kurzfristig. Durch die Einführung der Stücksteuer ändert sich die Menge nicht, bei der die individuellen Stückkostenkurven ein Minimum haben. Das bedeutet, daß die Zahl der Unternehmen sinkt, die das Gut X anbieten, wenn die individuellen langfristigen Stückkostenkurven u-förmig verlaufen.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

205

Die langfristige Angebotskurve wird zwar stets flacher verlaufen als die kurzfristige Angebotskurve, sie braucht aber keine Parallele zur x-Achse zu sein. Abbildung 6.37 zeigt, wie eine Stücksteuer wirkt, wenn die langfristige Angebotskurve eine positive Steigung hat.

Der Gleichgewichtspreis steigt von p 0 auf p,. Der Preis steigt um einen Betrag, der kleiner ist als der Betrag, der pro Ausbringungseinheit als Steuer zu zahlen ist. Die Steuer wird nicht vollständig auf die Käufer überwälzt. Der Nettopreis der Anbieter sinkt auf p". Dies wirft die Frage auf, ob die neue Situation ein langfristiges Gleichgewicht sein kann. Wenn die Ausgangssituation ein langfristiges Gleichgewicht war, bei dem alle Anbieter im Minimum der langfristigen Stückkosten produzierten und beim Preis p 0 gerade ihre Kosten decken konnten, so fragt es sich, ob sie bei dem Nettopreis p" nicht Verluste machen. Wenn das so wäre, könnte die neue Situation kein langfristiges Gleichgewicht sein. Diese Überlegungen sind jedoch irreführend. Die langfristige Angebotskurve gibt an, wie hoch die minimalen langfristigen Stückkosten der individuellen Anbieter bei alternativen Mengen sind, die insgesamt von der Branche produziert werden. Jeder Punkt auf der langfristigen Angebotskurve ist ein potentielles langfristiges Gleichgewicht. Die Anbieter können auch bei dem niedrigeren Nettopreis p~ ihre Kosten decken, weil die Produktionskosten sinken, wenn der Branchenoutput von Xo auf x, sinkt. Wenn zum Beispiel die langfristige Angebotskurve deshalb steigt, weil mit steigendem Branchenoutput die Faktorpreise steigen, so führt umgekehrt ein sinkender Branchenoutput dazu, daß die Faktorpreise sinken. Der Verlauf der langfristigen Angebotskurve in Abbildung 6.37 gibt an, daß die minimalen langfristigen Durchschnittskosten von p 0 auf p" sinken, wenn der Output der Branche von x 0 auf x, sinkt. Das bedeutet: Obwohl der Nettopreis der Anbieter sinkt, wird die Steuerlast nicht von den Anbietern getragen. Soweit die Steuer nicht von den Käufern in Form des gestiegenen Preises getragen wird,

206

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

findet eine Rückwälzung der Steuerlast statt, da die Produktionskosten sinken. Allerdings wird die Steuer in der Regel bewirken, daß ein Teil der Unternehmen ausscheiden muß, weil die kleinere Menge x, von weniger Unternehmen produziert wird als die Menge Xo.1 Es ist noch zu prüfen, wie die Erhebung einer Stücksteuer wirkt, wenn die Angebotskurve vorwärts geneigt ist. In Abbildung 6.38 sieht man, daß sich die Angebotskurve um den Betrag, der pro Einheit als Steuer zu zahlen ist (t), nach oben verschiebt. Dies bedeutet bei vorwärts geneigter Angebotskurve, daß sie sich zugleich nach rechts verschiebt! Die Menge, die mindestens angeboten werden muß, damit sich bei gegebenem Preis das Angebot lohnt, steigt.

Der Preis steigt von p 0 auf p,. Die Preissteigerung p, - p 0 ist größer als der Betrag t, der pro Einheit als Steuer gezahlt werden muß. Die Anbieter erzielen jedoch auch beim Preis p, keine Gewinne, weil wegen der sinkenden Produktionsmenge ihre Produktionskosten steigen. Die minimalen langfristigen Durchschnittskosten steigen infolge der Produktionseinschränkung und der Steuererhebung genau um den Betrag, um den der Preis gestiegen ist. Es ist jetzt nicht schwierig zu analysieren, wie eine Subvention wirkt, bei der der Staat den Unternehmen pro Ausbringungseinheit eine Subvention von s DM zahlt. Die Subvention bewirkt, daß sich die langfristige Angebotskurve um den Betrag der Subvention s nach unten verschiebt. Im Fall der constant cost industry bewirkt das, daß der Gleichgewichtspreis um den Betrag, der pro Einheit als Subvention gezahlt wird, sinkt. Hat die langfristige Angebotskurve eine positive Steigung (increasing cost industry), so sinkt der Gleichgewichtspreis um einen Betrag, der kleiner ist als s. Ist die langfristige Angebotskurve vorwärts geneigt, so ist die Preissenkung größer als der Betrag, der pro Einheit vom Staat als Subvention gezahlt wird.

1

Dies ist nicht notwendig so. Die Kostensenkung, die mit der Verringerung des Branchenoutputs verbunden ist, kann bewirken, daß das Minimum der langfristigen Stückkostenkurve bei einer kleineren Ausbringungsmenge liegt.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

F.

207

Vollständige Konkurrenz und Effizienz

Im ersten Kapitel haben wir die Grundfragen erörtert, auf die in jedem Wirtschaftssystem eine Antwort gefunden werden muß. Diese Grundfragen waren: 1. Was soll produziert werden? 2. Wie soll produziert werden? 3. Wie sollen die produzierten Güter verteilt werden? Wir können jetzt angeben, wie diese Fragen in einem marktwirtschaftlichen System gelöst werden, in dem auf allen Märkten vollständige Konkurrenz herrscht. Wir unterstellen, daß Produktion und Konsum nicht mit technologischen externen Effekten verbunden sind. Wir behandeln die einfachste Frage nach der richtigen Verteilung der Güter zuerst, die komplexe Frage nach der optimalen Produktionsstruktur zuletzt. 1.

Die Verteilung der Güter

Wenn die produzierten Güter so auf die Konsumenten verteilt werden, daß es nicht mehr möglich ist, durch Umverteilung einen besser zu stellen, ohne daß man einen anderen schlechter stellt, nennt man die Verteilung paretooptimal. Ist es möglich, durch bloße Umverteilung alle besser zu stellen oder zumindest einen besser zu stellen, ohne daß deshalb irgend jemand schlechter gestellt werden muß, läßt sich die Wohlfahrt noch erhöhen. Wenn zum Beispiel A. Kaffee erhält, den er nicht mag und B. Tee bekommt, obwohl er lieber Kaffee hätte, wäre es möglich, durch Umverteilung beide besser zu stellen. Die Verteilung in der Ausgangssituation wäre nicht optimal im Sinne des Paretokriteriums. Wenn die Güter paretooptimal verteilt werden sollen, müssen die unterschiedlichen Präferenzen der Bürger bei der Verteilung berücksichtigt werden. Die Präferenzen sind unmittelbar nur den Bürgern selbst bekannt. Die Informationen über die Präferenzen sind nicht in zentralisierter Form verfügbar. Die marktwirtschaftliche Lösung des Verteilungsproblems besteht darin, dieses Wissen über die Präferenzen zu nutzen, indem man die Kaufentscheidungen denen überläßt, die allein unmittelbar über die Kenntnisse verfügen: den Bürgern selbst. A., der Tee trinkt, aber keinen Kaffee mag, wird Tee kaufen und keinen Kaffee, während B., der Kaffee trinkt, aber keinen Tee, Kaffee kauft. Frau Krause, die ein Paar weiße Tennisschuhe Größe 38 braucht, wird diese und nicht ein Paar schwarze Fußballschuhe Größe 44 kaufen. Familie Müller wird ihren Präferenzen entsprechend viel Kraut und wenig Rüben kaufen, während Familie Schmidt mehr Rüben als Kraut erwirbt, weil dies ihren Vorlieben entspricht. Es ergibt sich eine Verteilung der Güter auf die Konsumenten, die den unterschiedlichen Präferenzen Rechnung trägt. Es ist nicht möglich, durch Umverteilung der Güter einen besser zu stellen, ohne einen anderen schlechter zu stellen. Dieses Ergebnis soll abschließend für ein Zweigütermodell formal abgeleitet werden. In unserer Modellwirtschaft werden nur die Güter X und Y produziert und von den Haushalten gekauft. Jeder Haushalt wird bestrebt sein, das Einkommen so auszugeben, daß sein Nutzen maximiert wird. Aufgrund des Äquimarginalprinzips wird der nutzenmaximierende Haushalt solche Mengen der Güter X und Y kaufen, daß der

208

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Grenznutzen der letzten Mark, die für das Gut X ausgegeben wird, gleich dem Grenznutzen der letzen Mark ist, die für das Gut Y ausgegeben wird. Im Zweigüterfall gilt also: Ux = Uy Px

Py

Dies läßt sich auch schreiben als Ux = Px TJy py Die Haushalte werden solche Mengen kaufen, daß das Grenznutzenverhältnis gleich dem Preisverhältnis ist. Da bei vollständiger Konkurrenz alle Käufer die gleichen Preise zahlen müssen, ist das Grenznutzenverhältnis für alle Haushalte, die beide Güter kaufen, gleich. Betrachten wir nur die Haushalte A und B so gilt also: "u/

"u/

-Uy- A

-Uy-

Wenn also zum Beispiel der Preis von X doppelt so hoch ist wie der Preis von Y, werden alle Haushalte solche Mengen kaufen, daß der Grenznutzen von X doppelt so groß ist wie der Grenznutzen von Y. Bei unterschiedlichen Präferenzen werden die Haushalte die Bedingung Ux = Px Uy py erfüllen, indem sie unterschiedliche Mengen der Güter kaufen. Wenn p x doppelt so groß ist wie py und die Haushalte deshalb solche Mengen kaufen, daß sowohl für A wie für B der Grenznutzen von X doppelt so groß ist wie der Grenznutzen von Y, ist es nicht mehr möglich, einen besser zu stellen, ohne einen anderen schlechter zu stellen. A wäre bereit, maximal auf zwei Einheiten von Y zu verzichten, wenn er eine Einheit von X mehr bekäme. A könnte nur besser gestellt werden, wenn er für zwei Einheiten von Y mehr als eine Einheit von X erhielte. Aber B wäre bereit, maximal auf eine Einheit von X zu verzichten, wenn er zwei Einheiten von Y zusätzlich bekäme. Es wäre also nicht möglich, A besser zu stellen, ohne B schlechter zu stellen. Die Verteilung, die sich bei freier Konsumwahl ergibt, ist paretooptimal. Wenn man die Güter ohne Markt in einer reinen Zuteilungswirtschaft auf die Konsumenten verteilte, könnten die unterschiedlichen Präferenzen nicht adäquat berücksichtigt werden, weil das Informationsproblem nicht bewältigt werden könnte. Es ist nicht möglich, Informationen von Millionen von Haushalten in bezug auf Millionen von Gütern an eine zentrale Instanz zu leiten, so daß diese aufgrund der Informationen die Güter richtig verteilen kann.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

209

Deshalb hat man sich auch in den zentral geplanten Volkswirtschaften des traditionellen sowjetischen Typs des Marktes bedient, um das Verteilungsproblem zu lösen. Da die staatlichen Festpreise häufig keine Gleichgewichtspreise waren, konnten die Konsumenten oft nicht das kaufen, was sie kaufen wollten. Die sich ergebende Verteilung war nicht paretooptimal. Sie war aber dennoch weit besser als sie es bei einer reinen Zuteilungswirtschaft sein konnte. Tatsächlich sind es die marktwirtschaftlichen Elemente, die in das System der im Prinzip zentral geplanten Volkswirtschaften sowjetischen Typs eingefügt worden sind, die in der Vergangenheit die größten Absurditäten verhindert haben. 2.

Effizienz der Produktion

In einer Volkswirtschaft wird effizient produziert, wenn mit gegebenem Faktoreinsatz möglichst viel produziert wird. Das bedeutet: Es ist nicht mehr möglich, die Produktion eines Gutes zu erhöhen, ohne daß die Produktion eines anderen Gutes vermindert wird. In Abbildung 6.39 wird nicht effizient produziert, wenn die Produktionsfaktoren so eingesetzt werden, daß ein Punkt A realisiert wird, der unterhalb der Transformationskurve liegt.

Es ist möglich, mehr von Y herzustellen, ohne daß die Produktion von X vermindert werden muß, wenn statt A der Punkt p, erreicht wird. Nur wenn Punkte wie p, oder p 2 realisiert werden, die auf der Transformationskurve liegen, ist es nicht mehr möglich, die Produktion eines Gutes zu erhöhen, ohne die eines anderen Gutes zu verringern. Nur wenn die Faktoren so eingesetzt werden, daß Punkte auf der Transformationskurve erreicht werden, ist die Produktion effizient. Es soll gezeigt werden, daß die Aufgabe, effizient zu produzieren, in einem marktwirtschaftlichen System mit vollständiger Konkurrenz auf allen Märkten gelöst wird. Wir betrachten zunächst eine Branche, in der viele Unternehmen das Gut X herstellen. Es wird effizient produziert, wenn mit gegebenem Faktoreinsatz möglichst viel von X hergestellt wird. Das kann nur erreicht werden, wenn das pyhsische Grenzprodukt eines Faktors in allen Unternehmen gleich groß ist, in denen mit Hilfe dieses Faktors das Gut X hergestellt wird. Das Grenzprodukt eines Faktors V (GPV) muß also im Unternehmen A genauso groß sein, wie im Unternehmen B. Wenn nämlich das Grenzprodukt des

210

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Faktors V im Unternehmen A größer wäre als im Unternehmen B, könnte mit gegebenem Faktoreinsatz die Produktion von X erhöht werden, indem eine Einheit des Faktors V mehr im Unternehmen A und eine Einheit weniger im Unternehmen B eingesetzt wird. Damit effizient produziert wird, muß also die Bedingung Grenzprodukt des Faktors V in der Produktion von X im Unternehmen A

Grenzprodukt des Faktors V in der Produktion von X im Unternehmen B

=

oder GPV*

GPVb

=

erfüllt sein. Das einzelne Unternehmen maximiert seinen Gewinn, wenn es die Bedingung Grenzwertprodukt gleich Faktorpreis erfüllt. p x GPV x = q GPV X = — Px Diese Bedingung wird sowohl von Unternehmen A als auch von Unternehmen B erfüllt. (1)

GPV* = —

;

(2)

PX

GPVb=Px

Da alle Unternehmen für den Produktionsfaktor V den gleichen Preis zahlen und alle Unternehmen das Gut X zum gleichen Preis verkaufen, sind in den Gleichungen 1 und 2 die rechten Seiten gleich. Daraus folgt: GPV* = GPV„ Das gilt für jeden beliebigen Faktor, der in der Produktion von X eingesetzt wird. Es kommt also bei vollständiger Konkurrenz zu einer optimalen Verteilung der Produktionsfaktoren auf die Unternehmen, die das gleiche Gut herstellen. Damit wird jedoch noch nicht gewährleistet, daß in der Volkswirtschaft insgesamt effizient produziert wird. Denn auch wenn die Bedingung, daß das Grenzprodukt eines Faktors in allen Unternehmen gleich groß ist, die das gleiche Gut herstellen, in bezug auf alle Faktoren und alle Güter erfüllt ist, kann es noch möglich sein, die Produktion eines Gutes zu erhöhen, ohne daß deshalb die Produktion eines anderen Gutes vermindert werden muß.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

211

Wenn das physische Grenzprodukt der Faktoren Arbeit und Boden in allen Unternehmen gleich ist, die Weizen produzieren, ist es nicht mehr möglich, die Produktion von Weizen zu erhöhen, indem man die Faktoren anders auf die Unternehmen verteilt, die Weizen herstellen. In gleicher Weise wird gewährleistet, daß die Produktion von Blumenkohl nicht mehr erhöht werden kann, indem man die in der Produktion von Kohl eingesetzten Faktoren anders auf die Unternehmen verteilt, die dieses Produkt erzeugen. Das schließt aber nicht aus, daß die Produktion von Kohl noch erhöht werden kann, ohne die Produktion von Weizen zu verringern, indem zum Beispiel Kohl arbeitsintensiver und Weizen weniger arbeitsintensiv hergestellt wird. Wenn in einer Volkswirtschaft die Güter X und Y mit Hilfe der Faktoren 1 und 2 hergestellt werden, so ist in allen Unternehmen, in denen mit Hilfe des Faktors 1 das Gut X hergestellt wird, das Grenzprodukt des Faktors 1 (GPV*) gleich groß. Auch das Grenzprodukt des Faktors 2 (GPV*) ist in allen Betrieben gleich, die das Gut X herstellen. Das Gleiche gilt in bezug auf das Grenzprodukt des Faktors 1 (GPV^) und das Grenzprodukt des Faktors 2 (GPVj) in der Produktion von Y. Das bedeutet aber nicht, daß die Bedingung GPVf

GPV?

GPV* ~ G P V j erfüllt ist. Es könnte zum Beispiel so sein, daß das Grenzprodukt des Faktors 1 in der Produktion von X in allen Betrieben vier ist, das Grenzprodukt des Faktors 2 in allen Betrieben, in denen das Gut X hergestellt wird, gleich eins ist. Das Grenzprodukt der Faktoren 1 und 2 in der Produktion von Y könnten zum Beispiel jeweils gleich zwei sein. Die Bedingung GPV?

GPV[

GPV? ~ GPV2 wäre nicht erfüllt. In unserem Beispiel ergäbe sich: 4

2

Es wäre möglich, mit gegebenem Faktoreinsatz die Produktion von X zu erhöhen, ohne daß man die Produktion von Y verringern müßte. Wird zum Beispiel eine Einheit des Faktors 1 aus der Produktion von Y abgezogen und in der Produktion von X eingesetzt, so ergibt sich: AX + 4

AY - 2

212

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Wird eine Einheit des Faktors 2 aus der Produktion von X abgezogen und in der Produktion von Y eingesetzt, erhält man: AX -1

AY +2

Insgesamt ergibt sich: AX + 4 + 3

AY - 2

±2

0

Die Produktion von X könnte also um drei Einheiten erhöht werden, ohne daß die Produktion von Y sinkt. In der Ausgangssituation wurde nicht effizient produziert. Offenbar ist es immer möglich, durch Umverteilung der Faktoren die Produktion eines Gutes zu erhöhen, ohne die eines anderen Gutes zu vermindern, wenn die Bedingung GPVf

GPVi

GPV? ~ G P V j nicht erfüllt ist. Wenn bei vollständiger Konkurrenz effizient produziert werden soll, muß also auch diese Bedingung erfüllt sein. Die Unternehmen, die ihren Gewinn maximieren, setzen bei vollständiger Konkurrenz solche Faktormengen ein, daß das G r e n z w e r t p r o d u k t gleich d e m F a k t o r p r e i s ist. Für die in der Produktion von X eingesetzten Faktoren 1 und 2 gilt also: P*GPVf = q, P*GPV2x = q 2 Daraus folgt: GPVf

q,

GPV?

q2

Analog gilt für die in der Produktion von Y eingesetzten Faktoren: pyGPVi=q, PyGPVj = q 2 oder

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

GPVT

q,

GPVl

q2

213

Da die Hersteller von X die gleichen Faktorpreise zahlen wie die Hersteller von Y gilt: GPVf _ q, _ GPVy GPV* _ 12 _ GPVj Bei vollständiger Konkurrenz wird also auch die Bedingung für eine optimale Verteilung der Faktoren auf die einzelnen Branchen erfüllt. In einer Volkswirtschaft mit vollständiger Konkurrenz auf allen Märkten wird effizient produziert. Um effizient zu produzieren ist es notwendig, das Wissen über die Produktionsmöglichkeiten, die Kenntnisse der "besonderen Umstände des Ortes und der Zeit", die nur in dezentralisierter Form in Hunderttausenden von Unternehmen verfügbar sind, zu nutzen. In einem marktwirtschaftlichen System geschieht das, indem man die Produktionsentscheidungen denen überläßt, die unmittelbar über jenes Wissen verfügen: den Unternehmen selbst. Der Gewinnanreiz veranlaßt sie, eine gegebene Menge mit möglichst geringen Kosten zu produzieren. Durch den Druck des Wettbewerbs werden sie dazu gezwungen. Die Produktionsfaktoren müssen aber auch optimal auf die einzelnen Unternehmen und die Produktion der verschiedenen Güter verteilt werden. Eine außerordentlich komplexe gesamtwirtschaftliche Koordinationsaufgabe muß gelöst werden. Wir haben gezeigt, wie in einem marktwirtschaftlichen System diese Koordinationsaufgabe mit Hilfe des Preissystems gelöst werden kann. 3.

Die optimale Produktionsstruktur

Wir haben im letzten Abschnitt gezeigt, daß bei vollständiger Konkurrenz auf allen Märkten effizient produziert wird. Graphisch gesehen bedeutet dies, daß auf der Transformationskurve Punkte wie p, und p2 erreicht werden. Abb. 6.40

y

0

X,

X

2

X

214

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Effiziente Produktion schließt aber nicht aus, daß viel Kartoffeln und wenig Fleisch oder viel Bier und wenig Milch erzeugt werden, obwohl die Bürger es vorziehen würden, mehr Fleisch und weniger Kartoffeln oder mehr Milch und weniger Bier zu konsumieren. Anders gesagt: Wenn effizient produziert wird, bedeutet dies noch nicht, daß die Produktionsstruktur optimal ist. Die Frage, was produziert werden soll, wird nicht schon dann befriedigend gelöst, wenn die Produktion so organisiert wird, daß Punkte auf der Transformationskurve realisiert werden. Wir können dies mit Hilfe von Abbildung 6.40 erläutern. Wird der Punkt p, auf der Transformationskurve realisiert, so wird effizient produziert. Von Gut X und Gut Y werden die Mengen x, und y, erzeugt. Es ist aber denkbar, daß alle Bürger besser gestellt werden können, wenn die dem Punkt p 2 entsprechenden Mengen x 2 und y 2 der Güter X und Y produziert werden. Es ist möglich, daß der Betrag, den die Bürger für die zusätzliche Menge Ax des Gutes X zu zahlen bereit sind, größer ist als der Betrag, den sie maximal für die Menge Ay des Gutes Y zu zahlen bereit sind, auf die sie verzichten müßten, wenn die Produktion von X um Ax erhöht wird. Der Übergang von p, zu p 2 wäre also eine Verbesserung, wenn der Wert der zusätzlichen Produktion bei Gut X gemessen an der Zahlungsbereitschaft der Bürger - größer wäre als der Wert des Produktionsausfalls bei Gut Y. Wenn die Produktion von X erhöht werden soll, müssen Produktionsfaktoren aus der Produktion von Y abgezogen werden. Der Wert der zusätzlichen Produktion, der sich ergibt, wenn eine Einheit eines Faktors zusätzlich in der Produktion von X eingesetzt wird, ist das Grenzwertprodukt dieses Faktors. Der Wert des Produktionsausfalls, der sich in der Produktion von Y ergibt, weil dort eine Faktoreinheit abgezogen wird, ist das Grenzwertprodukt des Faktors in der Produktion von Y. Es ergibt sich eine Verbesserung, wenn die Produktion von X erhöht wird und die Produktion von Y entsprechend vermindert wird, sofern das Grenzwertprodukt eines Faktors in der Produktion von X größer ist als das Grenzwertprodukt des gleichen Faktors in der Produktion von Y. Daraus folgt: Die Produktionsstruktur ist nur dann optimal, wenn für jeden beliebigen Faktor das Grenzwertprodukt in der Produktion aller Güter gleich ist. In unserem Zweigütermodell wird eine optimale Produktiosstruktur nur dann verwirklicht, wenn gilt: Grenzwertprodukt eines Faktors in der Produktion von X

=

Grenzwertprodukt des gleichen Faktors in der Produktion von Y

oder px G P V X

=

py G P V Y

Es soll geprüft werden, ob diese Bedingung in einem marktwirtschaftlichen System erfüllt wird, in dem auf allen Märkten vollständige Konkurrenz herrscht. Bei vollständiger Konkurrenz wird in allen Unternehmen, in denen mit Hilfe eines Faktors V das Gut X hergestellt wird, die Bedingung P*GPV x = q erfüllt. Die Unternehmen, die das Gut Y herstellen, realisieren die Bedingung py G P V y = q

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

215

Da bei vollständiger Konkurrenz die Y-Produzenten für den gleichen Faktor den gleichen Preis zahlen wie die X-Produzenten, sind in den beiden letzten Gleichungen die rechten Seiten gleich. Daraus folgt: px G P V X = py G P V Y

Die Bedingung für eine optimale Produktionsstruktur wird also in einem marktwirtschaftlichen System erfüllt, in dem es auf allen Märkten vollständige Konkurrenz gibt. Es werden solche Mengen von den einzelnen Gütern produziert, daß es nicht möglich ist, irgendeinen Konsumenten besser zu stellen, indem von einem Gut weniger hergestellt wird und mit Hilfe der Faktoren, die dadurch verfügbar werden, mehr von einem anderen Gut hergestellt wird. Die Frage, was produziert werden soll, wird in diesem Sinne optimal gelöst. Die letzten Aussagen seien noch an einem Beispiel erläutert. In unserer Volkswirtschaft mögennurdieGüterXund Y hergestellt werden. Die Gleichgewichtspreise seien p , = 10 und py = 5. Jeder Haushalt kann die Mengen kaufen, die er bei diesen Preisen zu kaufen wünscht. Ein bestimmter Haushalt mag zum Beispiel pro Periode 10 Einheiten von X und 20 Einheiten von Y kaufen. Mit der gleichen Ausgabensumme von 200 könnte er auch 9 Einheiten von X und 22 Einheiten von Y kaufen. Wenn er 10 Einheiten von X und 20 Einheiten von Y kauft, bekundet er damit, daß er diese Mengen allen anderen Mengen vorzieht, die er auch hätte kaufen können. Wie haben schon gezeigt, daß in unserer Volkswirtschaft die Bedingung px GPV X = py GPV Y erfüllt wird. Wenn in unserem Zahlenbeispiel p, doppelt so groß ist wie py, so wird die Gleichung p, GPV X = py GPV Y nur erfüllt, wenn das Grenzprodukt des betrachteten Faktors in der Produktion von Y doppelt so groß ist wie das Grenzprodukt dieses Faktors in der Produktion von X. Wenn also zum Beispiel das Grenzprodukt des Faktors V in der Produktion von X gleich eins ist, so muß das Grenzprodukt dieses Faktors in der Produktion von Y zwei sein. Das bedeutet: wenn die Produktion von X um eine Einheit eingeschränkt wird, könnte man maximal zwei Einheiten von Y herstellen. Wir hatten bereits gesehen: Wenn die Preise p , = 10 und py = 5 Gleichgewichtspreise sind, so wird jeder Haushalt solche Mengen der Güter X und Y kaufen, die er alternativen Mengen vorzieht, die er auch hätte kaufen können. Das bedeutet in unserem Beispiel: Kein Haushalt kann bessergestellt werden, indem man die Produktion von X um eine Einheit reduziert und die Produktion von Y um zwei Einheiten erhöht. Es ist nicht möglich, mit Hilfe der Ressourcen, die verfügbar werden, wenn von einem Gut weniger produziert wird, eine Menge eines anderen Gutes zu produzieren, die irgendein Haushalt höher bewertet als die Menge des Gutes, auf die er verzichten muß. Keine denkbare Veränderung der Produktionsstruktur ist eine Verbesserung. Die sich bei vollständiger Konkurrenz ergebende Produktionsstruktur ist optimal.

216

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Die optimale Produktionsstruktur bei vollständiger Konkurrenz: Ein alternativer Beweis. Man kann noch auf eine andere Art zeigen, daß die Produktionsstruktur, die sich bei vollständiger Konkurrenz ergibt, optimal ist. Betrachten wir die Preisbildung für ein Gut X :

Beim Gleichgewichtspreis wird insgesamt die Menge x 0 nachgefragt und angeboten. Alle Haushalte können zum Gleichgewichtspreis p 0 die Mengen kaufen, die sie zu kaufen wünschen. Die letzte Einheit, die der einzelne Haushalt zum Gleichgewichtspreis p 0 kauft, wird von ihm noch mindestens so hoch eingeschätzt, wie die anderen Güter, die er für den Geldbetrag p 0 kaufen könnte. Der vertikale Abstand der Nachfragekurve von der Abszisse bei der Menge x 0 gibt deshalb den subjektiven Gebrauchswert an, den die letzte produzierte Einheit stiftet. Der vertikale Abstand der Angbotskurve von der Abszisse ist Ausdruck der Grenzkosten. Wird die Menge x 0 produziert, sind die Grenzkosten gleich dem Preis. Die Grenzkosten geben an, wie groß der Wert des Produktionsausfalls ist, der an anderer Stelle der Volkswirtschaft deshalb entsteht, weil die letzte Einheit des Gutes X produziert wird.' Würde eine kleinere Menge als x 0 produziert, zum Beispiel die Menge x,, so wäre der Nachfragepreis größer als die Grenzkosten. Die zusätzlichen Kosten, die entstehen, wenn die Produktion von x, auf x 0 ausgedehnt würde, gemessen durch die Fläche unter der Angebotskurve zwischen x, und x 0 , wären kleiner als der Wert der zusätzlichen Produktion, gemessen durch die Fläche unter der Nachfragekurve zwischen X! und XQ. Anders formuliert: Wird die Produktion von x, auf x 0 ausgedehnt, so wäre der Wert der

1

Die Grenzkosten von X sind K ' w = q / G P V X . Wegen q = p y • G P V Y gilt: K ' ( x ) = p y • G P V Y / G P V X . Der Quotient GPV / G P V ' ist die sogenannte Grenzrate der Transformation von Y in X . Er gibt die Zahl der Einheiten von Y an, um die die Produktion von Y vermindert werden muß, wenn X Y eine zusätzliche Einheit von X hergestellt werden soll. Ist zum Beispiel G P V = 1 und G P V = 2, so muß auf die Produktion von zwei Einheiten von Y verzichtet werden, wenn die Produktion Y X von X um eine Einheit erhöht werden soll. Also gibt K ' ( x ) = p„ • GPV / G P V den Wert des Produktionsausfalls an, der sich ergibt, wenn die Produktion von X um eine Einheit erhöht wird.

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

217

zusätzlichen Produktion von X größer als der Wert des Produktionsausfalls, der sich an anderer Stelle der Volkswirtschaft ergibt, weil dort Produktionsfaktoren abgezogen werden müssen. Verbesserungen sind also immer noch möglich, wenn die Bedingung Grenzkosten gleich Preis nicht erfüllt ist. Sie sind dann nicht mehr möglich, wenn die Bedingung Grenzkosten gleich Preis auf allen Märkten erfüllt ist. Dies ist aber der Fall, wenn auf allen Märkten vollständige Konkurrenz herrscht. Die Produktionsstruktur ist also bei vollständiger Konkurrenz optimal. Dies ist ein bemerkenswertes Ergebnis. Vergegenwärtigen wir uns: Wenn wir vom ökonomischen Selbstbestimmungspostulat ausgehen, müssen Aufbau und Struktur der Produktion durch die Präferenzen der Wirtschaftssubjekte bestimmt werden. Die Präferenzen von Millionen von Wirtschaftssubjekten in bezug auf Millionen von Gütern müssen die Produktionsentscheidungen bestimmen. Informationen über die Präferenzen sind nicht in zentralisierter Form verfügbar. Es gibt sie nur in den Köpfen von Millionen von Bürgern. Es ist notwendig, dieses nur in dezentralisierter Form verfügbare Wissen zu nutzen. Auch die Kenntnisse der Produktionsmöglichkeiten sind unmittelbar nicht in zentralisierter Form vorhanden, sondern nur in dezentralisierter Form in Hunderttausenden von Unternehmen. Es ist notwendig, dieses Wissen zu nutzen, damit effizient produziert wird. Die Unternehmen müssen aber auch veranlaßt werden, ihr Wissen über die Produktionsmöglichkeiten so zu nutzen, daß die Produktion auf die Präferenzen der Wirtschaftssubjekte abgestimmt wird. Eine Koordinationsaufgabe, die so komplex ist, daß sie unser Vorstellungsvermögen übersteigt, muß gelöst werden. Wir haben gezeigt, wie diese Aufgabe in einem "idealen" marktwirtschaftlichen System gelöst wird. Sie wird gelöst, ohne daß eine zentrale Instanz eingreift, ohne daß irgendjemand beauftragt wird, die gigantische kalkulatorische und organisatorische Aufgabe zu lösen. Sie wird gelöst, ohne daß den Bürgern überhaupt bewußt wird, daß eine unglaublich komplexe Aufgabe bewältigt werden muß. Literatur zum sechsten Kapitel Paul A. Samuelson, William D. Nordhaus, Economics, 13. Auflage, New York u.a. 1989,23. Kapitel: Competitive Supply and Competitive Markets, S. 539-565 Richard H. Leftwich, Ross D. Eckert, The Price System and Resource Allocation, 10. Auflage, Chicago u.a. 1988, elftes Kapitel: Pricing and Output under Pure Competition, S. 313-352 Edgar K. Browning, Jacqueline M. Browning, Microeconomic Theory and Applications, Boston/Toronto 1983, achtes Kapitel: Profit Maximisation and the Competitive Firm, S. 215-236; neuntes Kapitel: The Competitive Industry, S. 237-268 Jochen Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 5. Auflage, Berlin u.a. 1987, drittes Kapitel: Vollständige Konkurrenz auf einem Markt oder auf allen Märkten, S. 177-203 Edwin von Böventer u.a., Einführung in die MikroÖkonomie, 6. Auflage, München 1989, drittes Kapitel: Theorie der Unternehmung, S. 193-206; siebentes Kapitel: Koordination, S. 248-261

218

Sechstes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

Milton Friedman, Price Theory, Chicago 1976, fünftes Kapitel: The Relationship between Supply Curves and Cost Curves, S. 85-127 (schwierig) Richard Layard, Alan A. Walters, Microeconomic Theory, New York u.a. 1978, siebentes Kapitel: Cost, Supply and Competitive Equilibrium, S. 221-234 (schwierig)

Siebentes Kapitel Marktmacht und Marktversagen A. D a s M o n o p o l 1.

Beschreibung der Marktform

Von einem Monopol spricht man dann, wenn es auf einem Markt nur einen Anbieter gibt, dem viele Nachfrager gegenüberstehen. Es gibt keine Anbieter, die das gleiche Gut herstellen. Es gibt auch keine Anbieter, die Güter herstellen, die wegen ihrer Eigenschaften, Verwendungszwecke und Preisklasse als gute Substitutionsgüter anzusehen sind. Es wird unterstellt, daß der Markteintritt für potentielle Konkurrenten blockiert ist. Das heißt: Wenn der Monopolist einen Preis festsetzt, bei dem sein Gewinn maximiert wird, braucht er nicht zu befürchten, daß potentielle Konkurrenten in den Markt eindringen. Während bei vollständiger Konkurrenz die Anbieter sich nicht als Rivalen fühlen, weil es so viele Anbieter gibt, daß der Wettbewerb unpersönlich ist, hat der Monopolist keine Rivalen, weil er der einzige Anbieter ist. Das reine Monopol ist wie die Marktform der vollständigen Konkurrenz ein theoretischer Grenzfall, der sich analytisch als nützlich erwiesen hat. 2.

Ursachen von Monopolen

Es gibt verschiedene Faktoren, die eine Monopolstellung verursachen können. a. Ein einzelnes Unternehmen mag der alleinige Eigentümer der Vorräte an einem Rohstoff sein, der als Input benötigt wird, um ein bestimmtes Gut herzustellen. So benötigt man Bauxit, um Aluminium herzustellen. Vor dem letzten Weltkrieg war Alcoa praktisch der alleinige Eigentümer aller Bauxitlagerstätten in den USA. Alcoa hatte aus diesem und anderen Gründen in den USA als Aluminiumhersteller eine Monopolstellung. b. Ein Unternehmen kann auch eine Monopolstellung haben, weil es über Patente verfügt, durch die es anderen Unternehmen verwehren kann, das gleiche Produkt herzustellen oder das gleiche Produktionsverfahren anzuwenden. Allerdings wird es meistens Unternehmen geben, die gute Substitutionsgüter herstellen oder die das gleiche Gut mit Hilfe anderer Verfahren, die nicht patentgeschützt sind, produzieren. In besonderen Fällen kann aber durch Patente eine Monopolstellung begründet werden. c. Ein Unternehmen mag als einziges das Recht haben, ein bestimmtes Gut oder eine Leistung herzustellen. Der Zutritt von Konkurrenten wird durch den Staat verhindert. Das Monopol ist dann ein Ergebnis der staatlichen Rechtsordnung. Der Staat mag solche Monopole begründen, weil er glaubt, daß der Wettbewerb auf dem betrachteten Markt nicht funktionsfähig ist. Der Staat kann aber auch deshalb solche Monopole errichten und bewahren, weil er sich der Macht von Lobbyisten beugt.

220

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

d. Ein Unternehmen mag deshalb eine Monopolstellung haben, weil die langfristigen Stückkosten um so niedriger sind, je größer die produzierte Menge ist oder weil die minimale optimale Betriebsgröße relativ zur Gesamtnachfrage im Bereich großer Mengen liegt, so daß die nachgefragte Menge von einem Unternehmen kostengünstiger hergestellt werden kann als von zwei oder mehr Unternehmen. Man sagt in diesen Fällen auch, es Hege ein natürliches Monopol vor. 3.

Die Preisabsatzfunktion des Monopolisten

Da der Monopolist der einzige Anbieter eines Gutes ist, gibt die Marktnachfragekurve an, welche Mengen er bei alternativen Preisen absetzen kann. Die Marktnachfragekurve ist die Preisabsatzfunktion des Monopolisten. Sie hat eine negative Steigung. Der Marktpreis ist für den Monopolisten keine gegebene Größe. Er setzt den Preis. Der Preis ist für ihn Aktionsparameter. Er hat einen durch keine Konkurrenten begrenzten Preisspielraum. Abb. 7.1

P

0

x

Der Monopolist kann nicht wie der Anbieter in vollständiger Konkurrenz beliebige Mengen zum Marktpreis verkaufen. Je größer die Menge ist, die er absetzen möchte, um so niedriger ist der Preis, den er verlangen kann. Die Preisabsatzfunktion gibt an, wie hoch der Erlös pro Einheit ist, wenn alternative Mengen verkauft werden. Die Preisabsatzfunktion kann also auch als Durchschnittserlösfunktion eines Monopolisten aufgefaßt werden, der alle Einheiten zum gleichen Preis verkauft. Der fallende Verlauf der Gesamtnachfragekurve bedeutet, daß der Durchschnittserlös mit steigender Ausbringungsmenge sinkt. Um zu entscheiden, ob es sich lohnt, mehr oder weniger zu produzieren, kommt es nicht auf den Durchschnittserlös, sondern auf den Grenzerlös an. Da der Durchschnittserlös mit zunehmender Menge sinkt, ist der Grenzerlös kleiner als der Durchschnittserlös. In Abbildung 7.2 wird zusätzlich zur linearen Preisabsatzfunktion die Grenzerlösfunktion dargestellt. Der Grenzerlös ist positiv, wenn die Preiselastizität der Nachfrage größer als eins ist, er ist gleich Null, wenn die Preiselastizität gleich eins ist und er ist negativ, wenn die Preiselastizität kleiner als eins ist.

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

Abb. 7.2

P

0

4.

221

x

Die Bestimmung des gewinnmaximalen Preises

Wenn der zusätzliche Erlös, der dem Absatz einer zusätzlichen Einheit zu verdanken ist, größer ist als die zusätzlichen Kosten der Produktion dieser zusätzlichen Einheit, kann der Monopolist seinen Gewinn noch erhöhen, indem er eine Einheit mehr produziert. Anders gesagt: Wenn der Grenzerlös größer ist als die Grenzkosten, lohnt es sich, die Ausbringungsmenge zu erhöhen. Der Monopolist maximiert seinen Gewinn, wenn er soviel produziert, daß der Grenzerlös gleich den Grenzkosten ist. a.

Graphische Lösung

Um graphisch die gewinnmaximale Menge und den gewinnmaximalen Preis zu bestimmen, muß zusätzlich zu der Preisabsatzfunktion und zu der Grenzerlösfunktion die Grenzkostenfunktion dargestellt werden. Abb. 7.3

P K'(x)

x

Durch den Schnittpunkt der Grenzerlöskurve mit der Grenzkostenkurve ist die gewinnmaximale Menge xm bestimmt. Bei dieser Menge sind die Grenzkosten gemessen durch den vertikalen Abstand der Grenzkostenkurve von der Abszisse - gleich dem Grenzerlös, der durch den vertikalen Abstand der Grenzerlöskurve von der Abszisse gemessen wird. Der Punkt C, der oberhalb von xm auf der Preisabsatzfunktion liegt,

222

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

heißt zu Ehren von Antoine Augustin Cournot ( 1 8 0 1 - 1 8 7 7 ) C o u r n o t s c h e r Punkt. Der Abstand des Punktes C von der Mengenachse gibt die Höhe des gewinnmaximalen Preises pra an. Würde statt der M e n g e x m eine kleinere oder größere Menge produziert, wäre die Bedingung Grenzkosten gleich Grenzerlös nicht erfüllt. Der Gewinn könnte erhöht werden, indem mehr oder weniger produziert wird. Wird zum Beispiel in Abbildung 7.4 statt der M e n g e x m die Menge x' produziert, so sind die Grenzkosten kleiner als der Grenzerlös. Abb. 7 . 4

Erhöht man die Produktion von x' auf x m , so sind die zusätzlichen Kosten gleich der Fläche unter der Grenzkostenkurve zwischen x' und x m . Die zusätzlichen Erlöse werden gemessen durch die Fläche unter der Grenzerlöskurve zwischen x' und x m . Der Gewinn steigt um die in Abbildung 7.4 schraffierte Fläche, wenn statt der Menge x ' die M e n g e x,„ produziert wird. U m graphisch anzugeben, wie hoch der Gewinn des Monopolisten ist, muß zusätzlich die Kurve der totalen Durchschnittskosten eingezeichnet werden. In Abbildung 7.5 sind die totalen Durchschnittskosten bei der gewinnmaximalen Menge 0 x m gleich Xj^B. Der Gewinn pro Stück ist B C und der Gesamtgewinn ist gleich 0 x m • B C . Der Gesamtgewinn wird in Abbildung 7.5 durch die schraffierte Fläche dargestellt. Man erkennt: Der Preis, den der gewinnmaximierende Monopolist festsetzt, liegt über den Grenzkosten. Die ausgebrachte Menge ist kleiner als die Menge, bei der die Grenzkostenkurve die Preisabsatzfunktion schneidet. Ein Monopolist ist nicht immer in der Lage, einen Gewinn zu erzielen. Wenn in Abbildung 7 . 5 die Kurve der totalen Durchschnittskosten die Preisabsatzfunktion im Punkt C tangierte, so wäre der Monopolist in der Lage, gerade seine gesamten Kosten zu decken. Liegt die Kurve der totalen Durchschnittskosten bei allen M e n g e n oberhalb der Preisabsatzfunktion, so erleidet der Monopolist einen Verlust. Der Monopolist würde langfristig (bei konstanter Kosten- und Nachfragefunktion) die Produktion einstellen. Kurzfristig lohnt es sich zu produzieren, wenn der Preis noch höher ist als die durchschnittlichen Opportunitätskosten.

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

223

Abb. 7.5 P,

X

b.

Algebraische Lösung

Der Gewinn des Monopolisten ist G(x) = R(x) - K(x) Man findet die gewinnmaximale Menge, indem man die erste Ableitung nach der Menge bildet und diese gleich Null setzt. dG dx

dR dx

dK = 0 dx dR dx

dK dx

Der Monopolist muß eine Menge ausbringen, bei der der Grenzerlös gleich den Grenzkosten ist. Die Bedingung zweiter Ordnung verlangt: d2G_d2R 2

d2K

2

dx ~ dx ~ d R dK 7< T dx2 dx2 Im Schnittpunkt der Grenzerlöskurve mit der Grenzkostenkurve muß die Steigung der Grenzerlöskurve algebraisch kleiner sein als die Steigung der Grenzkostenkurve. Diese Bedingung ist immer erfüllt, wenn die Grenzerlöskurve fällt und die Grenzkostenkurve eine positive Steigung oder eine Steigung von Null hat. Allgemeiner formuliert: Die Bedingung ist erfüllt, wenn die Grenzkostenkurve die Grenzerlöskurve von unten schneidet.

224

5.

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

Produktion in mehreren Betrieben

Wenn der Monopolist ein Gut in mehreren Betrieben herstellt, maximiert er nur dann seinen Gewinn, wenn er die Produktionsmenge so auf die Betriebe verteilt, daß die Kosten so gering wie möglich sind. Aufgrund des Äquimarginalprinzips muß er die Menge so verteilen, daß die Grenzkosten der Produktion in allen Betrieben gleich groß sind, in denen das Gut hergestellt wird. 1 Gewinnmaximierung bedeutet: K'(x,) = K'(X2) = ... = K'(x n ) = R'(x)

(x = x, + x 2 + . . . + x„)

Für einen Monopolisten, der ein Gut in zwei Betrieben herstellt, läßt sich die kostenminimale Aufteilung der Produktion graphisch darstellen. Abb. 7.6

B

0

x

Die Grenzkostenkurve des ersten Betriebes wird von O, die des zweiten Betriebes von 0'aus abgetragen. Die Bedingung für kostenminimale Produktion der Menge x ist erfüllt, wenn x, Einheiten im ersten Betrieb und x2 Einheiten im zweiten Betrieb produziert werden. Der Gewinn wird maximiert, wenn der Grenzerlös bei der Ausbringungsmenge x gleich OB ist. 6.

Die M a r k t m a c h t des Monopolisten

Bei vollständiger Konkurrenz wird die Bedingung Grenzkosten gleich Preis realisiert. Der Monopolist erzielt einen Monopolgewinn durch monopolistische Angebotsbeschränkung. Bei der gewinnmaximalen Menge sind die Grenzkosten kleiner als der Preis. Es liegt daher nahe, in der relativen Abweichung des Preises von den Grenzkosten ein Maß für die Marktmacht des Monopolisten zu sehen. Der amerikanische Ökonom Abba P. Lerner hat deshalb vorgeschlagen, die Marktmacht eines Monopolisten auf diese Art zu messen.

1

Um eine gegebene Menge mit minimalen Kosten zu produzieren, mag es notwendig sein, in einem oder mehreren Betrieben nichts zu produzieren.

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

225

Bei vollständiger Konkurrenz ist K' = p und der Lerner- Index ist Null. Der maximale Wert, den der Lerner-Index annehmen kann, ist eins. (Man beachte: Der Monopolist bietet stets im elastischen Bereich der Preisabsatzfunktion an). Da bei Gewinnmaximierung die Grenzkosten gleich dem Grenzerlös sind, also gleich p • (l - j ) , kann man den Lerner-Index auch schreiben als

L

p-p-i'-a P

i P

• e

Der Lerner-Index ist also gleich dem Kehrwert der Preiselastizität der Nachfrage. Das bedeutet: Je unelastischer die Nachfrage ist, um so größer ist die Marktmacht, gemessen durch den Lerner-Index. Das ist auch plausibel. Je schwieriger es für die Käufer ist, das vom Monopolisten hergestellte Gut durch andere Güter zu substituieren, je stärker also die Nachfrager auf das vom Monopolisten hergestellte Gut angewiesen sind, j e unelastischer daher die Nachfrage ist, um so stärker ist die Machtposition des Monopolisten. 7.

Der Wohlfahrtsverlust im Monopol

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht kann ein Monopol aus verschiedenen Gründen ineffizient sein. Der Monopolist bringt eine kleinere Menge aus als die Menge, bei der der soziale Überschuß maximiert wird. Fehlender Wettbewerbsdruck kann zu unnötig hohen Kosten führen. Es werden reale Ressourcen eingesetzt, um eine Monopolstellung zu erlangen oder zu verteidigen. a.

Monopolistische Angebotsbeschränkung

Der Monopolist realisiert die Bedingung Grenzkosten gleich Grenzerlös. Die Menge, die er produziert, ist kleiner als die Menge, bei der die Grenzkosten gleich dem Preis sind. Die angebotene Menge wird monopolistisch beschränkt. Abb. 7.7

226

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

In Abbildung 7.7 wird statt der gesamtwirtschaftlich optimalen Menge x c die Menge x m produziert. Würde statt der Menge x„, die Menge x c hergestellt, wäre der Wert der zusätzlichen Produktion gleich der Fläche unter der Nachfragekurve zwischen x m und xc. Diese Fläche gibt den Betrag an, den die Käufer maximal für die zusätzliche Produktion zu zahlen bereit sind. Die zusätzlichen Kosten, die entstehen, wenn die Produktion von x„, auf x c erhöht wird, sind gleich der Fläche unter der Grenzkostenkurve zwischen x„, und xc. Herrscht auf anderen Märkten vollständige Konkurrenz, so gibt diese Fläche den Wert des Produktionsausfalls an, der an anderer Stelle der Volkswirtschaft eintritt, wenn dort die Faktoren abgezogen werden, die benötigt werden, um die Produktion des Gutes X von x^ auf xc zu erhöhen. Die in Abbildung 7.7 schraffierte Fläche mißt den Wohlfahrtsverlust der monopolistischen Angebotsbeschränkung. Sie mißt die Differenz zwischen dem zusätzlichen Wert und den zusätzlichen Kosten einer Erhöhung der Produktion von x m auf xc. b.

Verteilungswirkungen des Monopols

Würde statt der Menge xm die Menge x c produziert und zum Preis p c verkauft, wäre der Preis, den die Käufer zu zahlen haben, um p m - p c niedriger. Die Einkommensverteilung wird im Monopol zu Lasten der Käufer verändert. Es findet ein Transfer der Konsumentenrente in Höhe von xm • (pm - p c ) von den Käufern auf den Anbieter statt. c.

" Rent-seeking"

In Abbildung 7.7 erzielt der Monopolist eine Rente von x,„ • (pm - p c ). Bei Konkurrenz würde sich der niedrigere Preis pc bilden, wenn alternative Mengen von vielen Unternehmen mit insgesamt den gleichen Kosten produziert werden könnten wie sie im Monopolfall entstehen. Wenn Konkurrenten durch staatliche Zugangsbeschränkungen am Markteintritt gehindert werden, ist der Monopolgewinn von xm • (pm - p c ) den durch den Staat errichteten Marktzutrittsschranken zu verdanken. Der Monopolist wird bereit sein, Ressourcen aufzuwenden, um die Monopolstellung zu begründen oder zu erhalten. Es lohnt sich, Juristen, Ökonomen oder Lobbyisten zu beschäftigen, um die politischen Entscheidungen zu beeinflussen. Es mag auch lohnend sein, Beamte oder Politiker durch Geldzahlungen günstig zu stimmen. Sofern die Ressourcen, die aufgewendet werden müssen, um eine Monopolstellung zu erlangen oder zu verteidigen, noch geringer sind als der diskontierte Wert der Monopolgewinne, sind die Ausgaben aus der Sicht des Monopolisten gerechtfertigt. In dem Maße, in dem reale Ressourcen aufgewendet werden, um Monopolrenten zu erhalten (rent-seeking), entsteht ein zusätzlicher volkswirtschaftlicher Verlust. d.

X-Ineffizienz

Eine weitere Ursache für Verluste infolge einer Monopolstellung ist die sogenannte X-Ineffizienz, ein Begriff, der von Harvey Leibenstein geprägt wurde. 1 Um mit minimalen Kosten zu produzieren, ist ein ständiger mühsamer Kampf gegen bürokratischen Leerlaufund Trott erforderlich. Während ein Anbieter in vollständiger Konkurrenz sich

1

Harvey Leibenstein, Allocative Efficiency vs. "x-Efficiency", American Economic Review, Band 56 (1966), S. 392-415.

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

227

langfristig im Markt nur behaupten kann, wenn er so kostengünstig wie möglich produziert, wird ein Monopolist durch keinerlei Konkurrenzdruck dazu gezwungen. Die Erfahrung zeigt, daß bei Intensivierung des Wettbewerbs die Kosten sinken. Wie schon Adam Smith beobachtete: "monopoly is a great enemy to good management". 1 Zwar ist der Gewinn des Monopolisten um so höher, je niedriger die Kosten sind, doch wird der Monopolist anders als ein Anbieter in vollständiger Konkurrenz nicht durch Konkurs bestraft, wenn seine Kosten unnötig hoch sind. Der Monopolist mag es vorziehen, ein ruhiges Leben zu führen. Auch die Beschäftigten mögen einem geringeren Leistungsdruck ausgesetzt sein oder besser bezahlt werden. Die mangelnde Effizienz in der Produktion schlägt sich in höheren Kosten nieder. Allerdings stellt nur ein Teil der zusätzlichen Kosten volkswirtschaftliche Verschwendung dar. Sofern zum Beispiel höhere Löhne gezahlt werden, sind die höheren Kosten der Preis, der für diese Insiderrenten gezahlt wird. Es kommt insoweit nur zu einer Umverteilung. Kommen auch die Beschäftigten eines Wirtschaftszweiges in den Genuß der Monopolrenten, wird der Monopolist im politischen Kampf um die Verteidigung des Monopols auf ihre Unterstützung zählen können. Sie werden gemeinsam um den status quo kämpfen. Das Interesse an der Erhaltung der Insiderrenten eint sie. Sie sind auch meist besser organisiert als die Käufer, die die höheren Preise zu zahlen haben oder denen schlechtere Leistungen angeboten werden. 8.

Die Bedeutung von Markteintrittsbarrieren

Ein Monopolist kann nur dann dauerhaft Monopolgewinne erzielen, wenn er durch Markteintrittsbarrieren vor potentiellen Konkurrenten geschützt ist. Ohne einen solchen Schutz müßte er mit einem Markteintritt neuer Anbieter rechnen. Wenn potentielle Konkurrenten jederzeit mit beliebig kleinen Mengen in den Markt eintreten könnten, ohne daß sie gegenüber dem Monopolisten einen Kostennachteil hätten, könnte der Monopolist zu keinem Zeitpunkt Preise durchsetzen, die höher als die Durchschnittskosten sind, weil er sofort durch potentielle Konkurrenten unterboten würde. Der Monopolist würde in diesem Fall auf einem Markt vollkommener potentieller Konkurrenz anbieten. 2 Markteintrittsbarrieren irgendeiner Art sind eine notwendige Bedingung dafür, daß Marktmachtgewinne entstehen. Ein Markt vollständiger potentieller Konkurrenz ist ein theoretischer Grenzfall. In aller Regel vergeht Zeit, bis potentielle Konkurrenten in den Markt eintreten. Der Monopolist kann deshalb kurzfristig Monopolgewinne erzielen, wenn er es in Kauf nimmt, daß durch seine Gewinne potentielle Konkurrenten veranlaßt werden, in den Markt einzutreten. Der Monopolist kann aber auch mittel- oder langfristig vor dem Markteintritt neuer Anbieter geschützt sein. So mag der Monopolist aufgrund seines Know-hows oder weil er über patentgeschützte Produktionsverfahren verfügt, kostengünstiger produzieren können als potentielle Konkurrenten. Der Monopolist ist dann durch absolute Kostenvorteile vor potentiellen Konkurrenten geschützt. Ist dieser Kostenvorteil so

1

Adam Smith, An Inquiry Into The Nature and Causes of the Wealth of Nations, (Erstauflage 1776), Band 1, Edwin Cannan (Hrsg.), Methuen: London 1961, S. 165.

2

Der Begriff stammt von Meade. Vergleiche James E. Meade, Die stationäre Wirtschaft, Köln 1971, S. 31.

228

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

groß, daß es sich für potentielle Konkurrenten auch dann nicht lohnt, in den Markt einzutreten, wenn der Monopolist seinen kurzfristigen Gewinn maximiert, ist der Markteintritt blockiert. Die Annahme, der Markteintritt sei blockiert, lag unserer Analyse der Monopolpreisbildung zugrunde. Ist der absolute Kostenvorteil geringer, so daß bei kurzfristiger Gewinnmaximierung mit einem Markteintritt potentieller Konkurrenten zu rechnen ist, mag es der Monopolist vorziehen, einen niedrigeren eintrittsverhindernden Preis festzusetzen, um den Markteintritt potentieller Konkurrenten zu verhindern. Ein Monopolist kann auch durch sogenannte Produktdifferenzierungsvorteile vor potentiellen Konkurrenten geschützt sein. Die Käufer mögen das bekannte und eingeführte Produkt des Monopolisten den unbekannten Produkten potentieller Konkurrenten vorziehen, so daßdiese nur dann auf dem Markt Fuß fassen können, wenn sie ihr Produkt billiger verkaufen. Produktdifferenzierungsvorteile können so bewirken, daß der Monopolist einen gewissen, vor Konkurrenten geschützten Preisspielraum hat. Ein Monopolist kann schließlich auch durch einen Kostendegressionseffekt vor potentiellen Konkurrenten geschützt sein. Die langfristigen Durchschnittskosten mögen über einen weiten Bereich fallen, und die minimale optimale Betriebsgröße mag im Verhältnis zur Gesamtnachfrage groß sein. Ein potentieller Konkurrent, der aus Sicherheitsgründen nur dann in den Markt eintritt, wenn er seinerseits zu minimalen langfristigen Stückkosten produzieren kann, müßte eine Menge produzieren, die relativ zu der bisher vom Monopolisten produzierten Menge groß ist. Dies kann nach seinem Markteintritt zu so starken Preissenkungen führen, daß der Preis unter die Stückkosten des potentiellen Konkurrenten fällt. Ein Markteintritt mag sich in diesem Fall selbst dann nicht lohnen, wenn der Monopolist hohe Gewinne erzielt. Es mag sich für potentielle Konkurrenten auch nicht lohnen, mit kleineren Mengen in den Markt einzutreten, weil die Stückkosten dann zu hoch sind. Monopolisten sind allerdings dann nicht vor potentiellen Konkurrenten durch einen Kostendegressionseffekt geschützt, wenn es sich um einen sogenannten bestreitbaren Markt (engl.: contestable market) handelt. Ein bestreitbarer Markt liegt vor, -

wenn potentielle Konkurrenten jederzeit in den Markt eintreten können,

-

wenn potentielle Konkurrenten alternative Mengen zu den gleichen Kosten wie der Monopolist produzieren können,

-

wenn die benötigten Produktionsfaktoren nicht spezifisch sind, so daß durch den Markteintritt keine sunk costs entstehen und

-

wenn die Kunden stets von dem Unternehmen kaufen, das zuerst zu den niedrigsten Preisen anbietet.

Ein in diesem Sinne vollkommen bestreitbarer Markt ist wiederum ein theoretischer Grenzfall. Die entscheidende Prämisse ist die, daß durch den Markteintritt keine sunk costs entstehen, so daß ein Marktaustritt ohne Verluste jederzeit möglich ist. Nehmen wir an, daß Tausend Einheiten produziert werden müssen, um zu minimalen Stückkosten

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

229

von zehn DM zu produzieren. Nehmen wir der Einfachheit halber an, daß zu einem Preis von zehn DM genau Tausend Einheiten nachgefragt werden. Wenn der Monopolist nun einen Preis verlangt, der zehn DM übersteigt, würde er sofort durch potentielle Konkurrenten unterboten. Wenn später der Monopolist seinen Preis senkt, könnten die Konkurrenten den Markt ohne Verlust wieder verlassen. Um also den Markteintritt potentieller Konkurrenten zu verhindern, könnte der Monopolist keinen Preis verlangen, der die minimalen Stückkosten übersteigt. 9.

Preisdifferenzierung

Wir haben bisher angenommen, daß der Monopolist alle Einheiten des von ihm produzierten Gutes zum gleichen Preis verkauft. Unter bestimmten Umständen ist es dem Monopolisten möglich, die Preise zu differenzieren. Man kann zwei Grundformen der Preisdifferenzierung unterscheiden. Der Monopolist kann erstens von den Käufern unterschiedlich hohe Preise fordern. Wir nennen das Differenzierung nach Käufern oder Käufergruppen. Der Monopolist kann zweitens in Abhängigkeit von der Höhe der gekauften Menge unterschiedlich hohe Preise verlangen. Das soll quantitative Preisdifferenzierung genannt werden. Das Ziel, das durch Preisdifferenzierung erreicht werden soll, besteht darin, den Gewinn durch Abschöpfung von Konsumentenrente zu erhöhen. Es ist schwierig, Preisdifferenzierung befriedigend zu definieren. Man sagt, Preisdifferenzierung liege vor, wenn Einheiten des gleichen Gutes zu unterschiedlichen Preisen verkauft werden, ohne daß die Preisdifferenzen durch unterschiedlich hohe Kosten begründet sind. a.

Voraussetzungen für Preisdifferenzierung

Monopolistische Preisdifferenzierung ist nur möglich, wenn der Monopolist in der Lage ist, Arbitrage zu verhindern. Wenn die Käufer, die das Gut zu einem niedrigeren Preis erhalten, es an die Käufer weiterverkaufen können, von denen ein höherer Preis verlangt wird, ist erfolgreiche Preisdifferenzierung nicht möglich. Das klassische Beispiel für einen Monopolisten, der unterschiedliche Preise verlangen kann, weil er durch Arbitragebarrieren geschützt ist, ist das Dumping, bei dem der Monopolist auf dem Auslandsmarkt billiger verkauft als auf dem Inlandsmarkt, weil Transportkosten und Zölle einen Reimport verhindern. Vor allem bei Dienstleistungen ist Preisdifferenzierung häufig möglich, weil Produktion und Konsum uno actu erfolgen. Der Arzt, der von einem reichen Patienten für eine Blinddarmoperation einen höheren Preis verlangt als von einem armen Patienten, braucht nicht zu befürchten, daß Arbitrage stattfindet. Die Voraussetzung für Preisdifferenzierung ist auch in der Regel gegeben, wenn der Transport von Gütern wie Strom, Gas und Wasser an Leitungen gebunden ist, so daß ein Weiterverkauf nicht möglich ist. Wenn keine natürlichen Arbitragebarrieren vorhanden sind, kann man auch versuchen, künstliche Barrieren zu schaffen. Preisdifferenzierung ist zweitens nur möglich, wenn die Anbieter ein gewisses Maß an Marktmacht haben. Ein Anbieter in vollständiger Konkurrenz kann keine Preisdifferenzierung betreiben. Der Preis ist für ihn ein Datum. Seine Preisabsatzfunktion ist eine Parallele zur Mengenachse. Wenn er von den Käufern, die bereit sind, mehr für sein Gut zu zahlen, einen höheren Preis fordert, würden die Käufer bei seinen Konkurrenten kaufen. Wenn sich auf einem Teilmarkt ein höherer Preis bildete, würden alle Anbieter versuchen, diesen Teilmarkt zu beliefern. Der Prozeß hielte an, bis es nur noch einen

230

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

einheitlichen Preis gäbe. Allerdings braucht nicht der Lehrbuchfall des Monopols vorzuliegen, damit Preisdifferenzierung möglich ist. Nur ein gewisses Maß an Marktmacht oder bestimmte Marktunvollkommenheiten sind notwendig. b.

Differenzierung nach Käufern oder Käufergruppen

Es soll zunächst jene Form der Preisdifferenzierung analysiert werden, bei der unterschiedliche Käufer oder Käufergruppen unterschiedlich hohe Preise zahlen müssen. Im Anschluß an Pigou (1877-1959) unterscheidet man drei Arten: die vollkommene Preisdifferenzierung oder Preisdifferenzierung ersten Grades, die deglomerative Preisdifferenzierung oder Preisdifferenzierung zweiten Grades und die agglomerative Preisdifferenzierung oder Preisdifferenzierung dritten Grades. Vollkommene Preisdifferenzierung Bei der vollkommenen Preisdifferenzierung gelingt es dem Anbieter, die gesamte Konsumentenrente abzuschöpfen. Sie ist theoretisch möglich, wenn jeder Käufer nur eine Einheit kauft und der Monopolist von jedem Käufer den Preis verlangt, den dieser maximal zu zahlen bereit ist. Das setzt voraus, daß der Anbieter die Nachfragepreise der Käufer kennt. Der zusätzliche Erlös, den der Anbieter erzielt, wenn er eine zusätzliche Einheit verkauft, ist gleich dem Preis, den er für diese Einheit fordert. Der Grenzerlös ist gleich dem Preis. Die Gesamtnachfragekurve ist bei vollkommener Preisdifferenzierung die Grenzerlöskurve des Monopolisten. Der Monopolist maximiert seinen Gewinn, indem er die Menge ausbringt, bei der seine Grenzkosten gleich dem Grenzerlös sind. Er produziert die Menge, bei der seine Grenzkostenkurve die Gesamtnachfragekurve schneidet. In Abbildung 7.8 produziert er die Menge x,. Abb. 7.8

Nur die letzte Einheit wird zum marginalen Preis p, verkauft; für alle anderen Einheiten werden höhere Preise verlangt. Die gesamte Konsumentenrente wird abgeschöpft. Es kommt bei vollkommener Preisdifferenzierung nicht zu einer monopolistischen Angebotsbeschränkung. Es wird jene Menge produziert, bei der der soziale Überschuß maximiert wird.

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

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Deglomerative Preisdifferenzierung Bei der deglomerativen Preisdifferenzierung verlangt der Monopolist nicht von jedem Käufer den Preis, den dieser maximal zu zahlen bereit ist. Er faßt die Käufer nach ihrer Zahlungsbereitschaft zu Gruppen oder Absatzschichten zusammen und verlangt von jeder Gruppe einen einheitlichen Preis. In Abbildung 7.9 werden drei Gruppen gebildet. Abb. 7.9

Von der ersten Gruppe mit der höchsten Zahlungsbereitschaft, an die die Menge x, verkauft wird, wird der Preis p, verlangt. Die zweite Gruppe, die die Menge x2 - x, kauft, muß den Preis p2 zahlen. Die dritte Gruppe kauft die Menge x3 - x2 und zahlt den Preis p3. Die Konsumentenrente wird nicht vollständig abgeschöpft. Den Käufern verbleibt insgesamt Konsumentenrente in Höhe der schraffierten Dreiecke. Die Menge, die ausgebracht wird, ist größer als im einfachen Monopol. Deglomerative Preisdifferenzierung ist nur möglich, wenn kein Käufer der ersten Absatzschicht bei einem Preis, der niedriger ist als p, und kein Käufer der zweiten Absatzschicht zu einem Preis, der niedriger ist als p2, zusätzliche Einheiten kaufen würde. Wird der Gesamtmarkt in drei Absatzschichten zerlegt, so müssen bei Gewinnmaximierung die Preise so festgelegt werden, daß der Grenzerlös der ersten Absatzschicht gleich dem Preis der zweiten Absatzschicht, der Grenzerlös der zweiten Absatzschicht gleich dem Preis der dritten Absatzschicht und der Grenzerlös der dritten Absatzschicht gleich den Grenzkosten ist. Agglomerative Preisdifferenzierung Weit bedeutsamer als die vollkommene und die deglomerative Preisdifferenzierung ist die Preisdifferenzierung dritten Grades, die man auch agglomerative Preisdifferenzierung nennt. Wir wollen annehmen, daß der Monopolist auf zwei unterschiedlichen Teilmärkten anbietet oder daß er den Gesamtmarkt in zwei Teilmärkte aufspalten kann. Arbitrage zwischen den Teilmärkten sei nicht möglich. Wenn der Monopolist das Gut auf den beiden Teilmärkten zum gleichen Preis anbietet, wird in aller Regel der Grenzerlös auf Teilmarkt 1 nicht gleich dem Grenzerlös auf Teilmarkt 2 sein. Ist zum Beispiel der Grenzerlös auf Teilmarkt 1 größer als auf Teilmarkt 2, so könnte der Monopolist seinen Gewinn erhöhen, indem er etwas mehr auf Teilmarkt 1 und entsprechend weniger auf Teilmarkt 2 verkauft. Der Preis auf Teilmarkt 1 würde sinken, der Preis auf Teilmarkt 2 steigen. Die Preise auf den Teilmärkten wären nicht mehr gleich. Der Monopolist würde Preisdifferenzierung betreiben.

232

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

Um zu analysieren, welche Preise der gewinnmaximierende Monopolist auf den beiden Teilmärkten verlangt, soll die Aufgabe in zwei Teile zerlegt werden. In einem ersten Schritt soll geprüft werden, wie ein Monopolist eine gegebene Gesamtmenge bei Preisdifferenzierung auf die beiden Teilmärkte verteilt. In einem zweiten Schritt wird analysiert, wie der Monopolist die Menge bestimmt, die er insgesamt produziert. Der Monopolist maximiert nur dann seinen Gewinn, wenn er die produzierte Gesamtmenge so auf die Teilmärkte verteilt, daß der Erlös maximiert wird. Aufgrund des Äquimarginalprinzips setzt dies voraus, daß der Grenzerlös auf Teilmarkt 1 gleich dem Grenzerlös auf Teilmarkt 2 ist. Es muß also gelten: R', = R' 2 Nach der Amoroso-Robinson-Formel ist: R ' = p-

1-

Also gilt:

Pr

v

Wenn e, größer ist als e 2 , so ist 1

e

'y

= P2-M"

größer als 1

. Das bedeutet: p, muß kleiner

als p2 sein. Auf dem Markt, auf dem die Preiselastizität größer ist, wird also ein Preis festgesetzt, der niedriger ist als der Preis, der auf dem Teilmarkt mit der unelastischeren Nachfrage gefordert wird. Es fragt sich, welche Menge der Monopolist insgesamt ausbringen wird. Es lohnt sich für den Monopolisten, die ausgebrachte Menge zu erhöhen, wenn die Grenzkosten noch kleiner sind als der auf beiden Teilmärkten gleich große Grenzerlös. Es wird deshalb die Menge produziert, bei der die Grenzkosten K'(x) mit (x = x, + x 2 ) gleich dem Grenzerlös sind. Die Gewinnmaximierungsbedingung für einen Monopolisten, der die Preise differenziert, lautet also: K'(x) = R'(X,) = R'(X2) Graphisch finden wir die gewinnmaximale Menge des Monopolisten, der differenzierte Preise verlangt, indem wir die Grenzerlöskurven für die Teilmärkte horizontal addieren. Dies ist möglich, weil die Gesamtmenge so auf die Teilmärkte verteilt wird, daß die Grenzerlöse auf beiden Teilmärkten gleich sind. In Abbildung 7.10 erhält man durch horizontale Addition der Grenzerlöskurven R', und R' 2 die aggregierte Grenzerlöskurve ZR'.

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

233

Abb. 7.10

p

Teilmarkt 1 (a)

P

Teilmarkt 2

(b)

Gesamunarict (c)

Durch den Schnittpunkt der aggregierten Grenzerlöskurve ER' mit der Grenzkostenkurve K'(x) ist die gewinnmaximale Menge x = x, + x 2 bestimmt. Die Menge wird so auf die Teilmärkte verteilt, daß der Grenzerlös auf Teilmarkt 1 (R',) gleich dem Grenzerlös auf Teilmarkt 2 (R' 2 ) ist. Auf Teilmarkt 1 wird die Menge x, zum Preis p, und auf Teilmarkt 2 die Menge x 2 zum Preis p 2 verkauft. Der Preis p „ der auf Teilmarkt 1 verlangt wird, ist höher als der Preis p 2 auf Teilmarkt 2. Es ist wichtig, sich klar zu machen, daß es im Fall der Preisdifferenzierung nicht zulässig ist, die Nachfragekurven der beiden Teilmärkte horizontal zu addieren, um so die Gesamtnachfragekurve zu erhalten. Horizontale Addition der Nachfragekurven setzt voraus, daß auf beiden Teilmärkten die gleichen Preise gezahlt werden! Wenn man die Nachfragekurven horizontal addiert und zu der so erhaltenen Gesamtnachfragekurve die entsprechende Grenzerlöskurve zeichnet, so ist diese nicht mit der in Abbildung 7.10 für den Fall der Preisdifferenzierung korrekt ermittelten Grenzerlöskurve identisch. Die aus der Gesamtnachfragekurve abgeleitete Grenzerlöskurve gibt an, wie groß der Grenzerlös ist, wenn auf beiden Teilmärkten der gleiche Preis verlangt wird. Das soll mit Hilfe von Abbildung 7.11 verdeutlicht werden. In Abbildung 7.11c ist £ N = N , + N 2 die Gesamtnachfragekurve, die sich durch horizontale Addition der Nachfragekurven N , und N 2 ergibt. Sie gilt unter der Annahme, daß auf beiden Teilmärkten der gleiche Preis gezahlt wird. Die zugehörige Grenzerlöskurve ist die Kurve BCDEF, die an der Stelle eine Sprungstelle hat, an der die Gesamtnachfragekurve einen Knick hat. Die gewinnmaximale Menge für einen Monopolisten, der auf beiden Teilmärkten den gleichen Preis verlangen muß, ist die Menge x m . Bei dieser Menge wird die Grenzerlöskurve von der Grenzkostenkurve geschnitten. Der Monopolpreis ist p*. Zu diesem Preis wird auf Teilmarkt 1 die Menge x, und auf Teilmarkt 2 die Menge x 2 abgesetzt. Bei Preisdifferenzierung wird die insgesamt produzierte Menge so auf die Teilmärkte verteilt, daß der Grenzerlös auf Teilmarkt 1 gleich dem Grenzerlös auf Teilmarkt 2 ist. Die aggregierte Grenzerlöskurve erhält man durch horizontale Addition der Grenzerlöskurven für Teilmarkt 1 und Teilmarkt 2. In Abbildung 7.11 ist dies die Kurve B C E F ,

234

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

Abb. 7.11 Teilmarkt 1

Teilmarkt 2

Gesamtmarkt

die im Punkt C einen Knick hat. Der Knick liegt bei dem gleichen Preis, bei dem die aggregierte Nachfragekurve einen Knick hat. Die aggregierte Grenzerlöskurve BCEF hat keine Sprungstelle. Die gewinnmaximale Menge ist durch den Schnittpunkt der Grenzerlöskurve BCEF mit der Grenzkostenkurve K'(x) bestimmt. Sie ist gleich x ra . In unserer Graphik wird bei Preisdifferenzierung die gleiche Menge produziert wie bei einheitlichem Monopolpreis. Das ist bei linearen Nachfragekurven stets der Fall, wenn auch bei einheitlichem Preis beide Märkte beliefert werden. Der Gesamterlös des Monopolisten, der unterschiedliche Preise auf den beiden Teilmärkten fordert (die Preise p, und p 2 ), ist gleich der Fläche unter der Grenzerlöskurve BCEF zwischen O und x„. Der Erlös ist um die schraffierte Fläche CDE größer als bei einheitlichem Preis. Da in beiden Fällen die gleiche Menge produziert wird, kann der Gewinn durch Preisdifferenzierung um die Fläche CDE erhöht werden. Man kann in Abbildung 7.11 den zusätzlichen Gewinn auch bestimmen als Differenz der Flächen unter der Grenzerlöskurve R' 2 zwischen x 2 und x' 2 und der Grenzerlöskurve R', zwischen x', und x,. Der zusätzliche Gewinn des Monopolisten durch Preisdifferenzierung ist allerdings kleiner als der Verlust an Konsumentenrente, der als Folge der Preisdifferenzierung eintritt. Zwar erhöht sich die Konsumentenrente auf Teilmarkt 2, weil dort infolge Preisdifferenzierung der Preis von p* auf p2 sinkt. Der Verlust an Konsumentenrente auf Teilmarkt 1, auf dem der Preis steigt, ist jedoch größer als die Summe aus dem zusätzlichen Gewinn des Monopolisten und dem Zuwachs an Konsumentenrente auf Teilmarkt 2. Der soziale Überschuß sinkt. Wir können das auch daran erkennen, daß der Wert der Produktion, auf die die Käufer auf Teilmarkt 1 bei Preisdifferenzierung verzichten müssen, größer ist als der Wert der zusätzlichen Produktion auf Teilmarkt 2. Die Fläche unter der Nachfragekurve N, zwischen x', und x, ist größer als die Fläche unter der Nachfragekurve N 2 zwischen x 2 und x' 2 . Der Betrag, den die Käufer auf Teilmarkt 2 für die zusätzliche Menge x' 2 - x 2 maximal zu zahlen bereit sind, ist kleiner als der Betrag, den die Käufer auf Teilmarkt 1 für die Menge zu zahlen bereit wären, die ihnen infolge Preisdifferenzierung nicht angeboten wird. Anders formuliert: Der zusätzliche monopolistische Wohlfahrtsverlust auf Teilmarkt 1 ist größer als der

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

235

Wohlfahrtsgewinn auf Teilmarkt 2. Preisdifferenzierung ist stets dann mit einem Wohlfahrtsverlust verbunden, wenn bei Preisdifferenzierung die gleiche Menge ausgebracht wird wie im einfachen Monopol. Das ist selbst bei linearen Nachfragekurven nicht immer der Fall.

In Abbildung 7.12 schneidet die Grenzkostenkurve die Grenzerlöskurve BCDEF bei der Menge x„ die Grenzerlöskurve BCEF bei der Menge x',. Bei Preisdifferenzierung wird also die größere Menge x', ausgebracht. Bei einheitlichem Preis wird die Menge x, produziert und zum Monopolpreis p* verkauft. Dieser Preis ist höher als der Prohibitivpreis auf einem der beiden Teilmärkte. Wenn die Preise nicht differenziert werden können, wird das Gut nur auf einem Teilmarkt angeboten. Erst durch Preisdifferenzierung wird es für den Monopolisten lohnend, das Gut auch auf dem anderen Teilmarkt anzubieten. Die Ausbringungsmenge steigt von x, auf x',. Preisdifferenzierung ist in der Regel mit einem Wohlfahrtsgewinn verbunden, wenn die Ausbringungsmenge steigt. c.

Quantitative Preisdifferenzierung

Quantitative Preisdifferenzierung liegt vor, wenn Einheiten des gleichen Gutes in Abhängigkeit von der gekauften Menge zu unterschiedlichen Preisen verkauft werden, ohne daß die Preisunterschiede durch unterschiedlich hohe Kosten begründet sind. Quantitative Preisdifferenzierung kann mit Hilfe einer Mengenrabattstaffel, durch einen Blocktarif oder mit Hilfe eines zwei- oder mehrstufigen Tarifs praktiziert werden. Bei einem Blocktarif muß für die ersten Einheiten ein hoher Preis, für alle folgenden Einheiten ein niedrigerer Preis gezahlt werden. Bei einem zweistufigen Tarif muß der Käufer einen festen Betrag T und für jede Einheit einen Preis p' zahlen. Der Käufer muß sozusagen für das Recht, ein Gut zum Preis p' kaufen zu können, einen festen Betrag T, zum Beispiel in Form einer Grundgebühr, entrichten. Die folgenden Ausführungen sind eine Analyse des zweistufigen Tarifs. Die Ausgaben der Käufer bei einem zweistufigen Tarif sind A = T + p' • x

236

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

Die Durchschnittsausgaben A/x = T/x + p' sind um so niedriger, je größer die gekaufte Menge ist. Der Grenzpreis p' ist niedriger als der Durchschnittspreis. Die Ausgabenfunktion des Käufers wird in Abbildung 7.13 dargestellt. Ordinatenabschnitt ist T. Die Steigung der Ausgabenkurve ist p'.

Der

Quantitative Preisdifferenzierung ist eine Methode, die Konsumentenrente abzuschöpfen. In Abbildung 7.14 ist N die Nachfragekurve eines Käufers. Der Anbieter produziert zu konstanten Grenzkosten von c.

Das Gut wird zum Preis p' = c verkauft. Der Käufer kauft die Menge xc. In Höhe der Konsumentenrente muß ein fester Betrag T gezahlt werden. Durch diesen festen Betrag wird die gesamte Konsumentenrente abgeschöpft. Es wird hier und im folgenden angenommen, der Einkommenseffekt sei Null. Wenn die Nachfragefunktionen aller Käufer identisch wären, könnte die gesamte Konsumentenrente abgeschöpft werden, indem alle Käufer mit dem gleichen zweistufigen Tarif konfrontiert würden. Es könnte dann vollkommene PreisdifTerenzierung praktiziert werden. Die Nachfragefunktionen sind jedoch in aller Regel nicht identisch. Um bei unterschiedlichen Nachfragefunktionen die gesamte

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

237

Konsumentenrente abzuschöpfen, müßte der Anbieter von den Käufern unterschiedliche hohe feste Beträge verlangen. Rechtliche Beschränkungen, aber auch kaum zu überwindende Informationsprobleme schließen das in aller Regel aus. Muß allen Käufern der gleiche zweistufige Tarif angeboten werden, besteht die Gefahr, daß für einen Teil der Käufer der feste Betrag so hoch ist, daß sie auf den Kauf des Gutes verzichten. Ein mittlerer Weg wäre, einen relativ niedrigen festen Betrag festzusetzen und einen Preis p' zu verlangen, der höher ist als die Grenzkosten. Man kann aber auch den Käufern die Möglichkeit geben, zwischen einem einstufigen und einem zweistufigen Tarif zu wählen. Die Ausgaben des Käufers sind dann: A = T + p'x oder A = p • x, wobei p größer als p' ist. Der Käufer wird den Tarif wählen, der für ihn günstiger ist. In Abbildung 7.15 gibt die Ursprungsgerade A = p • x an, wie hoch die Ausgaben bei Wahl des einstufigen Tarifs sind. Die Gerade T + p' x gibt an, wie hoch die Ausgaben bei Wahl des zweistufigen Tarifs sind.

Für Mengen, die kleiner als x 2 sind, wird der einstufige Tarif und für Mengen, die größer als x 2 sind, der zweistufige Tarif gewählt. Tatsächlich stellen deshalb die dick eingerahmten Streckenzüge die relevante Ausgabenfunktion dar. Man erkennt: Wenn die Käufer zwischen einem einstufigen Tarif und einem zweistufigen Tarif wählen können, werden sie de facto mit einem Blocktarif konfrontiert, bei dem für die ersten x 2 Einheiten der Preis p, für alle weiteren Einheiten dagegen nur der niedrigere Preis p' zu zahlen ist. Wir wollen die Situation bei Wahlmöglichkeit zwischen einem einstufigen und einen zweistufigen Tarif mit der Lage vergleichen, die sich ergibt, wenn ein einheitlicher Monopolpreis verlangt wird. Es gebe nur zwei Käufer mit unterschiedlichen Nachfragefunktionen. Der einfache Monopolpreis sei p. Zu diesem Preis kauft der erste Käufer die Menge x, und der zweite Käufer die größere Menge x2.

238

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

Abb. 7.16

H

A= P " A= T+p'-x

T^p-pO-Xj x

Ein zweistufiger Tarif A = T + p' • x wird eingeführt. Der Preis p' ist niedriger als der Monopolpreis p aber höher als die konstanten Grenzkosten des Monopolisten. Der Betrag T wird so festgesetzt, daß T = (p - p') • x 2 ist. Die Ausgaben beim Kauf der Menge x 2 sind bei Wahl des zweistufigen Tarifs gleich (p - p') • x 2 + p'x 2 = px. Sie sind genau so groß wie bei Wahl des einstufigen Tarifs, bei dem pro Einheit der Monopolpreis p zu zahlen ist. Betrachten wir zunächst die Lage des ersten Käufers, der zum Monopolpreis p die Menge x, gekauft hat. Wenn er fortfährt, die Menge x, zu kaufen, wird er den einstufigen Tarif wählen. Seine Ausgaben wären genauso hoch wie im einfachen Monopol. Er würde keinen Wohlfahrtsverlust erleiden. Es kann aber in der neuen Situation unter Umständen für ihn vorteilhaft sein, den zweistufigen Tarif zu wählen und eine größere Menge als x2 zu kaufen. Er wird das nur tun, wenn er sich dabei besser steht. Der zweite Nachfrager hat zum Monopolpreis p die Menge x 2 gekauft. Da er jetzt zusätzliche Einheiten zum niedrigeren Preis p' kaufen kann, wird er mehr nachfragen. Seine Konsumentenrente erhöht sich. Auch der Gewinn des Anbieters steigt, da er zusätzliche Einheiten zum Preis p' verkauft, der höher als die konstanten Grenzkosten ist. Das ist aus Abbildung 7.17 zu ersehen. N 2 sei die Nachfragekurve des zweiten Nachfragers, der zum bisherigen Monopolpreis die Menge x 2 gekauft hat. Bei Wahl des zweistufigen Tarifs zahlt er den festen Betrag T = (p - p') • x2. Pro Einheit zahlt er einen Preis p'. Er kauft die Menge x' 2 . Seine Konsumentenrente erhöht sich um das Dreieck ABC. Der Gewinn des Anbieters steigt um BCDE. Der Anbieter und der zweite Nachfrager stehen sich nach Einführung des zweistufigen Tarifs besser als im einfachen Monopol. Der erste Nachfrager steht sich zumindest nicht schlechter. Der monopolistische Wohlfahrtsverlust ist geringer als im einfachen Monopol.

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

Abb. 7.17

239

P

P

P'

o B. M o n o p o l i s t i s c h e K o n k u r r e n z 1.

Beschreibung der Marktform

Auf zahlreichen Märkten gibt es zwar viele Anbieter, aber keine vollständige Konkurrenz, weil die Produkte der Anbieter nicht gleich sind. Die erzeugten Güter unterscheiden sich durch die Qualität, die Gestaltung, den Geschmack, die Verpackung, die Marke, die Reputation des Herstellers und durch weitere Merkmale. Anders gesagt: Es gibt Märkte, auf denen viele Anbieter Güter herstellen, die zwar gute Substitutionsgüter sind, sich im Urteil der Käufer aber unterscheiden. Man sagt, daß auf diesen Märkten in der Marktform der monopolistischen Konkurrenz angeboten wird. Der einzelne Anbieter auf einem Markt monopolistischer Konkurrenz verliert nicht seinen gesamten Absatz, wenn er den Preis erhöht. Wenn er den Preis senkt, wollen nicht alle Nachfrager, die bisher bei den Konkurrenten gekauft haben, von ihm beliefert werden. Der einzelne Anbieter hat einen gewissen, von den Konkurrenten nicht kontrollierten Preisspielraum. Seine Preisabsatzfunktion hat wie die Preisabsatzfunktion des Monopolisten eine negative Steigung. Abb. 7.18

p

240

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

Im Unterschied zum Monopol wird der Preisspielraum durch die Existenz vieler Substitutionsgüter beschränkt. Die Preiselastizität der Nachfrage ist groß. Die Preisabsatzfunktion ist relativ flach. Das Maß an Marktmacht, gemessen durch den Lerner-Index, ist gering. Ein Markt monopolistischer Konkurrenz wird durch folgende Merkmale beschrieben: -

Es gibt viele Anbieter. Ihre Zahl ist so groß, daß die Aktionen des einzelnen keine fühlbaren Auswirkungen auf Absatz und Gewinn der Konkurrenten haben. Der einzelne Anbieter braucht bei seinen Aktionen nicht mit Reaktionen der Konkurrenten zu rechnen.

-

Die Anbieter produzieren gute Substitutionsgüter, die sich jedoch im Urteil der Käufer unterscheiden.

-

Der Markteintritt ist frei.

2.

Das langfristige Gleichgewicht bei monopolistischer K o n k u r r e n z

Wenn der Markteintritt frei ist, werden neue Unternehmen in den Markt eintreten, sofern die etablierten Unternehmen auf diesem Markt Gewinne erzielen. Indem mehr und bessere Substitutionsgüter angeboten werden, wird die Nachfrage für die etablierten Unternehmen elastischer. Die Nachfrage nach ihren Produkten sinkt. W i e bei vollständiger Konkurrenz führt langfristig der freie Markteintritt dazu, daß der ökonomische Gewinn der etablierten Unternehmen Null wird. Im langfristigen Gleichgewicht gilt also bei monopolistischer Konkurrenz für das einzelne Unternehmen: Preis = langfristige Durchschnittskosten. Diese Bedingung wird nur erfüllt, wenn die langfristige Durchschnittskostenkurve wie in Abbildung 7.19 die negativ geneigte Preisabsatzfunktion tangiert. Man spricht daher auch von der Tangentenlösung bei monopolistischer Konkurrenz.

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

241

Im Gleichgewicht wird die Menge x«, produziert. Bei jeder anderen Menge würde ein Verlust entstehen. Deshalb ist x 0 die gewinnmaximale Menge und p 0 der gewinnmaximale Preis. Die langfristige Grenzkostenkurve schneidet die Grenzerlöskurve bei der Menge x 0 . Die langfristige Durchschnittskostenkurve hat im Tangentialpunkt p eine negative Steigung. Es wird nicht im Minimum der langfristigen Durchschnittskostenkurve produziert. Im Vergleich zu einer Situation, in der die Unternehmen im Minimum der langfristigen Durchschnittskosten produzieren, gibt es zu viele kleine Unternehmen suboptimaler Größe. Man kann die höheren Kosten bei monopolistischer Konkurrenz als Preis ansehen, der für die größere Produktvielfalt gezahlt werden muß, die es möglich macht, die vielfältigen individuellen Bedürfnisse der Nachfrager optimal zu befriedigen. Um die Menge x 0 mit minimalen Kosten zu produzieren, muß in einem Betrieb produziert werden, dessen kurzfristige Stückkostenkurve die langfristige Stückkostenkurve bei der Menge x 0 tangiert. Auch die kurzfristige Stückkostenkurve (TDK) hat im Tangentialpunkt p eine negative Steigung. Es wird nicht im Minimum der kurzfristigen Stückkostenkurve produziert. Die Kapazität wird nicht vollständig genutzt. Das Gleichgewicht bei monopolistischer Konkurrenz ist durch Überschußkapazität (excess capacity) charakterisiert. Abb. 7.20

Bei der Menge x 0 sind die kurzfristigen Grenzkosten gleich den langfristigen Grenzkosten und daher gleich dem Grenzerlös. Es lohnt sich für den Anbieter auch kurzfristig nicht, eine größere Menge als x0 zu produzieren, weil der zusätzliche Erlös geringer wäre als die zusätzlichen Kosten. C. Das Oligopol 1.

Beschreibung der Marktform

Von einem Oligopol spricht man, wenn es auf einem Markt nur wenige Anbieter gibt, denen viele Nachfrager gegenüberstehen. Es gibt wenige Anbieter, wenn ihre Zahl so klein ist, daß Aktionen eines Anbieters fühlbare Auswirkungen auf Absatz und Gewinn der Konkurrenten haben. Der Oligopolist muß deshalb mit Reaktionen der

242

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

Konkurrenten rechnen, da diese in der Regel versuchen werden, sich der veränderten Situation durch Einsatz ihrer Aktionsparameter anzupassen. Die Reaktionen der Konkurrenten werden auf Absatz und Gewinn des ursprünglich agierenden Oligopolisten zurückwirken. Die Oligopolisten werden deshalb in der Regel die erwarteten Reaktionen der Konkurrenten in ihr Kalkül einbeziehen. Wenn also zum Beispiel ein Oligopolist eine Preissenkung erwägt, wird er sich überlegen, wie seine Konkurrenten reagieren. Erwartet er, daß seine Konkurrenten als Reaktion ihre Preise ebenfalls senken, mag er zu dem Schluß kommen, daß sich die Preissenkung nicht lohnt. Die Reaktionsverbundenheit, die wechselseitige Abhängigkeit, ist das besondere Merkmal des Oligopols. Die Theorie der Oligopolpreisbildung ist kompliziert, weil die Oligopolisten unterschiedliche Erwartungen in bezug auf die Reaktion der Konkurrenten haben können. Es gibt anders als beim Monopol oder bei vollständiger Konkurrenz nicht eine Oligopolpreistheorie sondern viele. Das wesentliche Element aller Oligopolpreistheorien besteht darin, daß man den Oligopolisten bestimmte Erwartungen hinsichtlich der Reaktionen der Konkurrenten zuschreibt. Anders formuliert: Kernstück aller Oligopolpreistheorien sind die in diesen Theorien enthaltenen Reaktionshypothesen. Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, was plausible Reaktionshypothesen sind. Es gibt deshalb eine große Zahl von Oligopolpreistheorien, von denen in dieser elementaren Preistheorie nur einige behandelt werden. Man unterscheidet beim Oligopol das homogene und das heterogene Oligopol. Von einem homogenen Oligopol spricht man, wenn wenige Anbieter sachlich gleichartige Güter herstellen. Ein heterogenes Oligopol liegt vor, wenn die Anbieter Güter herstellen, die sachlich nicht völlig gleichartig sind. Natürlich müssen die Güter gute Substitutionsgüter sein, denn sonst würden die Produzenten nicht auf dem gleichen relevanten Markt anbieten. Im Vergleich zum homogenen Oligopol ist die oligopolistische Interdependenzim heterogenen Oligopol abgeschwächt. Unterschiedliche Preise sind möglich. Wenn ein oder mehrere Oligopolisten den Preis senken, verlieren die Oligopolisten, die ihren Preis nicht senken, nicht ihren gesamten Absatz. 2.

Das homogene Oligopol

Beim homogenen Oligopol werden von wenigen Anbietern sachlich gleichartige Güter hergestellt, die sich in den Augen der Käufer nicht unterscheiden. Wir wollen unterstellen, daß die Menge Aktionsparameter und der Preis Erwartungsparameter ist. Das heißt: Jeder Anbieter bestimmt die Menge, die er ausbringt. Es bildet sich jener Preis, bei dem die insgesamt produzierte Menge nachgefragt wird. Der Preis ist für alle Anbieter gleich. Ein Verhalten, bei dem die Menge Aktionsparameter ist, ist plausibel, wenn die Produktionsentscheidung der Absatzentscheidung vorausgeht. Wir wollen die Aufgabe, die Preisbildung im homogenen Oligopol zu erklären, vereinfachen, indem wir unterstellen, es gäbe nur zwei Anbieter. Man nennt diesen Spezialfall des Oligopols Dyopol. Die Produktion sei kostenlos. Diese Annahme wird nur gemacht, um die folgende Analyse zu vereinfachen.

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

243

Gäbe es nur einen Anbieter, so würde dieser seinen Gewinn maximieren, indem er den Erlös maximiert. Er müßte die Menge ausbringen, bei der der Grenzerlös Null und die Preiselastizität der Gesamtnachfrage eins ist. In Abbildung 7.21 bedeutet dies, daß die Menge x,,, ausgebracht und zum Preis pm verkauft wird. Abb. 7.21

P

m

Wenn im Dyopol die Anbieter ihren gemeinsamen Gesamtgewinn maximieren wollen, müssen sie ebenfalls insgesamt die Menge xm produzieren. Wie wollen prüfen, ob es im Dyopol tatsächlich zu dieser Lösung kommt. Es soll angenommen werden, daß jeder der beiden Dyopolisten unabhängig die Menge so festsetzt, daß sein Gewinn maximiert wird. Dabei sehe jeder der beiden Dyopolisten die Menge, die der Konkurrent bisher ausgebracht hat, als gegeben an. Die Dyopolisten rechnen nicht damit, daß sie durch ihre eigenen Entscheidungen die Menge, die der andere ausbringt, beeinflussen können. Nehmen wir an, daß in der Ausgangssituation die Menge x^ produziert wurde. Die Dyopolisten produzieren die Mengen xi und Xj, die jeweils halb so groß sind wie x,,,. Der Marktanteil der Dyopolisten ist also in der Ausgangssituation gleich 1/2. Wenn der erste Dyopolist seine Menge um AXi erhöht, sinkt der Marktpreis von pm auf p'. Der Gesamterlös sinkt, weil die Erlösminderung Ap • xm größer ist als Ax • p' (AX=AX|). Dennoch lohnt es sich für den einzelnen Dyopolisten, die Menge zu erhöhen. Den Mehrerlös von Ax • p', der dem Dyopolisten zufällt, der seine Menge erhöht, steht bei diesem Dyopolisten nur einer Erlösminderung von Ap • Xj gegenüber. Die Hälfte der Erlösminderung geht zu Lasten des Konkurrenten, der die bisher von ihm produzierte Menge Xj nur zu dem niedrigeren Preis p' verkaufen kann. Dieser Verlust des Konkurrenten geht aber in das Gewinnkalkül des Oligopolisten, der die Menge erhöht, nicht ein. Was für einen Anbieter gilt, gilt auch für den anderen. Beide Anbieter können aus ihrer Sicht ihren Gewinn steigern, indem sie die Absatzmenge erhöhen. Deshalb wird bei den von uns gemachten Annahmen im Oligopol eine größere Menge produziert als im Monopol. Diese größere Menge kann nur zu einem niedrigeren Preis als dem Monopolpreis p m verkauft werden. Aus der Sicht des einzelnen Oligopolisten ist in der

244

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

Ausgangssituation bei der Ausbringungsmenge x m und bei Xj = Xj = \ Xn, der Grenzerlös positiv. Die individuelle Preiselastizität der Nachfrage aus der Sicht des einzelnen Anbieters

=

AXi — r ~

p • —

Ap Xi

ist größer als eins, während die Preiselastizität der Marktnachfrage Ax p

in der Ausgangssituation gleich eins ist. Da aus der Sicht des einzelnen Dyopolisten seine Mengenänderung Ax, gleich der Änderung der Gesamtmenge Ax ist, können wir die individuelle Preiselastizität der Nachfrage auch schreiben als

e

Ax . pü Ap Xi

=

Ax p x Ap x x, Da x / x der Marktanteil des Anbieters i ( M A J ist, gilt: _ e, =

£i

Ax p _

1

Äp'xMÄi

En, MA,

Bei einem Marktanteil von 1/2 ist also die individuelle Preiselastizität der Nachfrage bei £„, = 1 gleich 2. Der Grenzerlös ist gleich p/2. In Abbildung 7.22 ist AB die Gesamtnachfragekurve und A'B' die individuelle Preisabsatzfunktion des ersten Dyopolisten, der unterstellt, die Ausbringungsmenge des Konkurrenten sei konstant und gleich A'A = Xj. Die individuelle Preiselastizität der Nachfrage des ersten Dyopolisten ist A'P'/P'B'. Wegen P'B' = 0,5 PB ist die individuelle Preiselastizität Ej gleich zwei. Es fragt sich, bei welchem Preis und bei welcher Menge keiner der Dyopolisten mehr einen Anreiz hat, die Ausbringungsmenge zu erhöhen. Das ist erst dann der Fall, wenn der Grenzerlös Null ist. Anders gesagt: Die Preiselastizitäten der Nachfrage ^ und e, müssen für beide Dyopolisten gleich eins sein. Wenn MAj und MAj die Marktanteile der beiden Dyopolisten sind, muß im Gleichgewicht gelten:

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

245

oder MA, = MA ( = £„,

Die Marktanteile der Dyopolisten sind im Gleichgewicht gleich groß (also gleich 0,5) und gleich der Preiselastizität der Gesamtnachfrage. Gleichgewicht herrscht also nur dann, wenn insgesamt eine Menge ausgebracht wird, bei der die Preiselastizität der Gesamtnachfrage gleich 0,5 ist. In Abbildung 7.23 wurde der Punkt S so bestimmt, daß AS gleich 0,5 SB ist. Die insgesamt ausgebrachte Menge x, ist gleich 2/3 OA. Diese Menge wird zum Preis p, verkauft. Abb. 7.23

Die Menge x, ist größer als die Menge x^, bei der der gemeinsame Gesamtgewinn maximiert wird. Der Preis p, ist kleiner als der Monopolpreis p m .'

1

Es ist X! gleich 4/3 x m und pj = 2/3 pm.

246

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

Gibt es n Anbieter, so herrscht Gleichgewicht, wenn jene Menge produziert wird, bei der e.. —m= n- ist. Algebraische Bestimmung des gewinnmaximalen Preises: Die inverse lineare Gesamtnachfragefunktion sei p = a-bx Die Preiselastizität der Gesamtnachfrage ist 1

Im Gleichgewicht muß e„, = 1/n sein.

- E -

a-p

=

I n

np = a - p P

W

Im Monopolfall ist n = 1. Der Monopolpreis ist p = a/2. Im Dyopol ist n = 2. Der Gleichgewichtspreis ist p = a/3. Bei drei Anbietern sinkt der Preis auf p = a/4. Der Preis ist also um so niedriger, je größer die Zahl der Anbieter ist. Geht n gegen unendlich, so sinkt der Preis auf Null. (Es wird unterstellt, daß die Produktion kostenlos ist). Das ist die Konkurrenzlösung. Die Menge, die ausgebracht wird, erhält man, indem man in p = a - bx den Preis p gleich -~t n+1 • a einsetzt. Man erhält: —i— a = a - bx n+ 1 X

n a ~n+Tb

Im Monopolfall (n = 1) wird die Menge x = ^ ausgebracht. Im Dyopol steigt die Menge auf x

. Die ausgebrachte Menge ist also um so größer, je größer die Zahl der

Anbieter ist.

1

Siehe dazu die Ausführungen über die Preiselastizität im dritten Kapitel.

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

247

Die dargestellte Lösung des Oligopolproblems verdanken wir dem französischen Mathematiker und Ökonomen Antoine Augustin Cournot (1801-1877). Sie gilt unter der speziellen Annahme, daß die Menge Aktionsparameter ist und jeder der Oligopolisten seine Absatzmenge bestimmt, indem er annimmt, daß seine Entscheidung die der anderen Oligopolisten nicht beeinflußt. Andere Annahmen führen zu anderen Ergebnissen. Dies sei kurz erläutert, indem wir jetzt annehmen, nicht die Menge, sondern der Preis sei Aktionsparameter. Betrachten wir den Fall des Dyopols. Die Produktion sei kostenlos Jeder der beiden Anbieter weiß, daß es nur einen einheitlichen Preis geben kann. Bei gegebenem Preis entfalle auf die beiden Anbieter jeweils die Hälfte des Gesamtumsatzes. Der Erlös des einzelnen Dyopolisten beträgt also stets die Hälfte des Gesamterlöses. Der Erlös (Gewinn) des einzelnen Dyopolisten ist dann ein Maximum, wenn der Gesamtgewinn ein Maximum ist. Um den Gewinn zu maximieren, müssen die Oligopolisten den Monopolpreis p ra verlangen. Der Preis, der sich bildet, ist also genau so hoch wie im Monopol. 3.

Das heterogene Oligopol

Im homogenen Oligopol werden sachlich gleichartige Güter zu gleichem Preis verkauft. Im heterogenen Oligopol sind die produzierten Güter nicht sachlich identisch. Die Preise, die für die Güter verlangt werden, sind in der Regel nicht gleich hoch. Die Oligopolisten setzen den Preis. Deshalb ist im heterogenen Oligopol nicht die Menge, sondern der Preis Aktionsparameter. Wir betrachten zunächst den Spezialfall des Dyopols. Eine für das heterogene Oligopol typische Situation soll durch die zu entwickelnde Gewinnmatrix dargestellt werden. Dabei wird vereinfachend unterstellt, daß die beiden Dyopolisten jeweils zwischen drei verschiedenen Preisen zu wählen haben. Dabei sei p' kleiner als p 2 und p 2 kleiner als p 3 . Entscheiden sich beide für den niedrigeren Preis pÄ, setzt also A den Preis pÄ und B den Preis pi, so erzielen beide einen Gewinn von zwei pro Periode. Im ersten Feld der ersten Reihe der Matrix 1 werden diese Gewinne eingetragen. Die erste Zahl in den Feldern der Matrix gibt jeweils den Gewinn von A, die zweite Zahl den Gewinn von B an. Matrix 1 Anbieter B PÌ

Pi Anbieter A

pl pi

PB

pl

2/2

3/3 4/4

248

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

Verlangen beide Anbieter den Preis p 2 , erzielen beide einen Gewinn von drei. Fordern beide den Preis p \ erhalten sie einen Gewinn von vier. Wenn A den Preis pÄ verlangt und B den höheren Preis p | , wird A Absatz auf Kosten von B gewinnen. Deshalb steigt (siehe Matrix 2) der Gewinn des A von zwei auf vier. Der Gewinn des B sinkt wegen des Absatzverlustes von zwei auf eins. Diese Zahlen findet man in Matrix 2 im zweiten Feld der ersten Reihe. Wenn A den Preis pÄ fordert und B den Preis pn, steigt der Gewinn des A auf sechs, während der Gewinn des B auf Null sinkt. Ganz analog ist die Situation, wenn B den Preis pj, und A die höheren Preise PA oder p* fordert. Die Gewinne der Dyopolisten findet man im zweiten und dritten Feld der ersten Spalte der zweiten Matrix. Matrix 2 Anbieter B

Anbieter A

d

ri

PB

Pi

2/2

4/1

6/0

pi

1/4

3/3

5/2

pl

0/6

2/5

4/4

Setzt A den Preis p^ und B den höheren Preis p«, erzielt A einen Gewinn von fünf und B einen Gewinn von zwei. Analog erreicht B einen Gewinn von fünf und A nur einen Gewinn von zwei, wenn A den höheren Preis p l und B den Preis pn verlangt. Der Gesamtgewinn ist am größten, wenn beide den Preis p3 verlangen. Er ist am niedrigsten, wenn beide nur einen Preis p1 fordern. Welche Preise werden sich in unserem Dyopol bilden? Darauf gibt es keine eindeutige Antwort, weil es verschiedene Oligopolpreistheorien für das heterogene Oligopol gibt. Drei oligopolpreistheoretische Ansätze sollen in den folgenden Abschnitten dargestellt werden. a.

Der Cournot-Ansatz für das heterogene Oligopol

In einem ersten oligopoltheoretischen Ansatz soll unterstellt werden, jeder der beiden Dyopolisten sehe den Preis, den der andere fordert, als Datum an, und setze den eigenen Preis so fest, daß der Gewinn maximiert wird. Jeder nimmt also an, daß sein Preis keinen Einfluß auf den Preis hat, den der andere fordert. Dies ist die Übertragung des Cournot-Ansatzes für das homogene Oligopol auf das heterogene Oligopol, wobei im heterogenen Oligopol allerdings der Preis und nicht die Menge Aktionsparameter der Oligopolisten ist.

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

249

Betrachten wir zunächst den Anbieter A. Wenn B den Preis pj, setzt, ist der Gewinn für A am größten (nämlich gleich zwei), wenn er den Preis pÄ setzt. Würde A einen höheren Preis setzen, wäre sein Gewinn niedriger (nämlich 1 oder 0). Aber auch wenn B den Preis p j oder pl setzt, ist der Gewinn des A jeweils am größten, wenn er den niedrigeren Preis p i verlangt. Das heißt: Welchen der drei Preise B auch verlangt, A erzielt stets dann den größten Gewinn, wenn A den Preis p i fordert. Aber auch B maximiert bei alternativen Preisen von A seinen Gewinn, wenn er den Preis pjj setzt. Unter den von uns gemachten Annahmen werden also beide den Preis p, verlangen. Spieltheoretisch ist es sowohl für A als auch für B die dominante Strategie, den Preis p, zu verlangen. Beide Dyopolisten erzielen nur einen Gewinn von zwei, obwohl beide ihren Gewinn verdoppeln könnten, wenn sie die Preise PA und p„ verlangten. Die beiden Dyopolisten verhalten sich individuell rational. Trotzdem ist das Ergebnis für sie unbefriedigend. Die Dyopolisten sind - wie man sagt - in einer Rationalitätenfalle gefangen. b.

Die Theorie der geknickten Nachfragekurve

Bei unserem zweiten Ansatz für das heterogene Oligopol wird unterstellt, daß aus irgendeinem Grund beide Oligopolisten in der Ausgangsposition den Preis p 2 verlangen und einen Gewinn von drei erzielen. Anbieter A prüft, ob er seinen Gewinn erhöhen kann, indem er seinen Preis auf p^ senkt. Die Gewinnmatrix 2 zeigt, daß der Gewinn des A auf vier steigt, der Gewinn des B auf eins sinkt, wenn B auf die Preissenkung des A nicht reagiert. Reagiert B, indem er seinerseits den Preis auf pj, senkt, erzielt B einen Gewinn von zwei. A erwartet deshalb, daß B auf seine Preissenkung mit einer Preissenkung reagiert. Das bedeutet, daß der Gewinn des A als Folge der Preissenkung von bisher drei auf zwei sinkt. A verzichtet deshalb auf die Preissenkung. Aufgrund der gleichen Überlegung verzichtet auch B auf eine Preissenkung. Beide rechnen also damit, daß der Konkurrent Preissenkungen mitmacht, so daß keiner durch Preissenkungen Absatz auf Kosten des Konkurrenten gewinnen kann. A möge nun prüfen, ob er seinen Gewinn erhöhen kann, wenn er seinen Preis von p^ auf p^ erhöht. Aus der Gewinnmatrix 2 ist zu ersehen, daß der Gewinn des A auf zwei sinkt, wenn B die Preiserhöhung nicht mitmacht. Der Gewinn des B würde in diesem Fall auf fünf steigen, weil B Absatz auf Kosten des Konkurrenten gewinnt. Erhöht dagegen B den Preis auf pj, so erzielt B nur einen Gewinn von vier. A erwartet deshalb, daß B auf seine Preiserhöhung nicht reagiert und weiterhin den Preis pg verlangt. A erwartet also, daß bei einer Preiserhöhung sein Gewinn auf zwei sinkt. Deshalb verzichtet er auf die Preiserhöhung. Die gleiche Überlegung stellt B an. Auch B kommt zu dem Schluß, daß sein Gewinn nach einer Preiserhöhung sinken wird.

250

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

Unser oligopoltheoretisches Modell zeichnet sich also dadurch aus, daß alle Oligopolisten glauben, die Konkurrenten würden Preissenkungen mitmachen, Preiserhöhungen dagegen nicht. Die Oligopolisten glauben, daß sie im Fall einer Preissenkung keinen Absatz auf Kosten der Konkurrenten gewinnen können. Jeder Oligopolist glaubt deshalb, daß im Bereich unterhalb des Ausgangspreises die Preisabsatzfunktion steil sein wird. Im Fall einer Preiserhöhung erwartet der repräsentative Oligopolist, daß er Absatz an seine Konkurrenten verlieren wird, die den Preis nicht erhöhen. Die Preisabsatzfunktion des repräsentativen Oligopolisten verläuft deshalb im Bereich oberhalb des Ausgangspreises flach. Das bedeutet, daß die Preisabsatzfunktion beim Ausgangspreis einen Knick aufweist. Abbildung 7.24 zeigt eine solche geknickte Nachfragekurve. Abb. 7.24

Die Preisabsatzfunktion eines repräsentativen Oligopolisten hat bei dem bisherigen Preis p 2 einen Knick. In Abbildung 7.24 ist zur Preisabsatzfunktion die Grenzerlöskurve eingezeichnet, die bei der Menge eine Sprungstelle hat, bei der die Preisabsatzfunktion einen Knick hat. Der Preis p 2 und die Menge x 2 sind für den Oligopolisten gewinnmaximal, wenn die Grenzkostenkurve die Grenzerlöskurve bei der Menge x2 "schneidet" . Das ist in Abbildung 7.24 der Fall. Man erkennt, daß auch nach Kostenänderungen, sofern sie ein bestimmtes Maß nicht überschreiten, p 2 der gewinnmaximale Preis bleibt. Wenn sich nämlich die Grenzkostenkurve nach oben oder unten verschiebt, so bleibt p 2 für den Oligopolisten der gewinnmaximale Preis, sofern die Grenzkostenkurve die Grenzerlöskurve bei der Sprungstelle schneidet. Man macht sich auch leicht klar, daß mäßige Nachfrageveränderungen den gewinnmaximalen Preis unverändert lassen. Man kann deshalb die Theorie der geknickten Nachfragekurve auch benutzen, um die Preisstarrheit im Oligopol zu erklären. Die Theorie der geknickten Nachfragekurve ist keine vollständige Oligopolpreistheorie, weil sei nicht erklärt, auf welche Weise der Ausgangspreis zustande kommt.

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

c.

251

Bewußtes Parallelverhalten

In der Theorie der geknickten Nachfragekurve unterstellt man, die Oligopolisten erwarteten, daß ihre Konkurrenten Preiserhöhungen nicht mitmachen werden. Die folgende Matrix stellt jenen Ausschnitt aus der Gewinnmatrix 2 dar, der für die Analyse der Preiserhöhung relevant ist. Matrix 3 Anbieter B

Anbieter A

P2B

vi

p^

3/3

5/2

PA

2/5

4/4

Wenn A seinen Preis von p^ auf pj, erhöht, steigt der Gewinn des B von bisher drei auf fünf, wenn B seinen Preis nicht erhöht. Reagiert B auf die Preiserhöhung des A, indem er seinerseits den Preis von bisher pf, auf PB erhöht, erzielt B nur einen Gewinn von vier. Nach der Theorie der geknickten Nachfragekurve erwartet A deshalb, daß B die Preiserhöhung nicht mitmacht. Analog erwartet B, daß A eine Preiserhöhung nicht mitmachen würde. Unsere Matrix stellteine Situation dar, die man in der Spieltheorie Gefangenendilemma nennt. Auch spieltheoretisch kommt es zu einer Lösung, bei der die beiden Dyopolisten den Preis p 2 verlangen, weil das für beide die dominante Strategie ist. Das abgeleitete Ergebnis wäre auch plausibel, wenn Preiserhöhungen oder Preissenkungen eine einmalige Entscheidung wären, durch die die Anbieter langfristig gebunden wären. Tatsächlich können Preiserhöhungen oder Preissenkungen meist kurzfristig wieder rückgängig gemacht werden. Eine Mineralölgesellschaft, die heute den Benzinpreis um fünf Pfennig erhöht, wird schon nach wenigen Tagen die Preiserhöhung rückgängig machen, wenn sie bemerkt, daß die Konkurrenten die Preiserhöhung nicht mitmachen. Die Möglichkeit, Preisänderungen zu revidieren, ändert die strategische Situation der Oligopolisten. Nehmen wir wieder an, daß A eine Preiserhöhung auf p^ erwägt. Er weiß, daß sein Gewinn auf zwei sinkt, und der Gewinn des B auf fünf steigt, wenn B fortfährt, den niedrigeren Preis p|j zu verlangen; der Gewinn des B wäre dann höher als wenn B ebenfalls den Preis auf po erhöhte. Was wird B tun? Auch B wird bei seiner Entscheidung bedenken, welche Rückwirkungen seine Entscheidung auf das Verhalten des A hat. Da der Gewinn des A von drei auf zwei sinkt, wenn B nach der Preiserhöhung des A fortfährt, den niedrigeren Preis pü zu verlangen, wird B erwarten, daß A in diesem Fall die Preiserhöhung rückgängig machen wird. B erkennt also, daß eine Konstellation, bei

252

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

der er den niedrigeren Preis pjj und A den höheren Preis p^ fordert, keinen Bestand haben kann. Er weiß, daß er im Grunde nur die Wahl hat zwischen einer Situation, in der beide den niedrigeren Preis p 2 verlangen und einen Gewinn von drei erzielen und einer Situation, in der beide den höheren Preis p 3 verlangen und einen Gewinn von vier erzielen. B wird sich deshalb für den höheren Preis Pb entscheiden; er wird die Preiserhöhung des A mitmachen. Wenn A, der eine Preiserhöhung erwägt, annimmt, daß auch B bei seiner Entscheidung die oligopolistische Reaktionsverbundenheit in Rechnung stellt, wird A erwarten, daß B die Preiserhöhung mitmacht. A wird sich deshalb zu einer Preiserhöhung entschließen. Genau wie A mag sich natürlich auch B entscheiden, den Preis zu erhöhen, weil er erwartet, daß A mitzieht. In unserer Matrix kommt es also zu einer Lösung, bei der beide den höheren Preis p 3 verlangen. A und B werden die Preise so lange erhöhen, bis es nicht mehr möglich ist, durch weitere Preiserhöhungen den Gewinn noch zu steigern. Wohlgemerkt: Die Anbieter A und B treffen keine Preisabsprachen, die nach § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verboten sind. Sie handeln lediglich im vollen Bewußtsein der oligopolistischen Reaktionsverbundenheit. Sie können aber durch das beschriebene bewußte Parallelverhalten in günstigen Fällen das gleiche erreichen wie durch Preisabsprachen. Anders als Preisabsprachen kann das geschilderte bewußte Parallel verhalten schwerlich verboten werden, weil man den Oligopolisten nicht untersagen kann, bei ihren Entscheidungen die gegebene Reaktionsverbundenheit zu bedenken. Man kann den Oligopolisten nicht vorschreiben, dümmer zu sein, als sie sind. Das Ergebnis ist wettbewerbspolitisch bedeutsam. Es zeigt, daß Preise, die Monopolpreisen nahe kommen, auch ohne Absprachen möglich sind, wenn es nur wenige Anbieter gibt. 1 Deshalb wird man nach Möglichkeiten suchen, Marktstrukturen zu verhindern, die zu diesen unerwünschten Ergebnissen führen. Das im GWB verankerte Fusionsverbot dient diesem Zweck. Auch die Bestimmung im GWB, nach der es marktbeherrschenden Unternehmen verboten ist, mißbräuchlich überhöhte Preise zu verlangen, stellt einen Versuch dar, durch wettbewerbspolitische Maßnahmen unerwünschte Marktergebnisse zu verhindern. 4.

Faktoren, die die oligopolistische Koordination erleichtern oder erschweren

Wir haben uns im letzten Abschnitt klargemacht, daß es möglich ist, allein durch Handeln im vollen Bewußtsein der oligopolistischen Reaktionsverbundenheit stark überhöhte Preise zu erzielen. Ob es den Oligopolisten gelingt, ihr Verhalten so zu koordinieren, wie das beschrieben wurde, hängt von einer Reihe von Faktoren ab, die die Koordination erleichtern oder erschweren. a.

Die Zahl der Oligopolisten

Die Fähigkeit, durch koordiniertes Verhalten oligopolistisch überhöhte Preise zu erzielen, hängt von der Zahl und der Größenverteilung der Anbieter ab. Je größer die

1

Dauerhaft überhöhte Preise lassen sich auch im Oligopol nur erzielen, wenn die Oligopolisten durch Markteintrittsbarrieren vor potentiellen Konkurrenten geschützt sind.

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

253

Zahl der Oligopolisten ist, um so größer sind in der Regel die Differenzen über den vorteilhaftesten Preis. Diese Differenzen können sich aus der unterschiedlichen Einschätzung der Nachfrage ergeben, aus unterschiedlichen Kostenstrukturen der Oligopolisten oder aus unterschiedlichen Ansichten über die Bedrohung durch potentielle Konkurrenz. Je größer die Divergenzen über den vorteilhaftesten Preis oder das vorteilhafteste Preisniveau sind, um so größer ist das Risiko für den Oligopolisten, der als erster den Preis erhöht, daß einige Konkurrenten die Preiserhöhung nicht mitmachen. Je größer die Zahl der Anbieter ist, um so geringer sind die Wirkungen, die die Verletzung der oligopolistischen Preisdisziplin durch einen Anbieter auf den Absatz der anderen Anbieter hat. Je geringer die Wirkungen sind, um so wahrscheinlicher ist es, daß die Konkurrenten auf Preissenkungen eines Oligopolisten nicht reagieren. Je größer aber die Wahrscheinlichkeit ist, daß die Konkurrenten nicht reagieren, um so größer ist für jeden einzelnen die Neigung, den Preis zu senken, um Absatz auf Kosten der Konkurrenten zu gewinnen. b.

Die Möglichkeit, Preissenkungen geheimzuhalten

Eine Preissenkung ist für einen Oligopolisten meist dann lohnend, wenn der oder die Konkurrenten nicht reagieren. Der einzelne Oligopolist wird eine Reaktion nicht erwarten, wenn er hofft, daß seine Preissenkung den Konkurrenten nicht bekannt wird. Je größer die Möglichkeiten sind, Preissenkungen vor den Konkurrenten geheimzuhalten, um so wahrscheinlicher ist es, daß die Oligopolisten Preissenkungen vornehmen. Auch wenn sie erwarten, daß Preissenkungen schließlich von den Konkurrenten entdeckt werden, mag doch die Zeit, die bis zur Entdeckung und der Reaktion der Konkurrenten vergeht, so lang sein, daß sich für den einzelnen eine Preissenkung lohnt, durch die er temporär höhere Gewinne erzielen kann. Ob eine Preissenkung vor den Konkurrenten geheim bleibt, hängt wesentlich von der Struktur und Organisation des Absatzmarktes ab. Eine Mineralölfirma kann nicht auf dem Gesamtmarkt oder einem gewichtigen Teil des Benzinmarktes ihre Preise senken, ohne daß dies den Konkurrenten bekannt wird. Gibt es auf einem Markt dagegen nur wenige große Kunden, so ist es möglich, den Absatz beträchtlich zu erhöhen, indem man einem oder wenigen Kunden niedrige Preise einräumt, ohne daß diese Preissenkung den Konkurrenten bekannt wird. Je geringer die Zahl der Käufer und je größer der einzelne Auftrag ist, um so eher wird es zu geheimen Preissenkungen kommen. Wer an sehr viele kleine Abnehmer verkauft, steht vor dem Problem, Hunderte von Kunden über eine Preissenkung zu informieren, ohne daß diese Preissenkung den Konkurrenten bekannt wird. c.

Stabilität der Nachfrage und der Kosten

Wenn die Nachfrage stark schwankt und die Kostenstrukturen der Unternehmen sich im Zeitablauf häufig ändern, ist es für die Oligopolisten schwieriger, sich stillschweigend auf optimale Preise zu einigen und ein optimales Preisniveau im Zeitablauf zu erhalten. Datenänderungen machen häufige Preisänderungen erforderlich. Je instabiler die Nachfrage- und Kostenstrukturen sind, um so wahrscheinlicher ist es, daß sich Divergenzen über die optimalen Preise ergeben. Schwankungen der Nachfrage und Kostenänderungen erschweren die Aufgabe, die Reaktion der Konkurrenten korrekt zu antizipieren. Bei schwankender Nachfrage ist die Gefahr groß, daß Oligopolisten mehr produzieren, als sie zu den bisher geltenden Oligopolpreisen absetzen

254

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

können. Sie werden versuchen, durch geheime oder auch offene Preissenkungen ihre Lager zu räumen. Dies kann zum Zusammenbruch der oligopolistischen Preisstruktur führen. d.

Heterogenität der Produkte

Koordiniertes Verhalten, das zu oligopolistisch überhöhten Preisen führt, ist im heterogenen Oligopol schwieriger als im homogenen Oligopol. Bei gegebener Zahl der Anbieter ist im homogenen Oligopol die Reaktionsverbundenheit ausgeprägter. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Oligopolisten bei ihren Aktionen die erwarteten Reaktionen bedenken, ist größer. Dadurch wird bewußtes Parallelverhalten erleichtert. Im heterogenen Oligopol genügt es nicht, sich stillschweigend auf ein bestimmtes Preisniveau zu einigen; man muß auch Einvernehmen über eine bestimmte Preisstruktur erzielen. Die Koordinationsaufgabe ist komplexer und schwieriger. Die für das heterogene Oligopol wesentliche Qualitätskonkurrenz macht kontinuierlich einmal erreichte Preisstrukturen obsolet. Qualitätsverbesserungen eines Unternehmens lösen Preisänderungen anderer Unternehmen aus. Qualitätskonkurrenz bewirkt Instabilität der erreichten Preisstrukturen. e.

Möglichkeit der Lagerhaltung

Die Oligopolisten werden bemüht sein, die Mengen zu produzieren, die sie zu den durch koordiniertes Verhalten erreichten Oligopolpreisen verkaufen können. Häufig irren sie sich über ihre Absatzmöglichkeiten. Wenn sie mehr produzieren als sie zum bisherigen Preis verkaufen können, ist die Stabilität der oligopolistischen Preisstruktur gefährdet. Die Gefährdung ist besonders groß, wenn Lagerhaltung nicht möglich ist oder mit sehr hohen Kosten verbunden ist. Die Oligopolisten werden dann versuchen, durch Rabatte, Gewährung besonders günstiger Konditionen oder durch Preissenkungen ihren Absatz zu erhöhen. Die oligopolistische Preiskoordination wird zerstört. Anders gesagt: Die Möglichkeit, Lager ohne ins Gewicht fallende zusätzliche Kosten zu bilden, wirkt sich stabilisierend aus. f.

Meistbegünstigungsklauseln

In der für das heterogene Oligopol typischen Situation des Gefangenendilemmas besteht stets die Gefahr, daß die Oligopolisten versuchen, ihre Gewinne durch Preissenkung zu erhöhen. Die uns schon bekannte, kurz reproduzierte Gewinnmatrix macht die Versuchung, der die Oligopolisten ausgesetzt sind, deutlich.

Siebentes Kapitel: Marktmacht und Marktversagen

255

Matrix 4 Anbieter B

rè Anbieter A



3/3

5/2

PA

2/5

4/4

^ „3

P (l+i)' n R; X 7 7 — ¡ = Pk

und

folgt:

" R, " R, X - — X =1(1+i)' .=1(1 +g)' oder i = gWir können auch fragen, in welchem Umfang bei gewinnmaximalem Faktoreinsatz Kapitalgüter in einer bestimmten Periode genutzt werden. Offenbar lohnt es sich, die Nutzung des Faktors Kapital zu erhöhen, wenn das Grenzwertprodukt größer ist als die Nutzungskosten. Bei gewinnmaximalem Faktoreinsatz muß das Grenzwertprodukt der Nutzung des Kapitalgutes gleich den Nutzungskosten sein.

330

Achtes Kapitel: Faktormärkte

Betrachten wir ein Kapitalgut mit einer Lebensdauer von zwei Jahren. Für die marginale Investition gilt: Ri

R2

_

R, ist das Grenzwertprodukt des ersten Jahres und R 2 das Grenzwertprodukt des zweiten Jahres. Die Nutzungskosten des Kapitals bestehen im ersten Jahr aus dem Wertverlust des Kapitalgutes und den Zinskosten in Höhe von ip k . Am Ende des ersten Jahres ist der Wert des Kapitalgutes gleich dem diskontierten Wert von R 2 , also gleich R 2 /l+i. Der Wertverlust im ersten Jahr beträgt also: R, 1+i

R2 (l+i)

R2 2_

Ri

iRj

l+i~ l+i~(l+i)2

Die Zinskosten betragen iR,

iR2

Die Nutzungskosten des Kapitals sind R, l+i

iR 2 (1+i)

iRi 2

l+i

iR2 (1+i)

2

R,

iR,

1+1

1+1

Da R, das Grenzwertprodukt des ersten Jahres ist, wird die Bedingung Grenzwertprodukt der Kapitalnutzung gleich Nutzungskosten erfüllt, wenn soviel investiert wird, daß das Grenzwertprodukt der marginalen Investition (GWP K ) gleich dem Preis des Kapitalgutes ist. Der Wert des Kapitalgutes nach einem Jahr beträgt noch R 2 /l+i. Das ist der Preis, zu dem das Kapitalgut nach einem Jahr verkauft werden könnte. Es entstehen im zweiten

331

Achtes Kapitel: Faktormärkte

Jahr Zinskosten von i R j / l + i . 1 Der Wertverlust beträgt im zweiten Jahr R 2 / l + i .

2

Die Nutzungskosten des zweiten Jahres betragen also Ri

iR,

l+i

l+i

Auch für das zweite Jahr ist also die Bedingung Grenzwertprodukt der Kapitalnutzung gleich Nutzungskosten des Kapitals erfüllt. Betrachten wir die Gesamtinvestitionen in der Volkswirtschaft. W e n n bei gegebenem Bestand an Arbeitskräften und Boden m e h r Kapitalgüter eingesetzt werden, k o m m t es aufgrund des Ertragsgesetzes zu abnehmenden physischen Ertragszuwächsen. Bei konstantem Preisniveau sinkt deshalb das Grenzwertprodukt mit steigendem Kapitaleinsatz. Steigende N a c h f r a g e wird außerdem zu Preissteigerungen bei Kapitalgütern führen. Die Investitionskosten steigen. Bei steigenden Investitionen pro Periode sinkt daher die Rendite aus zwei Gründen: Weil das Grenzwertprodukt des Kapitals bei steigendem Kapitaleinsatz sinkt und weil der Preis des Kapitalgutes steigt. Tragen wir die Investitionen in D M auf der Abszisse und den internen Z i n s f u ß g auf der Ordinate ab, erhält man eine von links oben nach rechts unten fallende Kurve, wie sie Abbildung 8.24 zeigt. Je höher die Investitionen pro Periode sind, um so niedriger ist die durch den internen Z i n s f u ß g gemessene Rendite. Bei gewinnmaximalem Faktoreinsatz wird soviel investiert, daß der interne Zinssatz g gleich dem Marktzinssatz i ist. In Abbildung 8.24 wird bei einem Zinssatz i, ein Betrag von OA DM investiert, bei einem Zinssatz i 2 ein Betrag von O B D M . Die Kurve gibt an, wieviel bei alternativen Zinssätzen investiert wird. Sie ist eine Investitionsnachfragekurve.

1

Man kann die Zinskosten des zweiten Jahres auch mit Hilfe der folgenden Überlegung bestimmen: D e m Investor fällt nach e i n e m Jahr ein Erlös von R, zu. Nach A b z u g der Zinskosten in H ö h e von ipK kann der Betrag R r i p K zur Tilgung des Kredits verwendet werden. Im z w e i t e n Jahr entstehen dann noch Zinskosten v o n KPK - R, + iR) = i[(l + i)p K - R J R

1

W e g e n pK = — +

^ erhält man als Zinskosten für das z w e i t e Jahr (l+i)R, l+i

2

•+

(l+i)R2

.., - R .

(l+i)2

iik

l +i

Es ist interessant, den Wertverlust des ersten Jahres in Höhe von - 4 : — m i t d e m Wertverlust

•') ti+o

des zweiten Jahres in H ö h e von — zu vergleichen. Für R, = R 2 erhält man als Wertverlust des ersten Jahres

, Verkäufe - Abschreibungen 10 VorratsverProduktionsLöhne 40 änderung 10 wert 10 Selbsterst. Anlagen 10 „ Gewinn 120

120

Dem Produktionswert von 120 stehen Vorleistungen von 60 gegenüber (linke Seite des Produktionskontos). Zieht man von dem Produktionswert die Vorleistungen ab, erhält man die Bruttowertschöpfung. In unserem Beispiel beträgt sie 120 - 60 = 60. Die Nettowertschöpfung, die gleich der Summe der Faktoreinkommen in Höhe von 40 + 10 = 50 ist, erhält man, wenn man von der Bruttowertschöpfung die Abschreibungen abzieht. Es besteht also folgender Zusammenhang:

= =

Produktionswert Vorleistungen Bruttowertschöpfung Abschreibungen Nettowertschöpfung

348

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

Die Summe der Bruttowertschöpfungen in der Volkswirtschaft ist gleich dem Bruttoinlandsprodukt. 2.

Das Inlandsprodukt und das N a t i o n a l e i n k o m m e n in einer offenen Volkswirtschaft o h n e Staat

Wir haben bisher den volkswirtschaftlichen Produktionsprozeß für eine Volkswirtschaft beschrieben, in der es keine wirtschaftlichen Transaktionen mit dem Ausland gab. Im Unterschied zu einer solchen „geschlossenen Volkswirtschaft" wird in einer „offenen Volkswirtschaft" ein Teil der Güter, die von Inländern produziert werden, ins Ausland verkauft. Wir bezeichnen diese Güter als Exporte (X). Auch die Exporte sind Ergebnis der produktiven Leistungen, die in einer Periode von Inländern erbracht wurden und müssen deshalb bei der Ermittlung des Inlandsprodukts berücksichtigt werden. Die volkswirtschaftliche Endproduktion besteht damit jetzt aus der Summe von Konsum (C), Bruttoinvestitionen (Ibr) und Exporten. Wir müssen andererseits berücksichtigen, daß in einer offenen Volkswirtschaft Vorleistungsgüter, Konsumgüter und Investitionsgüter importiert werden. Die volkswirtschaftliche Endproduktion in Höhe von C + Ibr + X enthält in Höhe der Importe (M) Vorleistungen aus dem Ausland und ist insoweit nicht Ergebnis der produktiven Leistungen im Inland. Die Schuhe aus Italien, die als Konsumgüter im Inland verkauft werden, sind im Konsum enthalten; die Werkzeugmaschinen aus den USA sind Bestandteil der inländischen Bruttoinvestitionen und die deutschen Autos, die exportiert werden, enthalten Vorprodukte aus vielen Ländern der Welt. Um in der offenen Volkswirtschaft den Gesamtwert der Güter und Dienstleistungen anzugeben, die in einer Periode im Inland erzeugt wurden, müssen wir von der volkswirtschaftlichen Endproduktion die Importe (M) abziehen. Das Bruttoinlandsprodukt ist dann die Summe aus Konsum, Bruttoinvestition und Exporten minus Importen. BIP = C + I br + X - M Subtrahiert man die Abschreibungen erhält man das Nettoinlandsprodukt (NIP) NIP = BIP - D NIP = C + I n + X - M Exporte und Importe enthalten nicht nur die Ausfuhr und Einfuhr von Waren, sondern auch Aus- und Einfuhr von Dienstleistungen. Man hat den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr früher auch als „unsichtbaren Export und Import" bezeichnet. So sind zum Beispiel die Ausgaben ausländischer Touristen in Deutschland als Einnahmen aus dem internationalen Reiseverkehr ein Dienstleistungsexport, während die Ausgaben deutscher Touristen im Ausland als Dienstleistungsimport gebucht werden. Einnahmen aus dem grenzüberschreitenden Frachtverkehr, aus Versicherungsleistungen, Finanzdienstleistungen, aus Lizenzen und Patenten stellen Dienstleistungsexporte, die entsprechenden Ausgaben Dienstleistungsimporte dar. Der Dienstleistungsverkehr ist auch im Vergleich zum Warenhandel keineswegs unbedeutend. So machten 1998 die deutschen Dienstleistungsimporte 28% der Warenimporte aus.

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

349

Die Differenz aus dem Export und dem Import von Gütern und Dienstleistungen nennt man den Außenbeitrag zum Inlandsprodukt. Im Dienstleistungsexport sind die Erwerbs- und Vermögenseinkommen nicht enthalten, die Inländer in Form von Kapitalerträgen oder als Arbeitsentgelt aus dem Ausland erhalten haben. Es ist X also der Wert der exportierten Güter und Dienstleistungen ohne die von Inländern aus dem Ausland erhaltenen Faktoreinkommen. Im Dienstleistungsimport sind die Erwerbsund Vermögenseinkommen nicht enthalten, die Ausländern aus dem Inland zufließen. Das Bruttoinlandsprodukt ist die Summe aus Konsum, Bruttoinvestition und Exporten minus Importe. Da die Faktoreinkommen der Ausländer nicht in den Importen enthalten sind , werden sie nicht subtrahiert, wenn wir X - M bilden. Sie sind also Bestandteil des Inlandsprodukts. Die folgende Abbildung 1.3 illustriert diesen Zusammenhang. Abb. 1.3

Bruttoinlandsprodukt

Im BIP nicht enthalten

Vom Bruttoinlandsprodukt zum Bruttonationaleinkommen Im hergebrachten System der VGR gelangte man vom Bruttoinlandsprodukt zum Bruttosozialprodukt, indem man die Erwerbs- und Vermögenseinkommen (Faktoreinkommen), die Inländer aus dem Ausland erhalten, zum Bruttoinlandsprodukt addierte und die Erwerbs- und Vermögenseinkommen, die Ausländern aus dem Inland zufließen, vom Bruttoinlandsprodukt subtrahierte. Bruttoinlandsprodukt Faktoreinkommen, die Inländer im Ausland erzielen Faktoreinkommen,die Ausländer im Inland erzielen

Saldo der Erwerbsund Vermögenseinkommen zwischen Inländern und der übrigen Welt

Bruttosozialprodukt Die folgende Abbildung veranschaulicht das traditionelle Konzept des Bruttosozialprodukts und macht den Unterschied zum Bruttoinlandsprodukt deutlich. Abb.1.4 Von Ausländern im Inland erzielte Einkommen V Im BSP nicht enthalten

Von Inländern im Inland erzielte Einkommen v/ Bruttosozialprodukt

Von Inländern im Ausland erzielte Einkommen

350

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

Im neuen Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen gibt es den Terminus Bruttosozialprodukt nicht mehr. An seine Stelle tritt der Begriff Bruttonationaleinkommen. Das Bruttonationaleinkommen ist aber nicht mit dem Bruttosozialprodukt identisch. Es werden jetzt beim Ubergang vom Bruttoinlandsprodukt zum Bruttonationaleinkommen zusätzlich zu den Erwerbs- und Vermögenseinkommen mit der übrigen Welt die von der Europäischen Union empfangenen Subventionen zum Bruttoinlandsprodukt addiert und die geleisteten Produktions- und Importabgaben an die Europäische Union vom Bruttoinlandsprodukt abgezogen werden. 1 Bruttoinlandsprodukt Faktoreinkommen,die Inländer im Ausland erzielen Faktoreinkommen, die Ausländer im Inland erzielen Empfangene Subventionen aus dem Ausland Geleistete Produktions- und Importabgaben an das Ausland

Saldo der Primäreinkommen = zwischen Inländern und der übrigen Welt

= Bruttonationaleinkommen Wir nennen die Summe aus dem Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen zwischen Inländern und der übrigen Welt und dem Saldo aus den von der übrigen Welt empfangenen Subventionen und den an die übrige Welt geleisteten Produktions- und Importabgaben den Saldo der Primäreinkommen zwischen Inländern und der übrigen Welt. Deshalb können wir auch formulieren: Bruttonationaleinkommen = Bruttoinlandsprodukt + Saldo der Primäreinkommen zwischen Inländern und der übrigen Welt. Der Saldo der Primäreinkommen ist infolge der dargestellten Konzeptänderung kleiner als der Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen, durch den bisher der Übergang vom Bruttoinlandsprodukt zum Bruttosozialprodukt hergestellt wurde, weil die geleisteten Produktions- und Importabgaben regelmäßig die empfangenen Subventionen beträchtlich übersteigen. Im Jahre 1995 überstiegen die geleisteten Produktions- und Importabgaben die empfangenen Subventionen um 21 Mrd. DM 2 . Eine Veränderung des Saldos der Primäreinkommen gegenüber dem bisher ausgewiesenen Saldo ergibt sich auch, weil nach dem neuen Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen reinvestierte Gewinne aus Direktinvestitionen als Vermögenseinkommen gebucht werden. Hierzu zählen nicht ausgeschüttete Gewinne ausländischer Unternehmen. Im bisherigen System der VGR wurden diese Beträge

1 Die an die Europäische Union geleisteten Produktions- und Importabgaben enthalten die Zolleinnahmen aus dem Handel mit Drittländern, die Einnahmen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und die sogenannten Mehrwertsteuereigenmittel. 2 Dieser Betrag gibt noch nicht die Nettozahlerposition Deutschlands gegenüber der Europäischen Union an, da die Zahlungen im Rahmen der sogenannten vierten Eigenmittelquelle als übrige laufende Transfers an die europäische Union gebucht werden Insgesamt ergibt sich für 1995. eine Nettozahlerposition von 29 Mrd. DM.

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

351

nicht erfaßt. Der Saldo der Primäreinkommen erhöhte sich 1995 aus diesem Grunde um acht Milliarden DM. Um den gleichen Betrag erhöht sich aufgrund dieser Konzeptänderung das Bruttonationaleinkommen . Der Saldo der Primäreinkommen verändert sich auch, weil Einnahmen und Ausgaben aus der Vergabe von Patenten und Lizenzen nicht wie bisher als grenzüberschreitende Vermögenseinkommen verbucht werden, sondern als empfangene oder geleistete Entgelte für grenzüberschreitende Dienstleistungen, also als Dienstleistungsexporte und Dienstleistungsimporte. Lizenzzahlungen an Inländer aus dem Ausland wurden also bisher als empfangene Vermögenseinkommen, Lizenzzahlungen an das Ausland als geleistete Vermögenseinkommen gebucht. Sie sind jetzt im Saldo der Vermögenseinkommen und damit im Saldo der Primäreinkommen nicht mehr enthalten. Da die Lizenzzahlungen an die übrige Welt in Deutschland in der Regel größer sind als die empfangenen Lizenzzahlungen erhöht sich infolge dieser Veränderung der Saldo der Vermögenseinkommen. Allerdings ist diese Konzeptänderung ohne Auswirkung auf die Höhe des Bruttonationaleinkommens, weil der Saldo aus Dienstleistungsexporten und Dienstleistungsimporten um den gleichen Betrag sinkt. Es handelt sich lediglich um eine Umbuchung von der Bilanz der grenzüberschreitenden Vermögenseinkommen zur Dienstleistungsbilanz. Es ist aber zu beachten, daß diese Änderung zwar keine Auswirkungen auf das Bruttonationaleinkommen hat, wohl aber auf die Höhe des Bruttoinlandsprodukts. Das ist deshalb so, weil der Saldo aus Dienstleistungsexporten und Dienstleistungsimporten, der infolge der Konzeptänderung sinkt, als Bestandteil des Außenbeitrags in das Bruttoinlandsprodukt eingeht, der Saldo der Vermögenseinkommen jedoch nicht. Da die empfangenen Lizenzzahlungen (Dienstleistungsexporte) kleiner sind als die an das Ausland geleisteten Lizenzzahlungen (Dienstleistungsimporte), sinkt infolge dieser Änderung der Außenbeitrag und somit auch das Bruttoinlandsprodukt. Zieht man vom Bruttonationaleinkommen die Abschreibungen ab, erhält man das Nettonationaleinkommen, das auch Primäreinkommen genannt wird. Bruttonationaleinkommen - Abschreibungen = Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen) Man erhält das Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen) auch, indem man den Saldo der Primäreinkommen zwischen Inländern und der übrigen Welt zum Nettoinlandsprodukt addiert. Nettoinlandsprodukt + Saldo der Primäreinkommen zwischen Inländern und der übrigen Welt = Nettonationaleinkommen Inlandsprodukt und Nationaleinkommen können also sowohl „brutto" als auch „netto", das heißt nach Abzug der Abschreibungen berechnet und dargestellt werden. Diese vier Größen werden zu Marktpreisen bewertet. Inlandsprodukt und Nationaleinkommen sind alternative Konzepte, um den Gesamtwert der produktiven Leistungen in einer Volkswirtschaft anzugeben. Während das Inlandsprodukt primär ein Produkti-

352

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

onsindikator ist, ist das N a t i o n a l e i n k o m m e n in erster Linie ein E i n k o m m e n s i n d i k a tor. D a s soll im neuen Europäischen S y s t e m Volkswirtschaftlicher G e s a m t r e c h n u n g e n s c h o n durch den N a m e n angedeutet w e r d e n , der j a den hergebrachten T e r m i n u s Sozialprodukt ersetzt hat. D i e B e z i e h u n g e n z w i s c h e n Inlandsprodukt und N a t i o n a l e i n k o m m e n w e r d e n z u s a m m e n f a s s e n d in der f o l g e n d e n Übersicht beschrieben.

Produktionsindikator Bruttoinlandsprodukt

Einkommensindikator + Saldo der P r i m ä r e i n k o m m e n mit der übrigen Welt

- Abschreibungen

- Abschreibungen = Nettoinlandsprodukt

B.

=Bruttonationaleinkommen

+ Saldo der P r i m ä r e i n k o m m e n mit der übrigen Welt

= Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen)

Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für die Bundesrepublik

In d e r Volkswirtschaft, die w i r bisher betrachtet haben, g a b es keinen Staat. Die B ü r ger b r a u c h t e n keine Steuern zu zahlen. Es w u r d e n keine Lehrer, Polizisten, R i c h t e r u n d V e r w a l t u n g s a n g e s t e l l t e n v o m Staat beschäftigt. Staatliche Dienstleistungen im E r z i e h u n g s w e s e n , in der Rechtspflege, im G e s u n d h e i t s w e s e n oder in der a l l g e m e i n e n V e r w a l t u n g wurden nicht erbracht. U m ein realistisches Bild einer V o l k s w i r t s c h a f t g e b e n zu können, m ü s s e n w i r den Staat in unser System der v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n G e s a m t r e c h n u n g einbeziehen. D i e A u f g a b e des Staates besteht in erster Linie darin, Dienstleistungen f ü r die Allgem e i n h e i t zu erbringen, die nicht v e r k a u f t werden, sondern ü b e r w i e g e n d d u r c h Z w a n g s a b g a b e n finanziert w e r d e n . U m Dienstleistungen zu produzieren, k a u f t der Staat V o r l e i s t u n g e n von den Unternehmen. Er beschäftigt Arbeiter, Angestellte u n d B e a m t e . Die Dienstleistungen werden z u m größten Teil unentgeltlich a b g e g e b e n . D i e S t e u e r n werden nicht als Entgelt ftir die v o m Staat erbrachten Leistungen a u f g e f a ß t . E s stellt sich die Frage, wie die staatlichen Leistungen bewertet und wie sie im R a h m e n d e r volkswirtschaftlichen G e s a m t r e c h n u n g erfaßt w e r d e n . D a m i t w i r d zugleich die F r a g e a u f g e w o r f e n , w i e d i e Tätigkeit anderer „ N i c h t m a r k t p r o d u z e n t e n " w i e z u m Beispiel die Tätigkeit von Kirchen, G e w e r k s c h a f t e n , Parteien und W o h l f a h r t s v e r b ä n d e n e r f a ß t u n d bewertet w i r d . Denn da auch in diesen Organisationen Leistungen erbracht werden, Arbeiter und Angestellte beschäftigt werden, die als Entgelt f ü r ihre L e i s t u n g e n E i n k o m m e n in F o r m von L ö h n e n u n d Gehältern erhalten, m ü s s e n auch die Tätigkeiten dieser O r g a n i s a t i o n e n erfaßt und bewertet werden. D a w i r jetzt in einer Welt leben, in der Steuern gezahlt w e r d e n m ü s s e n und S u b v e n t i o n e n geleistet werden, stellt sich zudem d i e Frage, wie Steuern und Subventionen in d e r V o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n G e s a m t r e c h n u n g ihren Niederschlag finden.

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

353

Diesen Fragen sollen zunächst im Rahmen der Entstehungsrechnung nachgegangen werden, bevor in den folgenden Abschnitten die Probleme der Verwendungsrechnung und der Verteilungsrechnung erörtert werden.

1.

Die Entstehungsrechnung

Ausgangsgröße für die Ermittlung des Inlandsprodukts im Rahmen der Entstehungsrechnung sind die uns schon bekannten Produktionswerte, die für die für den Markt produzierenden Einheiten gleich dem Wert der Verkäufe von Waren und Dienstleistungen aus eigener Produktion, den Bestandsveränderungen an Halb- und Fertigwaren und dem Wert der selbsterstellten Anlagen sind. Es fragt sich, wie der Produktionswert für den Staat und andere Nichtmarktproduzenten zu ermitteln ist und wie sich Steuern und Subventionen bei der Bestimmung des Produktionswertes und der Bruttowertschöpfung auswirken. a.

Die B e s t i m m u n g der Produktionswerte f ü r Nichtmarktproduzenten

Wir wenden uns zunächst der ersten Frage zu: Wie wird der Produktionswert zum Beispiel für einen öffentlichen Haushalt bestimmt? Der Staat produziert Dienstleistungen, indem er Vorleistungen von inländischen Unternehmen oder aus dem Ausland kauft und dauerhafte Produktionsmittel und Faktorleistungen einsetzt. Da die Leistungen des Staates nicht verkauft werden, sondern im wesentlichen unentgeltlich abgegeben werden, können wir die Leistungen nicht zu Marktpreisen bewerten. Wir ermitteln den Produktionswert der Nichtmarktproduzenten durch Addition der Aufwandsposten. Dazu zählen erstens die uns schon bekannten Vorleistungen. Das sind der Wert der Güter und Waren, die von anderen Wirtschaftseinheiten gekauft und im Berichtszeitraum im Zuge der Produktion verbraucht worden sind. Ein weiterer Aufwandsposten sind die Abschreibungen, die die Wertminderung des reproduzierbaren Anlagevermögens messen. Schließlich müssen Löhne und Gehälter, gezahlt werden. Der Produktionswert ergibt sich als Summe dieser Posten. Die Konsumausgaben des Staates (früher Staatsverbrauch genannt), die auf dem Produktionskonto auf der rechten Seite des Kontos als Saldo erscheinen, erhält man, wenn man vom Produktionswert die Verkäufe subtrahiert.

1. Bruttowertschöpfung

Produktionskonto eines öffentlichen Haushalts Vorleistungen 1. Verkäufe von Vorleistungen und Konsumgütern

2. Abschreibungen

2. Konsumausgaben des Staates

>

Produk tionswert

3. Arbeitnehmerentgelt (Löhne, Gehälter,Dienstbezüge)

Zieht man vom Produktionswert die Vorleistungen ab, erhält man die Bruttowertschöpfung des öffentlichen Haushalts. Mit der Einfuhrung des neuen Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen wurde der Investitionsbegriff erweitert. Der erweiterte Investitionsbegriff schließt jetzt militärische Ausrüstungen und Bauten ein, die auch zivil genutzt werden können. Bisher wurden diese Objekte, zu denen zum Beispiel militärische

354

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

Fahrzeuge, Krankenhäuser, Kasernen und Flugplätze gehören, zu den Vorleistungen gerechnet. Infolge dieser Neuregelung verringern sich die Vorleistungen um den gleichen Betrag, um den die Anlageinvestitionen steigen, die auf dem hier nicht behandelten Vermögensänderungskonto des Staates verbucht werden'. Da diese Investitionen abgeschrieben werden, erhöhen sich die Abschreibungen auf dem Produktionskonto des Staates. Es kann aus dem Produktionskonto abgelesen werden, daß sich dadurch auch die Bruttowertschöpfung erhöht. 2 Wie später noch deutlich wird, erhöht sich auch das Bruttoinlandsprodukt. Eine weitere bedeutsame Veränderung im Zuge der Einfuhrung des neuen Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen stellt die Erweiterung der Bemessungsgrundlage der Abschreibungen dar. Im Gegensatz zur bisherigen Praxis werden nun öffentliche Investitionen in Straßen, Brücken, Kanäle und andere Güter abgeschrieben. Anders als bei den auch zivil nutzbaren militärischen Anlagen und Ausrüstungen handelt es sich hier um Güter, die auch bisher schon zum Anlagevermögen gehörten, aber wegen der Schwierigkeit, ihre Nutzungsdauer zu schätzen, nicht abgeschrieben wurden. Dadurch erhöhen sich der Produktionswert, die Bruttowertschöpfung und die Konsumausgaben des Staates. Es wird später noch deutlich, daß dadurch auch das Bruttoinlandsprodukt steigt. b.

Die Ermittlung des Produktionswerts für Marktproduzenten

Wenn wir jetzt den Produktionswert und die Bruttowertschöpfung eines Unternehmens, das für den Markt produziert, betrachten, müssen wir berücksichtigen, daß ein solches Unternehmen Steuern und Abgaben zahlen muß. Wir haben bisher den Produktionswert eines Unternehmens als Summe aus Verkäufen, Mehrbestand an eigenen Erzeugnissen und selbsterstellten Anlagen bestimmt. Der Preis, den die Unternehmen den Käufern in Rechnung stellen, ist um so höher, je mehr Produktionssteuern, Einfuhrabgaben und Mehrwertsteuer an den Staat oder die Europäische Gemeinschaft gezahlt werden müssen. Tatsächlich wurden schon bisher die Produktionswerte ohne die in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer und ohne Einfuhrabgaben ausgewiesen. Die Vorleistungen wurden ohne die abzugsfähige Mehrwertsteuer, also ohne die Mehrwertsteuer, die von den Produktionseinheiten abgesetzt werden kann, in Ansatz gebracht. 3 Die Produktionswerte und die Bruttowertschöpfung enthielten also schon bisher weder Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer plus Einfuhrumsatzsteuer) noch Einfuhrabgaben. In den Produktionswerten und in der Bruttowertschöpfung enthalten waren aber die Produktionssteuern wie zum Beispiel Verbrauchsteuern (Tabak-, Branntwein- und Mineralölster), Grundsteuer, Gewerbesteuer, Grunderwerbsteuer, Kraftfahrzeugsteuer und Versicherungssteuer. Die Einführung des neuen Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen war mit einer Konzeptänderung verbunden, die zu einem neuen Erschei1 Die Vorleistungen sind also nur ein Teil der staatlichen A u s g a b e n f ü r Güter und Dienstleistungen 2 O b w o h l sich infolge d e r N e u r e g e l u n g die Vorleistungen verringern, n e h m e n die K o n s u m a u s g a b e n d e s Staates zu, weil diese V e r r i n g e r u n g d u r c h die Z u n a h m e der A b s c h r e i b u n g e n ü b e r k o m p e n s i e r t wird. 3 D i e U n t e r n e h m e n stellen in ihren Verkaufspreisen den Käufern die n i c h t a b z u g s f ä h i g e M e h r w e r t steuer in R e c h n u n g . Sie zahlen selbst für d i e von ihnen g e k a u f t e n G ü t e r ebenfalls M e h r w e r t s t e u e r u n d E i n f u h r u m s a t z s t e u e r , die sie als Vorsteuer von der den K ä u f e r n in R e c h n u n g gestellten M e h r wertsteuer abziehen können.

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

355

nungsbild der Entstehungsrechnung führte. Produktionswerte und Bruttowertschöpfung werden zu Herstellungspreisen und nicht mehr zu Marktpreisen bewertet. Diese Größen werden nicht nur wie bisher ohne Mehrwertsteuer und Einfuhrabgaben ausgewiesen, sondern auch ohne pro Einheit einer Ware oder Dienstleistung anfallenden sonstigen Gütersteuern, aber einschließlich der entsprechenden Gütersubventionen. Der Herstellungspreis ist der Betrag, den der Hersteller enthält ohne die auf die Güter zu zahlenden Gütersteuern, aber zuzüglich der empfangenen Gütersubventionen. Gütersteuern und Gütersubventionen sind nur solche Abgaben, die mengen- oder wertabhängig von den produzierten Gütern sind. Gütersteuern sind die nichtabziehbare Umsatzsteuer, also der Teil der Umsatzsteuer, der nicht im Vorsteuerabzugsverfahren von der geschuldeten Umsatzsteuer abgezogen werden kann, Importabgaben wie Zölle und Abschöpfungsbeträge auf eingeführte Güter und sonstige Gütersteuern wie zum Beispiel Verbrauchsteuern, Vergnügungsteuern und die Versicherungsteuer. Die Produktionswerte enthalten also nur noch jene Produktionssteuern, die nicht mengen- oder wertabhängig von den produzierten Gütern sind. 1 Das gleiche gilt für die Subventionen. Wenn wir diese Steuern und Subventionen „sonstige Produktionsabgaben"und „sonstige Subventionen" nennen, können wir uns von einem Produktionskonto eines für den Markt produzierenden Unternehmens das folgende Bild machen: Produktionskonto eines Unternehmens 1. Vorleistungen a. Von Unternehmen b. Vom Ausland

1.

2. Abschreibungen Bruttowertschöpfung

3.

Sonstige Produktionsabgaben minus sonstige Subventionen

4.

Faktoreinkommen

Verkäufe a. Vorleistungen b. Konsumgüter c. Investitionsgüter d. An das Ausland

2.

Bestandsänderungen an eigenen Erzeugnissen

3.

Selbsterstellte Anlagen

Produktionswert

Die Gütersteuern sind im Wert der Verkäufe und damit im Produktionswert nicht mehr enthalten. Produktionswert und Bruttowertschöpfung werden durch die neuen Gütersteuern reduziert. 2 Abbildung 1.5 auf der folgenden Seite gibt einen Überblick über das neue System der indirekten Steuern

1 2

Dazu zählen die Gewerbesteuer, die Grundsteuern und die Kfz-Steuer (von Unternehmen). E s wird noch gezeigt werden, daß beim Übergang von der Bruttowertschöpfung zu Herstellungspreisen zum Bruttoinlandsprodukt (zu Marktpreisen) die Nettogütersteuern ( a l s o der S a l d o zwischen Gütersteuem und Subventionen) global wieder addiert werden, so daß sich keine Auswirkungen auf d a s Bruttoinlandsprodukt ergeben.

356

E r s t e s Kapitel: V o l k s w i r t s c h a f t l i c h e G e s a m t r e c h n u n g

Abb. 1.5: Das neue System der indirekten Steuern und Subventionen

Produktions-und Importabgaben Gütersteuern

Sonstige Produktionsabgaben

Steuern, die p r o E i n h e i t einer produzierten o d e r g e h a n d e l t e n W a r e zu entrichten sind.

Mehrwertsteuer

I m p o r t a b g a b e n ohne Einfuhrumsatzsteuer Zölle Importsteuern ohne Einfuhrumsatzseuer

Steuern, die von Unternehmen aufgrund ihrer Produktionstätigkeit unabhängig von der Menge oder dem Wert der verkauften produzierten Güter zu entrichten sind

S o n s t i g e Gütersteuern

Subventionen Gütersubventionen

Sonstige Subventionen

Subventionen, die pro Einheit einer produzierten oder eingeführten Ware oder DienstLeistung geleistet werden.

Alle an gebietsansässige Produktionseinheiten gezahlten Subventionen, die keine Gütersubventionen sind.

Importsubventionen

Sonstige Gütersubventionen

Im Produktionswert zu Herstellungskosten enthalten: • Sonstige Produktionsabgaben minus sonstige Subventionen. Die sonstigen Produktionsabgaben enthalten insbesondere die Grundsteuern, die Gewerbesteuer und die Kfz-Steuer (von Unternehmen). Die sonstigen Subventionen umfassen alle nicht produktabhängigen Subventionen, z.B. Zinsverbilligungszuschüsse, Zahlungen zur Treibstoffverbilligung, Ausgleichszulagen in benachteiligten landwirtschaftlichen Gebieten, Lohnkostenzuschüsse, Liquiditätsbeihilfen. • Gütersubventionen Im bisherigen System waren im Produktionswert (zu Marktpreisen) außerdem enthalten: • Sonstige Gütersteuern (z.B. Verbrauchsteuern,Vergnügungssteuer) Im bisherigen System nicht enthalten: • Gütersubventionen Q u e l l e : I n f o r m a t i o n d e s Statistischen B u n d e s a m t e s

357

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

Die Konzeptänderung verändert auch die Darstellung der Wirtschaftsbereiche. Die Anteile der Wirtschaftsbereiche an der Bruttowertschöpfung ändern sich. Das gilt vor allem für das produzierende Gewerbe, weil Mineralölsteuer, Tabak- und Branntweinsteuer nicht mehr in den Produktionswerten und in der Bruttowertschöpfung enthalten sind. Die Addition der Subventionen erhöht dagegen die Bruttowertschöpfung der Landwirtschaft. Eine weitere wesentliche Konzeptänderung ist die Nettostellung der Handelsware. Das bedeutet, daß in den einzelnen Wirtschaftsbereichen die Vorleistungen und die Produktionswerte um den Einsatz der Handelsware in gleicher Höhe gekürzt werden. Es werden nur noch die Handelsdienstleistungen nachgewiesen, die die Differenz zwischen den Umsätzen und dem Einstandswert der Handelsware sind. Dies hat keine Auswirkungen auf die Bruttowertschöpfung. Es verändern sich jedoch für die Wirtschaftszweige das Verhältnis von Vorleistungen zu den Produktionswerten, die sogenannten Vorleistungsquoten. In der folgenden tabellarischen Übersicht wird am Beispiel des Jahres 1995 dargestellt, wie sich die Konzeptänderungen auswirken. Ausgangspunkt der Darstellung sind die bereits um die datenbedingten Änderungen und um die BIP-wirksamen Konzeptänderungen korrigierten Werte der alten VGR. Tabelle 1: Produktionswert und Bruttowertschöpfung nach alter und neuer VGR bisheriges HandelsErgebnis ware (korrigiert) 1 2 Produktionswert

103,3

22,3

3314,5

3258,4

103,3

22,3

3177,4

265,4

103,3

-22,3

5117,0

2071,6

= Bruttowertschöpfung (unbereinigt)

3395,5

= Bruttoinlandsprodukt

1-2-3+4

4 22,3

- Vorleistungen

+ Nettogiitersteuern

Neues Ergebnis

3

2071,6

= Bruttowertschöpfung (bereinigt)

Gütersubventionen

103,3

8512,5

- unterstellte Bankgebühr

Gütersteuem

6359,9 3045,4

137,1

137,1

3523,8

346,4 3523,8

Quelle: Wirtschaft und Statistik, Heft 6, S.449 ff.

Uns interessieren an dieser Tabelle zunächst nur die ersten drei Zeilen. Wir sehen, daß die Produktionswerte infolge der neuen Gütersteuern um 103 Mrd. DM sinken; infolge der Gütersubventionen erhöhen sie sich um 22,3 Mrd. DM. Per saldo sinken Produktionswert und Bruttowertschöpfung um 81 Mrd. D M . Die Nettostellung der Handelsware wirkt sich nur auf die Produktionswerte aus. Da sich Produktionswert und Vorleistungen um den gleichen Betrag reduzieren, ändert sich infolge der Nettostellung der Handelsware die Bruttowertschöpfung nicht. c.

V o n d e r Bruttowertschöpfung zum Bruttoinlandsprodukt

In unseren einfachen Modellen einer Volkswirtschaft ohne Staat erhielten wir das Bruttoinlandsprodukt, indem wir die Bruttowertschöpfung der einzelnen Sektoren addierten. Die Bruttowertschöpfung wiederum ergab sich, indem wir vom Produktionswert die Vorleistungen subtrahierten. Wir haben in diesem Kapitel gesehen, daß im

358

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

neuen Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen Produktionswerte und Bruttowertschöpfung zu Herstellungspreisen, also ohne die sogenannten Gütersteuern bewertet werden. Diese Größen werden also nicht nur wie früher ohne die in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer ausgewiesen, sondern auch ohne die pro Einheit einer Ware oder Dienstleistung zu entrichtenden sonstigen Gütersteuern, wie zum Beispiel die Mineralölsteuer, Branntweinsteuer oder Tabaksteuer. Andererseits wurden Gütersubventionen des Staates und der Europäischen Union in die Bewertung einbezogen. Um zum Bruttoinlandsprodukt (zu Marktpreisen) zu kommen, muß man zur Summe der Bruttowertschöpfung der Wirtschaftszweige die Gütersteuern addieren und die Gütersubventionen abziehen. Wenn wir die Differenz aus Gütersteuern und Gütersubventionen Nettogiitersteuern nennen können wir auch sagen: Bruttowertschöpfung plus Nettogiitersteuern gleich Bruttoinlandsprodukt Das ist allerdings eine etwas verkürzte Darstellung. Auf dem Weg von der Bruttowertschöpfung zum Bruttoinlandsprodukt muß nämlich noch eine zusätzliche, aber schwer durchschaubare Etappe, durchlaufen werden, die uns von der unbereinigten zur bereinigten Bruttowertschöpfung führt. Als Bestandteil des Produktionswertes der Banken wird in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung die Differenz zwischen den Zinserträgen und den Kreditprovisionen der Banken und dem Zinsaufwand der Banken ermittelt. Diese Bankdienstleistungen werden von so gut wie allen andern Branchen in Anspruch genommen. Sie sind eigentlich für diese Branchen Vorleistungen, die bei der Ermittlung der Bruttowertschöpfung von den Produktionswerten abgezogen werden müßten. Sie lassen sich aber bisher den einzelnen Branchen nicht zurechnen. Deshalb werden sie pauschal von der Summe der Bruttowertschöpfungen subtrahiert. Die Bruttowertschöpfung wird so „bereinigt". Man erhält also die bereinigte Bruttowertschöpfung, indem man von der unbereinigten Bruttowertschöpfung die unterstellten Entgelte für Bankdienstleistungen abzieht. In der folgenden Übersicht wird der Weg von der Summe der Produktionswerte zum Bruttoinlandsprodukt (zu Marktpreisen) dargestellt. Summe der Produktionswerte - Vorleistungen = Bruttowertschöpfung (unbereinigt) - Unterstellte Entgelte für Bankdienstleistungen = Bruttowertschöpfung (bereinigt) + Nettogütersteuern = Bruttoinlandsprodukt (zu Marktpreisen) Durch den Übergang vom eigenständigen deutschen System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zum Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen haben sich die für das Bruttoinlandsprodukt ermittelten Werte verändert. Das ist darauf zurückzufuhren, daß im Zuge der Umstellung bislang nicht verwendete Berechnungsgrundlagen aus Großzählungen eingebaut sowie neue Berechnungsmethoden und neue Konzepte in das Rechenwerk eingeführt worden sind. Von den konzeptionellen Änderungen bewirkte vor allem der erweiterte Investitionsbegriff, daß sich das Bruttoinlandsprodukt gegenüber den bisher ausgewiesenen Werten erhöhte. Anders als bisher zählen im neuen System auch immaterielle Anlagegüter zu den Anlageinvestitionen. Zivil nutzbare militärische Ausrüstungen und Bauten werden ebenso zu den Anlagein-

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

359

vestitionen gerechnet und erhöhen wegen der auf sie entfallenden Abschreibungen die Bruttowertschöpfung und die Konsumausgaben des Staates. Auch die schon erwähnte Tatsache, daß jetzt auch öffentliche Tiefbauten abgeschrieben werden, bewirkt, daß sich die Bruttowertschöpfung und somit das Niveau des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Für den Zeitraum von 1991 bis 1998 weist das Bruttoinlandsprodukt in allen Jahren ein höheres Niveau auf als bisher. Die Differenzen zwischen neuen und alten Werten nehmen im Zeitablauf ab. Das führt dazu, daß die neuen Wachstumsraten kleiner sind als die bisher ausgewiesenen Werte. Während nach der bisherigen Rechnung das Bruttoinlandsprodukt von 1991 bis 1998 um 31,7% gewachsen ist, beträgt das Wachstum nach der neuen Rechnung nur 28,8%. Die durchschnittliche Wachstumsrate pro Jahr sinkt von bisher 4,0% auf 3,7%. Der Weg vom Bruttoinlandsprodukt zum Bruttonationaleinkommen ist uns schon bekannt. Es gilt: Bruttoinlandsprodukt + Saldo der Primäreinkommen mit der übrigen Welt = Bruttonationaleinkommen Wenn man vom Bruttonationaleinkommen die Abschreibungen subtrahiert, erhält man das Nettonationaleinkommen, das auch Primäreinkommen genannt wird. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Entwicklung dieser Größen seit 1991. Tabelle 2: Von der Bruttowertschöpfung zum Nationaleinkommen Jahr Bruttowert Unterstellte NettogüSchöpfung Bankgebühr tersteuem +

-

+

Bruttoinlandsprodukt

Saldo der BruttoAbschreiNettoPrimäreinbungen nationalnationalkommen einkommen einkommen +

=

-

-

-

Mrd. DM 1991

2.776,00

117,10

279,10

2.938,00

17,66

2 955,66

411,36

2.544,30

1992

2.982,39

129,29

302,10

3.155,20

15,43

3 170,63

451,11

2 719,52

1993

3.053,54

135,55

317,41

3.235,40

13,45

3 248,85

482,55

2.766,30

1994

3.188,03

139,68

346,05

3.394,40

-13,84

3.380,56

502,42

2 878,14 2 983,28

1995

3.313,70

137,14

364,44

3.523,00

-18,57

3 504,43

521,15

1996

3.374,22

136,91

348,69

3.586,00

-15,93

3.570,07

532,55

3.037,52

1997

3.449,90

137,11

353,81

3.666,60

-17,22

3.649,38

546,42

3.102,96

1998

3.553,67

137,55

368,08

3.784,20

-30,15

3.754,05

561,54

3.192,51

1999

3.617,86

137,80

397,04

3.877,10

-37,57

3.839,53

574,71

3.264,82

Quelle: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1999/2000; www.statistik-bund.de/basis/cl/vgrtab2.htm

d.

Die V e r ä n d e r u n g der Sektoreinteilung und der Branchengliederung

In der Entstehungsrechnung werden die Beiträge der einzelnen Wirtschaftszweige zum Inlandsprodukt dargestellt. Man erhält ein Bild von der Produktionsstruktur und der Branchenstruktur eines Landes. Wenn man die Fintwicklung der Produktionsstruktur

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

360

über einen längeren Zeitraum betrachtet, werden die Strukturänderungen in der Volkswirtschaft erkennbar. Mit dem Übergang zum neuen Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen wurde die Sektoreneinteilung wesentlich verändert und darüber hinaus die international übliche Brancheneinteilung übernommen. Der wichtigste Unterschied zur bisherigen Sektoreneinteilung in der alten Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung besteht darin, daß es einen umfassenden Unternehmenssektor, der alle unternehmerischen Aktivitäten erfaßt, nicht mehr gibt. Die alte VGR unterschied drei Sektoren Unternehmen, Staat und Private Haushalte einschließlich der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck Zu den Unternehmen zählten alle Institutionen, die vorwiegend Waren und Dienstleistungen erzeugen und diese gegen spezielles Entgelt verkaufen, das in der Regel Überschüsse abwirft. Dazu gehörten Produktionsunternehmen, Kreditinstitute, Handwerksbetriebe aber auch die Arbeitsstätten der Freien Berufe, die Deutsche Bundesbahn, die Deutsche Bundespost, ferner die gesamte Wohnungsvermietung einschließlich der Eigennutzung durch den Eigentümer. Diesen drei Sektoren konnten in der alten VGR die folgenden Wirtschaftszweige eindeutig zugeordnet werden: • • • • •

Land- und Forstwirtschaft Produzierendes Gewerbe einschl. Bau Handel und Verkehr Dienstleistungsunternehmen Staat



Private Haushalte einschl. Private Organisationen ohne Erwerbscharakter

Die Zuordnung wird in der folgenden Ubersicht dargestellt: Sektoren

Wirtschaftszweige

Den hier aufgeführten Wirtschaftszweigen konnten 58 Untergruppen zugeordnet werden.

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

361

Mit der Einführung des neuen Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen wurde die Sektoreneinteilung wesentlich verändert. Einen einheitlichen Unternehmenssektor gibt es nicht mehr. Die Wirtschaftszweige lassen sich den Sektoren nicht mehr wie früher problemlos zuordnen. Es gibt die folgenden Sektoren: • Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften. Dazu gehören die Kapitalgesellschaften wie A G und GmbH, sowie Personengesellschaften wie z.B. O f f e n e Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und abgeleitete Rechtsformen, sofern sie nicht zu den finanziellen Kapitalgesellschaften gehören. Dazu zählen aber auch rechtlich unselbständige Eigenbetriebe des Staates und der Organisationen ohne Erwerbszweck, die als Marktproduzenten ihre Kosten überwiegend aus Verkaufserlösen decken, wie öffentliche Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen der gemeinnützigen Träger. Das ist eine wichtige Veränderung gegenüber der bisherigen Zuordnung der Krankenhäuser zum Sektor Staat bzw. zu den privaten Organisationen ohne Erwerbscharakter. Nicht mehr zum Unternehmensbereich zählen dagegen die Regiebetriebe des Staates, deren Ausgaben und Einnahmen in den öffentlichen Haushalten unsaldiert veranschlagt und abgerechnet werden und die in der deutschen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung bisher zum Unternehmenssektor gerechnet wurden. • Finanzielle Kapitalgesllschaften. Dieser Sektor umfaßt Banken und Versicherungen einschließlich des Hilfsgewerbes dieser Branchen wie Effekten- und Warenterminbörsen, Kapitalanlagegesellschaften, Versicherungsmakler, Anlageberater usw. Z u diesem Sektor gehören auch, anders als bisher, die Zusatzversorgungseinrichtungen des Bundes und der Länder. Zu den Sektoren Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften und Finanzielle Kapitalgesellschaften gehören nur sogenannte Marktproduzenten, die Güter für den Markt herstellen, die zu „wirtschaftlich signifikanten Preisen verkauft werden". Die Verkaufserlöse müssen mindestens die Hälfte der Produktionskosten decken. Finanzielle und nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften wurden früher dem einheitlichen Unternehmenssektor zugeordnet. Nach der neuen Sektoreinteilung ist mit diesen beiden Sektoren der gesamte frühere Unternehmenssektor j e d o c h noch keineswegs abgedeckt. Das wird bei der Beschreibung des folgenden Sektors deutlich. • Private Haushalte. Der alte Sektor Private Haushalte und private Organisationen ohne Erwerbszweck wurde aufgespalten in den Sektor Private Haushalte und den eigenständigen Sektor Private Organisationen ohne Erwerbszweck. Der Sektor private Haushalte enthält nicht mehr nur Einzelpersonen und Gruppen von Personen als Konsumenten und Arbeitnehmer. Es werden vielmehr - anders als früher - in diesem Sektor auch unternehmerisch tätige Einzelpersonen erfaßt, also Einzelunternehmen als Produzenten wie selbständige Landwirte, Händler. Gastwirte, Freiberuflich Tätige, selbständige Versicherungsvertreter. Sie werden auch dann im Haushaltssektor erfaßt, wenn sie Kooperationsformen unterhalb der genannten Personengesellschaften bilden, also zum Beispiel in BGB-Gesellschaften oder Praxisgemeinschaften kooperieren. Damit wurde ein erheblicher Teil der gesamtwirtschaftlichen Produktion in den Haushaltssektor verlagert.

362

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

• Staat. Zum Staat gehören wie bisher die Gebietskörperschaften, also Bund, Länder und Gemeinden sowie die Sozialversicherung. Anders als früher umfaßt der Sektor Staat nicht mehr die Krankenhäuser und die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, die als Marktproduzenten dem Sektor nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften zugeordnet werden. Zum Sektor Staat zählen dagegen die früher im Sektor Unternehmen erfaßten Regiebetriebe des Staates. • Private Organisationen ohne Erwerbscharakter. Wie bisher werden hier politische Parteien, Gewerkschaften, Kirchen Wohlfahrtsverbände, Vereine usw. erfaßt. Nicht mehr enthalten sind Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen der gemeinnützigen Träger. Dagegen wird die Wohnungsvermietung dieser Einheiten nicht mehr dem Unternehmenssektor zugeordnet, sondern hier einbezogen. Diesen Sektoren stehen in der neuen VGR die folgenden Wirtschaftszweige gegenüber: • • • • • •

Land und Forstwirtschaft Produzierendes Gewerbe Baugewerbe Handel, Gastgewerbe und Verkehr Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister Öffentliche und private Dienstleister

Diese sechs Wirtschaftszweige sind wieder in 59 Wirtschaftsgruppen gegliedert. Bei einem Vergleich der alten mit der neuen Gliederung in Wirtschaftszweige erkennt man, daß es die alten Wirtschaftszweige Staat und Private Haushalte und Private Organisationen ohne Erwerbscharakter nicht mehr gibt. Es werden jetzt die drei großen Dienstleistungsbereiche gebildet: • • •

Handel, Gastgewerbe und Verkehr Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister Öffentliche und private Dienstleister

Den einzelnen Sektoren können in der neuen Gliederung nicht mehr wie früher die Wirtschaftszweige unmittelbar zugeordnet werden. Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften können zum Beispiel in der Land- und Forstwirtschaft, im Produzierenden Gewerbe, im Baugewerbe oder auch in einem der drei Diensleistungsbereiche tätig sein. Private Haushalte können als Einzelunternehmer der Landwirtschaft, dem Produzierenden Gewerbe, dem Baugewerbe oder einem der Dienstleistungsbereiche zugeordnet sein. Das Statistische Bundesamt hat bisher nur für den relativ kurzen Zeitraum von 1991 bis 1999 die Ergebnisse der Neuberechnung nach der neuen Gliederung in Wirtschaftsbereiche vorgelegt.

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

363

Tabelle 3: Bruttowertschöpfung nach Wirtschaftsbereichen Jahr

Land und

Produzie-

Forst-

rendes

Baugewerbe

wirtschaft Gewerbe

Handel,

Finanzierung,

Öffentliche

Gastge-

Vermietung,

u n d Private

Untern.-

Dienstleister

w e r b e und Verkehr

Insgesamt

Dienstleister

Milliarden D M in j e w e i l i g e n Preisen 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999

38,48 39,12 38,54 40,80 42,31 44,53 44,33 43,87 42,24

840,47 848,72 802,18 819,02 835,52 838,39 861,62 903,35 909,56

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999

1,4% 1,3% 1,3% 1,3% 1,3% 1,3% 1,3% 1,2% 1,2%

30,3% 28,5% 26,3% 25,7% 25,2% 24,8% 25,0% 25,4% 25,1%

164,31 195,06 203,94 221,62 222,42 211,69 204,78 193,39 189,83

489,62 517,53 530,84 559,72 586,41 584,03 602,86 622,20 628,36

679,25 757,52 822,60 860,45 907,21 961,27 994,79 1034,97 1077,27

563,87 624,44 655,44 686,42 720,63 738,08 741,52 755,89 770,60

2776,00 2982,39 3053,54 3188,03 3314,50 3377,99 3449,90 3553,67 3617,86

Anteile d e r W i r t s c h a f t s b e r e i c h e an der B r u t t o w e r t s c h ö p f u n g 5,9% 6,5% 6,7% 7,0% 6,7% 6,3% 5,9% 5,4% 5,2%

17,6% 17,4% 17,4% 17,6% 17,7% 17,3% 17,5% 17,5% 17,4%

24,5% 25,4% 26,9% 27,0% 27,4% 28,5% 28,8% 29,1% 29,8%

20,3% 20,9% 21,5% 21,5% 21,7% 21,8% 21,5% 21,3% 21,3%

Quelle: Statistisches J a h r b u c h 1999; www.statistik-bund.de/basis/d/vgr/vgrtab3.htm rechnungen

100,0% 100,0% 100,0% 100,0% 100,0% 100,0% 100,0% 100,0% 100,0% und e i g e n e Be-

Während noch 1991 auf die Wirtschaftsbereiche Land- und Forstwirtschaft, Produzierendes Gewerbe und Baugewerbe , die man in Anschluß an Fourastie auch als primären und sekundären Sektor bezeichnen kann, 37,6% der Bruttowertschöpfung entfielen, waren es 1999 nur noch 31,6%. Vor allem der Anteil des sekundären Sektors (Produzierendes Gewerbe und Baugewerbe) schrumpfte von 36,2% auf 30,4%. Umgekehrt stieg der Anteil des tertiären Sektors, der schon von Fourastie als "große Hoffnung des 20.Jahrhunderts" bezeichnet wurde, in dem kurzen Zeitraum von 1991 bis 1999 von 62,4 % auf 68,4%.' Viel deutlicher wird der Strukturwandel, wenn man längere Zeiträume betrachtet. So entfiel nach einer Mitteilung des Statistischen Bundesamtes 1950 im früheren Bundesgebiet, damals noch ohne Saarland und Berlin, auf die Land- und Forstwirtschaft ein Anteil von 10,7% an der gesamten Bruttowertschöpfung, auf den sekundären Sektor ein Anteil von 49,7% und auf den tertiären Sektor ein Anteil von knapp einem Drittel (32,5%). 2 Der Anteil der Landwirtschaft sank von 1950 bis 1999 von 10,7% auf 1,2%, der Anteil des sekundären Sektors sank im gleichen Zeitraum von 49,7% auf 30,3%, während in der gleichen Zeit der Anteil des tertiären Sektors an der Bruttowertschöpfung von 39,6% auf 68,5% stieg.

1 Statistisches B u n d e s a m t , Statistisches Jahrbuch 1999. Tabellen 24.4. 2 Statistisches B u n d e s a m t , www.statistik-bund.de/presse/deutsch/pm/pO 18812.htm. Mitteilung für die Presse vom 26. Mai 2000.

364

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

D i e s e r Strukturwandel schlägt sich auch in der V e r ä n d e r u n g der Zahl der E r w e r b s t ä t i g e n nieder. 1 W e n n wir w i e d e r die Wirtschaftsbereiche L a n d - u n d Forstwirtschaft, P r o d u z i e r e n d e s G e w e r b e u n d Bauwirtschaft zur S u m m e aus p r i m ä r e m und s e k u n d ä r e m Sektor z u s a m m e n f a s s e n und die Bereiche Handel, G a s t g e w e r b e und Verkehr, F i n a n zierung, V e r m i e t u n g u n d Unternehmensdienstleister sowie Ö f f e n t l i c h e u n d private Dienstleister z u m tertiären Sektor z u s a m m e n f a s s e n , so sehen wir, d a ß in d e n erstgen a n n t e n drei Wirtschaftsbereichen (primärer p l u s sekundärer Sektor) die Zahl der Erw e r b s t ä t i g e n von 1991 bis 1998 von 15,5 Millionen auf 12,2 M i l l i o n e n g e s u n k e n ist, w ä h r e n d sie im gleichen Zeitraum im tertiären Sektor von 22,2 a u f 23,8 Millionen gestiegen ist. Der Anteil der im tertiären Sektor Erwerbstätigen stieg v o n 1991 bis 1998 v o n 58,9 a u f 6 6 , 0 % . T a b e l l e 4: E r w e r b s t ä t i g e n a c h W i r t s c h a f t s b e r e i c h e n Jahr

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998

Land und Forstwirtschaft

1538 1308 1206 1153 1094 984 968 977 4,1% 3,5% 3,3% 3,2% 3,0% 2,7% 2,7% 2,7%

Produzie- Baugewerbe Handel, rendes GastgeGewerbe werbe und Verkehr 11215 10350 9617 9117 8889 8623 8433 8409 29,7% 27,9% 26,3% 25,0% 24,4% 23,9% 23,5% 23,4%

Finanzierung Öffentliche Vermietung, Und Private Untern.Dienstleister Dienstleister

Erwerbstätige in 1000 9000 3560 9687 9007 3756 9856 8962 3889 9923 8915 4048 10104 8860 4167 10232 4286 10375 3075 8806 2937 4393 10385 8743 2836 4550 10467 8760 Anteile an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen 9,4% 25,7% 7,3% 23,8% 2759 2878 2989 3128 3185

7,7% 8,2% 8,6% 8,7% 8,5% 8,2% 7,9%

24,2% 24,5% 24,4% 24,3% 24,4% 24,4% 24,3%

10,1% 10,6% 11,1% 11,4% 11,9% 12,3% 12,6%

26,5% 27,1% 27,7% 28,1% 28,7% 29,0% 29,1%

Insgesamt

37759 37155 36586 36465 36427 36149 35859 35999 100,0% 100,0% 100,0% 100,0% 100,0% 100,0% 100,0% 100,0%

Quelle: Statistisches J a h r b u c h 1999; www.statistik-bund.de/basis/d/vgr/vartab3.htm und eigene Berechnungen

A u c h hinsichtlich Anteils der Erwerbstätigen an d e r Gesamtzahl der Erwerbstätigen w i r d der S t r u k t u r w a n d e l in d e r Wirtschaft sehr viel deutlicher, w e n n m a n die Entw i c k l u n g über einen längeren Zeitraum verfolgt. Waren 1950 im früheren B u n d e s g e biet (ohne Saarland u n d Berlin) noch 24,6 Prozent der Erwerbstätigen als Selbständi-

I

Im Z u g e d e r Revision d e r Volkswirtschaftlichen G e s a m t r e c h n u n g wurden auch die Erwerbstätigenzahlen neu berechnet. Für alle Jahre von 1991 bis 1998 w u r d e n deutlich m e h r E r w e r b s t ä t i g e ermittelt als bisher. So e r h ö h t e sich die Anzahl der Erwerbstätigen für 1991 von bisher 3 6 , 5 1 0 a u f 3 7 , 7 5 9 Millionen und f ü r l 9 9 8 v o n 33,97 auf 3 5 . 9 9 9 Millionen.

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

365

ge, mithelfende Familienangehörige oder als abhängige Arbeitnehmer im primären Sektor beschäftigt, so sank der Anteil, der Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft bis 1998 auf 2,7 Prozent. Im sekundären Sektor waren 1950 42,9 Prozent der erwerbstätigen mit der Produktion von Waren beschäftigt. Der Anteil der Erwerbstätigen im sekundären Sektor sank bis 1998 auf 30,8 Prozent. Im tertiären Sektor, zu dem nach der alten Systematik der Handel und Verkehr, die übrigen Dienstleistungsunternehmen sowie der Staat und die privaten Organisationen ohne Erwerbszweck zählten, waren 1950 im früheren Bundesgebiet weniger als ein Drittel (32,5 Prozent) der Erwerbstätigen beschäftigt 1 . Der Anteil verdoppelte sich bis 1998, als insgesamt 66 Prozent aller Erwerbstätigen im tertiären Sektor beschäftigt waren. Obwohl von 1991 bis 1998 auch die absolute Zahl der im tertiären Sektor Beschäftigten um 1,53 Millionen gestiegen ist, konnte dadurch der Rückgang der Zahl der im primären und sekundären Sektor Beschäftigten nicht aus geglichen werden.

2.

Verwendungsrechnung

In unserem einführenden Kapitel hatten wir schon gesehen, daß man das Inlandsprodukt auch mit Hilfe der Verwendungsrechnung ermitteln kann. Die Verwendungsrechnung gibt uns an, wie das Inlandsprodukt verwendet wird. In der geschlossenen Volkswirtschaft ohne Staat war das Bruttoinlandsprodukt von der Verwendungsseite gleich der Summe aus den Konsumausgaben der privaten Haushalte und den Bruttoinvestitionen. In der offenen Volkswirtschaft ohne Staat war es gleich der Summe aus Konsumausgaben der privaten Haushalte, den Bruttoinvestitionen und dem Außenbeitrag (Exporte minus Importe). Wenn wir nun den Staat in unsere Überlegungen einbeziehen, um das System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung für die Bundesrepublik beschreiben zu können, müssen wir den Wert der nichtmarktbestimmten Dienstleistungen berücksichtigen, die der Staat ohne spezielles Entgelt zur Verfügung stellt. Wir nennen diese Komponente der Verwendungsrechnung die Konsumausgaben des Staates (bisher: Staatsverbrauch), obwohl der Staat diese Dienstleistungen natürlich nicht selbst konsumiert, sondern sie nur ohne Entgelt bereitstellt. Wir hatten schon gesehen, daß sich die Konsumausgaben des Staates errechnen, indem von der Summe aus Vorleistungen, Abschreibungen und der Wertschöpfung die Verkäufe abgezogen werden. Der Staat errichtet aber auch Verwaltungsgebäude, baut Straßen, Sportanlagen, Flugplätze und erwirbt immaterielle Anlagegüter. Die Bruttoinvestitionen enthalten daher jetzt auch die Investitionen des Staates. Im neuen Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen werden auch die Konsumausgaben der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck gesondert nachgewiesen. Sie umfassen die von den privaten Organisationen ohne Erwerbszweck zur Verfügung gestellten nichtmarktbestimmten Dienstleistungen. Die gesamten Kon1

Z a h l e n für 1950 aus www.statistik-bund.de/presse/deutsch/pm/pO 188121 .htm, Mitteilung f ü r die Presse vom 26. Mai 2000.

366

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

sumausgaben bestehen also aus den Konsumausgaben der privaten Haushalte, der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck und den Konsumausgaben des Staates. Addiert man alle Komponenten der Verwendungsrechnung erhält man das Bruttoinlandsprodukt, das überwiegend zu Marktpreisen bewertet wird. Die wichtigste Ausnahme sind die Konsumausgaben des Staates und der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck. Die Darstellung des Bruttoinlandsprodukts durch Addition der Verwendungskomponenten ergibt folgendes Bild:

Bruttoinlands- = produkt

Konsumausgaben der privaten Haushalte +Konsumausgaben der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck +Konsumausgaben des Staates < +Private Bruttoinvestitionen +Staatliche Bruttoinvestitionen +Ausfuhr - Einfuhr V

Faßt man die Konsumausgaben der privaten Haushalte und der privaten Organisationen zu den privaten Konsumausgaben C p r und die privaten und staatlichen Bruttoinvestitionen zu den Bruttoinvestitionen I br zusammen, so können wir auch schreiben: BIP = C pr + C s , +I b r + ( X - M ) Die Bruttoinvestitionen bestehen aus den Bruttoanlageinvestitionen, den Vorratsveränderungen und dem Nettozugang von Wertsachen. Zu den Anlageinvestitionen zählen die Käufe dauerhafter, reproduzierbarer Produktionsmittel mit Ausnahme der nur militärisch nutzbaren Anlagen. Als dauerhaft gelten in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung jene Produktionsmittel, deren Nutzungsdauer mehr als ein Jahr beträgt. Die Anlageinvestitionen werden in Ausrüstungen, Bauten und die „Sonstigen Anlagen" unterteilt. Ausrüstungsinvestitionen sind bewegliche Investitionsgüter wie Maschinen, Geräte oder Fahrzeuge, die von den Herstellern angeschafft werden. Bauinvestitionen umfassen die Bauleistungen an Wohn- und Verwaltungsgebäuden, Straßen und Brücken, Sportanlagen und Flugplätzen. Zu den Sonstigen Anlagen zählen seit der Einführung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen vor allem die Computersoftware, aber auch so unterschiedliche Dinge wie Urheberrechte, Nutzvieh und Grundstücksübertragungskosten für unbebaute Grundstücke. Die Vorratsveränderungen geben an, wie sich die Vorratsbestände am Ende der Periode im Vergleich zu den Beständen am Anfang der Periode verändert haben. Die Bewertung erfolgt zu Durchschnittspreisen. Der Nettozugang an Wertsachen ergibt sich, wenn man von den Käufen der privaten Haushalte von Goldbarren und nichtumlauffähigen Goldmünzen die Verkäufe abzieht. Tabelle 5 macht deutlich, wie sich Bruttoinvestitionen und die einzelnen Komponenten seit 1991 entwickelt haben.

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

367

Tabelle 5: Bruttoinvestitionen und ihre Struktur Jahr

Bruttoanlageinvestitionen Ausrüstungs-

Bau-

Sonstige

investitionen

investitionen

Anlagen

Vorratsverän-

Insgesamt

d e r u n g und Nettozugang an W e r t s a c h e n

M r d . D M in j e w e i l i g e n Preisen 1991

300,64

373,38

23,96

15,65

1992

294,78

437,28

26,44

-6,99

751,51

1993

254,80

462,78

27,64

-17,32

727,90

1994

250,87

505,05

29,28

1,93

787,13

1995

253,91

506,02

30,64

8,05

798,62

1996

258,51

487,97

32,88

-5,55

773,81

1997

270,02

479,78

35,16

7,11

792,07

1998

297,00

460,65

39,50

29,64

826,79

1999

310,74

458,19

42,82 Anteile in Prozent

47,11

858,86

1991

42,13

52,32

3,36

2,19

100,00

1992

39,23

58,19

3,52

-0,93

100,00

1993

35,00

63,58

3,80

-2,38

100,00

1994

31,87

64,16

3,72

0,25

100,00

1995

31,79

63,36

3,84

1,01

100,00

1996

33,41

63,06

4,25

-0,72

100,00

1997

34,09

60,57

4,44

0,90

100,00

1998

35,92

55,72

4,78

3,58

100,00

1999

36,18

53,35

4,99

5,49

100,00

Quelle:

713,63

Sachverständigenrat, J a h r e s g u t a c h t e n 1999/2000 und

www.statistik-bund.de/basis/d/vgrtab4.htm

Durch die Einfuhrung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen haben sich die Wertansätze für die Verwendungskomponenten geändert. Wenn wir uns hier auf die konzeptbedingten Änderungen beschränken, sind die Änderungen bei den Konsumausgaben des Staates und den Bruttoinvestitionen von besonderer Bedeutung. Es wurde schon im Abschnitt über die Entstehungsrechnung erläutert, daß - anders als früher - Abschreibungen auf Tiefbauten zu berechnen sind, langlebige Verteidigungsgüter, die auch für zivile Zwecke einzusetzen sind, von den Vorleistungen zu den Investitionen umgesetzt werden und deshalb abzuschreiben sind. In beiden Fällen erhöhen sich wegen der höheren Abschreibungen die Konsumausgaben des Staates. Diesen die Konsumausgaben des Staates erhöhenden Konzeptänderungen stehen Konzeptänderungen gegenüber, die zu einer Verringerung der Konsumausgaben des Staates führen. Die Ausgaben verringern sich, weil zum Beispiel die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst nicht mehr in der Sozialversicherung sondern im Sektor Versicherungen verbucht wird.

368

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

Die größten Auswirkungen auf das Niveau des Bruttoinlandsprodukts gingen von dem neu abgegrenzten und erweiterten Investitionsbegriff aus. Diese Erweiterung führte dazu, daß die für die Bruttoinvestitionen ausgewiesenen neuen Werte in den Jahren von 1991 bis 1998 um bis zu 6,8% über den bisher ausgewiesenen Werten lagen. Neu ist vor allem, daß die Anschaffung und die eigene Produktion von immateriellen Vermögensgegenständen in die Anlageinvestitionen einbezogen werden. Dabei kommt der erworbenen sowie der selbst erstellten Software und den großen Datenbanken das größte Gewicht zu. Bisher zählte die erworbene Software zu den Vorleistungen und die selbsterstellte Software wurde nicht als Produktion gemessen.. Exporte und Importe werden im neuen System der VGR deutlich höher ausgewiesen, weil jetzt Waren, die lediglich zu Veredlungszwecken über die Grenze verbracht werden, den Exporten bzw. den Importen zugeordnet werden, während bisher nur das für die Veredlung gezahlte Entgelt gebucht wurde. Die Änderung hat keine Auswirkungen auf den Außenbeitrag, da Exporte und Importe um den gleichen Betrag steigen. In der folgenden Tabelle 6 wird gezeigt, wie das Bruttoinlandsprodukt in den Jahren von 1991 bis 1999 verwendet wurde und welche Anteile auf die einzelnen Verwendungskomponenten entfielen. Tabelle 6: Verwendung des Bruttoinlandsprodukts Jahr

1991 1992

Bruttoinlands Private Kon- KonsumausBrutto1 produkt gaben Staat investitionen sumausgaben 2.938,00 3.155,20

1.665,36 1.785,96

Eporte

Milliarden DM n jeweiligen Preisen 563,93 713,63 772,65 623,62 751,51 773,95

Importe

777,57 779,84

Außenbeitrag

-4,92 -5,89

1993

3.235,40

1.857,53

642,97

727,90

736,48

729,48

7,00

1994

3.394,40

1.925,10

669,22

787,13

800,07

787,12

1995

3.523,00

2.001,61

697,82

798,62

862,31

837,36

12,95 24,95

1996

3.586,00

2.055,42

717,48

773,81

908,83

869,54

39,29

1997

3.666,60

2.106,76

792,07

1.020,87

967,30

53,57

1998 1999

3.784,20 3.877,10

2.174,72

714,20 719,42

826,79

1.092,12

736,21

858,86

1.132,14

1.028,85 1.088,87

63,27 43,27

2.238,76

Anteile am Bruttoinlandsprodukt 19,2% 24,3% 26,3%

1991

100,0%

56,7%

1992 1993

100,0% 100,0%

56,6%

19,8%

57,4%

1994 1995

100,0% 100,0%

56,7% 56,8%

19,9% 19,7%

1996 1997

100,0%

57,3%

100,0%

1998

100,0%

57,5% 57,5%

1999

100,0%

57,7%

19,8% 20,0% 19,5%

23,8%

24,5%

26,5%

-0,2%

24,7%

-0,2%

22,5%

22,8%

22,5%

0,2%

23,2% 22,7%

23,6% 24,5%

23,2% 23,8%

0,4% 0,7%

21,6%

25,3% 27,8%

24,2% 26,4%

1,5%

28,9% 29,2%

27,2%

19,0%

21,6% 21,8%

19,0%

22,2%

28,1%

1 K o n s u m der privaten H a u s h a l t e einschließlich des K o n s u m s d e r privaten Organisationen ohne Erwerbszweck Quelle: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1999/2000 und www.statistik-bund.de/basis/d/vgrtab4.htm

1,1% 1,7% 1,1%

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

369

Die privaten K o n s u m a u s g a b e n sind bei uns wie a u c h in anderen L ä n d e r n die bei weit e m wichtigste V e r w e n d u n g s k o m p o n e n t e des Bruttoinlandsprodukts. In der T a b e l l e enthalten die privaten K o n s u m a u s g a b e n auch die K o n s u m a u s g a b e n der privaten O r g a nisationen o h n e E r w e r b s z w e c k . Zieht m a n diese ab, so ergeben sich für die K o n s u m a u s g a b e n d e r privaten H a u s h a l t e Anteile, die von 5 5 , 4 % 1991 a u f 5 6 , 0 % im Jahre 1999 steigen. Wirtschafitspolitisch bedeutungsvoll ist auch die Frage, w i e groß die Kosten des Staates sind, um die unentgeltlich a b g e g e b e n e n ö f f e n t l i c h e n Dienstleistungen zur V e r f u g u n g zu stellen u n d wie sich diese „ K o n s u m a u s g a b e n des Staates" entwickeln. A u s d e r Tabelle 6 ersehen wir, daß der Anteil der K o n s u m a u s g a b e n des Staates a m Bruttoinlandsprodukt im Z u g e der W i e d e r v e r e i n i g u n g zunächst von 1991 bis 1996 v o n 19,2% a u f 2 0 , 0 % gestiegen ist, d a n a c h aber bis 1999 w i e d e r a u f 19,0 % g e s u n k e n ist. D i e f o l g e n d e Tabelle zeigt, w i e hoch d e r Anteil d e r K o n s u m a u s g a b e n des Staates a m Bruttoinlandsprodukt in a u s g e w ä h l t e n Industriestaaten ist und wie sich dieser Anteil entwickelt hat. Tabelle 7: Anteil d e r K o n s u m a u s g a b e n des Staates a m B r u t t o i n l a n d s p r o d u k t (in Prozent) Jahr

D

F

UK

I

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998

19,2 19,8 19,9 19,7 19,8 20,0 19,5 19,0

22,5 23,1 24,5 24,1 23,9 24,2 24,0 23,6

20,4

20,3 20,1 19,9 19,1 18,3 18,6 18,6 18,6

21,1 20,5 20,0 19,7 19,4 18,4 18,2

S

CH

J

USA

28,5 27,5 26,5 27,2 26,9 26,6

15,2 15,6 15,3 15,3 15,1 15,5 15,1 14,7

9,0 9,2 9,4 9,5 9,8 9,7 9,7 10,1

20,6 20,1 19,5 18,8 18,5 18,2 17,8 17,5

Quelle: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1999/2000 und eigene Berechnungen Bruttoinlandsprodukt und K o n s u m a u s g a b e n des Staates für die Länder der Europäischen Union nach E S V G 1995 und für die anderen Länder nach d e m System V o l k s w i r t s c h a f t l i c h e r G e s a m trechnungen, das mit dem E S V G voll kompatibel ist.

M a n sieht, daß der Anteil der K o n s u m a u s g a b e n am Bruttoinlandsprodukt in Frankreich (F) und S c h w e d e n (S) deutlich h ö h e r ist als in Deutschland, dieser Anteil andererseits in L ä n d e r n wie Japan (J) der S c h w e i z ( C H ) und infolge d e r E n t w i c k l u n g in den letzten sieben Jahren heute auch in den U S A deutlich niedriger ist als bei uns. D i e Tabelle zeigt uns auch, daß in den meisten L ä n d e r n der Anteil der K o n s u m a u s g a b e n des Staates a m Bruttoinlandsprodukt in d e m hier betrachteten Zeitraum g e s u n k e n ist. A u s n a h m e n sind Frankreich und infolge der dortigen Wirtschaftskrise Japan. M a n darf natürlich nicht vergessen, daß die K o n s u m a u s g a b e n des Staates nur ein Teil d e r A u s g a b e n des Staates sind, zu denen auch die monetären Sozialleistungen, die Z i n sen a u f die ö f f e n t l i c h e Schulden (geleistete V e r m ö g e n s e i n k o m m e n ) , die S u b v e n t i o n e n u n d die A u s g a b e n für die Bruttoinvestitionen gehören. Bildet m a n d e n Quotienten aus den g e s a m t e n A u s g a b e n des Staates und d e m Bruttoinlandsprodukt erhält m a n die sog e n a n n t e Staatsquote. Sie ist in Deutschland von 1991 bis 1998 von 4 7 , 1 % auf 4 8 , 3 % gestiegen. A u c h die A b g a b e n q u o t e , die sich ergibt, w e n n man die S u m m e aus Steuer-

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

370

einnahmen des Staates und Sozialbeiträgen durch das Bruttoinlandsprodukt dividiert, ist im Zeitraum von 19991 bis 1998 gestiegen, und zwar von 39,6% auf 42,3%. Tabelle 8: Staatsquote und Abgabenquote für Deutschland in Prozent

Staatsquote Abgabenquote

1992 48,1 40,4

1991 47,1 39,6

1994 49,0 41,4

1993 49,3 41,0

1995 56,1 41,4

1997 49,2 43,2

1996 50,3 42,3

1998 48,3 42,3

Quelle: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1999/2000

Tabelle 7 gibt auch an, wie hoch der Anteil der Exporte und Importe am Bruttoinlandsprodukt in dem betrachteten Zeitraum gewesen ist. Man nennt diese Größen die Export- und Importquoten. Die Exportquote hat sich von 1991 bis 1998 von 26,3% auf 29,2%, die Importquote von 26,5% auf 28,1%.erhöht. Die Export- und Importquoten geben Aufschluß über den Offenheitsgrad einer Volkswirtschaft, die man allerdings in der Regel mißt, indem man das arithmetische Mittel aus Exporten und Importen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt setzt. Tabelle 9 zeigt, wie hoch die Exportquoten in ausgewählten Industrieländern sind und wie sie sich entwickelt haben. Tabelle 9: Exportquoten ausgewählter Industrieländer. D

F

UK

I

CH

J

USA

1991

26,3

21,5

22,8

18,5

S

35,0

10,2

10,0

1992

24,5

21,5

23,6

19,1

35,7

10,1

10,1

1993

22,8

20,7

25,4

22,3

32,7

35,8

9,3

9,9

1994

23,6

21,5

26,4

23,9

36,2

35,5

9,3

10,3

1995

23,5

22,5

28,4

24,7

40,2

35,1

9,4

11,1

1996

25,3

23,1

29,2

23,8

38,9

35,9

9,9

11,2

1997

27,8

25,5

28,5

24,4

42,4

39,7

11,7

1998

28,9

26,0

26,6

23,9

43,6

39,8

11,1 11,2

11,0

Quelle: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1999/2000 und eigene Berechnungen Bruttoinlandsprodukt und Exporte für die Länder der Europäischen Union nach ESVG 1995 und für die anderen Länder nach dem System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen der Vereinten Nationen, das mit dem ESVG 1995 voll kompatibel ist

Die Übersicht zeigt, daß die Exportquoten in allen Ländern gewachsen sind. Gemessen an den Exportquoten war der Offenheitsgrad der kleineren Länder Schweden (S) und Schweiz (CH) weit größer als der aller anderen hier erwähnten Länder. Die deutsche Exportquote ist in dem hier betrachteten Zeitraum deutlich langsamer gewachsen als die Exportquoten Frankreichs (F), des Vereinigten Königreichs (UK), Italiens (I), Schwedens und der Schweiz.

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

3.

371

Verteilungsrechnung

Bei der Betrachtung des einfachen Modells einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne Staat haben wir gesehen daß Erwerbs- und Vermögenseinkommen in Höhe des Nettoinlandsprodukts entstehen. Wir konnten daher das Inlandsprodukt auch über die im Produktionsprozeß entstehenden Einkommen berechnen. In einer offenen Volkswirtschaft ohne Staat ergab sich das Nettonationaleinkommen, wenn man zu den im Z u g e der Produktion im Inland entstandenen Einkommen den Saldo der Primäreinkommen addierte. In einer Volkswirtschaft mit Staat, die wir jetzt betrachten, enthält das Inlandsprodukt die Konsumausgaben des Staates und die staatlichen Investitionen als weitere K o m p o nenten der Verwendung des Inlandsprodukts. Um die staatlichen Dienstleistungen zu produzieren, kauft der Staat Vorleistungen von den Unternehmen und beschäftigt Beamte und Angestellte. Durch den Kauf von Vorleistungen und von Investitionsgütern entstehen Faktoreinkommen in den Unternehmen. Den im öffentlichen Dienst Beschäftigten fließt als Entgelt Erwerbseinkommen zu. Insoweit gibt es durch die Einbeziehung des Staates keine besonderen Probleme, das Inlandsprodukt durch die im Produktionsprozeß entstandenen Einkommen zu ermitteln. Eine wichtige Modifikation wird notwendig, weil die Bürger Steuern zahlen müssen. Steuern sind Zwangsabgaben ohne Anspruch auf Gegenleistung. In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung unterscheidet man die Produktions- und Importabgaben, die im alten System der V G R indirekte Steuern hießen und die E i n k o m m e n und Vermögensteuern, die bisher direkte Steuern genannt wurden. Da die Unternehmen Produktions- und Importabgaben zahlen müssen, kann der Erlös aus dem Verkauf der produzierten Güter den Wirtschaftssubjekten nicht mehr in voller Höhe als Erwerbs- und Vermögenseinkommen zufließen. Andererseits erhalten die Unternehmen auch Subventionen, die wir als negative Produktionsabgaben auffassen können. Die Summe der Erwerbs- und Vermögenseinkommen ist deshalb um die Differenz aus Produktions- und Importabgaben und Subventionen kleiner als das Nettonationaleinkommen. Andersherum formuliert: wenn wir im Rahmen der Verteilungsrechnung das Nationaleinkommen ermitteln wollten, müßten wir zu der Summe der Erwerbs- und Vermögenseinkommen, die Inländern zugeflossen sind, die Nettoproduktionsabgaben (Produktions- und Importabgaben minus Subventionen) addieren, um das Nettonationaleinkommen zu erhalten. 1 Tatsächlich ist bis jetzt in Deutschland eine eigenständige Berechnung des Nationaleinkommens und des Inlandsprodukts über die Verteilungsseite nicht möglich, da die verfügbaren Angaben über die Unternehmensgewinne nicht ausreichen. Wir nennen die S u m m e aller Erwerbs- und Vermögenseinkommen, die Inländern letztlich zugeflossen sind, Volkseinkommen. 2 Wir ermitteln es nicht direkt als S u m m e der Einkommen, sondern indem wir vom Nettonationaleinkommen die Nettoproduktionsabgaben (Primäreinkommen des Staates) subtrahieren. 1

Die N e t t o p r o d u k t i o n s a b g a b e n w e r d e n im neuen Europäischen System V o l k s w i r t s c h a f t l i c h e r G e s a m t r e c h n u n g e n auch P r i m ä r e i n k o m m e n des Staates genannt.

2

V o l k s e i n k o m m e n ist ein Konzept, d a s im neuen Europäischen System V o l k s w i r t s c h a f t l i c h e r G e s a m t r e c h n u n g e n nicht beschrieben wird. In der d e u t s c h e n Volkswirtschaftlichen G e s a m t r e c h n u n g wird d a s V o l k s e i n k o m m e n gleichwohl auch z u k ü n f t i g n a c h g e w i e s e n .

372

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Nettonationaleinkommen - Produktions- und Importabgaben an den Staat + Subventionen vom Staat = Volkseinkommen

Das Volkseinkommen umfaßt das von Inländern e m p f a n g e n e Arbeitnehmerentgelt und die Unternehmens- und Vermögenseinkommen. Arbeitnehmerentgelt ist ein Begriff des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen, der an die Stelle des früheren Begriffs Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit getreten ist. Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen hießen früher Bruttoeink o m m e n aus Unternehmertätigkeit und Vermögen. Sie werden gesamtwirtschaftlich als D i f f e r e n z zwischen dem Volkseinkommen und dem Arbeitnehmerentgelt ermittelt. Tabelle 10 zeigt, wie sich diese Größen von 1991 bis 1999 entwickelt haben. Tabelle 10: Nationaleinkommen, Volkseinkommen und Arbeitnehmerentgelt

Jahr

Netto-

Netto-

Voksein-

Arbeit-

national-

produktions-

kommen

nehmer-

einkommen

abgaben'

(Spalte 1-2)

entgelt

i

2

3

4

Unternehmensu. Vermögens-

Lohn-

einkommen

quote 2

(Sp3-4) 5

6

Mrd DM

1

1991

2.544,30

261,46

2.282,84

1.650,59

632,25

Prozent 72,30

1992

2.719,52

289,25

2.430,27

1.787,79

642,48

73,56

1993

2.766,30

310,08

2.456,22

1.829,54

626,68

74,49

1994

2.878,14

330,22

2.547,92

1.874,71

673,21

73,58

1995

2.983,28

326,00

2.657,28

1.941,40

715,88

73,06

1996

3.037,52

335,92

2.701,60

1.965,67

735,93

72,76

1997

3.102,96

351,43

780,29

71,64

3.192,51

369,29

2.751,53 2.823,22

1.971,24

1998

2.001,82

821,40

70,91

1999

3.264,82

401,56

2.863,26

2.044,63

818,63

71,41

Produktions- und Importabgaben an den Staat minus Subventionen vom Staat

2 Anteil des Arbeitnehmerentgelts am Volkseinkommen in Prozent Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.1, 1999 Aktualisierte Fassung, 0 2 . 0 3 . 2 0 0 0 und eigene Berechnungen

Die Arbeitnehmerentgelte sollen möglichst umfassend die Einkommen des Faktors Arbeit widerspiegeln. Die Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung hat dazu geführt, daß die Arbeitnehmerentgelte deutlich höher ausgewiesen werden als bisher. 1 Sie liegen in dem Zeitraum von 1991 bis 1998 um 2,4 und 3,5% über den bisher veröffentlichten Werten und sind auch mit 21.3% in diesem Zeitraum schneller gewachsen als bisher angenommen (19,9%). Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen. sind mit 29,9% dagegen deutlich langsamer gestiegen, als nach alter Rechnung angenommen worden ist (46,2%).

1

Dazu haben vor allem datenbedingte Änderungen beigetragen. Aufgrund neueren Datenmaterials wurden die Sozialbeiträge der Arbeitgeber höher ausgewiesen, die Einkommen der geringfügig Beschäftigten wurden deutlich erhöht, Trinkgelder nach oben korrigiert und neue Basisstatistiken ausgewertet.

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

373

Tabelle 10 zeigt auch, wie sich die Lohnquote im Beobachtungszeitraum entwickelt hat. Die Lohnquote wird häufig in der verteilungspolitischen Diskussion als wichtige Kennziffer angesehen. Die in Tabelle 10 angegebenen Werte weichen deutlich von den vor der Revision der VGR ermittelten Werten ab. Während man bisher annahm, daß die Lohnquote von 72,4 Prozent im Jahr 1991 auf 68,2% im Jahr 1998 gesunken ist, zeigt sich nach neuer Rechnung, daß sie von 1991 bis 1998 nur von 72,3 auf 70,9 Prozent gesunken ist. Die Lohnquote ist allerdings als verteilungspolitische Orientierungsgröße von beschränktem Wert. Man darf nämlich nicht übersehen, daß die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen als komplementärem Gegenstück eine sehr heterogene Größe sind und keineswegs nur die Unternehmensgewinne widerspiegeln. Arbeitnehmer beziehen nicht nur Arbeitsentgelte, sondern erzielen auch Vermögenseinkommen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat ermittelt, daß 1998 etwa 40 Prozent aller Vermögenseinkommen auf Arbeitnehmerhaushalte entfielen. Die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen enthalten neben anderem die gesamten Vermögenseinkommen der privaten Haushalte, den Bundesbankgewinn und die Arbeitseinkommen der Selbständigen Das von den Arbeitgebern geleistete Arbeitnehmerentgelt umfaßt die Bruttolöhne und -gehälter (früher: Bruttolohn- und -gehaltssumme) und die Sozialbeiträge der Arbeitgeber. 1 Zieht man von den Bruttolöhnen und -gehältern die Sozialbeiträge der Arbeitnehmer und die Lohnsteuer ab, erhält man die Nettolöhne und -gehälter. Tabelle 11: Arbeitnehmerentgelt, Löhne und Gehälter Abzüge der Arbeitnehmer Jahr

Arbeitnehmerentgelt

SozialBruttobeiträge der löhne und Arbeitgeber -gehälter

Sozialbeiträge

(Sp.1-2) 4 3 Mrd. DM

1

2

1991

1 650,59

299,20

1.351,39

1992

1.787,79

324,82

1.462,97

Lohnsteuer

nachrichtlich Nettolöhne und -gehälter

Arbeitnehmerentgelt

Bruttolöhne und -gehälter

Nettolöhne und gehälter

5

(Sp.3-4-5) 6

193,35

220,60

937,44

4.020

3.290

2.280

212,45

251,75

998,77

4 440

3.640

2480 2.600

monatl ch ie Arbeitnehmer 7 8 I 9 DM

1993 1.829,54

328,56

1 500,98

220,59

252,40

1.027,99

4.640

3.800

1994 1.874,71

352,02

1.522,69

235,33

263,30

1.024,06

4 780

3.890

2.610

1995 1.941,40

371,36

1.570.04

245,37

293,76

1.030,91

4.970

4.020

2.640

1996 1.965,67

379,95

1.585,72

253,83

307,40

1.024,49

5.080

4.100

2.650

1997

1.971,24

391,49

1.579,75

264,69

310,48

1.004,58

5.150

4.130

2.630

1998 2.001,82

396,04

1.605.78

267,75

316,48

1.021,55

5.220

4.190

2.670

1999 2 044,63

404,78

1.639,85

273,27

326,49

1.040,09

5.320

4.270

2.710

Q u e l l e : S t a t i s t i s c h e s B u n d e s a m t , F a c h s e r i e 18, R e i h e 1.1, 1999, A k t u a l i s i e r t e F a s s u n g , 0 2 . 0 3 . 2 0 0 0

Tabelle 11 zeigt, daß die prozentuale Abgabenbelastung in dem betrachteten Zeitraum noch zugenommen hat. Während die Nettolöhne 1991 noch 56,8 Prozent des

1

Die Sozialbeiträge der Arbeitgeber enthalten die tatsächlichen Beiträge der Arbeitgeber zur Sozialv e r s i c h e r u n g , an L e b e n s v e r s i c h e r u n g e n und an P e n s i o n s k a s s e n , f e r n e r u n t e r s t e l l t e S o z i a l b e i t r ä g e , d i e d e n G e g e n w e r t d e r s o z i a l e n L e i s t u n g e n d a r s t e l l e n , d i e v o n A r b e i t g e b e r n an g e g e n w ä r t i g o d e r früher beschäftigte A r b e i t n e h m e r gezahlt oder als unverfallbare Forderung gutgeschrieben werden.

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

374

Arbeitnehmerentgelts ausmachten, beliefen sie sich 1999 nur noch auf 50,9% des Arbeitnehmereinkommens. Einkommen und Finanzierung Addiert man zum Nettonationaleinkommen die empfangenen laufenden Transfers aus dem Ausland und zieht man die an das Ausland geleisteten laufenden Transfers ab, so ergibt sich das verfugbare Einkommen der Gesamtwirtschaft. Nettonationaleinkommen + laufende Transfers aus der übrigen Welt - laufende Transfers an die übrige Welt = Verfügbares Einkommen der Gesamtwirtschaft Als empfangene laufende Transfers aus der übrigen Welt werden unentgeltliche Leistungen an Inländer angesehen, als geleistete laufende Transfers an die übrige Welt unentgeltliche Leistungen von Inländern an Ausländer. Als unentgeltlich werden Transaktionen angesehen, bei denen den Leistungen keine Gegenleistungen in der gleichen oder einer späteren Periode gegenüberstehen. Zu den unentgeltlichen Leistungen zählen Wiedergutmachungsleistungen, Zahlungen an internationale Organisationen, Überweisungen von Gastarbeitern und anderes. Da der Saldo der laufenden Transfers mit der übrigen Welt für Deutschland stets negativ war, ist das verfügbare Einkommen für die Gesamtwirtschaft stets niedriger als das Nettonationaleinkommen gewesen.. Tabelle 12: Verfügbares Einkommen und Finanzierungssaldo in Mrd. DM Jahr

Netto-

Saldo der laufen- Verfügbares

national-

den Transfers mit Einkommen

einkommen

Konsum

Nettoinvestitionen

der übrigen Welt

Saldo der Ver- Finanzierungsmogenstrans-

saldo

fers mit der übrigen Welt

1991

2.544,30

-42,01

2.502,29

2.229,29

302,27

-4,42

-33,69

1992

2.719,52

-31,73

2.687,79

2.409,58

300,40

-1,78

-23,97

1993

2.766,30

-37,49

2.728,81

2.500,50

245,35

-1,78

-18,82

1994

2.878,14

-39,68

2 838,46

2.594,32

284,71

-2,49

-43,06

1995

2.983,28

-32,71

2.950,57

2.699,43

277,47

-4,03

-30,36

1996

3.037,52

-33,74

3.003,78

2.772,90

241,26

-3,22

-13,60

1997

3.102,96

-36,29

3.066,67

2.820,96

245,65

0,16

0,22

1998

3.192,51

-39,48

3.153,03

2.894,14

265,25

1,35

-5,01

1999

3.264,82

-38,05

3.226,77

2.974,97

284,15

0,54

-31,81

Q u e l l e : Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.1, 1999, Aktualisierte F a s s u n g 02.03. 2 0 0 0

Die in Tabelle 12 aufgeführten Salden der laufenden Transfers mit der übrigen Welt sind dem Betrage nach kleiner als die bisher registrierten Salden. Mit der Einfuhrung des neuen Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen wurde ein Teil der bisher als geleistete laufende Transfers registrierten Zahlungen an die Europäische Union als geleistete Produktions- und Importabgaben an die übrige Welt im Saldo der Primäreinkommen bereits berücksichtigt. Das Gleiche gilt für die bisher als

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

375

empfangene Transfers gebuchten Zahlungen, die jetzt als empfangene Subventionen im Saldo der Primäreinkommen enthalten sind. Tabelle 12 enthält außerdem den Saldo der Vermögenstransfers mit der übrigen Welt. Der Saldo der Vermögensübertragungen ist die Differenz aus empfangenen und geleisteten Vermögenstransfers. Eine Vermögensübertragung liegt vor, wenn eine Übertragung als einmalig angesehen wird. Schuldenerlasse, Erbschaften und Schenkungen sind Beispiele für Vermögensübertragungen. Ein negativer Saldo besagt, daß netto Vermögen an das Ausland übertragen worden ist. Das verfugbare Einkommen kann für den Konsum oder für Investitionen ausgegeben werden. Man kann es schließlich auch für unentgeltliche Vermögensübertragungen an die übrige Welt verwenden. Übersteigt die Summe aus Konsum, Investitionen und den Nettovermögenstransfers an die übrige Welt das verfügbare Einkommen, wird mehr ausgegeben als an Einkommen, in der laufenden Periode insgesamt zur Verfugung stand. In Höhe der Differenz muß man sich bei der übrigen Welt verschulden. Es kommt zu einer Zunahme der Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland oder einer Abnahme der Forderungen an das Ausland. Der in Tabelle 12 ausgewiesene Finanzierungssaldo ist dann negativ. Wir haben gesehen, daß das Nettoinlandsprodukt Y gleich der Summe aus Konsum .C, Nettoinvestition In und Außenbeitrag (X-M)ist. Y = C + In + X - M

(1)

Wir erhalten das Nettonationaleinkommen Y NA , indem wir den Saldo der Primäreinkommen SPE addieren. Y NA = C + In + X - M +SPE

(2)

Das verfügbare Einkommen Yv ergibt sich, wenn man den Saldo aus laufenden empfangenen Transfers und geleisteten Transfers mit der übrigen Welt (SLT)hinzufügt. 1 YV = C + I " + X - M +SPE + SLT

(3)

Subtrahiert man auf beiden Seiten der letzten Gleichung die Summe aus Konsum und Nettoinvestition erhält man: Y v - C - I n = X - M +SPE + SLT

(4)

Der Ausdruck auf der rechten Seite ist der Leistungsbilanzsaldo. Er ist die Summe aus Außenbeitrag (Exporte von Waren und Dienstleistungen minus Importe von Waren und Dienstleistungen), Saldo der Primäreinkommen und dem Saldo der Bilanz der laufenden Übertragungen. Liegen keine Vermögensübertragungen vor, so gibt der Saldo der Leistungsbilanz an, ob transaktionsbedingt insgesamt netto die Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland oder die Forderungen an das Ausland zugenommen haben. Ein positiver Leistungsbilanzsaldo bedeutet, daß sich netto die Forderungen an das Ausland erhöht haben. Da die Differenz aus verfügbarem Einkommen Yv und den

I

W e n n man die D i f f e r e n z a u s geleisteten Übertragungen und e m p f a n g e n e n Übertragungen N e t t o übertragungen ( N Ü ) a n das A u s l a n d nennt, erhält man d a s v e r f u g b a r e E i n k o m m e n , indem m a n die N e t t o ü b e r t r a g u n g e n vom N e t t o n a t i o n a l e i n k o m m e n subtrahiert.

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

376

gesamten Konsumausgaben C das Sparen (früher Ersparnis) ist, können wir auch schreiben: S - I " = X - M + SPE+SLT

(5)

Die Gleichung besagt, daß der Leistungsbilanzsaldo nur positiv sein kann, wenn das Sparen größer als die Nettoinvestitionen ist. Addiert man in Gleichung (4) auf beiden Seiten den Saldo der Vermögenstransfers mit dem Ausland (SVT) erhält man den Finanzierungssaldo Y v - C - In + SVT = X - M + SPE + SLT + SVT

(6)

Wir hatten schon gesehen, daß ein negativer Finanzierungssaldo besagt, daß netto die Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland zugenommen haben. Ein positiver Finanzierungssaldo gibt an, daß sich in der betrachteten Periode per saldo die Forderungen gegenüber dem Ausland erhöht haben. Gleichung (6) zeigt uns, daß wir den Finanzierungssaldo nicht nur ermitteln können, indem wir vom verfugbaren Einkommen den Konsum und die Nettoinvestitionen subtrahieren und den Saldo der Vermögenstransfers addieren. Wir erhalten den Finanzierungssaldo vielmehr auch, indem wir zum Leistungsbilanzsaldo (X - M +SPE + SLT) den Saldo der Vermögenstransfers addieren. Tabelle 13 zeigt, wie der Finanzierungssaldo über die Außenwirtschaftsrechnung ermittelt wird. Tabelle 13: Vom Außenbeitrag zum Finanzierungssaldo Jahr

Außenbeitrag

Saldo der Primäreinkommen

S a l d o der laufenden Transfers

Saldo der Vermögenstransfers

Finanzierungssaldo

1

2

3 Mrd. DM

4

=1+2+3+4

1991

-4,92

17,66

-42,01

-4,42

-33,69

1992

-5,89

15,43

-31,73

-1,78

-23,97

1993

7,00

13,45

-37,49

-1,78

-18,82

1994

12,95

-13,84

-39,68

-2,49

-43,06

1995

24,94

-18,57

-32,71

-4,03

-30,37

1996

39,29

-15,93

-33,74

-3,22

-13,60

1997

53,57

-17,22

-36,29

0,16

0,22

1998

63,27

-30,15

-39,48

1,35

-5,01

1999

43,27

-37,57

-38,05

0,54

-31,81

Quelle: Statistisches Bundesamt, F a c h s e r i e 18,Reihe 1.1,1999 (Stand 0 2 . 0 3 . 2 0 0 0 )

Wir sehen, daß die so ermittelten Finanzierungssalden mit den zuvor aus dem verfugbaren Einkommen abgeleiteten Salden identisch sind. Der Finanzierungssaldo ergibt sich jetzt, indem wir von den Einnahmen aus den Transaktionen mit dem Ausland die Ausgaben abziehen. Die Einnahmen ergeben sich aus den Einnahmen aus dem Export von Waren und Dienstleistungen, den von Inländern aus dem Ausland empfangenen Faktoreinkommen, den aus dem Ausland empfangenen Subventionen, den empfangenen laufenden Transferzahlungen und den empfangenenVermögensübertragungen. Die Ausgaben bestehen aus den Ausgaben für den Import von Waren und Dienstleistun-

377

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

gen, den an A u s l ä n d e r gezahlten F a k t o r e i n k o m m e n , den an die übrige Welt geleisteten Produktions- und I m p o r t a b g a b e n und den geleisteten laufenden T r a n s f e r z a h l u n g e n u n d V e r m ö g e n s ü b e r t r a g u n g e n . Übersteigen die E i n n a h m e n die A u s g a b e n , ist der Finanzierungssaldo positiv. Das N e t t o a u s l a n d s v e r m ö g e n n i m m t zu. Ist d e r Saldo negativ, n i m m t das N e t t o a u s l a n d s v e r m ö g e n ab. W i r haben drei M e t h o d e n der B e r e c h n u n g des Inlandsprodukts und des Nationaleink o m m e n s kennengelernt. In A b b i l d u n g 1.6 w e r d e n sie im Überblick dargestellt

A b b . 1 . 6 : Die drei B e r e c h n u n g s m e t h o d e n in d e r V o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n trechnung

I. E n t s t e h u n g s r e c h n u n g Produktionswert - Vorleistungen = B r u t t o w e r t s c h ö p f u n g (Unbereinigt) - unterstellte Entgelte für Bankdienst leistungen = B r u t t o w e r t s c h ö p f u n g (bereinigt) + Gütersteuem - Gütersubventionen

Gesam-

II. V e r w e n d u n g s r e c h n u n g Konsumausgaben der privaten Haushalte +Konsumausgaben der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck +Konsumausgaben des Staates +Private Bruttoinvestitionen +Bruttoinvestitionen des Staates +Exporte von Waren und Dienstleistungen - Importe von Waren und Dienstleistungen

T

T

= Bruttoinlandsprodukt JL Bruttoinlandsprodukt

+Saldo der Primäreinkommen mit der übrigen Welt

- Abschreibungen = Nettoinlandsprodukt

= Bruttonationaleinkommen - Abschreibungen

+ Saldo der Primäreinkommen mit der übrigen Welt

= Nettonationaleinkommen

III: Verteilungsrechnung IT Nettonationaleinkommen - Produktions- und Importabgaben

Nettonationaleinkommen + Saldo der laufenden Transfers

+ Subventionen vom Staat

= Verfügbares Einkommen - Konsum - Investition

= Volkseinkommen - Arbeitnehmerentgelt = Einkommen aus Unternehmertätigeit und Vermögen

-

Saldo der Vermögenstransfers

=

Finanzierungssaldo

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

378

C.

Reale und nominale Größen

1.

Nominales und reales Inlandsprodukt

Wenn wir die in einer Periode erzeugten Güter und Dienstleistungen mit den Marktpreisen der gleichen Periode bewerten, erhalten wir das nominale Inlandsprodukt. Wenn wir das nominale Inlandsprodukt des laufenden Jahres mit dem eines früheren Jahres vergleichen, können wir feststellen, wie sich das Inlandsprodukt in dem betrachteten Zeitraum verändert hat. In der Bundesrepublik ist das Bruttoinlandsprodukt von 2938 Mrd. DM im Jahr 199lauf 3877 Mrd. DM im Jahre 1999 gestiegen. Es hat sich also um rund 32 % erhöht. Doch sind im gleichen Zeitraum auch die Preise gestiegen. Der Anstieg des nominalen Bruttoinlandsprodukts ist also zumindest zum Teil auf die gestiegenen Preise zurückzuführen. Um zu ermitteln, wie sich in dem betrachteten Zeitraum das reale Inlandsprodukt entwickelt hat, muß man den Anstieg des Inlandsprodukts, der allein auf Preissteigerungen zurückzuführen ist, ausschalten. Dies geschieht, indem die Gütermengen, die in den verschiedenen Jahren produziert werden, mit den gleichen Preisen, den konstanten Preisen der Basisperiode bewertet werden. Wir wollen uns dies am Beispiel einer einfachen Volkswirtschaft klarmachen, in der nur zwei Güter produziert werden, Äpfel und Birnen oder Brot und Wein. Wir nennen die Güter X und Y. In der folgenden Tabelle werden für die Güter X und Y die Preise und die Mengen in den Jahren 1991 und 1999 angegeben. Durch Addition der Verkaufserlöse erhalten wir das nominale Bruttoinlandsprodukt. 1991

1999

Gut

Preis

Menge

X Y

4 2

BIP,99,

nominal

Erlös

Gut

Preis

Menge

Erlös

18

72

X

4,4

25

110

14

28

y

2,5

16

=

100

BIP ,999 nominal

=

40

150

In unserem Beispiel hat sich das nominale Inlandsprodukt um 50 Prozent erhöht. Doch war im Jahre 1999 der Preis von X um 10 Prozent und der Preis von Y um 25 Prozent höher als 1991, so daß der Anstieg des nominalen Inlandsprodukts zum Teil durch Preissteigerungen verursacht worden ist. Um zu berechnen, wie sich von 1991 bis 1999 das reale Inlandsprodukt entwickelt hat, bewerten wir die 1999 produzierten Gütermengen mit den „konstanten" Preisen des Jahres 1991. Gut

Preis 1991

Menge 1993

Wert in konstanten Preisen

X

4

25

100

Y

2

16

32

Reales BIP 1999 in konstanten Preisen von 1991 = 132 Unsere Rechnung zeigt, daß das reale Inlandsprodukt von loo im Jahre 1991 nur auf 132 im Jahre 1999 gestiegen ist. Es ist also real nicht um 50 Prozent, sondern nur um 32 Prozent gewachsen.

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

2.

379

Der Bruttoinlandsprodukt-Deflator

Wenn wir das nominale Inlandsprodukt des Jahres 1999 durch das in konstanten Preisen des Jahres 1991 gemessene reale Inlandsprodukt von 1999 dividieren, erhalten wir eine Größe, die man Deflator des Inlandsprodukts ( BIP-Deflator) nennt.

BIP-Deflator =

Nominales BIP Reales BIP

Der BIP-Deflator gibt an, wie sich das Preisniveau gegenüber dem Basisjahr entwikkelt hat. In unserem Zahlenbeispiel erhalten wir: BIP-Deflator =

— = 1,136 132

Das Ergebnis besagt, daß von 1991 bis 1999 die Preise im gewogenen Durchschnitt um 13,6% gestiegen sind. Tatsächlich ist der BIP-Deflator nichts anderes als ein Preisindex des Bruttoinlandsprodukts. Nennen wir die Preise der Güter X und Y für das laufende Jahr, das auch Berichtsjahr genannt wird, p" und p", und die Mengen des Berichtsjahres x" und y", und bezeichnen wir die Preise und Mengen im Basisjahr mit p ° , p° und x°, y°, so schreiben wir im Zweigüterfall für den Preisindex des Bruttoinlandsprodukts:

Preisindex des BIP =

pn* -x n

-y" n

p';-x +p:-yn

Der Preisindex des BIP (BIP-Deflator) zeichnet sich dadurch aus, daß die Preise mit den Mengen gewichtet werden, die im laufenden Jahr hergestellt werden. Man nennt einen solchen Index einen Paasche-Preisindex. Der Warenkorb ändert sich jedes Jahr. Häufig setzt man den Index für das Basisjahr gleich hundert. Der Index gibt dann an, welcher Betrag für den Warenkorb des Berichtsjahres ausgegeben werden müßte, wenn der Warenkorb des Berichtsjahres in Preisen des Basisjahres 100 (DM) gekostet hätte. Für unser Zahlenbeispiel ergäbe sich ein Index von 113,6. Wenn wir das nominale Inlandsprodukt des Berichtsjahres durch den BIP-Deflator dividieren, erhalten wir das reale Inlandsprodukt in konstanten Preisen des Basisjahres.

Reales BIP in konstanten Preisen des Basisjahres =

3.

nominales BIP

ßlP Deflator

Der Preisindex der Lebenshaltung

Die Bürger wissen, daß die DM auch nicht mehr das ist, was sie früher war. Die Preise sind gestiegen, die Kaufkraft der DM ist gesunken. Man kann den Anstieg des Preisniveaus durch den Preisindex des Bruttoinlandsprodukts messen. Den Bürger, der wissen

380

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

möchte, wie sich die Preise der Güter entwickelt haben, die er zu kaufen pflegt, interessiert j e d o c h nicht, wie sich die Preise für Sattelschlepper oder Müllfahrzeuge verändert haben. Preisänderungen bei solchen Gütern, die als Investitionsgüter nur von Unternehmen oder öffentlichen Haushalten gekauft werden, werden aber ebenso im BIPDeflator widergespiegelt, wie Preisänderungen bei Exportgütern, die auch für die Lebenshaltung eines privaten Haushalts ohne Bedeutung sind. Wenn andererseits Autos aus Japan oder Schuhe aus Italien teurer werden, findet dies im BruttoinlandsproduktDeflator keinen Niederschlag, obwohl Preissteigerungen bei importierten Gütern des privaten Verbrauchs die Lebenshaltung verteuern. U m die Preisentwicklung bei den Gütern zu messen, die von einem Durchschnittshaushalt gekauft werden, berechnet das Statistische Bundesamt Preisindizes für die Lebenshaltung verschiedener Haushaltstypen. Der bekannteste Index ist der Preisindex f ü r die Lebenshaltung aller privaten Hauhalte, bei dem ein Warenkorb zugrunde gelegt wird, der die durchschnittliche Verbrauchsstruktur aller privaten Haushalte repräsentiert. Der Preisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte gibt die Preisänderung an, mit der ein Durchschnittshaushalt konfrontiert wird. M a n bildet den Index, indem man für ein Basisjahr einen Warenkorb bestimmt, der die Verbrauchsausgaben eines Durchschnittshaushalts widerspiegelt. Bewertet man die Gütermengen mit den Preisen des Basisjahres, erhält man den Wert des Warenkorbs im Basisjahr. Bewertet man die gleichen Gütermengen mit den Preisen des Berichtsjahres, erhält man den Wert des Warenkorbs im Berichtsjahr. Dividiert man den Wert des Warenkorbs im Berichtsjahr durch den Wert des gleichen Warenkorbs im Basisjahr, erhält man den Preisindex der Lebenshaltung. W e n n wir die Preise der Güter X und Y im Berichtsjahr p" u n d p j und die Preise im Basisjahr p° und p° nennen und die M e n g e n im Basisjahr x° und y°, im Berichtsjahr x n u n d y" schreiben, erhalten wir für unser Zweigütermodell als Preisindex:

PI.

p;-x"+P;-y"

Im Gegensatz zum BIP-Deflator werden die Preise nicht mit den Mengen des Berichtsjahres, sondern mit den Mengen des Basisjahres gewichtet. Man nennt einen solchen Preisindex einen Laspeyres-Preisindex. Meistens multipliziert man den Term auf der rechten Seite mit 100 und erhält:

Der Laspeyres-Preisindex gibt an, welcher Betrag im Berichtsjahr für den Warenkorb des Basisjahres ausgegeben werden müßte, wenn dieser im Basisjahr 100 D M gekostet hätte. W e n n wir auf unser fiktives Zahlenbeispiel zurückgreifen und annehmen, daß der Durchschnittshaushalt im Basisjahr 18 Einheiten von X und 14 Einheiten von Y ge-

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

381

kauft hat und die Preise von p x = 4 und p y = 2 in der Basisperiode auf p x = 4,4 und p y = 5,5 in der Berichtsperiode gestiegen sind, erhalten wir: PL,

4,4-18 + 2,5-14 4-18 + 2-14

•100

=114,2

Das Ergebnis besagt, daß das Preisniveau um 14,2% gestiegen ist, wenn man die Preisveränderung durch den Preisindex der Lebenshaltung mißt. Der BIP-Deflator hatte dagegen einen Preisanstieg von nur 13,6% ausgewiesen. Tatsächlich weicht auch in der Realität der durch den BIP-Deflator gemessene Preisanstieg oft von der durch den Preisindex der Lebenshaltung gemessenen Preissteigerung nicht unwesentlich ab. Diese Divergenz ist auf die Unterschiede zwischen dem BIP-Deflator und dem Preisindex für die Lebenshaltung zurückzuführen. a. Der BIP-Deflator mißt die Preisänderung bei allen Gütern und Dienstleistungen, die im Inland produziert worden sind, während der Preisindex für die Lebenshaltung nur die Güter erfaßt, die von den privaten Haushalten gekauft worden sind. Ein Anstieg der Preise von Gütern, die nur von Unternehmen und vom Staat gekauft werden und ein Anstieg der Exportpreise wird im BIP-Deflator, nicht aber im Preisindex für die Lebenshaltung wiedergegeben. b. Das Bruttoinlandsprodukt enthält die importierten Güter nicht. Preissteigerungen bei importierten Gütern schlagen sich im Preisindex der Lebenshaltung nicht aber im BIP-Deflator nieder. Eine den Preisanstieg dämpfende Wirkung, die von sinkenden Importpreisen ausgehen würde, schlägt sich im Preisindex der Lebenshaltung, nicht aber im BIP-Deflator nieder. c. Der BIP-Deflator ist ein Paasche-Preisindex, bei dem die Preise mit den Mengen des Berichtsjahres gewichtet werden, während der Preisindex der Lebenshaltung ein Laspeyres-Preisindex ist, bei dem die Preise mit den Mengen eines Basisjahres gewichtet werden. Während beim Laspeyres-Preisindex ein fester Warenkorb eines Basisjahres verwendet wird, liegt dem Paasche-Preisindex der jeweils aktuelle Warenkorb des Berichtsjahres zugrunde. Im allgemeinen weist (ceteris paribus) der Laspeyres-Preisindex einen höheren Preisanstieg aus als der Paasche-Preisindex. In unserem fiktivem Zahlenbeispiel erhielten wir unterschiedliche Aussagen über den Preisanstieg, j e nachdem ob wir wie beim BIP-Deflator die Preisänderung durch einen Paasche-Preisindex oder wie beim Preisindex für die Lebenshaltung durch einen Laspeyres-Preisindex ermittelten, obwohl in beiden Fällen der Preisanstieg für die gleichen Güter ermittelt wurde. Während beim Paasche-Preisindex nur ein Preisanstieg von 13,6 % ausgewiesen wurde, betrug der Preisanstieg 14,2 Prozent, wenn man ihn durch einen Laspeyres-Index erfaßt. Die unterschiedlichen Ergebnisse sind Folge der unterschiedlichen Gewichtung bei den Indizes. In unserem Zahlenbeispiel stieg der Preis von X um 10 Prozent, der preis von Y um 25 Prozent. Das Gut y ist so relativ zu X teurer geworden. Das wird in der Regel dazu führen, daß das relativ teurer gewordene Gut durch das relativ billigere substituiert wird. In unserem Zahlenbeispiel änderte sich daher das Mengenverhältnis X/Y zugunsten von X (von 18/14=1,29 zu 25/16= 1,56). Diese Substitutionsmöglich-

382

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

keit wird bei einem Preisindex nach Laspeyres ignoriert, weil bei diesem Index die konstanten Mengen des Basisjahres der Berechnung zugrunde gelegt werden. Der Laspeyres-Preisindex überschätzt daher den Preisanstieg. Der Paasche Preisindex legt den jeweils aktuellen Warenkorb zugrunde. Er unterschätzt den Preisanstieg, weil er nicht berücksichtigt, daß die beobachtete Substitution mit einem Wohlfahrtsverlust verbunden ist.

Kritik an der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung dient in erster Linie dem Zweck, Informationen bereitzustellen, die man braucht, um die volkswirtschaftliche Entwicklung zu analysieren, zu prognostizieren und um Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen. Sie liefert Informationen, die der Staat benötigt, wenn er lenkend in den Wirtschaftsablauf eingreift und der Erfolg staatlicher Maßnahmen beurteilt werden soll. Das Bruttoinlandsprodukt und das Bruttonationaleinkommen sind kein Index menschlichen Glücks. In der öffentlichen Diskussion werden sie allerdings häufig als Wohlfahrtsindikatoren angesehen. In der Tat kann man mit Hilfe der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung abschätzen, wie gut wir mit materiellen Gütern versorgt werden. Allerdings ist es wichtig, sich der Grenzen bewußt zu sein, die dem Inlandsprodukt oder dem Nationaleinkommen als Wohlfahrtsindikatoren gesetzt sind. Kritik an der Konzeption der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung beruht vor allem darauf, daß das Inlandsprodukt als Wohlfahrtsindikator Mängel hat. Die wichtigsten Kritikpunkte werden im folgenden kurz dargestellt. Nichterfassung der Hausarbeit In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden grundsätzlich nur Markttransaktionen erfaßt. Transaktionen, die nicht über Märkte abgewickelt werden, berücksichtigt man, von einigen Ausnahmen abgesehen, nicht. Der große Bereich der im eigenen Haushalt erbrachten produktiven Leistungen wird im Inlandsprodukt nicht registriert. Wenn wir im eigenen Garten Obst und Gemüse ernten und im Haushalt verarbeiten, geht dies nicht in das Inlandsprodukt ein. Wenn wir Konserven kaufen, wird dies als Markttransaktion erfaßt. Wenn im Laufe der Zeit Leistungen, die früher im Haushalt erbracht wurden, durch Markttransaktionen ersetzt werden, steigt das gemessene Inlandsprodukt, ohne daß Produktion und Konsum gestiegen sind. Die Tatsache, daß grundsätzlich nur Markttransaktionen erfaßt werden, hat die Konsequenz, daß das Inlandsprodukt sinkt, wenn jemand sein Haushälterin heiratet. Nichterfasung von Markttransaktionen A u c h bestimmte Markttransaktionen werden nicht erfaßt. Das gilt zum Beispiel f ü r illegale Transaktionen wie den Drogenhandel, vor allem aber für den großen Bereich der Schwarzarbeit. Wenn infolge steigender Belastung durch Steuern und Sozialabgaben die Schwarzarbeit zunimmt, wird das Wachstum der Produktion durch die gemessenen Wachstumsraten unterschätzt.

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

383

Nichterfassung sozialer Kosten Wenn durch die Produktion die Luft und das Wasser verschmutzt werden oder die Wohlfahrt der Bürger durch Lärm beeinträchtigt wird, hat das schwerwiegende Auswirkungen auf die Lebensqualität, ohne daß diese wohlfahrtsmindernden externen Effekte im traditionellen System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung widergespiegelt werden. Nichterfassung des Abbaus von Ressourcen In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wird nicht erfaßt, daß durch den Abbau nicht regenerierbarer Ressourcen zukünftigen Generationen ein geringerer Bestand hinterlassen wird und so ihr Wohlfahrtspotential vermindert wird. Bewertung von Nichtmarktaktivitäten Die unentgeltlich abgegebenen staatlichen Leistungen werden in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu den Herstellungskosten bewertet. Steigende Ausgaben fiir staatliche Leistungen bedeuten aber nicht zwingend, daß der Wert des Outputs steigt. Die Inputbewertung bewirkt, daß ein Beamter, der im Büro schläft, einen positiven Beitrag zum Inlandsprodukt leistet. Das den öffentlichen Dienst kennzeichnende Leistungsprinzip bleibt allerdings auch beim Büroschlaf erhalten, „denn die Stunde Schlaf eines Ministerialrats wirkt sich günstiger auf das Inlandsprodukt aus als jene eines Regierungshauptsekretärs" (Littmann). Nichterfassung der Freizeit Im Inlandsprodukt schlägt sich nicht nieder, wie lange gearbeitet werden mußte, um das Inlandsprodukt zu erzeugen. Auch bei konstantem Inlandsprodukt wird jedoch die Wohlfahrt steigen, wenn infolge des Produktivitätfortschritts die Arbeitszeit verkürzt werden kann. Den Wohlfahrtsgewinn, der sich ergibt, wenn die Urlaubszeit verlängert oder die wöchentliche Arbeitszeit verkürzt wird, erfaßt man nicht. Erfassung von Vorleistungen als Konsumausgaben des Staates In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden die Konsumausgaben des Staates als Endprodukt erfaßt. Sie sind somit Bestandteil des Inlandsprodukts. Die Konsumausgaben des Staates haben jedoch zum Teil den Charakter von Vorleistungen fiir die Unternehmen und die privaten Haushalte. Insofern, so wird argumentiert, komme es zu Doppelzählungen, weil Vorleistungen vom Produktionswert abgezogen werden müßten. Es wird vorgeschlagen, jenen Teil der Ausgaben des Staates, die wie Ausgaben für die innere und äußere Sicherheit bedauerliche Notwendigkeiten (regrettable necessities) sind, nicht als Endprodukt im Inlandsprodukt zu erfassen, um die Aussagekraft des Inlandsprodukts als Wohlfahrtsindikator zu erhöhen. Erfassungen von Vorleistungen als privater Konsum Auch bestimmte Ausgaben der privaten Haushalte, die in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung als Konsumausgaben erfaßt werden, haben Vorleistungscharakter. Dazu zählen zum Beispiel die täglichen Fahrten zum Arbeitsplatz. Die Wohlfahrt der Bürger ist keineswegs um so größer, je länger die Fahrt zum Arbeitslatz und j e höher

384

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

die damit verbundenen Fahrtkosten sind. Gleichwohl werden diese bedauerlichen Notwendigkeiten als Konsumausgaben der privaten Haushalte erfaßt. Abgrenzung von Investitionen und Konsum Während die Käufe von Maschinen und Gebäuden durch die Unternehmen oder den Staat als Investitionen erfaßt werden, sind die Ausgaben des Staates für Bildung und Erziehung Konsumausgaben des Staates. Die Käufe der privaten Haushalte werden als Konsum registriert, auch wenn es sich um langlebige Konsumgüter handelt, die wie Investitionsgüter mehrere Jahre genutzt werden können. Der Kauf von Autos wird deshalb als Konsum verbucht, wenn sie von privaten Haushalten gekauft werden. Sie werden als Investition erfaßt, wenn die Käufer Unternehmen sind. Ergänzungen und Erweiterungen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Die Mängel des Inlandsprodukts als Indikator gesellschaftlicher Wohlfahrt haben zu Vorschlägen geführt, die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zu modifizieren. Die Vorschläge von Nordhaus und Tobin' sowie von Juster hatten den Zweck, das berechnete Inlandsprodukt so zu korrigieren, daß es ein besseres Maß gesellschaftlicher Wohlfahrt wird. Probleme ergeben sich bei diesen Vorschlägen, weil in größerem Maß auf statistisch wenig abgesicherte Daten zurückgegriffen werden müßte. Während in den Vorschlägen von Nordhaus/Tobin und Juster am Konzept eines Wohlfahrtindikators festgehalten wird, bei dem die Wohlfahrt in einer einzigen Größe ausgedrückt wird, ist von anderen ein System sozialer Indikatoren vorgeschlagen worden. Dabei geht man von der Überlegung aus, daß die Lebensqualität nicht in einer einzigen Größe ausgedrückt werden kann, weil auch qualitative Aspekte berücksichtigt werden müssen. Ein Beispiel für den Versuch, Wohlstand durch soziale Indikatoren zu beschreiben, stellt das von der OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) entwickelte System dar, in dem acht Hauptindikatoren unterschieden werden. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Gesundheit Entwicklung der Persönlichkeit durch Bildung Arbeit und Qualität des Arbeitslebens Zeiteinteilung und Freizeit Verfügung über Güter und Dienstleistungen Physische Umwelt Persönliche Sicherheit und Rechtspflege Gesellschaftliche Chancen und Beteiligung

Welche Größen erfaßt werden und wie die Aussagen zu bewerten sind, hängt letztlich davon ab, was man unter Lebensqualität versteht. Da es eine allgemeine Theorie menschlicher Wohlfahrt nicht gibt, kann das Problem, die Qualität menschlicher Wohlfahrt zu messen, auch durch ein System sozialer Indikatoren nicht gelöst werden.

1 2

William D. Nordhaus und James Tobin, Is Growth Obsolete? In: Moos, M. (Hrsg.), Measurement of Economic and Social Performance, New York 1973, S.509ff. Thomas J. Juster, A Framework for the Meaurement of Economic and Social Performance, in: Moos.M. (Hrsg.), a.a.O. S.25ff.

Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

385

Wenn man bedenkt, daß die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung vor allem Informationen bereitstellen soll, um das Wirtschaftsgeschehen beobachten zu können, wird klar, daß die Benutzter an einem hohen Maß an Kontinuität der Berichterstattung interessiert sind, nicht aber an grundlegenden Änderungen, die Zeitvergleiche erschweren. Um andererseits neuen Anforderungen, etwa auf dem Gebiet der Umweltberichterstattung, zu genügen, kann man die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung durch sogenannte Satellitensysteme erweitern, die sich in den konzeptionellen Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung einfügen, die aber detaillierter gegliedert sein können. Im Rahmen solcher Satellitensysteme können auch Nichtmarktaktivitäten sowie in physischen Einheiten gemessene Faktoren erfaßt und beschrieben werden. Literatur zum ersten Kapitel des zweiten Teils Dieter Briimmerhoff, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 6. Auflage, München 2000. Dieter Cassel, Herbert Müller, Kreislaufanalyse und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Stuttgart 1975 Michael Frenkel, Klaus Dieter John, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 4. Auflage, München 1999. Franz Haslinger, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 7. Auflage, München 1995 Alfred Stobbe, Volkswirtschaftliches Rechnungswesen, 8. Auflage, Berlin 1994 Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik Heft 4, April 1999, S. 277ff. Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik Heft 6, Juni 1999, S. 449ff.

Zweites Kapitel Arbeitslosigkeit und Inflation A.

Arbeitslosigkeit: Messung, Arten und Ursachen

Im Vergleich zu den sechziger und siebziger Jahren ist die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik heute sehr hoch. Ende 1995 waren in ganz Deutschland 3,8 Millionen Menschen als arbeitslos registriert. Etwa 1,6 Millionen Menschen waren zusätzlich verdeckt arbeitslos.1 In Ostdeutschland ist die hohe Arbeitslosigkeit das Erbe einer vierzigjährigen sozialistischen Mißwirtschaft. Aber auch in Westdeutschland ist die Zahl der Arbeitslosen von 199 000 im Jahre 1970 auf 2,7 Millionen Ende 1995 gestiegen. Die Arbeitslosenquote - gemessen durch den Anteil der registrierten Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen - ist von 0,6 Prozent 1970 auf 8,7 Prozent Ende 1995 gestiegen. Abbildung 2.1 zeigt, wie sich die Arbeitslosenquote - gemessen als Anteil der registrierten Arbeitslosen an den abhängigen Erwerbspersonen - entwikkelt hat. Abb. 2.1: Entwicklung der Arbeitslosenquote in der Bundesrepublik Deutschland1

Früheres Bundesgebiet. Anzahl der registrierten Arbeitslosen an den abhängigen Erwerbspersonen (beschäftigte Arbeitnehmer plus Arbeitslose). Quelle: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1995/96 1 2

Arbeitslosigkeit ist das größte soziale und ökonomische Problem unserer Zeit. Wenn es überall so viel Arbeit gibt, deren Erledigung dringend erwünscht ist, und zugleich so viele Menschen, die arbeiten wollen, keinen Arbeitsplatz finden, liegt offensichtlich eine gravierende ökonomische und gesellschaftliche Fehlentwicklung vor.

1

Das ist die Zahl, die man erhält, wenn man die Definition des Sachverständigenrats zugrunde legt.

388

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

Viele bezweifeln, daß wir in naher Zukunft in der Lage sein werden, wieder einen Zustand der Vollbeschäftigung oder einen Zustand, der diesem nahe kommt, zu erreichen. Arbeitslosigkeit wird nicht selten als Schicksal angesehen oder als Ergebnis einer Entwicklung hingenommen, die wir nicht kontrollieren und steuern können. Wir müssen uns fragen: Was sind die Ursachen dieser Fehlentwicklung, und was können wir tun, sie zu korrigieren? Um diese Fragen beantworten zu können, braucht man zunächst ein möglichst aussagekräftiges statistisches Bild über Höhe, Zusammensetzung und Entwicklung der Arbeitslosigkeit. 1.

Die Messung der Arbeitslosigkeit

Auf den ersten Blick scheint es einfach zu sein, Arbeitslosigkeit zu definieren: Arbeitslos ist, wer arbeiten will, aber keinen Arbeitsplatz findet. Sieht man genauer hin, erkennt man die Schwierigkeiten. Wie kann man wissen, ob jemand wirklich arbeiten will? Sind diejenigen arbeitslos, die zu hohe Ansprüche an den Arbeitsplatz oder an die Bezahlung richten? Soll man Arbeitnehmer, die eine Teilzeitbeschäftigung suchen, als arbeitslos registrieren? Sind Schüler und Studenten, die für die Zeit der Schulferien oder Semesterferien vergeblich eine Stelle suchen, arbeitslos? Sollen Rentner, die einen Arbeitsplatz suchen, als Arbeitslose registriert werden? Wie sind Arbeitnehmer zu erfassen, die an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen teilnehmen? Man sieht: Die Aufgabe, die Zahl der Arbeitslosen zu bestimmen, ist schwieriger, als sie zunächst zu sein scheint. Es müssen Abgrenzungen vorgenommen werden, die ohne ein gewisses Maß an Willkür nicht möglich sind. Nach den Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gelten Personen ab einem gewissen Alter als arbeitslos, die ohne Arbeit sind (Kriterium der Nichterwerbstätigkeit) gegenwärtig für eine Beschäftigung verfügbar sind (Kriterium der Verfügbarkeit) auf der Suche nach Arbeit sind (Kriterium der aktiven Arbeitsplatzsuche) Die Kriterien werden in den nationalen Arbeitslosenstatistiken unterschiedlich ausgelegt. Die nationalen Statistiken sind deshalb international nur dann vergleichbar, wenn sie korrigiert werden, indem einheitliche Definitionen zugrunde gelegt werden. Die Registrierungsmethode und die Arbeitskräftestichprobe In der statistischen Praxis gibt es zwei unterschiedliche Verfahren, die Zahl der Arbeitslosen zu bestimmen: Die Registrierungsmethode und die Arbeitskräftestichprobe. Bei der Registrierungsmethode wird die Zahl der Arbeitslosen auf der Grundlage der bei den Arbeitsämtern registrierten Arbeitslosen anhand der Karteiangaben ermittelt. Arbeitnehmer, die nicht als Arbeitslose registriert sind, werden nicht als arbeitslos gezählt. Die meisten nationalen Statistiken arbeiten mit der Registrierungsmethode. In der Bundesrepublik werden die Arbeitslosen von der Bundesanstalt für Arbeit nach der Registrierungsmethode monatlich ermittelt.

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

389

Bei der Arbeitskräftestichprobe wird ein repräsentativer Teil der Bevölkerung monatlich befragt, ob sie beschäftigt oder ohne Arbeit sind, ob sie für eine Beschäftigung verfügbar sind und welche Schritte sie unternommen haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Zahl der Arbeitslosen wird in den USA, Kanada, Japan, Australien, Finnland, Spanien und den Niederlanden durch Arbeitskräftestichproben ermittelt. Die Arbeitskräftestichprobe hat gegenüber der Registrierungsmethode den Vorteil, daß auch die nicht registrierten Arbeitslosen erfaßt werden. Wegen der von Land zu Land unterschiedlichen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen sind international vergleichbare Zahlen zur Arbeitslosigkeit nur auf der Grundlage von Haushaltsstichproben zu erlangen. Ergänzend zu den von der Bundesanstalt für Arbeit nach der Registrierungsmethode ermittelten Arbeitslosen wird deshalb in der Bundesrepublik jährlich im Rahmen des Mikrozensus die Zahl der Arbeitslosen (sie werden hier Erwerbslose genannt) bestimmt. Der Mikrozensus des Statistischen Bundesamts ist eine Ein-ProzentHaushaltsstichprobe, durch die jährlich auch Daten zur Erwerbstätigkeit und Erwerbslosigkeit erhoben werden. Außerdem werden zeitgleich mit dem Mikrozensus international vergleichbare Arbeitslosenzahlen mit Hilfe der EU-Arbeitskräftestichprobe ermittelt, bei der die Arbeitslosigkeit in den EU-Ländern einheitlich definiert wird. International vergleichbare Zahlen werden auch von der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) veröffentlicht. Bei den "standardisierten Arbeitslosenquoten" der OECD geht man von den Daten der EUArbeitskräftestichprobe aus. Die registrierten Arbeitslosen In der arbeitsmarktpolitischen Diskussion in der Bundesrepublik stehen die von der Bundesanstalt für Arbeit nach der Registrierungsmethode ermittelten Arbeitslosenzahlen im Vordergrund, weil sie monatlich erhoben werden und die ersten Zahlen bereits eine Woche nach der Auszählung verfügbar sind. Die jährlich ermittelten Ergebnisse des Mikrozensus und der EU-Arbeitskräftestichprobe liegen erst nach längerer Zeit vor. Als arbeitslos wird gezählt, wer -

vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder weniger als 18 Stunden wöchentlich arbeitet,

-

der Arbeitsvermittlung für jede zumutbare Tätigkeit zur Verfügung steht,

-

sich persönlich beim Arbeitsamt gemeldet hat und eine Beschäftigung von mehr als drei Monaten mit 18 Stunden und mehr wöchentlich anstrebt,

-

das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat,

-

nicht arbeitsunfähig erkrankt ist und

-

in der Bundesrepublik wohnt.

390

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

Zu den Arbeitslosen zählen auch Abgänger von Schulen, die eine Arbeitsstelle und nicht nur einen Ausbildungsplatz suchen und Selbständige, die ihre Tätigkeit aufgegeben haben. Nicht als arbeitslos wird gezählt, -

wer nicht beim Arbeitsamt registriert ist und auf andere Art einen Arbeitsplatz sucht,

-

wer eine auf weniger als drei Monate befristete Arbeit oder eine Teilzeitarbeit unter 18 Stunden sucht,

-

wer als Schulabgänger lediglich einen Ausbildungsplatz und keinen Arbeitsplatz sucht,

-

Studenten oder Schüler, die eine Ferienarbeit suchen,

-

wer 65 Jahre oder älter ist (seit 1986 zählen Arbeitslose nach Vollendung des 58. Lebensjahres grundsätzlich nicht mehr zu den registrierten Arbeitslosen, da sie nicht mehr jede zumutbare Arbeit annehmen müssen),

-

wer Altersruhegeld oder Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht,

-

wer arbeitsunfähig erkrankt ist,

-

wer an den vom Arbeitsamt geförderten Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung teilnimmt,

-

wer an Vollzeitunterricht zur Fortbildung und Umschulung teilnimmt.

Die Arbeitslosenstatistik der Bundesanstalt für Arbeit wird kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite wird behauptet, daß viele, die als registrierte Arbeitslose ausgewiesen werden, in Wahrheit an einer Arbeitsaufnahme gar nicht interessiert sind, sich lediglich in der "sozialen Hängematte" ausruhen wollen und eigentlich freiwillig arbeitslos sind. Andererseits wird darauf hingewiesen, daß die tatsächliche Arbeitslosenquote erheblich größer ist als die Zahl der registrierten Arbeitslosen, weil ein großer Personenkreis, der arbeitslos ist, in der Statistik nicht berücksichtigt wird (Stille Reserve). Freiwillig Arbeitslose Es ist schwierig festzustellen, ob jemand, der sich als arbeitslos meldet, tatsächlich arbeiten will. Die Arbeitsbereitschaft läßt sich nur überprüfen, wenn den Arbeitslosen zumutbare Beschäftigungen angeboten werden können. Das ist bei unzureichendem Stellenangebot häufig nicht möglich. Nach einer im Jahre 1989 veröffentlichten Untersuchung von Infratest gaben bei einer Umfrage rund zwölf Prozent der befragten Arbeitslosen an, keine Arbeit zu suchen.' Nach einer Untersuchung des Instituts für

1

Infratest-Sozialforschung, Arbeitssuche, berufliche Mobilität und soziale Lage Arbeitsloser, München 1989.

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

391

Demoskopie in Allensbach waren im Herbst 1986 mindestens zwanzig Prozent der registrierten Arbeitslosen freiwillig arbeitslos.' Es gibt verschiedene Anreize, sich arbeitslos zu melden, obwohl man nicht arbeiten will. Die Entscheidung der Arbeitsämter, jemanden vom Bezug des Arbeitslosengeldes auszuschließen, muß rechtlich haltbar sein, da die Betroffenen Rechtsmittel einlegen können. Der dringende Verdacht, daß jemand nicht arbeitswillig ist, reicht nicht aus, um Arbeitslosengeld zu sperren. Stille Reserve Der Gruppe der unechten oder freiwillig Arbeitslosen steht eine große Zahl von Personen gegenüber, die nicht als arbeitslos registriert sind, obwohl sie einen Arbeitsplatz suchen. Dabei handelt es sich vor allem um Personen, die sich von einer Registrierung keinen Vorteil versprechen, weil sie keinen Anspruch auf Unterstützungszahlungen haben und nicht erwarten, daß ihnen das Arbeitsamt einen Arbeitsplatz vermitteln kann. Menschen, die keine Chance sehen, einen Arbeitsplatz zu finden, resignieren (entmutigte Arbeitslose), andere versuchen, ohne Einschaltung des Arbeitsamts einen Arbeitsplatz zu bekommen. Nach Angaben aus dem Mikrozensus suchen vierzehn Prozent der Erwerbslosen eine Arbeitsstelle, ohne das Arbeitsamt einzuschalten. Vor allem verheiratete Frauen, die nach längerer häuslicher Tätigkeit wieder erwerbstätig sein wollen und keinen Anspruch auf Leistungen haben, und arbeitsuchende Jugendliche, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und wegen zu hoher Einkommen der Eltern auch keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben, lassen sich oft nicht als arbeitslos registrieren. Man bezeichnet Personen, die arbeitslos sind, aber nicht als arbeitslos registriert sind, als Stille Reserve. Die Gesamtzahl aller arbeitsfähigen und arbeitswilligen Personen wird als Erwerbspersonenpotential bezeichnet. Das Erwerbspotential besteht aus den Erwerbstätigen, den registrierten Arbeitslosen und der Stillen Reserve. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bezeichnet die Personen als verdeckt arbeitslos, die grundsätzlich ihre Arbeitskraft am deutschen Arbeitsmarkt anbieten, zur Zeit aber arbeitsmarktpolitische Leistungen empfangen, ohne zu den registrierten Arbeitslosen gezählt zu werden. Zu den verdeckt Arbeitslosen im Sinne des Sachverständigenrats zählen die Teilnehmer an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Personen, die an Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung, Umschulung und Einarbeitung (FuU-Maßnahmen) teilnehmen, die Teilnehmer an Deutschsprachlehrgängen, die Empfänger von Vorruhestandsgeld und Arbeitsübergangsgeld und Personen, die Leistungsempfänger sind, aber wie zum Beispiel 58-jährige und ältere Personen, der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stehen müssen. Für Kurzarbeiter wird ein Arbeitslosenäquivalent berechnet, indem die Zahl der Kurzarbeiter mit dem durchschnittlichen Arbeitsausfall multipliziert wird.

1

Elisabeth N o e l l e - N e u m a n n , M u ß denn d i e Arbeit Spaß machen?, In: D i e W e l t v o m 2 8 . 1 0 . 1 9 8 6 .

392

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

Tabelle 1: Offene und verdeckte Arbeitslosigkeit in Deutschland Teilneh mer an Fu UTeilnehLeiVerm e r in stungsOffene Regideckte Arbeits- Arbeitsund veremstrierte Arbeitsdarunter Arbeits- inslosen- beschaf- pfänger deckte insArbeitsausgesamt losigäquiva- fungsArbeitsnach lose gesamt fall keit lent maßnah- § 105 losigVollmen AFG keit zeit Kurzarbeiter

Zeitraum

Tausend

v.H.

E m p f ä n g e r von Teilnehmer an Deutsch VorAltersSprachruheüberehrgänstands- gangsgen geld geld

Tausend Früheres Bundesgebiet

1991 1992 1993 1994 1995

2 2 2 3 3

240 394 986 137 117

1991 1992 1993 1994 1995

2 723 3 001 2712 2 391

1 1 2 2 2

689 808 270 556 556

551 586 716 581 562

145 283 767 275 120

30 31 30 32 37

810 831 563 248

1 616 370 181 97 70

56 53 47 47 53

43 88 228 89 44

83 78 51 57 72

101 125 180 197 207

365 372 348 309 304

189 205 195 182 192

76 51 55 50 44

59 39 6 3 0

169 426 345 241 244

7 7 8

365 295 210 122 29

2 3 2

Neue Bundesländer und Berlin-Ost

Quelle:

2 037

913 1 170 1 149 1 142 1 032

1 1 1 I

1 005

901 197 85 46 37

183 388 260 280 312

3 9 18 28 37

265 489 383 259 257

189 516 639 524 337

Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1993/94 und 1995/96

Die Arbeitslosen nach dem Mikrozensus Das Statistische Bundesamt ermittelt jährlich die Zahl der Arbeitslosen (sie werden Erwerbslose genannt) im Rahmen des Mikrozensus. Der Mikrozensus ist eine EinProzent-Haushaltsstichprobe, bei der unter anderem Daten zur Erwerbstätigkeit und Erwerbslosigkeit erhoben werden. Bei der Definition der Arbeitslosen orientiert man sich an den Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation. Das bedeutet, daß Personen nur dann als Arbeitslose gezählt werden, wenn sie in der Berichtswoche nicht eine einzige Stunde beschäftigt waren. Abweichend von den Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation wird beim Mikrozensus nicht geprüft, ob die Personen in der Berichtswoche verfügbar sind, eine ihnen angebotene Beschäftigung unverzüglich aufzunehmen. Die Arbeitslosen nach der EU-Arbeitskräftestichprobe Im Gegensatz zur Erfassung der Arbeitslosen im Mikrozensus wird in der EUArbeitskräftestichprobe und bei den standardisierten Arbeitslosenzahlen der OECD das Verfügbarkeitskriterium entsprechend den Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation strikt angewendet. Die betroffene Person muß in der Berichtswoche in der Lage sein, eine angebotene Beschäftigung unverzüglich aufzunehmen. Deshalb ist die Zahl der Arbeitslosen in der EU-Arbeitskräftestichprobe und in der Veröffentlichung der standardisierten Arbeitslosenzahlen der OECD deutlich geringer als die Zahl der Arbeitslosen im Mikrozensus oder in der Arbeitsmarktstatistik der Bundesanstalt für Arbeit.

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

393

Die Arbeitslosenquote Um Arbeitslosigkeit in verschiedenen Ländern oder Regionen vergleichen zu können, ist es notwendig, Arbeitslosenquoten zu bilden. Man braucht sie auch für Zeitvergleiche und um die Struktur der Arbeitslosigkeit zu analysieren. In der öffentlichen Diskussion sind Arbeitslosenquoten der am meisten beachtete Arbeitsmarktindikator. Um Arbeitslosenquoten zu bilden, wird die Zahl der Arbeitslosen zu einer anderen Größe in Beziehung gesetzt. Es ergibt sich vor allem bei internationalen Vergleichen ein verwirrendes Zahlenspiel, weil sowohl die Zahl der Arbeitslosen, die im Zähler der Arbeitslosenquote erscheint, wie die den Nenner bildende Bezugsgröße unterschiedlich definiert sein können. In der Vergangenheit wurde von der Bundesanstalt für Arbeit die Arbeitslosenquote gebildet, indem man die Zahl der registrierten Arbeitslosen durch die Zahl der abhängigen Erwerbspersonen dividiert. Die abhängigen Erwerbspersonen sind definiert als die Summe aus beschäftigten Arbeitnehmern und den Arbeitslosen. . , . , Arbeitslosenquote

,., (BFA)

-

Registrierte Arbeitslose Beschäftigte Arbeitnehmer + Arbeitslose

Seit einigen Jahren berechnet die Bundesanstalt für Arbeit, internationalen Gepflogenheiten folgend, zusätzlich eine Arbeitslosenquote, bei der die Zahl der registrierten Arbeitslosen durch die Zahl aller Erwerbspersonen dividiert wird. Die Erwerbspersonen sind die Summe aus Selbständigen (einschließlich mithelfender Familienangehöriger), abhängig Beschäftigten und Arbeitslosen. . , , Arbeitslosenquote

. ,2 (BfA)

=

Registrierte Arbeitslose — Erwerbspersonen

Da im Nenner in den Erwerbspersonen die Selbständigen enthalten sind, ist in der Quote (BfA) 2 der Nenner größer und die Quote somit kleiner als in der traditionellen Arbeitslosenquote (BfA) 1 . Für internationale Vergleiche müssen standardisierte Arbeitslosenquoten gebildet werden, bei der die Zahl der Arbeitslosen und die Bezugsgröße einheitlich definiert werden. Die OECD, das Statistische Amt der Europäischen Union und das amerikanische Bureau of Labor Statistics (BLS) veröffentlichen standardisierte Arbeitslosenquoten. Am häufigsten greift man bei internationalen Vergleichen auf die OECD-Quoten zurück. Die von der EU und der OECD veröffentlichten Quoten weichen nur geringfügig voneinander ab. Die Quoten sind für die Bundesrepublik in allen Jahren geringer als die nationalen Quoten. Die kleineren Quoten bei den standardisierten Zahlen ergeben sich, weil der Zahl der Arbeitslosen vor allem infolge der strengen Anwendung des Verfügbarkeitskriteriums deutlich kleiner ist als die nationalen Zahlen und weil die Bezugsgröße die Gesamtzahl der Erwerbspersonen ist.

394

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

Tabelle 2: Arbeitslosenquoten bei alternativen Definitionen (früheres Bundesgebiet)

1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 Quelle:

2.

BfA 1

BfA 2

OECD

8,7 7,9 7,2 6,3 6,6 8,2 9,2

7,7 7,1 6,4 5,7 5,9 7,3 8,2

6,2 5,6 4,8 4,2 4,6 6,1 6,9

Statistisches Bundesamt, Statistische Jahrbücher; Bundesbank, Monatsberichte; O E C D , Main E c o n o m i c Indicators; O E C D , Wirtschaftsausblick Nr. 57, Dez. 1995

Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosigkeit ist in der Bundesrepublik in den beiden letzten Jahrzehnten drastisch gestiegen. Von 1961 bis 1971 lag die Arbeitslosenquote - gemessen durch den Anteil der registrierten Arbeitslosen an den abhängigen Erwerbspersonen - mit Ausnahme der Jahre 1967 und 1968, unter einem Prozent. Von 1960 bis 1973 herrschte Vollbeschäftigung. In allen Jahren mit Ausnahme von 1967 war die Zahl der gemeldeten offenen Stellen größer als die Zahl der registrierten Arbeitslosen. In der Periode von 1974 bis 1983 stieg die Zahl der Arbeitslosen stark an. Die Zahl der Erwerbstätigen sank um 1,2 Millionen. Die Zahl der Arbeitslosen stieg von 273 000 im Jahr 1973 auf 2,258 Millionen im Jahr 1983, die Arbeitslosenquote erhöhte sich im gleichen Zeitraum von 1,2 auf 8,8 Prozent. In diese Periode fallen die beiden Erdölkrisen, die häufig als auslösender Faktor für den Anstieg der Arbeitslosigkeit angesehen werden. Die Periode von 1983 - 1991 ist die Periode eines lang anhaltenden Wirtschaftsaufschwungs, der als Folge der Wiedervereinigung im früheren Bundesgebiet länger dauerte als in den anderen Industrieländern. Die Beschäftigung stieg um 2,6 Millionen! Die Zahl der Arbeitslosen sank jedoch nur von 2,258 Millionen 1983 auf 1,689 Millionen im Jahr 1991. 1991 gab es mehr offene Stellen als 1974. Die Zahl der Arbeitslosen war aber 1991 fast dreimal so hoch wie 1974. Seit 1991 ist die Arbeitslosigkeit wieder angestiegen. Insbesondere im verarbeitenden Gewerbe kam es zu einem starken Beschäftigungsabbau. Die traditionellen Exportbranchen Maschinenbau, Fahrzeugbau, Elektroindustrie und Chemie, die die hohen Lohnkostensteigerungen nicht überwälzen konnten, waren besonders betroffen.

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

395

Zunahme der Dauer der Arbeitslosigkeit Der Anstieg der Arbeitslosigkeit in den siebziger und achtziger Jahren war von einer zunehmenden Dauer der Arbeitslosigkeit geprägt. Die jeweils im September gemessene bisherige Dauer der Arbeitslosigkeit stieg von 6,4 Monaten 1980 auf 12,8 Monate 19941. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen an der Gesamtzahl der Arbeitslosen erhöhte sich von 12,9 Prozent 1980 auf 32,5 Prozent im Jahr 1994. Tabelle 3: Entwicklung der Arbeitslosigkeitsdauer Jahr

1970 1980 1985 1990 1991 1992 1993 1994 Quelle:

Bisherige Dauer der A r b e i t s l o s i g k e i t ( j e w e i l s iin S e p t e m b e r ) in M o n a t e n -

6,4 11,6 13,3 13,4 12,4 11,7 12,8

Anteil der Langzeilarbeitslosigkeit an d e r G e s a m t r a t e d e r A r b e i t s l o s i g k e i t in %

8,9 12,9 31,0 29,7 28,3 26,6 25,9 32,5

Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit, Jahreszahlen 1994, S. 85

In Abbildung 2.2 wird für die Zeit von 1970 bis 1993 die langfristige Arbeitslosigkeit in Abhängigkeit von der Arbeitslosenquote dargestellt.

1

Bei der durchschnittlichen bisherigen Dauer der Arbeitslosigkeit wird die Dauer der Arbeitslosigkeit für die an einem Stichtag registrierten Arbeitslosen erfaßt. Die Arbeitslosigkeit ist am Stichtag noch nicht beendet. Die erfaßten Arbeitslosen werden nach dem Stichtag noch für eine kürzere oder längere Zeit arbeitslos sein. Weil als Dauer der Arbeitslosigkeit nur der Zeitraum zwischen Einschreibung beim Arbeitsamt und dem Stichtag gemessen wird, k o m m t es insofern zu einer Unterschätzung der tatsächlichen Dauer der Arbeitslosigkeit. Andererseits sind bei einer Stichtagerhebung die Arbeitslosen mit überdurchschnittlich langer Arbeitslosigkeit überrepräsentiert. Es liegt eine verzerrte Stichprobe vor. Viele Arbeitslose mit kurzer Arbeitslosigkeit werden nicht erfaßt, weil ihre Arbeitslosigkeit zum Stichtag schon beendet war oder noch nicht begonnen hat. Die Wahrscheinlichkeit, in die Stichprobe einbezogen zu werden, ist um so größer, j e länger die Arbeitslosigkeit dauert. Diese Längenverzerrung dominiert die Unterbrechungsverzerrung. Die durchschnittliche abgeschlossene Arbeitslosigkeit aller Personen, die in einer Periode arbeitslos geworden sind, ist kürzer als die durchschnittliche bisherige Dauer der Arbeitslosigkeit der zu einem Stichtag erfaßten Arbeitslosen.

396

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

Abb. 2.2: Langfristige Arbeitslosigkeit 1 und Arbeitslosenquote Anteil der Langzeitarbeitslosen

1 Personen, die länger als z w ö l f Monate arbeitslos sind; j e w e i l s im September. Quelle: Horst Siebert, Geht den Deutschen die Arbeit aus?, München 1994, S. 2 0

Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in internationaler Perspektive Während sich in den fünfziger und sechziger Jahren die Gesamtzahl der Arbeitslosen in den Ländern der OECD auf weniger als zehn Millionen belief, hat sich die Zahl von 1972 bis 1982 verdreifacht. In dem folgenden, lang anhaltenden Wirtschaftsaufschwung bis 1990 sank die Zahl der Arbeitslosen nur auf 25 Millionen. Seitdem ist sie wieder stark gestiegen. Abb. 2.3: Arbeitslosigkeit im OECD-Raum (1950-1995)

Jahr

Quelle:

O E C D , Beschäftigungsstudie, Paris 1994, S. 9

397

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

In den USA waren die Arbeitslosenquoten in den fünfziger und sechziger Jahren relativ hoch. Sie sind dort seit 1970 nur mäßig gestiegen. Im Gegensatz dazu waren die Arbeitslosenquoten in den fünfziger und sechziger Jahren in den Ländern der EU niedrig, sind aber seit 1970 steil gestiegen. Die von der OECD ermittelte standardisierte Arbeitslosenquote lag für die EU 1993 bei 10,6 Prozent. In den EFTA-Ländern war dagegen bis 1990 die Arbeitslosigkeit niedrig. Seitdem ist sie allerdings auch in diesen Ländern stark gestiegen, wie die folgende Tabelle zeigt: Tabelle 4: Standardisierte Arbeitslosenquoten für die Länder der OECD 1960-68

1969-73

1974-79

1980-85

1986-90

1991

1992

1993

1994

EU Belgien Dänemark Frankreich Deutschland (West) Irland Italien Niederlande Spanien Großbritannien Ozeanien Australien Neuseeland Nordamerika Kanada V e r e i n i g t e Staaten Japan EFTA Finnland Norwegen Schweden

Quelle:

9.5 8,6 9,8 5,9 16.2 7,7 8.8 18,7 8.8

7,2 10,7 9,4 4,2 14,7 9.9 7.0 16,0 8.8

7.7

8,6

9,7

10,4 4,6 15.5 10,5 5.6 18,1 10,1

11,6 6,1 15,6 10,2 6,2 22,4 10,4

12,3 6,9 14,3

5,1

11,3 9,3 8,3 6,0 12.6 6,4 10,1 16,6 10,5

5,0 0,8

7.6 3,9

7.2 5,6

9.5 10,3

10,7 10,2

10,8 9,4

9,7

5,6 4,9 1,2

7,2 6,7 1,9

9,9 8,0 2,4

8.3 5,8 2.5

10,3 6,6 2.1

11.3 7,3 2.2

11,2 6,7 2,5

10,3 6,0 2,9

2,3 1.7 1,8

4,4 1.8 1.5

5.1 2.6 2,4

4,3 3.5 1.7

7.5 5.5 3.3

13,0 5.9 5.8

17.7 6.0 9.5

18.2 5.4 9,8

2,3 2,0 1,7 0,7 5.0 3.8 1.2 2.4 2,6

2.4 1.4 2,6 0,8 5.6 4,2 2.0 2,7 3.4

2,2 0.2

2,0 0.3

4.7 4,7 1,4 1,8 2,0 1.3

6,3 5,5 4,5 3.2 7.6 4,6 5.1 5,3

11,1 7.2 23,8 9.5

8.1

O E C D , Main Economic Indicators, Januar 1992; O E C D , Wirtschaftsausblick Nr. 57, Juni 1995, S. A 2 2

Die Dauer der Arbeitslosigkeit Langzeitarbeitslosigkeit ist in der EU, wo 1992 mehr als 40 Prozent der Arbeitslosen ein Jahr oder länger arbeitslos waren, viel ausgeprägter als in den USA (11,2 Prozent), Japan (15,4 Prozent) oder in der EFTA (13,1 Prozent). Während die Zugänge in die Arbeitslosigkeit in der EU relativ niedrig sind, haben die Arbeitslosen in den Ländern der EU größere Schwierigkeiten, wieder einen Arbeitsplatz zu finden. Abbildung 2.4 zeigt, daß in der EU der Anteil der Langzeitarbeitslosen schon 1979 hoch war. In der Rezession stieg der Anteil stark an und sank auch im Aufschwung bis 1989 kaum. Im Gegensatz dazu stieg in Nordamerika der Anteil der Langzeitarbeitslosen, der 1979 schon niedrig war, in der Rezession nur mäßig und sank im Aufschwung stark, so daß 1989 fast das Niveau von 1979 wieder erreicht wurde.

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

398

Abb. 2.4: Gesamtarbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit 60 87 85

ju^au

0

^

EFTA

0

2

4

89

79

^^ 81

6

Nordamerika 8

10

12

Arbeitslosenquote Quelle:

OECD, Beschäftigungsstudie, Paris 1994, S. 12

Die Entwicklung der Beschäftigung Auch bei der Beschäftigungsentwicklung ergeben sich im internationalen Vergleich deutliche Unterschiede, vor allem zwischen der EU einerseits und den USA und Japan andererseits. Während im Zeitraum von 1960 bis 1992 die Zahl der Erwerbstätigen in der EU nur mäßig zunahm (Bundesrepublik 10,6, Frankreich 13,3 Prozent), stieg sie in den USA um 79 Prozent und in Japan um 45 Prozent. Während in der EU der Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung abnahm, ist er in den USA und Japan gestiegen.

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

399

Abb. 2.5: Beschäftigungswachstum in verschiedenen Regionen des OECD-Raums 1960-1995 (Index 1960 = 100)

Quelle:

O E C D , B e s c h ä f t i g u n g s s t u d i e , Paris 1994, S. 17

Nicht nur durch die Höhe der Wachstumsraten der Erwerbstätigen, sondern auch durch die Struktur des Wachstums unterscheiden sich EU und EFTA von den USA und Japan. Während in den USA und Japan neue Arbeitsplätze zum größten Teil im privaten Sektor geschaffen wurden, entfielen in der EU und der EFTA rund zwei Drittel der zehn Millionen Arbeitsplätze, die seit Anfang der siebziger Jahre entstanden sind, auf den öffentlichen Sektor. 3.

Arten der Arbeitslosigkeit

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Arbeitslosigkeit zu klassifizieren. Man unterscheidet traditionell zwischen friktioneller Arbeitslosigkeit, saisonaler Arbeitslosigkeit, struktureller Arbeitslosigkeit und konjunktureller Arbeitslosigkeit. Friktionsarbeitslosigkeit Friktionsarbeitslosigkeit, die auch Sucharbeitslosigkeit genannt wird, tritt auf, weil eine gewisse Zeit vergeht, bis Arbeitnehmer, die entlassen worden sind, die selbst gekündigt haben oder die neu in den Arbeitsmarkt eintreten, einen Arbeitsplatz gefunden haben. Die Nachfrage nach produzierten Gütern und Dienstleistungen ändert sich und verursacht Schwankungen der Nachfrage nach Arbeitsleistungen. Ein Teil der Unternehmen schrumpft, einige müssen ihre Produktion einstellen, andere expandieren. Beschäftigte, die arbeitslos werden, müssen einen ihren Qualifikationen und Neigungen entsprechenden Arbeitsplatz finden. Friktionsarbeitslosigkeit entsteht, weil Zeit vergeht, bis die Suche nach einem Arbeitsplatz erfolgreich abgeschlossen ist.

400

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

Wenn alle Arbeitnehmer und alle Arbeitsplätze gleich wären, würde ein Arbeitsplatzwechsel keine Sucharbeitslosigkeit verursachen. Doch die Arbeitnehmer unterscheiden sich in Bezug auf ihre Tätigkeiten, Kenntnisse und Neigungen, und die Arbeitsplätze, die angeboten werden, verlangen unterschiedliche Qualifikationen der Arbeitnehmer. Da der Arbeitsmarkt nicht transparent ist und Informationen über die Arbeitsplätze und die Qualifikationen der Arbeitnehmer unvollkommen sind, muß Zeit aufgewendet werden, um die geeignete Position zu finden. Die dadurch entstandene Sucharbeitslosigkeit ist kurzfristig. Durch verbesserte Information und effizientere Arbeitsvermittlung kann die Dauer der Friktionsarbeitslosigkeit verkürzt werden. Jener Teil der Sucharbeitslosigkeit, der sich auch bei effizienter Vermittlung ergibt, stellt unvermeidliche Arbeitslosigkeit dar. Da die Arbeitsplatzsuche dazu beiträgt, daß die richtigen Leute an der richtigen Stelle beschäftigt werden, hilft sie, die Arbeitsproduktivität in der Volkswirtschaft zu erhöhen. Die mit der Suche unvermeidlich verbundene Arbeitslosigkeit ist volkswirtschaftlich erwünscht. Saisonale Arbeitslosigkeit Saisonale Arbeitslosigkeit entsteht, weil Arbeitsnachfrage oder Arbeitsangebot saisonal schwanken. In manchen Branchen wie der Landwirtschaft, dem Tourismusgewerbe oder der Bauwirtschaft unterliegt die Produktion und somit auch die Arbeitsnachfrage saisonalen Schwankungen. Beim Arbeitsangebot entstehen saisonale Schwankungen, weil Schüler zu bestimmten Terminen die Schule verlassen und weil Kündigungen oft zum Quartalsende erfolgen. Saisonale Arbeitslosigkeit ist im wesentlichen unvermeidlich und stellt im allgemeinen kein gravierendes volkswirtschaftliches Problem dar. Strukturelle Arbeitslosigkeit Strukturelle Arbeitslosigkeit tritt auf, weil sich in einer dynamischen Wirtschaft die Struktur der Arbeitskräftenachfrage und des Arbeitskräfteangebots ändern. Es entstehen Diskrepanzen zwischen der sektoralen, beruflichen und regionalen Struktur der Arbeitskräftenachfrage und des Angebots. Wie bei der Friktionsarbeitslosigkeit vergeht Zeit, bis es zu einer Anpassung des Arbeitsangebots an die Arbeitsnachfrage kommt. Strukturelle Arbeitslosigkeit ist jedoch deshalb ein fundamentales Problem, weil sich die angebotenen Arbeitsplätze hinsichtlich der Wirtschaftszweige, der gewünschten Qualifikation der Arbeitnehmer oder hinsichtlich der geographischen Lage von den Arbeitsplätzen unterscheiden, die die Arbeitslosen suchen. Solche Merkmalsdiskrepanzen zwischen Arbeitsnachfrage und Arbeitsangebot können Ergebnis eines sektoralen Strukturwandels sein. In einer dynamischen Volkswirtschaft steigt die Arbeitsproduktivität infolge technischen Fortschritts und zunehmender Kapitalintensität der Produktion. Die Zahl der Arbeitskräfte, die man braucht, um eine gegebene Menge an Gütern herzustellen, sinkt. Die einzelnen Branchen unterscheiden sich durch die Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität und das Maß, in dem die Güternachfrage und die Produktion wachsen. Wenn überdurchschnittlich hohe Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität mit nur durchschnittlich oder gar unterdurchschnittlich steigender Produktion zusammentreffen, sinkt die Nachfrage nach Arbeitskräften. Die Arbeitnehmer, die in der Branche, in der sie tätig waren, keinen Arbeitsplatz mehr finden, müssen einen Arbeitsplatz in einem anderen Wirtschaftszweig suchen.

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

401

Der Wandel der sektoralen Produktionsstruktur und der technische Fortschritt sind häufig mit einer Veränderung der berufsspezifischen und der regionalen Arbeitskräftenachfrage verbunden. Die von den Unternehmen gewünschten Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitnehmer und die regionale Wirtschaftsstruktur ändern sich. In einigen Regionen gehen Arbeitsplätze verloren, in anderen entstehen neue Arbeitsplätze. Arbeitnehmern, die sich nicht an die sich wandelnde Struktur der Arbeitskräftenachfrage anpassen können, droht Arbeitslosigkeit. Die Bundesrepublik ist ein Land, das eng in den Welthandel eingebunden ist. Die sektorale Wirtschaftsstruktur wandelt sich unter dem Wettbewerbsdruck aus dem Ausland. Die komparativen Kostenvorteile, die die Außenhandelsstruktur bestimmen, ändern sich. Infolge der Verbreitung technischen Wissens können weniger entwickelte Länder ihre komparativen Vorteile in der Produktion arbeitsintensiver Güter besser nutzen. Exportmärkte müssen aufgegeben werden, und inländische Branchen, in denen arbeitsintensive Güter hergestellt werden, geraten unter Anpassungsdruck. Anpassung des Arbeitsangebots an die sich so ändernde Struktur der Arbeitskräftenachfrage wird erforderlich. Eine spezielle Form der strukturellen Arbeitslosigkeit kann sich ergeben, wenn Arbeitsleistungen komplementär sind. Wenn zum Beispiel Facharbeiter und ungelernte Arbeiter benötigt werden, kann Facharbeitermangel zu Arbeitslosigkeit der ungelernten Arbeiter führen. Auch Veränderungen des Arbeitskräfteangebots können zu struktureller Arbeitslosigkeit führen. Merkmalsdiskrepanzen (mismatch) zwischen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage können sich ergeben, wenn infolge der Abkopplung des Bildungssystems vom Beschäftigungssystem die Ausbildung sich nicht an der Struktur der Arbeitsnachfrage orientiert. Strukturelle Veränderungen des Arbeitskräfteangebots können auch als Folge steigender Erwerbsquoten der Frauen entstehen. Ob und in welchem Maße strukturelle Arbeitslosigkeit als Folge von Änderungen in der Struktur der Arbeitsnachfrage und des Arbeitsangebots auftritt, hängt entscheidend von sektoraler, beruflicher und regionaler Mobilität und von der Flexibilität der Löhne und der Lohnstruktur ab. Konjunkturelle Arbeitslosigkeit Konjunkturelle Schwankungen sind Schwankungen im Auslastungsgrad des Produktionspotentials. Konjunkturelle Arbeitslosigkeit tritt in Rezessionen auf, wie sie die Bundesrepublik in den Jahren 1966/67, 1974/75, 1981/82 und 1992/93 erlebte. Sie wird durch einen temporären Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage verursacht und entsteht, wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage kleiner als das Produktionspotential ist. Die Ansicht, daß Massenarbeitslosigkeit durch einen Mangel an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage verursacht sein kann, wurde erst als Ergebnis der Arbeiten von Keynes von den meisten Ökonomen akzeptiert. Die konjunkturelle Arbeitslosigkeit wird deshalb auch keynesianische Arbeitslosigkeit genannt. Die Analyse der konjunkturellen Arbeitslosigkeit ist Kernstück der traditionellen makroökonomischen Theorie, die Gegenstand der folgenden Kapitel ist.

402

4.

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

Ursachen nichtkonjunktureller Arbeitslosigkeit

Die Preise für die Leistungen des Faktors Arbeit bilden sich auf dem Arbeitsmarkt. Der Arbeitsmarkt ist ein Markt, der sich von anderen Märkten, auf denen sich zum Beispiel die Preise für Fisch, Pampelmusen oder Staubsauger bilden, in wichtigen Punkten unterscheidet. Durch den Lohn wird über das Arbeitseinkommen der Haushalte entschieden, das für die meisten Haushalte die wichtigste Einkommensquelle ist. Vorstellungen von Fairness und einer gerechten Einkommensverteilung sind eng mit dem Lohnbildungsprozeß verbunden. Soziale Normen beeinflussen das Verhalten der Anbieter und Nachfrager von Arbeitsleistungen. Höhere Löhne können Arbeitnehmer zu besonderen Leistungen motivieren. Die Lohnhöhe kann durch die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften beeinflußt werden. Aber auch wenn der Arbeitsmarkt wichtige Besonderheiten aufweist, ist er doch ein Markt. Sind die Reallöhne höher als die Gleichgewichtslöhne, kommt es wie auf anderen Märkten zu einem Angebotsüberschuß. Es entsteht Arbeitslosigkeit. Die Arbeitsnachfrage ist eine Funktion des Reallohns. Die Nachfrage nach Arbeitsleistungen ist um so geringer, je höher der Reallohn ist. Die OECD hat ermittelt, daß langfristig die Preiselastizität der Nachfrage nach Arbeit (bei konstantem Output) in der Bundesrepublik, ebenso wie in den USA, Frankreich, Großbritannien, Australien und Finnland gleich eins ist1. Die Nachfrage nach Arbeit steigt also langfristig um ein Prozent, wenn die realen Lohnkosten um ein Prozent sinken. Die einzelnen Länder unterscheiden sich allerdings beträchtlich hinsichtlich der Geschwindigkeit, in der die Arbeitsnachfrage auf Veränderungen der realen Lohnkosten reagiert. Während sich in den USA und in Kanada die Hälfte der Anpassung in einem Jahr vollzieht, sind es in der Bundesrepublik und in Frankreich zwei Jahre. In anderen Ländern dauert die Anpassung noch länger 2 . Wegen der inversen Beziehung zwischen Arbeitsnachfrage und Reallöhnen ist es nicht verwunderlich, daß sich die schon geschilderte unterschiedliche Entwicklung der Beschäftigung in den USA einerseits und den Ländern der EU andererseits in einer inversen ebenso stark divergierenden Entwicklung der Reallöhne widerspiegelt, wie Abbildung 2.6 zeigt.

1

Für Japan, Schweden, Italien und Kanada wurden niedrigere Werte ermittelt. Vergleiche OECD, The OECD Jobs Study, Teil II, The Adjustment Potential of the Labour Market, Paris 1994, S. 2.

2

The OECD Jobs Study, Teil II, a.a.O., S. 2.

403

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

Abb. 2.6 Beschäftigung und Reallöhne Index 1970= 100 Vereinigte Staaten

E u r o p ä i s c h e Union

Beschäftigung

Reallöhne

Beschäftigung

Quelle:

O E C D , T h e O E C D Jobs Study, Teil I, Labour Market Trends and Underlying Forces of Change, Paris 1994, S. 64

Lohnstarrheit als Ursache der Arbeitslosigkeit Im neoklassischen Wettbewerbsmodell bildet sich auf dem Arbeitsmarkt ein Reallohn, bei dem die Menge an Arbeitsleistungen, die nachgefragt wird, gleich der Menge ist, die angeboten wird. Der Markt wird bei dem sich bildenden Gleichgewichtspreis geräumt.

In Abbildung 2.7 bildet sich im Gleichgewicht der Reallohn (w/P) 0 , bei dem Vollbeschäftigung herrscht. Bei dem Reallohn (w/P), ist das Arbeitsangebot größer als die Arbeitsnachfrage. Nicht alle, die bei diesem Reallohn arbeiten wollen, finden einen Arbeitsplatz. Arbeitslosigkeit entsteht also, wenn der Reallohn höher ist als der markträumende Gleichgewichtslohn. Das ist auch nicht deshalb anders, weil der Arbeitsmarkt in viele Teilmärkte nach Berufen, Qualifikationen und Regionen gespalten ist. Denn für alle Teilmärkte gelten die gleichen Zusammenhänge. Die Beschäftigung hängt allerdings nicht nur von der durchschnittlichen Höhe des Reallohns in der Volkswirtschaft ab, sondern auch von der Lohnstruktur. Arbeitslosigkeit entsteht, wenn die Lohnstruktur nicht hinreichend flexibel ist, und die Löhne auf den Teilmärkten sich an Nachfrage- und Angebotsänderungen nicht anpassen.

404

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

Wenn Arbeitslosigkeit deshalb entsteht, weil das Reallohnniveau in der Volkswirtschaft zu hoch ist, oder die Reallöhne auf einzelnen Teilmärkten zu hoch sind, stellt sich die Frage, warum die Löhne nicht sinken. Warum senken die Unternehmen bei Arbeitslosigkeit die Löhne nicht? Warum bieten die Arbeitslosen ihre Arbeitsleistungen nicht zu einem Lohn an, der unter dem Lohn ist, bei dem Arbeitslosigkeit entsteht? Warum sind die Löhne starr? Die wichtigsten Versuche, die Lohnstarrheit zu erklären, werden im folgenden kurz dargestellt. Marktmacht der Gewerkschaften In der Realität bilden sich die Löhne nicht auf einem Wettbewerbsmarkt durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. In der Bundesrepublik werden die Löhne nach Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften durch einen Tarifvertrag festgesetzt. Der Tarifvertrag gilt zunächst nur für die Arbeitgeber, die Mitglieder des Arbeitgeberverbandes sind, und für die Arbeitnehmer, die Mitglieder der beteiligten Gewerkschaft sind. In der Praxis erhalten jedoch auch Arbeitnehmer, die nicht Mitglieder der Gewerkschaft sind, den vereinbarten Tariflohn. Der Bundesminister für Arbeit kann Tarifvereinbarungen für "allgemeinverbindlich" erklären. Dadurch werden die Regelungen des Tarifvertrags auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber verbindlich. Die vereinbarten Löhne haben den Charakter von Mindestlöhnen und dürfen nicht unterschritten werden. Sie sind für die Dauer des Tarifvertrages nach unten starr. Wenn die Löhne allgemein, oder die Löhne für bestimmte Branchen oder Lohngruppen, über dem Gleichgewichtslohn festgesetzt werden, entsteht MindestlohnarbeitsIosigkeit. Im Monopol-Modell gewerkschaftlichen Handelns setzen die Gewerkschaften Löhne durch, die höher sind als die Löhne, die sich auf dem Wettbewerbsmärkten gebildet hätten. Die Gewerkschaften vertreten vorrangig die Interessen der beschäftigten Arbeitnehmer (der Insider) und nicht die Interessen der Arbeitslosen. Arbeitslosigkeit entsteht, weil die Arbeitgeber bei einem über den Wettbewerbslohn festgesetzten Tariflohn weniger Arbeitnehmer beschäftigen. Es gibt Indizien dafür, daß die Arbeitslosigkeit mit wachsender Macht und Aggressivität der Gewerkschaften zunimmt. Ausgehend von den Daten für das Jahr 1985 hat Summers gezeigt, daß in den USA die Arbeitslosigkeit steigt, wenn der Einfluß der Gewerkschaften zunimmt. Steigt der Organisationsgrad - gemessen durch den Anteil der Gewerkschaftsmitglieder an der Gesamtzahl der Beschäftigten - um zehn Prozentpunkte, erhöht sich die Arbeitslosenquote um 1,2 Prozentpunkte. 1 Auch die unterschiedliche Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den USA und Kanada ist darauf zurückgeführt worden, daß die Gewerkschaften in den USA an Macht verloren, in Kanada hingegen an Macht gewonnen haben. Während nämlich in den sechziger Jahren in beiden Ländern der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder etwa 30 Prozent betrug, stieg er in Kanada bis 1985 auf 40 Prozent, in den USA sank der Anteil dagegen auf 20 Prozent. Die Arbeitslosenquote, die in den sechziger Jahren in beiden Ländern gleich war, stieg in

1

Lawrence H. Summers, Why is the Unemployment Rate so Very High Near Full Employment?, Brookings Papers on Economic Activity (1986), S. 383-393.

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

405

Kanada bis 1985 auf 10,5 Prozent, in den USA nur auf 7,2 Prozent. Im Jahr 1994 beliefen sich die Arbeitslosenquoten in Kanada auf 10,3 und in den USA auf 6,0 Prozent. 1 Auch der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Europa in den siebziger Jahren ist unter anderem mit der wachsenden Macht und Streikbereitschaft der Gewerkschaften erklärt worden. Effizienzlöhne Der Grundgedanke der verschiedenen effizienzlohntheoretischen Ansätze besteht darin, daß die Produktivität der Beschäftigten von der Höhe der Löhne abhängt. Trotz Arbeitslosigkeit kann es für die Unternehmen vorteilhaft sein, die Löhne nicht auf ein markträumendes Niveau zu senken, weil eine Lohnsenkung zu verminderter Produktivität der Beschäftigten führt. Die Stückkosten sinken bei einer Lohnsenkung nicht, sondern steigen. Der Lohn ist aus der Sicht der Unternehmer nicht nur ein Kostenfaktor, sondern auch ein Produktionsfaktor. Deshalb kann er nicht auf die gewöhnliche Art Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht bringen. Der Arbeitsmarkt unterscheidet sich vom Markt, auf dem Kohlrabi oder Fisch gehandelt werden, weil die Leistungen der Arbeitnehmer vom Preis abhängen, der dafür gezahlt wird. Es gibt verschiedene effizienzlohntheoretische Ansätze, mit denen begründet wird, daß Lohnsenkungen auch bei Arbeitslosigkeit für die Unternehmen nicht lohnend zu sein brauchen. In einem ersten Ansatz wird angenommen, daß hohe Löhne die Arbeitsintensität erhöhen. Die Unternehmen können die Qualität und Intensität der Arbeit der Beschäftigten nur unvollkommen kontrollieren. Die Arbeitnehmer können die Arbeitsintensität innerhalb bestimmter Grenzen selbst bestimmen. Die Beschäftigten können sich entscheiden, hart zu arbeiten oder sich vor der Arbeit zu drücken. Die Möglichkeit, sich so zu verhalten, bezeichnet man als "moralisches Wagnis" (moral hazard). Die Arbeitnehmer, die sich vor der Arbeit drücken, müssen damit rechnen, erwischt und entlassen zu werden. Die Unternehmen können Drückebergerei reduzieren, indem sie höhere Löhne zahlen. Dadurch steigen für die Arbeitnehmer die mit einer Entlassung verbundenen Kosten. Den Beschäftigten wird ein Anreiz gegeben, intensiver zu arbeiten. Die Arbeitsproduktivität steigt. In einem zweiten Ansatz wird betont, daß höhere Löhne zu einer Verminderung der Fluktuation führen. Je höher der Lohn ist, den ein Unternehmen zahlt, um so größer ist für die Beschäftigten der Anreiz, das Unternehmen nicht zu verlassen. Die durchschnittliche Verweildauer steigt. Für die Unternehmen sinken die Kosten, die mit der Einstellung und Einarbeitung neuer Mitarbeiter verbunden sind.

1

Herbert G. Grubel, Drifting Apart: Canadian and U . S . Labor Markets, Contemporary Policy Issues, Band 6 ( 1 9 8 8 ) , S. 39-55. Eine alternative Erklärung stellt darauf ab, daß sich in dem betrachteten Zeitraum die soziale Absicherung der Arbeitslosen in Kanada relativ zu den Arbeitslosen der U S A verbessert hat.

406

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

In einem dritten Ansatz wird angenommen, daß die durchschnittliche Qualität der Beschäftigten von der Höhe der Löhne abhängt. Wenn ein Unternehmen die Löhne senkt, läuft es Gefahr, daß die tüchtigsten Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Die geringer qualifizierten Arbeitnehmer, die weniger alternative Beschäftigungsmöglichkeiten haben, bleiben dem Unternehmen erhalten. Man nennt einen solchen Prozeß "negative Auslese" (adverse selection). Durch höhere Löhne soll dieser Prozeß der negativen Auslese verhindert werden. Alle Effizienzlohntheorien versuchen zu begründen, daß es für ein Unternehmen vorteilhafter ist, den Arbeitnehmern einen hohen Lohn zu zahlen und ihn auch dann nicht zu senken, wenn der Lohn höher ist als der Gleichgewichtslohn. Sie sind ein Beitrag zur Erklärung der Reallohnstarrheit. Gegen die Erklärung der Arbeitslosigkeit durch die Effizienzlohntheorie wird erstens eingewandt, daß mit Hilfe dieser Theorie nicht erklärt werden könne, warum Effizienzlöhne erst seit Beginn der siebziger Jahre und nicht schon früher bei uns und in den anderen europäischen Ländern Arbeitslosigkeit verursacht haben. Man hat zweitens darauf hingewiesen, daß die Probleme der Drückebergerei und der hohen Fluktuationskosten auch durch alternative Maßnahmen, wie zum Beispiel eine Entlohnung nach der Betriebszugehörigkeit, gelöst werden können. Man hat drittens kritisch angemerkt, daß sich die Arbeitnehmer nach der Effizienzlohntheorie im Gegensatz zur Realität bei dem Prozeß der Lohnbildung passiv verhalten. Die Existenz von Gewerkschaften könne gar nicht erklärt werden, wenn die Lohnbildung sich so vollzöge, wie das von der Effizienzlohntheorie beschrieben werde. Insider-Outsider-Modelle Während die Effizienzlohntheorien erklären, warum es nicht im Interesse der Unternehmen zu sein braucht, die Löhne zu senken, wird in den sogenannten InsiderOutsider-Modellen dargelegt, daß die beschäftigten Arbeitnehmer in der Lage sind, Lohnsenkungen zu verhindern und Löhne durchzusetzen, die über den markträumenden Löhnen liegen. Die Macht der Insider beruht darauf, daß einem Unternehmen bei Entlassung und Neueinstellung Kosten entstehen. Je höher diese Kosten sind, um so größer ist der Verhandlungsspielraum der Insider. Die Macht der Insider wird erhöht, wenn durch Kündigungsschutzbestimmungen die Entlassung erschwert wird oder wenn Unternehmen bei Entlassungen Abfindungen zahlen müssen. Insider haben auch deshalb eine Machtstellung, weil sie im Fall von Neueinstellungen die Kooperation verweigern können. Arbeitslosigkeit wird nach der Insider-Outsider-Theorie durch einen Interessenkonflikt zwischen den beschäftigten Arbeitnehmern (den Insidern) und den Arbeitslosen (den Outsidern) verursacht. Die Insider verteidigen ihre Einkommensposition und verhindern, daß der Reallohn, bei dem Arbeitslosigkeit herrscht, sinkt. Gewerkschaften erhöhen die Marktmacht der Insider, weil sie auch im Fall von Arbeitslosigkeit in Tarifverhandlungen durch Streikdrohungen reale Lohnsenkungen verhindern können. Im beginnenden Aufschwung setzen sie Lohnerhöhungen durch, die zwar die Arbeitsplätze der Beschäftigten nicht gefährden, den Eintritt der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt jedoch vereiteln. Sie können die Macht der Insider auch

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

407

stärken, indem sie im Rahmen von Tarifverträgen oder durch Druck auf den Gesetzgeber verstärkt Kündigungsschutzbestimmungen und Sozialpläne durchsetzen. Die Lasten tragen die Outsider, denen eine Beschäftigungsaufnahme verwehrt wird.

Soziale Normen Lohnstarrheit wird auch durch den Hinweis auf soziale Normen erklärt, die es den Arbeitslosen verbieten, die herrschenden Lohnsätze zu unterbieten und beschäftigte Arbeitnehmer, die nicht gewillt sind, Lohnsenkungen zu akzeptieren, von ihren Arbeitsplätzen zu verdrängen. Die Arbeitslosen mögen aus Furcht vor informellen Sanktionen auf Lohnunterbietungen verzichten. Die gleichen sozialen Normen mögen es auch Unternehmen verbieten, die bisher Arbeitslosen zu einem niedrigeren Lohn einzustellen.

Die Theorie impliziter Kontrakte Man spricht von impliziten Kontrakten, wenn bestimmte Vereinbarungen auf der Basis gegenseitigen Vertrauens geschlossen werden. Der Arbeitsvertrag enthält nach der Theorie der impliziten Kontrakte außer den explizit vereinbarten Bestimmungen implizit eine Versicherungskomponente, die sich auf die Absicherung des Arbeitseinkommens der Beschäftigten bezieht. Man nimmt an, daß die Arbeitnehmer an einem möglichst stetigen Einkommensfluß interessiert sind. S i e ziehen ein stetiges Einkommen einem im Konjunkturverlauf schwankenden Einkommen mit gleichem Erwartungswert vor. Die Unternehmer können diesem Wunsch entsprechen, indem sie darauf verzichten, den Lohnsatz den wechselnden Marktbedingungen anzupassen. Sie verzichten darauf, in der Rezession den Lohn zu senken. Ein solcher impliziter Kontrakt ist für beide Seiten vorteilhaft, weil die Unternehmer, die größere Möglichkeiten haben, ihr Risiko zu streuen, weniger risikoscheu sind als die Arbeitnehmer, deren Humankapital schlechter diversifizierbar ist als das Realkapital der Unternehmer. Die Unternehmer sind deshalb bereit, den Arbeitnehmern das Einkommensrisiko abzunehmen, wenn diese eine Risikoprämie entrichten. Die Arbeitnehmer schätzen das sichere Einkommen höher ein als das unsichere Einkommen, dessen Erwartungswert um die Risikoprämie höher ist, während es die weniger risikoscheuen Unternehmer vorziehen, das Einkommensrisiko zu tragen, sofern sie durch eine Risikoprämie entschädigt werden. Die Theorie impliziter Kontrakte kann Starrheit der Löhne erklären. Die Löhne könnten aber grundsätzlich so festgesetzt werden, daß sie mit Vollbeschäftigung über den Konjunkturzyklus vereinbar sind. Insofern erklärt die Lohnstarrheit noch nicht die Arbeitslosigkeit. Die Theorie der impliziten Kontrakte kann aber vor allem die hohe nichtkonjunkturelle Arbeitslosigkeit nicht erklären, die unser eigentliches Problem ist.

Soziale Absicherung als Ursache der Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die arbeitslos werden, sind heute in allen Industrieländern mehr oder weniger gut abgesichert.

408

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

In der Bundesrepublik werden im Fall der Arbeitslosigkeit Lohnersatzleistungen in Form von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gezahlt. Das Arbeitslosengeld für Leistungsempfänger mit mindestens einem Kind beträgt zur Zeit 67 Prozent, für alle anderen 60 Prozent des in den letzten sechs Monaten vor der Arbeitslosigkeit erzielten Nettolohnes. Wenn kein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht oder der Anspruch erloschen ist, wird bei Bedürftigkeit Arbeitslosenhilfe gezahlt, die sich bei Empfängern mit mindestens einem Kind auf 57 Prozent, sonst auf 53 Prozent des letzten Nettolohnes beläuft. Die maximale Bezugsdauer für den Bezug von Arbeitslosengeld beträgt für Arbeitnehmer unter 42 Jahren 52 Wochen. Für ältere Arbeitnehmer schwankt die maximale Bezugsdauer in Abhängigkeit vom Alter zwischen 18 und 32 Monaten. Arbeitslosenhilfe wurde bisher unbefristet gewährt. Bei geringem Einkommen wird das Arbeitslosengeld durch Sozialhilfe aufgestockt. Sozialhilfe wird nur bei Bedürftigkeit gewährt. Sie besteht aus einem Regelsatz für die Hilfe zum Lebensunterhalt, Miet- und Heizkostenerstattung bis zu einer Obergrenze, Zahlungen für die Beschaffung von Hausrat und Weihnachtsbeihilfen. Drückt man die Leistungen aus der Sozialhilfe als Prozentsatz des Nettoarbeitsentgelts eines Industriearbeiters der Leistungsgruppe 3 (Hilfsarbeiter) bzw. eines Facharbeiters aus, so ist dieser Prozentsatz bei einem verheirateten Hilfsarbeiter mit Kind von 65,7 Prozent 1970 auf 84,9 Prozent 1993 und bei einem Facharbeiter mit einem Kind von 54,3 Prozent 1970 auf 71 Prozent 1993 gestiegen. Für Alleinstehende ist der Abstand zwischen Sozialhilfe und Nettoarbeitsentgelt wesentlich größer. 1 Als Prozentsatz des durchschnittlichen Lohneinkommens sind die Lohnersatzleistungen, die im Fall der Arbeitslosigkeit gewährt werden, in Europa höher als in den anderen Ländern der OECD. 2 In den meisten Ländern ist dieser Prozentsatz in den siebziger und achtziger Jahren gestiegen. Besonders groß war die Steigerung in einigen kleineren europäischen Ländern. 3 Durch die soziale Absicherung im Fall von Arbeitslosigkeit vermindert sich für die Arbeitslosen der Druck, möglichst schnell eine neue Stelle zu finden. Die Arbeitslosen sind nicht gezwungen, die erstbeste Stelle anzunehmen. Die Kosten der Suchzeit werden durch Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gesenkt. Die aus der Sicht des einzelnen optimale Suchzeit nimmt zu. Die Friktionsarbeitslosigkeit erhöht sich. Auch die Bereitschaft, schlecht bezahlte Beschäftigungen anzunehmen, hängt von der Höhe der Leistungen ab, die im Fall der Arbeitslosigkeit gewährt werden. Es gibt Anzeichen dafür, daß Höhe und Dauer der sozialen Leistungen, die bei Arbeitslosigkeit gewährt werden, die Zahl der Arbeitslosen und die Dauer der Arbeitslosigkeit beeinflussen. In Großbritannien belief sich die Arbeitslosigkeit in der Zeit von 1920 bis 1938 auf durchschnittlich 14 Prozent und sank in keinem Jahr unter 9 Prozent. Die Erhöhungen des Arbeitslosengeldes in diesem Zeitraum waren von steigender Arbeitslosigkeit begleitet. Bei jungen Arbeitnehmern, die keine Arbeitslosenunterstützung erhielten,

1

Zahlen sind entnommen aus Horst Siebert, Geht den Deutschen die Arbeit aus?, München 1994, S. 163.

2

OECD, Beschäftigungsstudie, Paris 1994, S. 24.

3

Das sind Dänemark, Norwegen, Finnland, Portugal, Spanien, Irland, Schweden und die Schweiz.

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

409

war die Arbeitslosigkeit wesentlich geringer. Als 1932 die Leistungen für verheiratete Frauen reduziert wurden, sank die Arbeitslosenquote signifikant relativ zur Arbeitslosenquote für Männer. 1 In den USA hat man festgestellt, daß die Wahrscheinlichkeit, einen Arbeitsplatz zu finden, sich verdoppelt, wenn die Zeit, in der Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, sich dem Ende nähert. 2 In Ländern wie den stungen relativ kurz losigkeit wesentlich oder gar unbegrenzt

USA oder Italien, in denen die Bezugsdauer von Lohnersatzleiund klar begrenzt ist, ist die durchschnittliche Dauer der Arbeitskürzer als in Ländern, in denen solche Leistungen mehrere Jahre gewährt werden.

Während in älteren Untersuchungen, in denen Höhe und Dauer der Lohnersatzleistungen und Arbeitslosenquoten in verschiedenen Ländern verglichen wurden, keine signifikant positive Korrelation ermittelt wurde, konnte in einer gründlichen Studie der OECD gezeigt werden, daß seit Mitte der siebziger Jahre die Arbeitslosigkeit in jenen Ländern besonders stark gestiegen ist, in denen Lohnersatzleistungen im Fall der Arbeitslosigkeit hoch waren und überdies lange gewährt wurden. Die Arbeitslosigkeit stieg allerdings häufig erst mit erheblichen Zeitverzögerungen an3. Durch Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ergibt sich eine Art gesellschaftlich garantiertes Mindesteinkommen, das die Lohnstruktur beeinflußt. Wenn dieses Mindesteinkommen steigt, muß der Lohn für die unteren Lohngruppen angehoben werden, wenn sich der Abstand zum garantierten Mindesteinkommen nicht verkleinern soll. Die so induzierten Lohnerhöhungen können zu Arbeitslosigkeit führen. Im allgemeinen geht von hoher oder wachsender Arbeitslosigkeit ein mäßigender Einfluß auf die gewerkschaftlichen Lohnforderungen aus. Dieser mäßigende Einfluß auf die Tarifabschlüsse ist vermutlich um so geringer, je höher die soziale Absicherung im Falle der Arbeitslosigkeit ist. Hysteresis Mit Hysteresis bezeichnet man in der Physik das Phänomen, daß ein Faktor noch nachwirkt, nachdem er als bestimmende Größe verschwunden ist. Im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit versteht man unter Hysteresis die Erscheinung, daß die Arbeitslosigkeit als Folge vorausgegangener Arbeitslosigkeit besteht, auch wenn die ursprüngliche Ursache - zum Beispiel eine Rezession - das Wirtschaftsgeschehen nicht mehr bestimmt. Die Höhe der Arbeitslosigkeit im Jahr t ist positiv mit der Arbeitslosigkeit im Jahr t-1 korreliert. Man kann die "Persistenz" der Arbeitslosigkeit darauf

1

Daniel Benjamin und Levis Kochin, Searching for an Explanation of Unemployment in Interwar Britain, Journal of Political Economy, Band 87 (1979), S. 441-478.

2

Lawrence F. Katz und Bruce D. Meyer, Unemployment Insurance, Recall Expectations, and Unemployment Outcomes, Quarterly Journal of Economics, Bd. 105 (1950), S. 973-1002.

3

Vergleiche OECD, The OECD Jobs Study, Teil II, The Adjustment Potential of the Labour Market, Paris 1994, S. 171-237.

410

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

zurückführen, daß nur eine allmähliche Anpassung an die veränderte Situation erfolgt. Man kann sie aber auch als endogene Veränderung der normalen nichtkonjunkturellen Arbeitslosenquoten auffassen. Man hat die zu beobachtende Verfestigung der Arbeitslosigkeit mit Kapitalknappheit erklärt. Die geringen Investitionen in der Rezession führen zu einem zu kleinen Kapitalstock, der eine schnelle Rückkehr zur früheren Beschäftigung nicht zuläßt. Die Persistenz wird auch damit erklärt, daß Arbeitnehmer durch längere Arbeitslosigkeit entmutigt werden, so daß sie geringere Anstrengungen auf sich nehmen, einen Arbeitsplatz zu finden. Arbeitnehmer, die längere Zeit arbeitslos waren, verlieren Selbstvertrauen oder entwickeln allmählich größere Präferenzen für Freizeit. Längere Arbeitslosigkeit führt zu einem Verlust an Humankapital. Auch die Unternehmen, die mit einem Qualifikationsverlust als Folge von Arbeitslosigkeit rechnen, mögen bei Besetzung neuer Stellen beschäftigte Arbeitnehmer oder Kurzzeitarbeitslose vorziehen. Kündigungsschutzbestimmungen oder die Notwendigkeit, im Falle einer Entlassung Abfindungen zahlen zu müssen, können Unternehmen veranlassen, im Konjunkturaufschwung auf Neueinstellungen zu verzichten, wenn sie nicht sicher sind, ob der Aufschwung anhält. Neueinstellungen werden auch verhindert, wenn die Insider im Aufschwung Lohnerhöhungen durchsetzen, so daß sich für die Unternehmen eine Ausweitung der Beschäftigung nicht lohnt. B.

Die Inflation und ihre Kosten

1.

Der Begriff der Inflation

Im Jahre 1958 kostete die Frankfurter Allgemeine Zeitung 30 Pfennig (Montag bis Freitag), die Bild-Zeitung 10 Pfennig. Heute (1996) kosten die FAZ 2,00 DM (Montag bis Freitag), die Bild-Zeitung 0,70 DM. 1958 mußte man für ein Kilogramm Mischbrot 0,85 DM, für ein Kilogramm Kabeljau 2,48 DM, für ein Kilogramm Rindfleisch 4,75 DM und für das Briefporto 0,20 DM zahlen. Im Jahre 1993 kosteten das Mischbrot 3,90 DM, der Kabeljau 18,56 DM, das Rindfleisch 11,04 DM und das Briefporto 1 DM.1 Das Preisniveau, gemessen durch einen Preisindex der Lebenshaltung für VierPersonenhaushalte von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen (1970 = 100), stieg von 75,9 im Jahr 1958 auf 234,1 im dritten Quartal 1993.2 Die Preise für die Lebenshaltung haben sich in 35 Jahren verdreifacht. Die Preissteigerungsraten waren bei den einzelnen Gütern und Dienstleistungen unterschiedlich. Einzelne Preise sind auch gesunken. So kostete ein Kilogramm Brathähnchen 1958 6,11 DM und 1993 nur 5,07 DM. Ein Pfund Bohnenkaffee kostete 1958 9,70 DM und 1993 nur 7,52 DM. Auch die Löhne sind in dem betrachteten Zeitraum gestiegen. Der durchschnittliche Bruttostundenlohn von Arbeitern und Arbeiterinnen in der Industrie stieg von 2,32 DM 1958 auf 23,93 DM im Jahre 1993. Die Bruttostundenlöhne haben sich in 35 Jahren verzehnfacht. Die Realeinkommen der Arbeitnehmer sind gestiegen.

1

Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft, Nr. 26, Jahrgang 2 0 v o m 30. Juni 1994, S. 2.

2

Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1993/94, S. 4 0 6 .

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

411

Wenn die Preise auf breiter Front steigen, spricht man von Inflation. Genauer formuliert: Inflation ist eine anhaltende über eine bestimmte Marge hinausgehende Steigerung des Preisniveaus. Inflation liegt nicht vor, wenn einzelne Preise steigen, andere sinken. Änderungen der relativen Preise sind in einer sich wandelnden Wirtschaft notwendig, damit die Preise ihre Informations- und Lenkungsfunktion erfüllen können. Nicht als Inflation gelten auch einmalige Erhöhungen des Preisniveaus, zu denen es etwa als Folge einer Mißernte, aufgrund saisonaler Einflüsse oder wegen der Erhöhung der Mehrwertsteuer kommen kann. Von einer Inflation spricht man meistens auch dann nicht, wenn es sich um relativ geringe Preisniveausteigerungen von einem bis zwei Prozent handelt, da man bei statistisch gemessenen Preisniveausteigerungen, die nicht über diese Marge hinausgehen, nicht sicher sein kann, daß das Preisniveau wirklich gestiegen ist. Die Bundesbank erklärte: "Im allgemeinen wird es noch nicht als Geldwertminderung zu werten sein, wenn der Preisindex für die Lebenshaltung der mittleren Verbrauchergruppe um vielleicht 1 v. H. pro Jahr steigt, und nur mit Einschränkungen kann es als Indiz für Geldwertverschlechterung gelten, wenn der Index sich zwischen 1 und 2 v. H. erhöht." 1 Unsere Defintion der Inflation ist brauchbar, wenn die Preise sich frei bilden. Sie ist fragwürdig, wenn ein Preisanstieg durch einen Preisstopp verhindert wird. In diesem Fall spricht man von zurückgestauter Inflation. Während früher die Preise meist während des Aufschwungs stiegen, hat man in den siebziger Jahren beobachtet, daß es auch während eines konjunkturellen Abschwungs zu einem Anstieg des Preisniveaus kam. Um dieses Phänomen zu charakterisieren, prägte man den Ausdruck Stagflation, ein Begriff, der aus Stagnation und Inflation gebildet wurde. Wenn die Preisniveausteigerung relativ moderat ist, spricht man von schleichender Inflation. Meist meint man damit jährliche Inflationsraten von weniger als fünf Prozent. Als in den siebziger Jahren viele Länder zweistufige Inflationsraten aufwiesen, wurde allerdings der Begriff der schleichenden Inflation häufig weiter gefaßt. Man sprach bei Inflationsraten von bis zu zehn Prozent noch von schleichender Inflation. Wenn die monatliche Preisnivausteigerung 50 Prozent oder mehr beträgt, spricht man von einer Hyperinflation. Das klassische Beispiel für eine Hyperinflation ist die große deutsche Inflation zu Beginn der zwanziger Jahre, die Ende 1922 in eine Hyperinflation überging. Der Preis einer Tageszeitung stieg von 0,30 Mark im Januar 1921 auf eine Mark im Mai 1922 und auf 100 Mark im Februar 1923. Der Preisanstieg beschleunigte sich und im Oktober mußte bereits eine Million Mark für eine Zeitung bezahlt werden! Die Endphase der deutschen Hyperinflation führte zu grotesken Erscheinungen. Anfang Oktober 1923 mußte man für einen Liter Milch 5,4 Millionen Mark bezahlen, Ende November kostete er 360 Millionen Mark. Der Brotpreis stieg in Berlin von 1,5 Millionen Mark im September 1923 auf 201 Millionen Mark im November 1923. Setzt

1

Bundesbank, Monatsbericht, März 1968.

412

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

man den Index der Großhandelspreise für 1913 = 1, so belief er sich im Januar 1922 auf 37, im Januar 1923 auf 2783 und im November 1923 auf 725 Milliarden! 1 Auf dem Höhepunkt der Hyperinflation verdoppelten sich die Preise in weniger als vier Tagen. In der Endphase der Hyperinflation ratterten Tag und Nacht 1783 Notenpressen in 133 Druckereien. Um das Geld zu transportieren, das man brauchte, um die Löhne zu bezahlen, wurden Möbelwagen von Unternehmen gemietet. Die Arbeiter erschienen mit Waschkörben, um den Lohn in Empfang zu nehmen, den sie so schnell wie möglich auszugeben versuchten, bevor das Geld an Wert verlor. Eine Hyperinflation, so meinte Keynes, liege vor, wenn man in der Kneipe zwei Bier auf einmal bestellt, weil das Bier langsamer warm wird als das Geld an Wert verliert. 2.

Die Messung der Inflation

Der Anstieg des Preisniveaus wird statistisch durch Preisindizes gemessen. Von der großen Zahl der Preisindizes werden die Preisindizes der Sozialproduktberechnung, die man auch Preisindizes nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nennt, und die Preisindizes der Lebenshaltung am häufigsten zur Messung der allgemeinen Preisentwicklung benutzt. Während es sich bei den Preisindizes der Sozialproduktberechnung um Preisindizes vom Paasche-Typ handelt, bei dem der jeweils sich von Jahr zu Jahr ändernde Warenkorb des Berichtsjahres für die Gewichtung verwendet wird, sind die Preisindizes der Lebenshaltung Laspeyres-Preisindizes, bei denen der feste Warenkorb eines Basisjahres als Gewicht dient. Wir haben bereits im letzten Kapitel gesehen, daß man den Preisindex des Bruttoinlandsprodukts erhält, indem man das nominale Bruttoinlandsprodukt durch das in Preisen eines Basisjahres bewertete reale Bruttoinlandsprodukt dividiert. Der so gewonnene implizite Preisindex, den man auch BIP-Deflator nennt, gibt die allgemeine Preisentwicklung gegenüber einem Basisjahr an. Geht man von der Verwendungsgleichung Y = Cpr + CSt + Ibr + X - M aus, so läßt sich das reale Bruttoinlandsprodukt durch Deflationierung der Komponenten des Inlandsprodukts ermitteln. Für jede der Komponenten C pr , C St , Ibr, X und M wird ein eigener Preisindex ermittelt. Während sich die Preisentwicklung bei den Importen in der Preisentwicklung der einzelnen Komponenten niederschlägt, wird der Einfluß, der vom Importpreis ausgeht, beim BIP-Deflator wieder eliminiert, da die Importe mit negativem Vorzeichen in der Verwendungsgleichung erscheinen. Wenn also die Importpreise stark steigen, so wird sich dies unter anderem in einem Anstieg des Preisindex für den privaten Verbrauch (Cpr) niederschlagen, während der preissteigernde Effekt, der von den Importpreisen ausgeht, im Preisindex des Bruttoinlandsprodukts nicht enthalten ist. Der BIP-Deflator ist deshalb nur mit Einschränkungen geeignet, die inländische Preisentwicklung widerzuspiegeln.

1

Carl-Ludwig Hollfrerich, D i e deutsche Inflation 1 9 1 4 - 1 9 2 3 , Berlin, N e w York 1980, S. 15.

413

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

Man kann die Schwierigkeiten umgehen, indem man die Preisentwicklung nicht durch den Preisindex des Bruttoinlandsprodukts, sondern durch den Preisindex der letzten Verwendung mißt, der nur die Preisentwicklung der Komponenten C pr + C Sl + I + X (= letzte Verwendung) erfaßt. Da jedoch die Entwicklung der Exportpreise nur das Ausland betrifft und für die Preisentwicklung im Inland ohne Bedeutung ist, ist auch der Preisindex der letzten Verwendung nur bedingt geeignet, die inländische Preisentwicklung zu erfassen. Der Sachverständigenrat hat deshalb vorgeschlagen, den Preisindex der letzten inländischen Verwendung zu benutzen, um die inländische Preisentwicklung zu beschreiben. Beim Preisindex der letzten inländischen Verwendung wird nur die Preisentwicklung bei den inländischen Komponenten Cpr + C s t + I (= letzte inländische Verwendung) berücksichtigt. Wird das Bruttoinlandsprodukt mit dem Preisindex der letzten inländischen Verwendung deflationiert, erhält man eine Größe, die der Sachverständigenrat "Realwert des Inlandsprodukts" nennt. Tabelle 5 zeigt, wie sich die Preisindizes für das Bruttoinlandsprodukt und die Verwendungskomponenten des Bruttoinlandsprodukts seit 1960 entwickelt haben. Tabelle 5: Preisentwicklung nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 1 (1985 = 100) Zeitraum

Bruttoinlandsprodukt

Einfuhr

Letzte Verwendung

Ausfuhr

Letzte inländische V e r w e n d u n g

insgesamt

1960 1970 1980 1988 1989 1990 1991 1992

35,3 51,1 85,2 106,9 109,7 113,5 118,2 123,6

41,8 44,0 80,5 85,7 90,0 89,2 91,1 89,8

36,1 49,8 84,2 102,0 105,0 107,4 111,1 114,5

43,7 51,8 84,3 99,3 102,1 102,5 104,2 105,1

35,0 49,4 84,1 102,8 106,0 109,2 113,8 118,4

Privater Verbrauch

38,6 50,4 82,4 101,5 104,6 107,4 111,5 116,0

Staatsverbrauch

25,4 43,4 86,2 106,0 109,4 113,4 118,9 123,7

Anlageinvestitionenen

33,6 51,5 87,2 104,1 107,0 111,3 116,5 121,1

1 Früheres Bundesgebiet. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1993, S. 6 8 8

Aus Tabelle 5 ersieht man, daß der Preisindex des Bruttoinlandsprodukts seit 1985 stärker gestiegen ist als die Preisindizes der Komponenten des Bruttoinlandsprodukts. Das ist deshalb so, weil die Importpreise seit 1985 gesunken sind und sich der dämpfende Einfluß der Importpreise zwar in den Teilindizes niederschlägt, nicht aber im Index des Bruttoinlandsprodukts. Der Preisindex des Privaten Verbrauchs sollte

414

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

nicht mit den Preisindizes der Lebenshaltung verwechselt werden, bei denen der Berechnung der Preisentwicklung ausgewählte Warenkörbe zugrundegelegt werden, die für bestimmte Haushaltsgruppen typisch sind. Problematisch sind die Preisindizes des Staatsverbrauchs, weil die vom Staat bereitgestellten Güter unentgeltlich abgegeben werden. Bei der Ermittlung des Staatsverbrauchs wird von der Preisentwicklung der Aufwendungen ausgegangen. Es wird eine bestimmte Produktivitätssteigerung (von 0,5 Prozent) unterstellt. In den letzten Jahrzehnten war die Inflationsrate in der Bundesrepublik geringer als in den meisten anderen Ländern. Die Bundesrepublik war bis zur Wiedervereinigung eines der preisstabilsten Länder, wie die folgende Tabelle zeigt, in der die durchschnittliche jährliche Preissteigerung durch den BIP-Deflator gemessen wird. Tabelle 6: Preisdeflator des Bruttoinlandsprodukts in ausgewählten Ländern (jährliche Veränderung in Prozent) Zeitraum 1961-70 1971-80 1981-90

1991

1992

1993

1994

3,9 3,1 7,7 7,0 6,5 2,7 2,7 2,0 3,9

4,4 2,3 4,5 6,5 4,3 2,6 3,4 1,6 2,9

3,2 2,3 4,4 4,6 3,4 1,6 4,4 1,4 2,0

2,4 1,6 3,4 3,5 2,1 1,8 1,8 1,4 2,2

Land Deutschland Frankreich Italien Spanien Großbritannien Niederlande Belgien Japan USA Quelle:

3,8 4,4 4,5 6,4 4,2 5,2 3,4 5,4 3,0

5,2 9,8 14,8 15,2 14,0 7,6 7,1 7,7 7,5

2,8 6,3 10,5 9,4 6,2 2,1 4,4 1,7 4,5

K o m m i s s i o n der Europäischen G e m e i n s c h a f t e n , Europäische Wirtschaft, Jahreswirtschaftsbericht 1995, S. 2 2 8

Preisindizes der Lebenshaltung Die Bürger interessiert, wie sich die Kaufkraft des Geldes verändert, das sie für ihre Lebenshaltung ausgeben. Zu diesem Zweck ermittelt das Statistische Bundesamt verschiedene Preisindizes der Lebenshaltung, von denen der Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte der bekannteste ist. Aufgrund von Verbrauchsstichproben wird ein Warenkorb gebildet, der die Konsumausgaben eines durchschnittlichen Haushalts repräsentiert, der bei diesem Index aus zwei Erwachsenen und 0,3 Kindern besteht. Da sich bei unterschiedlichen Haushaltsgrößen und Einkommen die Verbrauchsgewohnheiten unterscheiden, werden für verschiedene Haushaltstypen drei zusätzliche Preisindizes gebildet und außerdem ein Preisindex für die einfache Lebenshaltung eines Kindes ermittelt. Die Warenkörbe für die verschiedenen Haushaltstypen enthalten die gleichen Güterarten. Sie unterscheiden sich nur durch die Gewichte, die die Güter im Warenkorb haben. Tabelle 7 zeigt, daß sich die verschiedenen Preisindizes nur unwesentlich unterscheiden.

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

415

Tabelle 7: Preisindizes der Lebenshaltung (1985 = 100)' Jahr (Durchschnitt)

Alle privaten Haushalte

1962 1970 1975 1980 1985 1990 1991 1992 1993 1994

4-Personen-Haushalte von B e a m t e n und A n g e stellten m i t h ö h e r e m Einkommen

41,4 50,4 67,9 82,8 100,0 107,0 110,7 115,1 119,9 123,5

4-Personen-Haushalte von Arbeitern und Angestellten mit m i t t l e r e m Ginkommen

41,8 51,1 68,4 82,8 100,0 106,7 110,5 114,9 119,3 122,8

100,0 107,6 111,3 115,8 120,7 124,5

2-Personen-Haushalte von R e n t e n - und S o z i a l h i l f e e m p f a n g e m mit geringerem Einkommen

100,0 107,0 110,8 115,2 119,5 123,3

1 Früheres Bundesgebiet. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1995; Deutsche Bundesbank, Monatsberichte

Das Statistische Bundesamt ermittelt seit Mai 1990 Preisindizes für die neuen Länder und Ostberlin. Das Originalbasisjahr sind hier - anders als für das frühere Bundesgebiet - die zwölf Monate aus dem zweiten Halbjahr 1990 und dem ersten Halbjahr 1991. Die Preisentwicklung wird geprägt durch den schnellen Anstieg der Mieten in der früheren DDR. Tabelle 8:

Preisindex für die Lebenshaltung aller Arbeitnehmerhaushalte in den neuen Bundesländern (Juli 1990 - Juni 1991 = 100)

Zeit

Insgesamt

1991 1992 1993 1994

108,3 120,4 131,0 135,4

Quelle:

Veränderung Nahrungsmittel, Mieten, Energie gegen Vorjahr in Getränke, TabakProzent waren 11,2 8,8 3,4

102,7 105,7 107,0 108,7

167,6 304,7 419,6 445,5

Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1995; Deutsche Bundesbank, Monatsberichte

Wie sich der Geldwert für einen konkreten Haushalt entwickelt, hängt von den speziellen Verbrauchsgewohnheiten ab, die von den in den Indizes unterstellten Konsumgewohnheiten abweichen können. Ein Nichtraucher wird von Preissteigerungen bei Tabakwaren nicht betroffen. Wer spart, um ein Einfamilienhaus zu erwerben, wird durch die Preisentwicklung bei baureifem Land und Bauleistungen in besonderem Maße tangiert.

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Z w e i t e s Kapitel: A r b e i t s l o s i g k e i t und Inflation

Probleme bei der Ermittlung der Preisindizes ergeben sich, weil sich die Qualität vieler Produkte laufend ändert. In der Praxis ist es schwierig, dies angemessen zu berücksichtigen. Neue Produkte werden angeboten, andere verschwinden vom Markt. Die Verbrauchsstruktur der Haushalte ändert sich, so daß der Warenkorb eines Basisjahres die Konsumgewohnheiten im Laufe der Zeit immer weniger widerspiegelt. Deshalb wird der Berechnung von Zeit zu Zeit ein neuer Warenkorb zugrunde gelegt. 3.

Die Kosten der Inflation

Wenn die Preise auf breiter Front steigen, müssen wir mehr ausgeben, um unseren gewohnten Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Die Kaufkraft sinkt. Wenn sie zum Beispiel um fünf Prozent sinkt, so bedeutet dies, daß Arbeitnehmer, Rentner und Pensionäre, aber auch diejenigen, die Vermögenseinkommen besitzen, mit ihrem Einkommen fünf Prozent weniger kaufen können. Bei allen sinkt der Realwert eines gegebenen Einkommens. Bürger, die gespart haben, erleiden Vermögensverluste. In der Bundesrepublik beliefen sich Ende 1993 die Spareinlagen bei Banken auf 859 Mrd. DM. Bei einer Inflationsrate von fünf Prozent bedeutet dies, daß diese 859 Mrd. DM nach einem Jahr nur noch eine Kaufkraft von 859 Mrd. DM / 1,05 = 818 Mrd. DM und nach zwei Jahren nur noch eine Kaufkraft von 859 Mrd. DM / 1,05 2 = 779 Mrd. DM haben, so daß sich Vermögens Verluste von 41 Mrd. DM nach einem Jahr und 80 Mrd. DM nach zwei Jahren ergeben. Aber auch bei allen anderen auf Geld lautenden Forderungen entstehen bei einer Inflation Vermögensverluste, weil der reale Wert der Forderungen sinkt. Werden alle ä r m e r ? Die jährlichen volkswirtschaftlichen Kosten einer Inflation scheinen hoch zu sein. "Durch die Inflation werden wir um den Lohn unserer Arbeit, unseres Fleißes und unserer Sparsamkeit betrogen. Die Geißel der Inflation raubt uns allen einen Teil unseres Einkommens und Vermögens. Wir werden alle ärmer." Auf diese oder ähnliche Art werden in der öffentlichen Diskussion die Kosten der Inflation geschildert. Die Ökonomen halten das für falsch. Warum? Wenn man bei einer Inflation mehr ausgeben muß, um bestimmte Gütermengen zu kaufen, stehen den höheren Ausgaben höhere Einnahmen gegenüber. Wenn die Preise steigen, erhöhen sich die Einkommen. Erinnern wir uns an das Bild des volkswirtschaftlichen Kreislaufs. Den Ausgaben für die Güter der volkswirtschaftlichen Endnachfrage stehen Einkommen in gleicher Höhe gegenüber. Wenn bei konstantem realem Sozialprodukt das Preisniveau um fünf Prozent steigt, erhöhen sich die Ausgaben und die Summe der nominalen Einkommen um fünf Prozent. Wenn bei einer Inflation der Realwert der auf Geld lautenden Forderungen sinkt, so sinkt auch der Realwert der Schulden. Den Verlusten der Gläubiger stehen gleich hohe Gewinne der Schuldner gegenüber. Ein Nettovermögensverlust entsteht nicht.

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

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Umverteilungswirkungen der Inflation Unsere Überlegungen deuten an, daß ein Hauptübel der Inflation die Umverteilung von Einkommen und Vermögen ist. Zwar stehen den Verlusten der einen Gewinne der anderen gegenüber, doch ist es für diejenigen, die bei der inflationsverursachten Umverteilung einen Teil ihres Einkommens oder Vermögens verloren haben, ein schlechter Trost zu wissen, daß es anderen besser geht, weil es ihnen schlechter geht. Der ältere Landwirt, der im Jahre 1919 seinen Hof für 150 000 Mark in der Hoffnung verkaufte, von den Zinsen dieses für die damalige Zeit großen Vermögens gut leben zu können, und der im Oktober 1923 von seinem Vermögen nicht einmal einen Liter Milch kaufen konnte, für den man inzwischen 5,4 Millionen Mark bezahlen mußte, würde es kaum als Trost empfunden haben, wenn man ihm erklärt hätte, er möge bedenken, daß seinem Verlust gleich hohe Gewinne der Schuldner gegenüberstehen. Welche Umverteilungen ergeben sich bei einer Inflation? Wer verliert und wer gewinnt? Ist eine Inflation immer mit einer Umverteilung von Einkommen und Vermögen verbunden? Werden die Armen beraubt und die Reichen belohnt? Welche Rolle spielen die Steuern, die der Staat erhebt? Mit diesen Fragen werden wir uns in den folgenden Abschnitten beschäftigen. Sind die Arbeitnehmer die Verlierer? Da die Unternehmer in einer Inflation ihre Güter und Dienstleistungen zu höheren Preisen verkaufen, könnte man vermuten, daß es zu einer Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmer kommt. Zu einer solchen Umverteilung käme es auch, wenn bei einer Inflation zwar die Preise, nicht aber die Löhne stiegen, oder wenn sich die Preise stärker als die Löhne erhöhten. In der neoklassischen Theorie sind Nachfrage nach Arbeit und Angebot an Arbeit eine Funktion des Reallohns. In Abbildung 2.8 werden auf der Abszisse Angebot und Nachfrage nach Arbeit und auf der Ordinate der Reallohn abgetragen. Der Gleichgewichtslohn ist (w/P 0 ).

Wenn das Preisniveau steigt, sinkt der Reallohn auf (w/P)„ sofern der Nominallohn konstant ist. Bei dem Reallohn (w/P), ist die Arbeitsnachfrage größer als das Arbeitsangebot. Das Ungleichgewicht wird beseitigt, indem der Nominallohn steigt. Gleichgewicht herrscht erst, wenn der ursprüngliche Reallohn sich wieder bildet. Im

418

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

Gleichgewicht sind die Löhne um den gleichen Prozentsatz gestiegen wie die Preise. Eine Umverteilung der Einkommen zu Lasten der Arbeitnehmer gibt es nicht. Es kann allerdings zu einer temporären Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmer kommen, wenn die Löhne mit zeitlicher Verzögerung an die gestiegenen Preise angepaßt werden. Man wird dagegen einwenden, daß in der Realität die Nominallöhne durch Tarifverträge für eine bestimmte Periode fixiert werden. Wenn es während der Laufzeit des Tarifvertrags zu einem Anstieg des Preisniveaus kommt, sinkt der Reallohn der Arbeitnehmer. Ob die Arbeitnehmer tatsächlich Einkommensverluste erleiden, hängt jedoch davon ab, ob die Inflation erwartet wurde oder nicht. Nehmen wir an, daß Arbeitnehmer und Arbeitgeber für das kommende Jahr eine Inflationsrate von fünf Prozent erwarten. Sie rechnen außerdem damit, daß die Arbeitsproduktivität um zwei Prozent steigen wird. Wir wollen weiter annehmen, daß sich Gewerkschaften und Arbeitgeber bei einer Inflationsrate von Null auf eine Lohnerhöhung von zwei Prozent einigen, die dem erwarteten Anstieg der Arbeitsproduktivität entspricht. Wird eine Inflationsrate von fünf Prozent erwartet, werden die Gewerkschaften erkennen, daß bei einer Nominallohnerhöhung von zwei Prozent der Reallohn um drei Prozent sinkt, wenn die tatsächliche Inflationsrate gleich der erwarteten Inflationsrate ist. Sie werden einen Ausgleich für die erwartete Preissteigerung verlangen und Lohnerhöhungen von sieben Prozent fordern. Auch die Arbeitgeber wissen, daß bei einer Inflationsrate von fünf Prozent der Reallohn nur um zwei Prozent steigt, wenn die Nominallöhne um sieben Prozent erhöht werden. Da sie erwarten, ihre Produkte zu Preisen verkaufen zu können, die im Durchschnitt um fünf Prozent höher sind, sind sie bereit, einer Nominallohnerhöhung von sieben Prozent zuzustimmen. Die Arbeitnehmer erleiden keine Einkommensverluste, wenn die tatsächliche Inflationsrate gleich der erwarteten Inflationsrate ist. Nur wenn die tatsächliche Inflationsrate größer als die erwartete Inflationsrate ist, ergibt sich eine Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmer. Ist die tatsächliche Inflationsrate geringer als erwartet, kommt es zu einer Umverteilung zugunsten der Arbeitnehmer. Sind die Sparer bei einer Inflation die Verlierer? Die großen Inflationen haben meist zu einer Umverteilung zu Lasten der Bezieher von Geldvermögen geführt. Die Gläubiger nominal fixierter Forderungen erlitten Verluste, die Schuldner erzielten Gewinne. Die Aussage, daß bei einer Inflation die Gläubiger verlieren und die Schuldner gewinnen, bezeichnet man als Gläubiger-SchuldnerHypothese. Wir wollen diese Hypothese an einem Beispiel erläutern. Die monatliche Inflationsrate betrage 100 Prozent. A leiht sich zu Beginn eines Monats von B einen Geldbetrag, der es ihm ermöglicht, zwei Häuser zu kaufen, für die jeweils der gleiche Preis zu zahlen ist. Am Ende des Monats verkauft A eines der beiden Häuser zu einem Preis, der doppelt so hoch ist wie der Preis, den er zu Beginn des Monats selbst gezahlt hat. Mit dem Erlös aus dem Verkauf des Hauses kann A die gesamte Schuld tilgen. Der Gewinn des A ist gleich dem Wert des Hauses, dessen schuldenfreier Eigentümer A geworden ist. Dem Gewinn des A entspricht ein Verlust des B. Der Realwert des Geldvermögens des B hat sich halbiert. Mit dem Geldbetrag, den er dem A geliehen

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

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hat, kann B am Ende des Monats nicht mehr zwei Häuser, sondern nur noch ein Haus kaufen. Ist Inflation immer mit einer Umverteilung zu Lasten der Gläubiger auf Geld lautender Forderungen verbunden? Nehmen wir an, daß A zu Beginn des Jahres 1000 DM spart. Er erhält acht Prozent Zinsen und verfügt daher am Ende des Jahres über 1080 DM. Bedeutet dies, daß er um achtzig DM oder acht Prozent reicher ist als zu Beginn des Jahres? Das wäre nur der Fall, wenn das Preisniveau konstant geblieben wäre. Sind im Verlauf des Jahres die Preise gestiegen, kann A für jede Mark weniger kaufen. Wenn die Inflationsrate fünf Prozent betrug, dann ist die Menge der Güter, die er am Ende des Jahres kaufen kann, nicht um acht Prozent, sondern nur um drei Prozent gestiegen. 1 Wenn die Inflationsrate nicht fünf Prozent, sondern 12 Prozent betragen hätte, könnte A sich für den Betrag von 1080 DM sogar weniger kaufen als für die 1000 DM, über die er zu Beginn des Jahres verfügte. Seine Kaufkraft wäre um 4 Prozent gesunken. 2 Der reale Zinssatz ex post Man nennt den Zinssatz, der tatsächlich gezahlt wird, den nominalen Zinssatz und den Prozentsatz, um den die Kaufkraft steigt, den realen Zinssatz ex post. Der reale Zinssatz ex post (r) ergibt sich approximativ als Differenz aus dem nominalen Zinssatz (i) und der Inflationsrate (7t). Realer Zinssatz ex post

=

Nominaler Zinssatz - Inflationsrate

r

=

i

-

n

Der durch die Gleichung r = i - n dargestellt Zusammenhang zwischen dem realen Zinssatz, dem nominalen Zinssatz und der Inflationsrate gilt nur approximativ. Bei einer jährlichen Inflationsrate von fünf Prozent (TI = 0,05) benötigt man nach einem Jahr 105 DM, um die gleiche Gütermenge zu kaufen wie ein Jahr zuvor für 100 DM. Eine reale Verzinsung von drei Prozent ergibt sich, wenn nach einem Jahr ein Betrag von 105 • 1,03 DM = 108,15 DM zur Verfügung steht. Der nominale Zinssatz müßte 8,15 Prozent betragen, also um 0,15 Prozentpunkte größer sein als acht Prozent, wenn der reale Zinssatz ex post gleich drei Prozent sein soll. Anders gesagt: Wenn bei einem nominalen Zinssatz von acht Prozent die Inflationsrate fünf Prozent beträgt, ist die Verzinsung ex post etwas geringer als drei Prozent. Allgemeiner formuliert: Wird ein Betrag K 0 bei einer Inflationsrate 7t angelegt, ergibt sich eine reale Verzinsung von r, wenn nach einem Jahr ein Betrag K„ = Ko • (l+7t) • (1+r) zur Verfügung steht. Bei einem Nominalzins i erhält man nach einem Jahr Kn = KQ • (1+i). Damit sich bei positiver Inflationsrate eine reale Verzinsung von r ergibt, muß 1+i = (l+7t) • (1+r) oder i = 7t + r + r-7t sein. Der Nominalzins, der für 7t > 0 eine reale Verzinsung von r ergibt, muß also um r • 7t größer als K + r sein. Anders gesagt: Bei einem nominalen Zinssatz i und einer Inflationsrate 7t ist der reale Zinssatz ex post r = (i- 7t)/(l+ 7i).

1

D i e s gilt nur approximativ. Bei genauerer Rechnung ergibt sich, daß die Kaufkraft nur um 2,86 Prozent gestiegen ist.

2

A u c h dies gilt nur approximativ.

420

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

Aus der Gleichung r = i - Jt scheint hervorzugehen, daß die Sparer bei einer positiven Inflationsrate Verluste erleiden, weil die reale Verzinsung ex post (r) um die Inflationsrate (tc) kleiner ist als der nominale Zinssatz (i). Ob aber die reale Verzinsung ex post tatsächlich um so geringer ist, je höher die Inflationsrate ji ist, hängt davon ab, wie hoch der nominale Zinssatz bei alternativen Inflationsraten ist. Wenn zum Beispiel bei einer Inflationsrate von fünf Prozent der nominale Zinssatz um fünf Prozent größer wäre als bei einer Inflationsrate von Null, würde der reale Zinssatz infolge der Inflation nicht sinken. Wie groß bei alternativen Inflationsraten der nominale Zinssatz ist, hängt davon ab, ob die Inflation erwartet (antizipiert) wurde oder nicht. Deshalb kommt bei der Analyse der Verteilungswirkungen der Inflation der Unterscheidung zwischen einer antizipierten und einer nicht antizipierten Inflation fundamentale Bedeutung zu. Der reale Zinssatz ex ante Rational handelnde Sparer und Investoren lassen sich bei ihren Entscheidungen von der erwarteten realen Verzinsung leiten. Die erwartete reale Verzinsung r e (der reale Zinssatz ex ante) ist gleich der Differenz aus dem nominalen Zinssatz i und der erwarteten Inflationsrate Tte. Es ist re = i - 7ic. Eine erwartete reale Verzinsung von drei Prozent ergibt sich also sowohl bei einem nominalen Zinssatz von drei Prozent und einer erwarteten Inflationsrate von Null wie bei einem nominalen Zinssatz von acht Prozent und einer erwarteten Inflationsrate von fünf Prozent. Da sich Kreditgeber und Kreditnehmer bei ihren Entscheidungen von dem erwarteten realen Zinssatz leiten lassen, wird sich bei gegebener Zeitpräferenz der Sparer und gegebenen Investitionsmöglichkeiten der Unternehmer ein bestimmter realer Zinssatz r = i - if bilden, bei dem Kreditangebot gleich Kreditnachfrage ist. Die Höhe dieses realen Zinssatzes ist von der erwarteten Inflationsrate unabhängig. Das bedeutet, daß der nominale Zinssatz um die erwartete Inflationsrate höher ist als der (erwartete) reale Zinssatz. Es ist nominaler Zinssatz i

=

realer Zinssatz ex ante =

re

+

+

erwartete Inflationsrate

7te

Der nominale Zinssatz ist die Summe aus dem erwarteten realen Zinssatz (dem realen Zinssatz ex ante) und der erwarteten Inflationsrate. Wenn also die erwartete Inflationsrate um a Prozent steigt, steigt auch der nominale Zinssatz um a Prozent. Das ist der Inhalt der berühmten Preiserwartungstheorie des Zinses von Irving Fisher (1867-1947). Anders als der reale Zinssatz ex post kann der reale Zinssatz ex ante statistisch nicht gemessen werden, da wir die Inflationserwartungen nicht unmittelbar messen können. Der reale Zinssatz ex post ist gleich dem realen Zinssatz ex ante, wenn die tatsächliche Inflationsrate gleich der erwarteten Inflationsrate ist. Zu der Anpassung des nominalen Zinssatzes an die erwartete Inflationsrate kommt es, weil die Gläubiger einen um die erwartete Inflationsrate erhöhten Nominalzins verlangen und die Schuldner wegen der inflationsbedingt steigenden Erlöse bereit und fähig sind, die höheren Nominalzinsen zu zahlen.

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

421

Anders als bei einer nicht antizipierten Inflation erleiden die Gläubiger bei einer korrekt antizipierten Inflation keine Verluste, da sie durch den höheren Nominalzins für den inflationsbedingt sinkenden Realwert der Forderungen entschädigt werden. Die Gläubiger verlieren, wenn die tatsächliche Inflationsrate höher als die erwartete Inflationsrate ist. Sie gewinnen, wenn die tatsächliche Inflationsrate niedriger ist als die erwartete Inflationsrate. 1 Transfereinkommensbezieher als Verlierer? Es fragt sich, ob Menschen, die Transfereinkommen in Form von Renten, Pensionen, Sozialhilfe oder Kindergeld beziehen, Verlierer bei einer Inflation sind. Tatsächlich gibt es hier keinen über den Markt wirkenden Kompensationsmechanismus, der für einen automatischen Ausgleich der Verluste sorgt. Doch hat es der Staat in der Hand, die Transferzahlungen nach Maßgabe der Inflationsrate zu erhöhen. Allerdings wird dies meistens mit zeitlicher Verzögerung geschehen, so daß sich temporäre Verteilungsverluste ergeben. In der Bundesrepublik sind die Renten an die Nominaleinkommen der Arbeitnehmer gekoppelt. Die Renten werden bei einer Inflation erhöht, sofern bei einer antizipierten Inflation die Nominaleinkommen inflationsbedingt steigen. Allerdings werden die Renten mit zeitlicher Verzögerung an die Einkommensentwicklung angepaßt, so daß es zu einer temporären Umverteilung zu Lasten der Rentner kommt. Die Kosten der antizipierten Inflation Wenn bei einer antizipierten Inflation weder die Arbeitnehmer noch die Gläubiger Verluste erleiden, und der Staat für einen Inflationsausgleich bei den Beziehern von Transfereinkommen sorgt, fragt es sich, warum Inflationen als soziales Problem angesehen werden. Was sind die Kosten einer antizipierten Inflation? Zur Überraschung vieler Laien halten viele Ökonomen diese Kosten für nicht besonders hoch! Es entstehen Kosten, weil die Kassenhaltung teurer wird. Bei einer antizipierten Inflation steigt der Nominalzins um die erwartete Inflationsrate. Die Opportunitätskosten der Kassenhaltung steigen, weil die Zinserträge, auf die man verzichten muß, wenn man einen Teil seines Vermögens in Form von Geld (Bargeld oder Sichteinlagen bei Banken) hält, um so größer sind, j e höher der nominale Zins ist. Man wird daher die Kassenhaltung reduzieren, um die Steuer auf Bargeld zu vermeiden, die eine Inflation ist. Diese Reduktion der Kassenhaltung ist mit Unbequemlichkeiten verbunden. Man muß häufiger zur Bank gehen, um Geld abzuheben. Man hat dies als die Schuhsohlenkosten der Inflation bezeichnet. Bei einer Inflation müssen die Unternehmen ihre Preise häufiger ändern. Es entstehen zusätzliche Kosten, um neue Preislisten und Kataloge zu drucken und zu verteilen. Man hat dies als Menükosten bezeichnet, weil Restaurants ihre Speisekarten häufiger drucken müssen.

1

Bei dieser Argumentation wird unterstellt, daß das Steuersystem inflationsneutral ist.

422

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

Kosten entstehen auch, wenn Unternehmen, um Menükosten zu sparen, ihre Preise trotz der Inflation nur selten ändern. Es kommt durch verzerrte Preisrelationen zu einer ineffizienten Faktorallokation. Es entstehen Kosten, weil die durch die Preise vermittelten Informationen schneller veralten. Haushalte und Unternehmen müssen sich häufiger über die günstigsten Angebote informieren. Es ist schwieriger, die Informationen über die relative Knappheit, die durch die Preise gegeben werden, richtig zu deuten. Inflation ist eine Art Nebelwerfer, der es erschwert, sich zurechtzufinden. Auch wenn ein Meter in diesem Jahr 100 cm und im nächsten Jahr 95 cm mißt, ergeben sich Orientierungsschwierigkeiten. Die vollständig und korrekt antizipierte Inflation, die keine Umverteilungswirkungen hat, ist ein theoretisches Konstrukt, das es in der Realität nicht gibt. Bei einer Inflation ergeben sich nämlich außer den unter dem Stichwort "Kosten der antizipierten Inflation" in diesem Abschnitt erwähnten Kosten nur dann keine weiteren Kosten und Umverteilungen, wenn eine optimale institutionelle Anpassung an die Inflation erfolgt. Das geschieht in der Realität nicht. Nichtneutralität des Steuersystems Auch bei einer korrekt antizipierten Inflation werden Einkommen und Vermögen umverteilt, wenn das Steuersystem nicht an die Inflation angepaßt ist. Werden die nominalen Einkommen besteuert, kommt es bei einem progressivem Steuertarif, bei dem der durchschnittliche Steuersatz mit wachsendem Einkommen steigt, zu einer Umverteilung zugunsten des Staates. Wenn bei einer Inflation die Nominaleinkommen um den gleichen Prozentsatz steigen wie das Preisniveau, bleibt das Realeinkommen konstant. Dennoch muß bei progressivem Steuertarif ein höherer Prozentsatz des Einkommens an Steuern gezahlt werden. Man nennt dies kalte Progression. Verzerrende Wirkungen sind mit einer Inflation auch verbunden, wenn die Abschreibungen sich aus steuerrechtlichen Gründen an den historischen Anschaffungskosten orientieren müssen, obwohl die Wiederbeschaffungskosten höher sind. Dies führt dazu, daß Scheingewinne besteuert werden. Besonders schwerwiegend sind die Verteilungswirkungen, die sich bei der Besteuerung von Zinseinkommen ergeben. In Tabelle 9 wurde angenommen, daß bei einer Inflationsrate von Null der nominale Zinssatz drei Prozent und bei einer erwarteten Inflationsrate von fünf Prozent der nominale Zinssatz entsprechend der FisherGleichung acht Prozent beträgt. Ein Betrag von 1000 DM wird verzinslich angelegt. Der marginale Steuersatz beträgt 50 Prozent. Tabelle 9: Inflation und die Besteuerung von Zinseinkommen Inflationsrate (Prozent)

nominaler Zinssatz (Prozent)

nominales Zinseinkommen (DM)

reales Z i n s einkommen (DM)

gezahlte Steuern (DM)

reales E i n k o m men nach Steuer (DM)

realer Z i n s ex post (Prozent)

e f f e k t i v e r Steuersatz (Prozent)

0 5

3 8

30 80

30 30

15 40

15 -10

1,5

50 133,3

- 1

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

423

Die erste Zeile der Tabelle 9 zeigt, daß die reale Verzinsung nach Steuern bei einer Inflationsrate von Null 1,5 Prozent beträgt. Wenn der gleiche Betrag bei einer Inflationsrate von fünf Prozent angelegt wird, ist - wie die zweite Zeile der Tabelle zeigt - die reale Verzinsung nach Steuern negativ. Der effektive Steuersatz beträgt 133 Prozent! Ein Steuersystem, das in einer Volkswirtschaft ohne Inflation seine Funktion erfüllt, führt bei positiven Inflationsraten zu absurden Ergebnissen. Viele Ökonomen glauben, daß durch exorbitant hohe effektive Steuersätze Sparer entmutigt werden und das volkswirtschaftliche Wachstum gebremst wird. Unser Beispiel zeigt, daß bei einer positiven Inflationsrate die reale Verzinsung nach Steuern auch dann geringer ist als bei einer Inflationsrate von Null, wenn der Nominalzins um die Inflationsrate höher ist als in einer Volkswirtschaft ohne Inflation.1 Es fragt sich, wie hoch die nominale Verzinsung sein müßte, damit die reale Verzinsung nach Steuern genauso hoch ist wie bei einer Inflationsrate von Null. Wenn der nominale Zinssatz i, die Inflationsrate n und der marginale Steuersatz t ist, so ist die reale Verzinsung nach Steuern gleich (1 -1) • i - 71. Ist r der reale Zinssatz, so ist die reale Verzinsung nach Steuern bei einer Inflationsrate von Null gleich (1 -1) • r. Wenn bei einer positiven Inflationsrate k die reale Verzinsung nach Steuern genauso hoch sein soll wie in einer Volkswirtschaft ohne Inflation, muß

sein, oder

(l-t)-i-jt

=

(1 — t) • r

l

=

rH

K

1-t

Bei einem marginalen Steuersatz von t = 0,5 müßte also der nominale Zinssatz um 2n größer sein als der reale Zinssatz r. In unserem Zahlenbeispiel müßte also i = 13 Prozent sein, damit sich eine Verzinsung nach Steuern von 1,5 Prozent ergibt! Wenn die nominalen Zinssätze bei positiven Inflationsraten so hoch wären, daß sich die gleiche Nettoverzinsung (nach Steuern) ergibt wie in einer inflationslosen Wirtschaft, würde dies negative Wirkungen auf die Investitionen haben. Sind die Nominalzinsen geringer, ergibt sich eine Umverteilung zu Lasten der Sparer. Sparer werden entmutigt. Inflationsbedingte Liquiditätsbeschränkung Eine Inflation kann bewirken, daß Haushalte ihre Konsumpläne nicht realisieren können. Nehmen wir an, daß A ein Eigenheim erwerben möchte und einen Kredit von 300 000 DM aufnehmen muß, um den Kauf des Hauses zu finanzieren. Der nominale und reale Zinssatz bei einer Inflationsrate von Null seien drei Prozent, so daß sich die jährlichen Zinszahlungen auf 9 000 DM belaufen. Das Nettohaushaltseinkommen des A beträgt 36 000 DM im Jahr. A, der 25 Prozent seines Nettoeinkommens für Zinszahlungen aufwenden müßte, glaubt, sich das Haus leisten zu können.

1

D i e reale Verzinsung nach Steuern bei positiver Inflationsrate ist um das Produkt aus marginalem Steuersatz und Inflationsrate niedriger als in einer Volkswirtschaft ohne Inflation.

424

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

Bei einer erwarteten Inflationsrate von fünf Prozent steigt nach Fishers Preiserwartungstheorie des Zinses der nominale Zins auf 8,15 Prozent.1 Die jährlichen Zinszahlungen belaufen sich auf 300 000 DM • 0,815 = 24 450 DM. Das sind 68 Prozent des gegenwärtigen Nettoeinkommens. A mag erwarten, daß infolge der Inflation auch sein Einkommen um jährlich fünf Prozent steigt, so daß sein erwartetes Einkommen nach einem Jahr 37 800, nach fünf Jahren 45 946 und nach zehn Jahren 58 640 DM beträgt. Aber die Zinszahlungen beliefen sich selbst in diesem Fall nach dem ersten Jahr auf 65 Prozent, nach dem fünften Jahr auf 53 Prozent und nach 10 Jahren noch auf 41 Prozent des Nettoeinkommens. A kann die Zinszahlungen nicht aufbringen und muß auf den Kauf des Hauses verzichten. Die hohe Belastung durch Zinszahlungen ergibt sich, obwohl bei jährlichen Zinszahlungen von 24 450 DM der Kredit real nur zu drei Prozent verzinst wird. Der Kreditgeber verfügt nach einem Jahr über ein Guthaben von 324 450 DM. In konstanter Kaufkraft ist dies ein Betrag von 324 450 : 1,05 = 309 000 DM, so daß sich eine reale Verzinsung von drei Prozent ergibt! Warum kann A bei einer Inflationsrate von fünf Prozent das Haus nicht finanzieren, wenn er real nur drei Prozent Zinsen zahlt? Bei jährlichen Zinszahlungen von 24 450 DM sind die realen Zinszahlungen über einen langen Zeitraum (von 20 Jahren) höher als die realen Zinszahlungen in einer Volkswirtschaft ohne Inflation. Zwar bleibt bei Zinszahlungen von 24 450 DM bei einem Zinssatz von 8,15 Prozent der nominale Wert der Schuld konstant, doch sinkt infolge der Inflation der reale Wert der Schuld. Bei einer Inflationsrate von Null und einem Zinssatz von drei Prozent bleiben dagegen bei jährlichen Zinszahlungen von 9 000 DM nominale und reale Schuld konstant. Die folgende Tabelle zeigt, wie sich bei Inflationsraten von Null und fünf Prozent die reale Schuld im Zeitablauf ändert. Tabelle 10: Entwicklung der realen Schuld bei alternativen Inflationsraten 7t = 0; i = 3 Prozent nach dem

Zinsen

1. 2. 3. 10. 20.

9 9 9 9 9

Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr

000 000 000 000 000

Realer Wert der Schulden 300 300 300 300 300

000 000 000 000 000

71 = 0,05; i= 8,15 Prozent Zinsen 24 24 24 24 24

450 450 450 450 450

Realer Wert der Schulden 285 272 259 184 113

714 109 151 184 077

Die höhere Belastung bei einer positiven Inflationsrate ergibt sich also, weil durch die höheren realen Zinszahlungen ein Teil der Schuld real getilgt wird.

1

Das ist nicht der approximative, sondern der exakte Zinssatz, bei dem der reale Zinssatz ex ante genau gleich drei Prozent ist. Wenn 100 D M zu einem Zinssatz von 8,15 Prozent ein Jahr angelegt werden, stehen nach einem Jahr 108,15 DM zur Verfügung. Bei einer Inflationsrate von 5 Prozent sind dies in konstanter Kaufkraft 108,15 D M : 1,05 = 103 DM. Die reale Verzinsung beträgt also genau drei Prozent.

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Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

A könnte sich aus der inflationären Zwickmühle befreien, wenn er nur soviel jährlich zahlte, daß der reale Wert der Schuld auch bei einer Inflationsrate von fünf Prozent konstant bliebe. Wenn andererseits der Kredit auch bei einer Inflationsrate von fünf Prozent real mit drei Prozent verzinst werden soll, müßte der nominale Wert der Schuld jährlich um fünf Prozent steigen. Das bedeutet, daß sich der nominale Wert der Schuld nach einem Jahr auf 315 000 DM, nach fünf Jahren auf 382 444 DM beliefe. Wenn also A nach einem Jahr einen zusätzlichen Kredit von 15 000 DM aufnimmt, belaufen sich seine Nettozahlungen auf 24 450 DM - 15 000 DM = 9 450 DM. In konstanter Kaufkraft sind dies 9450 DM : 1,05 = 9 000 DM. Da die nominale Schuld um jährlich fünf Prozent steigt, steigen auch die Zinszahlungen und die Höhe des zusätzlichen Kredits, der jährlich aufgenommen werden müßte, wie Tabelle 11 zeigt. Tabelle 11: Entwicklung der nominalen Schuld und der Zinszahlungen bei einer Inflationsrate von fünf Prozent nach dem

nominale Schuld

1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr 5.Jahr

315 330 347 364 382

10. Jahr

488 668

000 750 287 652 884

Bruttozinszahlungen 24 25 26 28 29

450,0 672,5 966,1 304,0 719,0

37 930,0

zusätzl. Kredit 15 15 16 17 18

000,0 750,0 537,5 364,4 232,6

19 144,2

Nettozinszahlungen 9 9 10 10 11

450,0 992,5 418,6 939,6 486,6

12 660,8

Realwert der Nettozinszahlung 9 9 9 9 9

000 000 000 000 000

9 000

Realwert der Schulden 300 300 300 300 300

000 000 000 000 000

300 000

Wenn A willens wäre, sich fortgesetzt so zu verschulden, wie es das Finanzierungsprogramm in Tabelle 11 vorsieht, und wenn die Kreditgeber ihm die notwendigen zusätzlichen Kredite gewähren würden, wäre die Zinsbelastung real nicht höher als in einer Volkswirtschaft ohne Inflation. In der realen Welt sind die Kreditmöglichkeiten in der Regel jedoch nominal beschränkt. Der Kreditrahmen wird von dem Kreditgeber nicht oder nur in unzureichender Weise an die Inflation angepaßt. Aber auch A mag zögern, sich langfristig zu einem Zinssatz von 8,15 Prozent zu verschulden, wenn er nicht sicher sein kann, daß die zukünftige Inflationsrate gleich der erwarteten Inflationsrate ist. Wenn die zukünftige Inflationsrate niedriger wäre als erwartet, würde bei den geplanten Nettozinszahlungen der Realwert der Schuld nicht konstant bleiben, sondern steigen! In der Welt, in der wir leben, muß A wegen der Inflation auf den Kauf des Hauses verzichten. Die Inflationswirkungen bei nicht antizipierter Inflation Nur in der idealen, aber nicht realisierbaren Welt der vollständig und korrekt antizipierten Inflation, in der das Steuersystem inflationsneutral ist und sich keine inflationsbedingten Liquiditätsbeschränkungen ergeben, sind die Wohlfahrtswirkungen der Inflation gering. In der realen Welt können selbst sogenannte moderate Inflationen gravierende Wohlfahrtseffekte haben.

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Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

In der Realität ist das Steuersystem nicht inflationsneutral. Die Steuern werden gar nicht oder nicht im erforderlichen Maße an die Inflation angepaßt. Die nominalen Einkommen werden besteuert. Effektive Steuersätze von über hundert Prozent sind selbst bei "moderaten Steuersätzen" zu beobachten. Dies führt nicht nur zu Umverteilungen, sondern hat auch negative Wirkungen auf das Sparen, das Investieren und das reale Wachstum. Viele Haushalte können wegen der durch die Inflation verursachten Liquiditätsbeschränkung ihre Konsumpläne nicht realisieren. Der Traum vom eigenen Haus bleibt ein Traum. Die Inflationsraten werden in der Realität nicht korrekt antizipiert. Selbst Sachverständige, die die Inflationsrate des nächsten Jahres prognostizieren sollen, irren sich meistens. Bei längerfristigen Prognosen müßte aber nicht nur die Inflationsrate für das nächste Jahr, sondern die Inflationsrate für die kommenden fünf oder zehn Jahre korrekt antizipiert werden, wenn folgenschwere Umverteilungen vermieden werden sollen. Eine antizipierte Inflation, die Umverteilungen verhindert, setzt voraus, daß es keine auf Geld lautenden Kontrakte gibt, die abgeschlossen werden, bevor die Inflation richtig antizipiert wurde. Die Bedingungen, die erfüllt sein müßten, damit Inflationen keine Verteilungswirkungen haben, sind in der Realität nicht erfüllbar. Je höher die Inflationsraten sind, um so variabler sind sie. Je stärker die Inflationsraten schwanken, um so schwieriger ist es, die Inflationsraten zu antizipieren. Je weniger es möglich ist, die Inflationsraten richtig zu antizipieren, um so folgenschwerer sind die Verteilungswirkungen. Bei einer nicht antizipierten Inflation erleiden vor allem die Geldvermögensbesitzer Verluste. Ob im allgemeinen die kleinen oder mittleren Einkommen und Vermögen oder die großen Einkommen und Vermögen stärker betroffen werden, ist strittig und kann möglicherweise auch nicht allgemeingültig beantwortet werden. Sicher sind immer auch die kleinen Sparer betroffen, die nicht die Möglichkeit nutzen können, durch Umdispositionen ihre Verluste gering zu halten. Insofern hat Norbert Blüm recht, wenn er sagt: "Inflation ist der Taschendieb der kleinen Leute. Deshalb ist Preisstabilität eine Verteilungspolitik ohne Formulare und Anträge, ohne Schalter und Genehmigungsbehörden. Preisstabilität ist die leise Sozialpolitik." 1 Allerdings sind keineswegs regelmäßig die Bezieher kleiner Einkommen und Vermögen besonders betroffen. In der großen deutschen Inflation, die Ende 1922 in eine Hyperinflation mündete, waren die Bezieher großer und mittlerer Geldvermögen die Hauptleidtragenden. Große Teile des Mittelstandes verloren ihr gesamtes Vermögen und wurden proletarisiert. In seiner Nobelpreisrede führte Gustav Stresemann (1878-1929) 1927 in Oslo aus: "Der Geschichtsforscher sieht heute noch den Ausgang des Krieges für Deutschland nur in verlorenen Gebietsteilen, verlorener praktischer Kolonialbetätigung, verlorenem Staats- und Volks vermögen. Er übersieht vielfach den schwersten Verlust, den Deutschland miter'litten hat. Dieser schwerste Verlust bestand

1

Zitiert nach H e l m u t H e s s e unter Mitarbeit von G i e s e l a Roth, Moral der Stabilitätspolitik, in: Helmut H e s s e und Otmar Issing (Hrsg.), Geld und Moral, München 1994, S. 49.

Zweites Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

427

meiner Auffassung nach darin, daß jene geistige und gewerbliche Mittelschicht, die traditionsgemäß Trägerin des Staatsgedankens war, ihre völlige Hingabe an den Staat mit der völligen Aufgabe ihres Vermögens bezahlte und proletarisiert wurde."' Der Historiker Hagen Schulze kommentiert die Folgen: "Diese Menschen wollen fortan mit der demokratischen Republik, von der sie sich betrogen und bestohlen fühlten, nichts mehr zu tun haben. Sie werden demjenigen folgen, der ihnen ihre Selbstachtung und ihre Ziele zurückgibt und ihnen verspricht, ihren Abstieg in das Proletariat zu verhindern, und zu ihrem Unglück und zum Unglück Deutschlands wird dieser Mann Adolf Hitler heißen."2 Natürlich muß man zwischen den Folgen einer Hyperinflation und den Folgen einer moderaten Inflation unterscheiden. Aber auch bei einer moderaten Inflation fühlen sich die Menschen betrogen, und viele werden betrogen. Die Inflation erschwert die Eigenvorsorge und das Vertrauen darauf, für die Notfälle des Lebens selbst Vorsorgen zu können. Zur Würde des Menschen in einer freien Gesellschaft gehört es, das Leben nach eigenen Zielen und Plänen gestalten zu können. Die nicht vorhersehbare willkürliche Umverteilung durch die Inflation bedeutet, daß den Menschen auf einem wichtigen Feld ihrer Lebensgestaltung die Möglichkeit genommen wird, in eigener Verantwortung planen und handeln zu können. Die Inflation ist der Feind einer freien und offenen Gesellschaft. Literatur zum zweiten Kapitel des zweiten Teils A.

Arbeitslosigkeit

Alan J. Auerbach, Laurence J. Kotlikoff, Macroeconomics: An Integrated Approach, Cincinnati 1995, elftes Kapitel, S. 391-430. Norbert Berthold, Lohnstarrheit und Arbeitslosigkeit, Freiburg 1987. Norbert Berthold, Rainer Fehn, Arbeitsmarkttheorie, in: Norbert Berthold (Hrsg.), Allgemeine Wirtschaftstheorie: Neuere Entwicklungen, München 1995, S. 187-209. Graham Dawson, Inflation and Unemployment. Causes, Consequences and Cures, Worcester 1992. Gustav Dieckheuer, MakroÖkonomik, Berlin 1993, siebtes Kapitel, S. 237-288. Wolfgang Franz, Der Arbeitsmarkt; eine ökonomische Analyse, Meyers Forum 17, Mannheim 1993. Wolfgang Franz, Arbeitsmarktökonomik, zweite Auflage, Berlin 1994.

1

Gustav Stresemanns Vermächtnis: Der Nachlaß in drei Bänden, Hrsg. Henry Bernhard, Band 3, Berlin 1993, S. 463.

2

Hagen Schulze, Weimar: Deutschland 1917-1933, Berlin 1982, S. 38.

428

Z w e i t e s Kapitel: Arbeitslosigkeit und Inflation

Jürgen Kromphardt, Arbeitslosigkeit und Inflation, Göttingen 1987. Richard Layard, Stephen Nickell, Richard Jackman, Unemployment. Macroeconomic Performance and the Labour Market, Oxford 1991. Assar Lindbeck, Unempolyment and Macroeconomics, Cambridge (Mass.) 1993. N. Gregory Mankiw, Macroeconomics, New York 1992, fünftes Kapitel, S. 118-139. OECD, Beschäftigungsstudie: Fakten, Analysen, Strategien (Kurzfassung der Beschäftigungsstudie), Paris 1994. OECD, The OECD Jobs Study: Evidence and Explanation, Teil I: Labour Market Trends and Underlying Forces of Change, Paris 1994. OECD, The OECD Jobs Study: Evidence and Explanation, Teil II: The Adjustment Potential of the Labour Market, Paris 1994. B.

Inflation

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Drittes Kapitel V o m Geld A.

Was ist Geld?

Wenn wir morgens frische Brötchen beim Bäcker holen, in der Kneipe ein Bier bestellen oder mit dem Bus zur Uni fahren, brauchen wir Geld, um Güter und Dienstleistungen zu kaufen. Wir zahlen, indem wir Noten und Münzen übergeben. Noten und Münzen sind offenbar Geld. Ein großer Teil der Transaktionen wird aber bargeldlos abgewickelt. Der Einzelhändler in Frankfurt, der in Düsseldorf für 60 000 DM Damenmäntel kauft, fährt nicht nach Düsseldorf, um dem Lieferanten sechzig Tausendmarkscheine zu übergeben. Er schickt dem Verkäufer einen Scheck oder überweist den Betrag. Das Guthaben des Käufers bei seiner Bank vermindert sich, während sich das Bankguthaben des Verkäufers, um den Betrag, der überwiesen wurde, erhöht. Die Zahlung erfolgt, indem Guthaben bei Banken von einem Konto auf ein anderes transferiert werden. Es fragt sich, ob auch diese Guthaben bei Banken Geld sind. Die Frage "Was ist Geld ?" ist nicht so einfach zu beantworten, wie es zunächst scheint. Die Ökonomen erklären, Geld sei das, was die Funktionen des Geldes erfüllt: "Money is what money does". Deshalb müssen wir zunächst die Geldfunktionen erläutern. 1.

Die Funktionen des Geldes

Geld als allgemeines Tausch- und Zahlungsmittel In einer Naturaltauschwirtschaft, in der es kein Geld gibt, müßten Güter und Dienstleistungen unmittelbar getauscht werden. Der Dachdecker, der seine Leistungen anbietet und der ein Hemd für sich, einen Mantel für seine Frau und eine Stereoanlage für die Tochter erwerben möchte, müßte nicht nur einen Tauschpartner finden, der die gewünschten Dinge liefern kann; der Tauschpartner müßte auch bereit sein, sich als Gegenleistung, das Dach decken zu lassen. Der Hochschullehrer, der sich im Winterurlaub mit dem Sessellift auf die Berge befördern lassen möchte, müßte Liftbesitzer finden, die seinen Vorlesungen zuzuhören bereit sind. Es ist diese Notwendigkeit der doppelten Koinzidenz der Wünsche, die Transaktionen in der Naturaltauschwirtschaft schwierig macht und sie in vielen Fällen vereiteln würde. Komplizierte Ringtauschvorgänge, die mit erheblichen Transaktionskosten verbunden sind, wären notwendig, damit Transaktionen zustande kämen. Durch Geld wird der Tausch Ware gegen Ware in zwei Akte zerlegt: in den Tausch Ware gegen Geld und den Tausch Geld gegen Ware. Die Notwendigkeit der doppelten Koinzidenz der Wünsche entfällt, wenn Geld allgemein als Tauschmittel akzeptiert wird. Nur wenn es ein Medium gibt, das als allgemeines Tauschmittel dient, ist eine moderne arbeitsteilige Volkswirtschaft funktionsfähig. Die Transaktionskosten wären ohne ein solches Medium exorbitant hoch. Geld ist dieses Medium. Es erfüllt die Funktionen eines allgemeinen Tausch- und Zahlungsmittels.1

1

In seiner Funktion als Zahlungsmittel ist G e l d auch ein Mittel zur Tilgung von Schulden.

430

Drittes Kapitel: V o m Geld

Geld als Recheneinheit Geld macht es möglich, Güter und Dienstleistungen, aber auch Forderungen und Schulden in einer einheitlichen Bezugsgröße auszudrücken und vergleichbar zu machen. Geld fungiert als Recheneinheit. Wir drücken die Preise in Geld aus: eine Spülmaschine kostet 1 200 DM, ein Herrenoberhemd 60 DM und ein Pfund Kaffee acht DM. Wir sagen nicht, eine Spülmaschine koste zwanzig Hemden oder 150 Pfund Kaffee, obwohl dies die durch die Geldpreise bestimmten Tauschverhältnisse sind. Ohne Geld als allgemeine Recheneinheit hätten wir es nämlich mit einer riesigen Zahl von Tauschrelationen zu tun. Selbst wenn es nur 50 wohldefinierte Güter gäbe, wären wir mit 1 225 Austauschverhältnissen konfrontiert. Bei 1 000 Gütern gäbe es 499 500 Tauschrelationen.1 Buchführung, Kostenrechnung, betriebliches und volkswirtschaftliches Rechnungswesen sind ohne allgemeine Recheneinheit nicht möglich. In aller Regel wird das, was die Funktion des allgemeinen Tauschmittels erfüllt, auch Recheneinheit sein. Es wäre absurd, die DM als Tausch- und Zahlungsmittel zu benutzen, die Preise aber in Lira, Yen oder Dollar anzugeben. Geld als Wertaufbewahrungsmittel Wenn A am ersten des Monats sein Gehalt bekommt, braucht er das Geld nicht am gleichen Tag auszugeben. Er kann es am nächsten Tag, nach einer Woche oder noch später verwenden, um Güter und Dienstleistungen zu kaufen. Geld dient als Medium, um Kaufkraft in die Zukunft zu transferieren; es ist ein Wertaufbewahrungsmittel. Gegenüber Sparguthaben, Wertpapieren oder Sachvermögen hat es den Nachteil, daß es keine Erträge erbringt. Andererseits hat es gegenüber anderen Wertaufbewahrungsmitteln den Vorteil maximaler Liquidität: es kann jederzeit als Tauschmittel verwendet werden. Man kann es benutzen, um unmittelbar Güter und Dienstleistungen zu kaufen, während andere Wertaufbewahrungsmittel zuvor in Geld umgewandelt werden müssen. Geld ist nur ein Wertaufbewahrungsmittel unter vielen, aber es ist das temporäre Wertaufbewahrungsmittel. Es kann allerdings die Eigenschaft, Wertaufbewahrungsmittel zu sein, in Zeiten hoher Inflationsraten verlieren. Noten, Münzen und Sichtguthaben bei Banken sind Geld Geld erfüllt also die Funktion des allgemeinen Tausch- und Zahlungsmittels, der Recheneinheit und eines Wertaufbewahrungsmittels. Die Tausch- und Zahlungsmittelfunktion ist am wichtigsten. Da in aller Regel das als Recheneinheit dient, was allgemein als Tauschmittel akzeptiert wird, ist die Recheneinheitsfunktion von der Tauschmittelfunktion abgeleitet. Als temporäres Wertaufbewahrungsmittel dient Geld, weil es anderen Aktiva gegenüber den Vorteil größerer Liquidität hat. Es eignet sich also deshalb als temporäres Wertaufbewahrungsmittel, weil es allgemeines Tausch-

1

Bei n Gütern gibt es ^ ^

Tauschrelationen, da man die Anzahl aller möglichen Tauschrelationen

durch das Bilden aller 2-elementigen Teilmengen von der Menge aller Güter bekommt. Die Anzahl aller Teilmengen, die aus zwei Gütern bestehen, ist aber der Binominalkoeffizient (j)Für ihn gilt: fiA n! n-(n-l) UJ~2!(n-2)!~ 2

Drittes Kapitel: V o m Geld

431

mittel ist. Andererseits wird der Wunsch der Bürger, einen Teil ihres Vermögens in Form von Geld zu halten, auch durch die Eigenschaft des Geldes bestimmt, temporäres Wertaufbewahrungsmittel zu sein. Historisch sind die Funktionen des Geldes von unterschiedlichen Gegenständen erfüllt worden: Kaurimuscheln, Schildkrötenzähne, Rinder, Kamele, Salz, Spielkarten, Zigaretten, Edelmetalle und Banknoten haben als Geld gedient. In der Bundesrepublik werden die Geldfunktionen offensichtlich von Banknoten und Münzen erfüllt. Der größte Teil der Transaktionen wird jedoch abgewickelt, indem Sichtguthaben bei Banken transferiert werden. Die Sichtguthaben werden wie Noten und Münzen verwendet, wenn Zahlungen zu leisten sind. Sie werden allgemein als Tausch- bzw. Zahlungsmittel akzeptiert. Aus der Sicht der Bürger, die einen Teil ihres Geldes nicht in Form von Noten und Münzen, sondern in Form von jederzeit verfügbaren Guthaben bei Banken halten, bedeuten Sichtguthaben bei Geschäftsbanken, daß sie einen Teil der Kassenführung auf Banken übertragen haben. Sichtguthaben bei Banken sind Geld. 2.

Die Geldmengenbegriffe der Bundesbank

Die Geldmenge M, Die Bundesbank knüpft an unsere Überlegungen zum Geldbegriff an, wenn sie außer den Beständen an Banknoten und Münzen auch die Sichtguthaben von Nichtbanken bei Banken zur sogenannten Geldmenge M, zählt. Der Begriff der Geldmenge wird aber von ihr präzisiert. Sie läßt sich dabei von der Vorstellung leiten, daß zwischen der Geldmenge und der Gesamtnachfrage in der Volkswirtschaft ein wichtiger Zusammenhang besteht, weil die Wirtschaftssubjekte mit Geld unmittelbar beliebige Güter kaufen können. Die Geldmenge wird so abgegrenzt, daß dieser Zusammenhang möglichst deutlich wird. Die Bundesbank definiert: Geldmenge M, =

Noten und Münzen (ohne Kassenbestände der Banken) + Sichteinlagen inländischer Nichtbanken bei Banken (ohne Einlagen des Bundes im Bankensystem)

Nicht zur Geldmenge M, zählen: -

Kassenbestände der Banken, Sichteinlagen der Banken bei der Bundesbank, Sichteinlagen der Banken bei anderen Banken, Sichteinlagen von Ausländern bei deutschen Banken, Einlagen des Bundes im Bankensystem.

Die Bargeldbestände der Banken und die Sichteinlagen der Banken bei der Bundesbank stellen für die Banken eine Reserve dar, oder sie müssen zwangsweise als Mindestreserve gehalten werden. Anders als Bargeld oder Sichtguthaben der Nichtbanken dienen sie nicht dem Zweck, Käufe von Gütern und Dienstleistungen unmittelbar zu finanzieren. Wenn man die Geldmenge so definiert, daß der Zusammenhang zwischen Geldmenge und gesamtwirtschaftlicher Nachfrage besonders eng ist, ist es richtig, die als Barreserve der Geschäftsbanken dienenden Geldbestände nicht zur Geldmenge M,

Drittes Kapitel: Vom Geld

432

zu zählen. Die Einlagen des Bundes im Bankensystem werden nicht zur Geldmenge M, gerechnet, weil der Bund selbst geldpolitisch verantwortlich handelt. 1 "Anders als die vom inländischen Publikum gehaltene Liquidität wiesen sie in der Vergangenheit keinen starken Bezug zu der Entwicklung des Transaktionsvolumens auf." 2 Die Geldmenge M 2 Wenn man von der Zahlungsmittelfunktion ausgehend Sichtguthaben inländischer Nichtbanken bei Banken als Geld betrachtet, fragt es sich, ob nicht auch andere Aktiva, die leicht in Bargeld oder Sichtguthaben bei Banken umgewandelt werden können, als Geld anzusehen sind. Wenn z.B. Zahlungen erst zu einem späteren Zeitpunkt zu leisten sind, kann es vorteilhaft sein, Guthaben bei Banken nicht als Sichtguthaben, sondern wegen der Zinsen als Terminguthaben zu halten. Terminguthaben sind Guthaben bei Banken, die zu einem bestimmten vereinbarten Termin fällig sind (Festgelder) oder über die man nach einer bestimmten Kündigungsfrist verfügen kann (Kündigungsgelder). Vor allem wenn die Laufzeit kurz ist, sind Termingelder geldnahe Forderungen gegen Banken, die es ermöglichen, Güter und Dienstleistungen oder andere Aktiva zum gewünschten Zeitpunkt zu erwerben. Die Bundesbank rechnet daher Termineinlagen (mit einer Laufzeit von bis zu 4 Jahren) zu dem weiteren Geldmengenbegriff M 2 . Geldmenge M 2 =

Geldmenge M, + Termineinlagen mit einer Laufzeit bis zu 4 Jahren

Die Geldmenge M 3 Auch Spareinlagen mit kurzer Kündigungsfrist sind geldnahe Forderungen. In dem von der Bundesbank gebildeten Geldmengenbegriff M-, sind deshalb Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist enthalten. Das scheint auch deshalb sinnvoll, weil bis zu einem Betrag von 3 000 DM in jedem Monat über dieses Sparguthaben verfügt werden kann. Allerdings werden Sparguthaben relativ selten umgeschlagen, so daß nicht die Zahlungsmittelfunktion, sondern die Wertaufbewahrungsfunktion im Vordergrund steht. Die Geldmenge M 3 enthält alle Posititionen der Geldmenge M 2 und die Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist. Geldmenge M 3 =

Geldmenge M 2 + Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist

1

Seit dem 1. Januar 1994 sind die Haushalte von Bund und Ländern von der Einlagenpflicht bei der Notenbank entbunden.

2

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftichen Entwicklung, Jahresgutachten 1994/95, Den Aufschwung sichern, S. 115.

Drittes Kapitel: V o m Geld

433

" Mj erweitert " Eine für die Abgrenzung der Geldmenge wichtige Entwicklung ist die Bildung sogenannter Euromärkte. Darunter versteht man Einlagen- und Kreditgeschäfte in einer Währung, die außerhalb des Geltungsbereichs stattfinden, in dem die betrachtete Währung gesetzliches Zahlungsmittel ist. So gibt es einen Euro-DM-Markt für Einlagen und Kredite auf DM außerhalb der Bundesrepublik. Einlagen von Inländern bei Auslandsfilialen oder Auslandstöchtern deutscher Kreditinstitute stellen häufig geldnahe Forderungen dar. Die Bundesbank berücksichtigt diese Entwicklung, indem sie seit 1990 zusätzlich die Geldmenge "M-, erweitert" ausweist, die außer den in M , enthaltenen Positionen die Einlagen inländischer Nichtbanken bei Auslandsfilialen und Auslandstöchtern inländischer Kreditinstitute enhält. Es hat sich gezeigt, daß auch kurzfristige Bankschuldverschreibungen ein Substitut für die in M 3 enthaltenen Bankeinlagen sind. Deshalb sind auch sie in "M-, erweitert" enthalten. M 3 erweitert =

3.

M3 + Einlagen von inländischen Nichtbanken bei Auslandsfilialen und Auslandstöchtern inländischer Kreditinstitute + Inhaberschuldverschreibungen im Umlauf bei inländischen Kreditinstituten mit einer Laufzeit unter zwei Jahren

Geschäftsbankengeld, Zentralbankgeld und monetäre Basis

Die Geldmenge im Sinne von M, besteht aus Geschäftsbankengeld und Zentralbankgeld. Geschäftsbankengeld sind die Sichtguthaben inländischer Nichtbanken bei Banken, über die jederzeit durch Scheck oder Überweisung verfügt werden kann. Das Geschäftsbankengeld wird häufig auch als Buch- oder Giralgeld bezeichnet. Das ist mißverständlich, weil auch die Sichtguthaben bei der Zentralbank Buchgeld sind, die jedoch kein Geschäftsbankengeld, sondern Zentralbankgeld sind. Zentralbankgeld ist das unmittelbar von der Zentralbank geschaffene Geld. Es besteht aus Bargeld in Form von Noten und Münzen (einschließlich der Kassenbestände der Kreditinstitute) und aus Sichtguthaben bei der Zentralbank. Zentralbankgeld = Noten und Münzen + Sichtguthaben bei der Zentralbank Das Zentralbankgeld ist im Besitz der Geschäftsbanken und der privaten und öffentlichen Nichtbanken. Das Zentralbankgeld der Geschäftsbanken besteht aus den Einlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank und aus dem Bargeldbestand der Geschäftsbanken. Es wird auch "Barreserve" der Geschäftsbanken genannt. Das Zentralbankgeld der Nichtbanken besteht aus den Sichtguthaben der Nichtbanken bei der Zentralbank und den Bargeldbeständen der öffentlichen und privaten Nichtbanken. Die Bargeldbestände der Nichtbanken werden Bargeldumlauf genannt. Mit dem Eintritt in die zweite Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Januar 1994 wurden die Kassenkredite der Deutschen Bundesbank an Bund und Länder abge-

434

Drittes Kapitel: Vom Geld

schafft. Zugleich wurden die Haushalte des Bundes und der Länder von der Einlagenpflicht bei der Bundesbank entbunden. Seitdem können Bund und Länder ihre liquiden Mittel bei den Kreditinstituten halten. Den Zentralbankguthaben der öffentlichen Nichtbanken kommt nur noch eine zu vernachlässigende Bedeutung zu. Die Kreditinstitute sind verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einlagen als Sichtguthaben bei der Zentralbank zu halten. Diese obligatorischen Einlagen der Kreditinstitute werden Mindestreserven genannt. Der die Mindestreserven übersteigende Teil der Barreserve der Banken, über die sie frei verfügen können, heißt Uberschußreserve. Die Summe aus den Zentralbankgeldbeständen der Kreditinstitute (= Barreserve) und den Bargeldbeständen der Nichtbanken (= currency outside banks) ist die monetäre Basis, die auch Geldbasis genannt wird. Monetäre Basis (B) = Bargeldbestand der Nichtbanken (C) + Zentralbankgeld der Kreditinstitute (= Barreserve R) Bezeichnen wir die monetäre Basis mit B, den Bargeldbestand der Nichtbanken mit C und die Barreserve der Geschäftsbanken mit R, können wir schreiben: B =C+R Demgegenüber war die Geldmenge im Sinne von M, definiert als Noten und Münzen ohne Kassenbestände der Banken (= Bargeldbestand der Nichtbanken C) plus Sichteinlagen inländischer Nichtbanken bei Banken. Verwenden wir das Symbol D für die Sichteinlagen inländischer Nichtbanken bei Banken, so gilt: M, = C + D B.

Das Geldangebot

In einer modernen Volkswirtschaft gibt es zwei Produzenten von Geld: die Zentralbank und die Geschäftsbanken. Die Zentralbank produziert das Zentralbankgeld, das außer Noten und Münzen die Sichtguthaben bei der Zentralbank umfaßt. Die Bundesbank ist die Zentralbank der Bundesrepublik. Nach § 3 des Bundesbankgesetzes regelt sie den Geldumlauf und die Kreditversorgung mit dem Ziel, die Währung zu sichern. Nach § 12 des Bundesbankgesetzes ist die Bundesbank verpflichtet, unter Wahrung ihrer Aufgabe die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen. Sie ist für die Geldpolitik verantwortlich. Die Bundesbank ist von Weisungen der Bundesregierung unabhängig. Das oberste Organ der Bundesbank ist der Zentralbankrat. Er besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten, den sonstigen Mitgliedern des Direktoriums und den Präsidenten der Landeszentralbanken. Der Zentralbankrat tagt im allgemeinen alle 14 Tage donnerstags. Das Exekutivorgan, das die Beschlüsse des Zentralbankrats ausführt, ist das Direktorium. Es leitet und verwaltet die Bank. Das Direktorium besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und bis zu acht weiteren Mitgliedern, die eine besondere fachliche Eignung besitzen müssen.

Drittes Kapitel: Vom Geld

435

In der Bundesrepublik hat allein die Bundesbank das Recht zur Ausgabe von Banknoten. Das sogenannte Münzregal, also das Recht Münzen zu prägen, hat nach Artikel 73 des Grundgesetzes der Bund. Da der Nennwert der Münzen über den Herstellungskosten liegt, erzielt der Bund einen Münzgewinn. In Umlauf gebracht werden die Münzen von der Bundesbank, die dem Bund in Höhe des Nennwerts der Münzen ein Sichtguthaben einräumt. 1.

Die Schaffung von Zentralbankgeld

Um Geld in Form von Noten und Münzen zu schaffen, müssen Münzen geprägt und Noten gedruckt werden. Zu Zentralbankgeld werden Noten und Münzen aber erst, wenn sie in Umlauf gebracht werden, also in die Hände der Geschäftsbanken und Nichtbanken gelangen. Wie geschieht das? Man könnte sich vorstellen, daß aus besonderem Anlaß (Geburtstag des Bundeskanzlers) Helikopter starten, in Frankfurt (dem Sitz der Bundesbank) mit Noten beladen werden, die dann über den Wohngebieten abgeworfen werden. Einfacher wäre es, wenn die Notenbank Zentralbankgeld schafft, indem sie den Geschäftsbanken einen bestimmten Betrag als Sichtguthaben einräumt (den die Geschäftsbanken in Noten oder Münzen umwandeln können) und die Geschäftsbanken verpflichtet, den Bürgern bestimmte Beträge auf ihren laufenden Konten gutzuschreiben. Die Bürger der Bundesrepublik haben auf diese Art ihr Geldvermögen bisher nicht erhöhen können. Zentralbankgeld wird auf die dargestellte Art nicht geschaffen. 1 Zentralbankgeld entsteht, indem die Zentralbank Aktiva kauft, die kein Geld der heimischen Wirtschaft sind, und mit Forderungen auf sich zahlt, die Zentralbankgeld darstellen. Man nennt diesen Vorgang Monetisierung von Aktiva. Erstes Beispiel: Die Bundesbank kauft von einer Geschäftsbank Devisen, die kein Geld der heimischen Wirtschaft sind, und zahlt, indem sie der Bank den Gegenwert als Sichtguthaben gutschreibt. Da das Sichtguthaben der Geschäftsbank bei der Bundesbank Zentralbankgeld darstellt, ist durch diesen Vorgang Zentralbankgeld geschaffen worden. Zweites Beispiel: Die Bundesbank kauft von einer Geschäftsbank Wechsel und zahlt mit einem Sichtguthaben. Durch den Ankauf des Wechsels hat die Bundesbank ein Aktivum erworben, das kein Geld darstellt, und mit einer Forderung gegen sich gezahlt, die Zentralbankgeld ist. In den §§ 19-25 des Bundesbankgesetzes ist festgelegt, welche Aktiva die Bundesbank erwerben kann. Dies sind vor allem Forderungen gegen das Ausland (Währungsreserven und sonstige Auslandsaktiva) und Forderungen aus Kreditgeschäften mit Kreditinstituten. Solche Kreditgeschäfte sind die Rediskontierung von Wechseln, bei denen Wechsel unter Abzug des Diskontsatzes von der Bundesbank angekauft werden, oder

1

Allerdings ist im Zuge der Währungsreform von 1948, als die Bürger ein Kopfgeld von 60 DM erhielten, Zentralbankgeld auf eine vergleichbare Art entstanden. Doch wurde selbst bei der Währungsreform das Kopfgeld nur im Austausch gegen (wertloses) Altgeld (Reichsmark) abgegeben.

Drittes Kapitel: Vom Geld

436

Lombardkredite, bei dem Kredite gegen Verpfändung von Wertpapieren gewährt werden, oder Kredite, bei denen im Rahmen von Offenmarktgeschäften Wertpapiere mit Rücknahmevereinbarung gekauft werden. Die Entstehung von Zentralbankgeld findet ihren Niederschlag in der Bilanz der Zentralbank. Eine vereinfachte Zentralbankbilanz weist die folgenden Positionen auf.1 Aktiva 1. 2.

3.

Zentralbankbilanz

Nettoauslandsaktiva Kredite an Banken a. Rediskontierte Wechsel b. Lombardkredite c. Forderungen aus Pensionsgeschäften Wertpapiere

4. 5.

Passiva

Bargeldumlauf Einlagen von Kreditinstituten

Die linke Seite der Zentralbankbilanz zeigt die Entstehung des Zentralbankgeldes, die rechte Seite die Verwendung. Zentralbankgeld entsteht durch Zunahme der Nettoauslandsaktiva, Kreditvergabe oder Kauf von Wertpapieren. Eine Zunahme der Posten auf der Aktivseite führt dazu, daß zusätzliches Zentralbankgeld entsteht. Da die Zentralbank das Notenmonopol hat und Zahlungsmittel emittieren kann, die gesetzliches Zahlungsmittel sind, gibt es für die Zentralbank in einer geschlossenen Volkswirtschaft kein Liquiditätsproblem. Sie kann ihre Verbindlichkeiten mit Geld bezahlen, das sie selbst schaffen kann. Es gibt keine ökonomische Grenze, wohl aber eine gesetzliche Begrenzung der Geldschöpfung. Nach § 3 des Bundesbankgesetzes ist die Bundesbank verpflichtet, für Stabilität des Preisniveaus zu sorgen. Da das Preisstabilitätsziel durch eine zu große Wachstumsrate der Geldmenge gefährdet wird, ist der Bundesbank Geldschöpfung in beliebiger Höhe untersagt. Eine Verpflichtung zur Deckung der ausgegebenen Banknoten und zum Eintausch der Noten etwa gegen Edelmetalle gibt es nicht.2 Daher hat die Tatsache, daß der Notenumlauf auf der Passivseite der Bilanz der Bundesbank ausgewiesen wird, nur fiktiven Charakter. Die Inhaber von Banknoten haben keinen Anspruch, daß die Bundesbank ihnen die Banknoten gegen Gold oder andere Edelmetalle umtauscht. 2.

Die Schaffung von Geschäftsbankengeld

Geschäftsbankengeld wird geschaffen, wenn sich die Summe der Sichtguthaben inländischer Nichtbanken bei Banken (D) erhöht.

1

Vereinfachend wurde von Geschäften der Notenbank mit privaten Nichtbanken abstrahiert. Die Kassenbestände der Geschäftsbanken, die nicht zum Bargeldumlauf zählen, wurden nicht berücksichtigt. Zu beachten ist auch, daß die Bundesbank seit Inkrafttreten der zweiten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion keine direkten Kredite an öffentliche Stellen mehr vergeben darf.

2

Nach dem Reichsbankgesetz von 1875 war die Reichsbank verpflichtet, ein Drittel des Notenumlaufs durch Gold zu decken. In der Zeit der Goldwährung gab es eine Eintauschpflicht der Zentralbank von Banknoten in Gold.

437

Drittes Kapitel: Vom Geld

Die passive Schaffung von Geschäftsbankengeld Nehmen wir an, daß der Kunde einer Bank 1000 DM in bar einzahlt. Der Betrag werde als Sichtguthaben auf dem Girokonto des Kunden verbucht. Da das Sichtguthaben Geschäftsbankengeld darstellt, ist durch diesen Vorgang Geschäftsbankengeld geschaffen worden. In der Bilanz der Geschäftsbank schlägt sich der Vorgang wie folgt nieder: Aktiva Bargeld

Geschäftsbank +

1000

|

Sichtverbindlichkeiten

Passiva +

1000

Man bezeichnet diesen Vorgang auch als passive Schöpfung von Geschäftsbankengeld. Bemerkenswert ist, daß die Geldmenge nicht verändert wurde. Wir hatten die Geldmenge (im Sinne von M,) definiert als: M =C+D Es waren C der Bargeldumlauf (ohne Kassenbestände der Kreditinstitute = currency outside banks) und D die Sichteinlagen inländischer Nichtbanken bei Banken. Infolge der Transaktion ist der Bargeldumlauf C um den gleichen Betrag gesunken, um den die Sichtguthaben bei Banken D gestiegen sind.1 Die aktive Schaffung von Geschäftsbankengeld Von dem Vorgang der passiven Geldschöpfung ist die aktive Schaffung von Geschäftsbankengeld zu unterscheiden, bei dem Geschäftsbankengeld entsteht, indem die Geschäftsbanken Aktiva monetisieren. Kauft zum Beispiel eine Geschäftsbank von einer Nichtbank Wertpapiere und wird der Betrag dem Kunden auf dessen Girokonto gutgeschrieben, so erhöhen sich nicht nur die Sichteinlagen von Nichtbanken bei Banken, sondern auch die Geldmenge. Aktiva Wertpapiere

Geschäftsbank +

1000

|

Sichtverbindlichkeiten

Passiva +

1000

Der Erhöhung der Sichtverbindlichkeiten der Geschäftsbank, der eine Zunahme der Sichtguthaben bei Banken (D) entspricht, steht in diesem Fall keine kompensierende Abnahme von C gegenüber, so daß wegen M=C+D die Geldmenge um den Betrag gestiegen ist, um den sich D erhöht hat. Aktive Schaffung von Geschäftsbankengeld, durch die die Geldmenge M steigt, findet in der Realität vor allem dadurch statt, daß Geschäftsbanken Kredite an den Staat oder private Nichtbanken vergeben. Sie erwerben als Aktiva Forderungen und räumen den Kunden in Höhe der Kredite Sichtguthaben ein.

1

Passive Geldschöpfung liegt auch vor, wenn Spar- oder Termineinlagen in Sichteinlagen umgewandelt werden. In diesen Fällen steigt die Geldmenge im Sinne von M,, nicht aber im Sinne von M 3 .

438

Drittes Kapitel: V o m Geld

Im Gegensatz zur Zentralbank gibt es für die Geschäftsbanken ein Liquiditätsproblem, da sie jederzeit auf Verlangen Sichtguthaben in Bargeld umtauschen müssen. Die Geschäftsbanken müssen Zahlungen in einem Gelde leisten, das sie selbst nicht schaffen können. Die Banken müssen deshalb über Reserven (R = Bargeld oder Sichtguthaben bei der Zentralbank) verfügen. Wenn die Sichtverbindlichkeiten zu 100 Prozent durch Zentralbankgeld gedeckt sind, kann die Geldmenge M = C + D nicht größer als die monetäre Basis B = C + R sein.' Ist nämlich R = D (sind also die Verbindlichkeiten zu 100 Prozent durch die Reserve gedeckt), so ist die Geldmenge M gleich der monetären Basis. Die Zentralbank bestimmt in diesem Fall über die Geldbasis B unmittelbar auch die Geldmenge M. Die Geschäftsbanken könnten zwar Geschäftsbankengeld, aber kein Geld im Sinne von M schaffen. Tatsächlich ist die Geldmenge M ein Mehrfaches der Geldbasis B. Die täglich fälligen Verbindlichkeiten der Banken (D) sind ein Vielfaches der Reserven der Banken (R). Dies bedeutet, daß durch die Tätigkeit der Banken nicht nur Geschäftsbankengeld, sondern auch Geld im Sinne von M (M, oder M 2 oder M 3 ) geschaffen wird.

3.

Der Prozeß der multiplen Geldschöpfung

Wie können Bankiers ruhig schlafen, wenn ihre täglich fälligen Verbindlichkeiten ein Mehrfaches ihrer Barreserven betragen? Die Bankiers schlafen ruhig, -

weil sie aus Erfahrung wissen, daß sich im Normalfall Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge die Waage halten,

-

weil in der Regel nur ein Teil der Überweisungen an Kunden anderer Banken geht und die Barreserven verringert,

-

weil sie durch Kreditaufnahme oder durch Verkäufe und Beleihung von Aktiva zusätzlich Zentralbankgeld bei einer anderen Bank oder bei der Zentralbank erhalten können.

Wir wollen uns diese Zusammenhänge mit Hilfe einer häufig erzählten historischen Parabel verdeutlichen.

1

Wir vernachlässigen die Sichtguthaben von Nichtbanken bei der Notenbank.

Drittes Kapitel: Vom Geld

439

Eine historische Parabel In der guten alten Zeit war nur Gold allgemeines Tausch- und Zahlungsmittel. Es gab kein Papiergeld. Nur Gold war Geld. Da die Goldschmiede über besonders sichere Safes verfügten, deponierten viele Bürger dort ihre Goldvorräte. Sie erhielten für das deponierte Gold eine Quittung, bei deren Vorlage die Goldschmiede sich verpflichteten, das bei ihnen deponierte Gold auszuzahlen. Die Bürger, die ihr Gold bei den Goldschmieden deponiert hatten, stellten fest, daß es einfacher war, die Bescheinigung über das deponierte Gold zu transferieren, wenn sie etwas kaufen wollten, als zuerst das deponierte Gold beim Goldschmied abzuheben, um es dem Verkäufer zu übergeben, der es dann seinerseits wieder zu einem Goldschmied gebracht hätte. Da sich im Laufe der Zeit nicht nur die Goldschmiede, sondern auch ihre Quittungen eines wachsenden Vertrauens erfreuten, wurden die Quittungen über deponiertes Gold allgemein als Zahlungsmittel akzeptiert. Sie waren Geld. Man nannte sie Banknoten und die Geschäfte der früheren Goldschmiede Banken. Die aktive, für laufende Transaktionen verwendete Geldmenge, hatte sich dadurch nicht erhöht. Denn in dem Maße, indem Geld in Form von Banknoten geschaffen worden war, war Gold in die dunklen Gewölbe und sicheren Safes der Banken abgeflossen. Es diente als Barreserve und wurde nicht für laufende Zahlungen verwendet. Die zu Bankiers avancierten Goldschmiede entdeckten, daß es besser war, das bei ihnen deponierte Gold nicht zu kennzeichnen. Sie verpflichteten sich nur, eine bestimmte Menge an Gold auszuzahlen, nicht aber die Goldstücke, die bei ihnen hinterlegt waren. Diese Anonymität unterscheidet eine Bank von der Gepäckaufbewahrung, bei der man einen Anspruch hat, seinen eigenen Koffer und nicht irgendeinen anderen bei Vorlage des Gepäckaufbewahrungsscheins zu erhalten. Die neuen Bankiers beobachteten, daß ihre Goldvorräte keineswegs gleichzeitig abgerufen wurden, obwohl sie jederzeit bei Vorlage der Banknoten fällig waren. Da sich die täglichen Einzahlungen und Auszahlungen in etwa die Waage hielten, konnten sie ihre Auszahlungsverpflichtungen mit einem Bruchteil ihrer gesamten Einlagen erfüllen. Sie erkannten, daß eine hundertprozentige Barreserve nicht notwendig war. Einzelne Banken gingen dazu über, den als Barreserve nicht benötigten Teil der Goldvorräte wieder auszuleihen, also Kredite zu vergeben. Sie erlangten dadurch gegenüber den konservativen Bankiers, die an einer hundertprozentigen Deckung der Banknoten festhielten, einen Konkurrenzvorteil. Da nämlich die Kreditnehmer Zinsen zahlten, konnten sie auf die Gebühren verzichten, die die konservativen Bankiers von ihren Kunden als Depotgebühr verlangten. Der Wettbewerb bewirkte, daß alle dem Beispiel der progressiven Bankiers folgen mußten. Da im Ergebnis nur noch ein Teil der umlaufenden Banknoten durch das deponierte Gold gedeckt war, war Geld als Summe der für laufende Transaktionen verwendeten Zahlungsmittel geschöpft worden. Im Laufe der Zeit entzogen die Staaten den Banken das Recht, Banknoten auszugeben und schufen ein staatliches Monopol. Die staatlichen Banknoten wurden gesetzliches Zahlungsmittel. Die Noten und Münzen sind in der Bundesrepublik die einzigen gesetzlichen Zahlungsmittel und müssen von allen Wirtschaftssubjekten im Inland zur Tilgung von Zahlungsverpflichtungen angenommen werden. Die staatlichen Banknoten traten an die Stelle des Goldes als definitives Zahlungsmittel. Die Banken können heute nicht mehr Geld in Form von Banknoten schöpfen, weil ihnen die Ausgabe von Noten verboten ist. Aber sie können Geld in Form von Sichtguthaben schaffen, die Geld sind, weil sie allgemein als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Die Form der Geldschöpfung hat sich geändert, nicht aber die Substanz. So wie die Goldschmiede wissen die Geschäftsbanken aus Erfahrung, daß sie nur einen Teil ihrer Sichtverbindlichkeiten durch Zentralbankgeld in Form von Noten und Münzen oder Sichtguthaben bei der Bundesbank decken müssen.

440

Drittes Kapitel: Vom Geld

Multiple Geldschöpfung: Ein Beispiel Die Geldschöpfungsfähigkeit des Bankensystems ist begrenzt, weil die Geschäftsbanken auf Verlangen Zahlungen in einem Geld leisten müssen, das sie selbst nicht schaffen können. Die Banken müssen, um jederzeit ihren Auszahlungsverpflichtungen nachkommen zu können, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Sichtverbindlichkeiten als Reserve halten. Sie halten diese Reserven in Form von Sichtguthaben bei der Bundesbank oder in Form von Bargeld. In der Bundesrepublik sind die Banken verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einlagen als sogenannte Mindestreserve zinslos bei der Bundesbank zu halten. Diese Mindestreserven können ihnen zugleich als Liquiditätsreserve dienen.1 Im folgenden wird der Prozeß der multiplen Geldschöpfung des Bankensystems an einem einfachen Beispiel dargestellt und gezeigt, daß das Ausmaß der Geldschöpfung davon abhängt, wie hoch der Prozentsatz der Einlagen ist, der als Mindestreserve gehalten werden muß. Es wird in unserem Beispiel angenommen, daß die Notenbank den Geschäftsbanken vorschreibt, Mindestreserven in Höhe von zwanzig Prozent ihrer Sichtverbindlichkeiten zu halten. Die Differenz zwischen den tatsächlichen Barreserven und den Mindestreserven sind die Überschußreserven. Es wird unterstellt, daß die Banken keine zinslosen Überschußreserven halten wollen und stets Kredite in Höhe der Überschußreserven vergeben. Die Notenbank möge von der Geschäftsbank X ein Wertpapier im Wert von 1 000 DM kaufen und mit Zentralbankgeld zahlen. Die 1 000 DM Zentralbankgeld sind für die Bank X eine Überschußreserve. Die Bank X vergibt einen Kredit über 1 000 DM. Der Bankkunde verfügt über diesen Betrag, um eine Forderung eines Lieferanten zu bezahlen. Der Betrag wird deshalb auf das Konto überwiesen, das der Lieferant bei der A - Bank hat. In der Bilanz der A - Bank nehmen infolge der Überweisung der Zentralbankgeldbestand und die Sichtverbindlichkeiten um 1000 DM zu. Diese Sichtverbindlichkeiten sind für die Bankkunden Sichtguthaben bzw. Sichteinlagen. Aktiva

A - Bank Zentralbankgeld + 1000

Passiva Sichtverbindlichkeiten + 1000

nachrichtlich: Mindestreserven + 200 Überschußreserven + 800

1

Siehe dazu die Ausführungen über die Mindestreservepolitik im Abschnitt C dieses Kapitels.

441

Drittes Kapitel: V o m Geld

Die A - Bank muß in Höhe von zwanzig Prozent der zusätzlichen Sichtverbindlichkeiten Mindestreserven halten. Da sie über zusätzliches Zentralbankgeld von 1 000 DM verfügt, ergibt sich bei der A - Bank eine Überschußreserve von 800 DM. In Höhe der Überschußreserve vergibt die A - Bank zusätzliche Kredite, über die die Kreditnehmer verfügen. Die Aktivseite der A - Bank enthält jetzt die Veränderung der Mindestreserven und die Zunahme der Kredite. Aktiva Mindestreserven Kredite

A - Bank + +

200 800

Aktiva Mindestreserven Kredite

Sichtverbindlichkeiten

B - Bank + +

160 640

Aktiva Mindestreserven Kredite

Passiva

Sichtverbindlichkeiten

128 512

1000

Passiva

C - Bank + +

+

+

800

Passiva Sichtverbindlichkeiten

+

640

Der Kreditnehmer der A - Bank überweist den Betrag von 800 DM auf ein Konto bei der B - Bank, bei der sich die Sichteinlagen um 800 DM erhöhen. Auf diese zusätzlichen Sichteinlagen von 800 DM müssen zwanzig Prozent als zusätzliche Mindestreserven in Höhe von 160 DM gehalten werden. Der B - Bank verbleibt eine Überschußreserve von 640 DM, über die sie Kredite vergibt. Der Kreditnehmer überweist den Betrag auf ein Konto bei der C - Bank, die Kredite von 512 DM vergibt. Der dargestellte Prozeß der multiplen Geldschöpfung setzt sich fort. Da die Sichtguthaben inländischer Nichtbanken bei Banken Geld (Geschäftsbankengeld) sind, hat sich die Geldmenge erhöht. AM = 1 000 + 800 + 640 + 5 1 2 + ... AM = 1 000 - ( 1 + 0 , 8 + 0,64 + 0,512 + ...) A M = 1 000 • ( 1 + 0,8 + 0,8 2 + 0,8 3 + ...) Der Klammerausdruck ist eine unendliche geometrische Reihe. Durch Anwendung der Summenformel für die geometrische Reihe erhält man: 1 1000 AM = 1000 • — — = - — = 5000 1-0,8 0,2 In unserem Beispiel war 0,2 der Mindestreservesatz, für den wir im folgenden allgemein r schreiben werden. Durch jede zusätzliche Mark Zentralbankgeld werden Sichtverbindlichkeiten in Höhe von 1/r DM generiert. Wenn wir die monetäre Basis als B schreiben, gilt:

442

Drittes Kapitel: Vom Geld

AM = - • AB r Die Logik dieser Formel ergibt sich aus der folgenden einfachen Überlegung: Wenn die Banken nur die vorgeschriebenen Mindestreserven als Barreserven halten, muß eine Überschußreserve von tausend DM das Bankensystem veranlassen, die Kredite auszudehnen, bis die zusätzlichen Mindestreserven um tausend DM gestiegen sind, weil erst dann die Überschußreserve abgebaut worden ist. Wenn aber nur zwanzig Prozent der Sichteinlagen als Mindestreserven gehalten werden, steigen die Mindestreserven nur dann um tausend Mark, wenn die Sichteinlagen um 1 000 DM/0,2 = 5 000 DM steigen. Wenn also nur der Bruchteil r der Sichteinlagen D als Mindestreserven R gehalten wird (R = r • D) müssen die Sichteinlangen um 1/r DM für jede Mark steigen, die dem Bankensystem als Überschußreserve zufließt. Der Geldschöpfungsprozeß kann sich allerdings nur dann in der geschilderten Art abspielen, wenn es bei wachsenden Sichteinlagen nicht zu einem Bargeldabfluß kommt, so daß die Geschäftsbanken kein Zentralbankgeld an die Nichtbanken verlieren. Ein solcher Bargeldabfluß tritt ein, wenn die Bankkunden einen Teil ihrer Sichtguthaben in bar abheben. Mit einem solchen Bargeldabfluß ist grundsätzlich zu rechnen. Deshalb soll ein einfaches Modell gebildet werden, in dem der Geldschöpfungsmultiplikator unter der Annahme abgeleitet wird, daß die Nichtbanken stets einen durch die Zahlungsgewohnheiten bestimmten konstanten Teil ihres Geldes in Form von Sichtguthaben und einen anderen Teil in Form von Bargeld halten. Ein einfaches Geldangebotsmodell Wir hatten uns schon klar gemacht, daß die Geldschöpfungsfähigkeit des Bankensystems durch die Notwendigkeit, Mindestreserven zu halten, begrenzt wird. Bezeichnen wir die Mindestreserven mit R, die Sichteinlagen der Nichtbanken bei Banken mit D und den Mindestreservesatz mit r, so ist r = R/D oder R = r • D. Das Geldschöpfungspotential der Banken hängt auch davon ab, welchen Anteil der Geldmenge die Nichtbanken in Form von Bargeld (C) und in Form von Sichtguthaben (D) zu halten wünschen. Wenn die Nichtbanken ihr gesamtes Geld in Form von Bargeld hielten, gäbe es keine Sichteinlagen bei Banken. Die Geschäftsbanken könnten kein Geld schöpfen. Bezeichnen wir den Quotienten aus Bargeld der Nichtbanken (C) und Sichteinlagen der Nichtbanken bei Banken (D) als Bargeldquote k, so ist k = C/D und C = k • D. Unsere Überlegungen zeigen, daß das Geldschöpfungspotential des Bankensystems um so größer ist, je kleiner die Bargeldquote k ist.' Wir können ein einfaches Modell bilden. Die Definition der Geldmenge M war: M = C+D

1

Häufig wird auch C/M als Bargeldquote bezeichnet. Es ist C/M = k/(l+k).

(1)

Drittes Kapitel: V o m Geld

443

B =C+R

(2)

R=r D

(3)

Die Geldbasis war definiert als

Die Barreserven sind

Aus der Definition der Bargeldquote ergab sich C=k D

(4)

M = k D +D= (l+k)D

(5)

Wir setzen (4) in (1) ein und erhalten

Wir setzen (3) und (4) in (2) ein B = k D + r D = (k + r ) D

(6)

Dividiert man Gleichung (5) durch Gleichung (6), erhält man M B oder

1+k k+r

(7)

M =^ - B k+r

(8)

Man nennt den Bruch (l+k)/(r+k) den Geldmultiplikator (oder auch Geldschöpfungsmultiplikator), für den meist das Symbol m verwendet wird. M=m B

(9)

Ist zum Beispiel k = 0,4 und r = 0,1, erhält man m = 1,4/0,5 = 2,8. Ist r = 1, werden also die Einlagen zu 100 Prozent durch Barreserven gedeckt, ist der Multiplikator unabhängig von der Bargeldquote gleich 1. Die Geldmenge ist gleich der Geldbasis. 4.

Modifikation des Geldangebotsprozesses

Die Darstellung des Geldangebots im letzten Abschnitt könnte den Eindruck erwecken, daß es sich bei der Bestimmung der Geldmenge lediglich um eine einfache algebraische Aufgabe handelt. Die Zentralbank schöpft Zentralbankgeld und determiniert die monetäre Basis. Das nicht durch Mindestreserven gebundene Zentralbankgeld wird von den Banken verwendet, um Kredite zu vergeben. Der Geldschöpfungsspielraum wird durch das Bankensystem vollständig ausgeschöpft. Die Geldmenge (M) ergibt

444

Drittes Kapitel: V o m Geld

sich als Produkt aus der Geldbasis (B) und dem Geldmultiplikator (m). Bei einer solchen mechanistischen Sicht werden wichtige Aspekte des Geldangebotsprozesses übersehen. In der Bundesrepublik können sich die Banken zusätzlich Zentralbankgeld verschaffen, indem sie Geldmarktpapiere' an die Zentralbank verkaufen, Wechsel rediskontieren lassen oder Wertpapiere beleihen. Sie können damit rechnen, regelmäßig im Rahmen sogenannter Wertpapierpensionsgeschäfte, bei denen die Zentralbank von den Kreditinstituten Wertpapiere ankauft und gleichzeitig per Termin verkauft, Zentralbankgeld zu erhalten. Die Banken verfügen also über freie Liquiditätsreserven und damit über potentielles Zentralbankgeld. In welchem Maße sie Geschäftsbankengeld schaffen, indem sie freie Liquiditätsreserven nutzen, um Kredite zu vergeben, hängt vom Verhalten der Banken ab. Banken sind Unternehmen, die bestrebt sind, ihren Gewinn zu maximieren. Sie treffen ihre Entscheidungen unter Unsicherheit. Bei unerwarteten Abflüssen von Zentralbankgeld müssen sie Auszahlungswünschen ihrer Kunden jederzeit nachkommen können. Sie halten ein unter Rentabilitäts- und Liquiditätsaspekten aus ihrer Sicht optimales Portfolio. Kredite sind für die Banken die rentabelste Anlageform. In welchem Maße sie ihr Kreditvolumen ausdehnen, hängt ab -

vom Umfang der freien Liquiditätsreserven, von den Sollzinsen, die sie erhalten, wenn sie Kredite vergeben, von der Höhe der Zinsen bei alternativen Vermögensanlagen, von den Zinsen, die sie selbst zahlen müssen, wenn sie sich bei der Zentralbank verschulden, von den Kosten, die ihnen entstehen, wenn sie bemüht sind, kreditwürdige Kunden zu finden, um zusätzliche Kredite zu vergeben.

Das Kreditvolumen der Geschäftsbanken und damit das Geldangebot in der Volkswirtschaft wird also ceteris paribus um so größer sein, je höher der Sollzins der Banken ist und je niedriger die Zinserträge alternativer Anlageformen und je niedriger ihre Refinanzierungskosten sind. C.

Die geldpolitischen Instrumente der Bundesbank

Die Bundesbank hat nach § 3 des Bundesbankgesetzes die Aufgabe, die "Währung zu sichern". Sie ist nach § 12 des Bundesbankgesetzes verpflichtet, unter "Wahrung ihrer

1

Geldmarktpapiere sind verbriefte Forderungen, die auf dem sogenannten Geldmarkt gehandelt werden. Es handelt sich u m kurzfristige Wertpapiere, deren Verzinsung durch die Bundesbank bestimmt wird. D i e wichtigsten Geldmarktpapiere sind Schatzwechsel und sogenannte unverzinsliche S c h a t z a n w e i s u n g e n , die Schuldtitel der öffentlichen Hand sind. Schatzwechsel haben e i n e Laufzeit von bis zu 9 0 Tagen. Schatzanweisungen sind Wertpapiere mit einer Laufzeit zwischen drei und 2 4 Monaten. Die Papiere werden beim A n k a u f diskontiert. Der Rückzahlungsbetrag, der g l e i c h d e m Nennwert ist, liegt also über dem Ankaufspreis. Bei den unverzinslichen S c h a t z a n w e i s u n g e n ist zu unterscheiden zwischen Papieren, die in die Geldmarktregulierung e i n b e z o g e n sind und jederzeit an die Bundesbank verkauft werden können, und sogenannten N-Titeln, die grundsätzlich nicht vor Fälligkeit an die Bundesbank zurückgegeben werden können. D e r Markt, auf dem Geldmarktpapiere gehandelt werden, ist nur ein Teilmarkt d e s Geldmarktes. Ein anderer Teilmarkt ist der Markt, auf dem Zentralbankgeld unter Geschäftsbanken z u m Z w e c k des Liquiditätsausgleichs gehandelt wird.

Drittes Kapitel: V o m G e l d

445

Aufgabe" die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen. Im "Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" vom Juni 1967 werden Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und stetiges sowie angemessenes Wirtschaftswachstum als Ziele der Wirschaftspolitik genannt. Die Bundesbank ist also unter "Wahrung ihrer Aufgabe" auf diese Ziele verpflichtet. Ihr primäres Ziel ist aber die Stabilität des Preisniveaus. Im Fall eines Zielkonfliktes kommt diesem Ziel Vorrang zu. Der Bundesbank stehen zur Erfüllung ihrer Aufgaben verschiedene geldpolitische Instrumente zur Verfügung, durch die sie das Kreditangebotsverhalten der Banken steuern kann. Da die Geldschöpfung der Banken vor allem durch Kredite an Nichtbanken erfolgt, kann sie mit diesen Instrumenten das Geldangebot in der Volkswirtschaft steuern. 1.

Die Refinanzierungspolitik

Die Geschäftsbanken können sich durch Verkauf von Wechseln und Beleihung von Wertpapieren Zentralbankgeld beschaffen. Die Festlegung der Bedingungen für die Rediskontierung von Wechseln wird Diskontpolitik, die Festlegung der Bedingungen für die Beleihung von Wertpapieren wird Lombardpolitik genannt. a.

Diskontpolitik

Im Rahmen der Diskontpolitik unterscheidet man: 1) Die Diskontsatzpolitik, die in der Festsetzung des Diskontsatzes durch die Bundesbank besteht. Der Diskontsatz ist der auf Jahresbasis angegebene Zinssatz, den die Bundesbank den Geschäftsbanken bei der Diskontierung von Wechseln unter Berücksichtigung der Restlaufzeit berechnet. Die Geschäftsbank, die einen Wechsel an die Zentralbank verkauft, erhält also als Kredit nicht die gesamte Wechselsumme, sondern nur einen Betrag, der um den Diskont reduziert worden ist.' 2) Quantitative Refinanzierungspolitik Die Geschäftsbanken können sich durch Diskontierung von Wechseln nicht in beliebiger Höhe bei der Bundesbank refinanzieren. Die Bundesbank begrenzt nämlich die Höhe des den Banken insgesamt zur Verfügung stehenden Diskontkredits durch sogenannte Rediskontkontingente. Der Gesamtbetrag der Rediskontkontingente wird durch den Zentralbankrat festgesetzt. Die insgesamt verfügbaren Diskontkredite werden nach einem bestimmten Schlüssel auf die Kreditinstitute aufgeteilt. 2 Die nicht ausgenutzten Rediskontkontingente der Banken sind ein Teil ihrer freien Liquiditätsreserven. Die quantitative Diskontpolitik besteht in der Veränderung des Gesamtrahmens der Diskontkontingente durch die Bundesbank.

1

Ein Diskontsatz von vier Prozent pro Jahr bedeutet, daß bei einem Wechsel über 10 0 0 0 D M mit einer Laufzeit von drei Monaten ein Betrag von 9 9 0 0 D M (= 10 0 0 0 - 1/4 • 0 , 0 4 • 10 0 0 0 ) ausgezahlt wird.

2

Für die einzelnen Geschäftsbanken werden Normrediskontkontingente festgesetzt, die sich an den haftenden Mitteln und der spezifischen Geschäftsstruktur orientieren.

446

Drittes Kapitel: Vom Geld

3) Qualitative Diskontpolitik Im Rahmen der qualitativen Refinanzierungspolitik wird bestimmt, welche Anforderungen an das rediskontfähige Material gestellt werden. Nach § 19 des Bundesbankgesetzes müssen die Wechsel nach spätestens drei Monaten fällig sein und drei Unterschriften als zahlungsfähig bekannter Verpflichteter tragen. Als "zahlungsfähig bekannt" gelten nur diejenigen, für die eine hinreichende Beurteilung ihrer finanziellen Verhältnisse möglich ist. Geldpolitisch motivierte Veränderungen der qualitativen Anforderungen an das rediskontfähige Material spielen praktisch keine Rolle. b.

Lombardpolitik

Wie bei der Diskontpolitik kann man bei der Lombardpolitik die Lombardsatzpolitik, die quantitative und die qualitative Lombardpolitik unterscheiden. Im Unterschied zur Diskontpolitik hat die Lombardpolitik nur die Funktion, kurzfristige Liquiditätsengpässe der Kreditinstitute zu überbrücken. Anders als bei den durch die Diskontpolitik eröffneten Refinanzierungsmöglichkeiten soll mit Hilfe des Lombardkredits also kein Beitrag zur Geldversorgung einer wachsenden Volkswirtschaft geleistet werden. Der Ausnahmecharakter des Lombardkredits findet seinen Niederschlag in der Tatsache, daß der Lombardsatz immer über dem Diskontsatz liegt. Der Abstand zum Diskontsatz hat in Phasen restriktiver Geldpolitik drei Prozent betragen. Auch Lombardkredite sind auf maximal drei Monate befristet. Das Bundesbankgesetz enhält einen Katalog beleihbarer Wertpapiere. Im Regelfall gibt es beim Lombardkredit keine quantitativen Beschränkungen. Die Bundesbank hat aber die Möglichkeit, Grenzen für die Inanspruchnahme des Lombardkredits festzulegen. Sie kann die Beleihung von Wertpapieren ganz einstellen und hat dies in der Vergangenheit auch getan. c.

Wirkungen der Refinanzierungspolitik

Die Wirkungsweise der Refinanzierungspolitik soll am Beispiel der Diskontpolitik beschrieben werden. Diskontsatzpolitik Wenn die Zentralbank eine kontraktive Wirkung erzielen will, wird sie den Diskontsatz erhöhen und dadurch die Refinanzierung für die Geschäftsbanken verteuern. Umgekehrt wird sie durch Senkung des Diskontsatzes die Refinanzierung der Kreditinstitute erleichtern, um eine expansive Wirkung zu erzielen. Wir wollen die Wirkung der Diskontsatzpolitik am Beispiel einer Erhöhung des Diskontsatzes genauer beschreiben. Wird der Diskontsatz erhöht, verteuert sich der Diskontkredit für die Banken. Sie werden in geringerem Maße Diskontkredite in Anspruch nehmen. Da durch einen Diskontkredit an die Geschäftsbanken Zentralbankgeld geschaffen wird, führt eine Erhöhung des Diskontsatzes über sinkende Diskontkredite zu einer sinkenden monetären Basis. Dies wirkt sich tendenziell über den Geldmultiplikator auf das Geldangebot aus. Wegen M =m• B sinkt die Geldmenge um m-A B, wenn die monetäre Basis um AB sinkt.

Drittes Kapitel: V o m Geld

447

In welchem Maße allerdings die monetäre Basis bei einer Diskonterhöhung sinkt, hängt unter anderem davon ab, ob die Geschäftsbanken sich auf andere Weise Zentralbankgeld verschaffen können, indem sie zum Beispiel Geldmarktpapiere an die Zentralbank verkaufen. Die Notenbank kann jedoch auch die Kreditkosten erhöhen, die den Banken beim Verkauf von Geldmarktpapieren entstehen, und sie kann die Banken durch kontraktiven Einsatz anderer geldpolitischer Instrumente im Rahmen einer sogenannten Zangenpolitik "in die Notenbank" zwingen. Obwohl keine direkte Kopplung der Soll- und Habenzinsen an den Diskontsatz besteht, werden die Banken als Folge steigender Diskontsätze die Sollzinsen erhöhen. Der Wettbewerb der Banken, die sich wegen der gestiegenen Kosten des Wechselkredits verstärkt um Einlagen der Kunden als Finanzierungsquelle für ihre Kredite bemühen, wird tendenziell auch zu steigenden Habenzinsen führen. Ob es bei einem Anstieg der kurzfristigen Zinsen auch zu Zinserhöhungen auf dem Kapitalmarkt kommt, ist nicht ganz eindeutig zu beurteilen. Rechnen Kreditnehmer damit, daß die Zinsen auch in Zukunft hoch sein werden, werden sie bemüht sein, sich bei dem zunächst noch niedrigen Kapitalmarktzins langfristig zu verschulden. Die Kreditnachfrage steigt bei sinkendem Kreditangebot. Der langfristige Zinssatz wird steigen. Andererseits können die Marktteilnehmer in der kontraktiven Geldpolitik auch ein Indiz für eine konsequente Antiinflationspolitik sehen. Infolge sinkender Inflationserwartungen kann dies bewirken, daß der langfristige Zins nicht steigt, sondern sinkt. Veränderung der Rediskontkontingente Eine Erhöhung der Rediskontkontingente stellt eine den Liquiditätsspielraum der Banken erweiternde expansive geldpolitische Maßnahme dar, während eine Senkung der Rediskontkontingente kontraktiv wirkt. Nehmen wir an, die Notenbank senke die Rediskontkontingente. Die Geschäftsbanken müssen, sofern sie ihre Rediskontkontingente ausgeschöpft haben, auf andere Refinanzierungsquellen ausweichen. Sind die Rediskontkontingente nicht ausgeschöpft, so vermindern sich die freien Liquiditätsreserven, zu denen die nicht ausgenutzten Rediskontkontingente zählen. Im allgemeinen werden die Banken durch die eingeschränkten Refinanzierungsmöglichkeiten veranlaßt, auch bei der Kreditvergabe zurückhaltender zu sein. Das sinkende Kreditangebot der Banken führt tendenziell zu steigenden Sollzinsen. Bei steigenden Kreditzinsen fragen die Nichtbanken weniger Kredite nach. Werden die Rediskontkontingente nicht gekürzt, sondern aufgestockt, treten die entgegengesetzten Wirkungen ein. Sofern allerdings Aufstockungen der Rediskontkontingente dem Zweck dienen, den Banken das bei einer wachsenden Wirtschaft notwendige zusätzliche Zentralbankgeld zur Verfügung zu stellen, ist eine Erhöhung der Rediskontkontingente nicht als diskretionäre expansive geldpolitische Maßnahme zu bewerten. Tatsächlich war in der Vergangenheit der Ankauf von Handelswechseln das bevorzugte Mittel, um langfristig eine wachsende Wirtschaft mit Zentralbankgeld zu versorgen.

448

2.

Drittes Kapitel: Vom Geld

Die Offenmarktpolitik

Unter Offenmarktpolitik versteht man den An- und Verkauf von Wertpapieren durch die Zentralbank für eigene Rechnung, also gegen Zentralbankgeld, am offenen Markt. Mit dem Ausdruck offener Markt war in England ursprünglich der Markt gemeint, zu dem im Gegensatz zum geschlossenen Geldmarkt alle Zugang hatten. Auch in der Bundesrepublik finden Offenmarktgeschäfte nicht nur mit Kreditinstituten, sondern seit 1971 auch mit Nichtbanken statt. In § 21 des Bundesbankgesetzes sind die Wertpapiere aufgezählt, die die Bundesbank zur Regelung des Geldmarktes am offenen Markt kaufen und verkaufen kann. Aus dem Katalog der zugelassenen Wertpapiere wählt die Bundesbank die Papiere aus, die sie jeweils einsetzt. Dabei kann es sich um kurzfristige oder um langfristige festverzinsliche Wertpapiere handeln, die also zum Teil dem Geldmarkt und zum Teil dem Kapitalmarkt zuzuordnen sind. Bei den kurzfristigen Papieren kann es sich um solche handeln, die in die sogenannte Geldmarktregulierung einbezogen sind und jederzeit an die Bundesbank zurückgegeben werden können, oder um Papiere, bei denen prinzipiell kein Rückkauf vor Fälligkeit stattfindet und die deshalb höher verzinst werden.' Die Art und Weise, in der Offenmarktgeschäfte abgewickelt werden, hängt davon ab, ob es sich um Operationen auf dem Geldmarkt oder auf dem Kapitalmarkt handelt. Bei Offenmarktgeschäften auf dem Kapitalmarkt agiert die Bundesbank wie die anderen Marktteilnehmer auch, die Wertpapiere kaufen und verkaufen. Die Kurse bilden sich durch Angebot und Nachfrage. Auf dem Geldmarkt bestimmt die Bundesbank die Konditionen, zu denen Geldmarktpapiere ge- und verkauft werden. Wachsende Bedeutung haben in den letzten Jahren Offenmarktgeschäfte mit Rückkaufsvereinbarung (Wertpapierpensionsgeschäfte) gewonnen. Die Bundesbank kauft lombardfähige festverzinsliche Wertpapiere und vereinbart, daß sie zu einem bestimmten Termin zurückgekauft werden. Dabei wendet die Bundesbank grundsätzlich das sogenannte Tenderverfahren an. Sie legt die Menge der Papiere fest, die sie ankauft, und damit indirekt die Zentralbankguthaben, die den Kreditinstituten befristet zur Verfügung gestellt werden. Beim sogenannten Mengentender legt die Bundesbank Menge und Zinssatz fest. Die Geschäftsbanken geben die Beträge an, über die sie Wertpapiere an die Bundesbank zu verkaufen wünschen. Ist der Gesamtbetrag an Zentralbankgeld, den die Bundesbank durch Ankauf von Wertpapieren den Geschäftsbanken befristet zur Verfügung stellen will, kleiner als der von den Banken insgesamt nachgefragte Betrag, werden die Beträge durch Anwendung einer einheitlichen Quote zugeteilt. Die Bundesbank läuft beim Mengentender allerdings die Gefahr, daß das von ihr gewünschte Volumen bei dem festgelegten Zinssatz nicht unterzubringen ist.

1

In den vergangenen Jahren sind nur noch Titel ohne Ankaufszusage abgegeben worden, die nicht jederzeit bei der Bundesbank gegen Zentralbankguthaben zurückgegeben werden können.

Drittes Kapitel: Vom Geld

449

Im Gegensatz zum Mengentender müssen die Banken beim sogenannten Zinstender Angebote unterbreiten, bei denen sie den Zinssatz angeben, zu dem sie bereit sind, Pensionsgeschäfte abzuschließen. Die Chance, bei der Zuteilung berücksichtigt zu werden, ist bei diesem Verfahren um so größer, je höher der gebotene Zinssatz ist.1 Die Wirkung der Offenmarktpolitik Der Kauf von Wertpapieren durch die Zentralbank stellt eine expansive, der Verkauf von Wertpapieren eine kontraktive geldpolitische Maßnahme dar. Wenn die Zentralbank Wertpapiere kauft, wird die Zentralbankgeldmenge durch Monetisierung von Aktiva erhöht. Verkauft die Zentralbank Wertpapiere, sinkt die Zentralbankgeldmenge. Wenn die Geschäftsbanken Partner der Zentralbank bei den Offenmarktgeschäften sind, verändern sich in den Bilanzen der Geschäftsbanken die Positionen Zentralbankgeld und Wertpapiere. Kauf von Wertpapieren durch die Zentralbank Aktiva

Geschäftsbank

Zentralbankgeld Wertpapiere

Passiva

+100 -100

Verkauf von Wertpapieren durch die Zentralbank Aktiva Zentralbankgeld Wertpapiere

Geschäftsbank

Passiva

-100 + 100

Wenn also die Notenbank Wertpapiere von den Geschäftsbanken kauft, erhöht sich die monetäre Basis, während sie sinkt, wenn die Notenbank Wertpapiere verkauft. Die Geldmenge, etwa im Sinne von M,, ändert sich infolge der Transaktion unmittelbar nicht. Die gewünschte Änderung der Geldmenge tritt erst ein, wenn sich die Kreditvergabe der Geschäftsbanken als Folge der veränderten Bestände an Zentralbankgeld ändert. Wenn also zum Beispiel die Zentralbank Wertpapiere an die Geschäftsbanken verkauft, tritt der angestrebte kontraktive Effekt hinsichtlich der Geldmenge M, erst ein, wenn die Kreditinstitute die Kredite an die Geschäftsbanken reduzieren. Der Geldschöpfungsmultiplikator gibt an, wie stark die Geldmenge bei gegebener Reduktion der monetären Basis sinkt, wenn der Verlust an Zentralbankgeld nur durch Einschränkung der Kreditvergabe an Nichtbanken ausgeglichen wird. In diesem Fall ist AM = m -AB

1

Man unterscheidet das holländische und das amerikanische Zuteilungsverfahren. Siehe dazu: Die Deutsche Bundesbank. Geldpolitische Aufgaben und Instrumente, Sonderdruck der Deutschen Bundesbank Nr. 7, Fünfte Auflage, Frankfurt 1989, S. 32 f.

450

Drittes Kapitel: Vom Geld

Das ist jedoch ein grob vereinfachtes Bild der Wirkungen, die sich bei einem Verkauf von Wertpapieren durch die Zentralbank tatsächlich ergeben. Analysieren wir deshalb die Wirkungen etwas genauer, die eintreten, wenn die Zentralbank im Rahmen einer kontraktiven Geldpolitik Wertpapiere an die Geschäftsbanken verkauft. Der Bestand an Zentralbankgeld bei den Kreditinstituten sinkt. Das hat Auswirkungen auf die Liquidität, die aber entscheidend davon abhängt, welche Papiere die Kreditinstitute erworben haben. Handelt es sich um kurzfristige Titel, die jederzeit an die Zentralbank zurückgegeben werden können, so haben die Banken Geldmarktpapiere erworben, die sich hinsichtlich der Liquidität kaum von Zentralbankgeld unterscheiden. Das Kreditschöpfungspotential der Geschäftsbanken ändert sich praktisch nicht. Etwas anders sieht es aus, wenn die Bundesbank kurzfristige Wertpapiere verkauft, bei denen sie sich verpflichtet, sie zu einem bestimmten Termin zurückzukaufen. Auch in diesem Fall ändert sich der Gesamtbetrag der freien Liquiditätsreserven nicht. Es ändert sich jedoch die Struktur der Liquiditätsreserven. Um die Geschäftsbanken zu veranlassen, die Wertpapiere zu kaufen, muß die Notenbank den Kurs senken, so daß sich die Verzinsung erhöht. Es ergibt sich ein Anstieg der Geldmarktzinsen, da das Angebot an Zentralbankgeld sinkt. Relativ zur Verzinsung der Geldmarktpapiere hat sich die Verzinsung alternativer Anlagen verschlechtert. Wenn in der Ausgangssituation die Struktur der Aktiva nach Auffassung der Kreditinstitute optimal war, wird es als Folge der Veränderung der Struktur der Aktiva und der Veränderung der relativen Renditen zu einer Umschichtung der Aktiva und dabei auch zu einer Reduktion des Kreditangebots kommen. Die kontraktiven Wirkungen sind ausgeprägter, wenn die Bundesbank Geldmarktpapiere ohne Rückkaufzusage oder langfristige Wertpapiere an die Geschäftsbanken verkauft. In diesem Fall sinken nicht nur die Zentralbankgeldbestände der Kreditinstitute, sondern auch die freien Liquiditätsreserven und damit das Kreditschöpfungspotential. Anders als bei Offenmarktgeschäften mit Geschäftsbanken kann die Zentralbank die Geldmenge unmittelbar verändern, wenn sie Offenmarktpapiere von Nichtbanken kauft oder an Nichtbanken verkauft. Es sei angenommen, daß die Zentralbank Wertpapiere (im Wert von 100) an Nichtbanken verkauft. Diese zahlen, indem sie den Betrag aus ihrem Sichtguthaben bei Geschäftsbanken an die Zentralbank überweisen lassen. Die Sichtguthaben der Nichtbanken bei den Geschäftsbanken nehmen ab. Die Kreditinstitute verlieren Zentralbankgeld. Die Vorgänge schlagen sich auf den Konten von Nichtbanken und Geschäftsbanken wie folgt nieder: Aktiva Wertpapiere Sichtguthaben bei Banken

Aktiva Zentralbankgeld

Nichtbanken

Passiva

+100 -100

Geschäftsbanken -100

Sichtverbindlichkeiten

Passiva -100

Drittes Kapitel: Vom Geld

451

Die unmittelbare Wirkung des Verkaufs von Wertpapieren an die Nichtbanken ist eine Verringerung der Geldmenge M, um 100, da sich die Sichtguthaben der Nichtbanken bei Banken, die Bestandteil von M, sind, verringert haben. Außerdem ist die Barreserve der Geschäftsbanken um 100 gesunken, ohne daß den Kreditinstituten gleichzeitig freie Liquiditätsreserven zugeflossen sind. Der Verlust an Zentralbankgeld wird deshalb zu weiteren Reaktionen der Geschäftsbanken führen. Dabei wird es auch zu einer Beschränkung der Kreditvergabe an Nichtbanken kommen.' 3.

Die Mindestreservepolitik

Die Mindestreserven sind Einlagen, die die Geschäftsbanken zinslos bei der Bundesbank halten müssen. Nach § 16 des Bundesbankgesetzes kann die Notenbank verlangen, daß die Banken einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einlagen als Mindestreserven bei ihr halten müssen. Dieser Prozentsatz der Einlagen ist der Mindestreservesatz. Er ist der eigentliche Aktionsparameter bei der Mindestreservepolitik. Die Mindestreservepolitik besteht darin, durch Variation des Mindestreservesatzes die Mindestreserven zu steuern und damit das Geldangebot zu beeinflussen. Bezugsgrundlage für den Mindestreservesatz können Posten der Aktivseite der Bilanz der Geschäftsbanken (wie zum Beispiel das Kreditvolumen) oder Positionen der Passivseite (wie zum Beispiel die Sichteinlagen) sein. Im ersten Fall spricht man von einer Aktivreserve, im zweiten Fall von einer Passivreserve. In der Bundesrepublik knüpft die Mindestreserveverpflichtung an Posten der Passivseite an. Mindestreservepflichtig sind Sichteinlagen, Termineinlagen und Spareinlagen, für die jeweils unterschiedlich hohe Mindestreservesätze festgelegt werden. 2 Die Mindestreservesätze sind für Sichteinlagen am höchsten und für Spareinlagen am niedrigsten. Es gibt gesetzliche Höchstgrenzen für die Mindestreservesätze. Sie betragen 30 Prozent für Sichteinlagen, 20 Prozent für Termineinlagen und 10 Prozent für Spareinlagen. Für Einlagen Gebietsfremder kann die Bundesbank zur Abwehr von Geldzuflüssen aus dem Ausland einen Mindestreservesatz von bis zu 100 Prozent festsetzen. Die Bundesbank hat auch die Möglichkeit, besondere Mindestreservesätze für den Zuwachs an Verbindlichkeiten gegenüber einer Referenzperiode festzulegen. Vor allem gegenüber den Einlagen Gebietsfremder hat sie diese Möglichkeit in der Vergangenheit genutzt. Die Mindestreservesätze sind nach dem Umfang der reservepflichtigen Verbindlichkeiten der Kreditinstitute gestaffelt. Unterschreiten die Ist-Reserven einer Geschäftsbank das Reservesoll, erhebt die Bundesbank auf den Differenzbetrag einen Sonderzins, der um drei Prozentpunkte über dem Lombardsatz liegt. Das Mindestreservesoll für einen Monat ergibt sich durch Anwendung der Reservesätze auf den Durchschnitt der reservepflichtigen Verbindlichkeiten. Der durchschnittliche Bestand an inländischen gesetzlichen Zahlungsmitteln wird auf das Reservesoll angerechnet. Da das Mindestreservesoll nur im Monatsdurchschnitt erfüllt werden muß, können die Banken bei kurzfristigen

1

Es muß allerdings berücksichtigt werden, daß sich als Folge der Abnahme der Sichteinlagen bei Banken auch die Mindestreserveverpflichtungen reduzieren.

2

Seit Mai 1986 sind auch bestimmte Buchverbindlichkeiten und Verbindlichkeiten aus Inländerschuldverschreibungen reservepflichtig. Siehe dazu: Die Deutsche Bundesbank. Geldpolitische Aufgaben und Instrumente, Sonderdruck der Deutschen Bundesbank Nr. 7, Fünfte Auflage, Frankfurt 1989, S. 59.

452

Drittes Kapitel: Vom Geld

Liquiditätsengpässen über ihre Zentralbankguthaben verfügen. Die Banken halten deshalb im allgemeinen keine höheren Guthaben bei der Bundesbank als sie zur Erfüllung ihrer Mindestreserveverpflichtungen benötigen. Die Überschußreserven genannten Beträge, um die die tatsächlichen Reserven das Reservesoll übersteigen, sind daher sehr gering und belaufen sich in der Regel auf weniger als ein Prozent des Reservesolls. Die Wirkungsweise der Mindestreservepolitik Durch Variation des Mindestreservesatzes verändert sich das durch den Geldschöpfungsmultiplikator 1 +k m =—r+ k bestimmte Geldschöpfungspotential der Geschäftsbanken. Eine Erhöhung des Mindestreservesatzes r bedeutet, daß der Nenner größer und der Multiplikator kleiner wird. Wegen M =m • B wird das Geldschöpfungspotential der Geschäftsbanken reduziert. Umgekehrt erhöht es sich, wenn der Mindestreservesatz r gesenkt wird. In der Realität nutzen die Geschäftsbanken den Geldschöpfungsspielraum nicht voll aus. Sie verfügen über freie Liquiditätsreserven in Form von Überschußreserven (die allerdings in der Bundesrepublik relativ unbedeutend sind), Beständen an inländischen Geldmarktpapieren, über unausgenutzte Rediskontkontingente, und sie haben außerdem die Möglichkeit, sich Zentralbankgeld durch Lombardkredite zu beschaffen. Im Falle einer Erhöhung des Mindestreservesatzes haben die Geschäftsbanken deshalb die Möglichkeit, durch Verminderung der freien Liquiditätsreserven ohne Einschränkung der Kreditvergabe, der kontraktiven Wirkung der Mindestreservesatzerhöhung gegenzusteuern. Umgekehrt kann eine Mindestreservesatzsenkung verpuffen, wenn die Geschäftsbanken lediglich ihre freien Liquiditätsreserven aufstocken. Allerdings ist ein solches Verhalten im allgemeinen nicht zu erwarten. Die Banken werden in der Ausgangssituation in bezug auf ihre Aktiva ein aus ihrer Sicht unter Rentabilitäts-, Liquiditäts- und Risikoaspekten optimales Portfolio gehalten haben. Bei zunächst unveränderter Verzinsung der Aktiva wird dieses Portfoliogleichgewicht durch die Veränderung des Mindestreservesatzes gestört. Durch eine Erhöhung des Mindestreservesatzes vermindern sich die freien Liquiditätsreserven, denn die Banken benötigen zusätzlich Zentralbankgeld, das sie sich durch Reduktion der Überschußreserve, zusätzliche Diskontkredite oder Verkauf von Geldmarktpapieren an die Zentralbank verschaffen müssen. Um ein aus der Sicht der Banken optimales Portfolio wiederherzustellen, werden sie in der Regel jedoch auch die Kreditvergabe einschränken. Das Geldangebot sinkt. Wenn die Zentralbank die Mindestreservesätze erhöht, erhöht sich der Zentralbankgeldbedarf der Banken. Die Nachfrage nach Zentralbankgeld am Geldmarkt steigt. Dies bewirkt einen Anstieg des Geldmarktzinses.

Drittes Kapitel: V o m Geld

453

Bei konstanten Sollzinsen für Kredite sinkt die relative Rentabilität der Kreditvergabe. Dies wird tendenziell zu einer Erhöhung der Kreditzinsen und damit ceteris paribus zu sinkenden Krediten führen. Die Notenbank kann den mit einer Veränderung des Mindestreservesatzes verbundenen Zinseffekt verstärken, indem sie bei einer Erhöhung des Mindestreservesatzes den Diskontsatz und den Lombardsatz und die von ihr festgesetzten Zinssätze für Geldmarktpapiere erhöht, oder sie bei einer Mindestreservesatzsenkung herabsetzt. D.

Die G e l d n a c h f r a g e

Geld dient als Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel. Damit Geld die Funktion als Recheneinheit erfüllen kann, braucht man kein Geld zu halten. Geld kann jedoch nur dann als Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel dienen, wenn die Wirtschaftssubjekte einen Teil ihrer Vermögen in Form von Geld halten. Geld wird nachgefragt, weil es Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel ist. Dabei versteht man unter der Geldnachfrage, den Wunsch der Wirtschaftssubjekte, einen bestimmten Geldbetrag als Kasse zu halten. Geldnachfrage bedeutet also gewünschte Kassenhaltung. Sie ist Nachfrage nach Geld als Bestandsgröße (Bestandsnachfrage). Die Nachfrage bezieht sich auch auf den Betrag, den die Wirtschaftssubjekte bereits als Geld halten. Dadurch unterscheidet sich das Konzept der Bestandsnachfrage von der üblichen Verwendung des Begriffs Nachfrage. Wenn wir zum Beispiel von der Nachfrage nach Autos sprechen, beziehen wir die Nachfrage auf diejenigen, die sich ein neues oder gebrauchtes Auto zu kaufen wünschen. Man bezieht die Nachfrage nicht auf die Gesamtheit aller Autos, die die Wirtschaftssubjekte bei alternativen Preisen zu besitzen wünschen. Die Geldnachfragetheorien knüpfen an die Tauschmittelfunktion und die Wertaufbewahrungsfunktion an. Sie unterscheiden sich dadurch, ob sie die Tauschmittelfunktion oder die Wertaufbewahrungsfunktion stärker betonen. Geldnachfragetheorien, die die Tauschmittelfunktion des Geldes betonen, nennt man Transaktionstheorien der Geldnachfrage. Wird primär auf die Wertaufbewahrungsfunktion abgestellt, spricht man von Portfoliotheorien der Geldnachfrage. 1.

Die Geldnachfrage als Funktion des Einkommens

Bei der Transaktionstheorie steht im Vordergrund, daß man Geld braucht, um Güter und Dienstleistungen zu kaufen. Man muß Geld halten, weil Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen. Würden alle Zahlungen zu dem Zeitpunkt geleistet, in dem Zahlungen empfangen werden, brauchte man kein Geld zu halten. Die Notwendigkeit der Kassenhaltung ergibt sich aus der unvollständigen Synchronisation von Zahlungseingängen und Zahlungsausgängen. Die Geldnachfrage ist eine Funktion des Grades der Synchronisation der Ein- und Auszahlungen und der Summe aller Transaktionen der Wirtschaft. Bei gegebenem, zumindest kurzfristig durch die Zahlungsgewohnheiten bestimmten Synchronisationsgrad, ist die gewünschte Kassenhaltung eine Funktion des Wertes aller Transaktionen. Wir drücken dies durch die Geldnachfragefunktion M d aus: M" = k • P • T

454

Drittes Kapitel: V o m Geld

In dieser Gleichung ist M d die Geldnachfrage, k ein sogenannter Kassenhaltungskoeffizient, T der Realwert der Transaktionen und P ein Durchschnittspreis. Da der Realwert der Tansaktionen statistisch schlecht erfaßt werden kann, ersetzt man den Realwert der Transaktionenen T meistens durch das reale Bruttoinlandsprodukt Y und den Gesamtwert der Transaktionen P T durch das nominale Bruttoinlandsprodukt P • Y. Dabei wird unterstellt, daß der Gesamtwert der Transaktionen in etwa proportional zum nominalen Bruttoinlandsprodukt ist. Als Geldnachfragefunktion erhält man: Md = k • Y • P Dabei nahmen "die Klassiker" an, daß k eine im wesentlichen durch die Zahlungsgewohnheiten bestimmte Konstante ist.1 Im Gleichgewicht muß das Geldangebot gleich der Geldnachfrage sein. Anders gesagt: die tatsächliche Kassenhaltung - die Geldmenge M - ist im Gleichgewicht gleich der gewünschten Kassenhaltung. Es ist M = Md. Wir erhalten: M = k • Y •P Diese Gleichung wird auch als Cambridge-Gleichung bezeichnet. Der Kassenhaltungskoeffizient k ist der Teil des nominalen Einkommens, der in Form von Geld gehalten wird. Ist also das für ein Jahr ermittelte nominale Inlandsprodukt (= nominales Einkommen) viermal so groß wie die Geldmenge, so ist k = 1/4. Die durchschnittliche Kassenhaltungsdauer beträgt ein Vierteljahr. Wenn k konstant ist, ist durch die vorgegebene Geldmenge M das nominale Inlandsprodukt P • Y bestimmt. Dies kann graphisch mit Hilfe von Abbildung 3.1 erläutert werden, in der das nominale Inlandsprodukt P • Y auf der Abszisse und die Geldmenge M auf der Ordinate abgetragen wird. Abb. 3.1

Geldmenge

M

nominales Inlandsprodukt

P-Y

1

D e r in der Gleichung M d = k • Y • P verwendete Kassenhaltungskoeffizient k ist natürlich nicht mit dem zuvor in der Gleichung Md = k • P • T verwendeten Koeffizienten identisch.

Drittes Kapitel: Vom Geld

455

Durch den Schnittpunkt der in Höhe des Geldangebots horizontal verlaufenden Geraden mit der Ursprungsgeraden, deren Steigung k ist, ergibt sich das nominale Inlandsprodukt, das wir auf der Abszisse ablesen. Umlaufgeschwindigkeit und Quantitätsgleichung Man kann den gerade aufgezeigten Zusammenhang zwischen der Geldmenge und dem nominalen Inlandsprodukt auch mit Hilfe des Konzepts der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes darstellen. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ist definiert als Quotient aus dem Wert aller Transaktionen P • T und der Geldmenge M: v - L I

M

Die Umlaufgeschwindigkeit gibt an, wie oft die Geldmenge in einem Jahr umgeschlagen wird, wie oft also eine Mark im Durchschnitt für Zahlungen benutzt wird. Sie ist der reziproke Wert des Kassenhaltungskoeffizienten k. Multipliziert man die obige Gleichung mit M, erhält man die sogenannte Quantitätsgleichung, die zu Ehren von Irving Fisher (1867 - 1947) auch Fishersche Verkehrsgleichung genannt wird: M

V=P

T

Wir wollen den wichtigen Begriff der Umlaufgeschwindigkeit zunächst mit Hilfe einer kleinen Geschichte erläutern. A und B, zwei Studenten der Wirtschaftswissenschaften, erkennen, daß ihre Einkünfte nicht ausreichen, um einen "angemessenen" Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Um ihr Einkommen aufzubessern, fassen sie den Plan, den Rest ihres Geldes in ein Faß Bier zu investieren, das sie in der im Nachbarort gelegenen Brauerei kaufen, um es in kleinen Bechern zu hohen Preisen (5 DM pro Becher) auf einer Sportveranstaltung zu verkaufen. Mit einem Handwagen holen sie das Faß Bier an der Brauerei ab. Sie zahlen bar und während A keinen Pfennig mehr hat, beläuft sich der Kassenbestand des B auf genau 5 DM. Schon nach kurzer Wegstrecke überrascht B seinen Freund A mit der Bemerkung: "Der erste Käufer ist bereits gefunden", übergibt die 5 DM an A und verlangt ein Bier. Wenig später erkennt auch A die tiefe Weisheit des alten Spruchs "Durst wird durch Bier erst schön", verlangt ein Bier und gibt B die 5 DM zurück. Die Sonne brennt, der Weg ist mühsam, die Frustrationstoleranz des B begrenzt. Mit den Worten "Lieber Lust statt Frust" verlangt er gegen 5 DM ein Bier. Um eine lange Geschichte abzukürzen: Als A und B schließlich am Ziel ankommen, sind sie breit wie Harry, das Faß Bier aber ist leer. Als sie am nächsten Tag wieder nüchtern sind, fragen sie sich, wie es möglich ist mit 5 DM ein ganzes Faß Bier zu kaufen. Um dieses ökonomische Rätsel zu lösen, stürzen sie sich in die Lektüre wirtschaftswissenschaftlicher Fachliteratur. Sie stoßen auf den Begriff der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und die Quantitätsgleichung M • V = P • T.

456

Drittes Kapitel: V o m Geld

A und B erkennen, daß der Wert aller Transaktionen sich als Produkt aus Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit ergibt. Sie konnten mit 5 DM ein ganzes Faß Bier kaufen, weil die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes groß war. Anders gesagt: die monetäre Nachfrage ergab sich aus M • V. Stellt man statt auf den Wert aller Transaktionen P • T auf das nominale Inlandsprodukt P • Y ab, schreibt man M - V = P - Y. In dieser Gleichung ist V nicht die Transaktionsgeschwindigkeit, sondern die sogenannte Einkommmenskreislaufgeschwindigkeit des Geldes, die angibt, wie häufig eine Mark im Durchschnitt für Einkommenszahlungen verwendet worden ist. Diese Einkommenskreislaufgeschwindigkeit ist definiert als

Die Quantitätsgleichung M • V = P • Y ergibt sich also aus der Definitionsgleichung für V, indem man die letzte Gleichung mit M multipliziert. Sie stellt eine stets erfüllte Identität dar. Sie kann nicht falsch sein. Die Quantitätsgleichung ist dennoch nützlich, weil wir mit ihrer Hilfe erkennen, daß sich eine oder mehrere Variablen ändern müssen, wenn sich der Wert einer anderen Variablen verändert. Wenn sich also zum Beispiel die Geldmenge ändert, so muß sich entweder die Umlaufgeschwindigkeit V, das Preisniveau P oder das reale Inlandsprodukt ändern, damit die Identität gewahrt bleibt. Von der Quantitätsgleichung zur Quantitätstheorie Man kann die Quantitätsgleichung als eine Gleichung ansehen, durch die lediglich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes definiert wird. Aus einer solchen Definitionsgleichung lassen sich keine kausalen Schlüsse ziehen. Man erhält aus der Quantitätsgleichung eine empirisch gehaltvolle Theorie, die sogenannte Quantitätstheorie, wenn man mit den Klassikern annimmt, daß die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes eine im wesentlichen durch die Zahlungsgewohnheiten bestimmte Konstante ist, die sich allenfalls langfristig ändert. Wenn wir annehmen, die Umlaufgeschwindigkeit sei konstant, wird aus der Quantitätsgleichung eine Theorie des nominalen Bruttoinlandsprodukts. M

V=Y P

(= Quantitätstheorie)

Der Querstrich über dem V in der letzten Gleichung bedeutet, daß die Umlaufgeschwindigkeit konstant ist. Aus der letzten Gleichung ersieht man: 1.

Veränderungen der Geldmenge führen (bei konstanter Umlaufgeschwindigkeit) zu einer proportionalen Veränderung des nominalen Bruttoinlandsprodukts.

457

Drittes Kapitel: V o m G e l d

2.

Da das Produkt M V die monetäre gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist, ändert sich die monetäre Gesamtnachfrage dann und nur dann, wenn sich die Geldmenge ändert.

3.

Die reale Gesamtnachfrage ist (M V)/P. Sie ist bei gegebener Geldmenge um so größer, je niedriger das Preisniveau ist.

4.

Bei Vollbeschäftigung (Y = Y) führen Veränderungen der Geldmenge zu proportionalen Veränderungen des Preisniveaus.

Diese Zusammenhänge können verdeutlicht werden, wenn wir die Quantitätsgleichung in Veränderungsraten schreiben. Dabei machen wir von der Einsicht Gebrauch, daß die relative (oder prozentuale) Veränderung eines Produkts aus zwei Variablen approximativ gleich der Summe der relativen (oder prozentualen) Veränderungen der einzelnen Variablen ist.' relative Veränderung der Geldmenge M AM M

+

+

relative Veränderung von V

=

AV V

relative Veränderung von P

+

relative Veränderung von Y

AP P

+

AY Y

=

Wenn die Umlaufgeschwindigkeit konstant ist, ist AV gleich Null, und wir erhalten: AM

=

M

AP

AY

P

Y

oder

AM A Y _ AP M ~ Y ~ P

1

B e w e i s : Es sei z = x y und daher z + A z = ( x + A x ) ( y + A y ) z + Az = x y + x A y + A x y + A x - A y Az = x - A y + A x - y + A x - A y Sind Ax und Ay klein, können wir Ax • Ay als Produkt aus zwei kleinen Größen vernachlässigen. dz = x • dy + dx • y dz

x • dy

dx • y

z

x• y

x•y

dz _ dy

dx

z

x

y

458

Drittes Kapitel: V o m Geld

Wenn die Geldmenge schneller wächst als das reale Bruttoinlandsprodukt, steigt das Preisniveau. D a die relative Veränderung des Preisniveaus die Inflationsrate 7t ist, ist die Höhe der Inflationsrate gleich der Differenz aus der relativen Geldmengenänderung und der relativen Änderung des realen Inlandsproduktes. Eine positive Inflationsrate ergibt sich nur dann, wenn die Geldmenge schneller wächst als die reale Produktion. Wenn bei Vollbeschäftigung die reale Produktion nicht erhöht werden kann, ist AY/Y gleich Null und die Inflationsrate gleich der Wachstumsrate der Geldmenge. Das Wachstum der Geldmenge ist die entscheidende Determinante der Inflationsrate. Die Zentralbank, die die Geldmenge kontrolliert, kann durch ihre Geldpolitik eine Inflation verhindern. Der Nobelpreisträger Milton Friedman hat deshalb erklärt: " I n -

flation ist immer und überall ein monetäres Phänomen". Es hat in der Wirtschaftsgeschichte keine langanhaltende ins Gewicht fallende Inflation gegeben, ohne daß die Geldmenge erheblich schneller gewachsen ist als die reale Produktion. Der durch die Quantitätstheorie aufgezeigte Zusammenhang zwischen Wachstum der Geldmenge und Inflation ist auch die theoretische Grundlage der Geldmengenpolitik d e r Deutschen B u n d e s b a n k , die seit 1974 - als erste Notenbank der W e l t - Geldmengenziele festsetzte. Diese Geldmengenziele sind nichts anderes als mit einer gewissen Bandbreite formulierte Ziele für die Wachstumsrate der Geldmenge. D a eine ins Gewicht fallende länger andauernde Inflation nur möglich ist, wenn die Geldmenge schneller wächst als die Produktion, muß es Aufgabe einer Notenbank sein, deren primäres Ziel Preisstabilität ist, das Wachstum der Geldmenge zu begrenzen. Bei der Aufstellung der Geldmengenziele orientiert sich die Bundesbank an der W a c h s t u m s r a t e des Produktionspotentials. Das ist die gesamtwirtschaftliche Produktion, die mit den verfügbaren Produktionsfaktoren unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts bei normaler Auslastung erzeugt wird. Die Geldmengenziele werden also nicht aus dem erwarteten tatsächlichen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, sondern aus der Entwicklung des Produktionspotentials abgeleitet, weil man glaubt, daß eine an den Produktionsmöglichkeiten orientierte Geldpolitik verstetigend wirkt. Bleibt nämlich die tatsächliche Produktion hinter den Produktionsmöglichkeiten zurück, wie es in einer Rezession der Fall ist, so steigt die Geldmenge stärker als das bei einer Orientierung an der tatsächlichen Produktion der Fall wäre. Außer der Wachstumsrate des Produktionspotentials werden bei der Aufstellung der Geldmengenziele ein unvermeidbarer Preisanstieg von maximal zwei Prozent und gegebenenfalls eine erwartete Veränderung der Umlaufgeschwindigkeit berücksichtigt.

2.

Die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage

Die Quantitätstheorie unterstellt, daß die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes eine durch die Zahlungsgewohnheiten bestimmte Konstante ist. D i e nominale Geldnachfrage hängt vom Nominaleinkommen ab, die reale Geldnachfrage (M/P)d ist eine Funktion der realen Produktion bzw. des realen Einkommens. Wenn man einen Teil seines Vermögens in Form von Noten und Münzen oder Sichtguthaben bei Banken hält, verzichtet man auf die Zinsen, die man bei alternativen Anlageformen erhielte. Die Zinserträge, auf die man verzichtet, sind um so größer, j e höher der Nominalzins ist. Der Nominalzins ist Ausdruck der Opportunitätskosten, die mit der Geldhaltung verbunden sind. S o wie die Menge, die von einem Gut nachgefragt wird, vom Preis des Gutes abhängt, hängt die Geldnachfrage außer vom Einkommen von der Höhe des

Drittes Kapitel: V o m Geld

459

Zinses ab. Bei steigendem Zins wird man bestrebt sein, die für Transaktionszwecke gewünschte Kassenhaltung zu reduzieren. Je höher der Zins ist, um so eher wird man bereit sein, die Unbequemlichkeiten und Kosten in Kauf zu nehmen, die entstehen, wenn man das für Transaktionszwecke vorübergehend nicht benötigte Geld verzinslich anlegt und diese Vermögenspositionen erst dann in Geld umwandelt, wenn Zahlungen tatsächlich geleistet werden. Der aus der Sicht des einzelnen optimale Bestand an Geld für Transaktionszwecke hängt daher negativ vom Zins und positiv vom Einkommen ab. Während in der klassischen Geldnachfragefunktion und der sich daraus ergebenden Quantitätstheorie die Bedeutung des Zinses als Determinante der Geldnachfrage vernachlässigt wurde und die reale Geldnachfrage proportional zum Einkommen war

ergibt sich als Geldnachfragefunktion

wenn wir berücksichtigen, daß die reale Geldnachfrage außer vom Einkommen auch vom Nominalzins i abhängt. Der Gesichtspunkt, daß Geld auch als Wertaufbewahrungsmittel dient, wird von den Portfoliotheorien der Geldnachfrage betont. Nach diesen Theorien wird Geld als Teil eines optimalen Portfolios gehalten, weil Geld andere Kombinationen von Risiko und Ertrag bietet als die übrigen Vermögensobjekte. Die Geldnachfrage hängt vom Risiko und Ertrag ab, die Geld relativ zu anderen Vermögensobjekten bietet, und vom Gesamtwert des Vermögens. Die Geldnachfrage ist ceteris paribus um so geringer, je höher die erwarteten realen Erträge bei Aktien und festverzinslichen Wertpapieren sind und je höher die erwartete Inflationsrate ist. Die Geldnachfrage ist um so höher, je größer das Vermögen ist. Wenn man im Realeinkommen Y eine Größe sieht, die approximativ den Einfluß des Vermögens auf die Geldnachfrage widerspiegelt, und wenn der nominale Zinssatz die Summe aus realem Zinssatz und der erwarteten Inflationsrate ist, kann man aus Sicht der Portfoliotheorie, in der Geldnachfragefunktion Md = L(i,Y), nach der die Geldnachfrage eine Funktion des nominalen Zinssatzes i und des Realeinkommens Y ist, eine sinnvolle Vereinfachung sehen. Portfoliotheorien stellen nur dann einen angemessenen Beitrag zur Erklärung der Geldnachfrage dar, wenn man einen weiten Geldbegriff verwendet, der außer Noten, Münzen und Sichtguthaben bei Banken (Geld im Sinne von M,) zumindest auch Termineinlagen und Spareinlagen umfaßt. Da Termineinlagen und Spareinlagen bei gleichem Risiko höhere Zinserträge erbringen als Geld im Sinne von M,, können Portfoliotheorien die Nachfrage nach Noten, Münzen und Sichtguthaben bei Banken nicht plausibel erklären. Als Wertaufbewahrungsmittel ist Geld im Sinne von M, ein dominiertes Vermögensobjekt, für das es stets bessere Alternativen gibt.

460

Drittes K a p i t e l : V o m G e l d

Nach der Fisherschen Preiserwartungstheorie des Zinses ist der nominale Zinssatz gleich der Summe aus realem Zinssatz ex ante und der erwarteten Inflationsrate 7f. Je höher die erwartete Inflationsrate ist, um so höher ist der nominale Zins. Je höher der nominale Zinssatz ist, um so geringer ist die gewünschte Kassenhaltung und um so größer sind die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und die nominale Gesamtnachfrage M • V. Wenn also die erwartete Inflationsrate steigt, so führt dies bei Vollbeschäftigung schon heute zu steigenden Preisen. Die erwartete Inflationsrate hängt von der für die Zukunft erwarteten Geldpolitik ab. Wenn man erwartet, daß die Geldmenge in Zukunft schneller steigt als bisher angenommen wurde und das zu wachsenden Inflationserwartungen führt, wird schon heute das Preisniveau steigen. Die wirtschaftspolitische Bedeutung der Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage Die Einsicht, daß die Geldnachfrage vom Zinssatz abhängt, ist wirtschaftspolitisch bedeutsam. Wenn der Zins steigt, sinkt die reale Geldnachfrage. Die Umlaufgeschwindigkeit steigt, weil bei steigenden Kosten der Geldhaltung die Geldbestände reduziert und das Geld häufiger umgeschlagen wird. Sinkender Zins bedeutet demgegenüber, daß die Umlaufgeschwindigkeit sinkt. Wir wissen, daß die nominale Gesamtnachfrage in der Volkswirtschaft gleich M • V und die reale Gesamtnachfrage gleich (M/P) • V ist. Wenn man die klassische Annahme macht, die Umlaufgeschwindigkeit sei konstant, ändert sich die nominale Gesamtnachfrage nur, wenn sich die Geldmenge ändert. Folgt man dagegen der vor allem von Keynes (1883-1946) betonten Einsicht, daß die Umlaufgeschwindigkeit bei steigendem Zins steigt und bei sinkendem Zins sinkt, kann sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen auch dann ändern, wenn die Geldmenge konstant ist. Wir werden noch genauer darstellen, daß sogenannte fiskalpolitische Maßnahmen, die in einer Veränderung der Staatsausgaben oder der Steuern bestehen, zu Zinsänderungen führen. Expansive fiskalpolitische Maßnahmen, bei denen die Staatsausgaben erhöht oder die Steuern gesenkt werden, führen zu Zinssteigerungen und damit zu einem Anstieg der Umlaufgeschwindigkeit und zu einer Erhöhung der nominalen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage M • V. Nimmt man dagegen an, die Umlaufgeschwindigkeit sei konstant, verändern fiskalpolitische Maßnahmen die Gesamtnachfrage nicht. Sie sind völlig ineffizient. Man erkennt: Erst durch die Einsicht, daß die Geldnachfrage (bzw. die Umlaufgeschwindigkeit) zinsabhängig ist, konnte die Wirksamkeit rein fiskalpolitischer Maßnahmen theoretisch begründet werden. Für die Geldpolitik bedeutet die Erkenntnis, daß die Geldnachfrage auch vom Zins abhängig ist, daß Änderungen der Geldmenge nicht mehr zu proportionalen Änderungen des nominalen Inlandsprodukts führen müssen. Wenn zum Beispiel die Geldmenge erhöht wird und die Zinsen als Folge der Geldmengenerhöhung sinken, wird auch die Umlaufgeschwindigkeit sinken. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage M • V steigt in geringerem Maße als die Geldmenge, weil dem Anstieg von M das Absinken von V gegenübersteht. Im Extremfall könnte bei einem Anstieg der Geldmenge M die Umlaufgeschwindigkeit so stark sinken, daß das Produkt M • V und damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sich nicht ändern. Man nennt diese Situation auch Liquiditätsfalle. Man erkennt: Ist die Geldnachfrage zinsabhängig, sind geldpolitische Maßnahmen ein weniger zuverlässiges Instrument zur Steuerung der

Drittes Kapitel: V o m Geld

461

Gesamtnachfrage als bei zinsunabhängiger Geldnachfrage. Geldpolitische Maßnahmen sind um so weniger wirksam, j e stärker die Geldnachfrage zinsabhängig ist. Literatur zum dritten Kapitel des zweiten Teils Ulrich Baßeier, Jürgen Heinrich, Walter Koch, Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft, 13. Auflage, Köln 1991, siebzehnte, achtzehntes und neunzehntes Kapitel, S. 419-485. Manfred Borchert, Geld und Kredit, 3. Auflage, München 1994, zweites Kapitel, S. 14-38, drittes Kapitel, S. 39-91, viertes Kapitel, S. 92-136, achtes Kapitel, S. 237-275. Wolfgang Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, München 1993, vierzehntes Kapitel, S. 390-427. Deutsche Bundesbank, Geldpolitische Aufgaben und Instrumente, Sonderdruck der Deutschen Bundesbank Nr. 7, 5. Auflage, Frankfurt 1985. Dietrich Dickertmann, Axel Siedenberg, Instrumentarium der Geldpolitik, 4. Auflage, Düsseldorf 1984. Rüdiger Dornbusch, Stanley Fischer, Macroeconomics, 6. Auflage, New York 1994, dreizehntes und vierzehntes Kapitel, S. 369-436. Wilfried Fuhrmann, Geld und Kredit, 2. Auflage, München 1987. Ottmar Issing, Einführung in die Geldpolitik, 4. Auflage, München 1992, Teil B: Das Instrumentarium der Geldpolitik, S. 61-139. Ottmar Issing, Einführung in die Geldtheorie, 10. Auflage, München 1995, erstes, zweites und drittes Kapitel, S. 1-91. Hans-Joachim Jarchow, Theorie und Politik des Geldes I. Geldtheorie, 9. Auflage, Göttingen 1993. Hans-Joachim Jarchow, Theorie und Politik des Geldes II. Geldmarkt, Bundesbank und geldpolitisches Instrumentarium, 6. Auflage, Göttingen 1992. Dietmar Kath, Artikel Geld und Kredit, in: Dieter Bender u.a. (Hrsg.), Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik. Band 1, 6. Auflage, München 1995, S. 117-218. B. T. McCallum, Monetary Economics: Theorie and Policy, New York 1985. Jürgen Siebke, Manfred Wilms, Theorie der Geldpolitik, Heidelberg 1974.

Viertes Kapitel E i n "klassisches" makroökonomisches Modell Im Jahre 1936 veröffentlichte Keynes (1883 - 1946) sein bahnbrechendes Buch "The General Theory of Employment, Interest and Money", das in außergewöhnlichem Maße das Denken revolutionierte und die praktische Wirtschaftspolitik beeinflußte. In diesem Buch setzte sich Keynes mit den bis zu dieser Zeit herrschenden makroökonomischen Lehrmeinungen auseinander, die er als "klassisch" bezeichnete. Während man im allgemeinen unter klassischen Lehren der Volkswirtschaft nur die Lehren der Epoche versteht, die durch Adam Smith (1723 - 1790), David Ricardo (1772 - 1823) und John Stuart Mill (1806 - 1873) dominiert wurde, meinte Keynes mit "klassisch" die Lehren der Ökonomen, die sich vor Erscheinen seines Buches zu makroökonomischen Fragen geäußert hatten.' Klassische makroökonomische Lehre im Sinne von Keynes umfaßt also auch die Lehren der Autoren, die nach der marginalistischen Revolution in der Volkswirtschaftslehre geschrieben haben und die man meistens als neoklassische Ökonomen bezeichnet. Bedeutende neoklassische Autoren waren Alfred Marshall (1892 - 1924) und Arthur Cecil Pigou (1877 - 1959). Wenn im folgenden von klassischer Makroökonomie die Rede ist, wird die Keynessche Terminologie übernommen. Der Grundgedanke der klassischen Ökonomen war, daß die Höhe der Produktion durch die Menge und Qualität der Produktionsfaktoren und das technische Wissen bestimmt wird. Bei flexiblen Löhnen und Preisen kommt es in einer Marktwirtschaft auf allen Märkten zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Es kann in diesem System keine allgemeine Überproduktion und keine auf einer zu geringen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage beruhende Unterbeschäftigung geben. Staatliche Maßnahmen, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu erhöhen, sind nicht notwendig. Sie schaden mehr als sie nutzen. Geld fungiert nur als allgemeines Tauschmittel und Recheneinheit. Es wird nur für Transaktionszwecke benötigt. Geld ist nur ein Schleier, der über den realen Vorgängen liegt. Die realen Größen wie das reale Inlandsprodukt, der Reallohn, die Beschäftigung und der reale Zins werden (langfristig) allein durch reale Faktoren bestimmt. Die Geldmenge beeinflußt nur die nominalen Größen. Charakteristisch für die klassische Theorie ist die sogenannte klassische Dichotomie, die besagt, daß die monetären und realen Größen voneinander unabhängig sind. Wenn also zum Beispiel die Geldmenge verdoppelt wird, so hat dies keine Auswirkungen auf die realen Größen. Die reale Produktion, der Reallohn und die Beschäftigung ändern sich nicht. Es verdoppeln sich das Preisniveau und der Nominallohn. A.

Das Saysche Theorem

Das nach Jean Baptiste Say (1767 - 1832) benannte Saysche Theorem formuliert eine grundlegende Einsicht der klassischen Ökonomie. In einer berühmten Formulierung lautet es: Jedes Angebot schafft sich seine eigene Nachfrage.

1

Der Begriff MakroÖkonomik selbst wird erst seit den dreißiger Jahren verwendet.

464

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

Da nach klassischer Auffassung Geld nur ein Schleier über den realen Vorgängen ist, war es aus Sicht der Klassiker sinnvoll, den Fall der Naturaltauschwirtschaft zu betrachten, um die Gültigkeit des Sayschen Theorems zu erkennen. 1.

Das Saysche Theorem in der Naturaltauschwirtschaft

Nehmen wir an, daß A einen Tisch produziert. Er mag dies tun, weil er selbst einen Tisch haben möchte. Dann entspricht seinem Angbot eine Nachfrage durch ihn selbst. A mag aber auch einen Tisch produzieren, um ihn gegen einen Rock zu tauschen. Indem A den Tisch anbietet, um einen Rock oder andere Dinge zu erwerben, fragt er zugleich Güter nach. Anbieten bedeutet immer, daß auch nachgefragt wird. In diesem Sinne schafft sich jedes Angebot selbst seine Nachfrage, weil die Menschen nicht der Arbeit wegen produzieren, sondern um durch Arbeit Güter und Dienstleistungen zu erwerben. Weil jedem Angebot eine gleich große Nachfrage entspricht, kann es keine allgemeine Überproduktion und keine auf allgemeinem Nachfragemangel beruhende Arbeitslosigkeit geben. Die Vorstellung, die Zahl der Arbeitsplätze sei durch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage absolut begrenzt, ist nach klassischer Auffassung eine Absurdität! Wenn durch zusätzliche Arbeitskräfte mehr produziert wird, steht dem zusätzlichen Angebot eine entsprechend größere Nachfrage gegenüber. Solange die Menschen nicht in jenem paradiesischen Zustand leben, in dem alle Güter im Überfluß vorhanden sind, kann es nicht an jener Arbeit mangeln, die notwendig ist, um Güter und Dienstleistungen zu produzieren, die die Menschen erwerben möchten. In der angelsächsischen Literatur nennt man die These, die Menge an Arbeitsleistungen, die nachgefragt werden, sei absolut begrenzt, die "lump of labour fallacy". In der populären nichtwissenschaftlichen Diskussion spielt dieser Trugschluß ("den Deutschen geht die Arbeit aus") eine große Rolle. Auch der Gedanke, durch allgemeine Arbeitszeitverkürzung die Beschäftigung zu erhöhen, beruht häufig auf der Vorstellung, das Arbeitsvolumen sei eine gegebene Größe. Wenn jedoch infolge einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung die Produktion sinkt, sinkt auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage! Wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt, sinkt die Nachfrage nach Arbeitsleistungen! Technischer Fortschritt macht es möglich, einen gegebenen Output mit weniger Arbeitsleistungen herzustellen. Er ermöglicht es auch, mit konstantem Arbeitseinsatz mehr herzustellen. Die Menschen mögen es vorziehen, weniger zu arbeiten, um die Vorteile des technischen Fortschritts in Form von mehr Freizeit zu realisieren. Die gewünschte Arbeitszeit sinkt. Unfreiwillige Arbeitslosigkeit entsteht nicht. Bei konstantem Arbeitseinsatz kann infolge technischen Fortschritts mehr produziert werden. Dem größeren Angebot an Gütern steht nach dem Sayschen Theorem eine entsprechend größere Nachfrage gegenüber, da sich das Angebot seine eigene Nachfrage schafft. Unfreiwillige Arbeitslosigkeit entsteht auch in diesem Fall nicht. Der Vorstellung, technischer Fortschritt führe zu Arbeitslosigkeit, liegt der Gedanke zugrunde, der Output sei eine gegebene Größe, so daß bei technischem Fortschritt, der es ermöglicht einen gegebenen Output mit weniger Arbeitskräften herzustellen, die Nachfrage nach Arbeit sinkt. Wenn etwa als Folge technischen Fortschritts eine gegebene Produktion mit zehn Prozent weniger Arbeitskräften hergestellt werden kann, werden nach dieser Auffassung zehn Prozent der bisher Beschäftigten arbeitslos.

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

465

Der Trugschluß, der darin besteht, den Output als eine gegebene Größe anzusehen, nennt man in der angelsächsischen Literatur die "lump of Output fallacy". Wenn technischer Fortschritt im Sinne dieser Vorstellung zu unfreiwilliger Arbeitslosigkeit geführt hätte, müßten heute neun von zehn Menschen arbeitslos sein. Tatsächlich ist im langfristigen Durchschnitt die Arbeitslosenquote in den letzten hundert Jahren nicht gestiegen. Die historische Erfahrung bestätigt das Saysche Theorem. Das Saysche Theorem schließt auch nach klassischer Lehre nicht aus, daß es partielle Überproduktion gibt. Bei David Ricardo etwa heißt es: "Es mag von einem bestimmten Gut zuviel produziert werden, so daß ein Angebotsüberschuß besteht und das eingesetzte Kapital sich nicht bezahlt macht, aber dies kann nicht bei allen Gütern vorkommen." 1 Es mögen also zu viele Tische und zu wenig Röcke produziert werden. Der in Röcken ausgedrückte Preis eines Tisches sinkt. Die realen Einkommen der Tischler vermindern sich. Soll die Einkommensminderung verhindert werden, müssen die Tischler andere Produkte herstellen. Strukturelle Änderungen in der Volkswirtschaft, die sich auch als Folge technischen Fortschritts einstellen, bewirken, daß einige Branchen wachsen, andere stagnieren oder schrumpfen. Wenn in einzelnen Branchen die Arbeitsproduktivität stärker steigt als die Produktion, nimmt die Beschäftigung in diesen Branchen ab. Die Arbeitnehmer müssen zum Teil in anderen Branchen arbeiten. Es kann auch notwendig sein, den Beruf und den Wohnort zu wechseln und neue Qualifikationen zu erwerben. Wenn die vom Strukturwandel negativ betroffenen Arbeitnehmer nicht bereit sind, Reallohnsenkungen zu akzeptieren und die berufliche, qualifikatorische und regionale Mobilität unvollkommen ist, entsteht strukturelle Arbeitslosigkeit. Diese Arbeitslosigkeit beruht jedoch nicht auf einem allgemeinen Nachfragemangel. Sie ist nicht Folge allgemeiner Überproduktion. 2.

Das Saysche Theorem in der Geldwirtschaft

Es stellt sich die Frage, ob das Saysche Theorem auch in einer Geldwirtschaft gilt. Während man in einer Tauschwirtschaft nur anbieten kann, indem man andere Produkte nachfragt, ist es in der Geldwirtschaft möglich, einen Tisch zu verkaufen, ohne den Erlös für den Kauf anderer Güter auszugeben. Der Verkäufer kann einen Teil seines Einkommens sparen. Dem Angebot eines Tisches entspricht dann - so scheint es - keine Nachfrage nach anderen Gütern. Auf diesen Einwand antworten die Klassiker: Sparen ist kein Ausfall an wirksamer Nachfrage, sondern Umlenkung von Nachfrage nach Konsumgütern auf Nachfrage nach Investitionsgütern. Wenn jemand spart, hat er drei Möglichkeiten: - er kann die Ersparnis in Form von Geld "horten", - er kann sparen, um selbst zu investieren, - er kann die Ersparnis verzinslich anlegen.

1

David Ricardo, Principles of Political Economy and Taxation, London 1924 (erste Auflage 1817), S. 275.

466

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

Da die Klassiker eine eigenständige Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes leugneten und meinten, Geld werde nur für Transaktionszwecke gehalten, schlössen sie die erste Möglichkeit als irrational aus.1 Geld zu horten ist nach klassischer Lehre unvernünftig, weil der Sparer auf die Zinserträge verzichtet, die er erhält, wenn die Ersparnis verzinslich angelegt wird. Wird gespart, um selbst zu investieren (zweite Möglichkeit), steht dem Ausfall an Nachfrage nach Konsumgütern unmittelbar eine gleich große Nachfrage nach Investitionsgütern gegenüber. Wird die Ersparnis verzinslich angelegt (dritte Möglichkeit), tritt die Ersparnis als Kreditangebot in Erscheinung, dem auf dem Kapitalmarkt die Kreditnachfrage der Unternehmen gegenübersteht, die Kredite nachfragen, um ihre Investitionen zu finanzieren. Im Gleichgewicht bildet sich ein Zins, bei dem das sich aus der Ersparnis ergebende Kreditangebot gleich der Kreditnachfrage ist, die der Finanzierung der Investitionen dient. Die Ersparnis als Funktion des Zinses Die Ersparnis ist nach klassischer Lehre eine Funktion des realen Zinses. Je höher der erwartete reale Zins ist, um so größer ist das Zinseinkommen, das man erhält, wenn man spart. Deshalb ist die Ersparnis nach klassischer Auffassung um so höher, je höher der Zins ist.2 Dieser funktionale Zusammenhang zwischen dem Zinssatz i und der Ersparnis S wird in Abbildung 4.1 durch eine Kurve mit positiver Steigung dargestellt. Abb. 4.1 Kreditangebot = Ersparnis

S

1

Auch wenn Geld gehortet würde, hätte dies im klassischen System nicht zu Unterbeschäftigung geführt. Die Kassenhaltung würde steigen und somit die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und die nominale Gesamtnachfrage sinken. Dies führt zu sinkendem Preisniveau und steigender Nachfrage nach Gütern.

2

Bei dieser Argumentation wird nur der Substitutionseffekt einer Zinsänderung beachtet. Die Zinssatzänderung ist jedoch auch mit einem Einkommenseffekt verbunden, der dem Substitutionseffekt entgegengerichtet sein kann. Er kann ihn sogar überkompensieren, so daß bei steigendem Zins die Ersparnis nicht steigt sondern sinkt.

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

467

Auch die Nachfrage nach Investitionsgütern hängt vom Zinssatz i ab. Da der Zinssatz Ausdruck der Kosten ist, die bei der Finanzierung von Investitionen entstehen, bewirkt eine Zinssatzerhöhung, daß die Finanzierungskosten steigen. Die Zahl der Investitionsprojekte, die sich als profitabel erweisen, ist um so kleiner, je höher die Zinskosten sind. Wenn zum Beispiel ein Unternehmen erwägt, mit einem Investitionsaufwand von zehn Millionen DM eine Fabrik zu bauen, die jährliche Nettoerträge von 600 000 DM erbringt, ist die Investition zwar bei einem Zinssatz von vier Prozent, nicht aber bei einem Zinssatz von acht Prozent lohnend, bei dem die jährlichen Zinskosten von 800 000 DM größer als die Nettoerträge wären. Oder nehmen wir an, daß eine Familie daran denkt, ein Einfamilienhaus zum Preise von 500 000 DM zu bauen. Bei einem Zinssatz von zehn Prozent entstehen jährlich Zinskosten von 50 000 DM, bei einem Zinssatz von fünf Prozent nur Zinskosten von 25 000 DM. Bei dem niedrigeren Zinssatz von fünf Prozent wird es viel mehr Familien geben, die sich ein solches Haus leisten können und sich deshalb zum Bau des Hauses entschließen werden. Die gewünschten Investitionen werden also bei gegebenen Gewinnerwartungen der Unternehmer und gegebenen Einkommenserwartungen der Haushalte um so größer sein, j e niedriger der Zinssatz ist. Wir drücken die inverse Beziehung zwischen den gewünschten Investitionen und der Höhe des Zinssatzes durch die Investitionsfunktion

1=1(0 H

aus. Gleichgewicht auf dem Kapitalmarkt

Wir unterstellen, daß die geplanten Investitionen auf dem Kapitalmarkt als Kreditnachfrage (Nachfrage nach investierbaren Fonds) in Erscheinung treten. Die Kreditnachfrage zum Zweck der Finanzierung von Investitionen ist um so größer, j e niedriger der Zins ist. In Abbildung 4.2 bringen wir diese Zinsabhängigkeit der Investitionen durch eine Kurve mit negativer Steigung zum Ausdruck. Der Kreditnachfrage steht das sich aus der Ersparnis ergebende Kreditangebot gegenüber. Abb. 4.2

i Kreditnachfrage = Investitionen

Kreditangebot = Ersparnis

io

Io=S 0

I, S

Auf dem Kreditmarkt bildet sich im Gleichgewicht der Zinssatz i 0 , bei dem die gewünschte Investition (I 0 ), gleich der gewünschten Ersparnis (S 0 ) ist. Im Gleichgewicht steht der Ersparnis eine gleich große Investition gegenüber. Der Teil des Einkommens, der nicht konsumiert wird, wird investiert. Wenn die Ersparnis steigt, sinkt

468

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

der Zins. Der sinkende Zins führt zu steigenden Investitionen. In Abbildung 4.3 verschiebt sich die Kreditangebotskurve nach rechts, weil die Bürger bei jedem gegebenen Zinssatz mehr sparen.

Der Zinssatz sinkt von i0 auf i,. Die geplante Investition steigt auf I, und ist im Gleichgewicht gleich der Ersparnis S,. Sparen ist also kein Ausfall an wirksamer

Nachfrage, sondern nur eine Umlenkung der Nachfrage von Konsumgütern auf Investitionsgüter. B.

Grundzüge des klassischen Modells: Output, Beschäftigung und realer Zins

1.

Die Produktionsfunktion

Die Produktion und das reale Einkommen werden im klassischen Modell durch die Menge und Qualität der verfügbaren Produktionsfaktoren und das technische Wissen bestimmt. Produktionsfaktoren sind die Inputs, die eingesetzt werden, um Güter zu erzeugen. Man unterscheidet drei Produktionsfaktoren: Boden, Arbeit und Kapital. Der Boden tritt als Anbauboden, Abbauboden und als Standort in Erscheinung. Er ist die Summe aller nicht reproduzierbaren Produktionsfaktoren. Unter Arbeit versteht man die in Arbeitsstunden gemessenen Leistungen der Arbeiter, Angestellten und Unternehmer. Kapital sind die produzierten Produktionsmittel, mit deren Hilfe andere Güter hergestellt werden. Dazu rechnet man zum Beispiel numerisch gesteuerte Werkzeugmaschinen ebenso wie den PC im Büro eines Hochschullehrers. Wir werden im folgenden explizit nur die Faktoren Arbeit und Kapital unterscheiden. Wir verwenden die Symbole K und A für die Einsatzmengen der Faktoren Kapital und Arbeit. Der funktionale Zusammenhang zwischen den Einsatzmengen der Faktoren Kapital und Arbeit und dem Output Y wird durch die Produktionsfunktion Y = F (K, A) beschrieben. Die Produktionsfunktion gibt an, wie hoch der Output, makroökonomischen Theorie als homogenes Gut aufgefaßt wird, bei Einsatzmengen der Faktoren Kapital und Arbeit maximal ist. Der durch tionsfunktion beschriebene funktionale Zusammenhang zwischen Inputs

der in der alternativen die Produkund Output

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

469

ist Ausdruck des verfügbaren technischen und organisatorischen Wissens. Technischer Fortschritt bedeutet, daß mit gegebenen Einsatzmengen der Faktoren ein größerer Output erzeugt werden kann. Häufig unterstellt man, daß die Produktionsfunktion konstante Skalenerträge aufweist. Wird die Einsatzmenge aller Inputs um a Prozent erhöht, so steigt bei konstanten Skalenerträgen auch der Output um a Prozent. Wird also zum Beispiel die Einsatzmenge der Faktoren Kapital und Arbeit verdoppelt, so verdoppelt sich auch der Output. Wir werden im folgenden unterstellen, daß kurzfristig die Einsatzmenge des Faktors Kapital nicht verändert werden kann. Der Kapitalstock ist kurzfristig eine gegebene Größe. Wir drücken dies aus, indem wir in der Produktionsfunktion K mit einem Querstrich versehen. Y = F (K, A) Nur die Menge des Faktors Arbeit kann kurzfristig variiert werden. In der klassischen Theorie wird unterstellt, daß der Output nur unterproportional wächst, wenn bei Konstanz des Faktors Kapital die Einsatzmenge des Faktors Arbeit erhöht wird. Wenn also bei gegebenem Kapitalstock die Einsatzmenge des Faktors Arbeit um 20 Prozent steigt, steigt der Output um weniger als 20 Prozent. Das ist auch plausibel, wenn die Produktionsfunktion durch konstante Skalenerträge charakterisiert ist. Bei konstanten Skalenerträgen steigt der Output um 20 Prozent, wenn die Einsatzmenge des Faktors Arbeit und die Einsatzmenge des Faktors Kapital jeweils um 20 Prozent erhöht werden. Wird nur die Einsatzmenge des Faktors Arbeit bei konstantem Kapitalstock erhöht, kann der Output nur unterproportional steigen, da jetzt der Beitrag, den der Faktor Kapital zur Erhöhung des Outputs leistet, entfällt.1 Der funktionale Zusammenhang zwischen dem Einsatz des Faktors Arbeit und dem Output bei konstantem Kapitalstock wird graphisch in Abbildung 4.4 durch eine Gesamtertragsfunktion dargestellt. Der zur Abszisse konkave Verlauf der Kurve spiegelt wider, daß der Output bei steigendem Arbeitseinsatz nur unterproportional wächst. Abb. 4.4

AY AA AY AA

1

Bei dieser Argumentation wird unterstellt, daß das Grenzprodukt des Faktors Kapital positiv ist.

470

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

Mit wachsendem Arbeitseinsatz sinkt das Durchschnittsprodukt des Faktors Arbeit Y/A. Den zusätzlichen Ertrag pro zusätzlicher Einheit des Faktors Arbeit, AY/AA, nennt man das Grenzprodukt des Faktors Arbeit. Abbildung 4.4 zeigt, daß mit steigendem Arbeitseinsatz das Grenzprodukt der Arbeit AY/AA sinkt. Meistens versteht man in der volkswirtschaftlichen Theorie unter dem Grenzprodukt den Grenzwert von AY/AA, wenn AA gegen Null geht: Grenzprodukt des Faktors Arbeit

=

AY dY lim —— = — AA o AA d A

Das Grenzprodukt ist dann gleich der ersten (partiellen) Ableitung der Produktionsfunktion nach der Einsatzmenge des Faktors Arbeit. In Abbildung 4.4 wird das Grenzprodukt der Arbeit durch die Steigung der Gesamtertragskurve gemessen. Da die Kurve mit steigendem Arbeitseinsatz immer flacher wird, nimmt mit steigendem Arbeitseinsatz das Grenzprodukt kontinuierlich ab. Die Gesamtertragsfunktion in Abbildung 4.4 ist durch ein von Anfang an kontinuierlich sinkendes Grenzprodukt und Durchschnittsprodukt des Faktors Arbeit charakterisiert. Stellt man den funktionalen Zusammenhang zwischen dem Arbeitseinsatz (A) und dem Grenzprodukt des Faktors Arbeit (GPA) graphisch dar, erhält man eine kontinuierlich fallende Kurve, wie sie Abbildung 4.5 zeigt.

A

2.

Der Arbeitsmarkt

Der klassische Arbeitsmarkt ist ein Markt, auf dem sich im Gleichgewicht ein Reallohn bildet, bei dem die Menge an Arbeitsleistungen, die angeboten wird, auch nachgefragt wird. Der Markt wird geräumt. Die Arbeitsleistungen, die angeboten werden, sind nach klassischer Lehre eine Funktion des Reallohns. Mit steigendem Reallohn wird eine größere Menge an Arbeitsleistungen angeboten. Je höher nämlich der Reallohn ist, um so größer ist das Einkommen, auf das man verzichten muß, wenn man nicht arbeitet. Die Opportunitätskosten einer Stunde Freizeit sind um so größer, j e höher der Reallohn ist. Deshalb besteht bei steigendem Reallohn die Tendenz, Freizeit durch Arbeitszeit zu substituieren. Man nennt dies den Substitutionseffekt einer Reallohnerhöhung. Der

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

471

Substitutionseffekt bewirkt, daß das Angebot an Arbeitsleistungen mit steigendem realem Lohnsatz steigt. 1 Die Klassiker nahmen deshalb an, daß das Arbeitsangebot eine positive Funktion des Reallohns w/P ist. In Abbildung 4.6 wird dieser Zusammenhang dargestellt.

A

Die Unternehmen fragen Arbeitsleistungen nach, um Güter und Dienstleistungen zu produzieren. Im klassischen Modell bieten die Unternehmen die erzeugten Produkte auf einem Wettbewerbsmarkt an und fragen Arbeitsleistungen auf einem Wettbewerbsmarkt nach. Die Zahl der Unternehmen, die ein identisches Gut anbieten, ist so groß, daß das einzelne Unternehmen den Marktpreis nicht beeinflussen kann. Der Güterpreis ist für das einzelne Unternehmen ein Datum. Es kann zum Marktpreis beliebige Mengen verkaufen, ohne daß sich der Preis ändert. Auch die Zahl der Unternehmen, die Arbeitsleistungen nachfragen, ist so groß, daß das einzelne Unternehmen den Marktlohn w nicht beeinflussen kann. Deshalb ist auch der sich auf dem Markt bildende Lohn für das einzelne Unternehmen ein Datum. Für das einzelne Unternehmen lohnt es sich, die Zahl der Beschäftigten zu erhöhen, wenn der zusätzliche Erlös, der dem Einsatz einer zusätzlichen Einheit des Faktors Arbeit zu verdanken ist, größer ist als die zusätzlichen Lohnkosten, die entstehen, wenn man den Arbeitseinsatz um eine Einheit erhöht. Wird der Arbeitseinsatz erhöht, steigt der in physischen Einheiten gemessene Output. Die zusätzliche Produktion pro zusätzlicher Einheit des Faktors Arbeit ist das Grenzprodukt des Faktors Arbeit (GPA). Multipliziert man das Grenzprodukt mit dem Preis, zu dem das hergestellte Gut pro Einheit verkauft wird, erhält man das Grenzwertprodukt (GWP). Das Grenzwertprodukt ist also das Produkt aus physischem Grenzprodukt (GPA) und Güterpreis P: GWP = GPA P Das Grenzwertprodukt ist der zusätzliche Erlös pro zusätzlicher Einheit des Faktors Arbeit. Da der Lohn für das einzelne Unternehmen ein Datum ist, sind die zusätzlichen Lohnkosten, die entstehen, wenn eine zusätzliche Einheit des Faktors Arbeit eingesetzt wird, gleich dem Lohnsatz w. Es lohnt sich, die Beschäftigung zu erhöhen, wenn das

1

Eine Reallohnerhöhung ist jedoch auch mit einem Einkommenseffekt verbunden. Wenn Freizeit ein normales Gut ist, wirkt der Einkommenseffekt dem Substitutionseffekt entgegen. Die Menge an Arbeitsleistungen, die angeboten wird, braucht deshalb nicht zuzunehmen, wenn der Reallohn steigt.

472

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

Grenzwertprodukt größer ist als der Lohn. Das Unternehmen maximiert seinen Gewinn, wenn es eine solche Menge an Arbeitsleistungen einsetzt, bei der das Grenzwertprodukt (GPA • P) gleich dem Lohnsatz w ist. Die Bedingung für einen gewinnmaximalen Einsatz des Faktors Arbeit lautet also GPA P = w Grenzwertprodukt = Lohnsatz Dividiert man beide Seiten der letzten Gleichung durch den Güterpreis P, erhält man: GPA = w/P Bei gewinnmaximalem Faktoreinsatz wird eine solche Menge an Arbeitsleistungen nachgefragt, daß das Grenzprodukt der Arbeit (GPA) gleich dem Reallohn (w/P) ist. Der Reallohn ist der in Gütereinheiten statt in DM gemessene Lohn. Durch die Bedingung Grenzprodukt der Arbeit gleich Reallohn wird also eine Beziehung zwischen dem Reallohn und der vom Faktor Arbeit nachgefragten Menge hergestellt. Wenn das einzelne Unternehmen kurzfristig den Kapitalstock nicht variieren kann, wird bei steigendem Arbeitseinsatz der Output nur unterproportional steigen und das Grenzprodukt der Arbeit sinken. Dies wird in Abbildung 4.7, bei der auf der Abszisse der Arbeitseinsatz und auf der Ordinate das Grenzprodukt der Arbeit abgetragen werden, durch eine fallende GPA-Kurve dargestellt.

Wir tragen auf der Ordinate auch den Reallohn w/P ab. Bei einem Reallohn von 10 wird in Abbildung 4.7 die Gewinnmaximierungsbedingung GPA = w/P nur erfüllt, wenn 200 Einheiten des Faktors Arbeit nachgefragt werden. Bei dem niedrigeren Reallohn w/P = 5 erfordert die Erfüllung der Bedingung für gewinnmaximalen Faktoreinsatz, daß 300 Einheiten des Faktors Arbeit eingesetzt werden. Das Zahlenbeispiel soll zeigen: Die GPA-Kurve gibt an, wie groß die Arbeitsnachfrage bei alternativem Reallohn ist. Die GPA-Kurve ist die Arbeitsnachfragekurve des einzelnen Unternehmens. Die Kurve zeigt, daß die Nachfrage nach Arbeitsleistungen steigt, wenn der Reallohn sinkt.

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

473

Die Gesamtnachfrage nach Arbeitsleistungen ergibt sich durch Addition der individuellen Arbeitsnachfragekurven. In Abbildung 4.8 sind eine Gesamtangebotskurve und eine Gesamtnachfragekurve dargestellt.

A0

A

Im Gleichgewicht bildet sich der Reallohn (w/P)0. Es werden A0 Einheiten des Faktors Arbeit nachgefragt und angeboten. Der Arbeitsmarkt wird geräumt. 3.

Das Güterangebot

Durch das Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt ist die Einsatzmenge des Faktors Arbeit bestimmt. In der Produktionsfunktion Y = F(K,A) sind bei gegebenem Kapitalstock K und dem durch das Arbeitsmarktgleichgewicht determinierten Arbeitseinsatz A 0 die Faktoreinsatzmengen bestimmt. Bei_gegebenen Faktoreinsatzmengen ergibt sich aus der Produktionsfunktion der Output Y, der angeboten wird: Y = F(K,A 0 ) In Abbildung 4.9(a) wird durch den Schnittpunkt der Arbeitsangebotskurve mit der Arbeitsnachfrage der gleichgewichtige Reallohn und die Beschäftigung A 0 bestimmt. In Abbildung 4.9(b) ergibt sich bei gegebenem Kapitalstock der^Output als Funktion des Arbeitseinsatzes. Bei dem Arbeitseinsatz A 0 wird der Output Y angeboten, dem ein gleich großes Einkommen entspricht.

474

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

Abb. 4.9 w/P

(W/P)0-

Die Struktur unseres Angebotsmodells läßt sich durch die folgenden Gleichungen beschreiben: A" = Aa = A" = Y =

f(w/P) g(w/P) Aa_ F(K, A)

Arbeitsnachfragefunktion Arbeitsangebotsfunktion Gleichgewichtsbedingung_—> A 0 , (w/P) 0 Produktionsfunktion —> Y

Durch die ersten drei Gleichungen sind der Reallohn (w/P) 0 und die Beschäftigung A 0 bestimmt. Bei gegebener Beschäftigung A 0 ergibt sich das angebotene Sozialprodukt Y aus der Produktionsfunktion.

4.

Angebot, Nachfrage und gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht

Im Kapitel über die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (erstes Kapitel des zweiten Teils) wurde dargelegt, daß das Inlandsprodukt von der Verwendungsseite als Summe aus privatem und staatlichem Konsum, privaten und staatlichen Investitionen und Außenbeitrag dargestellt werden kann: Y = CPr + C Sl + IPr + ISl + (X-M) Wir betrachten zunächst ein einfaches Modell eines Landes, das mit anderen Ländern keinen Handel treibt und in dem es keine staatlichen Aktivitäten gibt. Es werden also keine Güter und Dienstleistungen exportiert und importiert. Der Außenbeitrag X-M ist Null. Die Bürger unseres Landes brauchen keine Steuern zu zahlen und erhalten keine Transferzahlungen. Der Staat tritt auch nicht als Käufer von Gütern und Dienstleistungen in Erscheinung. Er beschäftigt keine Beamten, Angestellten und Arbeiter. Es gibt keinen staatlichen Konsum (CSI) und keine staatlichen Investitionen (ISl). Das Inlandsprodukt wird nur für privaten Konsum und private Investitionen verwendet.

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

a.

475

Geschlossene Volkswirtschaft ohne Staat

Wir analysieren also zunächst ein Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne Staat. Das Inlandsprodukt läßt sich ex post als Summe aus privatem Konsum (C) und privaten Investitionen (I) darstellen. Y=C+I Die ex post realisierten Größen brauchen nicht mit den geplanten Größen übereinzustimmen. Gleichgewicht herrscht nur, wenn die Gesamtnachfrage - die Summe aus geplantem Konsum und geplanten Investitionen - gleich dem Gesamtangebot ist. Geplanter Konsum und geplante Investitionen als Funktion des Zinses In Höhe des Inlandsprodukts entsteht Einkommen. Die Haushalte wünschen einen Teil ihres Einkommens für den Kauf von Konsumgütern auszugeben. Die Nachfrage nach Konsumgütern hängt vom Einkommen ab, das jedoch durch die Angebotsbedingungen determiniert ist. Der Konsum hängt im klassischen Modell außer vom Einkommen auch vom Zinssatz ab. C = C(Y,i) Je höher der Zinssatz ist, um so größer sind die Opportunitätskosten gegenwärtigen Konsums. Deshalb ist der Gegenwartskonsum um so geringer, je höher der Zinssatz ist. Es besteht nach klassischer Lehre eine negative Beziehung zwischen der Nachfrage nach Konsumgütern und dem Zins:' C = C ( Y, i ) H Auch die geplanten Investitionen sind eine Funktion des Zinssatzes. Je kleiner der reale Zinssatz ist, um so größer ist die Zahl der rentablen Projekte. Die geplanten Investitionen sind um so geringer, je höher der Zinssatz ist. I = I( i ) Die Gesamtnachfrage Yd ist in unserem Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne Staat die Summe aus geplantem Konsum und geplanten Investitionen: Yd = C(Y, i) + I(i) Im Gleichgewicht muß das Gesamtangebot Y gleich der Gesamtnachfrage Yd sein. Y = C(Y, i) + I(i)

1

Es wird nur der Substitutionseffekt einer Zinssatzänderung betrachtet. Zinssatzänderungen sind jedoch auch mit einem Einkommenseffekt verbunden, der dem Substitutionseffekt entgegenwirken kann.

476

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

Die Gleichung macht deutlich, daß der Zins die Funktion hat, die Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage herbeizuführen. Je höher der Zinssatz ist, um so geringer ist die Nachfrage nach Konsumgütern und nach Investitionsgütern. Wenn der Zins zu hoch ist, ist die Gesamtnachfrage kleijier als das Gesamtangebot. Der Zins muß sinken, damit die Gleichgewichtsbedingung Y = Y d erfüllt ist. In Abbildung 4.10 ist die reale Gesamtnachfrage als Funktion des Zinses dargestellt. Die Bedingung für ein Gleichgewicht auf dem Gütermarkt ist nur bei dem Zinssatz i 0 erfüllt. Abb. 4.10

reales Gesamtangebot

Das Gleichgewicht auf dem Kapitalmarkt Wie durch den Zinsmechanismus die Übereinstimmung von Gesamtangebot und Gesamtnachfrage herbeigeführt wird, wird deutlicher, wenn wir den Kapitalmarkt betrachten, auf dem Kredite angeboten und nachgefragt werden. Die Unternehmen fragen Kredite nach, um Investitionen zu finanzieren. Die Haushalte bieten ihre Ersparnis als Kredite an. In Abbildung 4.11 ist bei dem Zinssatz i, die Kreditnachfrage (= geplante Investition) kleiner als das Kreditangebot (= Ersparnis). Der Zinssatz sinkt, bis bei dem Gleichgewichtszins i0 Kreditangebot gleich Kreditnachfrage und somit die geplante Ersparnis gleich der geplanten Investition ist. Abb. 4.11 Kreditnachfrage

I(i)

Kreditangebot S ( Y ,

i)

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

477

Im Gleichgewicht auf dem Kapitalmarkt ist: S(Y,i) = I(i)

Da die geplante Ersparnis der Teil des Einkommens Y ist, der nicht konsumiert wird (S = Y - C), können wir auch schreiben Y - C ( Y , i ) = I(i) Y = C(Y, i) + I(i) Durch den Zinsmechanismus wird also bewirkt, daß Güterangebot Y gleich Güternachfrage C(Y, i) + I(i) ist. b.

Geschlossene Volkswirtschaft mit staatlicher Aktivität

Im Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft mit staatlicher Aktivität läßt sich das Inlandsprodukt (Sozialprodukt) von der Verwendungsseite als Summe aus privatem und staatlichem Konsum (C Pr + C St ) und der Summe aus privaten und öffentlichen Investitionen (IPr + ISl) darstellen: Y-C

+C +T +T

In der makroökonomischen Theorie wird die Summe aus staatlichem Konsum und staatlichen Investitionen (CSl + I S| ) zu den Ausgaben des Staates für Güter und Dienstleistungen G (= C St + ISl) (G für englisch government) zusammengefaßt. Das Sozialprodukt von der Verwendungsseite wird als Y=C+I+ G geschrieben. In dieser Gleichung sind C der private Konsum, I die privaten Investitionen und G die Ausgaben des Staates für Güter und Dienstleistungen. Die staatlichen Ausgaben für Güter und Dienstleistungen enthalten nicht die staatlichen Transferzahlungen, zu denen die Ausgaben für Renten und Pensionen, Sozialhilfe und Bafög zählen. Durch Transferzahlungen an die Haushalte werden nicht unmittelbar Güter oder Dienstleistungen nachgefragt. Sie beeinflussen nur indirekt die Nachfrage, da durch Transferzahlungen das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte erhöht wird. Sie sind das Gegenstück zu den Steuern, durch die das verfügbare Einkommen der Haushalte vermindert wird. Deshalb fassen wir Steuern und Transferzahlungen zu der Größe T zusammen, die als Summe aller Steuern minus Transferzahlungen definiert ist. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist in unserem Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft mit Staat die Summe aus geplantem Konsum, geplanten Investitionen und den Ausgaben des Staates für Güter und Dienstleistungen. Staatsausgaben und

478

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

Steuern werden als durch den politischen Prozeß bestimmte Größen betrachtet, die im Rahmen unseres Modells nicht erklärt werden, also exogene Variablen sind. Deshalb schreiben wir: G=G T=T Im Gegensatz zu diesen exogenen Variablen sind der Konsum, die Investitionen und der Zinssatz endogene Variablen, die durch unser Modell erklärt werden. Der Konsum ist eine Funktion des verfügbaren Einkommens der Haushalte. Das verfügbare Einkommen erhält man, wenn man vom Gesamteinkommen Y die Steuern abzieht und die Transfereinkommen addiert. Da wir T als _Steuern minus Transferzahlungen definiert haben, ist das verfügbare Einkommen Y - T . Die Querstriche sollen anzeigen, daß der Output Y eine durch die Produktionsfunktion bereits bestimmte Größe und die Nettosteuern T eine exogene Variable sind. Der geplante Konsum hängt außer von dem in unserem Modell gegebenen verfügbaren Einkommen vom (realen) Zins ab. Wir schreiben: C = C ( Y - T , i) Die privaten Investitionen sind wie im Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne Staat eine Funktion des realen Zinses. I = I(i) Für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage (Yd) erhalten wir: Y d = C(Y-T, i)+I(i)+G

Gesamtwirtschaftliche

Nachfrage

Im Gleichgewicht muß die gesamtwirtschaftliche Nachfrage gleich dem gesamtwirtschaftlichen Angebot Y sein. Y = C(Y-T, i)+I(i)+G

Gleichgewichtsbedingung

Wie im zuvor behandelten Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne Staat hat der Zins die Funktion, sicherzustellen, daß die produzierten Güter auch abgesetzt werden, daß also Gesamtangebot gleich Gesamtnachfrage ist. Das Gleichgewicht auf dem Kapitalmarkt Subtrahiert man auf beiden Seiten der letzten Gleichung den privaten Konsum und die Nettosteuern T erhält man Y — T - C ( Y - T , i) = I(i) + G - T

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

479

Der Ausdruck auf der linken Seite ist der Teil des verfügbaren Einkommens Y - T, den die Haushalte nicht zu konsumieren planen. Das ist die geplante private Ersparnis, die wie der geplante Konsum eine Funktion des verfügbaren Einkommens und des Zinssatzes ist. Die private Ersparnis muß im Gleichgewicht gleich der Summe aus den privaten Investitionen und ( G - T ) sein. S ( Y - T , i) = I(i) + G - T Auf der rechten Seite der letzten Gleichung ist G - T die Differenz aus Staatsausgaben G und Nettosteuereinnahmen T. Ist G = T, so ist der Haushalt ausgeglichen. Ist T größer als G, liegt ein Haushaltsüberschuß vor, der wie die private Ersparnis als Kreditangebot zur Finanzierung der privaten Investitionen zur Verfügung steht. Wenn die Staatsausgaben G größer als die Nettosteuereinnahmen T sind, liegt ein Haushaltsdefizit vor. Der Staat muß Kredite aufnehmen, um seine Ausgaben finanzieren zu können. In Abbildung 4.12 ist dieser Fall dargestellt. Abb. 4.12

I ( i ) + (G - T )

A

S ( Y - T, i ) Kreditangebot

I(i) S=I+(G-T)

S, I

Die Kreditnachfrage besteht in unserem Modell mit Staat jetzt aus der Nachfrage der Unternehmen zum Zweck der Finanzierung der Investitionen und der Kreditnachfrage des Staates zur Finanzierung des Haushaltsdefizits. Im Gleichgewicht bildet sich der Zinssatz i0, bei der Kreditnachfrage gleich Kreditangebot ist. Im Gleichgewicht ist S(Y-T,i) Wegen

S ( Y - T , i)

=

=

I(i) + G —T

Y-T-C(Y-T,i)

können wir auch schreiben: Y — T - C ( Y - T , i)

=

I(i) + G - T

Wenn wir C und T auf beiden Seiten addieren, erhalten wir: Y = C(Y - T, i) + I(i) + G Das gesamtwirtschaftliche Angebot Y ist gleich der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage.

480

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

C.

Grundzüge des klassischen Modells: Geldmenge, Preisniveau und gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht

1.

Die Quantitätsgleichung als Ausgangspunkt

Um zu analysieren, wie sich im klassischen Modell das Preisniveau bildet, müssen wir die Rolle des Geldes erörtern. Geld ist in der klassischen Theorie nur allgemeines Tauschmittel und Recheneinheit. Eine eigenständige Wertaufbewahrungsfunktion hat Geld nicht. Ausgangspunkt der klassischen Lehre vom Geld ist die schon im letzten Kapitel abgeleitete Quantitätsgleichung M • V = Y • P.

Die Klassiker sahen in der Umlaufgeschwindigkeit eine durch die Zahlungsgewohnheiten bestimmte Konstante. Durch diese Annahme wird die Quantitätsgleichung zu einer Theorie der Bestimmung des nominalen Inlandsprodukts Y • P. Da die Höhe des realen Inlandsprodukts eine durch die Angebotsseite bereits bestimmte Größe ist, schreiben wir: M-V = Y P Die Querstriche über V und Y geben an, daß diese Variablen gegebene bzw. bereits bestimmte Größen sind. Die letzte Gleichung zeigt, daß das Preisniveau durch die Geldmenge bestimmt wird. Wenn die Geldmenge um zehn Prozent steigt, erhöht sich auch das Preisniveau um zehn Prozent. Wird die Geldmenge verdoppelt, verdoppelt sich das Preisniveau. Mit dem Hinweis auf die Quantitätsgleichung ist allerdings noch nicht die Frage geklärt, auf welche Art es bei einer Geldmengenerhöhung zu einem Anstieg des Preisniveaus kommt. Nehmen wir an, daß in der Ausgangssituation die tatsächliche Kassenhaltung der Bürger gleich der für Transaktionszwecke gewünschten Kassenhaltung ist: Wenn die Geldmenge verdoppelt wird, ist bei gegebenem Preisniveau die tatsächliche Kassenhaltung größer als die gewünschte Kassenhaltung. Die Bürger versuchen ihre Kassenhaltung zu reduzieren, indem sie mehr Güter und Dienstleistungen nachfragen. Doch wird auf diese Art insgesamt die Kassenhaltung nicht vermindert, weil die Ausgaben der einen Einnahmen der anderen werden. Indem aber mehr Güter und Dienstleistungen nachgefragt werden, steigt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Die gestiegene Nachfrage trifft aber auf ein konstantes, durch die Angebotsseite bestimmtes Angebot. Das Preisniveau steigt ("there is too much money chasing too few goods"), bis die tatsächliche Kassenhaltung der gewünschten Kassenhaltung entspricht. Erst wenn sich das Preisniveau verdoppelt hat, ist die reale Kassenhaltung M/P wieder auf das ursprüngliche Niveau gesunken. Unsere Überlegungen zeigen, daß die Quantitätstheorie eine Theorie der Gesamtnachfrage ist.

Viertes/Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

2.

481

Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage

Wir haben bereits im letzten Kapitel gesehen, daß das Produkt aus M • V die nominale gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist. Bei konstanter Umlaufgeschwindigkeit wird die nominale Gesamtnachfrage allein durch die Geldmenge M bestimmt. Sie ist gleich MV. Die reale Gesamtnachfrage, die angibt, wie groß die Menge an Gütern ist, die in_einer Periode nachgefragt werden, ist (M_V)/P. Sie ist bei gegebener Geldmenge M und konstanter Umlaufgeschwindigkeit V um so größer, je kleiner das Preisniveau P ist. Graphisch wird die reale Gesamtnachfrage in einem Diagramm, in dem das Preisniveau auf der Ordinate und das reale Sozialprodukt auf der Abszisse abgetragen wird, durch eine von links oben nach rechts unten fallende Kurve dargestellt, wie sie Abbildung 4.13 zeigt.

Abb. 4.13

P

GN

ü_ M • V ~ P

Ist also zum Beispiel die Umlaufgeschwindigkeit V = 4 und die Geldmenge 300, so ist M -V = 1200. Bei einem Preisniveau von P = 1 beträgt die reale Gesamtnachfrage 1200; bei einem Preisniveau von P = 2 ist die reale Gesamtnachfrage gleich 600 und bei P = 3 wäre sie 400. Die dargestellte Nachfragekurve gibt also an, wie groß bei gegebener Geldmenge die reale Gesamtnachfrage bei alternativem Preisniveau ist. Die Gesamtnachfragekurve ist der Ast einer rechtwinkligen Hyperbel. Da bei gegebener Geldmenge M und konstanter Umlaufgeschwindigkeit V das Produkt aus M • V eine Konstante ist, entspricht die Gleichung

P der Hyperbelgleichung y = a/x. Wird die Geldmenge erhöht, verschiebt sich die Gesamtnachfragekurve nach rechts. Bei jedem gegebenen Preisniveau ist die reale Nachfrage größer als zuvor.

482

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

Umgekehrt verschiebt sich die Gesamtnachfragekurve nach links, wenn die Geldmenge sinkt.

3.

Die Bestimmung des Preisniveaus

Die Gesamtnachfragekurve gibt nur an, welche Beziehung zwischen dem Preisniveau und der realen Gesamtnachfrage besteht. Um das Preisniveau graphisch zu bestimmen, müssen wir zunächst die Gesamtangebotskurve ableiten. Wir haben bereits gezeigt, daß d i e j e a l e Produktion bei gegebenem Kapitalstock durch die Produktionsfunktion Y = F(K, A) determiniert ist, wenn die Beschäftigung ermittelt worden ist. Die Höhe der Beschäftigung wird auf dem Arbeitsmarkt durch die Bedingung bestimmt, daß das Arbeitsangebot gleich der Arbeitsnachfrage ist. In Abbildung 4.15 wird diese Bedingung bei dem Reallohn (w/P) 0 und der Beschäftigung A 0 erfüllt. Das angebotene Sozialprodukt ist Y. Abb. 4.15

Die Beschäftigung A 0 und das angebotene Sozialprodukt hängen nicht vom Preisniveau ab. Nehmen wir an, daß beim gleichgewichtigen Reallohn (w/P) 0 der Nominallohn w 0 und das Preisniveau P0 sind. Wenn bei gegebenem Nominallohn w 0 das Preisniveau höher wäre, also zum Beispiel P, > P0, so wäre der Reallohn niedriger als der gleichgewichtige Reallohn. Bei dem Reallohn w 0 /P, wäre die Nachfrage nach Arbeitsleistungen größer als das Angebot. Der Nominallohn würde steigen, bis der

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches M o d e l l

483

gleichgewichtige Reallohn wieder realisiert wird, bei dem die Beschäftigung A 0 und das angebotene Sozialprodukt Y ist. Das heißt: Bei jedem beliebigen Preisniveau ist das Gesamtangebot gleich Y. In unserem Diagramm, in dem wir das Preisniveau auf der Ordinate und das reale Sozialprodukt auf der Abszisse abtragen, verläuft die Gesamtangebotskurve wie in Abbildung 4.16 vertikal.

Abbildung 4.16 zeigt außerdem die aus der Quantitätsgleichung abgeleitete Gesamtnachfragekurve. Durch den Schnittpunkt der Gesamtnachfragekurve mit der Gesamtangebotskurve ist das Preisniveau P 0 bestimmt. Im Schnittpunkt ist V

M

y

P M-V = P-Y Durch diese Gleichung ist bei gegebener Geldmenge M und konstanter Umlaufgeschwindigkeit V das Preisniveau determiniert. Wäre in Abbildung 4.16 das Preisniveau höher als P 0 , so wäre das Angebot größer als die Nachfrage. Bei flexiblen Preisen führt der Angebotsüberschuß zu Preissenkungen, bis das Gleichgewichtspreisniveau P 0 realisiert wird. Man erkennt: Für unser klassisches Modell ist die Annahme flexibler Preise und Löhne von grundlegender Bedeutung. Bei einem durch das Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt bestimmten Reallohn w/P und dem durch die Quantitätstheorie bestimmten Preisniveau P ist auch der Nominallohn determiniert. 4.

Ein einfaches Zahlenbeispiel

Das dargestellte klassische Modell soll abschließend durch ein einfaches Zahlenbeispiel erläutert werden. Die sich aus der Produktionsfunktion Y = F ( K , A ) bei Konstanz des Kapitalstocks ergebende Gesamtertragsfunktion, die den funktionalen Zusammenhang zwischen Arbeitseinsatz und Output angibt, ist

484

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

Y = 12A-0.05A 2 Die Arbeitsangebotsfunktion und Arbeitsnachfragefunktion sind 1 : Aa

=

30 + 5 ^

A"

=

120-10^

Die Geldmenge M und die Umlaufgeschwindigkeit sind: M = 135 V =4 Unsere Aufgabe besteht darin, Reallohn, Beschäftigung, reales Sozialprodukt und das Preisniveau zu bestimmen. Im Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt ist das Arbeitsangebot A a gleich der Arbeitsnachfrage A": w w 30 + 5 - = 120-10— P P 15— = 90 P —= 6 Setzt man diesen Reallohn in die Arbeitsangebotsfunktion oder die Arbeitsnachfragefunktion ein, erhält man die Beschäftigung A 0 :

Setzt man Aß = 60 in die Gesamtertragsfunktion ein, erhält man: Y= 12-60-0,05-602 Y = 540 Aus der Quantitätsgleichung M • V = Y • P erhält man durch Einsetzen:

1

Die Arbeitsnachfragefunktion ergibt sich aus der Gesamtertragsfunktion Y = 12A - 0,05A 2 . Die erste Ableitung dieser Funktion ist das Grenzprodukt der Arbeit: GPA = 12 - 0,1A. Unternehmen maximieren ihren Gewinn, wenn sie die Menge an Arbeitsleistungen nachfragen, bei der das Grenzprodukt der Arbeit gleich dem Reallohn ist: 12 - 0,1A = w/P. Löst man die letzte Gleichung nach der nachgefragten Menge an Arbeitsleistungen auf, erhält man: A" = 120 - lOw/P.

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

485

135-4 = 5 4 0 - P P= 1

Da der Reallohn gleich 6 und das Preisniveau gleich 1 ist, ist auch der Nominallohn gleich 6. 5.

Datenänderungen im klassischen Modell

Änderung der Geldmenge Wenn sich die Geldmenge ändert, verschiebt sich die Gesamtnachfragekurve. Bei einer Geldmengenerhöhung verschiebt sie sich nach rechts, bei einer Geldmengensenkung nach links. Abbildung 4.17 zeigt, daß bei einer Geldmengenerhöhung das Preisniveau von P 0 auf P, steigt.

Y

Y

Bei konstantem Output steigt das Preisniveau um den gleichen Prozentsatz, um den die Geldmenge steigt. Bei konstanter Umlaufgeschwindigkeit V und gegebenem Output Y folgt aus M-V = Y P AM

AP

M ~ P Die realen Größen ändern sich bei einer Geldmengenänderung im klassischen Modell nicht. Sie sind von den nominalen Größen unabhängig. Da sich auch der Reallohn nicht ändert, muß der Nominallohn um den gleichen Prozentsatz steigen wie das Preisniveau. Änderung des Arbeitsangebots Wenn sich das Arbeitsangebot ändert, verschiebt sich die Arbeitsangebotskurve. In Abbildung 4.18(a) ist das Arbeitsangebot gestiegen. Bei gegebenem Reallohn werden mehr Arbeitsleistungen angeboten. Die Arbeitsangebotskurve verschiebt sich nach rechts.

486

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

Abb. 4.18 a)

b)

c)

Der Reallohn sinkt und die Beschäftigung steigt in Abb. 4.18(a) von A 0 auf A,. Mit der größeren Zahl an Beschäftigten wird gemäß Abb. 4.18(b) der größere Output Y , produziert und angeboten. Die Gesamtangebotskurve wird in Abb. 4.18(c) nach rechts verschoben. Das Preisniveau sinkt von P 0 auf P,. Da Reallohn und das Preisniveau sinken, sinkt auch der Nominallohn.

Technischer Fortschritt Infolge technischen Fortschritts kann bei gegebenem Kapitalstock bei jedem Arbeitseinsatz mehr produziert werden als zuvor. In Abbildung 4.19 verschiebt sich die Gesamtertragskurve nach oben. Die neue Gesamtertragskurve ist in Abbildung 4.19(b) bei alternativem Arbeitseinsatz jeweils steiler. Da die Steigung der Gesamtertragskurve gleich dem Grenzprodukt der Arbeit ist, ist als Folge des technischen Fortschritts bei allen Werten von A das Grenzprodukt der Arbeit größer als zuvor. Da von gewinnmaximierenden Unternehmen die Menge an Arbeitsleistungen nachgefragt wird, bei der der Reallohn gleich dem Grenzprodukt der Arbeit ist, verschiebt sich in Abbildung 4.19(a) die Arbeitsnachfragekurve nach oben.

Abb. 4.19 a)

b)

c)

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

487

Durch den Schnittpunkt der unveränderten Arbeitsangebotskurve mit der neuen Arbeitsnachfragekurve ist das neue Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt bestimmt. Reallohn und Beschäftigung steigen als Folge des technischen Fortschritts! Da in Abbildung 4.19(a) die Beschäftigung von A 0 auf A, steigt, erhöht sich der Output von Y0 auf Y,. In Abbildung 4.18(c) verschiebt sich die Gesamtangebotskurve nach rechts. Das Preisniveau sinkt. Das nominale Sozialprodukt ändert sich nicht! Änderung der Staatsausgaben und Steuern: Fiskalpolitik im klassischen Modell Welche Wirkungen hat es in unserem klassischen Modell, wenn der Staat bei konstanter Geldmenge die Staatsausgaben oder die Steuern variiert? Wenn der Staat bei konstantem Steueraufkommen die Staatsausgaben erhöht oder wenn er bei konstanten Staatsausgaben die Steuern senkt, bezeichnet man dies als expansive fiskalpolitische Maßnahmen. Bei einer Staatsausgabenerhöhung steigt unmittelbar eine Komponente der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Bei einer Steuersenkung erhöht sich zunächst unmittelbar nur das verfügbare Einkommen der Haushalte. Wenn aber das verfügbare Einkommen steigt, steigt die Nachfrage nach Konsumgütern. Beide Maßnahmen bewirken - so scheint es - daß die gesamtwirtschaftliche Nachfrage Yd = C(Y - T, i) + I(i) + G steigt. Eine Verminderung der Staatsausgaben oder eine Steuererhöhung bezeichnet man als kontraktive fiskalpolitische Maßnahmen, weil diese Maßnahmen bewirken, daß die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt. Wir wollen prüfen, ob fiskalpolitische Maßnahmen in unserem klassischen Modell die ihnen zugeschriebenen expansiven oder kontraktiven Wirkungen tatsächlich haben. Die Aussage, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhe sich, wenn die Staatsausgaben bei gegebener Geldmenge erhöht werden, steht im Widerspruch zu unserer aus der Quantitätstheorie abgeleiteten Erkenntnis, daß die reale Gesamtnachfrage gleich (M • V)/P ist. Bei gegebenem Preisniveau und konstanter Umlaufgeschwindigkeit verändert sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nur, wenn sich die Geldmenge ändert. Die Staatsausgaben sind kein Argument in unserer aus der Quantitätstheorie abgeleiteten gesamtwirtschaftlichen Nachfragefunktion. In Abbildung 4.20 verschiebt sich die gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve nur, wenn sich die Geldmenge ändert. Abb. 4.20

Y =

M V

Wir scheinen auf einen Widerspruch gestoßen zu sein! Eine Erhöhung der Staatsausgaben bedeutet einerseits unzweifelhaft, daß sich eine Komponente der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage erhöht hat. Andererseits folgt aus der von uns aus der

488

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

Quantitätstheorie abgeleiteten gesamtwirtschaftlichen Nachfragefunktion, daß die gesamtwirtschaftliche Nachfrage dann und nur dann steigt, wenn die Geldmenge erhöht wird. Wie ist der Widerspruch aufzulösen? Wir betrachten den Fall einer Erhöhung der Staatsausgaben um AG. Wir nehmen an, daß der Staatshaushalt in der Ausgangssituation ausgeglichen war (G=T). Die Kreditnachfrage in der Ausgangssituation (KN 0 ) besteht also nur aus den Krediten, die die Unternehmen nachfragen, um ihre Investitionen zu finanzieren (I(i)). Wenn der Staat bei konstanten Steuereinnahmen die Staatsausgaben erhöht, muß er sich verschulden. Er verkauft festverzinsliche Wertpapiere an die Nichtbanken, um die zusätzlichen Staatsausgaben zu finanzieren. In Höhe der zusätzlichen Staatsausgaben steigt die Kreditnachfrage. In Abbildung 4.21 verschiebt sich die Kreditnachfragekurve um AG nach rechts. Abb. 4.21

KA = S ( Y - T, i )

KN„=I(i)

KN = I ( i ) + A G

I,

Io=S„

S,

S , I, G - T

Der Gleichgewichtszins steigt von i0 auf i,. Infolge der Zinssteigerung sinken die privaten Investitionen um AI von I0 auf I,. Die private Ersparnis steigt um AS von S 0 auf S,. Bei gegebenem verfügbaren Einkommen Y - T ist dies der Betrag, um den der private Konsum sinkt. Investitionen und Konsum sinken insgesamt um den gleichen Betrag, um den die Staatsausgaben gestiegen sind. Die Erhöhung der Staatsausgaben bewirkt, daß private Ausgaben in Höhe von AG verdrängt werden. Es findet ein vollständiger Verdrängungsprozeß (vollständiges crowding out) statt. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage Yd = C( Y - T, i) + I(i) + G ändert sich bei einer Erhöhung der Staatsausgaben nicht, weil die beiden anderen Komponenten der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, Konsum und Investitionen, um den gleichen Betrag sinken, um den die Staatsausgaben steigen. Eine Erhöhung der Staatsausgaben wirkt im klassischen Modell nicht expansiv; sie ist kein Instrument, mit dessen Hilfe die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöht werden kann. Wir können in analoger Weise zeigen, daß auch eine Steuersenkung bei konstanten Staatsausgaben keine expansiv wirkende fiskalpolitische Maßnahme ist. Andererseits wirken Staatsausgabensenkung und Steuererhöhung nicht kontraktiv. Sie beeinflussen

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

489

die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht. Fiskalpolitische Maßnahmen sind im klassischen Modell nicht geeignet, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu beeinflussen. Fiskalpolitik ist vollkommen ineffizient. Wir wollen abschließend prüfen, ob Fiskalpolitik auch dann vollständig ineffizient ist, wenn wir die Annahme, die Ersparnis und der Konsum seien vom Zinssatz abhängig, aufgeben. Ist der Konsum nicht vom Zins abhängig, führt steigender Zins nicht zu einer Verdrängung des privaten Konsums. Bedeutet dies, daß eine Erhöhung der Staatsausgaben in diesem Fall dazu führt, daß die privaten Ausgaben nicht um den gleichen Betrag sinken, um den die Staatsausgaben steigen? Wir können diese Frage mit Hilfe der Abbildung 4.22 beantworten. Die Kreditangebotskurve verläuft vertikal, weil die Ersparnis nicht vom Zins abhängt.

Infolge der Erhöhung der Staatsausgaben um AG verschiebt sich die Kreditnachfragekurve um AG nach rechts. Der Zinssatz steigt auf i,. Die privaten Investitionen sinken um AI von I 0 auf Ij. Sie sinken um den gleichen Betrag, um den die Staatsausgaben erhöht wurden. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ändert sich nicht. Literatur zum vierten Kapitel des zweiten Teils Gardner Ackley, Macroeconomics: Theory and Policy, New York 1978, viertes und fünftes Kapitel, S. 83-153. George T. McCandless J r . , Macroeconomic Theory, Englewood Cliffs 1991, siebtes Kapitel, S. 85-106. Bernhard Felderer, Stefan Homburg, MakroÖkonomik und neue MakroÖkonomik, 5. Auflage, Berlin 1991, viertes Kapitel, S. 51-96. Richard T. Froyen, Macroeconomics, 2. Auflage, New York 1986, drittes und viertes Kapitel, S. 38-97. N. Gregory Mankiw, Macroeconomics, New York 1992, viertes Kapitel, S. 42-76. John A. Sawyer, Macroeconomic Theory, New York 1989, zweites Kapitel, S. 24-61.

490

Viertes Kapitel: Ein "klassisches" makroökonomisches Modell

Andrew Stevenson, Vitantonio Muscatelli, M a r y Gregory, Macroeconomic Theory and Stabilisation Policy, Oxford 1988, zweites Kapitel, S. 26-44.

F ü n f t e s Kapitel G r u n d z ü g e der keynesianischen Theorie I: Das E i n k o m m e n - A u s g a b e n Modell Die Weltwirtschaftskrise als Ausgangspunkt Mit dem Zusammenbruch der New Yorker Börse am 24. Oktober 1929, dem "schwarzen Donnerstag", brach in den USA eine Wirtschaftskrise aus, die bald auch alle anderen Industriestaaten erfaßte und die sich zur größten wirtschaftlichen Katastrophe der neueren Zeit entwickelte. Die Depression führte zu einem beispiellosen Rückgang der industriellen Produktion und zu Massenarbeitslosigkeit bisher nicht gekannten Ausmaßes. In Deutschland sank die industrielle Produktion von 1929 bis 1932 um etwa 40 Prozent. Die Investitionsgüterproduktion sank um über 60 Prozent. Die Zahl der erfaßten Arbeitslosen stieg im Februar 1932 auf 6,128 Millionen, die Arbeitslosenquote stieg 1932 auf 30,8 Prozent. Die tatsächliche Zahl der Arbeitslosen war vermutlich noch wesentlich höher, da viele Erwerbspersonen nach längerer Arbeitslosigkeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr hatten und statistisch nicht erfaßt wurden. Massenelend und Hoffnungslosigkeit waren die Folge.' Die Wirtschaftskrise war weltweit. Deshalb bezeichnet man die damalige Krise als Weltwirtschaftskrise. Besonders betroffen waren neben Deutschland die USA. Von 1929 bis 1932 sank dort die Industrieproduktion um fast 50 Prozent. Die Arbeitslosenquote stieg von 3,2 Prozent 1929 auf 25,2 Prozent im Jahre 1933. Noch im Jahr 1938 hatten die USA eine Arbeitslosenquote von 19,1 Prozent. Das reale Bruttosozialprodukt, das von 1929 bis 1933 um rund 30 Prozent sank, hatte 1938 noch nicht wieder den Stand von 1929 erreicht, wie die Angaben in der folgenden Tabelle zeigen. Tabelle 1: Wirtschaftsentwicklung in den USA in der Weltwirtschaftskrise Jahr

Arbeitslosenquote

Reales BSP in Mrd. Dollar

Investitionen in Mrd. Dollar

Preisniveau 1958 = 100

1929 1930 1931 1932 1933

3,2 8,9 16,3 24,1 25,2

203,6 183,5 169,5 144,2 141,5

40,4 27,4 16,8 4,7 5,3

50,9 49,3 44,8 40,2 39,3

1938

19,1

192,9

17,0

43,9

Quelle: Historical Statistics of the United States, Colonial Times 101970, Part I and II, U.S. Department of Commerce, Bureau of Census, 1975 Washington D.C. Zitiert nach N. Gregory Mankiw, Macroeconomics. N e w York 1992. S. 278f

1

Siehe dazu Dietmar Petzina, Die deutsche Wirtschaft in der Zwischenkriegszeit, Wiesbaden 1977 und Wolfram Fischer, Deutsche Wirtschaftspolitik 1918 - 1945,3. Auflage, Opladen 1968.

492

Fünftes Kapitel: Grundzüge der keynesianischen Theorie I

Wirtschaftskrisen hatte es auch in den 150 Jahren zuvor immer wieder gegeben. Der Franzose Juglar (1819-1905) glaubte schon 1860 einen Zyklus im Konjunkturablauf beobachtet zu haben. Die Weltwirtschaftskrise übertraf jedoch im Ausmaß des Niedergangs alle früheren Krisen bei weitem. Verzweiflung und tiefe Hoffnungslosigkeit breiteten sich aus. In Deutschland stieg die Selbstmordrate auf eine Rekordhöhe an. Die Menschen verloren den Glauben an das traditionelle kapitalistische Wirtschaftssystem. Man verkündete das Heraufkommen eines neuen Zeitalters. Staatssozialistische und faschistisch-ständestaatliche Ideen wurden propagiert. Demokratische Regierungen stürzten. In Deutschland kam Hitler an die Macht. Die traditionelle Volkswirtschaftslehre schien nicht in der Lage zu sein, die tiefe Depression zu erklären. Die klassische Theorie, die verkündet, daß langfristig Vollbeschäftigung wiederhergestellt wird, war kein Trost für die von Massenarbeitslosigkeit und Elend Betroffenen. 1936 veröffentlichte Keynes sein Werk "The General Theory of Employment, Interest and Money", das vermutlich einflußreichste und am häufigsten zitierte ökonomische Buch unseres Jahrhunderts. Nach Keynes wurden der Rückgang der Produktion und die Massenarbeitslosigkeit durch eine zu geringe gesamtwirtschaftliche Nachfrage verursacht. Keynes begründete theoretisch, daß geldpolitische und vor allem fiskalpolitische Maßnahmen geeignete Instrumente sind, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu beeinflussen und damit das gewünschte Niveau der Produktion und Beschäftigung zu sichern. Nach klassischer Lehre waren dagegen fiskalpolitische Maßnahmen völlig wirkungslos, während expansive geldpolitische Maßnahmen nur bewirken, daß das Preisniveau steigt. Grundannahmen der keynesianischen Theorie Die in diesem und dem folgenden Kapitel zu entwickelnde keynesianische Theorie beruht auf der Einsicht, daß kurzfristig Nominallöhne und Preise starr sind. Löhne und Preise passen sich nicht schnell genug an Nachfrageänderungen an, um Vollbeschäftigung zu sichern. Anders als im klassischen Modell mit flexiblen Löhnen und Preisen wird das Niveau der Produktion durch die Nachfrage bestimmt. Wenn zum Beispiel infolge kontraktiver Geldpolitik die Geldmenge um zehn Prozent sinkt, bewirkt dies im klassischen Modell, daß Preise und Löhne ebenfalls um zehn Prozent sinken. Die reale Nachfrage und die realen Größen Output, Reallohn und Beschäftigung ändern sich nicht. Das klassische Modell beschreibt das Ergebnis eines langfristigen Anpassungsprozesses. Gegen die Vernachlässigung der kurz- und mittelfristigen Wirkungen richtet sich Keynes Dictum: "In the long run, we are all dead." Kurzfristig ist ein Teil der Preise starr und die Löhne sind durch längerfristige Arbeitsverträge gebunden. Preise und Löhne sinken daher nicht unmittelbar um zehn Prozent. Sind die Preise starr, weicht der Output vom Vollbeschäftigungsoutput ab, wenn die Gesamtnachfrage sinkt. Wenn zum Beispiel in Abbildung 5.1 in der Ausgangssituation bei der Gesamtnachfrage GN 0 und dem Preisniveau P0 der Vollbeschäftigungsoutput Y nachgefragt wird, wird bei einem Rückgang der Nachfrage von GN 0 auf GN, langfristig das Preisniveau

Fünftes Kapitel: Grundzüge der keynesianischen Theorie I

493

auf P, sinken, so daß wieder der Vollbeschäftigungsoutput angeboten und nachgefragt wird. Die langfristige Angebotskurve verläuft in Höhe von Y vertikal. Wenn j e d o c h kurzfristig die Preise völlig starr sind und das Preisniveau auf dem Niveau P 0 fixiert ist, wird nur der Output Y , nachgefragt.

Y,

Y

Y

Die Unternehmen passen ihre Produktion der gesunkenen Nachfrage an. Sie werden nur soviel anbieten, wie bei dem kurzfristig starren Preisniveau P 0 nachgefragt wird. Sie senken die Produktion auf Y , und beschäftigen nur soviel Arbeitskräfte, wie sie brauchen, um den Output Y , zu erzeugen. Wenn die Unternehmen stets soviel produzieren, wie zum gegebenen Preisniveau nachgefragt wird, so bedeutet dies, daß die kurzfristige Angebotskurve bei völlig starren Preisen eine Parallele zur Einkommensachse in Höhe des gegebenen Preisniveaus ist.

Abb. 5.2

kurzfristige Angebotskurve

Das k u r z f r i s t i g e G l e i c h g e w i c h t ist durch den Schnittpunkt der Gesamtnachfragekurve mit der horizontal verlaufenden kurzfristigen Angebotskurve bestimmt. In Abbildung 5.3 ist im Gleichgewicht der Output Y , kleiner als der Vollbeschäftigungsoutput Y . E s gibt Arbeitslosigkeit.

494

Abb. 5.3

Fünftes Kapitel: Grundzüge der keynesianischen Theorie I

P

GN kurzfristige Angebotskurve

Po

Y,

Y

Y

Wenn die Gesamtnachfrage steigt, die Gesamtnachfragekurve sich ajso nach rechts verschiebt, steigt der Output. In Abbildung 5.4 steigt der Output auf Y, wenn sich die Gesamtnachfrage von GN! nach GN0 verschiebt. Abb. 5.4

P

GN, GN0

Po

Y,

Y

Y

Diese Überlegungen machen deutlich, daß im keynesianischen Modell allen Faktoren, die eine Änderung der Gesamtnachfrage bewirken können, besondere Beachtung zukommt. Deshalb geht es in diesem und im folgenden Kapitel darum, die Bestimmungsgrößen der Nachfrage genauer zu analysieren. Eine solche Analyse ist deshalb notwendig, weil Keynes die klassische Geldnachfragetheorie verwarf. Er erkannte, daß die Umlaufgeschwindigkeit keine Konstante ist, sondern systematisch von der Höhe des Zinses abhängig ist. Dies bedeutet, daß sich anders als im klassischen Modell, in dem die reale Gesamtnachfrage (M • V)/P ist, die Gesamtnachfrage nicht unmittelbar aus der Quantitätstheorie ableiten läßt. In diesem und im folgenden Kapitel treffen wir die extreme Annahme, daß die Preise kurzfristig völlig starr sind. Die kurzfristige Angebotskurve verläuft parallel zur Abszisse. Durch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist das Niveau der Produktion und damit das kurzfristige Gleichgewicht bestimmt. In diesem Kapitel wird zunächst ein sehr elementares keynesiansisches Modell entwickelt, das Einkommen-Ausgaben-Modell (Keynes for the Kiddies) genannt wird. Es bleiben alle Wirkungen unbeachtet, die sich ergeben, wenn sich die Geldmenge oder der Zinssatz ändern. Von Preisniveauänderungen wird durch die Annahme, die Preise

Fünftes Kapitel: Grundzüge der keynesianischen Theorie I

495

seien vollkommen starr, abstrahiert. Der Arbeitsmarkt wird nicht in die Analyse einbezogen. Einige dieser unrealistischen Annahmen werden im folgenden Kapitel aufgehoben, in dem das sogenannte IS-LM-Modell dargestellt wird.

A.

Das kurzfristige Gleichgewicht im Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne Staat

Wir betrachten zunächst eine Volkswirtschaft ohne wirtschaftliche Beziehungen mit dem Ausland und ohne staatliche Aktivität. Das Inlandsprodukt von der Verwendungsseite ist gleich der Summe aus Konsum und Investition. Y

=

C+I

In dieser Gleichung ist Y der tatsächliche Output, der angeboten wird und dem ein Einkommen in gleicher Höhe entspricht. Der Konsum C und die Investitionen I sind die ex post realisierten Größen, die von den ex ante geplanten oder gewünschten Größen abweichen können. Wir wollen vereinfachend unterstellen, daß die Haushalte stets ihre Konsum- und Sparpläne realisieren können, so daß nur bei den Investitionen Abweichungen der realisierten von den geplanten Größen möglich sind. Ist also zum Beispiel die tatsächliche (realisierte) Produktion Y größer als die Summe aus geplantem Konsum und geplanter Investition, können die Unternehmen nicht soviel verkaufen, wie sie möchten. Sie bleiben auf einem Teil ihrer Produktion sitzen. Es treten ungeplante Lagerinvestitionen (Iu) auf. Ist umgekehrt die Summe aus geplantem Konsum und geplanter Investition größer als die tatsächliche Produktion kommt es zu einem ungeplanten Lagerabbau. Die Summe aus geplantem Konsum und geplanter Investition ist in unserem Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne staatliche Aktivität die gesamtwirtschaftliche Nachfrage Yd. Y0

;

0 Y T ...). Es kommt via Multiplikator zu steigender Produktion und zu steigendem Einkommen. Dies ist der primär expansive Prozeß, der uns aus dem Einkommen-Ausgaben-Modell bekannt ist. Dieser primär expansive Prozeß wird aber von einem sekundären kontraktiven Prozeß begleitet. Wenn nämlich die Produktion steigt, erhöht sich die Geldnachfrage (Y T—> L T). Wenn bei konstanter Geldmenge die Geldnachfrage steigt, steigt der Zins (L T—> i T). Wenn der Zinssatz steigt, bewirkt dies einen Rückgang der privaten Investitionen (i T—> 11). Infolge der Verdrängung der Investitionen (crowding-out) ergibt sich ein den primär expansiven Effekt teilweise kompensierender sekundärer kontraktiver Effekt (L T—»i .). Wegen der Verdrängung privater Investitionen ist der Ausgabenmultiplikator im IS-LMModell kleiner als im Einkommen-Ausgaben-Modell, in dem es wegen der Annahme, die Investitionen seien autonom, zu keiner Verdrängung der Investitionen kommt. Daß der Ausgabenmultiplikator im IS-LM-Modell kleiner ist als der Multiplikator im Einkommen-Ausgaben-Modell, ersieht man auch an der folgenden Graphik. Abb. 6.21

IS,

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

543

Infolge der Erhöhung der autonomen Ausgaben verschiebt sich die IS-Kurve u m a - A A nach rechts. Das Gleichgewichtseinkommen steigt nur um AY < a • AA. Infolge der Zinserhöhung von i0 auf i, sinken die privaten Investitionen. Infolge der Verdrängung der Investitionen steigt das Gleichgewichtseinkommen nicht so stark, wie es steigen würde, wenn es zu diesem sekundären kontraktiven Effekt nicht käme. D.

Geld- und Fiskalpolitik im IS-LM-Modell

In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, wie geld- und fiskalpolitische Maßnahmen wirken. Geld- und Fiskalpolitik sind die wichtigsten Instrumente einer Regierung, die bemüht ist, konjunkturelle Schwankungen durch stabilitätspolitische Maßnahmen zu vermeiden oder zu mildern. Keynes glaubte, daß Investitionen in starkem Maße durch subjektive Faktoren bestimmt sind. Pessimistische Erwartungen können zu einem drastischen Rückgang der privaten Investitionen führen. Im IS-LM-Modell verschiebt sich die IS-Kurve nach links. Das Einkommen und die Beschäftigung sinken. Die Produktionskapazitäten sind nicht ausgelastet. Es gibt konjunkturelle Arbeitslosigkeit. Zumindest die Keynesianer glauben, daß der Staat diese auf einer zu geringen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage beruhenden Arbeitslosigkeit durch expansive geldoder fiskalpolitische Maßnahmen beseitigen oder vermindern kann. In diesem Abschnitt soll genauer untersucht werden, von welchen Faktoren die Wirksamkeit geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen abhängt. 1.

Die Effizienz fiskalpolitischer Maßnahmen

Unter fiskalpolitischen Maßnahmen versteht man eine Politik, bei der durch Variation der Staatsausgaben, der Steuern oder der Transferzahlungen versucht wird, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, die Produktion und die Beschäftigung zu beeinflussen. Wir werden in diesem Abschnitt sogenannte rein fiskalpolitische Maßnahmen analysieren. Darunter versteht man fiskalpolitische Maßnahmen bei konstanter Geldmenge. Eine Erhöhung der Staatsausgaben oder der Transferzahlungen und Steuersenkungen sind expansive Maßnahmen, Verminderung der Staatsausgaben und Erhöhung der Steuern sind kontraktive Maßnahmen. Im folgenden soll die Wirksamkeit fiskalpolitischer Maßnahmen am Beispiel einer Erhöhung der Staatsausgaben untersucht werden. In Abbildung 6.22 bewirkt eine Erhöhung der Staatsausgaben um AG eine Verschiebung der IS-Kurve um a • AG nach rechts. Das Gleichgewichtseinkommen steigt um AY von Y0 auf Y,.

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

544

Abb. 6.22

IS LM



AY Y„

Y,

Y

Wir wollen prüfen, von welchen Faktoren es_abhängt, in welchem Maße bei einer gegebenen Erhöhung der Staatsausgaben um AG das Gleichgewichtseinkommen steigt. Wir sagen, eine rein fiskalische Maßnahme sei um so effizienter, je größer bei einer gegebenen Erhöhung der Staatsausgaben die Veränderung des Gleichgewichtseinkommens ist. Fiskalpolitische Maßnahmen sind also um so effizienter, je größer der Staatsausgabenmultiplikator in unserem IS-LM-Modell ist. Erste These: Fiskalpolitische Maßnahmen sind um so effizienter, je geringer (absolut) die Zinsabhängigkeit der privaten Investitionen ist. Die absolute Zinsabhängigkeit der privaten Investitionen wird in unserer linearen Investitionsfunktion I = I - b • i (b>0) durch b gemessen. a. Wir betrachten den Ausgabenmultiplikator unseres IS-LM-Modells. Es ist AY AY AG

kb I

(Staatsausgabenmultiplikator)

Der Staatsausgabenmultiplikator ist um so größer, je kleiner die durch b gemessene Zinsabhängigkeit der Investitionen ist. Je kleiner b ist, um so kleiner ist der Nenner und um so größer istder Multiplikator. Je größer der Multiplikator ist, um so größer ist bei gegebenem AG die Veränderung des Gleichgewichtseinkommens. Je stärker bei einer gegebenen Erhöhung der Staatsausgaben das Gleichgewichtseinkommen steigt, um so effizienter ist die fiskalpolitische Maßnahmen. b. Wir können unsere erste These verbal-ökonomisch mit Hilfe unserer Kausalkette erläutern.

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

Abb. 6.23

545

Multiplikator /

G t — • Y t —-CI —• Yt — - C t . . . .

•Yl....

primärer expansiver Prozeß sekundärer kontraktiver Prozeß

Wenn die Staatsausgaben erhöht werden, steigen Produktion und Einkommen. Ein Multiplikatorprozeß setzt ein. Mit steigendem Einkommen steigt jedoch die Geldnachfrage. Der Zinssatz steigt (L T—»i T). Die privaten Investitionen sinken (i T—> I 4). Je geringer die Zinsabhängigkeit der privaten Investitionen ist, um so geringer ist das Ausmaß in dem bei einer gegebenen Zinserhöhung private Investitionen verdrängt werden. Je geringer der Rückgang der privaten Investitionen ist, um so kleiner ist der sekundäre kontraktive Effekt. c. Wir können das Ergebnis auch graphisch erläutern Abb. 6.24

i

LM

IS,\

Y0 Y,Y,

Y

In der Ausgangssituation wird die LM-Kurve in A sowohl von der flach verlaufenden IS 0 -Kurve wie von der steiler verlaufenden IS 0 '-Kurve geschnitten. Das Gleichgewichtseinkommen in der Ausgangssituation ist Y0. Die Staatsausgaben werden um AG erhöht. Die IS 0 -Kurve und die IS 0 '-Kurve werden jeweils um a • AG nach rechts verschoben. Die flacher verlaufende IS ,-Kurve schneidet die LM-Kurve in B. Das Gleichgewichtseinkommen steigt auf Y,. Betrachten wir nun die steiler verlaufende IS/-Kurve, die von IS 0 ' nach IS,' verschoben wird. Der neue Schnittpunkt mit der LM-Kurve ist C. Das Gleichgewichtseinkommen steigt stärker auf Y,\ Die IS-Kurve ist um so flacher, je größer die Zinsabhängigkeit der Investitionen ist. Die flacher verlaufende IS-Kurve repräsentiert eine größere Zinsabhängigkeit der Investitionen als die steiler verlaufende IS'-Kurve. Da im Fall der steiler verlaufenden IS'-Kurve, die eine geringere Zinsabhängigkeit der Investitionen ausdrückt, eine Staatsausgabenerhöhung zu einer größeren Veränderung des Gleichgewichtseinkommens führt, ist die Effizienz rein fiskalpolitischer Maßnahmen um so größer, je geringer die Zinsabhängigkeit der Investitionen ist.

546

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

d. Wir analysieren abschließend einen wichtigen Extremfall: Die Investitionen sind nicht zinsabhängig. Das bedeutet, daß der Koeffizient b, der die Zinsabhängigkeit der Investitionen ausdrückt, Null ist. Betrachten wir den Ausgabenmultiplikator: AY AG

1 tl+i

Wenn b Null ist, so ist der Nenner des Multiplikators gleich 1/a und der Multiplikator ist gleich dem elementaren Ausgabenmultiplikator a. In diesem Extremfall gibt es keinen sekundären kontraktiven Prozeß, der den primär expansiven Prozeß teilweise kompensiert. Zwar steigt bei steigendem Einkommen der Zins, doch führt die Zinssteigerung nicht zu einer Verdrängung privater Investitionen. Die Fiskalpolitik ist bei zinsunabhängigen Investitionen maximal wirksam. Graphisch wird dieser Extremfall durch eine vertikal verlaufende IS-Funktion dargestellt, wie sie Abbildung 6.25 zeigt. Abb. 6.25

Werden die Staatsausgaben um AG erhöht, verschiebt sich die IS-Kurve um a • AG nach rechts. Das Gleichgewichtseinkommen steigt von Y0 auf Y,. Es ist AY = a • AG. Zweite These: Rein fiskalpolitische Maßnahmen sind um so effizienter, je größer (absolut) die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist. In unserer Geldnachfragefunktion (M/P)d = k • Y - h • i wird der absolute Wert der Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage durch den Koeffizienten h gemessen. a. Wir betrachten den Ausgabenmultiplikator des IS-LM-Modells AY

1

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

547

Man erkennt: Der Nenner des Multiplikators ist um so kleiner und der Multiplikator um so größer, j e größer h ist. Je größer der Ausgabenmultiplikator ist, um so größer ist bei gegebener Erhöhung der Staatsausgaben die Veränderung des Gleichgewichtseinkommens. Fiskalpolitik ist daher um so effizienter, j e größer absolut die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist. b. Wir können die These mit Hilfe der Kausalkette begründen. A b b . 6.26

Multiplikator

Gt

primärer e x p a n s i v e r Prozeß sekundärer kontraktiver Prozeß

Im Zuge des expansiven Prozesses steigt das Einkommen. Wenn das Einkommen steigt, erhöht sich die Geldnachfrage. Dies führt zu steigendem Zins und einer Verdrängung privater Investitionen. Je größer die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist, um so kleiner ist die Zinserhöhung, die notwendig ist, um die Geldnachfrage um den gleichen Betrag zu reduzieren, um den sie sich wegen des gestiegenen Einkommens erhöht hat. Je kleiner aber der Zinsanstieg ist, um so geringer ist der Rückgang der privaten Investitionen. Der sekundäre kontraktive Effekt ist um so kleiner, je größer die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist. Je kleiner der sekundäre kontraktive Effekt ist, um so größer ist ceteris paribus die Effizienz fiskalpolitischer Maßnahmen. c. Wir können das Ergebnis auch graphisch ableiten.

In der Ausgangssituation wird in Abbildung 6. 27 die IS 0 -Kurve in A sowohl von der steil verlaufenden LM-Kurve als auch von der flacher verlaufenden LM'-Kurve geschnitten. Y 0 ist das Gleichgewichtseinkommen in der Ausgangssituation. Infolge der Erhöhung der Staatsausgaben verschiebt sich die IS-Kurve um a • AG nach rechts. Die nach rechts verschobene IS,-Kurve schneidet die steiler verlaufende LM-Kurve in B bei dem Gleichgewichtseinkommen Y,, die flacher verlauf-

548

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

ende LM'-Kurve in C bei dem Gleichgewichtseinkommen Y ' , . Es ist Y ' , > Y,. Die Staatsausgabenerhöhung führt also im Falle der flacher verlaufenden LM'-Kurve zu einer größeren Veränderung des Gleichgewichtseinkommens als bei der steiler verlaufenden Kurve. Die LM-Kurve ist aber ceteris paribus um so flacher, je größer die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist. Das heißt: Fiskalpolitische Maßnahmen bewirken eine um so größere Veränderung des Gleichgewichtseinkommens, je größer die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist. d. Wir wollen abschließend zwei Extremfälle analysieren. Der erste Extremfall ist der sogenannte klassische Fall. Die Geldnachfrage ist nur vom Einkommen, nicht aber vom Zins abhängig. In unserer Geldnachfragefunktion (M/P)d = k • Y - h • i, wird die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage durch den Koeffizienten h gemessen. Im klassischen Fall ist h=0. -

Betrachten wir den Staatsausgabenmultiplikator im IS-LM-Modell AY

1

Wenn h gegen Null geht, wird der Nenner des Multiplikators unendlich groß. Der Multiplikator wird Null. Das bedeutet, daß eine Erhöhung der Staatsausgaben das Gleichgewichtseinkommen nicht verändert. Fiskalpolitische Maßnahmen sind vollständig ineffizient. -

Graphisch wird der klassische Fall (h=0) durch eine vertikal verlaufende LM-Kurve dargestellt, wie sie Abbildung 6.28 zeigt.

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

549

Die durcji die Erhöhung der Staatsausgaben bewirkte Verschiebung der IS-Kurve um a • AG nach rechts, verursacht bei vertikal verlaufender LM-Kurve keine Veränderung des Einkommens, sondern nur eine Erhöhung des Zinses. Die privaten Investitionen sinken um den Betrag, um den die Staatsausgaben gestiegen sind.' Es kommt zu einem sogenannten vollkommenen crowding-out. Der zweite Extremfall ist die sogenannte Liquiditätsfalle. Sie liegt vor, wenn die Geldnachfrage vollkommen zinselastisch ist. In unserer Geldnachfragefunktion (M/P)d = k • Y - h • i wird die absolute Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage durch den Koeffizienten h angegeben. Bei sogenannter vollkommen elastischer Geldnachfrage ist h unendlich groß. -

Betrachten wir unseren Ausgabenmultiplikator AY

1

Wenn h gegen unendlich geht, ist k • b/h Null. Der Ausgabenmultiplikator ist gleich a. Fiskalpolitik ist maximal wirksam. Eine Verdrängung privater Investitionen findet nicht statt, weil es auch bei steigendem Einkommen nicht zu einem Zinsanstieg kommt. -

Graphisch wird dieser Extremfall durch eine horizontal verlaufende LM-Kurve dargestellt, wie sie Abbildung 6.29 zeigt.

Abb. 6.29

LM

Durch die Erhöhung der Staatsausgaben verschiebt sich die IS-Kurve um a • AG nach rechts. Das ist der Betrag, um den auch das Gleichgewichtseinkommen steigt.

1

Eine Erhöhung der Staatsausgaben um AG bedeutet, daß sich die IS-Kurve um a • AG nach rechts oder um 1/b • AG nach oben verschiebt, wie man aus Gleichung (2) ersieht. Bei einer vertikalen LM-Kurve ist Ai = AG/b. Aus der Investitionsfunktion I = I — b • i folgt AI = - b - A i . Wegen Ai = AG/b ist AI = -AG. Das heißt: Bei einer Erhöhung der Staatsausgaben um AG sinkt die Investition um den gleichen Betrag.

550

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

Dritte These: Rein fiskalpolitische Maßnahmen sind um so effizienter, je größer der elementare Multiplikator a und j e geringer die Einkommensabhängigkeit der Geldnachfrage ist. In der Geldnachfragefunktion (M/P) d = k • Y - h • i wird die Einkommensabhängigkeit der Geldnachfrage durch die Koeffizienten k gemessen. Ein Blick auf den Ausgabenmultiplikator AY

_

1

AG

"

ÜJi+i

bestätigt die These. Der Multiplikator ist um so größer, je größer a und je kleiner k ist. 2.

Die Effizienz geldpolitischer M a ß n a h m e n

Erste These: Geldpolitik ist um so effizienter, je größer (absolut) die Zinsabhängigkeit der Investitionen ist. Der absolute Wert der_Zinsabhängigkeit der Investitionen wird in unserer linearen Investitionsfunktion I = I - b • i durch b gemessen. a. Wie sich bei einer gegebenen Erhöhung der Geldnachfrage das Gleichgewichtseinkommen ändert, wird durch den Geldmengenmultiplikator angegeben. Es ist AY

1

Geldmengenmultiplikator

k+r— b a

Man sieht: Je größer die durch b gemessene Zinsabhängigkeit der Investitionen ist, um so kleiner ist der Nenner des Multiplikators und um so größer ist der Multiplikator. b. Wir können dies mit Hilfe einer Kausalkette erläutern. Abb. 6.30

Multiplikator

¥t

il —

Liquiditätseffekt

It—Yt—Ct—Yf—Ct.

Lt— it—

II—Yl....

primärer expansiver Prozeß sekundärer kontraktiver Prozeß

Wenn die Geldmenge steigt, sinkt der Zinssatz (M/P t—> i i ) . Man nennt dies den Liquiditätseffekt der Geldmengenerhöhung. Wenn der Zinssatz sinkt, erhöhen sich die privaten Investitionen (i -i—> I T). Je stärker die Investitionen zinsabhängig sind, um so größer ist die Zunahme der privaten Investitionen und um so größer ist via Multiplikator der primär expansive Effekt. Zwar steigen mit wachsendem Einkommen die Geldnachfrage und der Zins. Der sekundäre kontraktive Effekt bewirkt jedoch nur eine partielle Kompensation des expansiven Effekts. Die Wirkung der Geldmengenerhöhung ist also um so größer, je größer die Zinsabhängigkeit der Investitionen ist.

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

551

c. Graphisch kann unsere These durch die Abbildung 6.31 dargestellt werden. Abb. 6.31

IS IS'

/

\

Y„ Y, Y,

/LM

0

sLM

Y

In der Ausgangssituation wird die LM 0 -Kurve von der steil verlaufenden IS-Kurve und von der flacher verlaufenden IS'-Kurve in A geschnitten. Y0 ist das Gleichgewichtseinkommen in der Ausgangssituation. Die IS-Kurve verläuft um so flacher, je größer die Zinsabhängigkeit der Investitionen ist. In Abbildung 6.31 repräsentiert die flacher verlaufende IS'-Kurve eine größere Zinsabhängigkeit der Investitionen. Wenn die Geldmenge erhöht wird, verschiebt sich die LM-Kurve nach rechts. Die LM,-Kurve schneidet die steiler verlaufende IS-Kurve in B, die flachere IS'-Kurve in C. Die Erhöhung des Gleichgewichtseinkommens ist um so größer, je flacher die IS-Kurve ist. Geldpolitik ist also um so effizienter, je größer die Zinsabhängigkeit der Investitionen ist. d. Ein wichtiger Grenzfall liegt vor, wenn die Investitionen gar nicht zinsabhängig sind. Der Multiplikator AY

4!)

l k+:

wird Null, wenn der Koeffizient b, durch den die Zinsabhängigkeit der Investitionen dargestellt wird, gegen Null geht. Graphisch wird dieser Fall durch eine vertikale IS-Kurve repräsentiert, wie sie Abbildung 6.32 zeigt. Abb. 6.32

552

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

Die Geldmengenerhöhung, die durch eine Verschiebung der LM-Kurve dargestellt wird, führt nur zu einer Zinssenkung von i0 auf i,. Das Gleichgewichtsvolkseinkommen ändert sich nicht. Man nennt dieses Szenario die Investitionsfalle. In der Investitionsfalle ist Geldpolitik völlig unwirksam. Zweite These: Geldpolitik ist um so effizienter, je kleiner (absolut) die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist, die in der Geldnachfragefunktion (M/P)d = k • Y - h • i durch h symbolisiert wird. a. Betrachten wir den Geldmengenmultiplikator AY A(M/P)

_

1 k

+ ^

b a

l e kleiner h ist, um so größer ist der Geldmultiplikator und um so effizienter ist die Geldpolitik. b. Unsere zweite These läßt sich auch mit Hilfe der Kausalkette begründen. Abb. 6.33

Multiplikator M f _ j | _ i f _ Y t — C t — Y t — C t P , ^ Liquiditätseffekt

1 ""'

P r i m ä r e r expansiver Prozeß

, , ,, ,,, 1 sekundärer kontraktiver L t — it — I I — Y J . . . . ] prQzeß

Infolge einer Erhöhung der Geldmenge entsteht bei dem bisherigen Gleichgewichtseinkommen und Gleichgewichtszins ein Überangebot an Geld. Der Zins sinkt. Je geringer die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist, um so größer ist die Zinssenkung, die eintreten muß, damit Geldangebot wieder gleich Geldnachfrage ist. Je geringer also die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist, um so größer ist die durch den Liquiditätseffekt herbeigeführte Zinssenkung. Je größer die Zinssenkung ist, um so mehr nehmen die Investitionen zu und um so größer ist der primär expansive Effekt, der durch den sekundär kontraktiven Effekt nur zum Teil ausgeglichen wird. Geldpolitik ist also um so effizienter, j e geringer die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist. c. Unsere These läßt sich auch graphisch erläutern.

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

Abb. 6.34

553

LM;

I M'

LM

Y„

Y, Y,1

Y

In der Ausgangssituation wird die IS-Kurve in A von den unterschiedlich steil verlaufenden Kurven LM 0 und LM 0 ' geschnitten. Y0 ist das ursprüngliche Gleichgewichtseinkommen. Die LM-Kurve ist um so steiler, je geringer die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist. Wenn die reale Geldnachfrage erhöht wird, verschiebt sich die LM-Kurve um 1/k • A(M/P) nach rechts. Aus Abbildung 6.34 ersieht man, daß die durch die Erhöhung der Geldmenge bewirkte Erhöhung des Gleichgewichtseinkommens um so größer ist, je steiler die LM-Kurve ist. Während bei der flacher verlaufenden LM-Kurve das Gleichgewichtsvolkseinkommen nur auf Y, steigt, erhöht es sich im Fall der steileren LM'-Kurve auf Y,'. Geldpolitik ist also um so effizienter, je geringer die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist. Es gibt zwei wichtige extreme Szenarien: 1. Wenn die Geldnachfrage nicht zinsabhängig ist, liegt der klassische Fall vor, in dem h = Null ist. Der Geldmultiplikator AY A(M/P)

1 k +

JL

b a

ist für h gleich Null 1/k. Geldpolitik ist voll wirksam. Die LM-Kurve verläuft in diesem Fall vertikal. Das Gleichgewichtseinkommen steigt um den gleichen Betrag, um den sich die LM-Kurve bei einer Erhöhung der Geldmenge nach rechts verschiebt.

554

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

Abb. 6.35

•o

Ii

IS

AY

Y

Y,

2. Ist die Geldnachfrage vollkommen zillsabhängig, liegt das Liquiditätsfalle genannte Szenario vor. In dieser Situation ist die Geldpolitik vollständig ineffizient. Man erkennt dies daran, daß der Geldmengenmultiplikator AY

1

A(M/P)

k + r^

b a

Null wird, wenn h gegen unendlich geht. Es kommt trotz der Geldmengenerhöhung nicht zu einer Zinssenkung, weil die Wirtschaftssubjekte bereit sind, zusätzliches Geld als Kasse zu halten. Zusätzliches Geld wird nicht benutzt, um Wertpapiere zu kaufen. Deshalb kommt es nicht zu einer Erhöhung der Kurse und einem Sinken des effektiven Zinses. Wenn aber der Zins nicht sinkt, steigen die Investitionen nicht. Es ergibt sich kein expansiver Effekt. Dritte These: Geldpolitische Maßnahmen sind um so effizienter, je größer der elementare Multiplikator a und je kleiner die durch k gemessene Einkommensabhängigkeit der Geldnachfrage ist. Wir überprüfen die Behauptung mit Hilfe des Geldmultiplikators AY A(M/P)

k

+

h b a

Wir sehen, daß der Multiplikator um so größer ist, je kleiner k und je größer a ist. Wir fassen unsere Ergebnisse in der folgenden Übersicht zusammen:

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

555

Übersicht: Effizienz geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen 1. Fiskalpolitik ist um so effizienter, je geringer die Zinsabhängigkeit der Investitionen ist. a. Sind Investitionen nicht zinsabhängig, erreichen fiskalpolitische Maßnahmen maximale Wirksamkeit. 2. Fiskalpolitik ist um so effizienter, je größer die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist. a. Ist die Zinsabhgängigkeit der Geldnachfrage gleich Null, ist Fiskalpolitik völlig unwirksam (klassischer Fall). b. Ist die Geldnachfrage vollkommen zinselastisch, ist Fiskalpolitik maximal wirksam.

1. Geldpolitik ist um so effizienter, je größer die Zinsabhängigkeit der Investition ist. a. Sind Investitionen nicht zinsabhängig, ist Geldpolitik völlig unwirksam (Investitionsfalle). 2. Geldpolitik ist um so effizienter, je geringer die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist. a. Ist die Geldnachfrage nicht zinsabhängig, ist Geldpolitik maximal wirksam. b. Ist die Geldnachfrage vollkommen zinselastisch, ist die Geldpolitik vollkommen unwirksam (Liquiditätsfalle).

Fiskalpolitik und Geldpolitik sind um so wirksamer, je größer der elementare Multiplikator a ist und je kleiner die Einkommensabhängigkeit der Geldnachfrage ist. Der Multiplikator a ist um so größer, je größer die marginale Konsumquote und je kleiner der Steuersatz t ist. Während also die Geldpolitik um so effizienter ist, je größer die Zinsabhängigkeit der Investitionen und je kleiner die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist, ist umgekehrt Fiskalpolitik um so effizienter, je kleiner die Zinsabhängigkeit der Investitionen und je größer die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist. In den fünfziger und sechziger Jahren kam es zu einem Streit zwischen Keynesianern und Monetaristen. Keynesianer hielten fiskalpolitische Maßnahmen für wesentlich effizienter als geldpolitische Maßnahmen. Man glaubte, daß Investitionen nur schwach auf Zinsänderungen reagieren und die Geldnachfrage sehr elastisch ist. In der Rezession sei die Geldnachfrage vollkommen elastisch, so daß sich die Situation der Liquiditätsfalle ergibt, in der Fiskalpolitik voll wirksam und Geldpolitik vollkommen unwirksam ist (Money does not matter). Monetaristen hielten die Investitionen für zinsreagibel. Die Geldnachfrage sei entweder gar nicht, oder im geringem Maße zinsabhängig. Fiskalpolitik führt nur zu einer Verdrängung privater Investitionen (Only money matters). Empirische Untersuchungen über die Zinsabhängigkeit der Investitionen und der Geldnachfrage ergaben, daß die extremen keynesianischen Positionen nicht haltbar sind. Es wurde aber auch gezeigt, daß anders als es in einigen extremen monetaristischen Formulierungen angeklungen war, die Geldnachfrage zinsabhängig ist. Die

556

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage erwies sich allerdings als gering. Im IS-LM-Modell sind also sowohl geldpolitische als auch fiskalpolitische Maßnahmen wirksame Instrumente zur Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Man muß allerdings beachten, daß im IS-LM-Modell wichtige Faktoren, die die Wirksamkeit geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen beeinflussen, bisher nicht berücksichtigt wurden. 1. Wegen der Annahme eines konstanten Preisniveaus konnten die durch geld- oder fiskalpolitischen Maßnahmen unter Umständen verursachten Preisniveauänderungen, die ihrerseits die Wirksamkeit stabilitätspolitischer Maßnahmen vermindern, nicht berücksichtigt werden. 2. Güternachfrage und Geldnachfrage sind auch eine Funktion des Vermögens. Die mit geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen verbundenen Vermögenseffekte wurden bisher nicht analysiert. 3. Dem IS-LM-Modell liegt die absolute Einkommenshypothese zugrunde. Alternative Konsumhypothesen führen zu abweichenden Aussagen über die Wirksamkeit stabilitätspolitischer Maßnahmen. 4. Das Verhalten der Wirtschaftssubjekte wird durch Erwartungen bestimmt, die sich als Folge geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen ändern können. 5. Das Modell wurde für eine geschlossene Volkswirtschaft entwickelt. Die Wirkungen geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen auf die Nettoauslandsnachfrage wurden nicht analysiert.

E.

Das IS-LM-Modell als Theorie der Gesamtnachfrage

Im IS-LM-Modell ist das Preisniveau eine exogene Größe. Das Gleichgewichtseinkommen wird für ein gegebenes, konstantes Preisniveau bestimmt, bei dem stets soviel angeboten wird, wie nachgefragt wird. Dem Modell liegt eine kurzfristige Angebotskurve zugrunde, die in einem Diagramm, in dem das Preisniveau auf der Ordinate und der Output (= Einkommen) auf der Abszisse abgetragen wird, parallel zur Einkommensachse verläuft (Abb. 6.36b). In Abbildung 6.36a wird in der Ausgangssituation der durch den Schnittpunkt der ISKurve mit der LM-Kurve bestimmte Gleichgewichtsoutput beim Preisniveau P 0 auch angeboten.

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

557

Abb. 6.36

Wenn die autonomen Ausgaben erhöht werden, steigen der Output und_das Einkommen. Bei konstantem Zins erhöhen sich Nachfrage und Output um a • AA. Das ist der Betrag, um den sich in Abbildung 6.36a die IS-Kurve nach rechts verschiebt. Der Zins bleibt jedoch nicht konstant, sondern steigt. Das bewirkt einen Rückgang der privaten Investitionen, so daß der gleichgewichtige Output nur auf Y, steigt. Es ist wichtig, zu erkennen, daß das Niveau der Produktion im IS-LM-Modell allein durch die Nachfrage bestimmt ist. Der gleichgewichtige Output, der nachgefragt wird, wird bei konstantem Preisniveau auch angeboten. Das IS-LM-Modell ist eine Theorie der Gesamtnachfrage. 1.

Die aggregierte Nachfragekurve

Wir haben bisher das Preisniveau als exogene Größe aufgefaßt. Wir prüfen nun, was geschieht, wenn sich das Preisniveau ändert. Wir leiten die sogenannte aggregierte Nachfragekurve (= Gesamtnachfragekurve) ab, die angibt, wie groß die reale Gesamtnachfrage bei alternativem Preisniveau ist. Für das klassische Modell hatten wir eine aggregierte Nachfragekurve aus der Quantitätstheorie abgeleitet. In einem Diagramm, in dem das Preisniveau auf der Ordinate und das Einkommen (= Output) auf der Abszisse abgetragen wird (P,Y- Diagramm), war die klassische Gesamtnachfragekurve eine Kurve mit negativer Steigung, wie sie Abbildung 6.37 zeigt.

558

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

Abb. 6.37

Y =

MV

YJ

Output = Einkommen

Die aggregierte Nachfragekurve gibt an, wie groß bei gegebener nominaler Geldmenge M bei alternativer Höhe des Preisniveaus die reale Gesamtnachfrage ist. Sie wurde unter der Annahme abgeleitet, daß die Geldnachfrage nicht zinsabhängig, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes also konstant ist. Die nominale Gesamtnachfrage war im klassischen Modell gleich dem Produkt aus nominaler Geldmenge M und Umlaufgeschwindigkeit V. Die reale Gesamtnachfrage ist y

_

MV

Graphisch ist die klassische Gesamtnachfrage der Ast einer gleichseitigen Hyperbel. Da die Umlaufgeschwindigkeit V der Kehrwert des Kassenhaltungskoeffizienten ist, können wir die klassische aggregierte Nachfragekurve auch als Y-

=

i E k P

schreiben. In unserem keynesianischen IS-LM-Modell war die Geldnachfrage nicht nur vom Einkommen, sondern auch vom Zins abhängig. Für dieses Modell hatten wir das durch die Nachfrage bestimmte Gleichgewichtseinkommen Y0 abgeleitet. v Y

o

-

1_ — k b i'A h a

1

M h ' 5

b a

Wenn wir den Ausgabenmultiplikator gleich ß, und den Geldmengenmultiplikator gleich ß2 setzen, können wir auch schreiben: Y0 =

ß, Ä + ß2 ™

Sechstes Kapitel: Die Gesamtnachfrage: Das IS-LM-Modell

559

Fassen wir in der letzten Gleichung das Preisniveau nicht als exogene Größe sondern als Variable auf, beschreibt unsere Gleichung alle Kombinationen von Output Y und Preisniveau P, bei denen Gütermärkte und Geldmarkt im Gleichgewicht sind. Anders formuliert: Die Gleichung gibt an, wie groß die reale Gesamtnachfrage Yd bei alternativen Werten des Preisniveaus P ist. Yd

=

ß.

=

— M ß, • A + ß2 • —

^ - t ; Th +a "

k

aggregierte Nachfragefunktion

=

A k + b—a

Die klassische Gesamtnachfragefunktion ist als Spezialfall in unserer Nachfragefunktion enthalten. Sie ergibt sich, wenn die Geldnachfrage nicht zinsabhängig ist. In diesem Fall (h=0) wird der Ausgabenmultiplikator ß, gleich Null und der Geldmengenmultiplikator wird 1/k. Wir erhalten d

=

1 M k P

M_V P

Das ist nichts anderes als die klassische Nachfragefunktion. Auch für unsere allgemeine, aus dem IS-LM-Modell abgeleitete Gesamtnachfragefunktion Y
0;

0 " wird der Klammerausdruck eins. Der Barwert aller Zinszahlungen beträgt also 1 000 DM. Um die Zinsen in der Zukunft zahlen zu können, müssen Zinssteuern erhoben werden, deren Barwert gleich dem Betrag ist, um den die Steuern heute gesenkt worden sind. Fazit: Der Barwert des Einkommenstroms des repräsentativen Bürgers ändert sich nicht, wenn Staatsausgaben durch Kredite statt durch Steuern finanziert werden. Die Finanzierung durch Kredite ist der Finanzierung durch Steuern äquivalent. Das ist der Inhalt des auf David Ricardo zurückgehenden Äquivalenztheorems. Der rationale und weitblickende Konsument weiß nach Barro, daß der Staat, der heute eine kreditfinanzierte Steuersenkung vornimmt, in der Zukunft Steuern erheben muß, um die Zinsen auf die Staatsschuld zu zahlen. Er weiß, daß der Barwert seines Einkommenstroms sich nicht ändert. Er unterliegt nicht der Fiskalillusion, sondern berücksichtigt bei seinen heutigen Entscheidungen die zukünftigen Steuerzahlungen. In den neueren Konsumtheorien hängt der Konsum nicht nur vom laufenden Einkommen, sondern auch von den für die Zukunft erwarteten Einkommen ab. Wenn die Bürger nicht der Fiskalillusion unterliegen und der Konsum eine Funktion des permanenten Einkommens ist, werden sie bei einer kreditfinanzierten Steuersenkung, durch die das permanente Einkommen nicht geändert wird, ihren Gegenwartskonsum nicht ändern. Das zusätzliche Einkommen, das den Haushalten bei einer Steuersenkung zufällt, wird in voller Höhe gespart. Der zusätzlichen Kreditnachfrage des Staates steht ein gleich großes zusätzliches Kreditangebot gegenüber. Die gesamtwirtschaftliche Ersparnis ändert sich nicht, weil die private Ersparnis um den Betrag steigt, um den die Ersparnis des Staates bei einer kreditfinanzierten Steuersenkung sinkt. Da sich die gesamtwirtschaftliche Ersparnis nicht ändert, ändert sich auch der Zinssatz nicht. Wenn sich der Zinssatz nicht ändert, ändern sich die privaten Investitionen nicht. Wenn wir die Identitätsgleichung S - 1 = LB in Veränderungsgrößen schreiben, ist AS - AI = ALB Da sich die Ersparnis nicht ändert (AS = 0) und sich auch die Investitionen nicht ändern (AI = 0), ändert sich auch der Saldo der Leistungsbilanz nicht. Das bedeutet: Anders als es der konventionelle Wachstumsansatz behauptet, wird bei einer kreditfinanzierten Steuersenkung einer zukünftigen Generation weder ein kleinerer Kapitalstock noch ein geringeres Nettoauslandsvermögen hinterlassen. Wir können uns die Logik des Barro-Ricardo-Äquivalenztheorems mit Hilfe eines Diagramms klarmachen, das eine intertemporale Budgetgerade und eine intertemporale Indifferenzkurve enthält. Die intertemporale Budgetgerade ist der geometrische Ort aller Kombinationen von Gegenwartskonsum C 0 und Zukunftskonsum C,, die der Haushalt bei gegebenem Einkommenstrom (E0, E,) und gegebenem Zinssatz realisieren kann. Es wird unterstellt, daß der Haushalt zum Marktzinssatz i beliebige Beträge leihen und verleihen kann. In Abbildung 9.7 ist AB die intertemporale Budgetgerade. Der Einkommenstrom E 0 , E, ist durch den Einkommensausstattungspunkt P gegeben.

658

Neuntes Kapitel: Öffentliche Schuld

Die durch tan a gemessene absolute Steigung der Budgetgerade ist 1+i. Alle Punkte auf der Budgetgeraden sind C 0 , C,-Kombinationen, deren Barwert gleich dem Barwert des Einkommenstroms E 0 +E,/(l+i) ist. In Abbildung 9.7 wird der Barwert durch OB (=EQ+E,(1 +i)) gemessen. Abb. 9.7 A C,

intertemporale \lndifferenzkurve

C

E, E,-(l + i)AT

P;

intertemporale Budgetgerade

Ersparnis in \ der Ausgangs- \

staüon

Co

p', 1

| AT ! E„

\

/¿¡\B

E0 + A T

/

Ersparnis nach der Steuersenkung

Die Präferenzen des Haushalts in bezug auf C0 und C, können durch eine Schar konvex zum Ursprung verlaufender intertemporaler Indifferenzkurven dargestellt werden. Die Indifferenzkurven sind der geometrische Ort aller Kombinationen von Gegenwartskonsum und Zukunftskonsum, die gleichen Nutzen stiften. Der Haushalt ist bemüht, seinen Nutzen zu maximieren. Er realisiert das Ziel, wenn er die dem Punkt C entsprechende Kombination von C0 und C, wählt. In C wird eine intertemporale Indifferenzkurve von der intertemporalen Budgetgeraden tangiert. Von allen bei gegebenem Einkommenstrom und Zinssatz realisierbaren C0, C,-Kombinationen stiftet die dem Punkt C entsprechende Kombination den höchsten Nutzen. Der Haushalt gelangt in C auf die höchste erreichbare Indifferenzkurve. Wenn der Haushalt die dem Punkt C entsprechende Kombination von C0 und C, wählt, ist sein Gegenwartskonsum C 0 kleiner als das Einkommen E0. Der Betrag E0-C0 wird gespart. Bei einer kreditfinanzierten Steuersenkung steigt das laufende verfügbare Einkommen um AT auf E 0 + AT. Das Zukunftseinkommen sinkt auf E, - (1 + i)AT. Der Punkt P' ist der neue Einkommensausstattungspunkt. Es ist ein Punkt auf der ursprünglichen intertemporalen Budgetgeraden. Der Barwert des Einkommenstroms hat sich infolge der kreditfinanzierten Steuersenkung nicht geändert. Das intertemporale Haushaltsoptimum wird weiterhin durch den Punkt C repräsentiert, in dem die intertemporale Budgetgerade von einer intertemporalen Indifferenzkurve tangiert wird. Das bedeutet: Der Gegenwartskonsum unseres nutzenmaximierenden Haushalts ist auch nach der kreditfinanzierten Steuersenkung unverändert gleich C0. Das gesamte zusätzlich verfügbare Einkommen wird gespart. Die private Ersparnis steigt genau um den Betrag, um den die staatliche Ersparnis sinkt. Wird also Steuerfinanzierung durch Kreditfinanzierung ersetzt, wird es nicht zu einer Zinssatzänderung, nicht zu einem Rückgang der privaten Investitionen und zu einer Verschlechterung der Leistungsbi-

Neuntes Kapitel: Öffentliche Schuld

659

lanz kommen. Im konventionellen Wachstumsansatz erhält man nur deshalb ein anderes Ergebnis, weil die "unhaltbare" absolute Einkommenshypothese zugrundegelegt wird. Das meinen jedenfalls Barro und seine Anhänger. Kritik des Ricardo-Barro-Äquivalenztheorems Fiskalillusion Der Grundgedanke des Aquivalenztheorems, wie es von Barro vertreten wird, ist die Annahmen, daß die Bürger kenntnisreich sind und sich weitsichtig und rational verhalten. Sie sind hinreichend über die Finanzlage des Staates informiert und erkennen die Konsequenzen der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben. Sie wissen, daß durch eine kreditfinanzierte Steuersenkung steuerliche Belastungen nur in die Zukunft verschoben werden. Sie berücksichtigen diese zukünftigen Belastungen, wenn sie heute ihre Konsumentscheidungen treffen. Kritiker dieser Auffassung glauben, daß die Bürger sich nicht so rational verhalten, wie dies von Barro unterstellt wird. Die Informationen der Bürger über die Staatsschuld seien gering. Die Konsequenzen einer hohen und wachsenden Staatsschuld seien für die normalen Bürger nur schwer zu erkennen. Auch die Bereitschaft, die zur Urteilsbildung notwendigen Informationen und Kenntnisse zu erwerben, seien gering. Der einzelne weiß, daß er die staatlichen Entscheidungen nicht beeinflussen kann. Warum sollte er sich darum kümmern? Es sei deshalb plausibel zu unterstellen, daß der einzelne bei der Entscheidung, welchen Teil seines laufenden Einkommens er konsumieren sollte, die zusätzlichen steuerlichen Belastungen, die bei einer wachsenden Staatsschuld entstehen, nicht in seine Überlegungen einbeziehe. Die Bürger mögen zum Beispiel in der Annahme handeln, die in der Zukunft zu zahlenden Steuern seien genau so hoch wie die laufenden Steuern. Eine kreditfinanzierte Steuersenkung würde dann jene Erhöhung des laufenden Konsums bewirken, wie sie vom traditionellen Ansatz beschrieben wird. Liquiditätsbeschränkung Nach dem Ricardo-Barro-Äquivalenztheorem hängt der Konsum nicht nur vom laufenden, sondern auch von dem für die Zukunft erwarteten Einkommen ab. Da eine kreditfinanzierte Steuersenkung das permanente Einkommen nicht ändert, bewirkt sie keine Erhöhung des Gegenwartskonsums. Dagegen wird eingewandt, daß Bürger häufig nicht den gewünschten Gegenwartskonsum realisieren könnten, weil sie die notwendigen Kredite nicht erhielten. Die Bürger seien zum Teil liquiditätsbeschränkt und könnten sich nicht in dem Maße verschulden, wie sie es gerne möchten. Wenn die Steuern heute gesenkt werden, erhöht sich das verfügbare Einkommen. Den liquiditätsbeschränkten Bürgern werde durch die Steuersenkung ermöglicht, ihre Konsumpläne zu realisieren. Die Regierung, die einen Teil der Ausgaben durch Kredite statt durch Steuern finanziere, verschaffe den liquiditätsbeschränkten Bürgern sozusagen indirekt den Kredit, den sie selbst nicht erhielten. Da der Gegenwartskonsum steige, weil das zusätzlich verfügbare Einkommen verwendet werde, um die gewünschten Konsumpläne zu realisieren, sei Barros Annahme, das gesamte zusätzlich verfügbare Einkommen werde gespart, falsch.

660

Neuntes Kapitel: Öffentliche Schuld

Wir können uns das Verhalten der liquiditätsbeschränkten Bürger mit Hilfe von Abbildung 9.8 klarmachen.

In Abbildung 9.8 ist AB die intertemporale Budgetgerade eines Haushalts, der nicht liquiditätsbeschränkt ist und zum Marktzinssatz beliebige Beträge leihen und verleihen kann. P ist der Einkommensausstattungspunkt. E 0 ist das laufende Einkommen und E, das zukünftige Einkommen. Der nicht liquiditätsbeschränkte Bürger würde den Konsumpunkt C wählen. Wenn der Haushalt sich nicht verschulden kann, ist der Gegenwartskonsum E0. Der Einkommenskonsumpunkt P ist zugleich der Konsumpunkt. Wenn in dieser Situation das verfügbare Einkommen durch eine Steuersenkung um AT erhöht wird, steigt auch der Konsum um AT. In Abbildung 9.8 steigt das verfügbare Einkommen genau um den Betrag, um den der geplante Konsum eines nicht liquiditätsbeschränkten Haushalts das laufende Einkommen übersteigt. Wäre die Steuersenkung größer als in Abbildung 9.8 unterstellt wurde, würde nur ein Teil des infolge der Steuersenkung zusätzlich verfügbaren Einkommens konsumiert. Das Ausmaß, in dem es bei einer Steuersenkung zu dem von der traditionellen Theorie prognostizierten Anstieg des Konsums kommt, hängt davon ab, welche Bedeutung Liquiditätsbeschränkungen haben. Zu einem Anstieg des Konsums bei einer Steuersenkung kann es auch kommen, wenn der Haushalt zwar Kredite erhalten kann, der Zinssatz, den er zahlen muß, jedoch höher ist als der Zinssatz, zu dem der Staat sich verschulden kann. Unsicherheit über die Verteilung der Steuerlast Man hat gegen Barro auch eingewandt, daß die Bürger nicht wissen, wie hoch die Steuerlast ist, die sie in der Zukunft zu tragen haben. Sie wissen nicht, welche Gruppen der Gesetzgeber in der Zukunft stärker und welche er in geringerem Maße belasten werde. Dagegen hat Barro geltend gemacht, daß Unsicherheit über die Höhe der zukünftigen individuellen Steuerlasten nicht besage, daß das Niveau der steuerlichen Belastung geringere Bedeutung habe. Die Menschen hätten angesichts der Unsicherheit vielmehr Grund durch Sparen gegen unerwartet hohe zukünftige Steuern vorzusorgen. Unsicherheit über die Verteilung der zukünftigen Steuern führe bei Risikoscheu nicht zu geringerer, sondern zu höherer Ersparnis.

N e u n t e s Kapitel: Ö f f e n t l i c h e Schuld

661

Begrenzte Lebenszeit Ein weiteres Argument zugunsten der traditionellen Lehre von der öffentlichen Schuld betont, daß die Lebenszeit der Menschen begrenzt ist. Die Fortschritte der Medizin haben uns bisher der Unsterblichkeit nicht näher gebracht. Die Menschen mögen deshalb erwarten, daß in der Zukunft zu zahlende Steuern nicht von ihnen selbst, sondern von zukünftigen Generationen getragen werden müssen. Wenn Staatsausgaben durch Kredite statt durch Steuern finanziert werden, erhöht sich das permanente Einkommen der jetzt lebenden Generation. Die zukünftigen Steuern werden ganz oder zum Teil von einer zukünftigen Generation getragen. Da sich das permanente Einkommen der gegenwärtigen Generation erhöhe, werden sie ihren Konsum steigern. Nur ein Teil des zusätzlich verfügbaren Einkommens werde gespart. Die gesamtwirtschaftliche Ersparnis sinkt, der Zinssatz steigt. Dies führt zu sinkenden Investitionen und in der offenen Volkswirtschaft zu einer Verschlechterung der Leistungsbilanz. Barro hat geantwortet, dies gelte nur, wenn der typische Bürger sich reicher fühle, wenn die Regierung einen Teil der Steuerlast auf die Erben verlagert. Da die zukünftige Generation aus den Kindern und Enkeln der heute lebenden Generation bestehe (nicht alle Menschen haben Kinder, aber alle Kinder haben Eltern), müsse berücksichtigt werden, daß die Eltern um das Wohlergehen der Kinder besorgt seien. Die Generationen sind nach Barro durch altruistische Beziehungen verknüpft. Dies werde durch Geschenke und Erbschaften bezeugt, die Eltern ihren Kindern hinterlassen. Die Existenz von Erbschaften dokumentiert, daß die meisten Menschen ihren Konsum nicht auf Kosten ihrer Kinder erhöhen möchten. Die Transfers zwischen den Generationen machten den einzelnen zu einem Glied in einer großen durch Altruismus verbundenen Familie. Der Zeithorizont werde nicht durch die eigene Lebenszeit begrenzt. Wenn die Menschen ihren Kindern aus altruistischen Motiven Erbschaften hinterließen, würden sie auf zusätzliche Belastungen, die zukünftige Generationen bei kreditfinanzierten Steuersenkungen zu tragen haben, reagieren, indem sie ihre freiwilligen Transferzahlungen an die Kinder erhöhen. Auf den Einwand, daß dies zwar auf Familien mit Kindern, nicht aber auf kinderlose Haushalte zutrifft, erwidert Barro, daß Familien mit überdurchschnittlich vielen Kindern einen Vermögensverlust erleiden. Der Gesamteffekt hänge davon ab, in welcher Weise der Konsum bei alternativen Familiengrößen vom Vermögen abhänge. Barro geht bei seiner Argumentation davon aus, daß die zu beobachtenden intergenerativen Transfers altruistisch motiviert sind. Eltern mögen ihren Kindern aber auch Erbschaften hinterlassen, weil Unsicherheit über den Zeitpunkt des Todes besteht und man für den Fall Vorsorgen will, daß zumindest einer der Eheleute ein überdurchschnittlich hohes Alter erreicht und unter Umständen teure Pflegeleistungen in Anspruch nehmen muß. Sie möchten nicht auf die Unterstützung durch ihre Kinder angewiesen sein und wünschen meistens bis zum Tode in ihrem eigenen Haus zu bleiben. Die meisten sterben früher und hinterlassen Erbschaften. Diese bestehen zum großen Teil aus Einfamilienhäusern oder Eigentumswohnungen, die die Eltern nicht vor ihrem Tode verkaufen möchten. Nach dieser Interpretation sind Erbschaften unfreiwillig oder zufällig und ergeben sich nicht primär deshalb, weil die Eltern um das wirtschaftliche Wohlergehen der Kinder besorgt sind. Man hat auch die These aufgestellt, daß Erbschaften zweckgerichtet sind: die potentiellen Erben sollen durch die Aussicht auf eine Erbschaft veranlaßt werden, sich um ihre Eltern zu kümmern, den

662

N e u n t e s Kapitel: Ö f f e n t l i c h e Schuld

Kontakt aufrechtzuerhalten und sie regelmäßig zu besuchen. Tatsächlich konnte gezeigt werden, daß Kinder ihre Eltern um so häufiger besuchen, je reicher die Eltern sind. Die Diskussion über die Erbschaftsmotive ist wichtig, weil nur bei altruistischen Erbschaftsmotiven die Erlasser Anlaß haben, die geplanten Erbschaften zu erhöhen, wenn die Kinder durch zusätzliche Steuern belastet werden. Fazit Die Debatte über die Geltung des Ricardo-Barro-Äquivalenztheorems ist nicht abgeschlossen. Auch durch empirische Untersuchungen konnten bisher die strittigen Fragen nicht eindeutig geklärt werden. Die Mehrheit der Ökonomen neigt vermutlich gegenwärtig der traditionellen Lehre zu. Literaturhinweise zum neunten Kapitel des zweiten Teils Robert I. Barro, Are Government Bonds Net Wealth? Journal of Political Economy 82(1974), S. 1095-1117. Robert I. Barro, The Ricardian Approach to Budget Deficits, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), S. 37-54. B. Douglas Bernheim, A Neoclassical Perspective on Budget Deficits, Journal of Economic Perspectives 3 (1989), S. 55-72. Charles B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, München 1991, 17. Kapitel: Defizitfinanzierung, Öffentliche Schuld, S. 287-302. Rüdiger Dornbusch und Stanley Fischer, Macroeconomics, sechste Auflage, New York u.a. 1994, 19. Kapitel: Budget Deficits and the Public Debt, S. 567-597. Dieter Duwendag, Staatsverschuldung - Notwendigkeit und Gefahren, Baden-Baden 1983. Robert Eisner, How Real is the Federal Debt?, New York, London 1986. Otto Gandenberger, Artikel Öffentliche Verschuldung II: Theoretische Grundlagen, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft (HdWW), Hrsg. Willi Albers u.a., Band 5, Stuttgart, New York, Tübingen 1980. Otto Gandenberger, Zur Rationalität der öffentlichen Kreditnahme, Finanzarchiv 30 (1972), S. 369-391. Otto Gandenberger, Öffentlicher Kredit und Einkommensverteilung, Finanzarchiv 29(1970), S. 1-16. Friedrich Heinemann, Staatsverschuldung, Ursachen und Begrenzung, Institut der deutschen Wirtschaft, Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, Köln 1994.

Neuntes Kapitel: Öffentliche Schuld

663

Wolfgang Kitterer, Sind Steuern und Staatsverschuldung äquivalente Instrumente zur Finanzierung der Staatsausgaben?, Kredit und Kapital 19 (1986), S. 271-291. N. Gregory Mankiw, Macroeconomics, New York 1992, 16. Kapitel: Two Views of Government Debt, S. 423-439. James M. Rock (Hrsg.), Debt and the Twin Deficits Debate, Mountain View 1991.

Dritter Teil

Einführung in die Außenwirtschaftstheorie

Erstes Kapitel Ursachen und Wirkungen internationalen Handels A. Die wachsende Bedeutung des Außenhandels und die Außenhandelsverflechtung der Bundesrepublik Deutschland 1.

Die wachsende Bedeutung des Außenhandels

Kein Land lebt heute in wirtschaftlicher Isolation. Die nationalen Volkswirtschaften sind auf mannigfache Art durch den Export und Import von Waren und Dienstleistungen, den Kapitalverkehr, den Transfer technischen Wissens und durch die Wanderung von Arbeitskräften mit dem Ausland verbunden. Die wirtschaftliche Verflechtung mit dem Ausland hat seit dem Ende des zweiten Weltkriegs beträchtlich zugenommen. Beschäftigung, Einkommen und Löhne hängen stärker als früher von den wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Ausland ab. Der Spielraum der nationalen Wirtschaftspolitik hat sich verändert. In der wirtschaftspolitischen Diskussion wird dies mit dem Stichwort Globalisierung beschrieben. Vergleicht man die Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts der Welt mit der Entwicklung des weltweiten realen Handelsvolumens in den letzten Jahren und setzt man das Bruttoinlandsprodukt und das Handelsvolumen für 1975 jeweils gleich 100, so ist das reale Bruttoinlandsprodukt bis 1995 auf 191, das Volumen des Welthandels dagegen auf 272 gestiegen. 1 In der folgenden Tabelle 1 wird für einige ausgewählte Länder die Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts der Entwicklung der Ausfuhr (jeweils in konstanten Preisen des Jahres 1991) gegenübergestellt. Tabelle 1: Die Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts und der realen Ausfuhr (von Waren und Dienstleistungen) für ausgewählte Länder in Preisen von 1991 Jahr

1960 1970 1980 1990 1994

Deutschland1

Frankreich

Großbritannien

Vereinigte Staaten2

BIP real

Ausfuhr real

BIP real

Ausfuhr real

BIP real

Ausfuhr real

BIP real

Ausfuhr real

100 154 202 252 297

100 209 348 576 540

100 172 238 300 311

100 236 464 681 784

100 132 160 208 216

100 163 253 355 410

100 146 192 248 271

100 182 362 577 743

1 Bis 1990 früheres Bundesgebiet. 2 Einschließlich Erwerbs- und Vermögenseinkommen von der übrigen Welt. Quelle: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1995/96 und eigene Berechnungen

1

Berechnet aus IMF, World Economic Outlook, Mai 1996 und früheren Ausgaben.

666

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

Es zeigt sich, daß in allen betrachteten Ländern in den letzten Jahrzehnten die Ausfuhr real erheblich schneller gewachsen ist als das reale Bruttoinlandsprodukt. Was sind die Ursachen des schnellen Wachstums des internationalen Handels? Durch die Liberalisierung des Handels im Rahmen des GATT, die einseitigen Liberalisierungsmaßnahmen der entwickelten Länder und die Schaffung eines gemeinsamen Marktes in der Europäischen Union sind wichtige Handelsbarrieren abgebaut worden. Technischer Fortschritt hat zu sinkenden Transportkosten und besserer und schnellerer Kommunikation geführt. Während 1950 das durchschnittliche Handelsschiff eine Kapazität zwischen 5.000 und 10.000 Tonnen hatte, werden heute in der Seeschiffahrt Massengüter in Schiffen transportiert, die eine Kapazität von 150.000 Tonnen Tragfähigkeit und mehr haben (bis zu maximal 300.000 Tonnen). In der Containerschifffahrt, in der die Schiffe der ersten Generation eine Kapazität tois zu 1.000 TEU hatten, weisen Containerschiffe der "vierten Generation" eine Stellplatzkapazität von 4.500 TEU auf. 1 Vor allem die Transportkosten von Massengütern konnten beträchtlich gesenkt werden, so daß heute Kohle von Südafrika nach Europa oder von Australien nach Japan exportiert werden kann. Die Entwicklung der Luftfracht wurde durch den Bau großräumiger Düsenflugzeuge wesentlich gefördert. Im Jahre 1993 wurden 29 Prozent des amerikanischen Exports (gemessen am Exportwert) mit Flugzeugen transportiert. Läßt man den Handel der USA mit Kanada und Mexiko unberücksichtigt, wurden sogar mehr als 40 Prozent des amerikanischen Exports in Flugzeugen befördert. 2 Schnittblumen werden heute nicht nur aus Holland, sondern auf dem Luftweg von Israel oder Kolumbien nach Deutschland eingeführt. Israel ist ein bedeutender Exporteur von Schnittblumen nach den USA. Waren können heute Singapur, Hongkong oder Dallas verlassen und sind morgen in Frankfurt oder Berlin. 3 Die Produkte, die hergestellt werden, sind komplexer und differenzierter als früher. Gleiche oder ähnliche Produkte in gleichen oder ähnlichen Qualitätsstandards werden sowohl exportiert als auch importiert. Deutsche kaufen japanische und französische Autos. Franzosen und Japaner kaufen deutsche Autos. Die Bundesrepublik ist ein bedeutender Lieferant von EDV-Hardware und gleichzeitig wichtiger Bezieher von technisch hochwertigen Rechnern und Komponenten. 4 Der Außenhandel zwischen den industrialisierten Ländern ist heute vor allem durch diesen intraindustriellen Handel geprägt.

1

TEU bedeutet Twenty Foot Equivalent Unit und ist die Maßeinheit für transportierte Container. Vgl. Gerd Aberle, Transportwirtschaft, München 1996, S. 280.

2

Richard N. Cooper, Diskussionsbeitrag zu Paul Krugman, Growing World Trade: Causes and Consequences, in Brooking Papers on Economic Activity, (1995), S. 363-364.

3

Das Luftfrachtaufkommen im Handel mit Hongkong belief sich 1995 auf 84.000 Tonnen und war damit größer als das Frachtaufkommen innerhalb des Bundesgebiets. Jede fünfte Tonne des Frachtaufkommens auf deutschen Flughäfen entfällt auf den Luftverkehr mit den USA. Vgl. Informationsdienst der deutschen Wirtschaft, Nr. 35 vom 29. August 1996, S. 1.

4

Bei Datenverarbeitungsgeräten belief sich die Exportquote 1994 auf 72,4 Prozent, die Importquote auf 82,7 Prozent! Vgl. Informationsdienst der deutschen Wirtschaft Nr. 33 vom 17. August 1995, S. 4.

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

667

Die heute hergestellten Güter sind nicht nur komplexer und differenzierter als früher, ihre Produktion erfordert die Verwendung einer größeren Vielfalt spezialisierter Vorprodukte. Der technische Fortschritt hat auch dazu geführt, daß die komplexen Güter auf den verschiedenen Herstellungsstufen an unterschiedlichen Orten produziert werden können. Zusätzlicher internationaler Handel entsteht, wenn die Herstellung auf den einzelnen Produktionsstufen in unterschiedlichen Ländern erfolgt, die Wertschöpfungskette also international aufgespalten wird (global sourcing). Ein Produkt, das in einem Land hergestellt wird, kann aus Vorprodukten erzeugt werden, die in anderen Ländern produziert wurden, die aber wieder Komponenten und Teile enthalten, die importiert worden sind. Die Summe der Exporte kann auf diese Weise beträchtlich größer sein als die Summe der Wertschöpfungen auf allen Produktionsstufen eines Gutes. Dies macht es verständlich, warum zum Beispiel 1990 in Singapur die Exportquote 174 Prozent und in Hongkong 144 Prozent betragen konnte.' Ein konstanter oder ein wachsender Export bedeuten nicht, daß auch die damit verbundene inländische Wertschöpfung konstant bleibt oder wächst. Die westdeutsche Industrie hat 1994 fast 30 Prozent ihrer Vorleistungen aus dem Ausland bezogen. Ende der siebziger Jahre lag dieser Anteil noch bei unter 20 Prozent. 2 Als neue für die deutsche Industrie günstige Standorte sind seit Beginn der neunziger Jahre die Länder in Mittel- und Osteuropa hinzugekommen. Die Internationalisierung der Wertschöpfungskette hat sich dadurch noch beschleunigt. Produkte, die als typisch deutsche Fabrikate angesehen werden, bestehen heute aus Teilen, die aus vielen Ländern der Welt stammen. Der VW-Golf etwa enthält Teile, die aus 23 verschiedenen Ländern und aus verschiedenen Erdteilen eingeführt werden. Bei dem IBM-PC, der für viele ein typisch amerikanisches Produkt ist, entfielen 1985 von den Kosten in Höhe von 860 Dollar nur Ausgaben von 235 Dollar auf in den USA hergestellte Komponenten und auf Montagekosten in den USA.

1

Nach Angaben in Paul Krugman, Growing World Trade: Causes and Consequences, Brookings Papers on Economic Activity, (1995), S. 334.

2

Informationsdienst der deutschen Wirtschaft, Nr. 26 vom 29. Juni 1995, S. 1.

668

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

Tabelle 2: Komponenten und Montagekosten des IBM-PC Komponente

Kosten

Monitor

Anteil

Herkunftsland

$85

9,9%

$ 105 $ 105

12,2 % 12,2 %

USA Japan

Netzteil

$60

7,0%

Japan

Drucker

$ 160

18,6%

Japan

Diskettenlaufwerk

$ 165 $25

19,1 % 2,9%

Singapur USA

$50

5,8%

Japan

$ 105

12.2 %

USA

$860

100%

Halbleiter

Tastatur Gehäuse und Endmontage

Süd-Korea

Quelle: Business Week vom 11. März 1985, S. 60

Wachsender Offenheitsgrad Die Tatsache, daß der Außenhandel schneller gewachsen ist als das Bruttoinlandsprodukt, findet seinen Niederschlag in einem im Laufe der Zeit zunehmenden Offenheitsgrad der nationalen Volkswirtschaften. Der Offenheitsgrad einer Volkswirtschaft ist ein Maß für die Bedeutung, die der Außenhandel für ein Land hat. Er ist definiert als Anteil des Durchschnitts aus Exporten und Importen von Gütern und Dienstleistungen in laufenden Preisen am nominalen Bruttoinlandsprodukt. 1 , • , 0,5 (X + M) Offenheitsgrad = ——

1

Häufig wird der Offenheitsgrad auch als Exportquote definiert.

669

Erstes Kapitel: U r s a c h e n und Wirkungen internationalen H a n d e l s

Tabelle 3 zeigt, wie sich der Offenheitsgrad in einigen ausgewählten Ländern seit 1960 entwickelt hat. Tabelle 3: Offenheitsgrad ausgewählter Länder Land 1

Deutschland Frankreich Großbritannien Vereinigte Staaten Japan Niederlande Belgien

1960 17,7 13,5 20,7 4,7 10,9 44,7 38,9

1970 20,2 15,5 21,8 5,6 10,2 43,7 50,6

1980 26,7 22,1 25,9 10,6 14,1 50,5 64,2

1990 29,2 22,6 25,5 10,7 10,5 51,9 72,5

1994 22,4 21,7 26,5 11,4 8,4 48,4 66,3

1 Bis 1990 früheres Bundesgebiet. 2 Ausfuhr einschließlich Erwerbs- und V e r m ö g e n s e i n k o m m e n von der übrigen Welt. Quelle: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1995/96 und e i g e n e Berechnungen

Der Offenheitsgrad ist von 1960 bis 1994 in fast allen Ländern beträchtlich gestiegen. Eine erstaunliche Ausnahme bildet Japan! Für die letzte Zeitspanne von 1990 bis 1994 zeigt sich allerdings, daß mit Ausnahme Großbritanniens der Offenheitsgrad der ausgewählten Länder etwas gesunken ist. Vergleichbare Phasen hat es jedoch auch früher in konjunkturellen Schwächeperioden gegeben. Ein Sonderfall ist auch die Bundesrepublik Deutschland, wo es zu einem drastischen Absinken des Offenheitsgrades seit 1990 kam. Das ist allerdings zum Teil darauf zurückzuführen, daß die Angaben über den Export und Import von Gütern und Dienstleistungen, die der Ermittlung des Offenheitsgrades für die frühere Bundesrepublik bis einschließlich 1990 zugrundeliegen, auch die innerdeutschen Transaktionen enthalten. Es kommt hinzu, daß die Unternehmen in den neuen Bundesländern große Schwierigkeiten haben, sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten. So belief sich zum Beispiel die Warenausfuhr der neuen Bundesländer (einschließlich Berlin-Ost) 1994 nur auf 17,5 Mrd. DM. Das sind 2,6 Prozent der Warenausfuhr des früheren Bundesgebiets. 1 Vergleicht man den Offenheitsgrad der verschiedenen Länder, so fällt auf, daß kleinere Länder wie zum Beispiel die Niederlande und Belgien einen weit höheren Offenheitsgrad aufweisen als größere Länder. Kleine Länder können nicht die Vielfalt an Produkten, die sie konsumieren, selbst mit minimalen Kosten herstellen. Größeren Ländern ist es dagegen eher möglich, bei Ausschöpfung der Massenproduktionsvorteile ihre Produktion den Käuferwünschen entsprechend zu diversifizieren. Da nur jener Handel, der die internationalen Grenzen kreuzt, als internationaler Handel erfaßt wird, hängt das Volumen des internationalen Handels davon ab, wie die Grenzen durch die Geschichte gezogen sind. Waren, die von Texas nach Kalifornien oder Massachusetts geliefert werden, sind innerstaatlicher Handel, während Waren, die vom Ruhrgebiet nach Amsterdam geschickt werden, für Deutschland Exporte und für die Niederlande Importe sind. Wenn die Welt nur aus zwei Ländern bestünde und das Bruttoinlandsprodukt des einen Landes zehnmal so groß wäre wie das des anderen

1

Berechnet nach: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1995/96.

670

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

Landes, wäre der Offenheitsgrad des kleinen Landes zehnmal größer als der des großen Landes. Oder nehmen wir an, daß zwei große Länder nur untereinander Handel treiben. Jedes Land mag alle Güter, die es konsumiert, importieren und die eigene Produktion exportieren. Der Offenheitsgrad betrüge in beiden Ländern hundert Prozent. Schließen sich beide Länder zusammen, sinkt der Offenheitsgrad auf Null Prozent. Die Länder der Europäischen Union weisen alle einen höheren Offenheitsgrad als die USA auf. Faßt man jedoch gedanklich alle Länder der EU zusammen und ermittelt den Offenheitsgrad für diese Union, so weicht dieser nicht mehr signifikant von dem Offenheitsgrad der USA ab. Bei gleich großen Ländern wird ceteris paribus jenes Land die höhere Exportquote bzw. den höheren Offenheitsgrad haben, das vielen ökonomisch bedeutenden Ländern geographisch benachbart ist. Die Erfahrung zeigt, daß die Entfernung zwischen den Ländern eine erstaunlich bedeutsame Determinante der Außenhandelsbeziehungen dieser Länder ist. Im allgemeinen werden kleinere Länder zwar den größeren Offenheitsgrad und eine größere Exportquote haben, absolut sind aber in der Regel der Export (und der Import) um so höher, je größer das Land ist. Das zeigt die folgende Tabelle, bei der die Länder nach der Höhe der Exporte geordnet sind. Tabelle 4: Länder mit der höchsten Ausfuhr' Rang

Land

1990 Mrd. Dollar

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

1993

in Prozent

Mrd. Dollar

in Prozent

Vereinigte Staaten Deutschland Japan Frankreich Großbrit. u. Nordirland Italien Niederlande Kanada Hongkong Belgien/Luxemburg China Taiwan Übrige L ä n d e r

371,5 421,1 286,8 209,5 185,9 167,9 131,8 119,4 82,2 118,0 62,1 67,2 1282,6

10,6 12,0 8,2 6,0 5,3 4,8 3,8 3,4 2,3 3,4 1,8 1,9 36,6

430,2 380,1 360,9 215,8 183,8 178,9 147,0 144,7 135,2 103,9 91,7 85,0 1262,4

11,6 10,2 9,7 5,8 4,9 4,8 4,0 3,9 3,6 2,8 2,5 2,3 33,9

Welt

3504,6

100,00

3719,7

100,00

1 Ausfuhr von Waren (ohne Dienstleistungen), geordnet nach der Höhe der Ausfuhr im Jahre 1993. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch für das Ausland 1995

2.

Die Außenhandelsverflechtung Deutschlands

Die Bundesrepublik Deutschland unterhält besonders enge Handelsbeziehungen mit ihren Nachbarländern. Sowohl als Exportland wie auch als Importland ist Frankreich der wichtigste Handelspartner für die Bundesrepublik.

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

671

T a b e l l e 5: D i e w i c h t i g s t e n H a n d e l s p a r t n e r d e r B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d Importe Rang

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Land

Frankreich Italien Niederlande USA Großbritannien Belgien/Luxemburg Japan Osterreich Schweiz Spanien Übrige Ursprungsländer Insgesamt

1990

1994

in Mill. DM

in %

in Mill. DM

in %

65 8 3 5 52 170 56 5 8 2 37 2 2 0 37 4 0 5 40 777 33 0 0 0 24 747 24 0 8 3 13 0 3 8 189 3 2 4

11,5 9,1 9,9 6,5 6,5 7,0 5,8 4,3 4,2 2,3 32,9

67 6 5 3 51 5 9 2 50 090 44 442 3 8 134 37 4 5 9 33 999 29 390 26 614 17 0 2 3 214 743

11,1 8,4 8,2 7,3 6,2 6,1 5,6 4,8 4,4 2,8 35,1

573 479

100,0

6 1 1 138

100,0

Exporte Rang

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Land

Frankreich Großbritannien USA Italien Niederlande Belgien/Luxemburg Osterreich Schweiz Spanien Japan Übrige Zielländer Insgesamt

1990

1994

in Mill. DM

in %

in Mill. DM

in %

84 6 0 8 55 2 7 7 47 007 60 313 54 888 4 8 104 37 2 0 8 38 853 22 8 8 2 17 5 0 4 214213

12,4 8,1 6,9 8,9 8,1 7,1 5,5 5,7 3,4 2,6 31,4

82 54 54 51 51 45 39 37 21 17 228

129 753 159 891 447 868 739 067 659 917 639

12,0 8,0 7,9 7,6 7,5 6,7 5,8 5,4 3,2 2,6 33,3

680 857

100,0

685 267

100,0

Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1995 A u f f a l l e n d ist, d a ß a u c h d e r A u ß e n h a n d e l mit B e l g i e n , L u x e m b u r g u n d den N i e d e r l a n d e n f ü r d i e B u n d e s r e p u b l i k v o n g r o ß e r B e d e u t u n g ist. I m J a h r e 1994 e n t f i e l e n 14,2 P r o z e n t d e r d e u t s c h e n E x p o r t e u n d 14,3 P r o z e n t d e r I m p o r t e auf d e n H a n d e l mit d e n B e n e l u x l ä n d e r n . D i e E x p o r t e u n d I m p o r t e im H a n d e l mit d e n B e n e l u x l ä n d e r n w a r e n

672

E r s t e s K a p i t e l : U r s a c h e n und W i r k u n g e n i n t e r n a t i o n a l e n H a n d e l s

erheblich größer als die S u m m e der Exporte und der Importe im Handel mit den beiden größten Industriestaaten, den U S A und Japan, auf die zusammen nur 10,6 Prozent der deutschen Exporte und 12,9 Prozent der deutschen Importe entfielen. W i e bedeutsam die geographische Nähe für die Intensität der Handelsbeziehungen ist, erkennt man auch daran, daß 5 3 Prozent unserer Exporte und 4 9 , 2 Prozent unserer Importe 1994 auf Frankreich, Italien, Großbritannien, die Niederlande, Belgien, Österreich und die Schweiz entfielen. Ein B l i c k auf die Warenstruktur des deutschen Außenhandels zeigt, daß Straßenfahrzeuge, Maschinenbau, Chemische Erzeugnisse und Elektrotechnik die mit großem Abstand wichtigsten Exportbranchen sind, auf die 1994 58,8 Prozent der gesamten deutschen Ausfuhr entfielen. Elektrotechnik, Straßenfahrzeuge und Chemische Erzeugnisse sind zugleich die drei wichtigsten Importbranchen, während der Maschinenbau beim Import an fünfter Stelle rangiert. Der deutsche Export ist allerdings erheblich stärker als der Import auf diese vier Branchen konzentriert. D a ß die gleichen Branchen sowohl beim Export als auch beim Import dominieren, zeigt, wie bedeutsam die Rolle ist, die der intraindustrielle Handel spielt.

Tabelle 6: Die Warenstruktur des deutschen Außenhandels Exporte Rang

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Warenbenennung

Straßenfahrzeuge Maschinenbau Chemische Erzeugnisse Elektrotechnik Nahrungs- u. Genußmittel Textilien Eisen und Stahl Eisen-, Blech- u. Metallw. Kuststofferzeugnisse Luft- und Raumfahrzeuge

1990

1994

in Mill. DM

in %

in Mill. DM

in %

115 102 83 73 26 23 22 18 16 14

18,0 15,9 12,9 11,4 4,1 3,6 3,5 2,9 2,5 2,3

116 8 0 1 99 785 91 9 0 6 86 754 30 567 21 8 3 4 2 0 101 18 0 9 0 16515 15 9 4 2

17,4 14,8 13,7 12,9 4,5 3,2 3,0 2,7 2,5 2,4

925 317 034 427 567 003 458 337 028 666

673

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

Importe Rang

Warenbenennung

1994

1990 in M i l l .

in %

DM 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Elektrotechnik Straßenfahrzeuge Chemische Erzeugnisse Nahrungs- u. Genußmittel Maschinenbau Land- u. forstw. Erzeugnisse Textilien Erdöl, Erdgas Büromasch., DV-Anlagen Bekleidung

55 0 9 0 51 3 2 4 53 6 8 3 32,813 36 8 0 6 3 0 542 28 2 7 2 27 385 21 866 21 887

in M i l l .

in %

DM 10,0 9,3 9,7 6,0 6,7 5,5 5,1 5,0 4,0 4,0

71 58 56 36 34 30 28 27 26 24

033 189 153 398 200 062 691 764 076 070

11,8 9,7 9,3 6,1 5,7 5,0 4,8 4,6 4,3 4,0

Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1995 und frühere Ausgaben

Tatsächlich hat sich die Struktur des deutschen Außenhandels in den letzten vier Jahrzehnten in bedeutsamer Weise gewandelt. Der Anteil der Fertigwaren an der Einfuhr, der sich 1950 auf nur 12,6 Prozent belief (74 Prozent der Einfuhren bestanden 1950 aus Rohstoffen und Gütern der Ernährungswirtschaft), ist bis 1994 auf 71,3 Prozent gestiegen! Heute entfällt sowohl der größte Teil des Exports (86,8 Prozent) wie der des Imports auf den Handel mit Fertigwaren. Tabelle 7: Der Strukturwandel des deutschen Außenhandels: Anteil der Fertigwaren an der Ausfuhr und an der Einfuhr Zeitraum

Anteil der Fertigwaren an der gesamten Ausfuhr in % insgesamt

1950 1970 1994

64,8 85,5 86,8

Anteil der Fertigwaren an der gesamten Einfuhr in %

VorerEnder- insgesamt VorerEnderzeugnisse zeugnisse zeugnisse zeugnisse 22,3 18,4 15,1

42,6 67,4 71,8

12,6 50,0 71,3

6,3 15,5 12,6

6,3 34,5 58,7

Quelle: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1995/96

Die Bundesrepublik ist für viele Länder der bedeutendste Lieferant. So bezogen 1994 Österreich 40 Prozent, Tschechien 38 Prozent und die Schweiz 34,9 Prozent ihrer Einfuhren aus der Bundesrepublik. In den großen Industrienationen USA und Japan nimmt die Bundesrepublik als Lieferant die Positionen fünf und sechs ein.

674

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

Tabelle 8: Die Bundesrepublik Deutschland als Lieferant (1994)

Quelle:

3.

Land

Position Deutschlands

Österreich Tschechien Schweiz Polen Italien Schweden Niederlande Frankreich Rußland Spanien Großbritannien China Korea USA Japan

1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 1 6 4 5 6

Anteil am Import des Absatzlandes in % 40,0 38,0 34,9 27,7 19,2 18,4 18,3 17,7 14,6 14,6 13,7 6,2 5,0 4,7 4,0

Größter Lieferant des Absatzlandes Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland Frankreich Deutschland Japan Japan Kanada USA

International Monetary Fund, Direction of Trade Statistics, Yearbook 1995; eigene Berechnungen

Ursachen und Vorteile internationalen Handels: Einleitende Bemerkungen

Internationaler Handel macht es möglich, die Vorteile einer weltweiten Spezialisierung und Arbeitsteilung zu realisieren. Außenhandel findet statt, weil die Ressourcen nicht gleichmäßig auf die einzelnen Länder verteilt sind. Die Bundesrepublik verfügt zum Beispiel nur über geringe Erdöl- und Erdgasvorräte und ist wegen mangelnder Verfügbarkeit auf die Einfuhr angewiesen. Bei einer großen Zahl nicht regenerierbarer Rohstoffe wie Bauxit, Chrom, Mangan, Nickel, Wolfram und Zinn beträgt die Importabhängigkeit hundert Prozent. Nationen treiben internationalen Handel, um Rohstoffe zu erwerben, über die sie nicht verfügen. Auch Unterschiede des Klimas und der Qualität des Bodens führen zu internationalem Handel. Wir können zwar Kaffee und Bananen in Gewächshäusern produzieren, doch können diese Güter kostengünstiger in Costa-Rica oder Brasilien erzeugt werden. Es ist für uns günstiger, wenn wir diese Produkte im Ausland gegen Güter erwerben, bei denen wir Kostenvorteile in der Produktion haben. Nicht nur Unterschiede hinsichtlich der Verteilung der natürlichen Ressourcen und des Klimas, sondern auch Unterschiede der technologischen Entwicklung und der Qualifikation der Bevölkerung können zu Divergenzen in der Verfügbarkeit führen. So verfügen viele Länder nicht über jene technischen Kenntnisse und Qualifikationen, die es ihnen erlauben, technisch besonders hochwertige und anspruchsvolle Produkte zu erzeugen.

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

675

Durch internationalen Handel werden größere Märkte geschaffen. Die Massenproduktionsvorteile können besser genutzt werden. Wenn ein Land versuchte, alle Güter zu erzeugen, wären in vielen Branchen die Absatzmengen zu klein, um mit minimalen langfristigen Stückkosten zu produzieren. Außenhandel macht es möglich, die Vorteile der Spezialisierung zu nutzen, so daß eine größere Vielfalt an Produkten mit geringeren Kosten hergestellt werden kann. Internationaler Handel wäre selbst dann für alle beteiligten Länder vorteilhaft, wenn es sich um reinen Tausch handelte, durch den die Menge der insgesamt verfügbaren Güter nicht erhöht würde. Ein solcher Tausch ist nämlich kein Nullsummenspiel, bei dem der eine verliert, was der andere gewinnt. W e n n A Tee hat, aber lieber Kaffee mag und B Kaffee hat, aber lieber T e e trinkt, ist Tausch für beide vorteilhaft. Ein Tausch nutzt beiden Tauschpartnern, wenn er freiwillig und informiert ist. Internationaler Handel ist für alle vorteilhaft, weil die Handelspartner als Folge des Außenhandels über Güterkombinationen verfügen, die ihnen größeren Nutzen stiften als die, über die sie ohne Tausch verfügen könnten. Durch internationalen Handel wird die Wohlfahrt erhöht, wenn das Inland Güter exportiert, bei denen es dem Ausland gegenüber einen absoluten Kostenvorteil hat und wenn es Güter importiert, die im Ausland mit geringeren Kosten als im Inland hergestellt werden können. Betrachten wir zwei Länder, die wir im Vorgriff auf den nächsten Abschnitt England und Portugal nennen wollen. In beiden Ländern werden nur die Güter Tuch und Wein hergestellt. In der folgenden Tabelle werden die Mengen an Tuch und Wein angegeben, die jeweils mit einer bestimmten Zahl an Arbeitsstunden in England und Portugal erzeugt werden können.

Tabelle 9 Mengen an Wein und Tuch, die mit einer Arbeitszeit von a Stunden hergestellt werden können

Tuch Wein

England

Portugal

2 1

1 2

England kann mit der gleichen Zahl an Arbeitsstunden doppelt soviel Tuch herstellen wie Portugal, das seinerseits mit dem gleichen Arbeitsaufwand doppelt soviel Wein herstellen kann wie England. England hat einen absoluten Kostenvorteil in der Produktion von Tuch, Portugal in der Produktion von Wein. Es leuchtet ein, daß Außenhandel für beide Seiten vorteilhaft sein kann, wenn England Tuch und Portugal Wein exportiert. Dieser Handel wird zu einer Spezialisierung führen. Portugal wird weniger Tuch und mehr Wein, England wird weniger Wein und mehr Tuch erzeugen als bei Autarkie. Anders als ein reiner Tausch führt diese Spezialisierung dazu, daß sich die insgesamt erzeugten Mengen an Tuch und Wein erhöhen. Wenn England zum Beispiel eine Einheit Wein weniger herstellt, kann es mit der dadurch verfügbaren Zahl von a Arbeitstunden zwei Einheiten Tuch mehr herstellen (AW = - 1 ; AT = +2). Wenn Portugal als Folge der durch Außenhandel bewirkten Spezialisierung eine Einheit Tuch weniger herstellt, kann es zwei Einheiten Wein mehr

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

676

herstellen (AW = +2; AT = - 1 )• Insgesamt stünden eine Einheit Wein und eine Einheit Tuch mehr zur Verfügung (AW = +1; AT = +1). Wie sich dieser Spezialisierungsgewinn in einem Handelsgewinn für England und für Portugal niederschlägt, hängt davon ab, welche Austauschrelation sich bildet. Bildet sich eine Tauschrelation, bei der eine Einheit Tuch gegen eine Einheit Wein getauscht wird, stehen sich beide Länder besser als bei Autarkie. 1 Wenn England bei diesem Tauschverhältnis zwei Einheiten Tuch exportiert und zwei Einheiten Wein importiert, hätte es (wenn es eine Einheit Wein weniger und zwei Einheiten Tuch mehr herstellte) die gleiche Menge an Tuch wie bei Autarkie, aber eine Einheit Wein mehr! Portugal hatte in unserem Beispiel die gleiche Menge an Wein, aber eine Einheit Tuch mehr! Wie aber sind die Folgen freien internationalen Handels zu beurteilen, wenn ein Land einem anderen in der Produktion aller Güter überlegen ist? Welche Konsequenzen hat internationaler Handel, wenn Portugal sowohl bei der Produktion von Wein wie bei der Produktion von Tuch gegenüber England einen Produktivitätsvorsprung hat, so daß Portugal wie in dem Beispiel in Tabelle 10 mit der gleichen Arbeitszeit sowohl mehr Wein als auch mehr Tuch herstellen kann als England? Tabelle 10 Mengen an Wein und Tuch, die mit einer Arbeitszeit von a Stunden hergestellt werden können

Tuch Wein

England

Portugal

2 1

3 2

Kann sich ein Land, dessen Produktivität bei allen Gütern geringer ist als im Ausland überhaupt auf den internationalen Handel einlassen? Oder erleidet ein solches Land das gleiche Schicksal wie ein Unternehmen, das auf dem Weltmarkt mit einem anderen konkurriert, dem es in allen Belangen unterlegen ist? Sind die Bundesrepublik, Frankreich, Japan und die USA in gleicher Weise Wettbewerber wie Volkswagen, Renault, Mitsubishi und General Motors oder wie Coca Cola und Pepsi Cola? Muß ein Land ebenso wie ein Unternehmen "wettbewerbsfähig" sein, um im internationalen Konkurrenzkampf bestehen zu können? Auf diese Fragen gibt das berühmte Theorem der komparativen Kosten, das im nächsten Abschnitt dargestellt wird, eine einfache, eindeutige Antwort. Auch die folgenden Fragen lassen sich mit Hilfe des Theorems der komparativen Kosten klären.

1

Es wird sich ein Tauschverhältnis bilden, bei dem man für eine Einheit Tuch mindestens 0,5 Einheiten Wein und höchstens 2 Einheiten Wein erhält. Erhielte man für eine Einheit Tuch weniger als 0,5 Einheiten Wein, würde England auf den Import von Wein verzichten. Müßten m e h r als zwei Einheiten Wein für eine Einheit Tuch gegeben werden, lohnte sich für Portugal der Import von Tuch nicht.

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

677

-

Welche Folgen hat es, wenn bei freiem internationalen Handel die Produktivität in einem Land langsamer wächst als im Ausland?

-

Ist das Wachstum der Produktivität in jenen Branchen, die international handelbare Güter herstellen, wichtiger als das Produktivitätswachstum in jenen Branchen, die nicht dem ausländischen Wettbewerb ausgesetzt sind, weil sie keine international handelbaren Güter produzieren?

-

Ist internationaler Handel für das Inland schädlich, wenn ausländische Unternehmen nur deshalb Wettbewerbsvorteile haben, weil sie sehr viel niedrigere Löhne zahlen? Sollten wir die inländischen Unternehmen vor diesem "Sozialdumping" schützen? Müßten wir unsere Löhne letztlich auf das Niveau der Löhne in Bangladesh senken, um bei ungehindertem Freihandel wettbewerbsfähig zu sein?

-

Führt internationaler Handel zur Ausbeutung eines Landes, wenn der Handel durch sogenannten "ungleichen Tausch" charakterisiert ist? Von ungleichem Tausch zuungunsten des Inlands wird gesprochen, wenn die Zahl der Arbeitsstunden, die im Inland aufgewandt werden müssen, um Exportgüter zu produzieren, größer ist als die Zahl der Arbeitsstunden, die im Ausland aufgewendet werden, um dort die Güter herzustellen, die das Inland im Austausch gegen die Exportgüter erhält. Ist bei ungleichem Tausch der Außenhandel mit Verlusten für eines der Länder verbunden?

B. Das Theorem der komparativen Kosten Das für den internationalen Handel fundamentale Theorem der komparativen Kosten soll erläutert werden, indem an ein Beispiel angeknüpft wird, das David Ricardo selbst wählte. 1 Wir betrachten zwei Länder, England und Portugal, in denen zwei Güter, Tuch und Wein, hergestellt werden. Arbeit ist der einzige (knappe) Produktionsfaktor. Er ist innerhalb des Landes völlig mobil, aber zwischen den betrachteten Ländern immobil. Es gibt keinerlei Handelsbarrieren, wie Transportkosten oder Zölle.

1.

Darstellung des Theorems anhand eines Zahlenbeispiels

Die Mengen an Tuch und Wein, die in England und Portugal mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 60 Arbeitsstunden hergestellt werden können, werden in der folgenden Tabelle angegeben.

1

David Ricardo, On the Principles of Political Economy and Taxation, Chapter VII: On Foreign Trade, in: Piero Sraffa, Works and Correspondence of David Ricardo, Volume 1, Cambridge, 1962, S. 128-150.

678

Erstes Kapitel: U r s a c h e n und Wirkungen internationalen H a n d e l s

Tabelle 11 Mengen an Wein und Tuch, die mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 60 Stunden hergestellt werden können Tuch Wein

England

Portugal

8 1

10 5

Portugal kann also mit dem gleichen Arbeitsaufwand sowohl mehr Tuch (10 Einheiten statt 8) als auch mehr Wein (5 Einheiten statt einer Einheit) herstellen. Wenn wir wie die Klassiker die Kosten durch die Zahl der Arbeitsstunden messen, so können wir auch sagen, daß die in Arbeitsstunden gemessenen Kosten in England sowohl bei der Produktion von Tuch als auch bei der Produktion von Wein höher als in Portugal sind. Das zeigt die folgende Tabelle. Die Zahlen ergeben sich, indem man 60 Arbeitsstunden durch die in Tabelle 11 enthaltenen Mengen dividiert. Tabelle 12 Arbeitsstunden, um eine Einheit Tuch oder eine Einheit Wein herzustellen Tuch Wein

England

Portugal

7,5 60

6 12

Während man in England 7,5 Arbeitsstunden benötigt, um eine Einheit Tuch herzustellen, sind es in Portugal nur 6 Stunden. Statt 60 Stunden in England benötigt man in Portugal nur 12 Arbeitsstunden, um eine Einheit Wein zu produzieren. England hat also einen absoluten Kostennachteil in der Produktion beider Güter. Englands Nachteil ist jedoch bei der Produktion von Tuch geringer als bei der Produktion von Wein. England hat deshalb einen komparativen Vorteil in der Produktion von Tuch. Dies wird deutlich, wenn wir die Kosten der Herstellung von Tuch an der Menge Wein messen, auf deren Produktion verzichtet werden muß, wenn eine Einheit Tuch hergestellt wird. Wie Tabelle 11 zeigt, kann man in England mit dem gleichen Arbeitsaufwand, mit dem man eine Einheit Wein erzeugen kann, acht Einheiten Tuch herstellen. Deshalb betragen die in Einheiten Wein gemessenen Kosten einer Einheit Tuch 1/8 = 0,125 Einheiten Wein. In Portugal kann man mit dem gleichen Arbeitsaufwand fünf Einheiten Wein oder zehn Einheiten Tuch herstellen. Man muß also auf 0,5 Einheiten Wein verzichten, wenn man eine Einheit Tuch produziert. Anders gesagt: Die in Einheiten Wein gemessenen Kosten einer Einheit Tuch betragen in Portugal 0,5 Einheiten Wein.

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

679

Tabelle 13 In Einheiten Wein gemessene Kosten einer Einheit Tuch England Kosten einer Einheit Tuch

0,125 Einheiten Wein

Portugal 0,5 Einheiten Wein

Die in Einheiten Wein gemessenen Kosten der Produktion von Tuch sind also in England niedriger als in Portugal. England hat einen komparativen Vorteil in der Produktion von Tuch. Da man andererseits in England auf acht Einheiten Tuch, in Portugal aber nur auf zwei Einheiten Tuch verzichten muß, wenn eine Einheit Wein erzeugt wird, hat Portugal einen komparativen Vorteil in der Produktion von Wein. Tabelle 14 In Einheiten Tuch gemessene Kosten einer Einheit Wein England Kosten einer Einheit Wein

Portugal

8 Einheiten Tuch 2 Einheiten Tuch

In unserem einfachen Modell, in dem Arbeit der einzige (knappe) Produktionsfaktor ist, bestehen die Kosten nur aus Lohnkosten. Ist w der pro Arbeitsstunde zu zahlende Lohnsatz, so ist bei vollständiger Konkurrenz in England der Preis einer Einheit Tuch pT = 7,5 w und der Preis einer Einheit Wein p w = 60 w. (Man benötigt in England 7,5 Stunden, um eine Einheit Tuch und 60 Stunden, um eine Einheit Wein zu erzeugen). Das Preisverhältnis bei Autarkie ist in England p w /p T = 8. In England erhält man acht Einheiten Tuch für eine Einheit Wein. In Portugal sind die Preise p T = 6 w und p w = 12 w. Es ist p w /p T = 2. Wein ist in Portugal nur doppelt so teuer wie Tuch. Bei internationalem Handel lohnt es sich für die Portugiesen, Wein in England zu verkaufen und Tuch zu importieren. Für die Engländer ist es vorteilhaft, Tuch in Portugal zu verkaufen und Wein zu importieren: Außenhandel wird dazu führen, daß England mehr Tuch, Portugal mehr Wein produziert. Wir wollen annehmen, daß England die Tuchproduktion um 400 Einheiten erhöht. Das ist nur möglich, wenn die Weinproduktion um 50 Einheiten vermindert wird. Portugal möge die Weinproduktion um 125 Einheiten erhöhen. Es muß die Tuchproduktion also um 250 Einheiten reduzieren. Als Folge der durch internationalen Handel bewirkten Spezialisierung ändern sich die produzierten Mengen, wie in Tabelle 15 dargestellt.

680

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

Tabelle 15 Veränderungen der produzierten Mengen an Wein und Tuch Tuch Wein

England

Portugal

Insgesamt

+ 400 -50

-250 + 125

+ 150 + 75

Man erkennt: Infolge der Spezialisierung steigt in unserem Beispiel sowohl die Menge an Tuch wie auch die Menge an Wein, die insgesamt in der Welt hergestellt werden! Wie ist das erstaunliche Ergebnis zu erklären? Es ist nicht das Resultat intellektueller Taschenspielertricks, sondern allein der durch freien Handel bewirkten effizienten internationalen Arbeitsteilung zu verdanken. Tatsächlich wird in unserem Beispiel nicht lediglich ein Warenbündel gegen ein anderes getauscht, obwohl auch ein solcher Tausch für beide Länder vorteilhaft wäre. Die Produktionssteigerung ist Ergebnis der Spezialisierung. England produziert mehr Tuch, Portugal mehr Wein. Wenn England die Weinproduktion um eine Einheit reduziert, kann es acht Einheiten Tuch mehr herstellen. Wenn Portugal die Weinproduktion um eine Einheit erhöht, sinkt die Tuchproduktion nur um zwei Einheiten. Indem jedes Land mehr von dem Gut herstellt, bei dem es einen komparativen Kostenvorteil hat und weniger von dem Gut erzeugt, bei dem es einen komparativen Kostennachteil aufweist, kann die Produktion insgesamt erhöht werden. 2.

Die Handelsgewinne der beiden Länder

Es fragt sich, wie der Handelsgewinn, der als Ergebnis der Spezialisierung entsteht, auf die beiden Länder verteilt wird. Das hängt von dem Preisverhältnis p w /p T ab, welches sich bei freiem internationalem Handel bildet. Der portugiesische Handelsgewinn ist um so größer, je größer pw/pT ist, je teurer also der exportierte Wein relativ zum importierten Tuch ist. Man bezeichnet den Quotienten aus dem Preis des Exportgutes und dem Preis des Importgutes auch als das reale Austauschverhältnis oder die Terms of Trade.' In unserem Fall geben die portugiesischen Terms of Trade pw/pT an> welche Menge an Tuch für eine Einheit Wein importiert werden kann. Ist also zum Beispiel p w /p T = 4, so kann Portugal für eine Einheit Wein vier Einheiten Tuch importieren.

1

Anders als in unserer Modellwelt werden in der Realität viele Güter exportiert und importiert. Die Terms of Trade sind der Quotient aus dem Preisindex der Exporte und dem Preisindex der Importe, wobei die Preise jeweils in einer einheitlich bestimmten Währung, also in Inlands- oder Auslandswährung, angegeben werden. Die Terms of Trade stellen also nicht auf einzelne Güter ab, sondern auf den gesamten exportierten und importierten Warenkorb. Sie geben an, wie sich die Kaufkraft einer Exporteinheit, gemessen in Importeinheiten, im Vergleich zu einem Basisjahr verändert hat.

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen H a n d e l s

681

Steigt p w /p T , so sagt man auch, daß sich die portugiesischen Terms of Trade verbessern. Portugals Handelsgewinn wäre größer, der Englands kleiner. Ganz analog sind p T /p w die englischen Terms of Trade. Sie geben in unserem Beispiel an, wieviele Einheiten Wein England für eine Einheit des Exportgutes Tuch importieren kann. Welches internationale Preisverhältnis p w /p T sich bei Freihandel bildet, hängt von der Nachfrage und dem Angebot an Wein und Tuch ab. Wir können in unserem Beispiel jedoch eine obere und untere Grenze der Terms of Trade angeben. Bei einem Preisverhältnis p w /p T > 8 müßten mehr als acht Einheiten Tuch im Tausch gegen eine Einheit Wein hergegeben werden. In diesem Fall würde England sich besser stehen, wenn es den Wein nicht in Portugal kauft, sondern selbst erzeugt, da England nur auf acht Einheiten Tuch verzichten muß, wenn es eine Einheit Wein herstellt. Deshalb kann p w /px nicht größer als acht sein. Das Preisverhältnis p w /p T kann aber auch nicht kleiner als zwei sein, da Portugal in diesem Fall für eine Einheit Wein weniger als zwei Einheiten Tuch bekäme. Portugal stünde sich besser, wenn es das Tuch selbst produziert, da Portugal zwei Einheiten Tuch mehr herstellen kann, wenn es eine Einheit Wein weniger produziert. Das Preisverhältnis p w /p T muß also zwischen zwei und acht liegen. Ist p w /p T größer als zwei und kleiner als acht, wird Portugal nur Wein und England nur Tuch produzieren. Es ist allerdings möglich, daß selbst bei einem Preisverhältnis p w /p x = 8 die Nachfrage nach Wein das portugiesische Angebot übersteigt, obwohl Portugal nur Wein erzeugt. In diesem Fall würde England außer Tuch auch Wein herstellen. Umgekehrt könnte selbst bei p w /p T = 2 die Nachfrage nach Tuch das englische Angebot übersteigen. In diesem Fall würde England nur Tuch, Portugal würde Wein und Tuch herstellen. Wir wollen unterstellen, daß in unserem Beispiel p w /p T = 4 ist. Vier Einheiten Tuch werden also gegen eine Einheit Wein getauscht. Portugal produziert nur Wein, England nur Tuch! Wir hatten bereits unterstellt, daß infolge der Spezialisierung England die Tuchproduktion um 400 Einheiten und Portugal die Produktion von Wein um 125 Einheiten erhöht haben. Tabelle 16 Veränderungen der produzierten Mengen als Folge der Spezialisierung

Tuch Wein

England

Portugal

Insgesamt

+ 400 -50

-250 + 125

+ 150 + 75

Es soll jetzt zusätzlich angenommen werden, daß England 300 Einheiten Tuch exportiert. Bei dem unterstellten Preisverhältnis p w /p T = 4 werden 300/4 = 75 Einheiten Wein importiert. Portugal exportiert also 75 Einheiten Wein und importiert 300 Einheiten Tuch. Die in England und Portugal verfügbaren Mengen an Tuch und Wein ändern sich aufgrund der Ausfuhr und Einfuhr, wie folgende Ubersicht zeigt:

682

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

Tabelle 17 Änderung der im Inland jeweils verfügbaren Mengen infolge des Exports und Imports Tuch Wein

England

Portugal

-300 + 75

+ 300 -75

Welche Mengen als Folge der Spezialisierung und der Ein- und Ausfuhr in England und Portugal zusätzlich verfügbar sind, ergibt sich durch Addition der Mengenänderungen, die in den beiden letzten Tabellen registriert wurden. England hat als Folge der Spezialisierung 400 Einheiten Tuch mehr produziert als bei Autarkie. Davon wurden 300 Einheiten exportiert. Außenhandel bewirkt also, daß England über 100 Einheiten Tuch mehr verfügt. Die zusätzlich verfügbaren Mengen werden in Tabelle 18 angegeben. Tabelle 18 Infolge Außenhandels zusätzlich verfügbare Mengen Tuch Wein

England

Portugal

+ 100 + 25

+ 50 + 50

Wir erkennen, daß in unserem Beispiel infolge von Außenhandel England und Portugal sowohl mehr Tuch als auch mehr Wein verbrauchen können. Die Wohlfahrt beider Länder hat sich erhöht. Obwohl England in der Produktion beider Güter einen absoluten Kostennachteil gegenüber Portugal hat, erweist sich der freie internationale Handel auch für England als vorteilhaft. 3.

Graphische Darstellung der Handelsvorteile

Wir wollen die Handelsgewinne, die sich als Folge des internationalen Handels ergeben, noch anders darstellen. Es wird unterstellt, daß es in Portugal 50 und in England 100 Arbeitskräfte gibt. Wenn in England nur Tuch hergestellt wird, können pro Woche 100 • 8 = 800 Einheiten Tuch produziert werden. Wird nur Wein erzeugt, können pro Woche 100 • 1 = 100 Einheiten Wein hergestellt werden. Die Kombinationen von Tuch und Wein, die in England mit 100 Arbeitskräften maximal hergestellt werden können, liegen auf der Transformationskurve AB. Unter der Annahme konstanter Stückkosten ist sie eine Gerade.'

1

Sie verläuft deshalb linear, weil die in Arbeitsstunden gemessenen Kosten pro Einheit Tuch und Wein nicht von der produzierten Menge abhängen.

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

Abb. 1.1

683

Tuch 800- A

500400

0

50

75 100

200

Wein

Die durch tan a gemessene Steigung der Geraden gibt an, auf wieviele Einheiten Tuch pro Einheit Wein verzichtet werden muß. Sie ist Ausdruck der Grenzrate der Transformation von Tuch in Wein. Anders gesagt: Sie mißt die in Einheiten Tuch ausgedrückten (konstanten) marginalen Opportunitätskosten von Wein. In der Ausgangssituation, bei Autarkie, werden in England die durch den Punkt P angegebenen Mengen, also 400 Einheiten Tuch und 50 Einheiten Wein, hergestellt. Wenn England bei internationalem Handel nur Tuch herstellt, werden 800 Einheiten Tuch erzeugt. Diese können bei einem Tauschverhältnis von 4 Einheiten Tuch gegen eine Einheit Wein (p w /p T = 4) gegen 200 Einheiten Wein getauscht werden. Die Konsummöglichkeiten bei freiem internationalem Handel und p w /p T = 4 werden durch die gestrichelte Gerade A D angegeben. Wenn England 300 Einheiten Tuch exportiert und 75 Einheiten Wein importiert, können in England pro Woche 500 Einheiten Tuch und 75 Einheiten Wein verbraucht werden. Diese Mengen werden durch den Punkt C auf der Geraden AD repräsentiert. Die Wohlfahrt Englands hat sich durch Außenhandel erhöht. Aber auch Portugal erzielt einen Handelsgewinn. Portugal kann maximal 50 • 10 = 500 Einheiten Tuch oder 50 • 5 = 250 Einheiten Wein herstellen. Die portugiesische Transformationskurve ist eine Gerade, die die Tuch-Achse bei 500 und die WeinAchse bei 250 schneidet. Die Transformationskurve gibt an, welche Mengen Tuch maximal bei alternativen Mengen Wein hergestellt werden können. Die Steigung der Geraden gibt an, auf wieviele Einheiten Tuch verzichtet werden muß, wenn eine Einheit Wein zusätzlich hergestellt wird. Sie gibt die Konsummöglichkeiten bei Autarkie an. Bei Autarkie produziert und konsumiert Portugal die dem Punkt P auf der Transformationsgeraden AB entsprechenden Mengen, also 250 Einheiten Tuch und 125 Einheiten Wein. Bei A u f n a h m e des Außenhandels spezialisiert sich Portugal auf die Produktion von Wein. Die Konsummöglichkeiten bei einem Preisverhältnis p w / p T = 4 werden durch die gestrichelte Gerade angegeben. Wenn Portugal 75 Einheiten Wein exportiert und 300 Einheiten Tuch importiert, kann es die d e m Punkt C entsprechenden Mengen verbrauchen. Portugals Wohlfahrt hat sich durch Aufnahme des Außenhandels ebenfalls erhöht.

684

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

4. Die Welttransformationskurve Wir können aus den Angaben über die Produktionsmöglichkeiten in England und Portugal eine "Welttransformationskurve" ableiten. Wenn beide Länder nur Tuch produzieren, werden in England 800 und in Portugal 500, insgesamt also 1.300 Einheiten Tuch hergestellt. Wenn in beiden Ländern nur Wein erzeugt wird, werden 100 + 250 = 350 Einheiten Wein produziert. Wir erhalten so die Punkte A und B der in Abbildung 1.3 dargestellten Welttransformationskurve. Abb. 1.3

Tuch 1300 1000 c

800 650 ' 500 -

P

\l\ %. \

\B 0

175

250

350

Wein

In Punkt A wird in beiden Ländern nur Tuch hergestellt. Soll auch Wein produziert werden, muß die Produktion von Tuch reduziert werden. Wird der Wein in England hergestellt, muß pro Einheit Wein auf acht Einheiten Tuch verzichtet werden. Wird der Wein in Portugal erzeugt, sinkt die Tuchproduktion pro Einheit Wein nur um zwei Einheiten. Die Weltproduktion wird nur maximiert, wenn der Wein in Portugal hergestellt wird. Wird sukzessive die Weinproduktion in Portugal erhöht, so befinden wir uns auf dem Streckenzug AC in Richtung C. AC ist die portugiesische Transformationskurve. In Punkt C hat sich Portugal völlig auf die Produktion von Wein spezialisiert. Es werden in Portugal 250 Einheiten Wein, in England 800 Einheiten Tuch hergestellt. Wenn noch mehr Wein hergestellt werden soll, muß der zusätzliche Wein in England erzeugt werden. Es müssen acht Einheiten Tuch

Erstes Kapitel: Ursachen und W i r k u n g e n internationalen H a n d e l s

685

aufgegeben werden, um eine zusätzliche Einheit Wein herzustellen. Wir bewegen uns auf dem Streckenzug CB in Richtung B. CB ist die englische Transformationskurve. ACB ist die Welttransformationskurve. In unserem Beispiel war es so, daß bei Autarkie in England 400 und in Portugal 250, insgesamt also 650 Einheiten Tuch erzeugt wurden. In England wurden 50 und in Portugal 125, insgesamt also 175 Einheiten Wein hergestellt. Diese Mengen werden in Abbildung 1.3 durch die Koordinaten des Punktes P repräsentiert, der unterhalb der Welttransformationskurve liegt. Bei Autarkie wird also ineffizient produziert. Welche Mengen bei freiem internationalem Handel tatsächlich erzeugt werden, hängt außer von den durch die Welttransformationskurve repräsentierten Angebotsbedingungen auch von der Nachfrage nach Tuch und Wein ab. Ist die Nachfrage nach Tuch relativ zur Nachfrage nach Wein groß, so mag es zu einem Gleichgewicht kommen, bei dem ein Punkt auf dem Streckennzug AC zwischen A und C realisiert wird. England produziert nur Tuch, Portugal Tuch und Wein. Das Preisverhältnis p w /p T wäre dann zwei; es wird durch die Steigung des Streckenzuges AC gemessen. Der gesamte Handelsgewinn würde England zufließen. Ist umgekehrt die Nachfrage nach Wein relativ zur Nachfrage nach Tuch groß, so daß ein Punkt auf dem Streckenzug CB realisiert wird, produziert Portugal nur Wein, England produziert Tuch und Wein. Das wird nur geschehen, wenn p w /pT = 8 ist, so daß der gesamte Handelsgewinn Portugal zufließt. Wenn die dem Punkt C entsprechenden Mengen produziert werden, produziert England nur Tuch, Portugal nur Wein. Das Preisverhältnis kann irgendwo zwischen p w /p T = 2 und Pw^Pt = 8 liegen. Welches Preisverhältnis sich bildet, hängt davon ab, wie groß die Nachfrage nach Wein relativ zur Nachfrage nach Tuch ist.

5.

Die Bestimmung der Terms of Trade

Durch die Welttransformationskurve werden die Angebotsbedingungen für Wein und Tuch beschrieben. In Portugal muß auf zwei Einheiten Tuch verzichtet werden, wenn eine Einheit Wein hergestellt wird. Wein wird also in Portugal nur hergestellt, wenn Wein mindestens doppelt so teuer ist wie Tuch. Da in England auf acht Einheiten Tuch verzichtet werden muß, um eine Einheit Wein herzustellen, muß p w /p T mindestens gleich acht sein, damit Wein in England hergestellt wird. Für p w /p x < 2 wird also weder in Portugal noch in England Wein angeboten. Das Angebot an Wein (und an Tuch) ist somit eine Funktion des Preisverhältnisses p w /p x , also des relativen Preises von Wein. In Abbildung 1.4 wird das Gesamtangebot an Wein relativ zum Gesamtangebot an Tuch in England und Portugal als Funktion des relativen Preises p w /p T dargestellt. Da für p w /p T < 2 weder in England noch in Portugal Wein angeboten wird, ist das relative Angebot (Wein/Tuch) gleich Null. Die relative Angebotskurve (RA) fällt für p w /p T < 2 mit der Ordinate zusammen. Für p w /p T = 2 wird in Portugal die Menge an Wein angeboten, die nachgefragt wird, bis bei der dem Punkt A entsprechenden relativen Menge Portugal nur noch Wein (250 Einheiten) und England nur Tuch (800 Einheiten) produziert. Die relative angebotene Menge beträgt 250 Einheiten Wein zu 800 Einheiten Tuch gleich 0,3125 Einheiten Wein pro Einheit Tuch. Liegt das Preisverhältnis p w /p T zwischen 2 und 8, produziert Portugal nur Wein und England nur Tuch. Da England auf acht Einheiten Tuch verzichten muß, um eine Einheit Wein herzustellen, wird England nur Wein produzieren, wenn p w /p T mindestens gleich acht

686

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

Abb. 1.4

8

T

RN

R_A

4

2

0

U

A

Wein Tuch

ist. Die relative Angebotskurve verläuft deshalb im Preisintervall 2 < p w /p T < 8 senkrecht. Für p w /p T = 8 wird England die Mengen an Wein und Tuch anbieten, die nachgefragt werden. Die relative Angbotskurve verläuft bei p w /p T = 8 horizontal. Abbildung 1.4 zeigt außer der stufenförmig verlaufenden relativen Angebotskurve die relative Nachfragekurve (RN). Sie gibt an, welche Menge an Wein relativ zur Menge an Tuch bei alternativen relativen Preisen p w /p T insgesamt nachgefragt wird. Je niedriger p w /p x ist, je billiger Wein relativ zu Tuch ist, um so mehr Wein wird relativ zu Tuch nachgefragt, weil Tuch durch Wein substituiert wird. Der von links oben nach rechts unten fallende Verlauf der relativen Nachfragekurve ist auf diesen Substitutionseffekt zurückzuführen. In Abbildung 1.4 schneidet die relative Nachfragekurve die relative Angebotskurve bei p w /p T = 4. Durch den Schnittpunkt der beiden Kurven wird also das reale Austauschverhältnis bestimmt. Bei diesem Preisverhältnis produziert Portugal nur Wein, England nur Tuch. Das Mengenverhältnis, in dem die Güter angeboten und nachgefragt werden, entspricht dem Punkt C auf der Welttransformationskurve in Abbildung 1.3. Wäre die relative Nachfrage nach Wein größer, könnte auch T der Schnittpunkt der relativen Nachfragekurve mit der relativen Angebotskurve sein. Das Preisverhältnis wäre p w /p T = 8. Portugal produziert nur Wein, England Tuch und Wein. Der gesamte Handelsgewinn fiele Portugal zu. Wäre die relative Nachfrage nach Wein geringer und U der Schnittpunkt der relativen Nachfragekurve mit der relativen Angebotskurve, dann wäre p w /p T = 2. England produziert nur Tuch, Portugal Wein und Tuch. Der gesamte Handelsgewinn fiele England zu. Gäbe es in Portugal mehr als 50 Arbeiter, so daß bei vollständiger Spezialisierung mehr als 250 Einheiten Wein produziert werden könnten, wäre der untere horizontale Abschnitt der relativen Angebotskurve länger. Das gleichgewichtige Preisverhältnis p w /p x wäre bei gleicher relativer Nachfrage kleiner. Die Terms of Trade wären für Portugal ungünstiger. Der Handelsgewinn Englands wäre größer, der Portugals geringer. Je größer ein Land ist, desto geringer ist deshalb im allgemeinen der Handelsgewinn.

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

6.

687

Von komparativen Kostenvorteilen zu absoluten Preisvorteilen

In der realen Welt kauft man nicht im Ausland, weil das Ausland einen komparativen Kostenvorteil hat, sondern weil es dort billiger ist. Nicht komparative Kostenvorteile, sondern absolute Preisvorteile des Auslands sind Ursache unserer Importe, und absolute Preisvorteile des Inlands führen zu Exporten. Es bleibt zu zeigen, wie komparative Kostenvorteile zu absoluten Preisvorteilen werden. Wir wollen diesen Zusammenhang anhand unseres Beispiels erläutern. Die englischen Arbeiter, so sei angenommen, erhalten pro Arbeitsstunde einen Lohn in Höhe eines englischen Pfundes. Da Arbeit der einzige knappe Produktionsfaktor ist, entstehen nur Lohnkosten. Bei vollständiger Konkurrenz ist der Preis gleich den Kosten pro Ausbringungseinheit. Da man in England 7,5 Stunden braucht, um eine Einheit Tuch, und 60 Stunden, um eine Einheit Wein herzustellen, sind die in englischer Währung ausgedrückten Preise p x = 7,5 Pfund und p w = 60 Pfund. Wir wollen annehmen, daß auch die portugiesischen Arbeiter pro Arbeitsstunde einen Lohn in Höhe eines portugiesischen Escudos erhalten. Die in portugiesischer Währung ausgedrückten Preise sind p T =6 Escudo und p w = 1 2 Escudo. Die in der jeweiligen Inlandswährung angegebenen Preise für Tuch und Wein werden in Tabelle 19 zusammengefaßt: Tabelle 19 Preise für Tuch und Wein in jeweiliger Inlandswährung Tuch Wein

England

Portugal

7,5 Pfund 60 Pfund

6 Escudo 12 Escudo

Wenn eine englische Währungseinheit gegen eine portugiesische Währungseinheit getauscht werden könnte, hätte Portugal einen absoluten Preisvorteil bei allen Gütern. England würde portugiesische Escudo nachfragen, um Wein und Tuch in Portugal zu kaufen. Aber der Nachfrage nach Escudo stünde kein Angebot gegenüber. Englische Pfund werden angeboten, aber nicht nachgefragt. Ein Wechselkurs, bei dem man für ein englisches Pfund einen Escudo erhielte, wäre kein Gleichgewichtswechselkurs. Der in Pfund ausgedrückte Preis des Escudo würde steigen, bis die Nachfrage nach Escudo gleich dem Angebot an Escudo ist. Nehmen wir an, daß der so definierte Gleichgewichtswechselkurs 2,5 englische Pfund pro Escudo beträgt. Bei diesem Wechselkurs ergeben sich die folgenden hypothetischen, in Pfund notierten Preise für Tuch und Wein in England und Portugal:

688

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

Tabelle 20 In Pfund notierte Preise für Tuch und Wein bei w = 2,5 Pfund pro Escudo Tuch Wein

England

Portugal

7,5 Pfund 60 Pfund

15 Pfund 30 Pfund

England hätte einen absoluten Preisvorteil bei Tuch, Portugal einen absoluten Preisvorteil bei Wein. Die portugiesische Textilindustrie und die englische Weinerzeugung wären international nicht konkurrenzfähig. Bei einem Wechselkurs von 2,5 Pfund pro Escudo würde England nur Tuch und Portugal nur Wein erzeugen. Da eine Einheit Wein bei dem gleichgewichtigen Wechselkurs 30 Pfund und eine Einheit Tuch 7,5 Pfund kosten, ist Wein viermal so teuer wie Tuch. Für eine Einheit Wein erhält man vier Einheiten Tuch. Die portugiesischen Terms of Trade sind p w /p T = 4. Der Wechselkurs muß mindestens 1,25 Pfund pro Escudo betragen, da bei jedem niedrigeren Wechselkurs Portugal einen absoluten Preisvorteil bei beiden Gütern hat. Der englischen Nachfrage nach Escudo stünde kein Angebot an Escudo gegenüber.1 Man macht sich auch leicht klar, daß der Wechselkurs nicht höher als 5 Pfund pro Escudo sein kann, weil England sonst einen absoluten Preisvorteil bei Tuch und Wein hätte. Englische Pfund würden nachgefragt, aber nicht angeboten.2 7.

Argumente gegen internationalen Freihandel

Obwohl die Vorteile freien internationalen Handels durch das Theorem der komparativen Kosten eindrucksvoll belegt werden können, werden Zölle und sonstige Handelsbarrieren mit dem Argument gerechtfertigt, sie seien notwendig, um die nationale Wohlfahrt zu bewahren oder zu erhöhen. In den folgenden Abschnitten soll geprüft werden, ob sich diese Argumente im Lichte des Theorems der komparativen Kosten als stichhaltig erweisen. a.

Fehlende Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft

Es wird häufig behauptet, freier internationaler Handel sei schädlich, wenn die heimische Wirtschaft dem Ausland gegenüber einen Produktivitätsrückstand aufweise. Arme Länder, in denen die Arbeitsproduktivität in allen Branchen niedriger ist als in reichen Ländern, seien bei Freihandel schutzlos der überlegenen Konkurrenz ausländischer Wettbewerber ausgesetzt. Wegen der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit führe internationaler Handel zur Vernichtung der heimischen Wirtschaft. Die armen Länder hätten in allen Branchen einen komparativen Nachteil.

1

Bei e i n e m W e c h s e l k u r s von 1,25 Pfund pro E s c u d o sind die in Pfund ausgedrückten Preise für Tuch in Portugal und England jeweils 7 , 5 Pfund. Der in Pfund ausgedrückte Preis für W e i n beträgt 15 Pfund in Portugal. Eine Einheit Wein würde gegen z w e i Einheiten Tuch getauscht.

2

Bei e i n e m W e c h s e l k u r s v o n 5 Pfund pro Escudo würde eine Einheit W e i n in England und Portugal 6 0 Pfund kosten. In England kostet eine Einheit Tuch 7,5 Pfund. Es würde e i n e Einheit W e i n g e g e n acht Einheiten Tuch getauscht.

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

689

Wer so argumentiert, hat natürlich das Theorem der komparativen Kosten gar nicht verstanden. In unserem Beispiel war die Arbeitsproduktivität Englands in allen Branchen geringer als die Portugals. Das bedeutet nicht, daß England in allen Branchen einen komparativen Kostennachteil hat. England hatte einen komparativen Vorteil in der Produktion von Tuch. Der freie internationale Handel war nicht nur für Portugal, sondern auch für England vorteilhaft. b.

Sozialdumping

Es wird erklärt, freier internationaler Handel sei schädlich, wenn ausländische Konkurrenten deshalb einen Wettbewerbsvorteil haben, weil sie viel niedrigere Löhne zahlen. Auch effizient produzierende inländische Unternehmen könnten dem unfairen Wettbewerb der ausländischen Konkurrenten, die Hungerlöhne zahlen und "Sozialdumping" betreiben, nicht standhalten. Sie müßten durch Zölle oder andere Handelsbarrieren vor dieser Konkurrenz geschützt werden. Wir können auch dieses Argument mit Hilfe des Theorems der komparativen Kosten entkräften. In unserem Zahlenbeispiel erhielten die englischen Arbeiter pro Arbeitsstunde einen Lohn von einem Pfund, die portugiesischen Arbeiter einen Lohn von einem Escudo. Es bildete sich ein Wechselkurs von 2,5 Pfund pro Escudo. Die Löhne in Portugal waren somit 2,5 mal so hoch wie die Löhne in England. Die englischen Löhne beliefen sich nur auf 40 Prozent der portugiesischen Löhne. Wegen der niedrigen englischen Löhne war die portugiesische Tuchindustrie nicht mehr wettbewerbsfähig. Portugal mußte die Tuchproduktion aufgeben, obwohl die Arbeitsproduktivität höher war als in England. Portugals Wohlfahrt erhöhte sich jedoch infolge der durch freien Handel bewirkten Spezialisierung. Der für beide Länder vorteilhafte internationale Handel konnte sich nur entwickeln, weil die Löhne in England niedriger waren als in Portugal. Bei gleichen Löhnen, die sich bei einem Wechselkurs von einem Pfund pro Escudo ergeben würden, käme es nicht zu internationalem Handel, weil Portugal absolute Preisvorteile für Wein und Tuch hätte. c.

Ungleicher Tausch

Es wird oft behauptet, freier internationaler Handel sei schädlich und führe zur Ausbeutung eines Landes, wenn ein sogenannter ungleicher Tausch stattfinde. Ungleicher Tausch liege vor, wenn die Zahl der Arbeitsstunden, die aufgewendet werden, um Exportgüter zu produzieren, größer ist als die Zahl der Arbeitsstunden, die im Ausland aufgewendet werden, um die Güter herzustellen, die das betrachtete Land importiert. In unserem Zahlenbeispiel haben wir gezeigt, daß der freie internationale Handel auch für England mit einem Handelsgewinn verbunden war. England mußte vier Einheiten Tuch produzieren, um eine Einheit Wein aus Portugal importieren zu können. Da man in England 7,5 Arbeitsstunden benötigt, um eine Einheit Tuch herzustellen, müßten 4 • 7,5 = 30 Arbeitsstunden in England aufgewendet werden, um eine Einheit Wein zu importieren, für die in Portugal nur 12 Arbeitsstunden benötigt werden. Es wurden also 2,5 englische Arbeitsstunden gegen eine portugiesische Arbeitsstunde getauscht. Es liegt ungleicher Tausch vor. Dennoch war der Handel nicht nur für Portugal, sondern auch für England vorteilhaft. Die Höhe des englischen Handelsgewinnes hängt nicht

690

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

davon ab, ob der Tausch gleich oder ungleich ist. Wenn Portugal 30 Arbeitsstunden aufwenden müßte, um eine Einheit Wein herzustellen, wäre der Tausch gleich, Englands Handelsgewinn bei gegebenen Terms of Trades jedoch keineswegs größer. Der für beide Länder vorteilhafte Handel findet in unserem Beispiel nur statt, wenn der Tausch nicht gleich, sondern ungleich ist. Bei gleichem Tausch könnte Portugal für eine Einheit Wein nur 1,6 Einheiten Tuch erhalten. Der Tausch wäre in diesem Fall gleich, weil 12 Arbeitsstunden, die man in Portugal braucht, um eine Einheit Wein herzustellen, gegen 1,6 • 7,5 = 12 Arbeitsstunden getauscht würden, die man in England benötigt, um 1,6 Einheiten Tuch zu erzeugen. Portugal stünde sich aber in diesem Fall besser, wenn es das Tuch selbst herstellte, da Portugal zwei Einheiten Tuch erzeugen kann, wenn es eine Einheit Wein weniger produziert. Das Tauschverhältnis von Tuch zu Wein kann nicht kleiner als zwei sein, wenn der Handel für Portugal lohnend sein soll. Aber selbst bei einem Tauschverhältnis von 2:1, bei dem der gesamte Handelsgewinn England zufiele, läge ungleicher Tausch vor, weil 15 englische Arbeitsstunden gegen nur 12 portugiesische Arbeitsstunden getauscht würden. Ungleicher Tausch ist immer dann Voraussetzung für internationalen Handel, wenn - wie in unserem Beispiel - ein Land einen absoluten Produktivitätsvorsprung bei allen Gütern hat. d.

Das Geld im Lande halten

Abraham Lincoln soll gesagt haben: "Ich weiß nicht viel über Zölle. Aber eines weiß ich: Wenn ich einen Rock in England kaufe, habe ich den Rock und England das Geld. Wenn ich den Rock in Amerika kaufe, habe ich den Rock und Amerika das Geld." Das vielleicht nicht korrekte Zitat ist zunächst typisch für eine bei Politikern beliebte demagogische Redeweise. Es soll glaubhaft gemacht werden, daß bei Verzicht auf Freihandel Amerika nicht nur den Rock, sondern auch noch das Geld habe. Tatsächlich hat Amerika natürlich einen Rock weniger, wenn man auf die Einfuhr des Rocks verzichtet! Wenn der Rock in England gekauft wird und England den Exporterlös benutzt, um Weizen in Amerika zu kaufen, findet jener internationale Handel statt, von dem gezeigt wurde, daß er für beide Länder vorteilhaft ist. e.

Hat der Bauer Geld, hat's die ganze W e l t !

Es wird empfohlen, die Landwirtschaft durch Zölle zu schützen, da so das Einkommen der Bauern steigt. Die steigenden Einkommen der Bauern führten dazu, daß sie mehr Industrieprodukte nachfragten. Auf diese Art profitierten letztlich alle von dem Schutzzoll für die landwirtschaftlichen Produkte. Es ist richtig, daß infolge eines Schutzzolles die Einkommen der Bauern steigen, wenn diese im Inland ihre Produkte zu höheren Preisen verkaufen können. Dadurch sinken jedoch die Realeinkommen der Beschäftigten in anderen Wirtschaftszweigen, die höhere Preise für landwirtschaftliche Produkte zahlen müssen. Aus dem Theorem der komparativen Kosten folgt, daß die Realeinkommensverluste der Nichtlandwirte größer sind als die Realeinkommensgewinne der Bauern. Es ergibt sich per Saldo ein Wohlfahrtsverlust, kein Wohlfahrtsgewinn.

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

C.

Ursachen komparativer Vorteile

1.

Das Standardmodell mit zwei Gütern und zwei Produktionsfaktoren

691

Im Modell Ricardos, das unseren bisherigen Überlegungen zugrunde lag, war Arbeit der einzige (knappe) Produktionsfaktor. Es soll jetzt angenommen werden, daß die beiden Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital eingesetzt werden, um zwei Güter zu produzieren, die wir X und Y nennen wollen. Im Ricardianischen Modell mit nur einem Produktionsfaktor war die Transformationskurve für das einzelne Land eine Gerade. Die in Einheiten eines Gutes gemessenen Kosten des anderen Gutes waren konstant. Wenn wir zwei Produktionsfaktoren benötigen, um die Güter X und Y herzustellen, sind die in Einheiten von Y gemessenen Kosten der Produktion von X in der Regel nicht konstant. Das soll zunächst für ein Modell mit fixen Proportionen an einem Beispiel erläutert werden. Um eine Einheit von X herzustellen, braucht man zwei Einheiten des Faktors Arbeit und eine Einheit des Faktors Kapital. Um eine Einheit von Y herzustellen, werden eine Einheit Arbeit und zwei Einheiten Kapital benötigt. Arbeit kann nicht durch Kapital und Kapital kann nicht durch Arbeit substituiert werden. Es stehen von jedem Faktor 100 Einheiten zur Verfügung. Tabelle 21 Für jeweils eine Einheit von X und Y benötigte Faktoreinsatzmengen Arbeit

Kapital

X Y

2 1

1 2

Verfügbare Faktormengen

100

100

Mit 100 Einheiten des Faktors Arbeit können maximal 50 Einheiten von X oder 100 Einheiten von Y oder alle Kombinationen von X und Y hergestellt werden, die die Restriktion 2X + 1Y < 100 erfüllen. In Abbildung 1.5 sind dies alle Kombinationen von X und Y auf oder unterhalb der Geraden AB. Mit 100 Einheiten des Faktors Kapital können 100 Einheiten von X oder 50 Einheiten von Y oder alle Kombinationen von X und Y produziert werden, die der Restriktion IX + 2Y < 100 genügen. Das sind die Kombinationen von X und Y, die auf oder unterhalb der Geraden CD liegen. Da Arbeit und Kapital benötigt werden, um X oder Y herzustellen, müssen beide Restriktionen erfüllt sein. Die Streckenzüge CS und SB geben die Mengen von Y an, die maximal bei alternativen Mengen von X hergestellt werden. CSB ist die Transformationskurve. Die in Einheiten von Y gemessenen Kosten von X werden durch die (absolute) Steigung der Transformationskurve gemessen. Wenn wir C als Ausgangspunkt wählen, sind sie zunächst konstant (man muß auf 0,5 Einheiten Y verzichten, um eine Einheit X herzustellen), bis die dem Punkt S entsprechenden Mengen von X und Y erzeugt werden. Wird mehr von X produziert, bewegt man sich

692

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

Abb. 1.5

y 100- A

50-

0

50

D 100

X

also von S nach B, erhöhen sich die mengenmäßigen Opportunitätskosten der Produktion von X, da man jetzt auf 2 Einheiten von Y verzichten muß, um eine Einheit von X herzustellen. Wenn wir die Annahme fixer Proportionen aufgeben und unterstellen, daß das Verhältnis, in dem Arbeit und Kapital eingesetzt werden, variabel ist, verliert die Transformationskurve ihren Knick. Wir erhalten die glatt und konkav zum Ursprung verlaufende Transformationskurve, die Abbildung 1.6 zeigt. 1 Abb. 1.6 y

X

Bei einer konkav zum Ursprung verlaufenden Transformationskurve nimmt mit wachsender Menge von X die Zahl der Einheiten von Y, auf die man verzichten muß, kontinuierlich zu, weil die absolute Steigung der Transformationskurve zunimmt. Der Quotient A y/A x, der angibt, auf wieviele Einheiten von Y wir verzichten müssen, um eine Einheit von X herzustellen, steigt mit wachsendem x. Lassen wir A x sehr klein

1

Die Kapitalintensität der Produktion der Güter X und Y hängt bei substituierbaren Produktionsfaktoren vom Faktorpreisverhältnis ab. Wie in unserem Beispiel mit fixen Proportionen unterstellen wir konstante Skalenerträge und nehmen an, daß bei alternativem Faktorpreisverhältnis X stets das arbeitsintensive Gut und Y stets das kapitalintensive Gut ist.

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

693

werden, so ist die (absolute) Steigung der Transformationskurve die Grenzrate der Transformation von Y in X. 2 Sie gibt an, wie hoch die in Einheiten von Y gemessenen Kosten von X sind. Welche Mengen von X und Y produziert werden, hängt von den Preisen p x und pY ab. Bei vollständiger Konkurrenz sind die Preise für die Anbieter ein Datum. Das Preisverhältnis p x /p Y , das ist der in Einheiten von Y gemessene relative Preis von X, gibt an, wieviele Einheiten von Y man am Markt im Tausch für eine Einheit von X erhält. 2 Es lohnt sich, die Produktion von X zu erhöhen, wenn die in Einheiten von Y gemessenen marginalen Opportunitätskosten der Produktion von X kleiner sind als p x /p Y . I s t zum Beispiel p x /p Y = 4, so daß am Markt eine Einheit von X gegen vier Einheiten von Y getauscht werden, und sind die in Einheiten von Y gemessenen marginalen Opportunitätskosten von X gleich zwei, lohnt es sich, mehr von X zu produzieren. Die Produzenten maximieren ihren Gewinn, wenn sie soviel von X produzieren, daß die marginalen Opportunitätskosten gleich dem relativen Preis von X (p x /p Y ) sind. Anders gesagt: Bei vollständiger Konkurrenz werden solche Mengen von X und Y produziert, daß die Grenzrate der Transformation von Y in X (GRT YX ) gleich dem (reziproken) Preisverhältnis p x /p Y ist. Graphisch bedeutet dies, daß in Abbildung 1.7 bei einem durch tan a gemessenen Preisverhältnis p x /p Y die dem Punkt P, entsprechenden Mengen x, und y, hergestellt werden. Steigt das Preisverhältnis p x /p Y , wird mehr von X und weniger von Y produziert. In Abbildung 1.7 werden bei p x /p Y = tan ß die dem Punkt P 2 entsprechenden Mengen x 2 und y2 hergestellt. Abb. 1.7

1

Die Steigung der Transformationskurve ist dy/dx. Die Grenzrate der Transformation von Y in X ( G R T y x ) ist -dy/dx. Während die Steigung der Transformationskurve negativ ist, ist die Grenzrate der Transformation positiv.

2

Es ist l/p Y die Zahl der Einheiten von Y, die man für eine Recheneinheit erhält. Ist zum Beispiel pY = 2 DM, s o erhält man 0,5 Einheiten von Y für eine DM. Der relative Preis von X (p x /p Y ) gibt an, wieviel Einheiten von Y man am Markt für eine Einheit von X erhält. Ist zum Beispiel p x = 8 DM und pY = 2 D M , so ist p x /p Y = 4. Man erhält für eine Einheit von X vier Einheiten von Y.

694

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

In Abbildung 1.8 werden auf der Ordinate der relative Preis des Gutes X (px/py) und auf der Abszisse die relative Menge (x/y) abgetragen. Die relative Angebotskurve (RA) gibt an, wie groß die Menge von X im Verhältnis zur Menge von Y ist, die bei alternativem relativen Preis von X (px/pY) angeboten wird. Abb. 1.8

y

Durch den Schnittpunkt der relativen Nachfragekurve (RN) mit der relativen Angebotskurve sind der relative Preis von X (px/py) und die relative Menge (x/y) bestimmt. 2.

Produktivitätsunterschiede als Ursache komparativer Kostenvorteile

Im Ricardianischen Modell hatte Portugal einen auf einem absoluten und relativen Produktivitätsvorsprung beruhenden komparativen Kostenvorteil in der Produktion von Wein. England hatte einen komparativen Vorteil in der Produktion von Tuch, obwohl die Produktivität auch bei der Produktion von Tuch in England absolut niedriger war als in Portugal. Graphisch zeigte sich der relative Vorteil Portugals in der Produktion von Wein darin, daß die portugiesische Transformationskurve flacher verlief als die Englands. Die in Portugal durch tan a gemessene Grenzrate der Transformation von Tuch in Wein war kleiner als die in England durch tan ß gemessene Grenzrate der Transformation von Tuch in Wein. Anders formuliert: Die in Einheiten Tuch gemessenen konstanten marginalen Opportunitätskosten von Wein waren in Portugal niedriger als in England. In unserem Zwei-Faktoren-Modell ist die Transformationskurve keine Gerade. Die marginalen Opportunitätskosten von X (Wein) sind nicht konstant, sondern hängen von den Mengen an X (Wein) und Y (Tuch) ab, die erzeugt werden. Der relative Produktivitätsvorteil des Landes I in der Produktion von X zeigt sich daran, daß die Transformationskurve des Landes I flacher verläuft als die des Landes II, wenn die Güter X und Y im gleichen Mengenverhältnis hergestellt werden.

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

695

Abb. 1.9

Abb. 1.10

Land I

In Abbildung 1.10 ist daher bei dem durch tan y gemessenen Mengenverhältnis x/y die durch tan a bestimmte Grenzrate der Transformation in Land I kleiner als die durch tan ß bestimmte Grenzrate der Transformation in Land II. Anders gesagt: Bei gegebenen, für beide Länder gleichen relativen Preisen (px/pY) ist die relative Menge, die in Land I angeboten wird, größer als in Land II. In Abbildung 1.11 verläuft deshalb die relative Angebotskurve für Land I (RA,) rechts und unterhalb der relativen Angebotskurve für Land II (RA,[). Bei gleicher relativer Nachfrage in beiden Ländern (RN = RNj = RN„) ist bei Autarkie der relative Preis für X in Land I niedriger als in Land II.

696

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

Abb. 1.11

/RA

B

x_ y

A

Land I hat einen relativen Preisvorteil bei Gut X. 1 In Land I wird bei Autarkie trotz identischer Nachfrage eine größere relative Menge produziert als in Land II (OA > OB), da die Nachfrager wegen des niedrigeren relativen Preises Gut Y durch Gut X substituieren. Land I wird Gut X exportieren und Y importieren. Bei Freihandel bildet sich, wie Abbildung 1.12 zeigt, der einheitliche relative Preis OC, der zwischen den Autarkiepreisen liegt. Land I wird die Produktion von X erhöhen und die von Y senken. Die relative Menge x/y steigt von OA auf OA'. In Land II, das X importiert und Y exportiert, sinkt die relative Menge x/y von OB auf OB'. Abb. 1.12

iRA,

c

B1 B

A A'

_x y

Jedes Land produziert mehr von dem Gut, bei dem es einen komparativen Produktivitätsvorteil hat. Dabei kommt es in dem in Abbildung 1.12 dargestellten Fall in keinem Land zu einer vollständigen Spezialisierung. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu dem Ein-Faktor-Modell Ricardos, in dem sich als Folge internationalen Handels mindestens ein Land vollständig spezialisierte.

1

Man beachte, daß der Unterschied der relativen Preise kleiner ist als der vertikale Abstand der relativen Angebotskurven.

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

3.

697

Relative Nachfrageunterschiede als Ursache komparativer Vorteile

Es soll jetzt angenommen werden, daß unsere beiden Länder über die gleiche Technologie verfügen. Die Produktivität bei der Erzeugung der Güter ist in beiden Ländern gleich. Auch die Ausstattung der Länder mit Ressourcen ist identisch. Die Transformationskurven der beiden Länder unterscheiden sich nicht. Da die Angebotsbedingungen in beiden Ländern gleich sind, fällt in Abbildung 1.13 die relative Angebotskurve für Land I mit der relativen Angebotskurve für Land II zusammen. Nur die Präferenzen der Nachfrager sind unterschiedlich. Bei alternativen relativen Preisen p x /p Y ist die relative Nachfrage nach X (x/y) in Land II größer als in Land I.

Abb. 1.13

y Aus Abbildung 1.13 ersieht man, daß bei Autarkie der relative Preis (p x /p Y ) in Land I niedriger ist als in Land II. Land I hat einen relativen Preisvorteil beim Gut X , Land II hat einen relativen Preisvorteil bei Gut Y . Land I wird Gut X exportieren und Gut Y importieren. Als Ergebnis internationalen Handels bildet sich das einheitliche Preisverhältnis OC. In beiden Ländern werden bei Freihandel die Güter in dem durch OD angegebenen Mengenverhältnis produziert. Freihandel bewirkt also jetzt, daß sich die Produktionsstrukturen in den beiden Ländern angleichen! E s wird in beiden Ländern auf dem gleichen Punkt der Transformationskurve produziert!

4.

Unterschiedliche Faktorausstattung als Ursache komparativer Vorteile

Komparative Vorteile können auch auf unterschiedlicher Faktorausstattung der Länder beruhen. Wir betrachten ein Modell, für das wir die folgenden Annahmen machen: 1.

Es gibt zwei Länder, die Länder I und II, zwei Güter, die Güter X und Y , und zwei Faktoren, Arbeit und Kapital.

2.

Die beiden Länder sind bis auf die Faktorausstattung völlig gleich. Die Technologien, um X und Y herzustellen, sind in beiden Ländern identisch. Die Bewohner haben die gleichen Präferenzen. B e i gleichen Güterpreisen werden die Güter im gleichen Mengenverhältnis nachgefragt.

3.

Die Produktionsfunktionen sind linear-homogen. Die Produktionsfaktoren sind kontinuierlich substituierbar.

698

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

4.

Die Güter können eindeutig nach ihren Faktorintensitäten klassifiziert werden. Bei alternativen Faktorpreisverhältnissen wird Gut X stets arbeitsintensiver produziert als Gut Y.

5.

Es herrscht vollständige Konkurrenz auf Faktor- und Gütermärkten.

6.

Es gibt keine Transportkosten, Zölle oder sonstige Handelshindernisse.

7.

Die Produktionsfaktoren sind innerhalb der Länder völlig mobil. Sie sind aber zwischen den Ländern immobil.

Die Annahmen dienen dazu, die Analyse zu vereinfachen. Speziell die zweite Annahme soll gewährleisten, daß komparative Vor- und Nachteile allein auf die unterschiedliche Faktorausstattung zurückzuführen sind. Der einzige Unterschied zwischen den Ländern besteht darin, daß Land I ein relativ arbeitsreiches Land und Land II ein relativ kapitalreiches Land ist. Bezeichnen wir mit K, und A, die Ausstattung der Länder mit Kapital und Arbeit, so gilt: K1AF,

*0 Wenn der einzelne Hersteller bei Freihandel eine größere Menge produziert als bei Autarkie, muß ein Teil der Anbieter aus dem Markt scheiden, sofern der Gesamtabsatz konstant ist oder nur in geringerem Maße steigt als die Produktionsmenge in den einzelnen Unternehmen. Gibt es also zum Beispiel bei Autarkie in jedem der beiden Länder zehn Anbieter, die zehn unterschiedliche Produkte herstellen, mag bei Freihandel in jedem Lande ein Fünftel der Anbieter ausscheiden, so daß es jeweils nur noch acht Anbieter gibt. Da die Käufer jedoch bei Freihandel auch im Ausland kaufen

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen H a n d e l s

711

können, sind sie in der Lage, zwischen 16 statt bisher 10 verschiedenen Produkten zu wählen. Die Produktvielfalt erhöht sich für die Käufer. Da das einzelne Unternehmen eine größere Menge herstellt, sinken die Stückkosten und der Preis. Wenn also zum Beispiel in zwei Ländern jeweils eine Million Autos abgesetzt werden, entsteht durch Freihandel ein integrierter Markt, auf dem mindestens zwei Millionen Autos verkauft werden. In diesem integrierten Markt können die Käufer zwischen einer größeren Zahl von Modellen wählen, deren Preis niedriger ist als bei Autarkie. Internationaler Handel erbringt zwei Vorteile: Die Produktvielfalt steigt und der Preis sinkt. Der Handel, der sich auf diese Weise zwischen den Ländern entwickelt, ist ein intraindustrieller Handel. Deutsche kaufen Renault oder Peugeot, Franzosen Audi oder Mercedes. Grundlage dieses Handels sind nicht komparative Vorteile, die auf unterschiedlicher Faktorausstattung oder Produktivität beruhen. Der intraindustrielle Handel entwickelt sich, weil die Bedürfnisse der Käufer durch größere Produktvielfalt besser befriedigt werden können. Dem Versuch, die gesamte Palette an Produkten im Inland herzustellen, steht entgegen, daß dies nur bei höheren Stückkosten möglich wäre. Insofern sind Stückkosten, die mit wachsender Produktionsmenge sinken, Ursache des hier beschriebenen internationalen Handels. Im Laufe der Zeit sind sich die hochindustrialisierten Länder in bezug auf Faktorausstattung und Technologie immer ähnlicher geworden. Dazu hat auch die Mobilität des Faktors Kapital wesentlich beigetragen. Ein großer Teil des Handels zwischen den industrialisierten Ländern ist intraindustrieller Handel und nicht auf komparative Kostenvorteile zurückzuführen. Dieser intraindustrielle Handel ist um so bedeutender, je ähnlicher sich die Länder hinsichtlich ihrer Faktorausstattung sind und je bedeutsamer sinkende Stückkosten und Produktdifferenzierung sind. Die Warenstruktur des intraindustriellen Handels ist nicht prognostizierbar. Es sind theoretisch nicht zu erklärende, eher zufällige Umstände, die die Warenstruktur bestimmen. Der intraindustrielle Handel erbringt zusätzliche Handelsvorteile. Im Gegensatz zu dem auf unterschiedlicher Faktorausstattung beruhenden Handel sind die Wirkungen auf die funktionale Einkommensverteilung unbedeutend, da sich Exporte und Importe hinsichtlich des Faktorgehalts nicht systematisch unterscheiden! Wir hatten unserer Analyse das Modell der monopolistischen Konkurrenz zugeordnet. Das geschah nicht, weil monopolistische Konkurrenz eine in der Realität besonders häufig anzutreffende Marktform ist, sondern weil die Analyse relativ einfach ist und die Resultate eindeutig sind. Es ist zu vermuten, daß die Ergebnisse in vielen Fällen auch für das heterogene Oligopol gelten. c.

Reziprokes D u m p i n g

Es soll jetzt angenommen werden, daß steigende Skalenerträge dazu führen, daß es auf dem Inlandsmarkt und auf einem Auslandsmarkt für ein bestimmtes Gut jeweils nur einen Anbieter gibt. Wir wollen unterstellen, daß die konstanten Grenzkosten in beiden Ländern gleich sind. Auch die Nachfrage sei in beiden Ländern gleich, so daß wir die vollkommen symmetrische Situation haben, wie sie Abbildung 1.23 zeigt.

712

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

Abb. 1.23

P

Inland

Ausland

P

P„

P„

X

x.

X

Ohne Außenhandel produzieren beide Monopolisten die Menge xm; der gewinnmaximale Preis ist pln. Wenn die Summe aus Grenzkosten und Transportkosten pro Einheit kleiner ist als der Monopolpreis pm, hat jeder der beiden Monopolisten einen Anreiz, das Gut zu exportieren, indem er den Monopolpreis, den der ausländische Anbieter fordert, unterbietet. Das Gut wird auf dem Auslandsmarkt also zu einem niedrigeren Preis verkauft als auf dem Inlandsmarkt. Diese Form der Preisdifferenzierung nennt man Dumping. Nehmen wir an, der ausländische Monopolist exportiert das Gut X in das Inland. Wenn er erwartet, daß der inländische Monopolist auch nach dem Markteintritt die Menge xm produziert, ist der Teil der Nachfragekurve, der rechts von xm liegt, die relevante Preisabsatzfunktion des ausländischen Monopolisten. Sie informiert darüber, wie hoch der Marktpreis bei alternativen Mengen ist, die er anbietet. Er maximiert seinen Gewinn, wenn er jene Menge auf dem Inlandsmarkt absetzt, bei der sein Grenzerlös gleich der Summe aus Grenzkosten K'= c und marginalen Transportkosten t ist. In Abbildung 1.24 ist dies bei der Menge x' der Fall. Der ausländische Monopolist setzt also die Menge x' - xm auf dem Inlandsmarkt ab. Der Preis auf dem Inlandsmarkt sinkt auf p'. Der zusätzliche Gewinn des ausländischen Monopolisten beträgt (x' - x j • (p' - c - t). Was sich für den einen Monopolisten lohnt, ist auch für den anderen lohnend. Jeder kann seinen Gewinn erhöhen, indem er das von ihm produzierte Gut exportiert. Es ergibt sich eine kuriose Situation. Obwohl im Inland und im Ausland identische Güter hergestellt werden, in der Ausgangssituation die Preise und die Grenzkosten im Inland und Ausland jeweils gleich sind, werden Transportkosten aufgewendet, um das Gut vom Inland ins Ausland und vom Ausland ins Inland zu exportieren. Man hat dieses Phänomen reziprokes Dumping genannt. Dabei werden offensichtlich Ressourcen verschwendet, wenn die Güter in der geschilderten Art unnötig in der Welt hin- und hergefahren werden. Die Transportkosten könnten vermieden werden, wenn die Güter jeweils nur im Inland produziert und verkauft würden.

Erstes Kapitel: Ursachen und W i r k u n g e n internationalen H a n d e l s

713

Abb. 1.24 P

c +t c

x

Es wäre dennoch voreilig, daraus den Schluß zu ziehen, daß dieser internationale Handel die Wohlfahrt verringert. Der Handel bewirkt nämlich, daß die monopolistische Angebotsbeschränkung gelockert und in beiden Ländern eine größere Menge angeboten und zu einem niedrigeren Preis als dem Monopolpreis pm verkauft wird. Der Wert der zusätzlichen Produktion, der in Abbildung 1.24 durch die Fläche unter der Nachfragekurve zwischen xm und x' gemessen wird, ist größer als die zusätzlichen Kosten (einschließlich der Transportkosten), die durch die Fläche unter der Kurve c + t zwischen xm und x' gemessen werden. Es ergibt sich per Saldo für jedes Land ein Wohlfahrtsgewinn in Höhe der schraffierten Fläche! Allerdings wurde bisher nicht berücksichtigt, daß es für den ursprünglichen Monopolisten nach dem Markteintritt des Konkurrenten nicht mehr gewinnmaximal ist, die gleiche Menge zu produzieren wie in der Ausgangssituation. Wenn er auf dem Inlandsmarkt eine geringere Menge absetzt, ändert sich das Bild. Tatsächlich entsteht infolge des reziproken Dumpings auf dem Inlandsmarkt und auf dem Auslandsmarkt jeweils ein Dyopol. Wenn sich die Dyopolisten wie CournotOligopolisten verhalten und die Menge Aktionsparameter ist, wird der ursprüngliche Monopolist eine geringere Menge produzieren als in der Ausgangssituation. Ein Teil der bisher vom inländischen Monopolisten produzierten und im Inland abgesetzten Menge wird durch die Menge ersetzt, die im Ausland hergestellt wird und bei deren Absatz im Inland zusätzliche Transportkosten entstehen. Die Nettowohlfahrtswirkungen sind ungewiß, wie Abbildung 1.25 zeigt. Wegen der unserem Modell zugrundeliegenden Symmetrieannahme reicht es aus, wenn wir nur einen Markt betrachten. Die im Inland abgesetzte Menge steigt von xm auf x'. Der Wert der zusätzlichen produzierten Menge übersteigt die zusätzlichen Kosten von (x' - xm) • (c + t) um die horizontal schraffierte Fläche. Andererseits sinkt die von dem inländischen Monopolisten im Inland abgesetzte Menge von xm auf x" und wird durch Importe ersetzt. Dabei entstehen zusätzliche Transportkosten in Höhe der vertikal schraffierten Fläche, die einen Wohlfahrtsverlust darstellen. Die Nettowohlfahrt erhöht sich nur dann, wenn die horizontal schraffierte Fläche größer ist als die vertikal schraffierte Fläche. Die Nettowohlfahrt kann auch als Folge des Handels in beiden Ländern sinken!

714

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

Abb. 1.25 P

]\\ ^ ^

Verlust

Gewinn

/

\ r

Man mag einwenden, daß dem hier dargestellten speziellen Fall in der Realität keine Bedeutung zukommt. Man erkennt jedoch unschwer, daß es auch bei heterogenen Gütern, die gute Substitutionsgüter sind, zu intraindustriellem Handel kommen wird, wenn die Anbieter im Inland und im Ausland jeweils Marktmacht auf ihrem heimischen Markt haben, die Preise also höher sind als die Grenzkosten. Ein vermutlich nicht unbedeutender Teil des intraindustriellen Handels kann so durch das Modell des reziproken Dumpings erklärt werden. Der Export ist übrigens, isoliert betrachtet, immer lohnend. Das exportierende Unternehmen erzielt pro exportierter Einheit einen Gewinn in Höhe der Differenz zwischen dem Preis p', den es auf dem Auslandsmarkt erzielt, und den Kosten pro exportierter Einheit in Höhe von c +1. Für das importierende Land kann sich allein infolge des Imports selbst dann ein Wohlfahrtsverlust ergeben, wenn bei reziprokem Dumping ein Nettowohlfahrtsgewinn entsteht. Das ist deshalb so, weil dem Verlust auf dem Inlandsmarkt ein höherer Gewinn gegenüberstehen kann, der durch den Export entsteht. In diesem Fall würde die nationale Wohlfahrt erhöht, wenn man selbst exportiert, aber einen Import verhindert! Das sei mit Hilfe von Abbildung 1.26 erläutert: Abb. 1.26

Erstes Kapitel: U r s a c h e n und Wirkungen internationalen Handels

715

Infolge des Imports steigt die im Inland insgesamt abgesetzte Menge von xm auf x'. Die von dem inländischen Monopolisten abgesetzte Menge sinkt auf x". Die Menge x' - x" wird importiert. Der Inlandspreis sinkt auf p'. Infolge der Preissenkung steigt die Konsumentenrente (KR) um a + b + c. Die Produzentenrente des inländischen Monopolisten (PR,) sinkt um a + b + e + g. Die Veränderung der Wohlfahrt im Inland, gemessen durch die Veränderung des sozialen Überschusses im Inland (SÜ,), ergibt sich aus der folgenden Rechnung: AKR = a + b + c +

APR, = - a - b - e - g = ASÜ, = c - e - g

In Abbildung 1.26 ist die Fläche c kleiner als die Summe der Flächen e + g. Es entsteht im Inland infolge des Imports also ein Wohlfahrtsverlust! Diesem Verlust steht ein zusätzlicher Gewinn des ausländischen Exporteurs in Höhe von e + f gegenüber. In unserem symmetrischen Modell des reziproken Dumpings ist dies auch der zusätzliche Gewinn, den der inländische Monopolist beim Export erzielt. Insgesamt ergibt sich die Wohlfahrtsänderung als Summe aus der Veränderung des sozialen Überschusses aufgrund des Imports (A SÜ,) und dem zusätzlichen Gewinn, der durch den Export auf dem Auslandsmarkt erzielt wird (A PRA). Wir erhalten: ASÜ,

+

= c-e-g

APRa = e + f

= ASÜ = c + f - g Ist c+f (das ist die in Abbildung 1.25 horizontal schraffierte Fläche) größer als g (das ist die in Abbildung 1.25 vertikal schraffierte Fläche), so ergibt sich ein Nettowohlfahrtsgewinn. Der Gewinn wäre aber in dem in Abbildung 1.26 dargestellten Fall größer, wenn zwar exportiert würde, der Import aber verhindert werden könnte! Literatur zum ersten Kapitel des dritten Teils Dieter Bender, Artikel Außenhandel, in: Dieter Bender u.a. (Hrsg.), Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Band 1, 6. Auflage, München 1995, S. 423-481. Manfred Bochert, Außenwirtschaftslehre, Theorie und Politik, 2. Auflage, Wiesbaden 1983, S. 21-86. Robert J. Carbaugh, International Economics, 3. Auflage, Belmont 1989, S. 14-62. Richard E. Caves, Jeffrey A. Frankel, Ronald W. Jones, World Trade and Payments, An Introduction, 5. Auflage, Boston 1990, S. 9-168. Wolfgang Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, München 1993, 20. Kapitel, S. 548-563.

716

Erstes Kapitel: Ursachen und Wirkungen internationalen Handels

Gustav Dieckheuer, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, München 1990, S. 29-104. Wilfred J. Ethier, Modern International Economics, 2. Auflage, New York - London 1988, S. 5-152. Steven Husted, Michael Melvin, International Economics, 2. Auflage, New York 1993, S. 54-143. Peter B. Kenen, The International Economics, 2. Auflage, Englewood Cliffs 1989, S. 13-133. Mordechai E. Kreinin, International Economics, A Policy Approach, 6. Auflage, San Diego 1991, S. 241-305. Paul R. Krugman, Maurice Obstfeld, International Economics, 2. Auflage, New York 1991, S. 1-153. Klaus Rose, Karlhans Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft, 11. Auflage, München 1992, S. 343-463. Horst Siebert, Außenwirtschaft, 6. Auflage, Stuttgart 1994, S. 28-118. Bo Södersten, Geoffrey Reed, International Economics, 3. Auflage, Houndmills 1994, S. 3-185. L. Alan Winters, International Economics, 4. Auflage, London 1991, S. 13-80.

Zweites Kapitel Zölle und andere Handelsbarrieren A. Handelsbarrieren u n d die Regeln des G A T T Trotz der Vorteile, die eine auf Freihandel beruhende internationale Arbeitsteilung besitzt, haben die Länder in Vergangenheit und Gegenwart Maßnahmen ergriffen, die geeignet sind, den grenzüberschreitenden Warenverkehr zu behindern. Das historisch wichtigste Instrument sind Zölle. Allerdings wird der internationale Handel heute vermutlich stärker durch nichttarifäre Handelshemmnisse beschränkt. 1.

Zölle

Zölle sind Zwangsabgaben, die beim Import, Export oder auch bei der Durchfahrt von Waren erhoben werden. Die bei weitem größte Bedeutung haben Importzölle. Bis zum Beginn der Industrialisierung waren Zölle in erster Linie Finanzzölle; sie dienten der Beschaffung von Einnahmen für den Staat. Erst im Zuge der Industrialisierung wuchs die Einsicht, daß Zölle ein wichtiges Instrument sind, um heimische Wirtschaftszweige vor der Konkurrenz des Auslands zu schützen. Doch weil die Zölle noch lange für den Staat eine bedeutende Einnahmequelle waren, spielte neben dem Schutzmotiv auch weiterhin das Einnahmemotiv eine wichtige Rolle. Im Deutschen Reich Bismarcks waren die Zölle neben den Verbrauchssteuern die bedeutsamste Einnahmequelle. In den USA stammten bis zum Ersten Weltkrieg nahezu 40 Prozent der Einnahmen des Bundes aus Zöllen. Aus administrativen Gründen sind heute in den Entwicklungsländern Zölle häufig eine der wichtigsten Einnahmearten. Zölle können als spezifische Zölle (Mengenzölle) oder als Wertzölle erhoben werden. Bei spezifischen Zöllen ist die Menge (Stückzahl oder Gewicht) Bemessungsgrundlage. Es muß pro Mengeneinheit bei der Einfuhr ein bestimmter Geldbetrag als Zoll gezahlt werden. Durch spezifische Zölle werden billige Waren relativ höher belastet als teuere Waren der gleichen Kategorie. Soll das vermieden werden, muß der Zolltarif gestaffelt sein. Bei steigenden Preisen der importierten Güter nimmt bei spezifischen Zöllen die relative Belastung ab; die Zölle verlieren einen Teil der Schutzwirkung. Spezifische Zölle haben den Vorteil, daß sie einfach zu handhaben sind. In den Industrieländern werden heute meist Wertzölle erhoben. Der Zoll wird als Prozentsatz des Warenwertes festgesetzt. Bei steigenden Preisen steigt die Zollbelastung in gleichem Maße. Bei Wertzöllen besteht die Gefahr, daß Importeure versuchen, die Zollabgaben durch Unterfakturierung zu senken. Nominaler und effektiver Zollschutz Wenn ein Zoll erhoben wird, steigt der Preis, den die inländischen Produzenten beim Absatz auf dem Inlandsmarkt erzielen. Die inländischen Produzenten werden so vor der ausländischen Konkurrenz geschützt. Es fragt sich, wie hoch der Schutz ist, den der Zoll gewährt. Es liegt nahe, den Zollschutz durch die relative Abweichung des Inlandspreises bei Zollschutz von dem Freihandelspreis zu messen. Ist p+ der Inlands-

718

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

preis bei Zollschutz und p der Preis bei Freihandel, so würde der Zollschutz durch (p + -p)/p gemessen. Wenn bei einem Wertzoll von 20 Prozent der Inlandspreis um 20 Prozent steigt, wird der Zollschutz durch den nominalen Wertzoll gemessen. Den Zollschutz durch die Höhe des nominalen Zollsatzes zu messen ist irreführend, wenn infolge des Zolls der Importpreis sinkt. In diesem Fall wäre der prozentuale Anstieg der Inlandspreise und damit der Zollschutz kleiner als der nominale Zollsatz. Der durch einen Zoll gewährte effektive Schutz wird in aller Regel noch aus einem anderen wichtigen Grund vom nominalen Zollsatz abweichen. Nehmen wir an, daß ein Unternehmen Autos produziert, die bei Freihandel zu einem Preis von 20 000 DM verkauft werden können. Die Automobilindustrie kauft Vorprodukte wie zum Beispiel Stahl, für die bei freiem Handel der cif-Importpreis von 12 000 DM gezahlt werden muß. 1 Die Bruttowertschöpfung (Produktionswert - Vorleistungen) beträgt also pro Kraftfahrzeug bei Freihandel 20 000 DM - 12 000 DM = 8 000 DM. Wir wollen prüfen, wie hoch der effektive Zollschutz ist, wenn für Autos ein Importzoll von 20 Prozent erhoben wird, die Vorleistungen aber weiter zollfrei eingeführt werden können. Infolge des Importzolls steigt der Preis, zu dem Autos im Inland verkauft werden können, um 20 Prozent auf 24 000 DM. Die Bruttowertschöpfung steigt von 8 000 DM auf 24 000 DM - 12 000 DM = 12 000 DM. Die Automobilindustrie kann also ihre eigenen Produktionsleistungen infolge des Zollschutzes zu einem um 50 Prozent höheren Preis verkaufen als bei Freihandel. Der effektive Zollschutz, gemessen durch die Zunahme der Bruttowertschöpfung pro Einheit, beträgt in unserem Beispiel 50 Prozent, bei einem nominalen Zollsatz von nur 20 Prozent. Der effektive Zollsatz ist immer höher als der nominale Zollsatz für das Endprodukt, wenn der nominale Zollsatz auf das Endprodukt größer ist als der Zollsatz auf die Vorprodukte. Der effektive Zollschutz ist ceteris paribus um so geringer, je höher der Zollsatz für Vorprodukte ist. 2.

Nichttarifare Handelshemmnisse

Außer durch Zölle wird der internationale Handel durch eine große Zahl nichttarifärer Handelshemmnisse beschränkt. Nachdem die Zölle in den letzten Jahrzehnten beträchtlich gesenkt worden sind, wird der internationale Handel heute durch nichttarifäre Handelshemmnisse vermutlich in stärkerem Maße beschränkt als durch Zölle. Beispiele für nichttarifäre Handelsbarrieren sind: -

Mengenmäßige Importbeschränkungen (Kontingente oder Quoten), durch die die Menge, die eingeführt werden kann, absolut limitiert wird. Einfuhrkontingente sind das klassische nichttarifäre Handelshemmnis.

-

Exportsubventionen, die gewählt werden, um den inländischen Export zu fördern. Sie sind auf der Seite des Exports das Gegenstück zu den Zöllen auf der Importseite.

-

Freiwillige Selbstbeschränkungsabkommen, durch die Lieferländer genötigt werden, ihren Export selbst zu beschränken.

1

cif (= cost, insurance, freight) bedeutet, daß die Waren mit dem Wert erfaßt werden, die sie an der Zollgrenze des importierenden Landes haben. Der cif-Wert enthält also die Transportkosten und die Versicherungskosten bis zur Grenze des Importlandes.

Z w e i t e s Kapitel: Z ö l l e und andere Handelsbarrieren

719

-

Verwendungszwang in bezug auf inländische Vorprodukte, bei dem verlangt wird, daß ein bestimmter Bruchteil des Endproduktes aus Vorleistungen der heimischen Volkswirtschaft bestehen muß.

-

Handelshemmende Verwaltungsmaßnahmen, bei denen zum Beispiel überhöhte Verwaltungsgebühren erhoben werden, Abfertigung und Genehmigung schikanös verzögert werden oder diskriminierend bei der Ermittlung des Zollwerts gehandelt wird.

-

Bevorzugung inländischer Anbieter bei der Auftragsvergabe durch den Staat.

-

Festsetzung von Normen oder Sicherheitsstandards, die von denen der Lieferländer abweichen, so daß den ausländischen Exporteuren zusätzliche Kosten entstehen.

-

Verbrauchssteuern auf Güter, die im Inland gar nicht oder nicht in nennenswertem Umfang hergestellt werden.

3.

Die Regeln der Welthandelsorganisation

Die Welthandelsorganisation (World Trade Organization = WTO) ist die 1995 in Kraft getretene Nachfolgeorganisation des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (General Agreement on Tariffs and Trade = GATT). Das GATT wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vereinbart, um zu verhindern, daß sich die handelspolitischen Konflikte wiederholen, die in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen zur Desintegration der Weltwirtschaft geführt hatten. Die WTO ersetzt das GATT nicht, sondern ist eine übergeordnete, völkerrechtlich eigenständige Organisation. Neben dem GATT, das die Liberalisierung des internationalen Güterverkehrs zum Ziel hat, besteht die WTO noch aus der Vereinbarung über den internationalen Dienstleistungsverkehr (General Agreement on Trade in Services = GATS) und dem Abkommen über den Schutz der geistigen Eigentumsrechte (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights = TRIPS). Es ist das Ziel der WTO, den internationalen Handel von staatlichen Beschränkungen zu befreien. Hierzu dienen - das Prinzip der Liberalisierung und - das Prinzip der Nichtdiskriminierung, die noch im Rahmen des GATT vereinbart wurden, nun aber für die gesamte WTO gelten. Das Prinzip der Liberalisierung besagt, daß keine neuen Zölle eingeführt und bestehende Zölle nicht heraufgesetzt werden sollen. Zölle sind zwar grundsätzlich erlaubt, sollen jedoch schrittweise beseitigt werden. Von dem Verbot, Zölle zu erhöhen oder Zollsenkungen wieder rückgängig zu machen, gibt es allerdings eine wichtige

720

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

Ausnahme. In Sonderfällen kann aufgrund einer Schutzklausel eine Zollkonzession rückgängig gemacht werden, wenn die Einfuhr einer Ware so stark steigt, daß inländischen Erzeugern ein ernsthafter Schaden zugefügt wird. Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sind, anders als Zölle, grundsätzlich verboten. Dieses Verbot wird jedoch durch Ausnahmen eingeschränkt. So sind Einfuhrbeschränkungen für landwirtschaftliche Produkte erlaubt, wenn solche Maßnahmen notwendig sind, um die im Inland abgesetzte Menge zu beschränken. Das Prinzip der Nichtdiskriminierung schließt eine diskriminierende Anwendung von Zöllen und anderen Handelshemmnissen aus. Alle Vorteile, die einem Land gewährt werden, sollen auch allen anderen Mitgliedsländern des GATT eingeräumt werden. Die GATT-Regeln enthalten also eine Verpflichtung zur allgemeinen und unbedingten Meistbegünstigung. Allerdings sind für Freihandelszonen und Zollunionen wichtige und praktisch bedeutungsvolle Ausnahmen vom allgemeinen Diskriminierungsverbot erlaubt. Im Rahmen des GATT wurden in verschiedenen multilateralen Verhandlungen die Zölle beträchtlich gesenkt. Die Kennedy-Runde (1963-1967) und die Tokio-Runde (1973-1979) führten zu einer durchschnittlichen Zollsenkung von jeweils rund einem Drittel, obwohl es für bestimmte Bereiche wie Landwirtschaft und Textilindustrie nur zu einem geringen Abbau von Handelsbeschränkungen kam. Die Uruguay-Runde (1986-1993), die zur Gründung der WTO führte, hebt nach Ablauf einer Übergangszeit die Ausnahmeregelungen für den Agrar- und Textilhandel auf. Die Möglichkeit der Diskriminierung ausländischer Direktinvestitionen, etwa durch die Festlegung eines Mindestanteils einheimischer Vorprodukte, wird in Zukunft beschränkt. Neben weiteren Zollsenkungen um durchschnittlich vierzig Prozent wurden handelsbeschränkende Maßnahmen definitorisch präzisiert. Dies ist eine Voraussetzung, damit das WTO-Schiedsgericht Handelsbeschränkungen verurteilen kann. Die WTO kann selbst allerdings keine Strafen verhängen, sondern die Sanktionen beschränken sich darauf, daß die benachteiligten Länder Gegenmaßnahmen ergreifen dürfen. B. Die Wirkung von Handelsbeschränkungen bei Wettbewerb auf dem Inlandsmarkt In diesem Abschnitt wird dargestellt, wie sich handelsbeschränkende Maßnahmen auf den Inlandsmarkt auswirken. Wir unterstellen, daß der Markt, auf den sich die handelsbeschränkenden Maßnahmen beziehen, ein Wettbewerbsmarkt ist. Wir betrachten den Fall des "kleinen Landes". Das bedeutet: durch handelsbeschränkende Maßnahmen können die Terms of Trade nicht beeinflußt werden, weil Nachfrage und Angebot des Inlands klein relativ zur Weltnachfrage und zum Weltangebot sind. 1.

Die Wirkung von Zöllen

Wir betrachten den Markt für ein Gut X. In Abbildung 2.1 ist N die inländische Gesamtnachfragekurve und A die inländische Gesamtangebotskurve. Bei Autarkie bildet sich der Wettbewerbspreis p c . Zum Weltmarktpreis p w (cif-Importpreis) können beliebige Mengen eingeführt werden, ohne daß sich der Importpreis ändert. Das Weltmarktangebot ist aus Sicht des Inlands beim Preis p w vollkommen elastisch.

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

X|

X|

X2

X2

721

X

Bei freiem, durch keinerlei Handelshemmnisse beschränkten Handel kann der Inlandspreis nicht höher als p w sein. Zu diesem Preis wird im Inland die Menge x, produziert und die Menge x 2 nachgefragt. Die Menge x 2 -x, wird importiert. Wenn ein spezifischer Zoll eingeführt wird, so daß ein Betrag von t pro importierter Einheit als Zoll gezahlt werden muß, steigt der Inlandspreis auf p w + t . Zu diesem höheren Preis stellen die inländischen Produzenten die größere Menge x', her. Die im Inland produzierte Menge steigt infolge des Zollschutzes also um x', - x,. Die im Inland nachgefragte Menge sinkt wegen des höheren Preises um x 2 - x' 2 . Die importierte Menge sinkt als Folge des Zolls auf x' 2 - x',. Durch den Zoll wird also in dem in Abbildung 2.1 dargestellten Fall der Import lediglich reduziert, weil der Zoll t kleiner ist als der Prohibitivzoll in Höhe von p c - p w , durch den der Import völlig verhindert wird. Um die Wohlfahrtswirkung für das Inland zu ermitteln, verwenden wir das Kriterium des sozialen Überschusses.' Wir unterstellen, daß die privaten Kosten gleich den sozialen Kosten und die privaten Erträge gleich den sozialen Erträgen sind. Infolge der Preissteigerung von p w auf p w +t sinkt die Konsumentenrente. Der Verlust an Konsumentenrente als Folge der Erhebung des Zolls ist in Abbildung 2.1 gleich a + b + c + d. Dem steht eine Erhöhung der Produzentenrente in Höhe von a gegenüber. Außerdem erhält der Staat Zolleinnahmen. Diese sind gleich (x' 2 - x',) • t und werden in Abbildung 2.1 durch die Fläche c gemessen. Bei gegebenen Staatsausgaben könnte der Staat also die Steuern um c senken. Wie sich der soziale Überschuß (SÜ) infolge des Zolls verändert, zeigt folgende Rechnung, wobei A KR für die Veränderung der Konsumentenrente und A PR für die Veränderung der Produzentenrente steht:

1

Zum Begriff des sozialen Überschusses sowie zu den Begriffen Konsumentenrente und Produzentenrente siehe die Ausführungen in den Teilen B, C und D des zweiten Kapitels im ersten Teil.

722

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

AKR = - a - b - c — d + + =

APR = +a AT = +c ASÜ = - b - d

Der soziale Überschuß sinkt also um die Summe der Flächen b und d. Wie ist dieser Wohlfahrtsverlust zu erklären? Der Verlust in Höhe der Fläche b ist Folge des sogenannten Produktionseffekts. Der Zoll bewirkt, daß die im Inland produzierte Menge um x',-X| steigt. Die zusätzlichen volkswirtschaftlichen Kosten, die durch die Produktion dieser zusätzlichen Menge entstehen, werden graphisch durch die Fläche unter der Angebotskurve zwischen x, und x', gemessen, wenn die privaten Grenzkosten gleich den sozialen Grenzkosten sind. Diese Kosten sind um b größer als die Kosten, die entstehen, wenn die Menge x ' , - x , zum Weltmarktpreis p w importiert wird. Der Verlust in Höhe der Fläche d ist Folge des Konsumeffekts. Infolge des Zolls steigt der Preis auf p w + t. Die im Inland nachgefragte Menge sinkt auf x'2. Wir messen den Wert des Konsums, auf den infolge des Zolls verzichtet wird, durch die Fläche unter der Nachfragekurve zwischen x'2 und x2. Diese Fläche mißt den Betrag, den die Käufer maximal für die Menge x2-x'2 zu zahlen bereit sind. Sie ist um die Fläche d größer als die Fläche p w • (x2-x'2), die die Kosten mißt, die entstehen, wenn die betrachtete Menge zum Weltmarktpreis p w importiert wird. 2.

Exportsubventionen

Die Staaten greifen, außer durch Zölle, auch durch eine Vielzahl anderer Maßnahmen in den internationalen Handel ein. Von besonderer Bedeutung sind Exportsubventionen. Obwohl sie nach den Regeln des GATT grundsätzlich verboten und nur für landwirtschaftliche Produkte erlaubt sind, weisen Exportsubventionen eine weite Verbreitung auf. Häufig treten sie in versteckter Form auf, indem steuerliche Vergünstigungen gewährt werden. Die Wirkungen von Exportsubventionen können mit Hilfe von Abbildung 2.2 erläutert werden. Es ist A die inländische Angebotskurve und N die inländische Nachfragekurve. Zum fob-Exportpreis p w können beliebige Mengen exportiert werden, ohne daß der Weltmarktpreis sinkt.' Beim Preis p w wird im Inland die Menge x, angeboten und die Menge x2 nachgefragt. Ohne staatliche Eingriffe wird die Menge x,-x2 exportiert. Den Exporteuren wird pro exportierter Einheit eine Subvention von s DM gezahlt. Das bedeutet, daß die inländischen Produzenten pro exportierter Einheit einen Preis von p w + s = p s erhalten (wir unterstellen, daß p s kleiner ist als der in Abbildung 2.2 nicht angegebene cif-Importpreis). Der Preis steigt auch beim Absatz im Inland auf ps, da

1

fob (= free on board) bedeutet, daß die Waren mit dem Wert erfaßt werden, den sie an der Grenze des Exportlandes haben. Im Wert sind der Preis für die Waren im Herstellungsland sowie die Versicherungs- und Transportkosten bis zur Zollgrenze des Exportlandes enthalten.

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

x'2

x2

x,

x',

723

x

sonst die gesamte produzierte Menge exportiert würde. Das bedeutet, daß die inländischen Produzenten für alle produzierten Einheiten einen Preis p s erhalten. Bei diesem Preis produzieren sie die Menge x',. Im Inland wird die Menge x' 2 nachgefragt. Die Menge x', - x'2 wird exportiert. Die Lage ist für die Produzenten die gleiche, die sich ergäbe, wenn ihnen pro produzierter Einheit eine Produktionssubvention von s DM gezahlt würde. Infolge der Subvention erhöht sich die Produzentenrente um a + b + c. Die inländischen Konsumenten erleiden einen Verlust von a + b. Den Steuerzahlern entstehen zusätzliche Kosten von (x', - x' 2 ) • s = b + c + d. Die Wohlfahrtsänderung, gemessen durch die Änderung des sozialen Überschusses, ergibt sich durch folgende Rechnung: APR = +a + b + c +

AKR = - a - b +

=

AT = - b - c - d ASÜ = - b - d

Infolge des mit der Exportsubvention verbundenen Konsumeffektes entsteht ein Verlust in Höhe von b. Der Produktionseffekt bewirkt einen Verlust in Höhe von d. Dies sind die gleichen Wohlfahrtsverluste, die sich bei der Erhebung von Zöllen ergeben. 1

1

Wir haben bei der Analyse des Zolls und der Exportsubvention jeweils den Fall des "kleinen Landes" behandelt. Zoll und Exportsubvention hatten keinen Einfluß auf den Weltmarktpreis. Im Fall des "großen Landes" sinkt der Weltmarktpreis, wenn ein Zoll eingeführt wird oder eine Exportsubvention gezahlt wird. Der Wohlfahrtsverlust der Erhebung eines Zolls ist dann kleiner als hier dargestellt (es kann sich auch ein Wohlfahrtsgewinn ergeben). Im Fall der Exportsubvention ist der Wohlfahrtsverlust jedoch größer als hier ausgewiesen!

724

3.

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

Einfuhrkontingente

Das klassische Beispiel für nichttarifäre Handelsbeschränkungen sind Importkontingente. Durch solche Kontingente oder Quoten wird der Import der betreffenden Güter absolut beschränkt. Kontingente können sich auf die Menge oder den Wert der Importe beziehen. Meistens wird die Menge beschränkt, die von einem Gut eingeführt werden kann. Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen werden praktiziert, obwohl sie nach den Regeln des G A T T - anders als Zölle - grundsätzlich verboten sind. Doch gibt es Ausnahmen von diesem Verbot. Kontingente dürfen für landwirtschaftliche Produkte festgesetzt werden. Außerdem können sie zum Zwecke des Antidumping sowie als temporäre Maßnahme eingeführt werden, wenn durch Importe die Inlandsproduktion ernsthaft gefährdet ist. Während die durch einen Zoll angestrebte Importbeschränkung unterlaufen werden kann, wenn die Exporteure die Preise senken, werden durch Einfuhrkontingente die importierten Mengen definitiv beschränkt. Die Wirkung eines Importkontingents kann mit Hilfe von Abbildung 2.3 dargestellt werden. Es ist N die inländische Gesamtnachfragekurve und A die inländische Gesamtangebotskurve. Zum Weltmarktpreis p w können bei Freihandel beliebige Mengen eingeführt werden. Bei unbeschränktem Handel wird im Inland die Menge x, produziert und die Menge x2 nachgefragt. Die Differenzmenge x2 - x, wird importiert.

Es wird in Abbildung 2.3 unterstellt, daß eine Importquote von CD = EF = x' 2 - x', festgesetzt wird. Wenn man horizontal von der Gesamtnachfragekurve die Menge subtrahiert, die wegen des Einfuhrkontingents maximal eingeführt werden kann, erhält man die Nachfragekurve N'. Sie gibt für p > p w an, welche Mengen die inländischen Produzenten bei alternativen Preisen absetzen können. Bei einem Inlandspreis p w wäre die nachgefragte Menge um BC größer als die Menge, die insgesamt von inländischen Produzenten und ausländischen Exporteuren angeboten wird. Der Inlandspreis steigt. Der Gleichgewichtspreis pK bildet sich. Bei diesem Preis bieten die inländischen Produzenten die Menge x', an, die Menge x' 2 - x' h die gleich der festgesetzten Quote ist, wird importiert. Die insgesamt angebotene Menge ist gleich der zum Preis pK nachgefragten Menge x' 2 .

Z w e i t e s Kapitel: Z ö l l e und andere Handelsbarrieren

725

Wir erkennen, daß auch Einfuhrkontingente bewirken, daß der Inlandspreis steigt! Insofern unterscheiden sich Einfuhrkontingente nicht von Zöllen, die den Import in gleichem Maße beschränken. Anders als bei Zöllen erzielt der Staat keine Einnahmen. Diese Einnahmen werden von den Importeuren erzielt, die die Einfuhrlizenzen (kostenlos) erhalten und die Waren zum Weltmarktpreis p w kaufen und im Inland zum Preis pK verkaufen. Den Importeuren fallen die Zolleinnahmen als Kontingentrente zu. Der Staat kann allerdings die Einfuhrlizenzen auch an die meistbietenden Importeure verkaufen. In diesem Fall erhält er selbst die Einnahmen in Höhe der Kontingentrente QR = (x'2 - x'|). (p K -p w ) = c. Das ist der Betrag, den der Staat als Zolleinnahme erhielte, wenn er einen Zoll in Höhe von pK - p w pro importierter Einheit festsetzte. Wenn wir die Wohlfahrtswirkung der Kontingente durch das Kriterium des sozialen Überschusses messen, erhalten wir: AKR = - a - b - c - d +

APR = + a

+

AQR = + c

=

ASÜ = - b - d

Es ergibt sich ein Wohlfahrtsverlust in Höhe von b + d. Er ist genauso hoch, wie er wäre, wenn die Einfuhr durch einen Zoll in Höhe von pK - p w beschränkt würde. Wie bei Zöllen setzt sich der Wohlfahrtsverlust aus dem Verlust infolge des Produktionseffektes (b) und dem Verlust infolge des Konsumeffektes (d) zusammen. Spezielle Probleme ergeben sich, wenn die importierten Güter nicht homogen, sondern heterogen sind. Bei einer Beschränkung der Menge besteht die Tendenz, daß mehr hochwertige, teuere Güter und weniger billige Güter importiert werden. 4.

Selbstbeschränkungsabkommen

Importkontingente sind nach den Regeln des GATT grundsätzlich verboten und nur in Ausnahmefällen erlaubt. Sie dürfen nicht diskriminierend sein und unterliegen internationaler Kontrolle. Deshalb sind sie in letzter Zeit häufig durch sogenannte "Selbstbeschränkungsabkommen" ersetzt worden. Bei freiwilligen Selbstbeschränkungsabkommen werden die exportierenden Länder durch die Importländer genötigt, ihre Exporte "freiwillig" zu beschränken. Die exportierenden Länder akzeptieren die Beschränkung ihrer Exporte als das kleinere Übel, wenn sie fürchten, daß die Importe sonst unter Berufung auf die Ausnahmebestimmungen der GATT-Regeln durch das importierende Land selbst beschränkt würden. Bei Selbstbeschränkungsabkommen werden die Quoten von dem exportierenden Land festgesetzt. Sie gleichen Importkontingenten, bei denen die Kontingentrenten kostenlos den Exporteuren zugeteilt werden. Sie sind für die importierenden Länder mit höheren volkswirtschaftlichen Kosten verbunden als Zölle oder Einfuhrkontingente, durch die die Importmenge in

726

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

gleichem Maße beschränkt wird, weil bei Selbstbeschränkungsabkommen die Einnahmen, die sonst als Zölle oder Kontingentrenten dem Inland zufielen, nun den Exporteuren als Rente zukommen. Die Notwendigkeit, Quoten auf die exportierenden Unternehmen zu verteilen, kann überdies im Ausland zu einer Kartellierung einer bis dahin wettbewerblichen Branche führen. Freiwillige Selbstbeschränkungsabkommen beziehen sich oft nur auf bestimmte Länder, während Zölle und Importkontingente im allgemeinen für Importe aus allen Ländern gelten. Das kann zur Folge haben, daß Exporteure, die nicht durch das Abkommen gebunden sind, ihre Exporte erhöhen. Bei heterogenen Produkten besteht wie bei Einfuhrkontingenten die Tendenz, daß die Durchschnittsqualität der importierten Produkte steigt.

C. Zölle und Kontingente bei einem Monopol auf dem Inlandsmarkt 1. Zölle Wir sind bisher bei unseren Analysen von einem wettbewerblichen Inlandsmarkt ausgegangen. Wir wollen jetzt annehmen, daß es auf dem Inlandsmarkt nur einen inländischen Anbieter gibt. Ohne ausländische Konkurrenz ist er auf dem Inlandsmarkt Monopolist. Der monopolistische Anbieter maximiert seinen Gewinn, indem er die Menge produziert, bei der seine Grenzkosten gleich dem Grenzerlös sind. In Abbildung 2.4 ist xm die gewinnmaximale Menge und pln der gewinnmaximale Preis.

Abb. 2.4

Wenn zum Weltmarktpreis p w beliebige Mengen importiert werden können, kann auch der "Monopolist" im Inland keinen höheren Preis verlangen als p w . Der Preis ist für ihn, wie für einen Anbieter in vollständiger Konkurrenz, ein Datum! Er maximiert seinen

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

727

Gewinn, indem er die Bedingung Grenzkosten gleich Weltmarktpreis p w realisiert.' Der Monopolist hat bei Freihandel keinerlei Marktmacht. Es zeigt sich, daß Freihandel die beste Wettbewerbspolitik ist. Prüfen wir nun, wie sich die Erhebung eines Zolls auswirkt. Muß pro importierter Einheit ein Zoll von t gezahlt werden, so steigt der Preis, zu dem importierte Waren im Inland verkauft werden, auf p w +1, sofern der Zoll nicht größer als p m - p w ist. In Abbildung 2.5 steigt die Menge, die im Inland produziert wird, auf x',. Die im Inland konsumierte Menge sinkt auf x' 2 und die importierte Menge auf x' 2 - x',.

Abb. 2.5

Der Preis, den die Käufer im Inland zu zahlen haben, steigt. Ihre Konsumentenrente sinkt um a + b + c + d. Die Produzentenrente steigt um a, die Einnahmen aus dem Zoll sind gleich c. Es ergibt sich ein Wohlfahrtsverlust in Höhe von b + d, der Folge des Produktionseffektes und des Konsumeffektes des Zolls ist.

2.

Einfuhrkontingente

Wir wollen prüfen, welche Wirkungen die Festsetzung eines Importkontingentes Q hat, wenn es im Inland nur einen Anbieter gibt. Die Mengen, die der inländische Monopolist bei alternativen Inlandspreisen p > p w absetzen kann, ergeben sich, indem von der inländischen Nachfragekurve N die Importquote Q subtrahiert wird. In Abbildung 2.6 ist N ' = N - Q die Preisabsatzfunktion des inländischen Monopolisten.

1

In dem speziellen, in Abbildung 2.4 dargestellten Fall wurde p w so gewählt, daß er bei Freihandel ebenfalls die Menge x m produziert. Wäre p w kleiner, würde der inländische Anbieter bei Freihandel eine kleinere Menge produzieren als bei Autarkie. Wäre p w größer, würde er bei unbeschränktem Handel eine größere Menge produzieren als xm.

728

Z w e i t e s Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

Abb. 2.6 P

,N'=N - Q

Xm

Xi

xj

X

Der Inlandsmonopolist maximiert seinen Gewinn, wenn er die Menge ausbringt, bei der seine Grenzkostenkurve K' die aus der Preisabsatzfunktion N' abgeleitete Grenzerlöskurve R ' schneidet. In Abbildung 2.6 ist xm die gewinnmaximale Menge und pm der gewinnmaximale Preis. In Abbildung 2.6 wurde unterstellt, daß der Weltmarktpreis, zu dem bei Freihandel beliebige Mengen importiert werden können, gleich p w ist. In diesem speziellen Fall produziert der Monopolist die gleiche Menge, die er auch bei Freihandel produzieren würde. Das braucht natürlich nicht so zu sein. Wäre p w niedriger als in Abbildung 2.6 unterstellt, würde bei Kontingentierung eine größere Menge produziert als bei Freihandel. Wäre dagegen p w größer, würde der Monopolist bei Kontingentierung sogar eine geringere Menge erzeugen als bei unbeschränktem Handel. In diesem Fall wäre die Einfuhrquote antiprotektiv! In dem in Abbildung 2.6 dargestellten speziellen Fall ergibt sich kein Wohlfahrtsverlust infolge eines Produktionseffekts. Der Verlust aufgrund des mit der Kontingentierung verbundenen Konsumeffekts wird in Abbildung 2.6 durch die Fläche des Dreiecks ABC repräsentiert. Wir wollen abschließend die Wirkungen von Zöllen und Kontingenten vergleichen. Zu diesem Zweck soll das Einfuhrkontingent Q mit einem Zoll verglichen werden, bei dem die Menge, die eingeführt wird, gleich der Menge ist, die bei einem Kontingent in Höhe von Q importiert werden kann. In Abbildung 2.6 geschieht dies durch Festsetzung eines Zolls in Höhe von t, der zu einem Inlandspreis p w + 1 führt. Bei diesem Inlandspreis wird die Menge x', im Inland produziert und die Menge x' 2 - x', importiert. Das ist die Menge, die als Quote festgesetzt wurde. Bei einem Zoll in Höhe von t ist der Inlandspreis niedriger (p w +t < p m ) und die im Inland produzierte Menge größer (x', > x m ) als bei einem Einfuhrkontingent von x' 2 - x',. Die unterschiedlichen Wirkungen von Kontingent und Zoll ergeben sich, weil bei Festsetzung eines Importkontingents der inländische Anbieter Marktmacht hat, während bei einem Zoll der Preis von p w + t für ihn ein Datum ist. Der Monopolist, der durch einen Zoll geschützt ist, kann seinen Preis nicht über dem Preis p w + 1 festsetzen, ohne daß er seinen gesamten Absatz verliert, während ein durch ein Importkontingent geschützter Monopolist seine Marktmacht ausnutzen kann, ohne befürchten zu müssen, daß die Einfuhren steigen, wenn er einen höheren Preis als p w + t fordert.

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

729

Aus Abbildung 2.6 kann man ersehen, daß der durch das Kriterium des sozialen Überschusses gemessene Wohlfahrtsverlust bei einem Kontingent größer ist als bei einem Zoll, der zu einem gleich hohen Importniveau führt. Der Wohlfahrtsverlust bei einem Zoll ist gleich der Summe aus dem Wohlfahrtsverlust b, der Folge des Produktionseffektes ist, und dem Verlust in Höhe von d, der sich wegen des Konsumeffektes ergibt. Die Summe dieser Verluste wird in Abbildung 2.6 durch die Fläche des Dreiecks ABS repräsentiert. Die Fläche ist kleiner als die Fläche des Dreiecks ABC, die den Verlust im Fall der Kontingentierung wiedergibt.1 D. Zollargumente Wir haben bisher gezeigt, daß durch Zölle, Kontingente, Exportsubventionen und Selbstbeschränkungsabkommen die Wohlfahrt im Inland gesenkt wird. Trotzdem beobachten wir, daß der internationale Handel in nahezu allen Ländern durch Zölle oder sonstige handelspolitische Maßnahmen behindert wird. Meistens geschieht dies, um das Einkommen bestimmter Interessengruppen zu schützen. Doch gibt es auch Fälle, in denen durch Zölle oder Exportsubventionen die nationale Wohlfahrt erhöht werden kann. 1.

Das Terms of Trade-Argument für Zölle

Bei der Analyse der Zollwirkungen wurde bisher unterstellt, daß der Importpreis für das Land, das einen Zoll erhebt, eine gegebene Größe ist. Das Angebot des Auslands war aus Sicht des Inlands vollkommen elastisch. Wenn wir dagegen annehmen, daß das Inland ein bedeutender Importeur des betrachteten Gutes ist, das Inland also ein "großes Land" in dem Sinne ist, daß der Weltmarktpreis von der importierten Menge abhängt, dann kann das Inland den Importpreis beeinflussen. Anders als im Fall des "kleinen Landes" ist der Preis, der pro importierter Einheit gezahlt werden muß, für das Inland kein Datum. Wenn der Importpreis um so höher ist, je größer die importierte Menge ist, kann der Importpreis gesenkt werden, wenn durch Einführung eines Zolls die importierte Menge reduziert wird. Der Zoll ist das Instrument, mit dessen Hilfe die Marktmacht des "großen Landes" genutzt wird, um durch monopsonistische Beschränkung der eingeführten Menge die Terms of Trade zugunsten des Inlands zu verbessern. In Abbildung 2.7 wird unterstellt, daß das importierte Gut im Inland nicht hergestellt wird. N ist die Nachfragekurve des Inlands nach dem importierten Gut X. Die Angebotskurve A gibt an, wie groß der Preis ist, den die Inländer pro Einheit des importierten Gutes beim Import alternativer Mengen zahlen müssen. Bei freiem internationalem Handel bildet sich bei Wettbewerb der Preis p0. Die Menge x0 wird importiert.

1

Man kann zeigen, daß der Wohlfahrtsverlust bei Kontingentierung nicht nur in dem speziellen Fall, der in Abbildung 2.6 dargestellt wird, größer ist als der Wohlfahrtsverlust bei Zöllen.

730

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

Abb. 2.7

P

r.Ki

N

A (DKI)

x

x

x

Die Angebotskurve A in Abbildung 2.7 hat positive Steigung. Der Preis, der pro importierter Einheit gezahlt werden muß, ist also um so höher, je größer die Menge ist, die importiert wird. Aus der Sicht des Inlands gibt die Angebotskurve an, wie hoch die Durchschnittskosten des Imports (DKI) beim Bezug alternativer Mengen sind. Da die Durchschnittskosten des Imports mit wachsender Menge, die importiert wird, steigen, sind die Grenzkosten des Imports (GKI) größer als die Durchschnittskosten'. Die zusätzlichen Kosten, die durch den Import einer zusätzlichen Einheit entstehen, bestehen nicht nur aus dem Preis, der für die zusätzliche Einheit gezahlt werden muß, sondern sie enthalten auch die zusätzlichen Ausgaben für die intramarginalen Einheiten, für die bei wachsender Menge ein höherer Preis zu zahlen ist. Die Kurve der Grenzkosten des Imports verläuft deshalb in Abbildung 2.7 oberhalb der Angebotskurve A. Bei der Freihandelsmenge x0 sind die Grenzkosten des Imports um EF größer als der Wert der letzten importierten Einheit. Die Wohlfahrt im Inland kann daher durch Beschränkung der importierten Menge erhöht werden. Wenn nur die Menge x' eingeführt wird, die durch den Schnittpunkt der Kurve der Grenzkosten des Imports mit der Nachfragekurve bestimmt ist, ergibt sich ein Wohlfahrtsgewinn in Höhe der schraffierten Fläche BEF. Infolge der Beschränkung der importierten Menge sinken die Importausgaben um die Fläche unter der Kurve der Grenzkosten des Imports zwischen x0 und x', während der durch die Zahlungsbereitschaft gemessene Wert der Menge x0 - x', auf deren Import verzichtet wird, durch die Fläche unter der Nachfragekurve zwischen x0 und x' angegeben wird. Die Differenz ist der Wohlfahrtsgewinn in Höhe des Dreiecks BEF. Der Wohlfahrtsgewinn ergibt sich, weil infolge der Importbeschränkung der Weltmarktpreis von p 0 auf p~ sinkt. Die Terms of Trade

verbessern sich für das Inland.

Die Regierung kann die importierte Menge auf x' beschränken, indem sie einen Zoll von B D pro Einheit erhebt. Die Kurve der Durchschnittskosten des Imports verschiebt sich nach oben und schneidet die Nachfragekurve im Punkt B. Ein Zoll von BD bewirkt

1

Immer wenn die Durchschnittsgröße steigt, ist die Grenzgröße größer als die Durchschnittsgröße. Siehe dazu die Ausführungen im ersten Kapitel, A 2, des ersten Teils.

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

731

also, daß nur die optimale Menge x' importiert wird. Das importierte Gut wird zum Preis p~ importiert und im Inland zum Preis p+ verkauft. Der Zoll in Höhe von B D stellt den Optimalzoll dar. So wie ein Monopsonist seinen Gewinn durch monopsonistische Beschränkung der nachgefragten Menge erhöhen kann, wenn der Preis, den er pro Einheit zahlen muß, um so höher ist, j e größer die von ihm nachgefragte Menge ist, so kann im Fall des "großen Landes" das Inland die Wohlfahrt durch Beschränkung der importierten Menge erhöhen. Da der Importpreis für den einzelnen Importeur bei Wettbewerb ein Datum ist, der einzelne Importeur also den Importpreis nicht beeinflussen kann, indem er eine kleinere oder größere Menge kauft, führt der vom Staat erhobene Einfuhrzoll dazu, daß über ein Importbeschränkung die inländische Wohlfahrt steigt. Der Zoll bewirkt, daß sich die Importeure insgesamt wie ein Monopsonist verhalten. Infolge der Erhebung des Zolls steigt der Preis, den die inländischen Käufer zu zahlen haben, von p0 auf p+. Der Verlust an Konsumentenrente ist in Abbildung 2.8 gleich der Summe der Flächen a und c. Diesem Verlust stehen Zolleinnahmen von t • x' gegenüber, die in Abbildung 2.8 durch die Flächen a und b repräsentiert werden.

Der Wohlfahrtsgewinn, gemessen durch das Kriterium des sozialen Überschusses, ergibt sich durch folgende Rechnung: AKR = -a-c + =

AT = +a+b ASÜ=b-c

Der Wohlfahrtsgewinn kann also entweder durch die Differenz der Flächen b und c oder durch die schraffierte Fläche B E F gemessen werden.

732

Z w e i t e s Kapitel: Z ö l l e und andere Handelsbarrieren

Dem Wohlfahrtsgewinn des Inlands stehen Wohlfahrtsverluste des Auslands gegenüber. Die Produzentenrente der ausländischen Anbieter sinkt in Abbildung 2.8 um die Flächen b + d. Faßt man den Wohlfahrtsgewinn des Inlands und den Wohlfahrtsverlust des Auslands zusammen, erkennt man, daß der Zoll insgesamt mit einem Wohlfahrtsverlust verbunden ist: A S Ü , = b-c

+

A S Ü a = -b-d

=

A S Ü W = -c-d

So wie ein "großes Land" durch einen Einfuhrzoll die Terms of Trade zu seinen Gunsten beeinflussen kann, weil infolge des Zolls der Importpreis sinkt, kann ein "großes Land" mit Hilfe eines Exportzolls, durch den die exportierte Menge monopolistisch beschränkt wird, einen höheren Exportpreis erzielen und so die Terms of Trade verbessern. Wenn es im Inland viele Anbieter gibt, für die der Exportpreis ein Datum ist, kann ein Exportzoll als Instrument benutzt werden, um die monopolistische Angebotsbeschränkung herbeizuführen. Das in diesem Abschnitt dargestellte Terms of Trade-Argument ist theoretisch korrekt. Es ist in der Praxis aber nur von geringer Bedeutung. Politiker, die Zölle als Instrument verwenden, lassen sich meistens bei ihren Entscheidungen von anderen Überlegungen leiten. Es ist auch bedenklich zu versuchen, den Zoll als handelspolitische Waffe einzusetzen, um die Terms of Trade zu verbessern. -

Der Wohlfahrtsgewinn des Inlands wird auf Kosten des Auslands erzielt. Es besteht die Gefahr, daß das Ausland als Reaktion seinerseits Zölle einführt oder erhöht. Eine Eskalation protektionistischer Eingriffe kann zu einem Handelskrieg führen, bei dem alle verlieren.

-

Um den Optimalzoll festzusetzen, werden Informationen über die Elastizität des Angebots und der Nachfrage benötigt, über die die Regierung in der Regel nicht verfügt. Ist der Zoll zu hoch, kann die Wohlfahrt des Inlands sinken.

2.

Zölle als Instrument der Rentenabschöpfung und der Rentenumlenkung

Wenn ausländische Unternehmen über Marktmacht verfügen und Marktgewinne erzielen, kann durch Zölle oder durch Subventionen an inländische Unternehmen die Produzentenrente ausländischer Anbieter abgeschöpft oder auf inländische Unternehmen umgelenkt werden. Die inländische Wohlfahrt kann so theoretisch in bestimmten Fällen durch handelspolitische Maßnahmen erhöht werden. a.

Ein ausländisches Unternehmen ist auf dem Inlandsmarkt Monopolist

Wir wollen annehmen, daß ein bestimmtes Gut auf dem Inlandsmarkt nur von einem ausländischen Unternehmen angeboten wird, das auf dem Inlandsmarkt Monopolist ist. In Abbildung 2.9 wird zusätzlich unterstellt, daß die für den Inlandsmarkt geltende Nachfragekurve linear ist und die Grenzkosten bei Belieferung des Inlandsmarktes konstant sind.

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

733

Bei Freihandel maximiert der ausländische Monopolist seinen Gewinn, wenn er die Menge x auf dem Inlandsmarkt zum Preis p verkauft. Wenn ein Zoll in Höhe von t pro importierter Einheit gezahlt werden muß, sind die relevanten Grenzkosten des ausländischen Monopolisten gleich c+t. Die neue gewinnmaximale Menge, die durch den Schnittpunkt der Grenzerlöskurve R' mit der c+t-Geraden bestimmt wird, ist x'. Die im Inland angebotene Menge sinkt also um Ax von x auf x'. Der gewinnmaximale Preis steigt von p um Ap auf p'. Aus Abbildung 2.9 ersieht man, daß Ap kleiner als t ist! Da die Grenzerlöskurve doppelt so steil verläuft wie die Preisabsatzfunktion, ist tan a = 0,5tan ß

Wegen

A P tan a = — Ax

und

1 o tan p = — Ax

ist

£--K Ax Ax •

Daraus folgt

Ap = 0,5t

Der Preis steigt also nur um die Hälfte des Zollsatzes t. Das bedeutet, daß der Nettoimportpreis wegen des Zolls um t/2 sinkt. Pro importierter Einheit muß ein Preis gezahlt werden, der um t/2 geringer ist als bei Freihandel. Die Terms of Trade des Inlands verbessern sich. Ein Teil der Produzentenrente des ausländischen Anbieters wird abgeschöpft. Anders als bei dem traditionellen Terms of Trade-Argument, das im letzten Abschnitt dargestellt wurde, ist Marktmacht des Inlands nicht erforderlich, um durch einen Zoll die Terms of Trade zugunsten des Inlands zu verbessern. Die Wohlfahrt des Inlands erhöht sich durch Einführung eines Zolls, wenn die Zolleinnahmen größer sind als der Verlust an Konsumentenrente.

734

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

A b b . 2.10

P

P P c +1 c

X'

X

X

In Abbildung 2.10 sinkt die Konsumentenrente um a+b. Die Zolleinnahmen sind t • x'. Wegen t = 2 • Ap sind die Zolleinnahmen gleich 2 • Ap • x' = 2a. Der soziale Überschuß steigt um a-b, wie die folgende Rechnung zeigt: AKR = -a-b +

AT = 2a ASÜ = a-b

Wenn a größer als b ist, steigt die durch den sozialen Überschuß gemessene Wohlfahrt des Inlands, sobald ein Zoll erhoben wird. Die inländische Wohlfahrt wird maximiert, wenn der Zoll so hoch ist, daß der marginale Gewinn in Form zusätzlicher Zolleinnahmen bei einer sehr kleinen Erhöhung des Zollsatzes gleich den marginalen Kosten in Form des Verlustes an Konsumentenrente ist. Man kann zeigen, daß in unserem linearen Modell der soziale Überschuß dann maximiert wird, wenn er gleich einem Drittel der Differenz aus dem Prohibitivpreis und den Grenzkosten c ist.1 Der optimale Zoll ist kleiner als der Zoll, bei dem die Zolleinnahmen maximiert werden. Es wäre jedoch bedenklich, aus der Analyse eine Anleitung zu zollpolitischen Maßnahmen abzuleiten. Der Gewinn des Inlands wird auf Kosten des Auslands erzielt. Ergreift das Ausland Gegenmaßnahmen, stehen sich in der Regel beide Länder schlechter als bei Freihandel. Selbst in unserem linearen Modell kann der Zoll zu hoch festgesetzt werden, so daß es zu Wohlfahrtsverlusten kommt. Bei einem Prohibitivzoll würde sich zum Beispiel ein Verlust in Höhe der gesamten Konsumentenrente ergeben. Aber auch ein Zoll, der niedriger als der Prohibitivzoll ist, kann zu Wohlfahrtsverlusten führen. Ob es überhaupt möglich ist, durch einen Zoll einen Wohlfahrtsgewinn zu erzielen, hängt von den Krümmungseigenschaften der Nachfragekurve ab. Ist zum Beispiel die inländische Nachfragekurve isoelastisch mit e x p > 1, ergibt sich durch Einführung eines Zolls stets ein Wohlfahrtsverlust! Bei einer isoelastischen Nachfragekurve erhält man den gewinnmaximalen Preis mit Hilfe der Amoroso-RobinsonFormel unmittelbar aus der Bedingung Grenzerlös gleich Grenzkosten:

1

Siehe dazu Anhang A dieses Kapitels im ersten Teil.

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

735

P(l-l/exp) = c+t P=

c+t 1 - l/e xp

Ist etwa £xp = 2, ist der gewinnmaximale Preis p = 2c + 2t. Bei Freihandel (t = 0) ist der Preis gleich 2c. Bei positivem Zoll (t > 0) erhöht sich der Preis um 2t (A p = 2t). Der Verlust an Konsumentenrente ist bei jedem Zollsatz größer als die Zolleinnahmen. Der Nettoimportpreis sinkt bei Einführung eines Zolls nicht, sondern er steigt! Nicht ein Importzoll, sondern eine Subventionierung des Imports wäre geeignet, die nationale Wohlfahrt zu erhöhen. Bei unvollständigen Informationen der Regierung können handelspolitische Maßnahmen statt des erhofften Wohlfahrtsgewinns einen Wohlfahrtsverlust verursachen! b.

Ein ausländischer und ein inländischer Anbieter im oligopolistischen Wettbewerb

Es soll zunächst angenommen werden, daß ein ausländisches und ein inländisches Unternehmen Anbieter auf dem Inlandsmarkt sind. Jeder der beiden Dyopolisten sieht die Menge, die der Konkurrent anbietet, als Datum an und setzt die eigene Menge so fest, daß der Gewinn maximiert wird. Die Anbieter verhalten sich wie CournotDyopolisten. Das Wettbewerbsgleichgewicht ist durch die Cournot-Nash-Lösung des Cournot-Modells bestimmt. 1 In der folgenden Abbildung wird unterstellt, daß die Gesamtnachfrage linear ist und daß die konstanten Grenzkosten beider Anbieter jeweils gleich c, also gleich groß sind. In diesem Fall ist im Wettbewerbsgleichgewicht der Marktanteil der Dyopolisten gleich 1/2. In Abbildung 2.11 bietet das ausländische Unternehmen die Menge xa an, das inländische Unternehmen die Menge x( = x - xa. Der Preis ist p. Wenn ein spezifischer Zoll erhoben wird, so daß pro importierter Einheit ein Zoll von t gezahlt werden muß, erhöhen sich die Grenzkosten des ausländischen Anbieters. Das ausländische Unternehmen senkt die im Inland abgesetzte Menge, da bei gegebener Menge des inländischen Unternehmens die für das ausländische Unternehmen gewinnmaximale Menge wegen der gestiegenen Grenzkosten kleiner ist. Für das inländische Unternehmen, das die Menge des ausländischen Unternehmens als Datum sieht, erhöht sich die Restnachfrage um die Menge, um die das ausländische Unternehmen seine Menge reduziert. Bei linearer Nachfragekurve erhöht sich die durch den Schnittpunkt der Grenzerlöskurve des inländischen Anbieters mit seiner Grenzkostenkurve bestimmte gewinnmaximale Menge um die Hälfte der Menge, um die die Menge des ausländischen Anbieters reduziert wurde. 2

1

Siehe dazu die Ausführungen in Teil C des siebten Kapitels im ersten Teil.

2

Siehe dazu den Beweis in Anhang B zu diesem Kapitel.

736

Abb. 2.11

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

P

P

Ci = Q

X

X

Im neuen Cournot-Gleichgewicht ist daher die insgesamt im Inland abgesetzte Menge kleiner als bei Freihandel. Der Preis, den die inländischen Käufer zahlen müssen, steigt. Allerdings steigt der Preis um einen Betrag, der kleiner als t ist. In Anhang B wird gezeigt, daß der Preis um t/3 steigt. Wie in dem zuvor erörterten Monopolfall wird Produzentenrente des ausländischen Anbieters abgeschöpft, also an die Steuerzahler transferiert. Außerdem wird die Produzentenrente des ausländischen Herstellers auf den inländischen Produzenten umgelenkt. Diesen Gewinnen stehen Verluste an Konsumentenrente gegenüber. Der Wohlfahrtsgewinn, der sich als Folge des Zolls ergibt, soll mit Hilfe von Abbildung 2.12 dargestellt werden. Abb. 2.12

P

Xa

Xa

X X

X

Wegen des Zolls sinkt die Menge, die der ausländische Produzent auf dem Inlandsmarkt absetzt, von x a auf x' a . Die von dem inländischen Unternehmen angebotene Menge steigt von x - x a auf x ' - x' a . Die insgesamt angebotene Menge sinkt von x auf x'. Die Zolleinnahmen sind t • x' a . Wegen Ap • x' a = a und t = 3 • Ap sind die Zolleinnahmen in Abbildung 2.12 gleich 3a. Die Produzentenrente des inländischen Anbieters steigt, weil der inländische Produzent Absatz auf Kosten des ausländischen Konkurrenten gewinnt. Diesen Gewinnen stehen Verluste an Konsumentenrente gegenüber. Der Wohlfahrtsgewinn des Inlands ergibt sich durch folgende Rechnung:

Z w e i t e s Kapitel: Z ö l l e und andere Handelsbarrieren

737

AKR = — a - b - c - d + + =

APR = b + c + e - g AT = 3a ASÜ = 2a+e-g-d

Der Nettovorteil aus der Abschöpfung der Konsumentenrente ist (3a-a) = 2a. Der Gewinn infolge der Umlenkung von Produzentenrente ist e. Der Verlust, der sich ergibt, weil die im Inland abgesetzte Menge von x auf x' sinkt, ist g+d. Das ist die Differenz aus dem an der Zahlungsbereitschaft des Inlandes gemessenen Wert der x-x' Einheiten, um die das Angebot sinkt, und den zusätzlichen Kosten in Höhe von c • (x-x'), die mit der Produktion oder dem Import verbunden wären. Da e = 2g ist, läßt sich der Wohlfahrtsgewinn auch schreiben als: ASÜ = 2a+g-d Man erkennt, daß in dem hier erörterten Dyopolmodell die Möglichkeiten, durch Erhebung eines Zolls die nationale Wohlfahrt zu erhöhen, besser sind als in dem im letzten Abschnitt erörterten Monopolmodell. Bei unserer Analyse wurde angenommen, daß ein inländisches Unternehmen existiert, das im Wettbewerb mit einem ausländischen Hersteller steht. Zollschutz mag aber auch dazu dienen, einem inländischen Anbieter den Markteintritt zu ermöglichen. Ein Zoll kann aber gerade auch dann die inländische Wohlfahrt erhöhen, wenn der ausländische Anbieter einen eintrittsverhindernden Preis setzt. Wenn es für den ausländischen Anbieter auch nach Erhebung des Zolls die optimale Strategie ist, den Markteintritt zu verhindern, ändert sich die Menge nicht, die er anbietet. Der Preis bleibt konstant. Es entsteht kein Verlust an Konsumentenrente. Die gesamten Zolleinnahmen stellten eine Abschöpfung der Produzentenrente des ausländischen Anbieters dar. Ein Zoll wäre eindeutig wohlfahrtssteigernd. In unserem Dyopolmodell führte die Einführung eines Zolls dazu, daß das inländische Unternehmen einen Kostenvorteil gegenüber dem ausländischen Konkurrenten auf dem Inlandsmarkt erhielt. Wenn das inländische Unternehmen das produzierte Gut exportiert, kann der Zoll unter bestimmten Umständen auch dazu führen, daß es infolge des Zollschutzes auf dem Inlandsmarkt höhere Gewinne auf dem Auslandsmarkt erzielt. Wenn die Durchschnittskosten und die Grenzkosten des inländischen Unternehmens mit wachsender Menge sinken, führt der Zollschutz wegen der größeren Menge, die auf dem Inlandsmarkt abgesetzt werden kann, zu sinkenden Grenzkosten. Infolge der niedrigeren Grenzkosten wird das inländische Unternehmen auf dem Auslandsmarkt bei Cournot-Wettbewerb einen größeren Marktanteil erringen. Schutz vor Importen erweist sich in diesem speziellen Fall als eine Form der Exportförderung!

738

Z w e i t e s Kapitel: Z ö l l e und andere Handelsbarrieren

In unserem Modell war ein Zoll auf dem Inlandsmarkt das Instrument, mit dessen Hilfe Produzentenrente umgelenkt wurde. Eine Alternative wäre eine Subventionierung des inländischen Unternehmens. Wird pro produzierter Einheit eine Subvention von s gezahlt, so sinken die relevanten Grenzkosten des inländischen Unternehmens von c auf c-s. Die im Wettbewerbsgleichgewicht vom inländischen Unternehmen angebotene Menge steigt, die des ausländischen Unternehmens sinkt. Wie bei einem Zoll kommt es zu einer Umlenkung der Produzentenrente vom ausländischen auf den inländischen Anbieter. Zwar ergeben sich keine Zolleinnahmen, doch erhöht sich die Konsumentenrente, da die insgesamt angebotene Menge steigt, und der Preis sinkt. Eine Subventionierung des inländischen Unternehmens kann theoretisch auch zu einer Erhöhung der nationalen Wohlfahrt führen, wenn sich ein inländisches und ein ausländisches Unternehmen auf einem Drittmarkt gegenüberstehen. Wenn sich die Dyopolisten wie Cournot-Dyopolisten verhalten und die Menge Aktionsparameter ist, so daß sich das Cournot-Gleichgewicht ergibt, kann eine Subventionierung des inländischen Unternehmens dazu führen, daß die abgesetzte Menge steigt, während die des ausländischen Unternehmens sinkt. Produzentenrente wird umgelenkt. Im Idealfall ist die Subventionierung so hoch, daß das inländische Unternehmen glaubhaft die Stackelbergsche Unabhängigkeitsposition einnimmt. Die zusätzlichen Gewinne des inländischen Unternehmens sind größer als der Subventionsbetrag, der an das inländische Unternehmen gezahlt wird. Die in diesem Abschnitt erörterten Möglichkeiten, durch handelspolitische Maßnahmen die nationale Wohlfahrt zu erhöhen, sind im vergangenen Jahrzehnt intensiv unter dem Stichwort "Strategische Handelspolitik" erörtert worden. Strategisch bedeutet dabei, daß durch handelspolitische Maßnahmen wie Zölle und Subventionen die Ausgangslage inländischer Unternehmen im Wettbewerb mit ausländischen Konkurrenten so beeinflußt werden soll, daß sich vor allem durch Transfer von Produzentenrente nationale Wohlfahrtsgewinne ergeben. Die theoretischen Analysen haben Zweifel an der traditionellen Auffassung geweckt, daß, von wenigen Ausnahmen abgesehen, handelspolitische Eingriffe in den freien Welthandel wohlfahrtsmindernd sind. Doch bestehen schwerwiegende Bedenken auf der Basis der in diesem Abschnitt erörterten Modelle, handelspolitische Eingriffe vorzunehmen, um die nationale Wohlfahrt zu erhöhen: -

Wenn durch handelspolitische Maßnahmen die nationale Wohlfahrt erhöht wird, geschieht das auf Kosten des Auslands. Dies kann zu Gegenmaßnahmen des Auslands führen, die sich zu einem Handelskrieg ausweiten können, bei dem alle verlieren.

-

Der Erfolg handelspolitischer Maßnahmen hängt davon ab, ob die Kostenstruktur und die Reaktionen ausländischer Unternehmen zutreffend eingeschätzt werden. Angesichts unvollständiger Informationen ist die Gefahr von Fehlentscheidungen groß. Statt zu Wohlfahrtsgewinnen kann es dann zu Wohlfahrtsverlusten kommen.

-

In unserem Modell wurde unterstellt, daß sich die Oligopolisten wie CournotOligopolisten verhalten. Sie können sich aber auch anders verhalten. So kann man zeigen, daß bei oligopolistischem Wettbewerb auf einem Drittmarkt statt einer Exportsubvention eine Exportsteuer eingeführt werden sollte, wenn nicht die Menge, sondern der Preis Aktionsparameter ist.

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

739

-

Wenn die Industrie, die subventioniert werden soll, mit anderen inländischen Industrien um spezifische Faktoren konkurriert, die knapp sind (zum Beispiel qualifizierte Wissenschaftler und Ingenieure), so mag eine derartige Subventionierung dazu führen, daß die Preise dieser in beschränkter Menge verfügbaren Faktorleistungen steigen. Dies kann zur Folge haben, daß die Produktionsmenge und die Renten der nicht subventionierten Industrien sinken. Sind die Verluste der nicht subventionierten Industrien größer als die Nettogewinne der subventionierten Industrien, ergibt sich ein Wohlfahrtsverlust.

-

Unseren Analysen lag die Annahme segmentierter Märkte und gegebener Marktstruktur zugrunde. Langfristig sind bei Freihandel die meisten Märkte durch freien Markteintritt charakterisiert. Da bei freiem Markteintritt keine übernormal hohen Gewinne erzielt werden, können keine Produzentenrenten transferiert werden. Den dargestellten Argumenten wird die theoretische Grundlage entzogen.

-

Politiker sind bemüht, die Wünsche von Interessengruppen so zu berücksichtigen, daß sie wiedergewählt werden. Sie lassen sich bei ihren Entscheidungen von ganz anderen als den hier dargestellten wohlfahrtstheoretischen Argumenten leiten.

3.

Zölle bei Marktversagen im Inland

Mit Hilfe von Zöllen kann die inländische Wohlfahrt erhöht werden, wenn infolge Marktversagens die privaten Kosten größer sind als die gesamtwirtschaftlichen Kosten, oder die privaten Erträge kleiner sind als die gesamtwirtschaftlichen Erträge. a.

Zoll bei Marktversagen auf dem Arbeitsmarkt

Die privaten Kosten der Produktion sind größer als die gesamtwirtschaftlichen Kosten, wenn die Löhne, die gezahlt werden, höher sind als die volkswirtschaftlichen Kosten, die infolge der Beschäftigung entstehen. Die volkswirtschaftlichen Kosten der Beschäftigung zusätzlicher Arbeitnehmer sind gleich dem Wert des Produktionsausfalls, der wegen der Beschäftigung zusätzlicher Arbeitnehmer an anderer Stelle der Volkswirtschaft entsteht. Wenn Arbeitskräfte beschäftigt werden, die sonst arbeitslos wären, entsteht kein Produktionsverlust in anderen Branchen. Die Löhne, die gezahlt werden, messen nicht die volkswirtschaftlichen Kosten der Beschäftigung. Wird zum Beispiel infolge eines Zolls die Produktion erhöht und werden deshalb zusätzlich Arbeitskräfte eingesetzt, die sonst arbeitslos wären, sind die privaten Kosten der Produktion größer als die volkswirtschaftlichen Kosten. Mit Hilfe eines Zolls soll eine Produktion, die gesamtwirtschaftlich vorteilhaft ist, auch einzelwirtschaftlich lohnend werden. In Abbildung 2.13 wird bei Freihandel zum Weltmarktpreis p w die Menge x, im Inland produziert und die Menge x 2 nachgefragt. Wird pro importierter Einheit ein Zoll von t erhoben, steigt der Inlandspreis auf p w + t. Die im Inland produzierte Menge steigt auf x'„ die nachgefragte Menge sinkt auf x' 2 . Sind die privaten Kosten gleich den sozialen Kosten, entsteht infolge des Zolls ein Verlust in Höhe von b + d.

740

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

Der Verlust infolge des Produktionseffektes in Höhe von b tritt ein, weil die zusätzlichen Kosten, die entstehen, wenn im Inland die Produktion von x, auf x', erhöht wird (gemessen durch die Fläche unter der Angebotskurve zwischen x, und x',), größer sind als die Kosten, die entstehen, wenn die gleiche Menge importiert wird. Wenn jedoch infolge der Produktionssteigerung von x, auf x', Arbeitskräfte beschäftigt werden, die sonst arbeitslos wären, sind die Löhne, die gezahlt werden, kein Ausdruck der volkswirtschaftlichen Kosten, die mit der Beschäftigung der Arbeitnehmer verbunden sind. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten der zusätzlichen Produktion sind kleiner als die privaten Kosten. Wenn in Abbildung 2.13 die sozialen Kosten der Erhöhung der Produktion von x, auf x', durch die schraffierte Fläche gemessen werden, so ergibt sich infolge der zollinduzierten Produktionssteigerung nicht ein Produktionsverlust von b, sondern ein Gewinn von c, da die volkswirtschaftlichen Kosten, die entstehen, wenn die Menge x'|-x, im Inland produziert wird, um c kleiner sind als die Kosten in Höhe von p w • (x' r X|), die beim Import dieser Menge entstünden. Es fragt sich allerdings, ob bei inländischem Marktversagen ein Zoll das geeignete Instrument ist, um die Wohlfahrtsverluste zu vermeiden. Es ist besser, wenn die Therapie an den Ursachen ansetzt. Wenn der Arbeitsmarkt infolge starrer Löhne nicht befriedigend funktioniert, ist es am besten, für Lohnflexibilität zu sorgen. Kann das nicht erreicht werden, ist die Subventionierung der Beschäftigung oder der Produktion einem Zoll vorzuziehen. Wenn mit Hilfe von Subventionen die inländische Produktion das gleiche Niveau erreicht wie bei einem Zoll, würde verhindert, daß der Inlandspreis steigt. Der mit einem Zoll verbundene Verlust aufgrund des Konsumeffektes (in Abbildung 2.13 gleich d) könnte vermieden werden.

Z w e i t e s Kapitel: Z ö l l e und andere Handelsbarrieren

b.

741

Das Erziehungszollargument

Unter den intellektuell respektablen Argumenten für einen Zollschutz ist das Erziehungszollargument das älteste. Erziehungszölle wurden von Friedrich List für Deutschland und von Alexander Hamilton für die USA gefordert. John Stuart Mill hat die Grundgedanken der Erziehungszolltheorie klar formuliert.1 Nach dem Erziehungszollgedanken ist Zollschutz für neue Industrien mit potentiellen komparativen Vorteilen temporär erforderlich, weil diese Industrien in einer Anfangsphase noch nicht mit den bereits etablierten Industrien im Ausland konkurrieren können. Die neuen Industrien sind ohne Zollschutz temporär nicht wettbewerbsfähig, weil die auf den heimischen Markt drängenden Importe es verhindern, daß Größenvorteile realisiert werden, und weil die auf Lerneffekten basierenden Kostensenkungen erst erzielt werden können, nachdem im Inland die notwendigen Erfahrungen mit der Produktion gemacht worden sind. Temporärer Zollschutz ist notwendig, damit die potentiellen komparativen Vorteile wirksam werden können. In Abbildung 2.14 sind in einer Anfangsphase von to bis t, die Stückkosten in den neuen Industrien höher als der Weltmarktpreis p w . Abb. 2.14

to

t,

Zeit

Erst vom Zeitpunkt t, an sind die Kosten im Inland aufgrund der mit der kumulierten Produktion gewonnenen Erfahrung und den damit erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten so niedrig, daß die Produktion gewinnbringend ist und komparative Kostenvorteile realisiert werden können.

1

Friedrich List ( 1 7 8 5 - 1 8 4 6 ) und John-Stuart Mill ( 1 8 0 6 - 1 8 7 3 ) traten für E r z i e h u n g s z ö l l e ein, o b w o h l sie grundsätzlich Freihandel befürworteten. Alexander Hamilton ( 1 7 5 5 - 1 8 0 4 ) , der Finanzminister unter G e o r g e Washington war, stand dem Freihandel a l l g e m e i n skeptisch gegenüber. Er befürwortete Schutzzölle, weil auch andere Staaten ihre Industrien durch Zölle schützten.

742

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

Das Erziehungszollargument ist nicht so überzeugend, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Um den Erziehungszoll zu rechtfertigen, genügt es nicht zu zeigen, daß die zollgeschützte Industrie nach einer Anfangsphase wettbewerbsfähig wird. Wenn mit Hilfe des Erziehungszolls die nationale Wohlfahrt erhöht werden soll, muß der diskontierte Wert der volkswirtschaftlichen Gewinne größer sein als der diskontierte Wert der Verluste, die bei Zollschutz in der Anfangsphase entstehen. Wenn aber für die Unternehmen der diskontierte Wert der Gewinne größer ist als der diskontierte Wert der Verluste, ist der Aufbau neuer Industrien auch bei Freihandel einzelwirtschaftlich lohnend. Zwar müssen die Unternehmen in der Anfangsphase (t 0 -t,) ihre Produkte zu einem Preis verkaufen (p w ), bei dem sie ihre Kosten nicht decken können, doch sind Verluste in einer Anfangsphase für Investoren eine normale Erscheinung. Zollschutz - so scheint es - ist nicht erforderlich, damit jene Industrien entstehen, deren Entwicklung gesamtwirtschaftlich lohnend ist. Um einen Erziehungszoll rechtfertigen zu können, reicht der Hinweis, daß neue Industrien in einer Anfangsphase ohne Zollschutz Verluste erleiden, nicht aus. Tatsächlich sind es bestimmte Formen des Marktversagens, die einen Erziehungszoll begründen. Weil der Markt versagt, können sich neue Industrien bei Freihandel nicht so entwikkeln, daß potentielle komparative Vorteile realisiert werden. Unvollkommene Kapitalmärkte und positive externe Effekte sind die Formen des Marktversagens, mit denen Erziehungszölle gerechtfertigt werden. Unvollkommene Kapitalmärkte können vor allem in Entwicklungsländern verhindern, daß sich bei Freihandel neue Industrien entwickeln, deren Aufbau gesamtwirtschaftlich lohnend ist. Häufig fehlen jene Finanzinstitutionen, die es ermöglichen, Ersparnisse aus den traditionellen Sektoren in die neuen Industrien zu transferieren. Der Aufbau neuer Industrien scheitert, weil die Unternehmen, die Verluste in der Anfangsphase aus internen Mitteln finanzieren müssen, dazu nicht in der Lage sind. Zollschutz wird als Instrument gerechtfertigt, den Unternehmen die gesamtwirtschaftlich wünschenswerte Finanzierung der Verluste in der Anfangsphase zu ermöglichen. Die Aufnahme der Produktion in neuen Industrien mag mit positiven externen Effekten verbunden sein. In den Unternehmen, die als erste die Produktion aufnehmen, wird im Zuge eines Lernprozesses neues technisches Wissen geschaffen, die Fertigkeiten der Arbeitnehmer verbessern sich, Kenntnisse über neue Märkte werden erworben. Unternehmen, die später in den Markt eintreten, können das neue Wissen und die qualifizierten Arbeitnehmer übernehmen, ohne daß ihnen die gleichen Anlaufkosten entstehen. Der Wettbewerb der später eintretenden Unternehmen verhindert, daß die Pionierunternehmen die Früchte ihrer Bemühungen ernten können. Weil sich die Pionierunternehmen die aus Lerneffekten resultierenden Erträge nicht aneignen können, mag der Aufbau neuer Industrien einzelwirtschaftlich nicht lohnend sein, obwohl er gesamtwirtschaftlich lohnend ist. Zölle in der Lernphase sind ein Mittel, die Investoren für die positiven externen Effekte zu entschädigen. Diese Überlegungen zeigen: Versagt der Markt, so kann theoretisch temporärer Zollschutz geeignet sein, die Wohlfahrt zu erhöhen. Es fragt sich jedoch, ob ein Zoll das beste Mittel ist, das Marktversagen zu korrigieren und ob es möglich ist, die richtigen Branchen zu schützen.

Z w e i t e s Kapitel: Z ö l l e und andere Handelsbarrieren

743

Inländisches Marktversagen sollte durch wirtschaftspolitische Maßnahmen korrigiert werden, die das Übel an der Wurzel packen. Wenn die privaten Erträge kleiner sind als die gesamtwirtschaftlichen Erträge, weil neues technisches Wissen erzeugt wird, das sich andere kostenlos aneignen können, so sollte die Produktion subventioniert werden, durch die die positiven externen Effekte entstehen. Das hat den Vorteil, daß die Verluste, die bei einem Zoll wegen des damit verbundenen Konsumeffektes entstehen, nicht eintreten. Handelspolitische Maßnahmen sind bei inländischem Marktversagen nie die beste Therapie. Wenn in Entwicklungsländern der Kapitalmarkt nicht in der Lage ist, die Ressourcen in jene Branchen zu lenken, in denen die volkswirtschaftliche Rentabilität am größten ist, so wäre zum Beispiel die Gründung von Entwicklungsbanken das geeignete Mittel, Marktversagen zu vermeiden. Marktversagen ist in der Praxis schwer diagnostizierbar. Es ist schwierig zu erkennen, welche Branchen einen komparativen Kostenvorteil haben und mit Hilfe temporären Zollschutzes nach einer gewissen Zeit so wettbewerbsfähig werden, daß es sich lohnt, in der Anfangsphase Verluste in Kauf zu nehmen. Beamte sind nicht besonders qualifiziert, zutreffende Prognosen über die langfristigen Erfolgsaussichten bestimmter Industrien zu machen. Die Wirtschaftsgeschichte kennt zahllose Beispiele dafür, daß die "Erziehung" mißlang und Branchen trotz oder auch wegen des Zollschutzes nie wettbewerbsfähig geworden sind. Die so aufgrund falscher Prognosen entstandenen Verluste waren vermutlich weit größer als die Verluste, die entstanden wären, wenn man auf Erziehungszölle völlig verzichtet hätte. E.

Zollunion

Die Zollunion ist eine Form realwirtschaftlicher ökonomischer Integration, bei der die Zölle zwischen den Mitgliedsländern beseitigt werden und Drittländern gegenüber ein gemeinsamer Außenzolltarif geschaffen wird. Durch eine Zollunion soll die ökonomische Wohlfahrt der Mitgliedsländer durch verstärkten internationalen Handel gesteigert werden. Häufig sieht man in einer Zollunion eine Vorstufe zu einer intensiveren politischen Zusammenarbeit oder einer politischen Union. Beispiele für eine solche politische Funktion der Zollunion sind der 1834 gegründete Deutsche Zollverein und die römischen Verträge zur Gründung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden, deren Kernstück die Errichtung einer Zollunion war, die 1968 vorzeitig realisiert werden konnte. Außer Zollunionen gibt es verschiedene andere Formen realwirtschaftlicher Integration, die sich durch Ausmaß und Intensität der wirtschaftlichen Integration unterscheiden: Präferenzzonen bauen Zölle nicht generell, sondern nur für bestimmte Produkte ganz oder zum Teil ab. Ländern, die nicht Mitglieder der Präferenzzone sind, wird die Meistbegünstigung nicht gewährt. Präferenzzonen sind nach den GATTRegeln grundsätzlich verboten. Ausnahmen werden für jene Präferenzzonen gemacht, die bereits 1947 bestanden und die zum Teil über EU-Assoziierungsabkommen fortbestehen.

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Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

Freihandelsabkommen beseitigen wie Zollunionen alle Binnenzölle. Anders als bei Zollunionen gibt es bei Freihandelszonen keinen gemeinsamen Außenzolltarif. Um zu verhindern, daß Waren aus Drittländern in ein Mitgliedsland mit niedrigeren Außenzöllen eingeführt und von dort zollfrei in ein Mitgliedsland mit hohen Außenzöllen ausgeführt werden, sind Ursprungszeugnisse und Ursprungskontrollen bei der Einfuhr erforderlich. Zollunionen beseitigen die Binnenzölle und errichten einen Außenzoll.

gemeinsamen

Ein Gemeinsamer Markt ist eine Zollunion, bei der zusätzlich die rechtlichen Beschränkungen hinsichtlich der Mobilität der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital beiseitigt werden. Eine Wirtschaftsunion ist darüber hinaus bestrebt, die Geld- und Fiskalpolitik zu koordinieren und eine Harmonisierung auf anderen Gebieten der Wirtschafts- und Sozialpolitik herbeizuführen. Eine Wirtschaftsunion kann durch eine Währungsunion ergänzt werden. 1.

Statische Wohlfahrtswirkungen einer Zollunion

Man hat früher angenommen, daß Zollunionen die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt erhöhen, weil der Zollabbau unter den Mitgliedsländern ein Schritt in Richtung auf mehr Freihandel ist. Viner, der darauf hinwies, daß eine Zollunion außer handelsschaffenden Wirkungen (trade creation) auch handelsumlenkende Wirkungen (trade diversion) hat, wies nach, daß ein solcher Schluß voreilig ist.' Viners Grundgedanke sei zunächst an einem einfachen Zahlenbeispiel erläutert. Wir betrachten die Länder A, B und C und den Handel mit dem Gut X. Land A und B bilden eine Zollunion. C repräsentiert den Rest der Welt. Wir prüfen, wie sich die Wohlfahrt in A durch Bildung der Zollunion ändert. Die konstanten Stückkosten der Produktion, zu denen das Gut X in A, B und C angeboten wird, sind 50 DM, 40 DM und 30 DM. Nach Bildung der Zollunion werden in A bei Einfuhren aus B keine Zölle erhoben, während bei Importen aus C der Zollsatz genauso hoch ist wie vor Bildung der Zollunion. Wenn in der Ausgangssituation vor Bildung der Zollunion der Zollsatz bei Einfuhren nach A 100 Prozent beträgt, sind die Anbieter aus B und C auf dem A-Markt nicht konkurrenzfähig, da sie das Gut X zu Preisen von 80 DM beziehungsweise 60 DM anbieten. Die inländischen Anbieter, die einen Preis von 50 DM verlangen, sind billiger. Wenn A und B eine Zollunion bilden, kann B das Gut X auf dem A-Markt für 40 DM anbieten. Importe aus B ersetzen die teurere heimische Produktion. Die Kosten der Versorgung mit X sinken in A von 50 DM auf 40 DM. Die Zollunion ist handelsschaffend. Die Wohlfahrt in A steigt.

1

J. Viner, The Customs Union Issue, New York, 1950.

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

745

Es soll jetzt angenommen werden, daß der Zollsatz in der Ausgangssituation vor Bildung der Zollunion nur 50 Prozent beträgt. Gut X wird aus C eingeführt und in A zu einem Preis enschließlich Zoll von 45 DM angeboten. Nach Bildung der Zollunion wird X aus B zollfrei importiert und in A zu einem Preis von 40 DM angeboten. Die Zollunion führt dazu, daß X statt aus C aus B importiert wird. Der Handel wird umgelenkt. Importe, bei denen den ausländischen Exporteuren in C bisher pro Einheit ein Preis von 30 DM gezahlt werden mußte, werden durch Importe aus B ersetzt, für die pro Einheit ein Preis von 40 DM zu zahlen ist. A erleidet einen Wohlfahrtsverlust. In unserem einfachen Zahlenbeispiel wurde angenommen, daß zu Preisen in Höhe der Stückkosten jeweils beliebig große Mengen angeboten wurden. Die Wohlfahrtseffekte, die sich ergeben, weil bei sinkendem Preis auf dem A-Markt eine größere Menge nachgefragt wird, wurden nicht analysiert. Eine genauere Analyse der statischen Wohlfahrtswirkungen einer Zollunion ist mit Hilfe von Abbildung 2.15 möglich. Abb. 2.15

In Abbildung 2.15 ist N die Nachfragekurve und A die Angebotskurve des Landes A. In A werden größere Mengen von x nur zu steigenden Preisen angeboten. Die vollkommen elastische Angebotskurve des Landes B ist P B B und die ebenfalls vollkommen elastische Angebotskurve in C ist P c C. In der Ausgangssituation wird für Einfuhren aus B und C ein Zollsatz erhoben, so daß das Angebot aus C in A durch die Gerade (P T C') gegeben ist. Land B kann auf dem A-Markt nur zu einem höheren Preis anbieten und scheidet deshalb auf dem A-Markt als Konkurrent aus. Bei einem durch das Angebot aus C bestimmten Preis in Höhe von P T wird in A die Menge x, produziert und die Menge x / konsumiert. Die Menge (x,'-x,) wird importiert. Die Zolleinnahmen in A werden durch die Summe der Flächen c + e angegeben. Wenn A und B eine Zollunion bilden und deshalb Gut X aus B zollfrei importiert werden kann, während bei Einfuhren aus C der gleiche Zoll erhoben wird wie vor Bildung der Zollunion, ist Land C in A nicht mehr konkurrenzfähig. Der Preis in A wird durch das Angebot aus B bestimmt und sinkt auf P B . Zu diesem Preis wird in A nur die Menge x2 produziert, aber die größere Menge x 2 ' nachgefragt. Die Menge (x 2 '-x 2 ) wird aus B importiert. Die bisher in C eingeführte Menge ( X | ' - X , ) wird jetzt statt

746

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

aus C aus B importiert. Es findet also als Folge der Zollunion eine Umlenkung des Handels von C nach B statt. Da aber zugleich die insgesamt importierte Menge steigt, wird auch zusätzlicher Handel geschaffen. Die Wohlfahrtswirkungen für A sind deshalb nicht eindeutig negativ. Da in A der Inlandspreis von PT auf PB sinkt, steigt die Konsumentenrente um a + b + c + d. Dem steht ein Verlust an Produzentenrente von a und ein Verlust an Zolleinnahmen von c + e gegenüber. Die Veränderung des sozialen Überschusses beträgt also: AKR = + a + b + c + d + +

APR = - a AT = - c - e = ASÜ = b+d-e

Der soziale Überschuß kann zunehmen, abnehmen oder konstant bleiben. Er nimmt zu, wenn die durch Handelsschaffung verursachten Wohlfahrtsgewinne b + d größer sind als der Wohlfahrtsverlust in Höhe von e, der sich aus der Handelsumlenkung ergibt. Selbst wenn es also durch die Bildung einer Zollunion zu einer Handelsumlenkung bei bestimmten Gütern kommt, so daß Güter aus dem teureren Mitgliedsland importiert werden, kann sich ein Wohlfahrtsgewinn ergeben, weil zusätzlicher Handel geschaffen wird, der wohlfahrtssteigernd ist. Aus unserer Analyse läßt sich ersehen, daß Wohlfahrtssteigerungen durch Bildung einer Zollunion um so eher zu erwarten sind, je höher die Zölle in der Ausgangssituation vor Bildung der Zollunion waren. Je höher die Zölle waren, um so größer sind die Wohlfahrtsgewinne, die sich ergeben, weil durch die Zollunion die durch die Zölle verursachten Verzerrungen der Produktion und des Konsums beseitigt werden. Diese Wohlfahrtsgewinne werden in Abbildung 2.15 durch die Flächen b + d repräsentiert. je elastischer die inländische Nachfrage und das inländische Angebot sind. Je elastischer Inlandsangebot und Inlandsnachfrage sind, um so größer sind ceteris paribus die in Abbildung 2.15 durch die Flächen b und d repräsentierten Wohlfahrtsgewinne. je niedriger der gemeinsame Außenzoll nach Bildung der Zollunion ist. Je niedriger der Außenzoll ist, um so geringer ist die Wahrscheinlichkeit, daß es zu einer Handelsumlenkung kommt. je größer die Zollunion ist. Je mehr Länder Mitglieder der Zollunion sind, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß der kostengünstigste Anbieter Mitglied der Zollunion ist.

Z w e i t e s Kapitel: Z ö l l e und andere Handelsbarrieren

747

Wohlfahrt aus der Sicht der Zollunion Wir haben bisher die Wohlfahrt aus Sicht des einzelnen Landes betrachtet. In Abbildung 2.15 ergab sich durch Umlenkung des Handels ein Wohlfahrtsverlust, der durch die Fläche e repräsentiert wurde. Wenn wir die bisher gemachte Annahme aufgeben, daß die Anbieter aus B das Gut X zu einem Preis in Höhe der Stückkosten anbieten, und unterstellen, daß sie Produzentenrente erzielen, steht dem Wohlfahrtsverlust, der sich in A als Folge der Handelsumlenkung ergibt, ein Wohlfahrtsgewinn in B gegenüber. Zollunionen können also auch zur Umlenkung von Renten aus einem Drittland in ein Partnerland führen. Selbst wenn also ein Land der Zollunion einen Wohlfahrtsverlust durch Handelsumlenkung erleidet, kann sich für die Zollunion insgesamt ein Wohlfahrtsgewinn ergeben. Die Wohlfahrtsgewinne und Verluste können natürlich ungleich auf die einzelnen Mitgliedsländer verteilt sein. Die Veränderung der Terms of Trade Durch eine Zollunion können sich die Terms of Trade zugunsten der Mitgliedsländer der Zollunion verbessern. Wenn als Folge der Bildung einer Zollunion zwischen Land A und B die Importeure des Landes A mehr in B und weniger in C kaufen, kann dies dazu führen, daß die Preise der verstärkt nachgefragten Güter in B steigen, während sie wegen der gesunkenen Nachfrage in C sinken. Die Terms of Trade verbessern sich für B und verschlechtern sich für C. Bei anderen Gütern mögen die B-Importeure nach Bildung der Zollunion mehr in A und weniger in C kaufen, so daß die Preise in A steigen und in C sinken. Die Terms of Trade verbessern sich für A und verschlechtern sich für C. Insgesamt verbessern sich die Terms of Trade für die Mitglieder der Zollunion und sie verschlechtern sich für C. Diese Verbesserung der Terms of Trade ist eine Folge der mit der Zollunion verbundenen Diskriminierung zu Lasten von C. 2.

Dynamische Wohlfahrtseffekte

Mehr Wettbewerb durch veränderte Marktstruktur Durch Schaffung einer Zollunion entsteht ein größerer Markt. Monopole oder enge Oligopole, die bisher in den einzelnen Mitgliedsländern vor der Konkurrenz aus dem Ausland geschützt wurden, werden dem Wettbewerb der Konkurrenten in den Mitgliedsländern ausgesetzt. Der Wettbewerb kann zu größeren Ausbringungsmengen und sinkenden Preisen führen. Die durch monopolistische Angebotsbeschränkungen verursachten Wohlfahrtsverluste werden beseitigt oder vermindert. Der Druck der Konkurrenz kann auch bewirken, daß durch Abbau bestehender X-Ineffizienz kostengünstiger produziert wird. Der Zwang, neues technisches Wissen zu produzieren und anzuwenden, wird größer. Ausschöpfung von Skalenerträgen Ist die Produktion eines Gutes mit steigenden Skalenerträgen verbunden, so kann die Bildung einer Zollunion dazu führen, daß Größenvorteile besser ausgeschöpft werden.

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Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

Es soll angenommen werden, daß die Kostenersparnisse intern für das Unternehmen sind, so daß die langfristigen Stückkosten sinken, wenn die Menge steigt, die das einzelne Unternehmen produziert. Durch Bildung einer Zollunion zwischen A und B können Kostendegressionseffekte realisiert werden, wenn die Produktion in A oder B ausgedehnt wird, weil das Gut in das Partnerland exportiert werden kann. Wir wollen annehmen, daß X bisher nur von einem Unternehmen in A, nicht aber in B produziert worden ist. Vor Bildung der Zollunion wurde es in B zum Preis P c aus C eingeführt. Um die Analyse zu vereinfachen, sei angenommen, daß in den Ländern A und B vor Bildung der Zollunion ein gleich hoher Zoll erhoben wurde, so daß X in beiden Ländern zum Preis P T verkauft worden ist. Abb. 2.16

x

Y

In Abbildung 2.16 ist N A die Nachfrage des Landes A und N A + B ist die Gesamtnachfrage aus A und B . Die Durchschnittskosten in der Produktion von X in A sind DK A . Vor Bildung der Zollunion wurde X zum Preis P T = (1 + t)P c in den Ländern A und B verkauft. In A wurde die Menge x, von einem Monopolisten produziert. Der Gewinn war gleich p T ACB. Land B importierte die Menge x 2 -x, aus C und erzielte Zolleinnahmen von AFIH. Nach Bildung der Zollunion werden in B bei Importen aus A keine Zölle erhoben. Der A-Monoplist kann die Anbieter aus C verdrängen, indem er X zu einem Preis verkauft, der marginal kleiner als P x ist. Die in A produzierte Menge steigt auf x 2 , die Stückkosten sinken von OC auf OE. Die Produzentenrente des A-Monopolisten steigt um die Summe der Flächen C B D E + AFGD. Land B erleidet einen Verlust in Höhe der bisher erzielten Zolleinnahmen von AFIH. Davon stellt AFGD einen Transfer von Rente an A dar. Die Wohlfahrtsänderung für die Zollunion insgesamt ist gleich der Differenz der Flächen C B D E - DGIH. In unserer Zeichnung entsteht ein Gewinn. Die Fläche CBDE stellt den Gewinn aus dem Kostendegressionseffekt und die Fläche DGJH den Verlust der Handelsumlenkung dar. Es ergibt sich ein Gewinn, wenn der Kostensenkungseffekt größer ist als der Effekt aus der Umlenkung des Handels.

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

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Anhang A Ein ausländisches Unternehmen ist auf dem Inlandsmarkt Monopolist. Die inverse inländische Nachfragefunktion (die Preisabsatzfunktion des ausländischen Anbieters) ist p = a-bx. Die Kostenfunktion des ausländischen Anbieters, der pro Einheit einen Zoll von t zahlen muß, ist bei Belieferung des Inlandsmarktes K = cx + tx. Der Gewinn beträgt demnach: G = ax - bx2 - cx - tx. Um die gewinnmaximale Menge zu bestimmen, wird die Gewinnfunktion nach der Menge abgeleitet und die Ableitung gleich Null gesetzt. dG — = a-2bx-c-t = 0 dx 2bx = a - c - 1 a-c-t

Bei Freihandel (t = 0) ist die gewinnmaximale Menge _ a-c l b -

Xo =

Nach Einführung eines Zolls (t > 0) sinkt die gewinnmaximale Menge um t/2b, das heißt: (x0-x) = A x = ^ Der gewinnmaximale Preis ist

750

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

a-c-t p= a--

P=

2a-a + c+t 2 a+c + t

Für t = 0 ist der Preis p 0 = (a+c)/2. Wird ein Zoll erhoben, so steigt der Preis um t/2 (Ap = t/2). Der Zuwachs an Wohlfahrt wird maximiert, wenn der Zoll so hoch ist, daß die Differenz aus den Zolleinnahmen T und dem Verlust an Konsumentenrente so groß wie möglich ist. ASÜ = T - AKR ASÜ = t • x - (Ap • x + 0,5Ap • (x0 - x))

Wegen Ap = t/2 und x 0 - x = t/2b gilt: ASÜ = t • x - (t/2 • x + 0,5 • t/2 • t/2b) t2 ASU = t / 2 - x - — 8b

a —c —t x = ——— 2b

Wegen

ergibt sich

ASÜ =

n t - n t —t2 4b

8b

8b.

Der soziale Überschuß wird maximiert, wenn der Zuwachs an Wohlfahrt so groß wie möglich ist. Um den Zollsatz zu finden, bei dem der soziale Überschuß maximiert wird, bildet man die erste Ableitung und setzt sie gleich Null. dASÜ _ 2 a - 2 c - 6 t _ a - c - 3 t dt

8b

4b

a - c = 3t t-

a _

°

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

751

Anhang B Ein inländischer und ein ausländischer Anbieter stehen sich im Cournot-Wettbewerb auf dem Inlandsmarkt gegenüber. Die inverse lineare Gesamtnachfragefunktion ist: p = a - b x = a - b ( x , +x 2 ) Die Kostenfunktionen des inländischen Anbieters (Anbieter 1) und des ausländischen Anbieters (Anbieter 2), der pro Einheit einen Zoll von t zahlen muß, sind: K, = c x , K2 = c x2 +1 x2 Die Gewinnfunktionen des inländischen und ausländischen Anbieters sind demnach: G, = ax, - bxf - bx,x 2 - ex, G2 = ax2 - bx2 - bx,x 2 - cx2 - tx2 Die gewinnmaximalen Mengen x," und x2* ergeben sich, indem die Gewinnfunktionen nach der Menge abgeleitet und diese Ableitungen gleich Null gesetzt werden. Da jeder die Menge, die der Konkurrent anbietet, als Datum ansieht, sind x 2 in der Gewinnfunktion des Anbieters 1 und x, in der Gewinnfunktion des Anbieters 2 aus der Sicht des jeweiligen Dyopolisten Konstante. Man erhält: dG -— = a - 2 b x , - b x j - c = 0 dx, a- c X|=

x2

"2b"~2"

Die letzte Gleichung gibt an, wie groß die Ausbringung ist, die bei alternativen Mengen des zweiten Anbieters (x 2 ) für den ersten Anbieter jeweils gewinnmaximal ist. Die Gleichung ist die "Reaktionsfunktion" (best response funetion) des ersten Anbieters. Auf die gleiche Art erhält man die Reaktionsfunktion des ausländischen Anbieters: dG2 - — = a - 2bx 2 - bx, - c - 1 = 0 dx2

752

Zweites Kapitel: Zölle und andere Handelsbarrieren

Gleichgewicht herrscht, wenn beide Anbieter bei gegebener Menge des Konkurrenten die gewinnmaximale Menge erzeugen. Durch Lösung des Gleichungssystems, das von den beiden Reaktionsfunktionen mit den Unbekannten x, und x 2 gebildet wird, _a-c

x2

a-c-t X 2

" ^ b

X, 2

erhält man die Gleichgewichtsmengen: a—c+t ———; 3b

alsofürt = 0

a—c —2t x 2l = — — — ; 3b

, ... „ alsofurt = 0

a—c x, = — — ; 3b a-c x 2 = ——; 3b

t somit Ax, = + — 3b . 4 2t somitAx 2 = -—• 3b

Infolge der Einführung eines Zolls steigt die Menge des inländischen Anbieters um t/3b. Die Menge des ausländischen Anbieters sinkt um 2t/3b. Die insgesamt auf dem Inlandsmarkt abgesetzte Menge ist unter Berücksichtigung des Zolls: x,-xli, + x

_a-c + t a-c-2t 2-(a-c)-t , - ^ - + 3b

2 i

x = x, + x 2 = 2 • ( a - c ) -. 3b

Für t = 0 ist

Infolge des Zolls sinkt die Menge also um t/3b. Der Preis, der sich im Cournot-Gleichgewicht bildet, ist: 1,

p, = a - b x ,

p, = a - b 2

P.= f ü r t = 0 ist

" -

2-(a-c)-t 3b

(a-c)-t' 3b

a + 2c + t 3 a + 2c

Dies beweist also, daß nach Einführung eines Zolls der Preis um t/3 steigt (Ap = t/3).

Z w e i t e s Kapitel: Z ö l l e und andere Handelsbarrieren

753

Literatur zum zweiten Kapitel des dritten Teils Hartmut Berg, Artikel Außenwirtschaftspolitik, in: Dieter Bender u.a. (Hrsg.), Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Band 2, 6. Auflage, München 1995, S. 461-507. Manfred Borchert, Außenwirtschaftslehre, Theorie und Politik, 2. Auflage, Wiesbaden 1983, S. 191-212. Robert J. Carbaugh, International Economics, 3. Auflage, Belmont 1989, S. 63-187. Richard E. Caves, Jeffrey A. Frankel, Ronald W. Jones, World Trade and Payments, An Introduction, 5. Auflage, Boston 1990, S. 217-335. Gustav Dieckheuer, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, München 1990, S. 441-507. Wilfred J. Ethier, Modern International Economics, 2. Auflage, New York 1988, S. 155-243. Hans-Hinrich Glismann, Ernst-Jürgen Horn, Sighart Nehring, Roland Vaubel, Weltwirtschaftslehre I, Außenhandel und Währungspolitik, 3. Auflage, Göttingen 1986, S. 11-148. Peter B. Kenen, The International Economy, 2. Auflage, Englewood Cliffs 1989, S. 160-245. Mordechai E. Kreinin, International Economics, A Policy Approach, 6. Auflage, San Diego 1991, S. 307-432. Paul R. Krugman, Maurice Obstfeld, International Economics, 2. Auflage, New York 1991, S. 179-259. Klaus Rose, Karlhans Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft, 11. Auflage, München 1992, S. 561-630. Horst Siebert, Außenwirtschaft, 6. Auflage, Stuttgart 1994, S. 168-188. Bo Södersten, Geoffrey Reed, International Economics, 3. Auflage, Houndmills 1994, S. 189-455. Neil Vousden, The Economics of Trade Protection, Cambridge 1990, S. 60-150. L. Alan Winters, International Economics, 4. Auflage, London 1991, S. 90-184.

Drittes Kapitel Die Zahlungsbilanz A.

Das Grundschema der Zahlungsbilanz

In der Zahlungsbilanz wird der Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland registriert. Der Austausch von Gütern, Dienstleistungen und finanziellen Ansprüchen zwischen Inländern und Ausländern wird aufgezeichnet. Man definiert: Die Zahlungsbilanz ist die systematische Darstellung der wirtschaftlichen Transaktionen zwischen Inländern und Ausländern für eine Periode. Als Inländer im Sinne der Zahlungsbilanz werden alle Personen angesehen, die ihren normalen Wohnsitz im Inland haben. Gastarbeiter und ihre in Deutschland lebenden Angehörigen sind Inländer, Saisonarbeiter und Grenzgänger sind Ausländer. Diplomatische Vertreter ausländischer Staaten und Angehörige ausländischer Streitkräfte gelten allerdings als Ausländer. Käufe und Verkäufe dieser Personen werden deshalb als Transaktionen zwischen Inländern und Ausländern in der Zahlungsbilanz erfaßt. Die Zahlungsbilanz ist keine Bilanz, sie heißt nur so. Während eine Bilanz im üblichen Sinne Bestandsgrößen enthält - das sind in Geld bewertete oder in physischen Einheiten gemessene Größen, die für einen bestimmten Zeitpunkt ermittelt werden enthält die Zahlungsbilanz Stromgrößen, die sich, wie zum Beispiel die Ausfuhr von Waren, auf einen bestimmten Zeitraum beziehen. In der Zahlungsbilanz werden auch nicht, wie der Name suggeriert, nur Zahlungsvorgänge verbucht. Zwar besteht ein großer Teil der erfaßten Transaktionen darin, daß sie zu Zahlungseingängen oder Zahlungsausgängen führen; es werden jedoch auch Vorgänge erfaßt, bei denen das nicht der Fall ist. Die Gliederung der Zahlungsbilanz in Teilbilanzen Die Zahlungsbilanz wird in die Leistungsbilanz, die Bilanz der Vermögensübertragungen und die Kapitalbilanz (im weiteren Sinne) unterteilt. In der Leistungsbilanz werden die Ein- und Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen, die grenzüberschreitenden Erwerbs- und Vermögenseinkommen und die unentgeltlichen laufenden Übertragungen registriert. In der Bilanz der Vermögensübertragungen werden Transfers verbucht, die das Vermögen des betrachteten Landes verändern. In der Kapitalbilanz im weiteren Sinne wird die Veränderung aller Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Ausländern dargestellt. Die Leistungsbilanz besteht aus der Handelsbilanz, der Dienstleistungsbilanz, der Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen und der Bilanz der laufenden Übertragungen. In der Handelsbilanz werden Ausfuhr und Einfuhr von Waren verbucht. In der Dienstleistungsbilanz wird der auch als "unsichtbar" bezeichnete Export und Import von Dienstleistungen registriert. In der Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen werden die Faktoreinkommen, die Inländer aus dem Ausland erhalten und die Faktoreinkommen von Ausländern aus dem Inland verbucht. In der Bilanz der laufenden Übertragungen werden die empfangenen den geleisteten laufenden unentgeltlichen Übertragungen gegenübergestellt.

756

Drittes Kapitel: Die Zahlungsbilanz

In der Bilanz der Vermögensübertragungen werden im Unterschied zur Bilanz der laufenden Übertragungen solche Transfers verbucht, die wie zum Beispiel Schuldenerlasse an Entwicklungsländer als "einmalig" angesehen werden. Die Kapitalbilanz im weiteren Sinne setzt sich aus der Kapitalbilanz im engeren Sinne und der Gold- und Devisenbilanz zusammen. In der Kapitalbilanz im engeren Sinne1 wird die Veränderung der Forderungen und Verbindlichkeiten der privaten Haushalte, Unternehmen sowie des Staates gegenüber Ausländern erfaßt. Die Veränderung der Verbindlichkeiten und Forderungen der Zentralbank gegenüber Ausländern sowie die Veränderung des Goldbestandes der Zentralbank werden in der Gold- und Devisenbilanz registriert. Mann kann die Zahlungsbilanz in Kontenform oder tabellarisch darstellen. Stellt man sie in Kontenform dar, verwendet man häufig die Ausdrücke Credit und Debet, um die Richtung der Transaktionen anzugeben. Eine Transaktion wird als Credit-Posten verbucht, wenn sie wie bei einem Export von Waren im Inland zu einem Zahlungseingang führt oder führen müßte, wenn Zahlungen aus dem Ausland geleistet würden. Eine Transaktion wird als Debet-Posten verbucht, wenn sie, wie beim Warenimport, zu einem Zahlungsausgang führt oder führen könnte.

1

Wenn nur von der Kapitalbilanz gesprochen wird, ist die Kapitalbilanz im engeren Sinne gemeint.

757

Drittes Kapitel: Die Zahlungsbilanz

Grundschema der Zahlungsbilanz Debet

Credit I. Leistungsbilanz Handelsbilanz Warenexport

Warenimport Dienstleistungsbilanz

Dienstleistungsexport

Dienstleistungsimport

Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen Faktoreinkommen von Inländern aus dem Ausland

Faktoreinkommen von Ausländern aus dem Inland

Bilanz der laufenden Übertragungen Vom Ausland empfangene Übertragungen

An das Ausland geleistete Übertragungen

II. Bilanz der Vermögensübertragungen Vom Ausland empfangene Vermögensübertragungen

An das Ausland geleistete Vermögensübertragungen

III. Kapitalbilanz im weiteren Sinne Kapitalbilanz im engeren Sinne Veränderung der Verbindlichkeiten gegenüber Ausländern (Zunahme = Kapitalimport)

Veränderung der Forderungen gegenüber Ausländern (Zunahme = Kapitalexport) Devisenbilanz

Veränderung der Verbindlichkeiten der Zentralbank gegenüber Ausländern

Veränderung des Goldbestandes der Zentralbank und ihrer Forderungen an Ausländer

Die Zahlungsbilanz kann statt in Kontenform auch tabellarisch dargestellt werden. Bei tabellarischer Darstellung werden alle Transaktionen als Plusposten (+) verbucht, die im Inland zu Zahlungseingängen führen oder führen können, während alle Transaktionen als Minusposten (-) erfaßt werden, die Zahlungsausgänge implizieren. Stellt man das Zahlungsbilanzschema tabellarisch dar, ergibt sich folgendes Bild:

758

Drittes Kapitel: Die Zahlungsbilanz

Grundschema der Zahlungsbilanz und Teilbilanzen I. Leistungsbilanz 1. Handelsbilanz Warenexporte (+) Warenimporte (-) 2. Dienstleistungsbilanz Dienstleistungsexporte (+) Dienstleistungsimporte (-) 3. Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen Faktoreinkommen von Inländern (+) Faktoreinkommen von Ausländern (-) 4. Bilanz der laufenden Übertragungen Empfangene Übertragungen (+) Geleistete Übertragungen (-) II. Bilanz der Vermögensübertragungen Empfangene Vermögensübertragungen (+) Geleistete Vermögensübertragungen (-) III. Kapitalbilanz im weiteren Sinne 1. Kapitalbilanz im engeren Sinne Veränderung der Verbindlichkeiten gegenüber Ausländern Zunahme (+) Abnahme (-) Veränderung der Forderungen gegenüber Ausländern Zunahme (-) Abnahme (+) 2. Devisenbilanz' Veränderung der Verbindlichkeiten der Zentralbank gegenüber Ausländern Zunahme (+) Abnahme (-) Veränderung des Goldbestandes und der Forderungen der Zentralbank gegenüber Ausländern Zunahme (-) Abnahme (+) 1

In den laufenden Veröffentlichungen der Bundesbank wird eine Zunahme der Forderungen als Plusposten und eine Zunahme der Verbindlichkeiten als Minusposten verbucht. Dies widerspricht der Systematik der Buchungen in der Zahlungsbilanz. Der Praxis der Bundesbank wird deshalb nicht gefolgt.

B.

Die Teilbilanzen

1.

Die Handelsbilanz

In der H a n d e l s b i l a n z w i r d die W a r e n a u s f u h r der W a r e n e i n f u h r gegenübergestellt. D i e D i f f e r e n z ist der S a l d o d e r Handelsbilanz. W e n n die W a r e n a u s f u h r größer als die W a r e n e i n f u h r ist, s a g t m a n , der Handelsbilanzsaldo sei positiv oder die H a n d e l s b i l a n z sei aktiv. B e i m E x p o r t u n d Import von W a r e n entstehen T r a n s p o r t - u n d V e r s i c h e r u n g s k o s t e n . E s f r a g t sich, inwieweit diese K o s t e n im W e r t d e r in d e r H a n d e l s b i l a n z e r f a ß t e n E x p o r t e u n d I m p o r t e enthalten sind. M a n unterscheidet bei d e r E r m i t t l u n g der

759

Drittes Kapitel: D i e Zahlungsbilanz

Ausfuhr- und Einfuhrwerte die Bewertung "fob" (free on board) und "cif" (cost, insurance, freight). Bei der fob-Bewertung sind die Transport- und Versicherungskosten bis zur Grenze des Lieferlandes im Warenwert enthalten. Bei der cif-Bewertung enthält der registrierte Warenwert die Transport- und Versicherungskosten bis zur Grenze des Empfängerlandes. In der Außenhandelsstatistik der Bundesrepublik wird die Ausfuhr mit dem fob-Wert, die Einfuhr alternativ mit dem cif-Wert oder dem fob-Wert angegeben.' Werden zum Beispiel Waren aus dem Ausland importiert und die Fracht- und Versicherungsleistungen von ausländischen Unternehmen erbracht, so sind die Ausgaben für Transport und Versicherung bis zur deutschen Grenze bei der cifBewertung im Importwert enthalten. Bei der fob-Bewertung erscheinen sie nicht im Wert der importierten Waren, sondern als Dienstleistungsimport. Der Leistungsbilanzsaldo und der Außenbeitrag ändern sich bei den unterschiedlichen Bewertungen nicht. Für die deutsche Handelsbilanz war in der Vergangenheit ein sehr hoher Handelsbilanzüberschuß typisch, wie folgende Übersicht zeigt: Warenausfuhr und Wareneinfuhr in Mrd. DM1 1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

Ausfuhr Einfuhr

+ 567,7 - 439,6

+ 641,0

+ 662,0 - 556,7

+ 665,8 - 643,9

+ 671,2

+ 632,2

- 506,5

- 637,5

-571,9

+ 694,7 - 622,9

+ 732,3 -641,1

Saldo

+ 128,0

+ 134,6

+ 105,4

+ 21,9

+ 33,7

+ 60,3

+ 71,8

+ 91,1

1

Spezialhandel, Ausfuhr fob, Einfuhr cif. A b Juli 1990 einschließlich Transaktionen d e s Gebietes der e h e m a l i g e n D D R mit dem Ausland. Differenzen in den S u m m e n durch Runden der Zahlen. Quelle: D e u t s c h e Bundesbank, Monatsberichte

Die Zahlen zeigen, daß sich der Überschuß in der Handelsbilanz ab 1991 drastisch verringerte. Dieser beispiellose Rückgang des Außenhandelssaldos ist vor allem das Ergebnis verstärkter Einfuhren, die in einem Zeitraum von zwei Jahren um 27 Prozent zunahmen. Die drastische Zunahme der Einfuhren ist auf den starken Nachfragesog der neuen Bundesländer zurückzuführen. Vor allem in den Nachbarländern der Europäischen Gemeinschaft führte dies zu stark steigenden Exporten in die Bundesrepublik. Infolge des konjunkturellen Einbruchs gingen 1993 sowohl die Exporte als auch die Importe beträchtlich zurück. Allerdings ist der registrierte Rückgang zum Teil auch auf Änderungen in der Außenhandelsstatistik zurückzuführen. Mit Beginn des EUBinnenmarktes ist die statistische Erfassung des Handels zwischen den EUMitgliedstaaten nicht mehr anhand der Zolldokumente möglich, sondern geschieht dadurch, daß die Unternehmen ihre innergemeinschaftlichen Umsätze direkt beim Statistischen Bundesamt melden. Die konjunkturelle Belebung bewirkte, daß 1994 die

1

D i e Bundesbank veröffentlicht in ihren Geschäftsberichten Jahresbilanzen, in denen im Unterschied zu den in den Monatsberichten enthaltenen Bilanzen die Einfuhr mit ihrem Wert an der Grenze des exportierenden Landes (fob-Wert) dargestellt wird, statt w i e in der amtlichen Außenhandelsstatistik mit ihrem Wert an der deutschen Grenze (cif-Wert).

760

Drittes Kapitel: Die Zahlungsbilanz

Ausfuhren dem Werte nach um neun Prozent stiegen. Die höheren Ausfuhren zogen eine Expansion der Importe von Rohstoffen und Vorprodukten nach sich, so daß 1994 auch die Importe um nominal acht Prozent gestiegen sind.

2.

Die Dienstleistungsbilanz

Die Dienstleistungsbilanz, die auch Bilanz der unsichtbaren Ein- und Ausfuhren genannt wird, stellt den Einnahmen aus dem Dienstleistungsverkehr (den Dienstleistungsexporten) die Ausgaben für die von Ausländern erbrachten Dienstleistungen (Dienstleistungsimporte) gegenüber. In der Dienstleistungsbilanz wird eine Vielzahl heterogener Transaktionen erfaßt, die insgesamt betrachtet, etwa im Vergleich zu den Warenexporten und Warenimporten, quantitativ durchaus bedeutsam sind. Zu den Dienstleistungsexporten zählen die Einnahmen aus dem Reiseverkehr (das sind die Ausgaben ausländischer Touristen und Geschäftsreisender im Inland), die Einnahmen aus Transport- und Versicherungsleistungen, die Einnahmen von ausländischen militärischen Dienststellen und die Einnahmen aus Patenten und Lizenzen. Umgekehrt stellen die entsprechenden Ausgaben Dienstleistungsimporte dar. Bis März 1995 wurden auch die Faktoreinkommen von Inländern aus dem Ausland, also die Kapitalerträge, die Inländern aus Kapitalanlagen im Ausland zufließen und die Entgelte von Inländern für im Ausland erbrachte Arbeitsleistungen als Dienstleistungsexporte und die Faktoreinkommen von Ausländern im Inland als Dienstleistungsimporte gezählt. In der deutschen Dienstleistungsbilanz ist der Reiseverkehrssaldo in allen Jahren negativ gewesen. In diesem negativen Saldo spiegelt sich wider, daß die Deutschen gerne reisen und einen Auslandsurlaub überaus schätzen. Die Franzosen, die besonders hohe Uberschüsse im Reiseverkehr erzielen, verreisen dagegen am liebsten im eigenen Land. (Dies sagten 91 Prozent der Franzosen in Umfragen.)

Saldo der Dienstleistungsbilanz in Mrd. DM1 1988 Saldo der D i e n s t leistungen darunter: Reiseverkehr

1990

1991

1992

1993

1994

1995

- 10,3

-7,2

- 11,1

- 16,4

-31,2

-41,2

-49,3

-50,3

-28,9

-28,4

-30,9

-34,2

-39,9

-44,9

-49,8

-50,5

1989

1

Ab Juli 1990 einschließlich Transaktionen der ehemaligen D D R mit dem Ausland. Im Saldo der Dienstleistungsbilanz sind die im cif-Wert enthaltenen Ausgaben für Fracht und Versicherungsleistungen nicht enthalten. Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte

3.

Die Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen

In der Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen werden die Kapitalerträge und die Erträge aus unselbständiger Arbeit (= Faktoreinkommen) die Inländern aus dem Ausland zufließen auf der Creditseite (beziehungsweise als Plusposten) und die

761

Drittes Kapitel: Die Zahlungsbilanz

Erwerbs- und Vermögenseinkommen (= Faktoreinkommen) von Ausländern aus dem Inland auf der Debetseite (beziehungsweise als Minusposten) verbucht. Diese Faktoreinkommen von Inländern aus dem Ausland und von Ausländern aus dem Inland wurden früher als Dienstleistungsexporte und Dienstleistungsimporte in der Dienstleistungsbilanz erfaßt. Sie wurden aus der Dienstleistungsbilanz ausgegliedert, weil die grenzüberschreitenden Kapitalerträge beträchtlich an Bedeutung gewonnen haben. Der Saldo der Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen ist der aus der VGR bekannte Saldo der Faktoreinkommen. Die Faktoreinkommen von Inländern aus dem Ausland sind im Bruttoinlandsprodukt, das die im Inland erbrachte Wirtschaftsleistung mißt, nicht enthalten. Sie sind aber Bestandteil des Bruttosozialprodukts. Andererseits sind die Faktoreinkommen von Ausländern aus dem Inland im Bruttoinlandsprodukt, nicht aber im Bruttosozialprodukt enthalten. Nach hohen Überschüssen von 30 Mrd. DM 1991 sind die Einnahmen seither drastisch gesunken, so daß sich 1995 ein Defizit von zwei Milliarden DM ergab. Das ist zu einem wesentlichen Teil eine Folge des schrumpfenden deutschen Nettoauslandsvermögen auf Grund des Leistungsbilanzdefizits seit der Wiedervereinigung. Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen in Mrd. DM1

S a l d o der Erwerbs- und Vermögenseinkommen

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

+ 6,6

+ 20,9

+ 27,2

+ 29,7

+ 22,5

+ 17,8

+ 8,2

-2,0

1 Ab Juli 1990 einschließlich Transaktionen der ehemaligen DDR mit dem Ausland. Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte

4.

Die Bilanz der laufenden Übertragungen

In der Bilanz der laufenden Übertragungen werden die unentgeltlichen Leistungen von Inländern an Ausländer (als Debetposten) und die unentgeltlichen Leistungen von Ausländern an Inländer (als Creditposten) verbucht. Als unentgeltlich werden Transaktionen angesehen, bei denen den Leistungen keine Gegenleistungen in der gleichen oder einer späteren Periode gegenüberstehen. Zu den unentgeltlichen Leistungen zählen Überweisungen der Gastarbeiter in ihre Heimatländer. Zahlungen von Renten und Pensionen, Wiedergutmachungsleistungen, Zahlungen an internationale Organisationen und sonstige Leistungen. Die laufenden Übertragungen enthalten nach der neuen Zahlungsbilanzsystematik im Gegensatz zu früher auch erhebliche Teile der bisher unter Versicherungsleistungen in der Dienstleistungsbilanz verbuchten Transaktionen. In der Dienstleistungsbilanz wird nur noch die Wertschöpfung erfaßt. Der größte Teil der Prämien wird als laufende Übertragungen verbucht. Die Vermögensübertragungen erscheinen dagegen nicht in der Bilanz der laufenden Übertragungen. Sie werden nicht mehr in der Leistungsbilanz, sondern in einer gesonderten Teilbilanz erfaßt. Das bedeutet, daß der Saldo der Leistungsbilanz nicht mehr die transaktionsbedingte Veränderung des Nettoauslandsvermögens widerspiegelt.

762

Drittes Kapitel: Die Zahlungsbilanz

Die Bilanz der laufenden Übertragungen weist in allen Jahren ein hohes Defizit auf. Vor allem die deutschen Nettozahlungen an internationale Organisationen (1994 = 39,7 Mrd. DM), von denen der größte Teil an die EU fließt (1994 = 31,5 Mrd. DM), stellt eine Belastung der deutschen Zahlungsbilanz dar. Saldo der laufenden Übertragungen in Mrd. DM'

Saldo der laufenden Übertragungen

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

-34,5

-36,9

-38,8

-62,6

-55,0

-58,3

-61,4

-58,0

1 Ab Juli 1990 einschließlich Transaktionen der ehemaligen DDR mit dem Ausland. Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte

5.

Die Bilanz der Vermögensübertragungen

Während alle laufenden Übertragungen in der Bilanz der laufenden Übertragungen, die eine Teilbilanz der Leistungsbilanz ist, erfaßt werden, werden Tranfers, die unmittelbar das Vermögen der beteiligten Länder verändern, aus der Leistungsbilanz ausgegliedert und in der Bilanz der Vermögensübertragungen erfaßt. Eine Vermögensübertragung liegt vor, wenn ein Transfer als einmalig angesehen wird. Als Beispiele für Vermögensübertragungen nennt die Bundesbank Schuldenerlasse, Erbschaften, Schenkungen, bestimmte Investitionszuschüsse und Vermögensmitnahmen von Aus- oder Einwanderern. Während die Zahlungen an die EU als laufende Übertragungen erfaßt werden, zählen von der EU empfangene Leistungen wie etwa Zuschüsse zu Infrastrukturmaßnahmen zum Teil zu den Vermögensübertragungen. Saldo der Bilanz der Vermögensübertragungen in Mrd. DM1

Saldo der Bilanz der V e r m ö g e n s übertragung

1988

1989

1990

-0,02

+ 0,1

-2,1

1991

1992

1993

1994

1995

- 1,0

+ 0,9

+ 0,8

+ 0,3

-0,9

1 Ab Juli 1990 einschließlich Transaktionen der ehemaligen DDR mit dem Ausland. Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte

6.

Die Kapitalbilanz

In der Kapitalbilanz werden Transaktionen verbucht, durch welche die Forderungen an das Ausland und Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland in ihrer Höhe oder Zusammensetzung geändert werden. Forderungen sind wirtschaftliche Rechte auf das Vermögen ausländischer Volkswirtschaften, Verbindlichkeiten sind Anrechte auf Teile des deutschen Volksvermögens, die sich in der Hand von Ausländern befinden.

Drittes Kapitel: D i e Zahlungsbilanz

763

Die Kapitalbilanz im weiteren Sinne wird unterteilt in die Kapitalbilanz im engeren Sinne', die den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr der privaten Haushalte, Unternehmen, der Geschäftsbanken und des Staates erfaßt, und in die Gold- und Devisenbilanz, in der die Transaktionen der Zentralbank verbucht werden, die also die Veränderung der Auslandsposition der Deutschen Bundesbank wiedergibt. In der Kapitalbilanz wird nach der neuen Systematik auf die frühere Unterscheidung zwischen lang- und kurzfristigem Kapitalverkehr weitgehend verzichtet, da sie in wachsendem Maße fragwürdig geworden ist. Man unterscheidet in der Kapitalbilanz zwischen Direktinvestitionen, Wertpapieranlagen, Kreditverkehr und sonstigen Transaktionen. Nur der Kreditverkehr wird weiterhin in kurz- und langfristige Transaktionen untergliedert. Als Direktinvestitionen werden jene Transaktionen erfaßt, die durch ein besonders intensives unternehmerisches Engagement bestimmt sind. Die Bundesbank definiert Direktinvestitionen wie folgt: "Als Direktinvestitionen gelten Finanzbeziehungen zu in- und ausländischen Unternehmen, an denen der Investor mehr als 20% (25% oder mehr bis Ende 1989) der Anteile oder der Stimmrechte hält; einschließlich Zweigniederlassungen und Betriebsstätten. Erfaßt werden Anteile am Kapital einschl. Rücklagen, Gewinn- und Verlustvorträgen sowie kurz- und langfristige Kredite. Als Direktinvestitionen gelten auch alle Anlagen in Grundbesitz."2 Auch die kurzfristigen Finanzbeziehungen verbundener Unternehmen werden als Teil der Direktinvestitionen angesehen. Wertpapieranlagen sind Anlagen in Schuldverschreibungen, Investmentzertifikaten und Dividendenpapieren soweit diese nicht zu den Direktinvestitionen zählen. Nach der neuen Systematik zählen auch Anteile an Geldmarktfonds, Geldmarktpapieren und Finanzderivaten zu den Wertpapieranlagen. Beim Kreditverkehr wird wie bisher zwischen langfristigen Krediten und kurzfristigen Krediten unterschieden. Langfristig sind Kredite und Darlehen, für die bei Vertragsabschluß eine Laufzeit von mehr als zwölf Monaten vereinbart wurde. Zu den sonstigen Kapitalanlagen zählen zum Beispiel die Beteiligung des Bundes an internationalen Organisationen.

1

Wenn man von der "Kapitalbilanz" spricht, meint man in der Regel die Kapitalbilanz im engeren Sinne.

2

D e u t s c h e Bundesbank, Zahlungsbilanzstatistik, Statistisches Beiheft z u m Monatsbericht 3, Juni 1995, S. 4 8 f .

764

Drittes Kapitel: Die Zahlungsbilanz

Kapitalbilanz im engeren Sinne in Mrd. DM 1 (lang- und kurzfristiger Kapitalverkehr) Saldo d e s übrigen K a p i t a l v e r k e h r s darunter: Saldo d e r Direktinvestitionen Jahr

1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995

- 19,3 - 15,3 -34,7 - 32,5 - 26,3 - 22,4 - 25,9 -37,1

S a l d o der Wertpapiertransaktionen

-64,3 -4,4 -5,7 + 41,3 + 46,9 + 182,4 -43,9 + 41,8

insgesamt

-42,0 - 115,0 -50,2 + 12,1 + 71,6 - 146,6 + 128,9 + 51,2

langfristige Kredite der Kreditinstitute

+ 12,3 + 13,0 - 19,6 -27,7 + 13,9 + 12,0 + 15,9 + 39,8

kurzfristige K r e d i t e der Kreditinstitute

S a l d o aller statistisch erfaßten Kapitalbewegungen

-20,4 -58,7 + 2,1 + 40,5 + 67,1 -99,7 + 125,8 + 3,6

- 125,6 - 134,7 -90,5 + 20,9 + 92,2 + 13,4 + 59,0 + 55,8

1 A b Juli 1990 einschließlich Transaktionen der ehemaligen DDR mit dem Ausland. Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, Geschäftsbericht 1995

Bemerkenswert ist, daß der Saldo der Direktinvestitionen während der betrachteten Perioden in allen Jahren negativ war. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, daß die ausländischen Direktinvestitionen in der Bundesrepublik gering waren. So standen deutschen Direktinvestitionen im Ausland von 25,8 Mrd. DM im Jahre 1994 (1993: 25,6 Mrd. DM) nur ausländische Direktinvestitionen von 2,1 Mrd. DM (1993: 0,4 Mrd. DM) gegenüber. Die Bundesrepublik hat auch weit weniger Direktinvestitionen empfangen als andere Mitgliedstaaten der EU. Daraus wird häufig geschlossen, daß die Bundesrepublik als Standort nicht besonders geschätzt wird. 7.

Die Gold- und Devisenbilanz (Veränderung der Netto-Auslandsaktiva der Deutschen Bundesbank)

In der Gold- und Devisenbilanz werden die Veränderungen der Währungsreserven und sonstiger Auslandsaktiva sowie die Veränderung der Auslandsverbindlichkeiten der Deutschen Bundesbank registriert. Währungsreserven sind die leicht liquidierbaren Aktiva, nämlich: 1. Gold 2. Devisen 3. Reserveposition im Internationalen Währungsfonds und Sonderziehungsrechte 4. Forderungen an das Europäische Währungsinstitut Die sonstigen Auslandsaktiva sind langfristige Forderungen, die nicht kurzfristig liquidierbar sind. Dazu zählen Kredite an die Weltbank.

Drittes Kapitel: Die Zahlungsbilanz

765

Sonderziehungsrechte sind ein im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF)' im Jahre 1965 geschaffenes Reservemedium, das unter den Notenbanken der am IWF beteiligten Länder transferiert werden kann. Die Sonderziehungsrechte sind also ein als Währungsreserve dienendes internationales Buchgeld, das entsteht, indem sich die Mitglieder des IWF verpflichten, es zum Ausgleich von Verbindlichkeiten zu akzeptieren. Die Zuteilung der Sonderziehungsrechte an die einzelnen Länder bemißt sich nach der Quote beim IWF, die wiederum von der wirtschaftlichen Bedeutung des Landes abhängt (1991 belief sich die Quote der USA auf 19,6 Prozent, die der Bundesrepublik auf 6,1 Prozent des IWF-Kapitals). Mit den zugeteilten Ziehungsrechten können konvertierbare Währungen erworben werden. Die Verpflichtung zur Annahme von Sonderziehungsrechten ist begrenzt. Die Annahmegrenze wird erreicht, wenn der Bestand an Sonderziehungsrechten auf das Dreifache der zugeteilten Sonderziehungsrechte steigt. Die Reserveposition im IWF setzt sich zusammen aus den Ziehungsrechten in der Reservetranche und aus Krediten aufgrund besonderer Kreditvereinbarungen. Jedes Mitgliedsland des IWF hat, wie bereits erwähnt, eine Quote. Früher mußte ein Viertel der Quote in Gold eingezahlt werden; heute muß ein Viertel in Sonderziehungsrechten oder konvertierbarer Währung eingezahlt werden. Die restlichen 75 Prozent sind in der Landeswährung einzuzahlen. In Höhe der tatsächlich erbrachten Finanzierungsleistung von einem Viertel der Quote ("erste Tranche") und der vom IWF in Landeswährung abgerufenen Beträge erhält das Land ein automatisches Ziehungsrecht in der sogenannten Reservetranche. Wenn also zum Beispiel die Quote zwei Millionen DM beträgt, so entfallen auf die erste Tranche 500 000 DM. Wenn andere Länder 200 000 DM vom Fonds gekauft haben, beläuft sich die Reservetranche auf 700 000 DM. In dieser Höhe kann das Inland Devisen oder Sonderziehungsrechte gegen eigene Währung kaufen. Die Reservetranche zählt somit zu den - beim IWF angelegten - Währungsreserven. Über die Reservetranche hinaus können die Mitglieder des IWF vier Kredittranchen in Höhe von 25 Prozent ihrer Quote in Anspruch nehmen. Bei den Forderungen an das Europäische Währungsinstitut handelt es sich um den ECU-Gegenwert der dem Fonds vorläufig übertragenen Teile der nationalen Währungsreserven. In der Gold- und Devisenbilanz wird die Veränderung der Auslandsposition der Bundesbank registriert. Sie enthält ebensowenig wie die anderen Teilbilanzen der Zahlungsbilanz Bestandsgrößen. Der Bestand an Währungsreserven wird also in der Goldund Devisenbilanz nicht ausgewiesen. Wie sich die Auslandsposition verändert hat, zeigt die folgende Tabelle:

1

Der internationale Währungsfonds (IWF, engl. IMF für "International Monetary Fund") ist e i n e internationale Organisation, deren Mitgliedstaaten sich vertraglich zur Einhaltung vereinbarter Regeln und zu enger Zusammenarbeit in Fragen der internationalen Währungspolitik und des zwischenstaatlichen Zahlungsverkehrs verpflichtet haben (Verhaltenskodex), und sich g e g e n seitig bei der Finanzierung von Zahlungsbilanzdefiziten helfen.

766

Drittes Kapitel: Die Zahlungsbilanz

Veränderung der Netto-Auslandsaktiva der Bundesbank (Saldo der Gold- und Devisenbilanz) (Zunahme: -) in Mrd. DM1

Veränderung der Nettoauslandsaktiva der Bundesbank zu Transaktionswerten

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

+ 34,7

+ 19,0

- 11,0

-0,3

-68,7

+ 35,8

- 12,2

- 17,8

1

Die Zunahme der Auslandsaktiva enthält in den laufenden Veröffentlichungen der Bundesbank ein positives Vorzeichen. Das widerspricht der allgemeinen Systematik der Buchungen in der Zahlungsbilanz. Der Praxis der Bundesbank wird deshalb hier nicht gefolgt. Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte

C.

Das Buchungssystem

Wenn die Zahlungsbilanz in Kontenform dargestellt wird, werden Transaktionen als Credit-Posten verbucht, wenn sie zu einem Zahlungseingang führen oder führen würden, wenn Zahlungen geleistet werden. Sie werden als Debet-Posten verbucht, wenn Transaktionen zu Zahlungsausgängen führen. Bei tabellarischer Darstellung werden Transaktionen, die zu Zahlungseingängen führen oder führen können als Plusposten (+) und Transaktionen, die zu Zahlungsausgängen führen oder führen könnten als Minusposten (-) verbucht. Wenn also zum Beispiel deutsche Waren exportiert werden, so wird dies in der Handelsbilanz als Credit- oder Plusposten verbucht, weil es sich um eine Transaktion handelt, die zu Zahlungseingängen führt oder führen könnte. Warenimporte werden dagegen als Debet- oder Minusposten verbucht, weil sie zu Zahlungsausgängen führen können. Ganz analog werden Dienstleistungsexporte auf der Creditseite oder als Plusposten, Dienstleistungsimporte auf der Debetseite oder als Minusposten verbucht. Wenn die Bundesrepublik einem Entwicklungsland unentgeltlich (als Geschenk) einen bestimmten DM-Betrag zur Verfügung stellt, wird dies in der Übertragungsbilanz als geleistete Übertragung auf der Debetseite oder als Minusposten verbucht, weil die Transaktion zu Zahlungsausgängen führt oder führen kann. Wenn dagegen Ausländer inländische Vermögenstitel erwerben, liegt eine Transaktion vor, die zu Zahlungseingängen führt. Der Verkauf inländischer Vermögenswerte wird ebenso wie der Verkauf von Waren und Dienstleistungen an Ausländer als Credit- oder Plusposten verbucht. Da durch diese Transaktionen Ausländer Ansprüche auf das Vermögen der heimischen Volkswirtschaft erwerben, erscheint dieser Vorgang als Zunahme der Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland in der Kapitalbilanz. Es wurde bisher nicht berücksichtigt, daß in der Zahlungsbilanz alle Transaktionen doppelt verbucht werden. Beide Seiten einer Transaktion, die Leistung und die Gegenleistung, werden erfaßt. Wird keine Gegenleistung erbracht, so erfolgt die Buchung eines fiktiven Gegenpostens in der Übertragungsbilanz. Dies sei an einigen Beispielen erläutert (Zahlen in Mrd. DM):

Drittes Kapitel: D i e Zahlungsbilanz

1.

767

Deutsche Waren im Wert von 100 werden in die USA exportiert. Der amerikanische Importeur zahlt, indem er den entsprechenden Dollarbetrag auf ein Konto überweist, das der deutsche Exporteur (oder dessen Bank) bei einer amerikanischen Bank hat. Buchungen: Warenexporte Zunahme der Forderungen

2.

+100 - 100

(Handelsbilanz) (Kapitalbilanz)

Deutsche Waren im Wert von 100 werden in die USA exportiert. Der amerikanische Importeur zahlt aus einem Guthaben bei einer deutschen Bank. Buchungen: Warenexporte Abnahme der Verbindlichkeiten

3.

+ 100 - 100

(Handelsbilanz) (Kapitalbilanz)

Im Rahmen der Entwicklungshilfe werden Waren im Wert von 60 unentgeltlich geliefert. Buchungen: Warenexporte Geleistete Übertragungen

4.

+ 60 - 60

(Handelsbilanz) (Übertragungsbilanz)

Inländer erhalten Faktoreinkommen in Form von Zinsen und Dividenden aus Kapitalanlagen im Ausland in Höhe von 20. Buchungen:

5.

Faktoreinkommen von Inländern

+ 20

Zunahme der Forderungen

-

20

(Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen) (Kapitalbilanz)

Inländer erwerben Wertpapiere im Ausland in Höhe von 40. Der Kauf wird durch Kreditaufnahme bei einer ausländischen Bank finanziert. Buchungen: Zunahme der Forderungen Zunahme der Verbindlichkeiten

- 40 + 40

(Kapitalbilanz) (Kapitalbilanz)

In Beispiel 5 erfolgen Buchung und Gegenbuchung in der Kapitalbilanz. Der Erwerb von ausländischen Wertpapieren stellt eine Zunahme der Forderungen dar. Die Kreditaufnahme bei der ausländischen Bank ist eine Zunahme der Verbindlichkeiten. Auch wenn der Kauf durch Kreditaufnahme bei einer deutschen Bank finanziert wird, die den Fremdwährungsbetrag aus einem Guthaben bei einer ausländischen Bank zur Verfügung stellt, erfolgt die Gegenbuchung in der Kapitalbilanz, und zwar als Abnahme der Forderungen.

768

6.

Drittes Kapitel: Die Zahlungsbilanz

Die Zentralbank kauft von einer inländischen Bank Dollar in Höhe von 80. Buchungen: Zunahme der Forderungen der Zentralbank

-

80

(Gold- und Devisenbilanz)

Abnahme der Forderungen gegen- + 80 über Ausländern

(Kapitalbilanz i.e.S)

In diesem Fall wird (ausnahmsweise) in der Zahlungsbilanz eine Transaktion verbucht, obwohl es sich nicht um eine Transaktion zwischen Inländern und Ausländern handelt. Wenn in der Zahlungsbilanz alle Transaktionen vollständig und fehlerfrei erfaßt würden, und Leistungen und Gegenleistungen jeweils zum gleichen Zeitpunkt mit gleichem Wertansatz verbucht würden, müßte die Summe aller Creditposten gleich der Summe aller Debetposten sein. Die Zahlungsbilanz insgesamt müßte stets ausgeglichen, die Summe aller Teilbilanzen gleich Null sein. In der Realität ist das nicht so. Erfassungslücken und Erfassungsfehler sowie unterschiedliche Bewertungen von Leistung und Gegenleistung 1 bewirken, daß die Summe aller Creditposten von der Summe aller Debetposten abweicht. Diese Diskrepanz tritt auf, weil in der Praxis die einzelnen Transaktionen keineswegs von "Buchhaltern der Bundesbank" jeweils gleichzeitig als Credit- und Debetposten verbucht werden. Die Angaben in der Zahlungsbilanzstatistik stammen aus unterschiedlichen Quellen. Sie werden von verschiedenen Stellen unabhängig voneinander ermittelt. Deshalb tritt regelmäßig eine Restgröße auf, die als "Restposten" oder als "Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen" in die Zahlungsbilanz eingefügt wird, um diese rechnerisch auszugleichen. Unter Einschluß dieses Restpostens ist die Zahlungsbilanz stets ausgeglichen. Die folgende Tabelle gibt an, wie sich die Zahlungsbilanz seit 1975 entwickelt hat.

1

Bewertungsfehler treten auf, wenn bei Fremdwährungstransaktionen Leistung und Gegenleistung zu verschiedenen Kursen in DM umgerechnet werden.

V 9

T3 w> s

9 3

e W

O ö o ' + '

1

'

er o oo_ in oc r l on CD no rn —^ o r- ro r i ö no* o" ng oo" r i r i ^ oo rf r i On" m" r i r i ' + ' + + + + ' + + r < — + iN — —

Nachr.: Veränderung zu Bilanzkursen6 Transaktionswerte Kapitalbilanz im engeren Sinne4 DienstErwerbsleistungen3 und Vermögenseinkommen Außenhandel 2

BD e a 3 a N c

Leistungsbilanz

a Vi

Saldo der Leistungsbilanz

c

Jahr

•ri

r oo ifì oo o o \ rn — —_ — oc cd es r-; o o cn r^ oo^ r i oc r i oo" O on >n r-' r i co" 1-+ m" —' •o —" tj-" on —' o oo" in r i r' + — ' + + + ro + — + ' n1 ' + ' ~' — + ++ io' m+ - +-

« o « - in ißtN t s n ^ Tf o t N o « - o o\oo m ai o" o* o o" o" o" o" — o" o" o" o" ö ö' 'ö ' o" + Ö r' f '—+o" + + o" '

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E .g

CN in -rf Vi in NO o m oo c* in no ON, oo Tt C| NO —' r i r i r-- in —* r i —* —" r i —' r i —' in o r i t}-" oo" in + + + ~ ' (1 + i) ist. Bestehen solche Ertragsunterschiede, werden Kapitalbewegungen ausgelöst, die zu einem Arbitragegleichgewicht führen, in dem gilt:

Viertes Kapitel: Der Wechselkurs

783

w i - ( l + i ) = (l+i) w

w,

(1+i)

w

(1+0

W,

w

(1+i)

(1+0

w

w

(1+0

(1+0

w,-w

(i-0

w

(1+0

Dieses Gleichgewicht ist auch als gedeckte Zinsparität bekannt. Wenn i* klein ist (weil die betrachtete Periode kurz ist), schreibt man auch vereinfachend: w, —w w Der Swapsatz ist also im Arbitragegleichgewicht approximativ gleich der Differenz aus Inlandszins und Auslandszins. Für i > i* ist w, > w; es liegt ein Report vor. Für i < i* ist w, < w; es liegt ein Deport vor. B. Der reale Wechselkurs Wenn die DM gegenüber dem Dollar nominal aufgewertet wird, bedeutet dies, daß man mit einem gegebenen DM-Betrag mehr Dollar kaufen kann als zuvor. Das besagt aber noch nicht, daß man mehr amerikanische Waren kaufen kann. Wenn man zum Beispiel infolge der Aufwertung der DM für einen bestimmten DMBetrag doppelt so viele Dollar erhält wie früher, die Preise der amerikanischen Waren sich aber im Durchschnitt ebenfalls verdoppelt haben, hat sich die Kaufkraft der DM in bezug auf amerikanische Waren nicht erhöht. Um zu ermitteln, wie hoch die Kaufkraft der DM in bezug auf amerikanische Waren ist, multipliziert man den nominalen Wechselkurs w mit dem Preis p* eines repräsentativen Güterbündels. Das Produkt w • p* gibt dann den DM-Preis des amerikanischen Güterbündels an. Wenn zum Beispiel der nominale Wechselkurs w = 2 DM pro Dollar ist und der Preis eines Warenbündels in den USA 50 Dollar beträgt, ist der DM-Preis des Güterbündels 100 DM. Man erhält den realen Wechselkurs wreal, indem man den DM-Preis des amerikanischen Güterbündels durch den Preis dividiert, den das gleiche Güterbündel in der Bundesrepublik kostet. Man erhält: w•p

784

Viertes Kapitel: Der Wechselkurs

Wenn also zum Beispiel der nominale Wechselkurs 2 DM pro Dollar beträgt, der Preis p* eines Güterbündels in den USA 50 Dollar und der Preis p des gleichen Güterbündels in Deutschland 80 DM beträgt, beläuft sich der reale Wechselkurs auf 1,25.' Der reale Wechselkurs informiert über die Kaufkraft einer Währung im Inland relativ zu der im Ausland. Die Kaufkraft einer Einheit Inlandswährung beim Kauf eines Güterbündels im Inland ist 1/p, wenn p der Preis für das Güterbündel im Inland ist. Wird das Güterbündel im Ausland gekauft, ist die Kaufkraft l/(w p ). Der Quotient aus der Kaufkraft im Inland und der im Ausland ist der reale Wechselkurs. _ Wreal=

1/p

_ w • p*

l/(w.p')



Wenn also der reale Wechselkurs größer als 1 ist, ist die Kaufkraft im Inland größer als im Ausland. Eine reale Aufwertung liegt vor, wenn der reale Wechselkurs sinkt. Die inländischen Güter werden relativ zu den ausländischen Gütern teurer. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Wirtschaft verschlechtert sich. Die inländische Währung wird real aufgewertet, wenn der nominale Wechselkurs bei konstantem Preisniveau im In- und Ausland sinkt. Eine reale Aufwertung ergibt sich auch, wenn bei konstantem nominalem Wechselkurs das Preisniveau im Inland stärker steigt als im Ausland. Schreibt man die Gleichung für den realen Wechselkurs mit Hilfe von Veränderungsraten, so gilt approximativ: wrea, = w + p * - p Da p* die ausländische Inflationsrate % und p die inländische Inflationsrate n ist, kann man auch schreiben: W reaI = W + 7 t * - 7 I

Approximativ ist die Veränderungsrate des realen Wechselkurses gleich der um die Differenz aus den Inflationsraten des Auslandes K und des Inlandes K bereinigten Änderungsrate des nominalen Wechselkurses. Wenn also zum Beispiel der nominale Wechselkurs um 10 Prozent sinkt (w = - 0,1 ), die Inflationsrate im Ausland acht Prozent (jt* = 0,08) und die Inflationsrate im Inland drei Prozent (K = 0,03) betragen, so sinkt der reale Wechselkurs nur um 5 Prozent. Die reale Aufwertung ist damit in diesem Fall geringer als die nominale Aufwertung.

1

M a n muß also 1,25 Einheiten des deutschen Güterbündels aufwenden, um eine Einheit des amerikanischen Güterbündels zu erhalten.

785

Viertes Kapitel: Der Wechselkurs

C.

Der Außenwert der W ä h r u n g

In der amtlichen Statistik wird das Ausmaß, in dem sich die DM gegenüber anderen Währungen auf- oder abwertet, durch Indizes erfaßt. Dabei geht man vom Wechselkurs in Mengennotierung w ' = 1/w aus. Ist zum Beispiel in der Basisperiode Null der Außenwert w„' = 0,5 Dollar pro DM, und steigt er in der Periode 1 auf w,' = 0,625 Dollar pro DM, so ergibt sich für die Periode 1 aus w|7w0' = 1,25 ein Index von 125, wenn man wn' = 100 setzt. Periode

nominaler Außenwert der DM

nominaler Außenwert Index

0 1

0,5 Dollar = 1 DM 0,625 Dollar = 1 DM

100 125

Der Außenwert der DM gegenüber dem Dollar ist also von 100 in der Periode Null auf 125 in der Periode 1 gestiegen. Das bedeutet, daß die DM um 25 Prozent aufgewertet worden ist. Auch die Entwicklung des realen Außenwertes der DM wird durch Indizes gemessen. Man geht bei der Berechnung der Indizes vom Kehrwert des realen Wechselkurses aus:

real

Wreal

* W• p

* p

Das inländische und ausländische Preisniveau werden durch Preisindizes gemessen, die für die Basisperiode jeweils gleich 100 gesetzt werden. Man erhält den Index des realen Außenwertes der DM gegenüber dem Dollar, indem man den Index des nominalen Außenwertes mit dem inländischen Preisindex multipliziert und durch den ausländischen Preisindex dividiert. Periode

0 1 2 3

nominaler Außen- Index des Preisindex Preisindex Index des wert der DM nominalen für die BRD für die USA realen gegenüber dem Außenwerts Außenwerts Dollar 0,5 0,625 0,5 0,625

100 125 100 125

100 100 100 112

100 100 125 100

100 125 80 140

In unserer Tabelle werden für alternative Werte des nominalen Außenwertes w', des inländischen und des ausländischen Preisindex jeweils der Index des realen Außenwertes bestimmt.

786

Viertes Kapitel: Der Wechselkurs

Wenn die DM gegenüber einigen Währungen aufgewertet und gegen andere Währungen abgewertet wird, fragt es sich, wie sich insgesamt der nominale und der reale Außenwert entwickelt haben. Man ermittelt die Veränderung des Außenwertes der DM gegenüber den verschiedenen Währungen als gewogenen Durchschnitt der Veränderungsraten der einzelnen Außenwerte. Als Gewichte werden in der Regel die Anteile der einzelnen Länder am Außenhandel des Inlands benutzt.' Die Bundesbank ermittelt den nominalen Außenwert bilateral gegenüber 18 Ländern sowie unter anderem den gewogenen nominalen Außenwert gegenüber den 18 wichtigsten Industrienationen. So wie man zwischen nominalem und realem Außenwert unterscheidet, muß auch zwischen dem gewogenen nominalen Außenwert und dem gewogenen realen Außenwert differenziert werden. Der gewogene reale Außenwert ist der gewogene Außenwert gegenüber den 18 wichtigsten Industrieländern unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Inflationsraten. Um ihn zu ermitteln, kann man zunächst den realen Außenwert in Indexform gegenüber den einzelnen Handelspartnern ermitteln und sodann eine Gewichtung vornehmen. Mit dem Index des gewogenen realen Außenwerts ist eine Größe gegeben, die widerspiegelt, wie sich preislich die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft auf dem Weltmarkt entwickelt hat. Die ermittelten Werte hängen jedoch stark von dem Gewichtungsschema und den zugrundegelegten Preisindizes ab. Die folgende Tabelle zeigt, wie sich der Außenwert der DM entwickelt hat. Entwicklung des Außenwertes der DM (1972 = 100, Zahlen im Jahresdurchschnitt) Jahr gegenüber dem US französ. Dollar Franc

1975 1980 1985 1990 1991 1992 1993 1994 1995

131 178 110 200 195 207 195

199 225

110 147 192 212 214 214 216 216 219

Pfund Sterling

Gewogener japan. Yen nominaler Außenwert gegenüber 18 Industrieländern

139 179 200 263 259 276 305 305 335

126 131 85 94 85 85 71 66 69

119 152 154 186 183 189 193 193 204

Gewogener realer Außenwert gegenüber 18 Industrieländern' 104 100 86 92 90 93 96 97 101

Gemessen an den Verbraucherpreisen. 1 Quelle: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank

1

Zur Berechnungsmethode siehe Deutsche Bundesbank, Aktualisierung der Außenwertberechnungen für die D M und fremde Währungen, Monatsbericht, April 1989, S. 4 4 ff.

787

Viertes Kapitel: Der Wechselkurs

D.

Feste und flexible Wechselkurse

Die internationale Währungsordnung wird entscheidend dadurch geprägt, wie der Wechselkurs bestimmt wird. Man kann zwei Grundsysteme unterscheiden: Währungssysteme mit festen und solche mit flexiblen Wechselkursen. Diese Systeme sollen in diesem Abschnitt in ihren Grundzügen dargestellt werden.

1.

Flexible Wechselkurse

Nach dem Zusammenbruch des Systems von Bretton-Woods im Jahre 1973, das ein auf Gold und Dollar basierendes System fester, aber anpassungsfähiger Wechselkurse mit dem Dollar als Reservewährung war 1 , praktizieren heute Länder wie die USA oder Japan ein System weitgehend flexibler Wechselkurse. Da die Wechselkurse der wichtigsten Währungen der Welt wie der US-Dollar, die DM und der Yen im Verhältnis zueinander flexibel sind, ist der Welthandel in der Gegenwart wesentlich durch flexible Wechselkurse geprägt. In diesem Abschnitt soll zunächst ein einfaches Modell der Wechselkursbestimmung erläutert werden, das bis zur Entwicklung der neuen Finanzmarktansätze zur Erklärung der Wechselkursbildung häufig verwendet wurde. Trotz der Mängel des Modells, die später noch geschildert werden, kann es als sinnvoller Einstieg dienen. Der Grundgedanke unseres Modells besteht darin, daß der Wechselkurs, wie andere Preise auch, durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Die Wechselkursbildung kann bei diesem Ansatz mit Hilfe von Abb. 4.1 erläutert werden. A b b . 4.1

w

= DM/Dollar A

2,5 DM/Dollar 2,0 DM/Dollar 1,5 DM/Dollar

0

Dollar

Auf der Ordinate wird der Wechselkurs w, also der in DM ausgedrückte Preis des Dollar, angegeben. Auf der Abszisse wird die Menge an Dollar abgetragen. Die Nachfragekurve N und die Angebotskurve A geben an, wie groß bei alternativem Wechselkurs die Menge an Dollar ist, die angeboten oder nachgefragt wird. Bei flexiblen Wechselkursen bildet sich der Gleichgewichtswechselkurs, bei dem die angebotene Menge an Dollar gleich der nachgefragten Menge ist.

1

Siehe dazu die Darstellung in Kapitel sieben des dritten Teils.

788

Viertes Kapitel: Der W e c h s e l k u r s

Die Nachfrage nach Dollar Dollar werden nachgefragt, um in den USA Waren und Dienstleistungen oder Vermögenswerte wie Wertpapiere oder Grundstücke zu kaufen. Die Dollarnachfrage ist aus der Nachfrage nach amerikanischen Waren, Dienstleistungen und Vermögensobjekten abgeleitet. Sie entspricht den Debetposten der Zahlungsbilanz. Wenn der Wechselkurs steigt, werden bei konstanten Dollarpreisen die amerikanischen Waren für die Inländer teurer, weil der DM-Preis steigt. Die Menge an ausländischen Waren und Dienstleistungen, die im Inland nachgefragt werden, sinkt. Das bedeutet, daß auch die Dollarnachfrage sinkt, wie die folgende Tabelle zeigt: Preis in Dollar (1)

Wechselkurs w = DM/Dollar (2)

Preis in DM (1) • (2) = (3)

10 10 10

1,5 2,0 2,5

15 20 25

importierte Menge (4) 100 80 60

Nachfrage nach Dollar (1) • (4) = (5) 1000 800 600

Da die DM-Preise steigen, wenn der Wechselkurs steigt, ist die nachgefragte Menge und damit auch die Dollarnachfrage um so geringer, je höher der Wechselkurs ist. Die Kurve, die angibt, wie hoch die Dollarnachfrage bei alternativen Wechselkursen ist, hat also den in Abb. 4.1 dargestellten Verlauf. Wie stark sich bei einer Wechselkursänderung die Dollarnachfrage ändert, hängt von der Preiselastizität der Importnachfrage ab. Wenn die Importnachfrage preisunelastisch ist, wird die Abwertung der DM nur zu einem geringen Rückgang der nachgefragten Menge führen. Auch die Dollarnachfrage sinkt dann nur wenig. Die Dollarnachfrage ist um so unelastischer, j e unelastischer die Importnachfrage ist. Das Angebot an Dollar Dollar werden angeboten, weil deutsche Waren, Dienstleistungen und Vermögensobjekte von Ausländern gekauft werden. Das Dollarangebot entspricht den Creditposten der Zahlungsbilanz. Wenn der Wechselkurs steigt, die DM dem Dollar gegenüber also abgewertet wird, werden bei gegebenem DM-Preis deutsche Waren für Ausländer billiger. Es werden mehr deutsche Waren nachgefragt. Dies bedeutet aber nicht zwingend, daß auch mehr Dollar angeboten werden. Dies sei mit Hilfe der folgenden Tabelle erläutert: Preis in DM

Wechselkurs w = DM/Dollar

Dollarpreis

exportierte Menge

(1)

(2)

( 1 ) : ( 2 ) = (3)

(4)

Dollarangebot (Exportwert in Dollar) (3) • (4) = (5)

24 24 24 24

1,5 2,0 2,4 3,0

16 12 10 8

100 150 180 200

1600 1800 1800 1600

789

Viertes Kapitel: Der Wechselkurs

In der Ausgangssituation ist bei einem DM-Preis von 24 und bei einem Wechselkurs w = 1,5 DM/Dollar der Dollarpreis gleich 16. Es werden 100 Einheiten nachgefragt und 1600 Dollar angeboten. Steigt der Wechselkurs auf zwei DM/Dollar, so sinkt der Dollarpreis auf 12 Dollar, die nachgefragte Menge steigt von 100 auf 150. Die relative Mengenänderung ist in unserem Beispiel größer als die relative Preisänderung, die Preiselastizität der Nachfrage nach deutschen Exportgütern also größer als eins. Deshalb steigt das Dollarangebot von 1600 auf 1800. Die dritte Zeile unserer Tabelle zeigt, daß bei steigendem Wechselkurs und dem dadurch bewirkten sinkenden Dollarpreis das Dollarangebot nicht zu steigen braucht. In unserem Beispiel ändert sich das Dollarangebot nicht, wenn der Wechselkurs von zwei auf 2,4 DM pro Dollar steigt. Das ist deshalb so, weil in dem betrachteten Preisintervall die Preiselastizität der Nachfrage nach deutschen Exportgütern gleich eins ist.1 Die letzte Zeile zeigt, daß bei einem Anstieg des Wechselkurses das Dollarangebot sogar sinken kann. Das ist dann der Fall, wenn die Preiselastizität der Nachfrage kleiner als eins ist. Das Dollarangebot kann also bei steigendem Wechselkurs steigen, konstant bleiben oder sinken. Die Dollarangebotskurve kann daher auch anders verlaufen als in Abbildung 4.1, bei der angenommen wurde, daß die Preiselastizität der amerikanischen Importnachfrage nach deutschen Gütern größer als eins ist. Änderung der Nachfrage und des Angebots Eine große Zahl von Faktoren hat Einfluß auf die Nachfrage oder das Angebot an Devisen. Änderungen, die dazu führen, daß die inländische Nachfrage nach ausländischen Gütern, Dienstleistungen oder Vermögensobjekten bei gegebenem Wechselkurs steigt, führen zu einer Verschiebung der Nachfragekurve nach rechts. Als Folge der gestiegenen Dollarnachfrage steigt der Wechselkurs. Die inländische Währung wird abgewertet, wie Abb. 4.2 zeigt. w = DM/Dollar

N0

\N,

A„

w, w0

Dollar

1

Mißt man die Preiselastizität der amerikanischen Importnachfrage nach deutschen Gütern mit Hilfe der Formel für die Bogenelastizität Ax p, + p2 Ap x, + x 2 '

, , so erhält man:

30 12+10 E,„p = — - • " - 2 150+180

790

Viertes Kapitel: Der Wechselkurs

Die Nachfrage nach ausländischen Gütern und Dienstleistungen steigt, wenn sich das Einkommen im Inland erhöht, weil dann ceteris paribus nicht nur mehr inländische, sondern auch mehr importierte Güter nachgefragt werden. Auch größere Präferenz für ausländische Güter oder steigende Inlandspreise bei konstanten Auslandspreisen führen dazu, daß die Nachfrage nach importierten Gütern steigt. Die steigende Nachfrage nach importierten Gütern und Dienstleistungen bedeutet, daß auch die Dollarnachfrage steigt. Aber auch Zinsänderungen haben Auswirkungen auf die Dollarnachfrage. Wenn zum Beispiel bei konstantem Auslandszins der Inlandszins sinkt, wird ceteris paribus eine Anlage im Ausland für Inländer lohnender. Es werden Dollar nachgefragt, um ausländische Wertpapiere kaufen zu können. Alle Faktoren, die zu einer steigenden Dollarnachfrage führen, bewirken, daß sich die Nachfragekurve nach rechts verschiebt und der Wechselkurs steigt, die DM also abgewertet wird. Umgekehrt führen alle Faktoren, die zu steigendem Dollarangebot führen, zu einer Rechtsverschiebung der Dollarangebotskurve, wie Abbildung 4.3 zeigt:

Abb. 4.3

Der Wechselkurs sinkt, der Dollar wird also billiger, die DM wird gegenüber dem Dollar aufgewertet. Steigendes Einkommen im Ausland, wachsende Präferenz für inländische Güter, steigendes ausländisches Preisniveau oder sinkende Zinsen im Ausland relativ zu den Inlandszinsen sind Faktoren, die ceteris paribus zu einem größeren Dollarangebot führen.

2.

Feste Wechselkurse

Im Gegensatz zu einem System flexibler Wechselkurse wird bei festen Wechselkursen der Wechselkurs durch die Regierungen fixiert. Der Wechselkurs kann nicht auf Änderungen der Devisennachfrage oder des Devisenangebotes reagieren. Die Währungsbehörden sind verpflichtet, Abweichungen des Wechselkurses von der festgelegten Parität - zum Beispiel zwei DM pro Dollar - zu verhindern. Sie erfüllen ihre Aufgabe, indem sie auf dem Devisenmarkt intervenieren und Devisen kaufen oder verkaufen. Die Wirkungsweise eines Systems fester Wechselkurse kann mit Hilfe von Abbildung 4 . 4 erläutert werden.

791

Viertes Kapitel: Der Wechselkurs

Abb. 4.4

w = DM/Dollar

W, w = w.o

Parität

Q,

Q2

Dollar

Bei der Dollarnachfrage N 0 und dem Dollarangebot A0 würde sich bei flexiblen Wechselkursen der Gleichgewichtswechselkurs w 0 bilden. Es sei angenommen, daß dieser Kurs der Parität w entspricht. Devisenangebot wäre bei der festgesetzten Parität gleich Devisennachfrage, die Zahlungsbilanz wäre ausgeglichen. Probleme ergeben sich, wenn sich Dollarnachfrage oder Dollarangebot ändern. Nehmen wir an, die Dollarnachfrage steige und werde durch die neue Nachfragekurve N, repräsentiert. Bei flexiblen Wechselkursen würde sich der Wechselkurs w, bilden; die DM würde abgewertet. Bei festem Wechselkurs ist es Aufgabe der Währungsbehörden, die Abwertung zu verhindern. Der festgesetzte Paritätskurs muß verteidigt werden. Um dies zu erreichen, muß die Zentralbank die Überschußnachfrage nach Dollar beseitigen, indem sie selbst Dollar anbietet. In Abbildung 4.4 muß sie zum Paritätskurs w Q]Q 2 Dollar verkaufen. Durch diese Intervention nehmen die Währungsreserven der Zentralbank ab. Da die Währungsreserven der Zentralbanken begrenzt sind, können Zahlungsbilanzdefizite nicht dauerhaft finanziert werden. Statt eines Nachfrageüberschusses kann sich am Devisenmarkt auch ein Angebotsüberschuß ergeben. Wenn sich in Abbildung 4.5 das Dollarangebot von A 0 auf A, erhöht, ergibt sich ein Angebotsüberschuß (AÜ) von Q ^ , falls der Wechselkurs auf dem Niveau w = w 0 fixiert ist. Abb. 4.5

w = DM/Dollar

A

w = w.o

Q,

Q2

Dollar

792

Viertes Kapitel: Der Wechselkurs

Um die festgelegte Parität zu verteidigen, müßte die Zentralbank intervenieren, indem sie Dollar kauft. Die Währungsreserven erhöhen sich. In einem System fester Wechselkurse benötigen die Zentralbanken Währungsreserven, um die festen Wechselkurse verteidigen zu können. In einem System völlig flexibler Wechselkurse, in dem die Zentralbanken am Devisenmarkt nicht intervenieren (reines Floaten), werden dagegen Währungsreserven nicht benötigt. Feste, aber anpassungsfähige Wechselkurse Feste Wechselkurse waren in der jüngeren Vergangenheit in den meisten Fällen nicht unabdingbar fest, sondern konnten im Fall schwerwiegender (fundamentaler) Ungleichgewichte durch Vereinbarungen der am System beteiligten Regierungen oder auch durch einseitige Entscheidungen geändert werden. Man glaubte auf diese Art die Vorteile fester Wechselkurse bewahren zu können, ohne daß man bei schwerwiegenden Zahlungsbilanzstörungen auf die binnenwirtschaftlich gebotenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen verzichten mußte, um den festen Wechselkurs zu verteidigen. Anders als im System unabdingbar fester Wechselkurse besteht in einem solchen System fester, aber bei Bedarf anpassungsfähiger Wechselkurse das Problem mangelnder Glaubwürdigkeit, das seinerseits eine destabilisierende Spekulation provozieren kann. Feste Wechselkurse mit Bandbreiten Häufig sind Systeme fester Wechselkurse dadurch charakterisiert, daß die Wechselkurse zwar durch die festgesetzten Paritäten auf einem bestimmten Niveau fixiert sind, aber dennoch innerhalb einer meist eng begrenzten Bandbreite schwanken können. So mag zum Beispiel die Parität der DM gleich zwei DM pro Dollar sein, der tatsächliche Wechselkurs aber um ein Prozent nach oben oder unten von der Parität abweichen können, ohne daß die Zentralbank verpflichtet ist, auf dem Devisenmarkt zu intervenieren. Der Wechselkurs könnte also zwischen 1,98 DM pro Dollar und 2,02 DM pro Dollar schwanken. Man nennt die Untergrenze den unteren Interventionspunkt und die Obergrenze den oberen Interventionspunkt. Erst wenn diese Interventionspunkte erreicht werden, muß die Zentralbank eingreifen, um eine Aufwertung oder eine Abwertung zu verhindern.

Viertes Kapitel: Der Wechselkurs

793

Literatur zum vierten Kapitel des dritten Teils Hubertus Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 2. Auflage, Berlin 1990, S. 69-163. Gustav Dieckheuer, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 3. Auflage, München 1995, S. 317-345. Keith Pilbeam, International Finance, Houndsmill 1992, S. 3-31. Klaus Rose, Artikel Wechselkurs, in: Willi Albers u.a. (Hrsg.) Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft (HdWW), Band 9, Stuttgart 1980, S. 576-605. Klaus Rose, Karlhans Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft, 11. Auflage, München 1992, S. 177-203. Manfred Wilms, Internationale Währungspolitik, 2. Auflage, München 1995, S. 17-29.

Fünftes Kapitel Die Anpassung der Zahlungsbilanz A.

Die Zahlungsbilanzanpassung bei festen Wechselkursen

Wenn in einem System fester Wechselkurse ein Zahlungsbilanzdefizit oder ein Zahlungsbilanzüberschuß besteht, müssen die Zentralbanken am Devisenmarkt intervenieren und Devisen verkaufen oder kaufen. Letztlich muß es jedoch zu einer Anpassung der Zahlungsbilanz kommen. Das gilt in besonderem Maße für Länder mit Zahlungsbilanzdefiziten. Bei anhaltenden Defiziten und dem damit verbundenen Verlust an Währungsreserven sind diese früher oder später erschöpft. Die Länder können solche Defizite nur für eine gewisse Zeit durch Abgabe von Währungsreserven finanzieren. Auf längere Sicht muß das Ungleichgewicht beseitigt werden. 1.

Kurzfristige Ungleichgewichte

Wenn ein Zahlungsbilanzdefizit entsteht, von dem erwartet wird, daß es temporär ist und in relativ kurzer Zeit zurückgeführt werden wird, ist es wahrscheinlich, daß private Kapitalzuflüsse oder Kapitalabflüsse einen wichtigen Beitrag leisten, um das Defizit oder den Überschuß zu beseitigen. Nehmen wir an, daß wegen schlechter Ernten, Streiks oder aus anderen Gründen ein Defizit entsteht, von dem erwartet wird, daß es temporär und nicht Ausdruck eines fundamentalen Ungleichgewichts ist. Die Inlandswährung gerate also unter Druck, und der Wechselkurs nähere sich dem oberen Interventionspunkt, bei dem die Zentralbank eingreifen muß, um eine weitere Abwertung zu verhindern. Private Anleger werden erwarten, daß der Wechselkurs nur sinken kann. Es besteht ein Anreiz zu Kapitalimporten, weil ein Gewinn erzielt wird, wenn der durch die Paritäten bestimmte Wechselkurs sich wieder einstellt. Der entgegengesetzte Prozeß spielt sich ab, wenn sich der Wechselkurs infolge von Störungen, die als kurzfristig angesehen werden, dem unteren Interventionspunkt nähert. Die Anleger erwarten, daß sich der normale Wechselkurs bald wieder einstellt, die inländische Währung sich also abwerten wird. Es lohnt sich, ausländische Wertpapiere zu kaufen. Die kurzfristigen Kapitalbewegungen wirken temporären Überschüssen oder Defiziten entgegen, so daß die Wechselkurse nur mit einer Marge schwanken, die geringer ist als die offizielle Bandbreite. Veränderungen der Zinssätze verstärken diese stabilisierenden Kapitalbewegungen. Wenn bei einem Zahlungsbilanzdefizit die Zinsen im Inland erhöht werden, wird Auslandskapital angezogen. Wird bei einem Zahlungsbilanzüberschuß der Inlandszins gesenkt, kommt es zu einem Kapitalabfluß. Mit Hilfe kurzfristiger Kapitalbewegungen werden so kurzfristige Ungleichgewichte finanziert und der Wechselkurs stabilisiert. Entscheidende Voraussetzung dafür, daß es zu diesen stabilisierenden Kapitalbewegungen kommt, ist Vertrauen in die langfristige Stabilität der durch die festgesetzten Paritäten bestimmten Wechselkurse. Das ist dann zu erwarten, wenn die Wechselkurse unabdingbar fest sind und nicht im Bedarfsfall geändert werden können. Wenn es Zweifel daran gibt, daß die Parität aufrechterhalten wird, kann es zu genau entgegengesetzten destabilisierenden Kapitalbewegungen kommen. Wenn sich zum Beispiel der Wechselkurs dem oberen Interventionspunkt nähert und bei festen, aber anpassungsfähigen Wechselkursen

796

Fünftes Kapitel: Die Anpassung der Zahlungsbilanz

vermutet wird, daß es zu einer Abwertung der Inlandswährung kommt, wird sich der Druck auf die Inlandswährung verstärken. Kapitalanlagen im Ausland werden lohnend, wenn der erwartete Gewinn, der sich bei einer möglichen Abwertung ergibt, größer ist als der bei engen Bandbreiten sich ergebende Verlust, den man zu tragen hätte, wenn die Währung sich innerhalb der offiziellen Bandbreite wieder aufwertet. Grundsätzlich anders als bei den kurzfristigen reversiblen Zahlungsbilanzstörungen ist die Zahlungsbilanzsituation zu beurteilen, wenn es sich um Defizite oder Überschüsse handelt, deren Ursache ein fundamentales Ungleichgewicht ist. In diesem Fall reicht es nicht aus, das Defizit zu finanzieren. Es muß zu einer Anpassung kommen, durch die das Ungleichgewicht beseitigt wird. In den beiden folgenden Abschnitten werden zwei "automatische" Anpassungsprozesse dargestellt, die sich durch die ihnen zugrundeliegenden Annahmen unterscheiden.

2.

Der Geldmengenpreismechanismus

Der klassische Geldmengenpreismechanismus beschreibt einen automatisch ablaufenden Anpassungsprozeß, wie er zur Zeit des Goldstandards stattgefunden haben soll.1 Der Goldstandard war ein System fester Wechselkurse, die durch die Goldparitäten bestimmt waren. Die Zentralbanken waren zum An- und Verkauf von Gold zu einem festen Preis verpflichtet. Im Falle eines Zahlungsbilanzdefizits kam es zu einem Abfluß von Gold. Da das Gold gegen Inlandswährung verkauft wurde, sank infolge des Goldabflusses die inländische Geldmenge. Nach der Quantitätstheorie hat dies ein Sinken des Preisniveaus zur Folge. Infolge der sinkenden Preise wird die Wirtschaft wettbewerbsfähiger. Die Exporte steigen und die Importe sinken, das Zahlungsbilanzdefizit wird reduziert. Andererseits kommt es in Ländern mit einem Zahlungsbilanzüberschuß zu einem Goldzufluß. Die inländische Geldmenge steigt. Da unterstellt wird, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sei konstant und es herrsche Vollbeschäftigung, muß das Preisniveau steigen. Der Zahlungsbilanzüberschuß sinkt. Goldzu- und -abfluß halten an, bis ein Zahlungsbilanzausgleich erreicht wird. Der Geldmengenpreismechanismus ist ein Vorläufer der monetären Zahlungsbilanztheorie, in der Zahlungsbilanzüberschüsse und Zahlungsbilanzdefizite durch Bestandsungleichgewichte auf dem Geldmarkt erklärt werden. 2 Der beschriebene Geldmengenpreismechanismus, der auch bei anderen Währungssystemen mit festen Wechselkursen wirksam werden kann, setzt voraus, daß die Zentralbanken Geldmengenzuflüsse und -abflüsse nicht durch eine entgegengerichtete Geldpolitik neutralisieren, indem sie etwa bei einem Zufluß an Gold oder anderen Währungsreserven kontraktive Geldpolitik betreiben, so daß die inländische Geldmenge nicht steigt. Der Mechanismus versagt auch, wenn kurzfristig Preise und Löhne nicht flexibel sind, so daß es trotz Änderung der Geldmenge nicht zu steigenden oder sinkenden Preisen kommt. Aber selbst wenn die Preise im Defizitland sinken und im Überschußland steigen, bedeutet dies nicht zwingend, daß sich im Defizitland die Leistungsbilanz verbessert und im Überschußland verschlechtert. Wenn in einem Defizitland die Preise sinken, wird die exportierte Menge steigen. Da die Güter aber zu einem niedrigeren Preis verkauft

1

Siehe dazu die Darstellungen im siebten Kapitel: Währungsunion in historischer Perspektive.

2

Siehe dazu die Darstellung in Teil C dieses Kapitels.

Fünftes Kapitel: D i e A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz

797

werden, kann der Exporterlös trotz der größeren Exportmenge sinken. Selbst wenn der Importwert sinkt, kann sich die Leistungsbilanz verschlechtern, sofern der Exportwert stärker sinkt als der Importwert. 3.

Der Einkommensmechanismus

Nach dem klassischen Geldmengenpreismechanismus wird nach einer Störung das Zahlungsbilanzgleichgewicht wiederhergestellt, indem es in einem Land mit einem Zahlungsbilanzüberschuß zu Preissteigerungen und im Defizitland zu Preissenkungen kommt. Bei dem jetzt darzustellenden keynesianischen Einkommensmechanismus geht man von der Annahme kurzfristig fixierter Preise und Unterbeschäftigung aus. Es wird gezeigt, wie Störungen des Leistungsbilanzgleichgewichts Einkommensänderungen induzieren, die einen Beitrag zur Herstellung eines neuen Gleichgewichts leisten. Bei der Analyse wird angenommen, daß die Wechselkurse fest sind. Man betrachtet Veränderungen des Außenbeitrags. Wenn die Übertragungen und der Saldo der Faktoreinkommen sich nicht ändern, sind Änderungen des Außenbeitrags zugleich Änderungen der Leistungsbilanz. Es sei angenommen, daß wegen verstärkter Auslandsnachfrage nach heimischen Gütern die Exporte bei Konstanz der Importe steigen, so daß sich ein positiver Außenbeitrag ergibt. Da die Nettoexporte (X - M) eine Komponente der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage sind, steigt infolge der Erhöhung der Exporte die Nachfrage. Im Zuge eines Multiplikatorprozesses erhöht sich das Volkseinkommen. Mit steigendem Volkseinkommen nehmen aber auch die Importe zu. Dadurch wird der ursprüngliche Exportüberschuß verringert. Der Einkommensmechanismus beschreibt einen automatischen Anpassungsprozeß, durch den ein Beitrag zur Wiederherstellung des Leistungsbilanzgleichgewichts geleistet wird. Wenn umgekehrt ein Leistungsbilanzdefizit entsteht, weil die Exporte sinken, verringert sich das Volkseinkommen; die Importe nehmen ab, so daß das Zahlungsbilanzdefizit vermindert wird. Der Exportmultiplikator Der skizzierte Anpassungsprozeß soll analysiert werden, indem ein keynesianisches Einkommen-Ausgaben-Modell verwendet wird. Um das Modell zu vereinfachen, wird auf die Einbeziehung des Staates verzichtet. Im Gleichgewicht ist das Güterangebot Y gleich der Güternachfrage C + I + (X - M). Y = C + I + (X-M)

(1)

Der Konsum hängt linear vom Einkommen ab. C = C + cY

(2)

Mit steigendem Einkommen erhöht sich die Nachfrage nach importierten Gütern. Die marginale Importquote (m) gibt an, wie groß der Teil des zusätzlichen Einkommens ist, der für importierte Güter ausgegeben wird. Der funktionale Zusammenhang zwischen Importen und Einkommen wird durch die Importfunktion

798

Fünftes Kapitel: Die Anpassung der Zahlungsbilanz

M = M + mY

(3)

beschrieben. Es ist M der autonome (nicht einkommensabhängige) Teil des Imports und m-Y der einkommensabhängige Teil. Setzt man (2) und (3) in (1) ein, so erhält man: Y = C + cY + I + X - M - m Y Y ( l - c + m) = C + I + X - M Y =-— (C + I + X - M ) 1-c +m oder, wegen l - c = s

Y = —-— (C + I + X - M ) s+m

(4)

Wenn infolge steigender Auslandsnachfrage die Exporte steigen, erhöht sich das Gleichgewichtseinkommen auf: Y + AY = —!— (C + I + X + A X - M ) . s+m

(5)

Subtrahiert man (4) von (5), erhält man den Betrag AY, um den das Gleichgewichtseinkommen steigt: AY = —-—AX s+m

(6)

Der reziproke Wert der Summe aus marginaler Sparquote s und marginaler Importquote m ist der Exportmultiplikator. Der Multiplikator l/(s + m) ist um so kleiner, je größer die marginale Sparquote und die marginale Importquote sind. Der Multiplikator in der offenen Volkswirtschaft ist nicht gleich dem reziproken Wert der marginalen Sparquote, weil in der offenen Volkswirtschaft steigende Ausgaben der Inländer Produktion und Einkommen insoweit nicht erhöhen, als sie sich auf Importe und nicht auf im Inland erzeugte Produkte richten. Nicht nur die bei steigendem Einkommen zusätzliche Ersparnis, sondern auch die zusätzlichen Importe sind "Sickerverluste". Der Leistungsbilanzmultiplikator Aus Gleichung (3) ersieht man, daß die durch steigendes Einkommen induzierten Importe AM gleich dem Produkt aus marginaler Importquote m und der Einkommensänderung AY sind: AM = m • AY Durch Einsetzen von (6) erhält man:

Fünftes Kapitel: D i e A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz

799

AM = — A X s+m

(7)

Gleichung (7) zeigt, daß als Folge der Exportsteigerung auch die Importe steigen. Doch ist AM kleiner als AX, wenn s > 0 ist. Nur wenn s = 0 wäre, würden die Importe um den gleichen Betrag steigen wie die Exporte, so daß der Einkommensmechanismus automatisch zu einem vollständigen Abbau des Leistungsbilanzüberschusses führte. Die Veränderung des Außenbeitrags (der Leistungsbilanz) ist: AB = A X - A M Durch Einsetzen von (7) ergibt sich: AB = A X — — AX s+m AB = —-— AX s+m Man bezeichnet den Ausdruck s/(s + m) als Leistungsbilanzmultiplikator. Nur wenn s Null wäre, käme es infolge der Exportsteigerung nicht zu einer Zunahme des Außenbeitrags bzw. zu einem Leistungsbilanzüberschuß. Der Einkommensmechanismus ist um so wirksamer, j e kleiner s und je größer m ist. Wir haben bisher geprüft, wie sich Einkommen und Außenbeitrag verändern, wenn sich der Export erhöht. Es soll jetzt analysiert werden, wie es sich auf den Außenbeitrag bzw. die Leistungsbilanz auswirkt, wenn sich eine der inländischen Komponenten der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ändert. Nehmen wir an, daß die Investitionsgüternachfrage steigt. Aus Gleichung (4) Y = — ( C + I+X-M) s+m

(4)

ersieht man, daß bei einer Erhöhung von I um AI A Y = —-— AI s+ m ist. Wegen AM = m • AY erhält man durch Einsetzen AM=^-AI s+m Die Veränderung des Außenbeitrags ist AB = AX - AM

(8)

800

F ü n f t e s Kapitel: D i e A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz

Wegen AX = 0 erhält man: AB =

m AI s+m

(9)

In analoger Weise ist in einem Modell mit staatlicher Aktivität bei einer Erhöhung der Staatsausgaben um AG AB =

m AG s+m

Der Außenbeitrag sinkt. Bei positiver Ersparnis sinkt der Außenbeitrag um einen Betrag, der kleiner als AG ist. In unserem keynesianischen Modell führt eine Erhöhung der (autonomen) Investitionen oder der Staatsausgaben dazu, daß das Volkseinkommen steigt und die Zahlungsbilanz sich ceteris paribus verschlechtert. Wenn also die Lage in einem Land durch Unterbeschäftigung und ein Zahlungsbilanzdefizit gekennzeichnet ist, führt expansive Fiskalpolitik dazu, daß zwar das Einkommen und die Beschäftigung steigen, die Zahlungsbilanz sich jedoch weiter verschlechtert. Man hat dies auch als Dilemmasituation bezeichnet. Es wird allerdings im folgenden Abschnitt gezeigt, daß expansive Fiskalpolitik über steigende Zinsen zu einem Kapitalimport führen kann. Die Zahlungsbilanz kann sich dadurch sogar verbessern! 4.

Das Mundell-Fleming-Modell bei festen Wechselkursen

Bei dem im letzten Abschnitt erörterten Einkommensmechanismus wurde der Einfluß internationaler Kapitalströme auf die Zahlungsbilanz nicht berücksichtigt. Eine derartige Beschränkung der Analyse auf die Leistungsbilanz war zu einer Zeit gerechtfertigt, als internationale Kapitalbewegungen wegen noch bestehender Kapitalverkehrskontrollen von untergeordneter Bedeutung waren. Als es Ende der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre zu einer Liberalisierung des Kapitalverkehrs kam, wurde es notwendig, internationale Kapitalbewegungen in die Betrachtung einzubeziehen. Dies geschah im Rahmen eines Modells, das von Mundell und Fleming entwickelt wurde. In diesem Modell wird unterstellt, daß das Preisniveau fixiert ist, die aggregierte Angebotskurve also horizontal verläuft und die Höhe des gleichgewichtigen Sozialprodukts durch die aggregierte Nachfragekurve bestimmt wird. Die aggregierte Nachfrage wird im Rahmen des IS-LM-Modells bestimmt. a.

Die Z-Kurve

In Abbildung 5.1 wurde in das IS-LM-Diagramm eine sogenannte Z-Kurve eingezeichnet. Sie beschreibt alle Kombinationen von Zins und Einkommen, bei denen die Zahlungsbilanz ausgeglichen ist.

Fünftes Kapitel: D i e A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz

Abb. 5.1

IS

801

LM

Z-Kurve

Y Die Z-Kurve in Abbildung 5.1 hat eine positive Steigung. Warum ? Nehmen wir an, daß in der Ausgangslage die durch den Punkt A repräsentierte Kombination von Zins und Einkommen realisiert wird. Da A auf der Z-Kurve liegt, ist annahmegemäß die Zahlungsbilanz ausgeglichen. Steigt das Einkommen, nehmen die Importe zu. Der Saldo der Leistungsbilanz sinkt. Bei konstantem Zins entsteht ein Zahlungsbilanzdefizit. Soll bei steigendem Einkommen ein Defizit vermieden werden, muß die Verschlechterung der Leistungsbilanz durch eine Verbesserung der Kapitalbilanz ausgeglichen werden. Damit sich die Kapitalbilanz verbessert, muß der Inlandszins steigen. Wenn der Inlandszins bei konstantem Auslandszins steigt, erhöht sich die relative Rendite von Finanzanlagen im Inland. Die Kapitalimporte nehmen zu, die Kapitalexporte ab. Bezeichnen wir die Differenz aus Kapitalimporten und Kapitalexporten als Nettokapitalimporte (NK), i als Inlandszins und i* als Auslandszins, so ist NK = NK(i-i*) = NK(i)

—jt- > 0 di

Bei steigendem Inlandszins nehmen also die Nettokapitalimporte zu, die Kapitalbilanz verbessert sich. Der bei steigendem Einkommen sinkende Außenbeitrag kann auf diese Art durch eine Verbesserung der Kapitalbilanz kompensiert werden. Wenn aber bei steigendem Sozialprodukt der Zins steigen muß, damit die Zahlungsbilanz ausgeglichen bleibt, muß die Z-Kurve positive Steigung haben. Bei Zins-EinkommensKombinationen, die unterhalb der Z-Kurve liegen, ergibt sich ein Zahlungsbilanzdefizit, bei Kombinationen oberhalb der Z-Kurve entsteht ein Zahlungsbilanzüberschuß. Die Steigung der Z-Kurve wird durch die marginale Importquote und die Zinsabhängigkeit der internationalen Kapitalströme bestimmt. Die Z-Kurve verläuft um so flacher, je kleiner die marginale Importquote und je größer die Zinsabhängigkeit der internationalen Kapitalströme ist. Im Extremfall vollkommener internationaler Kapitalmobilität würde eine sehr kleine Zinserhöhung zu so großen Kapitalimporten führen, daß extrem hohe Zahlungsbilanzüberschüsse entstehen. Die Z-Kurve würde bei i = i* horizontal verlaufen. Bei vollständiger Kapitalimmobilität verläuft hingegen die Z-Kurve vertikal.

802

Fünftes Kapitel: D i e A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz

Abb. 5.2

Vollständige Kapitalimmobilität Unvollkommene Kapitalmobilität

Z

Vollkommene Kapitalmobilität

Y

b.

Fiskalpolitik bei festen Wechselkursen

In Abbildung 5.3 schneiden sich die IS 0 -Kurve, die LM„-Kurve und die Z-Kurve in der Ausgangssituation im Punkt A. Gütermarkt und Geldmarkt sind im Gleichgewicht, die Zahlungsbilanz ist ausgeglichen.

Durch expansive Fiskalpolitik wird die IS-Kurve nach rechts verschoben. Der Zinssatz steigt von i 0 auf i,, das Einkommen von Y 0 auf Y,. Weil bei steigendem Einkommen die Importe steigen, verschlechtert sich die Leistungsbilanz. Aufgrund des Einkommenseffektes würde ein Zahlungsbilanzdefizit entstehen, wenn es nicht zu zusätzlichen Kapitalimporten käme, die durch die Zinssteigerung von i0 auf i, induziert werden. In Abbildung 5.3 ergibt sich insgesamt im neuen (kurzfristigen) Gleichgewicht in B ein Zahlungsbilanzüberschuß, da B oberhalb von Z liegt. Der Zinseffekt, der Nettokapitalimporte induziert, dominiert den Einkommenseffekt, der die Leistungsbilanz verschlechtert. Expansive Fiskalpolitik führt allerdings nur dann zu einem Zahlungsbilanzüberschuß, wenn - wie in Abbildung 5.3 - die Z-Kurve flacher ist als die LM-Kurve. Eine Verbesserung der Zahlungsbilanz bei expansiver Fiskalpolitik ist um so eher zu erwarten, j e flacher die Z-Kurve und je steiler die LM-Kurve ist. Die Z-Kurve verläuft um so flacher, je kleiner die marginale Importquote und j e größer die Zinsabhängigkeit internationaler Kapitalbewegungen ist. Die LM-Kurve ist um so

Fünftes Kapitel: Die Anpassung der Zahlungsbilanz

803

steiler, je größer die Einkommensabhängigkeit und j e geringer die Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage ist. Empirische Untersuchungen lassen erwarten, daß bei der heute zu beobachtenden Mobilität des internationalen Kapitals die Z-Kurve tatsächlich flacher verläuft als die LM-Kurve. Das Gleichgewicht in B ist mit dauerhaften Zahlungsbilanzüberschüssen verbunden. Die Zentralbank muß Devisen kaufen, um den Wechselkurs zu verteidigen. Die Währungsreserven steigen und die Geldmenge erhöht sich um das Produkt aus Geldmengenmultiplikator und Veränderung der Währungsreserven. Wenn die Geldmenge steigt, verschiebt sich die LM-Kurve nach rechts. Der Prozeß hält an, bis die Zahlungsbilanz ausgeglichen ist. Das wird erreicht, wenn die nach rechts verschobene LM-Kurve LM, die Z-Kurve im Punkt C schneidet. C ist das neue langfristige Gleichgewicht. Das Einkommen ist in C größer als Y,. Im traditionellen keynesianischen Modell wird unterstellt, daß die Zentralbank durch eine neutralisierende Geldpolitik die Geldmenge (kurzfristig) konstant hält. Die Erhöhung der monetären Basis durch die Zunahme der Währungsreserven wird durch eine Reduktion der inländischen Komponente (Kredite an Staat und Private) der Geldbasis kompensiert. Die LM-Kurve verschiebt sich nicht. B ist das kurzfristige Gleichgewicht. Auf längere Sicht wird es jedoch immer schwieriger, die Neutralisierungspolitik beizubehalten. Im langfristigen Gleichgewicht ist die Zahlungsbilanz ausgeglichen. Punkt C wird realisiert. Im Extremfall vollkommener internationaler Kapitalmobilität führt expansive Fiskalpolitik nicht zu steigendem Zins. Das Gleichgewichtseinkommen steigt daher in Abbildung 5.4a langfristig von Y0 auf Y,, also um den vollen Betrag, um den sich die IS-Kurve nach rechts verschiebt. Abb. 5.4 (a)

(b)

Bei vollständiger Immobilität des Kapitals ergibt sich nur kurzfristig ein höheres Einkommen. In Abbildung 5.4b liegt B rechts von Z; es entsteht kurzfristig ein Zahlungsbilanzdefizit. Die Zentralbank muß Devisen verkaufen. Die Währungsreserven und die inländische Geldmenge nehmen ab. Die LM-Kurve verschiebt sich nach links,

804

Fünftes Kapitel: D i e A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz

bis sie die Z-Kurve im Punkt C schneidet. Langfristig ändert sich das Gleichgewichtseinkommen nicht. Die Fiskalpolitik ist langfristig völlig ineffizient. Es kommt langfristig zu einem vollständigen crowding-out. Wir können festhalten: Im Mundell-Fleming-Modell führt expansive Fiskalpolitik -

kurzfristig zu einem Anstieg des Zinses und des Einkommens sowie zu einem Zahlungsbilanzüberschuß (Z-Kurve ist flacher als LM-Kurve).

-

langfristig zu einem weiteren Anstieg des Einkommens und zu einem Zahlungsbilanzausgleich. Die Leistungsbilanz verschlechtert sich, während sich die Kapitalbilanz verbessert.

-

im Extremfall vollkommener Kapitalmobilität zu steigendem Einkommen bei konstantem Zins. Bei vollkommener Immobilität des Kapitals ist Fiskalpolitik langfristig vollkommen ineffizient.

c.

Geldpolitik bei festen Wechselkursen

In Abbildung 5.5 sind in der durch Punkt A gegebenen Ausgangssituation Geldmarkt, Gütermarkt und Zahlungsbilanz im Gleichgewicht. Abb. 5.5

Durch expansive Geldpolitik wird die LM-Kurve von LM 0 nach LM, verschoben. Das Einkommen steigt von Y 0 auf Y,. Der Einkommenseffekt bewirkt eine Verschlechterung der Leistungsbilanz. Der Zins sinkt von i 0 auf ij. Dadurch sinken die Nettokapitalimporte. Sowohl der Einkominenseffekt wie der Zinseffekt führen zu einer Verschlechterung der Zahlungsbilanz. War die Zahlungsbilanz in der Ausgangssituation in Punkt A ausgeglichen, entsteht infolge der expansiven Geldpolitik ein Zahlungsbilanzdefizit. In Abbildung 5.5 liegt B unterhalb der Z-Kurve. Die Zahlungsbilanz ist also bei der durch den Punkt B repräsentierten Kombination von Einkommen und Zins defizitär.

Fünftes Kapitel: D i e Anpassung der Zahlungsbilanz

805

Der Punkt B repräsentiert ein kurzfristiges, aber kein langfristiges Gleichgewicht. Infolge des Zahlungsbilanzdefizits muß die Zentralbank am Devisenmarkt intervenieren, um den Wechselkurs zu stützen, indem sie Devisen gegen Inlandswährung verkauft. Die Währungsreserven nehmen ab. Wenn die Zentralbank keine neutralisierende Geldpolitik betreibt, vermindert sich die inländische Geldmenge. Die LM-Kurve verschiebt sich nach links. Der Prozeß hält an, bis die Zahlungsbilanz ausgeglichen ist und Währungsreserven und Geldmenge nicht weiter abnehmen. Das ist erst dann der Fall, wenn die LM-Kurve die Ausgangslage wieder erreicht hat. Langfristig ändert sich also das Gleichgewichtseinkommen nicht. Die Zentralbank kann versuchen, die mit dem Verlust an Währungsreserven (WR) verbundene Verminderung der Geldmenge durch eine entgegengerichtete expansive Geldpolitik zu neutralisieren. In diesem Fall ergibt sich ein dauerhafter Verlust an Währungsreserven. Langfristig kann daher eine solche neutralisierende Geldpolitik nicht durchgeführt werden. Wir können festhalten: Im Mundell-Fleming-Modell führt expansive Geldpolitik -

kurzfristig zu sinkendem Zins und steigendem Einkommen. Leistungsbilanz und Kapitalbilanz verschlechtern sich.

-

langfristig zu einem Verlust an Währungsreserven, aber nicht zu einer Erhöhung des Gleichgewichtseinkommens. Geldpolitik ist bei festen Wechselkursen langfristig vollständig ineffizient.

d.

Die Koordination von Geld- und Fiskalpolitik

In der Wirtschaftspolitik ist man bestrebt, die Ziele Vollbeschäftigung, Preisniveaustabilität und Zahlungsbilanzausgleich durch Einsatz wirtschaftspolitischer Instrumente zu erreichen. Im Mundell-Fleming-Modell wird das Ziel Preisniveaustabilität durch die Annahme eines fixierten Preisniveaus aus der Betrachtung ausgeklammert. Um die restlichen Ziele Vollbeschäftigung und Zahlungsbilanzausgleich zu erreichen, stehen zwei Instrumente, die Geldpolitik und die Fiskalpolitik, zur Verfügung. Es soll an zwei Beispielen gezeigt werden, wie beide Ziele durch kombinierten Einsatz der Instrumente (theoretisch) erreicht werden können. In Abbildung 5.6 wird die Ausgangssituation durch den Punkt A beschrieben, in dem sich die IS 0 -, LM„- und die Z-Kurve schneiden. Die Zahlungsbilanz ist in der Ausgangssituation ausgeglichen, das Einkommen Y0 jedoch kleiner als das Vollbeschäftigungseinkommen Y VB .

806

Fünftes Kapitel: Die Anpassung der Zahlungsbilanz

Abb. 5.6 IS IS

LM LM Z

Y„

Y,

Y

Vollbeschäftigung und Zahlungsbilanzausgleich werden nur realisiert, wenn das Einkommen gleich Y v b ist und der Zins so hoch ist, daß der Punkt B, der auf der Z-Kurve und auf der Vollbeschäftigungsgeraden liegt, realisiert wird. Um beide Ziele zu erreichen, muß expansive Fiskalpolitik mit expansiver Geldpolitik kombiniert werden. Der expansive fiskalpolitische Impuls muß so bemessen sein, daß sich die IS-Kurve so weit nach rechts verschiebt, daß sie die Vollbeschäftigungsgerade im Punkt B schneidet. Die Geldmenge muß so erhöht werden, daß sich die LM-Kurve wie in Abbildung 5.6 nach LM, verschiebt. Im Punkt B schneiden sich die I S r , L M r und Z-Kurve beim Vollbeschäftigungseinkommen YVB. Die Ziele Vollbeschäftigung und Zahlungsbilanzausgleich werden beide erreicht. In Abbildung 5.7 herrscht in der Ausgangssituation im Punkt A Unterbeschäftigung. Die Zahlungsbilanz weist ein Defizit auf, da A unterhalb von Z liegt. Abb. 5.7

LM IS

Y 0 Y VB 1

1

Y

Die Ziele Vollbeschäftigung und Zahlungsbilanzausgleich können in dem in Abbildung 5.7 dargestellten Fall nur durch die Kombination von expansiver Fiskalpolitik mit kontraktiver Geldpolitik erreicht werden. Durch expansive Fiskalpolitik

Fünftes Kapitel: D i e A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz

807

verschiebt sich die IS-Kurve nach rechts und als Folge kontraktiver Geldpolitik wird die LM-Kurve nach links verschoben. Die IS,-, L M r und die Z-Kurve schneiden sich in B. Die Ziele Vollbeschäftigung und Zahlungsbilanzausgleich werden in B realisiert.

e.

Beurteilung des Mundell-Fleming-Modells

Das Mundell-Fleming-Modell ist in der Vergangenheit einflußreich gewesen, weil es auf die Bedeutung hingewiesen hat, die internationale Kapitalströme bei der Bestimmung der Wirksamkeit der Geld- und Fiskalpolitik haben. Die wichtigsten kritischen Einwände lassen sich in den folgenden Punkten zusammenfassen: 1.

Um das Modell anzuwenden, werden Informationen über die Wirksamkeit geldund fiskalpolitischer Maßnahmen benötigt, die in der erforderlichen Präzision nicht verfügbar sind.

2.

Im Modell wird die Angebotsseite vernachlässigt. Es wird unterstellt, daß das Güterangebot vollständig elastisch ist und steigende gesamtwirtschaftliche Nachfrage deshalb nicht zu Preisniveausteigerungen führt.

3.

Im Mundell-Fleming-Modell wird unterstellt, daß eine Erhöhung des Inlandszinses bei konstantem Auslandszins zu einem kontinuierlichen Kapitalzustrom führt. Internationale Investoren werden jedoch nach einer gewissen Zeit ihre Portfolios so zusammengesetzt haben, wie sie es bei der gegebenen Zinsdifferenz für optimal halten. Ist dies geschehen, wird kein Kapital mehr ins Inland fließen. Um weiterhin einen Kapitalimport zu induzieren, müßte der Inlandszins erhöht werden. Aber auch dieser Zufluß endet, nachdem die Portfolios der Investoren angepaßt worden sind. Um einen kontinuierlichen Zustrom zu bewirken, müßte der Zinssatz kontinuierlich steigen. Dauerhafte Kapitalströme sind nicht eine Funktion der Differenz zwischen Inlandszins und Auslandszins, sondern eine Funktion der Veränderung dieser Differenz.

4.

Im Mundell-Fleming-Modell wird die Interaktion zwischen Bestandsgrößen und Stromgrößen vernachlässigt. Wenn kontinuierlich ein Leistungsbilanzdefizit durch Kapitalimporte finanziert wird, erhöhen sich die Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland. Durch ständig steigende Zinszahlungen an Ausländer verschlechtert sich die Leistungsbilanz. Langfristig wird bei kontinuierlich wachsender Verschuldung gegenüber dem Ausland auch die Kreditwürdigkeit des Inlands in Frage gestellt.

B.

Wechselkursänderung und Zahlungsbilanz

Wir haben bisher beschrieben, auf welchen Wegen sich die Zahlungsbilanzanpassung bei festen Wechselkursen vollziehen kann. Es soll jetzt analysiert werden, wie sich Wechselkursänderungen auf die Zahlungsbilanz auswirken.

1.

Der Elastizitätsansatz

Beim Elastizitätsansatz prüft man, wie sich Änderungen des Wechselkurses auf den Exportwert und den Importwert und damit auf den Außenbeitrag bzw. bei konstanten

Fünftes Kapitel: Die Anpassung der Zahlungsbilanz

808

Übertragungen auf die Leistungsbilanz auswirken. E s wird unterstellt, daß die exportierten und importierten Güter in vollständiger Konkurrenz angeboten und nachgefragt werden. Wir betrachten einen Exportgütermarkt und einen Importgütermarkt, auf denen sich die in D M ausgedrückten Preise durch Angebot und Nachfrage bilden.

Abb. 5.8 Exportgiitermarkt

Imporgütermarkt

inländisches Exporlangebot ( E A )

ausländisches Importangebot ( I A )

ausländische Exportnachfrage ( E N )

inländische Importnachfrage (IN)

Auf dem Exportgütermarkt werden das inländische (deutsche) Exportangebot ( E A ) und die ausländische Nachfrage nach deutschen Exportgütern ( E N ) als Funktion der DM-Preise dargestellt. Während sich die deutschen Anbieter tatsächlich an den D M Preisen orientieren, sind für die ausländischen Nachfrager die Dollarpreise die für ihre Kaufentscheidungen bestimmende Größe. Da aber die Dollarpreise zum herrschenden Wechselkurs in D M umgerechnet werden können, läßt sich aus der auf die Dollarpreise bezogenen Nachfragefunktion die ausländische Nachfrage nach deutschen Exportgütern als Funktion der DM-Preise darstellen. W e n n also zum Beispiel bei einem Preis von einem Dollar x, Einheiten und bei einem Preis von zwei Dollar x 2 Einheiten vom Ausland nachgefragt werden, dann werden bei einem Wechselkurs von zwei DM/Dollar die Mengen X! und x 2 bei DM-Preisen von zwei D M beziehungsweise vier D M nachgefragt. W e n n sich allerdings der Wechselkurs ändert, verschiebt sich die Exportnachfragekurve EN. Wird zum Beispiel die D M gegenüber dem Dollar abgewertet, verschiebt sich die EN-Kurve um den Prozentsatz nach oben, um den der Preis des Dollar gestiegen ist. Steigt der Dollarkurs von zwei DM/Dollar auf 2 , 5 0 DM/Dollar, werden ausländische Nachfrager, die bisher die Menge x, zum Preis von 1 Dollar = 2 D M nachgefragt haben, nach der Abwertung der D M die gleiche M e n g e zum gleichen Dollarpreis von einem Dollar, also zu einem Preis von 2 , 5 0 D M , nachfragen. Die E N - K u r v e in Abbildung 5.9a verschiebt sich um 25 Prozent nach oben.'

1

( 2 , 5 0 - 2 ) / 2 = 0 , 2 5 = 2 5 Prozent. Das ist der Prozentsatz, um den der Dollar gegenüber der D M aufgewertet wurde.

809

F ü n f t e s Kapitel: D i e A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz

Abb. 5.9

W DM

DM

EA

IN

JA,,

x

x

Auf dem Importgütermarkt werden das Importangebot (IA), also das ausländische Angebot von Waren, und die inländische Importnachfrage (IN) als Funktion des DMPreises dargestellt. Während sich die inländischen Nachfrager am DM-Preis orientieren, ist für die ausländischen Anbieter der Dollarpreis entscheidungsrelevant. Wenn die Inlandswährung gegenüber dem Dollar abgewertet wird, muß sich der DM-Preis um den Prozentsatz erhöhen, um den der Dollarkurs gestiegen ist, wenn die ausländischen Anbieter pro Einheit den gleichen Dollarpreis erzielen wollen wie zuvor. Die Importangebotskurve in Abbildung 5.9b verschiebt sich daher wie die Exportnachfragekurve um den Satz nach oben, um den der Dollarkurs gestiegen ist. Wechselkursänderung und Außenbeitrag Es soll geprüft werden, wie sich der Außenbeitrag bzw. die Leistungsbilanz bei der Abwertung der DM verändern. Zu diesem Zweck ist zu untersuchen, wie sich der Exportwert und der Importwert ändern. Aus Abbildung 5.9a ersehen wir, daß bei einer Abwertung der in DM ausgedrückte Preis und die exportierte Menge steigen. Der in DM ausgedrückte Exportwert, das Produkt aus DM-Preis und exportierter Menge, muß steigen. Lediglich im unrealistischen Fall vollkommen unelastischer Exportnachfrage bleibt der Exportwert konstant. Wenn wir den Importgütermarkt betrachten, stellen wir fest, daß bei einer DMAbwertung der Importpreis steigt und die importierte Menge sinkt. Der Importwert kann sinken, konstant bleiben oder steigen. Ist die Preiselastizität der Importnachfrage größer als eins, ist also die relative Mengenänderung größer als die relative Preisänderung, sinkt der Importwert. Ist die Preiselastizität der Nachfrage nach Importen gleich eins, bleibt der in DM ausgedrückte Importwert konstant. Nur wenn die Preiselastizität der Importnachfrage kleiner als eins ist, steigt der Importwert. Wir können zusammenfassen: Bei einer DM-Abwertung wird der in DM ausgedrückte Exportwert immer steigen. Der in DM ausgedrückte Importwert kann sinken, konstant bleiben oder steigen. Der Außenbeitrag als Differenz aus Exportwert und Importwert wird bei einer Abwertung steigen, wenn der Importwert sinkt oder konstant bleibt, wenn also die Preiselastizität der Importnachfrage größer oder gleich eins ist. Der

810

F ü n f t e s Kapitel: Die A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz

Außenbeitrag kann bei einer Abwertung auch dann steigen, wenn der Importwert steigt, sofern der Exportwert stärker steigt als der Importwert. Die Ergebnisse werden in der folgenden Tabelle zusammengefaßt. Reaktion des Außenbeitrags auf eine Abwertung Importelastizität E

M> 1 Em = 1 Em< 1

Importwert

Exportwert

Außenbeitrag

sinkt konstant steigt

steigt steigt steigt

steigt steigt unbestimmt

Wenn der Außenbeitrag bei einer Abwertung steigt, spricht man von einer normalen Reaktion des Außenbeitrags. Bei einer Aufwertung ergeben sich genau entgegengesetzte Wirkungen. Der in DM ausgedrückte Exportwert sinkt immer. Der Importwert steigt, wenn eM > 1 ist, er bleibt konstant, wenn eM = 1 ist und er sinkt, wenn e m < 1 ist. Der Außenbeitrag (X - M) sinkt bei einer Aufwertung immer, wenn eM größer oder gleich eins ist. Der Außenbeitrag kann aber auch sinken, wenn eM < 1 ist. Das ist dann so, wenn der Exportwert stärker sinkt als der Importwert. Wenn bei einer Aufwertung der Außenbeitrag sinkt, spricht man von einer normalen Reaktion des Außenbeitrags. Aus Abbildung 5.9 ersehen wir, daß sich bei normalem Verlauf der Export- und Importangebotskurve und der Export- und Importnachfragekurve sowohl der in DM ausgedrückte Exportpreis wie auch der in DM ausgedrückte Importpreis bei einer DM-Abwertung erhöhen. Die Terms of Trade verschlechtern sich bei einer Abwertung, wenn die Importpreise stärker steigen als die Exportpreise. Sie können sich aber auch verbessern, wenn die Exportpreise stärker steigen als die Importpreise. Eine allgemeingültige Aussage ist nicht möglich. Die Marshall-Lerner-Bedingung Häufig betrachtet man einen speziellen Fall, bei dem sowohl das inländische Exportangebot wie das ausländische Importangebot vollkommen elastisch sind. In Abbildung 5.10 verlaufen daher die Kurve des inländischen Exportangebots und die Kurve des ausländischen Importangebots horizontal.

811

Fünftes Kapitel: D i e Anpassung der Zahlungsbilanz

Abb. 5.10

(»)

(b)

DM

EN ' EN

IA ' IA EA

x

X

Bei einer Abwertung der deutschen Währung erhöht sich wegen des vollkommen elastischen Exportangebotes der in D M ausgedrückte Exportpreis nicht. Der Importpreis in D M steigt dagegen um den Satz, um den der Dollarkurs gestiegen ist. Die Terms of Trade verschlechtern sich. Wie verändert sich der Außenbeitrag? Wenn in der Ausgangssituation der Exportwert gleich dem Importwert ist, nimmt bei einer Abwertung der heimischen Währung der Außenbeitrag zu, wenn die Summe der Elastizitäten der Exportnachfrage (e x ) und der Importnachfrage (eM) größer als eins ist. Diese Aussage ist als Marshall-LernerBedingung bekannt. Um die Aussage zu beweisen, sei angenommen, daß die inländische Währung um ein Prozent abgewertet wird. Da sich der DM-Preis der deutschen Exportgüter nicht ändert, sinkt der Dollarpreis, an dem sich die ausländischen Nachfrager orientieren, um ebenfalls ein Prozent. Wenn die Preiselastizität der Nachfrage nach deutschen Exportgütern gleich zwei wäre, bedeutet dies, daß bei einer Preissenkung von einem Prozent die prozentuale Erhöhung der nachgefragten Menge zwei wäre. Bei konstantem DM-Preis würde auch der Exporterlös um zwei Prozent steigen. Allgemein: Ist die Preiselastizität der Nachfrage e x , so steigt der Exportwert um e x Prozent. Betrachten wir den Importwert. Infolge der Abwertung steigt der Importpreis um ein Prozent, wodurch die nachgefragte Menge sinkt. Es gibt also einen Preiseffekt und einen Mengeneffekt. Infolge des Preiseffektes steigt der Importwert um ein Prozent. Aufgrund des Mengeneffektes sinkt der Importwert um eM Prozent. Ist zum Beispiel die Preiselastizität der Importnachfrage gleich zwei, so bedeutet dies, daß die importierte Menge bei einer Preiserhöhung von einem Prozent um zwei Prozent sinkt. Um angeben zu können, wie sich der Importwert verändert, müssen wir Preiseffekt und Mengeneffekt berücksichtigen. Der Importwert steigt um (l-e M ) Prozent. Ist also zum Beispiel die Preiselastizität der Importnachfrage eM gleich eins, so ändert sich der Importwert nicht, weil die relative Preiserhöhung gleich der relativen Mengenänderung ist. Ist e m größer als eins, sinkt der Importwert sogar. Der Außenbeitrag steigt, wenn der Exportwert stärker steigt als der Importwert, wenn also gilt:

812

F ü n f t e s Kapitel: Die A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz

ex>l-eM

oder

ex + e M > 1 Die letzte Gleichung ist die Marshall-Lerner-Bedingung. Der Fall des kleinen Landes Von besonderem Interesse ist auch der Fall des sogenannten kleinen Landes, für das die Exportpreise und die Importpreise in Dollar durch die Weltmarktpreise gegeben sind, für das betrachtete Land also Daten darstellen. Zu diesen Preisen kann das kleine Land beliebige Mengen exportieren und importieren. Bei gegebenem Wechselkurs verlaufen die Kurve der Exportnachfrage und die Kurve des Importangebots parallel zur Mengenachse. Bei einer Abwertung der DM verschieben sich die Exportnachfragekurve und die Importangebotskurve wie in Abbildung 5.11 um den gleichen Prozentsatz nach oben. Abb. 5.11 a>

b>

Die in DM ausgedrückten Export- bzw. Importgüterpreise steigen jeweils infolge der Abwertung um den gleichen Prozentsatz. Die Terms of Trade ändern sich infolge der Abwertung nicht. Wenn in der Ausgangssituation der Exportwert gleich dem Importwert war, muß infolge der Abwertung der Außenbeitrag steigen. Das läßt sich wie folgt begründen. Wenn Exportangebot und Importnachfrage vollkommen unelastisch wären, so daß infolge der Abwertung die exportierte Menge nicht steigt und die importierte Menge nicht sinkt, würden Exportwert und Importwert um den gleichen Prozentsatz steigen, der Außenbeitrag würde sich nicht verändern. Wenn wir diesen unrealistischen Fall außer acht lassen und unterstellen, daß Exportangebot und Importnachfrage nicht vollständig unelastisch sind, so steigt durch die Zunahme der exportierten Menge der Exportwert stärker, und durch die Abnahme der importierten Menge steigt der Importwert in geringerem Maße als in unserem unrealistischen Referenzfall. Der Außenbeitrag muß also bei einer Abwertung der inländischen Währung steigen, wenn Exportangebot und Importnachfrage nicht vollkommen unelastisch sind.

813

Fünftes Kapitel: Die Anpassung der Zahlungsbilanz

Vollkommen unelastisches Angebot Die Marshall-Lerner-Bedingung zeigt, daß es bei vollkommen elastischem Exportund Importangebot von den Elastizitäten der Exportnachfrage und der Importnachfrage abhängt, ob sich bei einer Abwertung die Leistungsbilanz (der Außenbeitrag) verbessert oder nicht. Wie der Außenbeitrag auf Wechselkursänderungen reagiert, hängt aber nicht nur von den Nachfrageelastizitäten, sondern auch von den Angebotselastizitäten ab. Wenn zum Beispiel sowohl die Elastizität des Exportangebots wie auch die Elastizität des Importangebots jeweils gleich Null sind, wird der Außenbeitrag bei einer Abwertung immer steigen, wie klein die Nachfrageelastizitäten auch sein mögen. Dies wird durch Abbildung 5.12 gezeigt. Abb. 5.12

»

b)

DM

x

x

Während der Exportwert um den Satz steigt, um den der Dollarkurs steigt, bleibt der Importwert konstant. Es kommt unabhängig von der Elastizität der Import- und Exportnachfrage stets zu einem steigenden Außenbeitrag. Daraus ersieht man: Selbst wenn die Summe der Nachfrageelastizitäten kleiner als eins ist, kann es zu einer normalen Reaktion auf eine Abwertung kommen, wenn die Angebotselastizitäten hinreichend klein sind. Die Marshall-Lerner-Bedingung ist keine notwendige Bedingung für eine "normale" Reaktion des Außenbeitrags auf eine Abwertung. Die allgemeine Bedingung für eine normale Reaktion des Außenbeitrags wird durch die sogenannte Robinson-Bedingung formuliert. 1 Der J-Kurven-Effekt Es fragt sich, ob in der Realität mit einer normalen oder anomalen Reaktion der stungsbilanz zu rechnen ist. Die Elastizitäten der Import- und Exportnachfrage schwierig zu schätzen. Man ist sich einig, daß die Elastizitäten kurzfristig geringer als langfristig. Bei einer Abwertung kann sich die Leistungsbilanz zunächst

1

Leisind sind ver-

Siehe dazu Klaus Rose und Karlhans Sauernheimer; Theorie der Außenwirtschaft, elfte Auflage, München 1992, S. 75ff.

814

Fünftes Kapitel: Die Anpassung der Zahlungsbilanz

schlechtem und erst nach einer gewissen Zeit verbessern. Man hat dies als J-KurvenEffekt einer Abwertung bezeichnet, weil die in Abbildung 5.13 dargestellte Kurve einem J gleicht. Abb. 5.13 +

Zeit

Phase 1 :Phase 2: Phase 3

In Abbildung 5.13 ist der Leistungsbilanzsaldo in der Ausgangsposition negativ. In der ersten Phase nach der Abwertung sinkt der Leistungsbilanzsaldo. Danach steigt er und erreicht am Ende der zweiten Phase das Ausgangsniveau. In der dritten Phase ergibt sich im Vergleich zur Ausgangssituation eine Verbesserung, doch werden erst am Ende dieser Phase die Verluste ausgeglichen, die im Verlauf der ersten beiden Phasen durch die Abwertung entstanden sind. Zu der vorübergehenden Verschlechterung der Leistungsbilanz unmittelbar nach der Abwertung (Phase 1) kommt es, weil zunächst Export- und Importgeschäfte abgewickelt werden, die in den Monaten vor der Abwertung noch auf Grundlage der alten Wechselkurse abgeschlossen worden sind. Wenn die Exporte - wie dies häufig der Fall ist - zum größten Teil in inländischer Währung fakturiert sind, ändert sich insoweit durch die Abwertung der in Inlandswährung ausgedrückte Exportwert nicht. Wenn die Importgeschäfte in Auslandswährung abgeschlossen wurden, steigt bei vertraglich fixierten Mengen der in Inlandswährung ausgedrückte Importwert. In Phase 1, der sogenannten Kontraktphase, verschlechtert sich also die Leistungsbilanz. Ein steigendes Defizit ergibt sich in der Kontraktphase bei einer Abwertung auch, wenn Exporte und Importe in Auslandswährung abgeschlossen wurden und die Leistungsbilanz in der Ausgangssituation defizitär war. In diesem Fall steigen Exportwert und Importwert um den gleichen Prozentsatz, doch ist die Zunahme des Importwerts absolut größer als die des Exportwerts. Auch nach Abschluß der Kontraktphase kommt es erst allmählich zu einer Verbesserung der Leistungsbilanz, weil die Käufer sowohl im abwertenden Land wie in den anderen Ländern mit zeitlicher Verzögerung auf die veränderten relativen Preise von Inlands- und Auslandsgütern reagieren. Im abwertenden Land vergeht Zeit, bis die Käufer erkennen, daß Inlandsgüter relativ zu Auslandsgütern billiger geworden sind. Bei heterogenen Gütern müssen die Käufer zunächst herausfinden, ob sich ein Wechsel von Auslandsgütern zu Inlandsgütern lohnt. Auch inländische Unternehmen, die bisher Vorprodukte aus dem Ausland verwendet haben, können sich oft nur mit zeitlicher

Fünftes Kapitel: D i e A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz

815

Verzögerung auf die relativ billiger gewordenen inländischen Inputs umstellen. Ganz analog vergeht Zeit, bis sich die Käufer im Ausland auf die relativ billiger gewordenen Exportgüter des abwertenden Landes umstellen. Aber auch die Unternehmen, deren Wettbewerbsposition sich durch die Abwertung verbessert hat, brauchen Zeit, um die Produktion der Güter zu erhöhen, die verstärkt nachgefragt werden. Bei unvollkommenem Wettbewerb werden Wechselkursänderungen häufig nicht zu entsprechenden Preisänderungen führen. Inländische Unternehmen werden nach einer Abwertung der heimischen Währung bei oligopolistischem Wettbewerb auf Auslandsmärkten ihre Preise nicht senken, wenn sie erwarten, daß die ausländischen Unternehmen ihrerseits mit Preissenkungen reagieren. Umgekehrt mögen ausländische Unternehmen nach einer Abwertung der heimischen Währung ihre Preise auf dem Inlandsmarkt nicht erhöhen, um einen sonst drohenden Verlust von Marktanteilen zu verhindern. Unternehmen, die ihre Produkte auf Auslandsmärkten verkaufen, müssen meistens beträchtliche Investitionen vornehmen, um eine Absatzorganisation aufzubauen, zu werben und um das Produkt den Bedürfnissen der Kunden auf dem Auslandsmarkt anzupassen. Die dabei entstehenden Aufwendungen sind zum großen Teil sunk costs, die auch dann nicht vermieden werden können, wenn sich das Unternehmen vom Auslandsmarkt zurückzieht. Es lohnt sich, die eigenen Produkte auf dem Auslandsmarkt zu verkaufen, auch wenn die Erlöse die gesamten Kosten einschließlich der nicht vermeidbaren sunk costs nicht decken. Man wird sich vor allem dann entscheiden, das Angebot auf dem Auslandsmarkt aufrechtzuerhalten, wenn die Unternehmen in der Zukunft einen für sie günstigeren Wechselkurs erwarten. Sie werden ihren Brückenkopf auf dem Auslandsmarkt verteidigen. Der Elastizitätsansatz ist ein partialanalytisches Konzept. Die Auswirkungen von Wechselkursänderungen auf Einkommen und Preisniveau werden nicht untersucht, obwohl diese den Leistungsbilanzsaldo beeinflussen. Diese Mängel führen zum Absorptionsansatz, der im nächsten Abschnitt dargestellt werden soll. 2.

Der Absorptionsansatz

Beim Elastizitätsansatz wird nicht berücksichtigt, daß sich bei einer Abwertung das Einkommen ändert. Wenn durch eine Abwertung die Nettoexporte X-M steigen, erhöht sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Bei Unterbeschäftigung steigt das Volkseinkommen. Mit steigendem Volkseinkommen nehmen die Importe nach Maßgabe der marginalen Importquote zu. Die Leistungsbilanz wird sich deshalb in geringerem Maße verbessern, als dies aufgrund des Elastizitätsansatzes zu erwarten wäre, bei dem Konstanz des Einkommens unterstellt wurde. Es ist notwendig, diese Einkommenseffekte in die Analyse einzubeziehen. Dies geschieht in dem jetzt darzustellenden Absorptionsansatz. Wir gehen von der Verwendungsgleichung für das Sozialprodukt aus: Y = C + I + G + (X-M)

(1)

Wenn wir die inländische Absorption als A = C +1 + G definieren, können wir nach Subtraktion von A schreiben:

816

Fünftes Kapitel: Die Anpassung der Zahlungsbilanz

X —M = Y —A

(2)

Diese Identitätsgleichung macht deutlich: Ein positiver Außenbeitrag (X > M) ist nur möglich, wenn das Sozialprodukt größer als die Absorption ist. Wenn die Absorption A größer ist als das Sozialprodukt, ist der Außenbeitrag negativ. Beim Elastizitätsansatz wird nur die linke Seite von (2) analysiert. Es werden keine Aussagen darüber gemacht, wie sich als Folge einer Abwertung Y und A verändern. Setzen wir X-M gleich dem Außenbeitrag B, so ist AB = AY - A A

(3)

Die letzte Gleichung zeigt: Eine Abwertung kann den Außenbeitrag nur erhöhen (AB > 0), - wenn das Volkseinkommen bei konstanter Absorption steigt oder - wenn das Volkseinkommen stärker steigt als die Absorption oder - wenn die Absorption bei konstantem Volkseinkommen sinkt. Wenn das Einkommen steigt, steigen der Konsum und auch die Investitionen, sofern diese einkommensabhängig sind. Die Absorption steigt daher mit wachsendem Einkommen. Wenn wir die Summe aus marginaler Konsumquote und marginaler Investitionsquote als marginale Absorptionsquote a bezeichnen, ist a-Y der einkommensabhängige Teil der Absorption. Der nicht vom Einkommen abhängige Teil ist die autonome Absorption A. Die autonome Absorption ist die Summe aus autonomem Konsum, autonomer Investition und Staatsausgaben. Es ist also A = Ä + aY

(4)

Durch Einsetzen in (3) erhält man: AB = A Y - AÄ - aA Y AB = (1 - a ) A Y - A Ä a)

(5)

Abwertung bei Unterbeschäftigung

Es soll zunächst unterstellt werden, daß die Volkswirtschaft in der Ausgangssituation unterbeschäftigt ist. Wenn als unmittelbare Folge einer Abwertung der Außenbeitrag steigt, erhöht sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und dadurch das Volkseinkommen. Wenn die autonome Absorption konstant ist (AA = 0), kann sich, wie Gleichung (5) zeigt, letztlich der Außenbeitrag nur erhöhen, wenn die Absorption weniger stark steigt als das Einkommen. Die marginale Absorptionsquote a muß kleiner als eins sein, so daß 1 - a > 0 ist.

F ü n f t e s Kapitel: D i e A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz

817

Um die Situation darzustellen, die sich nach einer Abwertung ergibt, fassen wir Gleichung (1) und Gleichung (2) als Gleichgewichtsbedingung auf. Im Gleichgewicht ist das angebotene Sozialprodukt Y gleich der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, also gleich C + I + G + X - M. Es ist also wegen A = C + I + G i m Gleichgewicht X-M = Y-A In Abbildung 5.14 werden auf der Abszisse das Volkseinkommen und auf der Ordinate der Außenbeitrag sowie die Differenz Y-A abgetragen.

Der vertikale Abstand der X-M-Geraden von der Abszisse gibt an, wie hoch ceteris paribus der Außenbeitrag bei alternativem Einkommen Y ist. Die X-M-Gerade hat negative Steigung, weil mit steigendem Einkommen die Importe zunehmen, während die Exporte konstant sind. Die Steigung der Y-A-Geraden ist gleich 1-a. Sie hat in Abbildung 5.14 positive Steigung, weil unterstellt wurde, daß die marginale Absorptionsquote a kleiner als eins ist.1 In der Ausgangssituation ist das Gleichgewichtseinkommen OB durch den Schnittpunkt der X-M-Geraden mit der Y-A-Geraden bestimmt. Beim Einkommen OB ist Y-A=X-M oder Y=A+X-M. Es wird soviel produziert wie nachgefragt. Der negative Außenbeitrag ist gleich BC. Wenn die Marshall-Lerner-Bedingung erfüllt ist, bewirkt eine Abwertung, daß der Außenbeitrag steigt. Die X-M Gerade wird nach oben verschoben. Die neue X-MGerade schneidet die Abszisse beim bisherigen Gleichgewichtseinkommen OB. Wenn sich das Einkommen nicht änderte, wäre die Abwertung gerade ausreichend, um das ursprüngliche Defizit von BC zu beseitigen. 2 Doch steigt in Abbildung 5.14 das Einkommen um BD auf OD. Das Defizit sinkt nur auf DE. Eine größere Abwertung wäre notwendig, um bei konstanter autonomer Absorption und konstanter marginaler

1

D i e s e A n n a h m e ist dann realistisch, w e n n die Investitionen nicht einkommensabhängig sind.

2

Wenn OB auch nach der Abwertung das G l e i c h g e w i c h t s e i n k o m m e n sein sollte, müßte allerdings die Absorption um B C sinken.

818

Fünftes Kapitel: Die Anpassung der Zahlungsbilanz

Absorptionsquote den negativen Außenbeitrag zu eliminieren. Die Abwertung müßte so groß sein, daß sich die X-M-Gerade nach X"-M" verschiebt, wenn das Defizit beseitigt werden soll. b)

Abwertung bei Vollbeschäftigung

Wenn in der Ausgangssituation Vollbeschäftigung herrscht, so daß das reale Sozialprodukt nicht steigen kann, muß die Absorption A sinken, wenn der Außenbeitrag B steigen soll. Aus AB = A Y - A A

folgt für AY = 0, daß der Außenbeitrag nur dann steigen kann (AB > 0), wenn die Absorption sinkt (AA < 0). In Abbildung 5.15 wird durch eine Abwertung die X-M-Gerade nach X'-M' verschoben. Bei konstanter Absorption ist beim Vollbeschäftigungseinkommen OB die Nachfrage größer als das Angebot, da Y-A kleiner als X'-M' ist und somit Y kleiner als A + X' - M'. Abb. 5.15

Y-A

X-M

X

-M

Da das reale Sozialprodukt nicht steigen kann, würden bei konstanter Absorption aufgrund der inflatorischen Lücke die Preise solange steigen, bis der durch die nominale Abwertung erzielte Wettbewerbsvorteil der heimischen Wirtschaft beseitigt worden ist. Graphisch bedeutet dies, daß sich die X'-M'-Gerade wieder in die Ausgangssituation X-M verschiebt und sich der ursprüngliche negative Außenbeitrag von BC einstellt. Man erkennt: Eine Abwertung, durch welche lediglich die Nachfrage auf Inlandsprodukte umgelenkt wird, ist bei Vollbeschäftigung unwirksam, wenn nicht zugleich die inländische Absorption reduziert wird. Eine Verminderung der autonomen Absorption A kann sich als Folge der Abwertung ergeben, weil durch die Abwertung die in DM gemessenen Preise der Import- und Exportgüter steigen. Wegen des Preisniveauanstiegs sinkt bei konstanter nominaler Geldmenge der reale Wert der Kassenhaltung. Wenn die Wirtschaftssubjekte versuchen, die Kassenhaltung zu erhöhen, indem sie die Ausgaben senken, vermindert sich

Fünftes Kapitel: Die Anpassung der Zahlungsbilanz

819

die Absorption. Wenn sie bemüht sind, die Kassenhaltung zu erhöhen, indem sie Wertpapiere verkaufen, sinkt der Kurs, und der Effektivzins steigt. Der steigende Zins bewirkt einen Rückgang des nicht einkommensabhängigen Teils der Investitionen und somit eine Verminderung der autonomen Absorption. Im Idealfall sinkt die Absorption aufgrund der Abwertung so stark, daß sich die Y-AGerade in Abbildung 5.15 um BC nach oben verschiebt. Im allgemeinen wird es aber notwendig sein, die Abwertung durch kontraktive Geld- oder Fiskalpolitik zu ergänzen, damit der notwendige Rückgang der Absorption erreicht wird. Es ist notwendig, die Maßnahmen, die wie eine Abwertung die Nachfrage umlenken (expenditure switching policy), durch eine die Ausgaben senkende Politik (expenditure reducing policy) zu unterstützen. Nur durch Verminderung der Absorption können bei Vollbeschäftigung die Ressourcen verfügbar gemacht werden, die man braucht, um die Produktion von Exportgütern und Importsubstitutionsgütern zu erhöhen. Es ist wichtig zu erkennen, daß der Erfolg einer Abwertung durch expansive Geld- und Fiskalpolitik verhindert werden kann. 3.

Das Mundell-Fleming-Modell bei flexiblen Wechselkursen

Beim Elastizitätsansatz und beim Absorptionsansatz wird analysiert, wie sich wirtschaftspolitische Maßnahmen auf die Leistungsbilanz auswirken. Der Einfluß auf die Kapitalbilanz wird ausgeklammert. In diesem Abschnitt soll das schon früher beschriebene Mundell-Fleming-Modell' benutzt werden, um zu analysieren, wie geldund fiskalpolitische Maßnahmen wirken, wenn die Wechselkurse flexibel sind. a)

Fiskalpolitik bei flexiblen Wechselkursen

Die Wirkungen der Fiskalpolitik bei flexiblen Wechselkursen werden in Abbildung 5.16 am Beispiel einer expansiven fiskalpolitischen Maßnahme dargestellt. Es wird angenommen, daß die LM-Kurve steiler als die Z-Kurve verläuft. In der Ausgangssituation wird der Punkt A realisiert, in dem sich die IS0-, LM 0 - und Z 0 -Kurven schneiden. Abb. 5.16 IS,

IS LM

Z

z

Y

1

Siehe Abschnitt A.4 dieses Kapitels.

820

Fünftes Kapitel: Die Anpassung der Zahlungsbilanz

Eine kreditfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben führt zu einer Rechtsverschiebung der IS 0 -Kurve nach IS,. Die IS,-Kurve schneidet die LM 0 -Kurve in B. Da B oberhalb von Z 0 liegt, ergäbe sich bei festen Wechselkursen ein Zahlungsbilanzüberschuß. Bei flexiblen Wechselkursen wird die Zahlungsbilanzanpassung über den Wechselkurs herbeigeführt. Der potentielle Zahlungsbilanzüberschuß wird durch eine Aufwertung der Inlandswährung beseitigt. Die Aufwertung bedeutet, daß sich die Z-Kurve nach links verschiebt. Das ist deshalb so, weil bei normaler Reaktion des Außenbeitrags die Aufwertung bewirkt, daß der Außenbeitrag wertmäßig sinkt. Betrachten wir eine Kombination von Zinssatz und Sozialprodukt, die durch einen Punkt auf der Z 0 -Kurve repräsentiert wird, bei der also die Zahlungsbilanz in der Ausgangssituation ausgeglichen ist. Bei einer Aufwertung sinkt bei normaler Reaktion der Außenbeitrag. Bei gegebenem Zins ergibt sich beim ursprünglichen Sozialprodukt ein Zahlungsbilanzdefizit. Bei unverändertem Zins muß das Sozialprodukt sinken, wenn durch Verminderung der Importe ein Absinken des wertmäßigen Außenbeitrags vermieden werden soll. Die Z-Kurve verschiebt sich nach links. In Abbildung 5.16 ist Z, die neue Z-Kurve nach der Aufwertung. Die Aufwertung führt dazu, daß sich auch die IS-Kurve nach links verschiebt, weil die Nettoexporte sinken. In Abbildung 5.16 verschiebt sie sich von IS, nach IS2. Das neue Gleichgewicht muß links von B auf der ursprünglichen LM-Kurve liegen, da sich die Geldmenge nicht verändert hat. 1 C ist das neue Gleichgewicht. Man erkennt, daß fiskalpolitische Maßnahmen bei flexiblen Wechselkursen weniger effizient sind als bei festen Wechselkursen und auch weniger effizient sind als in einer geschlossenen Volkswirtschaft, da die Aufwertung dem expansiven Effekt der Staatsausgabenerhöhung entgegenwirkt. 2 Bei vollkommener internationaler Kapitalmobilität verläuft die Z-Kurve in Höhe des Weltmarktzinses i* horizontal. Expansive Fiskalpolitik, durch die in Abbildung 5.17 die IS-Kurve nach IS, verschoben wird, führt tendenziell zu steigendem Zinssatz. Abb. 5.17

1

Bei dieser Darstellung wird außer acht gelassen, daß es infolge der Aufwertung zu sinkenden Preisen der importierten Güter kommt. Wenn dadurch das Preisniveau sinkt, steigt die reale Geldmenge. Dies könnte berücksichtigt werden, indem die LM-Kurve nach rechts verschoben wird.

2

Die Aussagen gelten nur, wenn die LM-Kurve steiler als die Z-Kurve ist.

Fünftes Kapitel: Die Anpassung der Zahlungsbilanz

821

Der dadurch ausgelöste Kapitalzufluß führt zu einer Aufwertung. Die Nettoexporte sinken. Durch die sinkenden Nettoexporte verschiebt sich die IS-Kurve nach links. Gleichgewicht herrscht erst dann, wenn infolge des Kapitalimports die inländische Währung so stark aufgewertet worden ist, daß die IS-Kurve die Ausgangslage wieder erreicht, da erst dann der Inlandszins gleich dem Weltmarktzinssatz ist. Die Nettoexporte sinken in gleichem Maße, wie die Staatsausgaben erhöht worden sind. Produktion und Beschäftigung erhöhen sich nicht. Es kommt zu einem vollständigen crowding-out. Die wichtigsten Ergebnisse sind: Im Mundell-Fleming-Modell bei flexiblen Wechselkursen bewirkt expansive Fiskalpolitik -

eine Aufwertung der Inlandswährung,

-

einen Anstieg des Volkseinkommens, wenn Kapital nicht international vollständig mobil ist,

-

eine Erhöhung des Zinsatzes, wenn Kapital international nicht vollständig mobil ist,

-

eine Verschlechterung der Leistungsbilanz, weil infolge der Aufwertung die Nettoexporte sinken.

Bei vollkommener internationaler Mobilität des Kapitals ist Fiskalpolitik vollständig ineffizient. b)

Geldpolitik bei flexiblen Wechselkursen

Die Wirkungen geldpolitischer Maßnahmen auf Realeinkommen und Wechselkurs werden am Beispiel einer Geldmengenerhöhung mit Hilfe von Abbildung 5.18 erläutert. Da unvollkommene Kapitalmobilität unterstellt wird, hat die Z-Kurve positive Steigung. Abb. 5.18

LM

822

Fünftes Kapitel: Die Anpassung der Zahlungsbilanz

In der Ausgangssituation schneiden sich die IS0-, LM 0 - und Z 0 -Kurven in Punkt A. Durch expansive geldpolitische Maßnahmen verschiebt sich die LM-Kurve von LM 0 nach LM|. Bei festen Wechselkursen würde dies zu einem Zahlungsbilanzdefizit führen, da der Punkt B unterhalb der Z-Geraden liegt. Bei flexiblen Wechselkursen kommt es deshalb zu einer Abwertung der Inlandswährung. Die Z-Kurve und die IS-Kurve verschieben sich infolge der Abwertung nach rechts, bis ein neues Gleichgewicht in einem Punkt wie C, der auf der LM-Kurve rechts von B liegt, herbeigeführt wird. 1 In C schneiden sich die L M r , I S r und die Z,-Kurve. Die expansive Wirkung der Geldpolitik wird also bei flexiblen Wechselkursen durch die Abwertung noch verstärkt (C liegt rechts von B). Während Geldpolitik bei festen Wechselkursen langfristig völlig ineffizient ist, ist sie bei flexiblen Wechselkursen noch effizienter als in der geschlossenen Volkswirtschaft. Im Extremfall vollkommener Kapitalmobilität verläuft die Z-Kurve horizontal. Durch expansive Geldpolitik wird die LM-Kurve in Abbildung 5.19 von LM 0 nach LM, verschoben. Abb. 5.19

Bei sinkendem Zins kommt es zu einem Kapitalabfluß und zu einer Abwertung der heimischen Währung. Wegen der Abwertung erhöhen sich die Nettoexporte. Die ISKurve verschiebt sich von IS 0 nach IS,, bis ein neues Gleichgewicht in C erreicht wird. Im neuen Gleichgewicht muß der Inlandszins gleich dem Weltmarktzins i* sein. Das Einkommen steigt von Y 0 auf Y,. Geldpolitik ist vollkommen effizient. Die wichtigsten Ergebnisse sind: Im Mundell-Fleming-Modell bei flexiblen Wechselkursen bewirkt expansive Geldpolitik -

eine Abwertung der Inlandswährung,

-

einen Anstieg des Volkseinkommens,

-

eine Zinssenkung, sofern das Kapital international nicht vollständig mobil ist,

1

Die Z-Kurve wird weiter nach rechts verschoben als die IS-Kurve. Die Preisniveaueffekte der Abwertung werden bei dieser Darstellung nicht berücksichtigt.

Fünftes Kapitel: Die Anpassung der Zahlungsbilanz

-

823

eine Verbesserung der Leistungsbilanz.

Bei vollkommener internationaler Mobilität des Faktors Kapital ist die Wirksamkeit geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen bei flexiblen Wechselkursen völlig anders als bei festen Wechselkursen. Während Geldpolitik bei festen Wechselkursen vollkommen ineffizient ist, ist sie bei flexiblen Wechselkursen das einzige Mittel, um langfristig Einkommen und Beschäftigung zu beeinflussen. Umgekehrt sind bei festen Wechselkursen nur fiskalpolitische Maßnahmen wirksam. Gegen das keynesianische Mundell-Fleming-Modell bei flexiblen Wechselkursen können die gleichen Einwände erhoben werden, die in Abschnitt A.4 dieses Kapitels bereits bei der Darstellung des Mundell-Fleming-Modells bei festen Wechselkursen erörtert worden sind. Ergänzend ist kritisch anzumerken, daß durch Wechselkursänderungen bedingte Auswirkungen auf das Preisniveau und somit auf die reale Geldmenge nicht berücksichtigt werden. Werden diese Einflüsse in die Überlegungen einbezogen (graphisch durch entsprechende Verschiebungen der LM-Kurve), so zeigt sich, daß die Effizienz der Geldpolitik etwas schwächer, die der Fiskalpolitik größer ist als in dem dargestellten Modell. Im Mundell-Fleming-Modell werden außerdem Wechselkurserwartungen vernachlässigt. Kapitalbewegungen hängen jedoch auch von den für die Zukunft erwarteten Wechselkursen ab. C.

Die monetäre Theorie der Zahlungsbilanz

Nach der monetären Zahlungsbilanztheorie ist die Zahlungsbilanz im wesentlichen ein monetäres Phänomen. Ein Ungleichgewicht in der Zahlungsbilanz kann nach monetaristischer Auffassung nur durch ein Bestandsungleichgewicht auf dem Geldmarkt erklärt werden. Wenn die Geldnachfrage (die gewünschte Kassenhaltung) größer ist als das Geldangebot (die tatsächliche Kassenhaltung), ergibt sich ein Zahlungsbilanzüberschuß. Ist die Geldnachfrage kleiner als das Geldangebot, entsteht ein Zahlungsbilanzdefizit. Der Mechanismus, der von einem Ungleichgewicht auf dem Geldmarkt zu einem Zahlungsbilanzungleichgewicht führt, soll an einem monetaristischen Modell für ein kleines Land erläutert werden, bei dem folgende Annahmen gemacht werden: 1.

Die Geldnachfrage ist eine stabile Funktion des Preisniveaus und des realen Sozialprodukts.

2.

Das Geldangebot ist ein konstantes Vielfaches der monetären Basis. Diese besteht aus zwei Komponenten, den Währungsreserven und den Zentralbankkrediten an Private und den Staat.

3.

Es herrscht Vollbeschäftigung. Löhne und Preise sind vollständig flexibel.

4.

Änderungen der Währungsreserven werden nicht neutralisiert.

824

F ü n f t e s Kapitel: D i e Anpassung der Zahlungsbilanz

5.

Preise und Zinsen sind für das kleine Land durch den Weltmarkt gegeben. Es gilt das Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise. Der Weltmarkt ist ein einziger integrierter Markt für Güter und Kapital.

6.

Der Wechselkurs ist fixiert.

1.

Ursachen eines Zahlungsbilanzüberschusses

Ein Zahlungsbilanzüberschuß entsteht, wenn die Geldnachfrage größer als das Geldangebot ist. Wir wollen annehmen, daß in der Ausgangssituation der Geldmarkt im Gleichgewicht und die Zahlungsbilanz ausgeglichen ist. Das Geldmarktgleichgewicht werde gestört. Wenn zum Beispiel die Geldmenge im Ausland erhöht wird und deshalb im Ausland die Preise steigen, erhöhen sich wegen des Gesetzes der Unterschiedslosigkeit der Preise auch die Inlandspreise. Wenn das inländische Preisniveau steigt, steigt die Geldnachfrage. Bei konstantem inländischem Geldangebot ist die Geldnachfrage größer als das Geldangebot. Es ergibt sich ein Ungleichgewicht auf dem Geldmarkt. Die Inländer versuchen ihre Kassenhaltung zu erhöhen, indem sie die Nachfrage nach Gütern senken oder Wertpapiere verkaufen. Wenn wir zunächst unterstellen, allein die Güternachfrage sinke, ergibt sich ein Angebotsüberschuß auf dem Gütermarkt, der dem Nachfrageüberschuß auf dem Geldmarkt entspricht. Da die Inlandspreise durch die Weltmarktpreise gegeben sind, kann es als Folge des Angebotsüberschusses auf dem Gütermarkt nicht zu einer Preissenkung kommen. Es ensteht ein Leistungsbilanzüberschuß, weil die inländische Absorption gesunken ist. Das kleine Land, das auf dem Weltmarkt Mengenanpasser ist, verkauft die Güter, die im Inland nicht abgesetzt werden können, im Ausland. Aus dem Geldnachfrageüberschuß enststeht ein Leistungsbilanzüberschuß, der bei festem Wechselkurs zu einem Zahlungsbilanzüberschuß führt. Die Zentralbank muß Devisen kaufen, die Währungsreserven des Inlandes nehmen zu. Da die Währungsreserven eine Komponente der Geldbasis sind, erhöht sich die Geldbasis. Das Geldangebot steigt und paßt sich der gestiegenen Geldnachfrage an. Der Prozeß endet, wenn sich ein neues Bestandsgleichgewicht auf dem Geldmarkt ergeben hat. Im neuen Geldmarktgleichgewicht ist auch die Zahlungsbilanz wieder ausgeglichen. Zahlungsbilanzüberschüsse sind also eine temporäre Erscheinung und werden automatisch korrigiert. Es wurde bisher unterstellt, daß das Ungleichgewicht auf dem Geldmarkt nur Auswirkungen auf den Gütermarkt hat und deshalb nur die Leistungsbilanz beeinflußt. Um die Kassenhaltung zu erhöhen, können die Wirtschaftssubjekte aber auch ihre Wertpapiernachfrage senken. Bei gegebenem, durch den Weltmarktzins bestimmten Zinsniveau entsteht ein Angebotsüberschuß auf dem Wertpapiermarkt. Die inländischen Wertpapiere werden an Ausländer verkauft. Es kommt zu einem Kapitalimport und einem Zahlungsbilanzüberschuß. Die Zentralbank muß bei festen Wechselkursen Devisen kaufen. Die Währungsreserven nehmen zu. Das Geldangebot steigt, bis ein neues Geldmarktgleichgewicht erreicht wird und die Zahlungsbilanz ausgeglichen ist.

Fünftes Kapitel: D i e A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz

2.

825

Ursachen eines Zahlungsbilanzdefizits

Ein Zahlungsbilanzdefizit entsteht, wenn das Geldangebot größer als die Geldnachfrage ist. Nehmen wir an, daß in der Ausgangssituation der Geldmarkt im Gleichgewicht und die Zahlungsbilanz ausgeglichen ist. Die Zentralbank erhöht die Geldmenge, so daß das Geldangebot größer als die Geldnachfrage ist. Die Wirtschaftssubjekte versuchen ihre Kassenhaltung zu reduzieren, indem sie ihre Ausgaben erhöhen. Doch führen Ausgaben im Inland nur dazu, daß die Einnahmen anderer Wirtschaftssubjekte steigen. Bei Vollbeschäftigung und durch den Weltmarkt gegebenen Preisen und Zinsen wird somit der Angebotsüberschuß an Geld nicht abgebaut. Er verschwindet nur, wenn das Geld für Käufe im Ausland ausgegeben wird. Ist dies der Fall, dann entsteht ein Zahlungsbilanzdefizit. Um die Devisennachfrage zu befriedigen, muß die Zentralbank bei festen Wechselkursen Devisen gegen Inlandswährung verkaufen. Die Währungsreserven sinken. Dadurch vermindert sich eine Komponente der Geldbasis und via Geldmultiplikator die inländische Geldmenge. Die Geldmenge sinkt, bis ein neues Geldmarktgleichgewicht realisiert wird. Im neuen Gleichgewicht sind die Währungsreserven um den gleichen Betrag gesunken, um den die inländische Komponente der Geldbasis infolge der expansiven Geldpolitik gestiegen war. Im Geldmarktgleichgewicht ist die Zahlungsbilanz wieder ausgeglichen. Das Zahlungsbilanzdefizit besteht nur so lange, bis infolge der Verminderung des inländischen Geldangebots das Geldmarktgleichgewicht wieder hergestellt wird. Das Zahlungsbilanzdefizit wird also automatisch korrigiert. Wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Korrektur des Defizits sind überflüssig. 3.

Die Wirkung einer Abwertung

Im monetaristischen Ansatz kann eine Abwertung den Saldo der Zahlungsbilanz nur verändern, wenn sie die Geldnachfrage oder das Geldangebot beeinflußt. Wegen des Gesetzes der Unterschiedslosigkeit der Preise bewirkt eine Abwertung, daß die Inlandspreise für Exportgüter und Importgüter steigen. Infolge der Substitutionsbeziehungen steigen auch die Preise der nicht handelbaren Güter, wenn auch in geringerem Maße. Das steigende Preisniveau führt zu einem Anstieg der Geldnachfrage und bei konstantem Geldangebot zu einem Zahlungsbilanzüberschuß. Der Überschuß ist jedoch temporär und verschwindet, wenn durch Anpassung des Geldangebots das Geldmarktgleichgewicht wiederhergestellt wird. Langfristig hat eine Abwertung keine Auswirkungen auf die realen Größen. Die Abwertung bewirkt nur, daß das inländische Preisniveau steigt. In analoger Weise führt auch eine Aufwertung nur zu einem temporären Defizit, das von selbst korrigiert wird. Wechselkursänderungen haben langfristig keine Auswirkungen auf die Zahlungsbilanz. Sie sind auch nicht notwendig, da Zahlungsbilanzdefizite und Zahlungsbilanzüberschüsse automatisch korrigiert werden. Abwertungen (und Aufwertungen) können allerdings den Prozeß der Wiederherstellung eines Zahlungsbilanzgleichgewichts beschleunigen. Die temporären Wirkungen einer Abwertung ergeben sich, weil die Geldnachfrage steigt und nicht, weil die Preise im Inland relativ zu den Auslandspreisen sinken. Die Elastizitäten der Import- und Exportnachfrage sind ohne Bedeutung. Die temporären Wirkungen werden verstärkt,

826

F ü n f t e s Kapitel: Die A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz

weil die Preise der Exportgüter und der Importsubstitutionsgüter relativ zu den Preisen der nicht handelbaren Güter steigen. Ressourcen werden so in die Exportgüter- und Importsubstitutionsgüterindustrien gelenkt.

4.

Die wichtigsten Ergebnisse des monetären Ansatzes

1.

Zahlungsbilanzungleichgewichte werden durch Bestandsungleichgewichte auf dem Geldmarkt verursacht. Sie werden automatisch korrigiert.

2.

Maßnahmen, die die Nachfrage umlenken (expenditure switching policies), sind nicht dazu geeignet, dauerhafte Änderungen der Zahlungsbilanz zu erreichen. Aufund Abwertungen haben nur temporäre Wirkungen.

3.

Die temporäre Verbesserung der Zahlungsbilanz bei einer Abwertung hängt nicht von den Elastizitäten der Export- und Importnachfrage ab. Der Elastizitätsansatz ist bedeutungslos.

4.

Geldpolitik ist bei festen Wechselkursen langfristig völlig wirkungslos. Die Geldmenge ist im Fall des kleinen Landes eine endogene Variable. Durch die Geldpolitik kann nur die Zusammensetzung der Geldbasis beeinflußt werden, nicht aber die Höhe.

5.

Beurteilung und Kritik

Der monetäre Ansatz erlaubt eine klare Analyse der Wirkungen, die geldpolitische Maßnahmen und Wechselkursänderungen auf die Zahlungsbilanz haben. Die These, daß Zahlungsbilanzungleichgewichte eine Reaktion von Stromgrößen auf ein Bestandsungleichgewicht auf dem Geldmarkt sein können, stellt eine wichtige Einsicht dar. Gegen den monetaristischen Ansatz werden eine Reihe von Einwänden erhoben. Bei der Kritik ist allerdings zu bedenken, daß es im monetaristischen Lager ein weites Spektrum von Ansichten gibt und die Kritik keineswegs allen in der Literatur vertretenen Auffassungen gerecht wird. 1.

Aus der Einsicht, daß einem Zahlungsbilanzungleichgewicht ein Ungleichgewicht auf dem Geldmarkt entspricht, folgt nicht, daß Geldmarktungleichgewichte die Ursache für Zahlungsbilanzungleichgewichte sein müssen. Wenn wegen sinkender Wettbewerbstätigkeit der heimischen Wirtschaft ein Zahlungsbilanzdefizit entsteht, ergibt sich ex post ein Überschuß des Geldangebots über die Geldnachfrage. Das Geldmarktungleichgewicht hat jedoch in diesem Fall das Zahlungsbilanzdefizit nicht verursacht. Es wäre deshalb irreführend, das Defizit als rein monetäres Phänomen zu behandeln.

2.

In vielen monetären Ansätzen geht man vom Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise aus. Die Realität zeigt jedoch, daß dieses Gesetz zumindest kurzfristig nicht gilt. Die gleichen Produkte werden in verschiedenen Ländern häufig zu sehr unterschiedlichen Preisen verkauft.

F ü n f t e s Kapitel: D i e A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz

827

3.

Im monetaristischen Ansatz wird unterstellt, daß Zahlungsbilanzüberschüsse und Zahlungsbilanzdefizite nicht neutralisiert werden können. Die Realität zeigt jedoch, daß einige Länder über beträchtliche Zeiträume Überschüsse und Defizite zumindest zum Teil neutralisieren konnten.

4.

Die Annahme, die Geldnachfrage sei eine stabile Funktion, ist zumindest auf kurze Sicht fragwürdig. Wenn aber die Geldnachfragefunktion nicht stabil ist, können aus Geldmengenänderungen keine Schlüsse auf die Veränderung der Zahlungsbilanz gezogen werden.

5.

Anhänger des monetaristischen Ansatzes sind der Meinung, daß der Ansatz es erlaubt, kurzfristige Zahlungsbilanzungleichgewichte zu erklären. Die Annahmen der Vollbeschäftigung, der stabilen Geldnachfragefunktion, der Nichtneutralisierung und der Geltung des Gesetzes der Unterschiedslosigkeit der Preise sind jedoch kurzfristig äußerst fragwürdig. Es ist bedenklich, mit Hilfe von Annahmen, die bestenfalls langfristig approximativ gelten, die kurzfristige Zahlungsbilanzentwicklung zu erklären.

Literatur zum fünften Kapitel des dritten Teils Robert J. Carbaugh, International Economics, 3. Auflage, Belmont 1989, S. 257-294. Gustav Dieckheuer, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, München 1990, S. 105-264. Hans Joachim Jarchow, Peter Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft, I. Monetäre Außenwirtschaftstheorie, 4. Auflage, Göttingen 1994, S. 43-87 und 89-212. Keith Pilbeam, International Finance, Houndmills 1992, S. 49-137. Klaus Rose, Karlhans Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft, 11. Auflage, München 1992, S. 33-175 und S. 237-266. Horst Siebert, Außenwirtschaft, 6. Auflage, Stuttgart 1994. Bo Södersten, Geoffrey Reed, International Economics, 3. Auflage, Belmont 1989, S. 257-294. Manfred Wilms, Internationale Währungspolitik, 2. Auflage, München 1995, S. 33-106. L. Alan Winters, International Economics, 4. Auflage, London 1991, S. 254-311.

Sechstes Kapitel Bestimmungsgründe des Wechselkurses Die inländische Volkswirtschaft ist durch den Wechselkurs mit der Wirtschaft des Auslands verbunden. Wechselkursänderungen haben bedeutsame Auswirkungen auf viele Bereiche der Volkswirtschaft. Wenn zum Beispiel der Wechselkurs steigt, die eigene Währung also abgewertet wird, steigen die Preise der Güter, die importiert werden. Andererseits verbessert sich ceteris paribus die internationale Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Exportgüterindustrie und der Wirtschaftszweige, die mit Importgütern konkurrieren. Wechselkursänderungen beeinflussen Preisniveau, Sozialprodukt und Beschäftigung der heimischen Wirtschaft. Der Einfluß ist um so stärker, je enger die Volkswirtschaft mit dem Ausland verbunden ist. Seit dem Zusammenbruch des Systems von Bretton Woods zu Beginn der siebziger Jahre sind die wichtigsten Währungen der Welt, der US-Dollar, die DM und der Yen, durch flexible Kurse verbunden. 1 Das Ausmaß, in dem die Wechselkurse schwanken, hat seit dem Übergang zu flexiblen Kursen beträchtlich zugenommen. Die kurz- und langfristigen Schwankungen waren viel größer, als man dies beim Übergang zum System flexibler Kurse erwartet hatte. Abbildung 6.1 zeigt die prozentualen jährlichen Veränderungen des DM/DollarKurses. Man erkennt, daß seit Beginn der siebziger Jahre der DM/Dollar-Kurs weit stärker schwankt als zuvor. Veränderung

Quelle: Sachverständigenrat, Jahresgutachten; eigene Berechnungen

Man würde bei flexiblen Wechselkursen Änderungen des Wechselkurses erwarten, wenn die Inflationsraten im In- und Ausland unterschiedlich hoch sind. Wenn zum Beispiel die Preise im Ausland schneller steigen als im Inland, würde man erwarten, daß sich die inländische Währung aufwertet. Das ist auch die Botschaft der Kaufkraftparitätentheorie, die im nächsten Abschnitt dargestellt wird. In Abbildung 6.2

1

Siehe dazu die Ausführungen im folgenden Kapitel.

830

S e c h s t e s Kapitel: B e s t i m m u n g s g r ü n d e d e s W e c h s e l k u r s e s

wird die tatsächliche prozentuale jährliche Veränderung des DM/Dollar-Wechselkurses mit jener hypothetischen Wechselkursänderung verglichen, die sich ergeben hätte, wenn die Änderung des Wechselkurses Ausdruck der unterschiedlichen Inflationsraten in der Bundesrepublik und in den USA gewesen wäre, also allein die Entwicklung der Kaufkraftparitäten widerspiegeln würde (Kaufkraftparitätenwechselkurs). Der DM/Dollar-Kaufkraftparitätenkurs würde also um vier Prozent steigen, wenn die Inflationsrate in einem Jahr in der Bundesrepublik um vier Prozent höher gewesen wäre als in den USA. Veränderung

Q u e l l e : S a c h v e r s t ä n d i g e n r a t , Jahresgutachten; IMF, International Financial Statistics; e i g e n e Berechnungen

Man ersieht aus Abbildung 6.2, daß in der Periode flexibler Wechselkurse die beobachteten Wechselkursänderungen viel größer waren als die Differenz der Inflationsraten. Gelegentlich bewegen sich sogar der tatsächliche Wechselkurs und der hypothetische Kaufkraftparitätenkurs in entgegengesetzte Richtungen. Weil der nominale Wechselkurs stärker schwankt als die Preisniveaus der betrachteten Länder, ist es in der Periode flexibler Wechselkurse auch zu großen Schwankungen des realen Wechselkurses gekommen. Zwischen den Bewegungen des nominalen und realen Wechselkurses besteht eine enge Korrelation. Es bleibt zu prüfen, ob wir ein anderes Bild erhalten, wenn wir nicht die kurzfristigen (jährlichen) Schwankungen, sondern die langfristige Entwicklung des Wechselkurses betrachten. In Abbildung 6.3 wird die Entwicklung des DM/Dollar-Kurses, gemessen durch einen Index (1973 = 100), mit der Entwicklung des Quotienten aus dem Preisindex für die Bundesrepublik und dem Preisindex der USA (Wert des Quotienten 1973 = 100) verglichen. Steigt der Quotient, so bedeutet dies, daß der Preisindex für die Bundesrepublik Deutschland schneller steigt als der Preisindex für die USA.

Abbildung 6.3 zeigt, daß auch über lange Perioden der Wechselkurs von den Kaufkraftparitäten abgewichen ist, so daß es auch langfristig zu Schwankungen der realen Wechselkurse kam.

831

S e c h s t e s Kapitel: B e s t i m m u n g s g r ü n d e des W e c h s e l k u r s e s Basisjahr

1973 = 100

Abb. 6.3

160

DM/Dollar-Wechselkurs 140

120 100

80

60

40

61

63

65

67

69

71

7.1

75

77

79

81

83

85

87

89

91

Jahr

Q u e l l e : S a c h v e r s t ä n d i g e n r a t , Jahresgutachten; IMF, International Financial Statistics, e i g e n e B e r e c h n u n g e n ; 1 9 7 3 = 100

Es fragt sich, wie die beobachteten kurz- und langfristigen S c h w a n k u n g e n zu erklären sind. In den folgenden Abschnitten werden einige der wichtigsten Wechselkurstheorien in den Grundzügen dargestellt. In einem ersten Abschnitt wird eine ältere Theorie, die Kaufkraftparitätentheorie, behandelt, die 1918 von dem schwedischen Ö k o n o m e n Gustav Cassel entwickelt worden ist. In den neueren Modellen, die in den siebziger Jahren entwickelt wurden, versucht man zu zeigen, wie Veränderungen bestimmter "fundamentaler" Faktoren den Wechselkurs beeinflussen. Die Modelle basieren zum größten Teil auf der Annahme, daß die Entwicklung der Wechselkurse durch die rationalen Erwartungen der Akteure bestimmt ist, die schnell auf neue Ereignisse und Entwicklungen reagieren. Es wird sich zeigen, daß es bis heute keine befriedigende, die tatsächlichen Wechselkursentwicklungen erklärende Theorie gibt.

A. Die Kaufkraftparitätentheorie 1.

Absolute und relative Kaufkraftparitätentheorie

Die Kaufkraftparitätentheorie behauptet, daß der Wechselkurs langfristig Ausdruck der relativen K a u f k r a f t der betrachteten Währungen ist. W e n n man also in Deutschland mit 200 D M die gleiche M e n g e an Gütern kaufen kann, f ü r die man in den U S A 100 Dollar bezahlen muß, dann ergibt sich nach der Kaufkraftparitätentheorie langfristig ein Kurs von w = 2 D M pro Dollar. Anders gesagt: der nominale Wechselkurs ist langfristig gleich dem Verhältnis aus dem inländischen Preisniveau p und dem ausländischen Preisniveau p*.

w =

_P P*

(1)

Schreibt man (1) als p = w-p

(2)

832

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

so erkennt man, daß nach der Kaufkraftparitätentheorie der in DM ausgedrückte Preis eines Warenkorbes in Deutschland gleich dem in DM ausgedrückten Preis des gleichen Warenkorbes in den USA ist. Man nennt die durch Gleichung (1) oder (2) formulierte Aussage auch die Kaufkraftparitätentheorie in der absoluten Form. Die Kaufkraftparitätentheorie in der absoluten Form impliziert eine Theorie, die relative oder komparative Kaufkraftparitätentheorie genannt wird. Sind w, und p, Wechselkurs und Preisniveau im laufenden Jahr und w 0 und p 0 Wechselkurs und Preisniveau in einem Basisjahr, so folgt aus (2) Pl Po

_

Pl Wo

Po

w. _ Pl. pl Wo

Po' Po

Das bedeutet: Wechselkurs im laufenden Jahr

Preisindex im Inland

Wechselkurs in einem Basisjahr

Preisindex im Ausland

Wenn also zum Beispiel das Preisniveau im Inland bei konstantem Preisniveau des Auslands um zwanzig Prozent steigt, so prognostiziert die relative Kaufkraftparitätentheorie, daß langfristig der Wechselkurs um zwanzig Prozent steigt. Ein Wechselkurs w0 = 2 DM pro Dollar wird also auf w, = 2,40 DM pro Dollar steigen. Schreibt man Gleichung (1) in Veränderungsraten, so gilt approximativ: w = p-p*

(5)

oder, da die Veränderungsrate des Preisniveaus gleich der Inflationsrate 7t ist: W = 7t - 7t*

(6)

Die prozentuale Änderung des Wechselkurses ist approximativ gleich der Differenz aus der inländischen und der ausländischen Inflationsrate. Wenn also das inländische Preisniveau um a Prozent und das ausländische Preisniveau um b Prozent steigt, wird nach der relativen Kaufkraftparitätentheorie der Gleichgewichtswechselkurs um (a - b) Prozent steigen. Die relative Kaufkraftparitätentheorie kann auch dann gelten, wenn die Aussagen der absoluten Kaufkraftparitätentheorie nicht zutreffen. Ist zum Beispiel

w=a

P — P

(7)

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

833

so ist das mit der absoluten Kaufkraftparitätentheorie nur vereinbar, wenn a = 1 ist. Aber auch wenn a von eins verschieden ist, bleibt die relative Kaufkraftparitätentheorie gültig, falls a im Zeitablauf konstant ist, weil sich die Faktoren, die zu einer Abweichung von der absoluten Kaufkraftparitätentheorie führen, nicht ändern. Bei Konstanz von a gilt: w= p- p

oder

W = 71-71 Schreibt man (7) als W

P

« = — - = wrcal

(8)

so sieht man, daß a der reale Wechselkurs ist. Die absolute Kaufkraftparitätentheorie ( a = 1) impliziert also die Aussage, daß der reale Wechselkurs gleich eins ist. Die relative Kaufkraftparitätentheorie (a = 0) besagt, daß der reale Wechselkurs sich nicht ändert. Der Grundgedanke, auf dem die Kaufkraftparitätentheorie basiert, ist die Einsicht, daß die in der gleichen Währung ausgedrückten Preise für ein identisches Warenbündel im Inland und im Ausland gleich sein müssen, wenn man von Transportkosten, Zöllen, Steuern und sonstigen Handelsbarrieren absieht. Wenn nämlich bei einem Wechselkurs von 2 DM pro Dollar ein Warenbündel in den USA 80 Dollar und in Deutschland 200 DM kostet, könnten die Waren für 160 DM in den USA gekauft und für 200 DM in der Bundesrepublik verkauft werden. Die Arbitrage würde zu einem Ausgleich der Preise führen. Die Kaufkraftparitätentheorie basiert auf dem Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise. 2.

Abweichungen von der Kaufkraftparität

In der Realität kommt es aus verschiedenen Gründen zu Abweichungen von den Kaufkraftparitäten. a)

Transportkosten, Steuern, Zölle und andere Handelshemmnisse können zu Preisdifferenzen zwischen Inland und Ausland führen. Wenn in unserem Beispiel der Transport der Güter 40 DM oder mehr kostet, lohnt sich der Kauf in den USA nicht. Wenn sich die Transportkosten im Zeitablauf nicht ändern, kann allerdings trotz der Transportkosten die Kaufkraftparitätentheorie in der relativen Form gültig sein.

b) Transportkosten führen dazu, daß ein Teil der Güter nicht international gehandelt werden kann. Das gilt insbesondere für viele Dienstleistungen. Für diese nicht handelbaren Güter gilt das Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise nicht. Da die Preise der nicht handelbaren Güter durch Angebot und Nachfrage im Inland bestimmt werden, können Veränderungen der Nachfrage und des Angebots bei diesen Gütern bewirken, daß der Inlandspreis eines Warenkorbs relativ zum Preis

834

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

des gleichen Warenkorbs im Ausland sinkt oder steigt, ohne daß dies Änderungen des Wechselkurses zur Folge hat. Das Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise gilt - wenn überhaupt - nur für die international handelbaren Güter. c)

Vor allem Produktivitätsunterschiede bei den international gehandelten Gütern können zu Abweichungen von der absoluten Kaufkraftparitätentheorie führen. Nehmen wir an, die Produktivität bei der Herstellung international gehandelter Güter sei im Inland doppelt so hoch wie in einem weniger entwickelten Land. Bei der Herstellung nicht handelbarer Güter sei die Produktivität im In- und Ausland jedoch gleich. Der Wechselkurs spiegelt allein das Preisverhältnis bei den international gehandelten Gütern wider. Wegen der höheren Löhne im Inland sind die Preise für die nicht handelbaren Güter im Inland höher als die zum Wechselkurs w ermittelten Preise für die nicht handelbaren Güter im Ausland. Produktivitätsunterschiede bei den handelbaren Gütern führen also zu Abweichungen von der absoluten Form der Kaufkraftparitätentheorie. Aber auch die Aussagen der relativen Kaufkraftparitätentheorie treffen nicht zu, wenn der Produktivitätsfortschritt bei den handelbaren Gütern im Inland größer oder kleiner ist als im Ausland, während sich bei den nicht handelbaren Gütern keine Unterschiede in bezug auf den Produktivitätsfortschritt ergeben. Ist der Produktivitätsfortschritt bei den handelbaren Gütern im Inland größer als im Ausland, kommt es zu einer realen Aufwertung der inländischen Währung.

d)

Die Warenkörbe, die verwendet werden, um Preisindizes zu messen, sind häufig von Land zu Land unterschiedlich. Wenn etwa Änderungen des Preisniveaus mit Hilfe des Preisindex der Lebenshaltung gemessen werden, so spiegeln die Warenkörbe die unterschiedlichen Konsumgewohnheiten in den einzelnen Ländern wider. Die Japaner essen mehr Fisch, die Inder mehr Reis, die Deutschen mehr Kartoffeln, die Engländer trinken mehr Tee, die Deutschen mehr Kaffee. Das Gewicht, das die Güter in den nationalen Warenkörben haben, ist unterschiedlich hoch. Das beeinträchtigt die Aussagen der relativen Kaufkraftparitätentheorie, in der auf Preisänderungen abgestellt wird, dann nicht, wenn die relativen Preisänderungen bei den einzelnen Gütern gleich hoch sind. Wenn sich jedoch die Preise der Güter unterschiedlich entwickeln, wenn zum Beispiel Fisch teurer und Kartoffeln billiger werden, erhält man trotz identischer Preisänderungen im Inund Ausland unterschiedliche Werte für die gemessenen Inflationsraten, ohne daß dies zu Wechselkursänderungen führt.

e)

Auf vielen Märkten werden keine homogenen, sondern heterogene Güter angeboten. Die Arbitragemöglichkeiten sind beschränkt. Monopolistische oder oligopolistische Praktiken in Verbindung mit Transportkosten und anderen Handelsbarrieren führen dazu, daß gleiche Güter zu unterschiedlichen Preisen in den verschiedenen Ländern verkauft werden. Die Güterarbitrage erfordert Zeit. Die Erfahrung zeigt, daß die internationalen Güterströme relativ langsam auf Preisdifferenzen reagieren.

Es gibt also mehrere Gründe dafür, daß es vor allem kurzfristig zu Abweichungen von der relativen Kaufkraftparitätentheorie kommt. Der reale Wechselkurs ist nicht konstant, sondern ändert sich.

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

3.

835

Nominaler und realer Wechselkurs

Geht man von der Definitionsgleichung für den realen Wechselkurs P

w„„, = w • — aus, läßt sich der nominale Wechselkurs als Produkt aus dem realen Wechselkurs und dem Quotienten aus inländischem und ausländischem Preisniveau darstellen: w = w„„, • — In Veränderungsraten erhält man: W = Wr„, + 7 l - 7 l *

Außer unterschiedlichen Inflationsraten im In- und Ausland führen auch Änderungen des realen Wechselkurses zu nominalen Wechselkursänderungen. So führte die Entdeckung der Ölvorräte in der Nordsee dazu, daß Großbritannien von einem Rohölimporteur zu einem Exporteur wurde. Bei gegebenem Wechselkurs waren Großbritanniens Exporte jeweils höher und die Importe niedriger, so daß es zu einer realen Aufwertung des Pfundes kam. Aufgabe einer allgemeinen Theorie des langfristigen Wechselkurses ist es, systematisch jene Faktoren zu analysieren, die Änderungen des realen Wechselkurses bewirken. 4.

Beurteilung der Kaufkraftparitätentheorie

Die Erfahrung zeigt, daß kurzfristig kaum ein Zusammenhang zwischen Wechselkursänderungen und Preisniveauänderungen besteht. Die Kaufkraftparitätentheorie kann die täglichen, monatlichen und auch die jährlichen Wechselkursschwankungen nicht erklären. Das ist jedoch kein entscheidender Einwand gegen die Theorie, denn sie beschreibt ihrem Wesen nach eine langfristige Gleichgewichtsbeziehung zwischen Preisniveau und Wechselkurs. Die Kaufkraftparitätentheorie betrachtet nur den Gütermarkt und berücksichtigt nicht den internationalen Kapitalverkehr, der erhebliche kurzfristige Wechselkursänderungen bewirkt. Die zu beobachtende enge Korrelation zwischen nominalen und realen Wechselkursänderungen kann die Kaufkraftparitätentheorie ebensowenig erklären wie die teilweise ausgeprägten zyklischen Schwankungen des realen Wechselkurses. Die Kaufkraftparitätentheorie bewährt sich als langfristige Theorie relativ gut, wenn Wechselkursänderungen rein monetär verursacht sind und unterschiedliche Wachstumsraten der Geldmenge zu unterschiedlichen Inflationsraten führen. Ihre Prognosen sind um so besser, j e größer die Unterschiede in den Inflationsraten der einzelnen Länder sind. So hat man für die deutsche Hyperinflation zwischen August 1922 und November 1923 gezeigt, daß über neunzig Prozent der Veränderungen der Kassakurse

836

S e c h s t e s Kapitel: Bestimmungsgründe des W e c h s e l k u r s e s

durch Preisniveauänderungen erklärt werden können. Aber auch als langfristige Theorie gibt sie nur gewisse Anhaltspunkte zur Erklärung der Wechselkursentwicklung, wie folgende Graphik zeigt. Prozentuale Veränderung des nominalen Wechselkurses 10

Abb. 6.4

9

Italien • • Großbritannien

Kanada •

1

• 2





USA

Frankreich

3

4

5

6

7

Inflationsdifferenzen

Japan

Quelle: Sachverständigenrat, Berechnungen

Jahresgutachten;

IMF,

International

Financial

Statistics;

eigene

Auf der horizontalen Achse wird für die verschiedenen Länder jeweils die Differenz zwischen der durchschnittlichen Inflationsrate des jeweiligen Landes und der durchschnittlichen Inflationsrate der Bundesrepublik (tc* — 7c) für die Periode von 1970-1992 abgetragen. Auf der Ordinate wird die durchschnittliche prozentuale Veränderung der nominalen Wechselkurse gegenüber der DM gemessen. Die Graphik zeigt, daß im allgemeinen die nominale Abwertung gegenüber der DM um so größer ist, je höher die Inflationsrate im jeweiligen Land ist. Trotz aller Mängel ist der Grundgedanke, auf dem die Kaufkraftparitätentheorie basiert, vernünftig. Aus ihm ergibt sich die Einsicht: Je weiter sich der reale Wechselkurs von dem von der Kaufkraftparitätentheorie prognostizierten Niveau entfernt, um so größer wird der Anreiz zur Güterarbitrage. Das Ausmaß, in dem sich langfristig der Wechselkurs von den Kaufkraftparitäten entfernen kann, wird so begrenzt.

B.

Zinsen, Erwartungen und Wechselkurs

Die kurzfristigen Determinanten des Wechselkurses Die großen kurzfristigen Wechselkursschwankungen sind auf internationale Kapitalbewegungen zurückzuführen, die am besten durch die sich im Zeitablauf ändernden Renditeerwartungen bei in- und ausländischen Anlagen zu erklären sind. Es kommt bei veränderten Renditeerwartungen ständig zu Umschichtungen von inländischen zu ausländischen Vermögenswerten und umgekehrt. Deshalb ist es plausibel, den Wech-

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

837

selkurs nicht durch ein Gleichgewicht der Stromgrößen Devisenangebot und Devisennachfrage zu erklären, sondern als jene Größe, die ein Bestandsgleichgewicht auf dem internationalen Markt für Vermögenswerte bewirkt. 1.

Die ungedeckte Zinsparität

Tatsächlich läßt sich der Wechselkurs als relativer Preis von zwei Vermögenstiteln auffassen, deren erwartete Rendite wie die Rendite anderer Vermögenswerte außer vom laufenden Einkommen (zum Beispiel in Form von Zinsen) von der erwarteten Wertänderung abhängt. Wenn man also die Rendite von DM-Anlagen mit der von Dollaranlagen vergleicht, muß außer den Zinsen im In- und Ausland die erwartete Wechselkursentwicklung berücksichtigt werden. Wenn zum Beispiel der Inlandszins zehn Prozent und der Auslandszins in den USA acht Prozent beträgt, so bedeutet dies nicht, daß die Inlandsanlage der Auslandsanlage vorzuziehen ist. Wenn nämlich in dem betrachteten Zeitraum eine Aufwertung des Dollar gegenüber der DM erwartet wird, kann die auf DM bezogene Rendite von Dollaranlagen höher sein als die Rendite von DM-Anlagen. Dies sei an einem Zahlenbeispiel erläutert. Der gegenwärtige Dollarkurs sei zwei DM pro Dollar. Man erwartet aber nach einem Jahr einen Wechselkurs w ' von 2,10 DM pro Dollar. Während eine DM im Inland zu einem Zinssatz von zehn Prozent nach einem Jahr auf 1,10 DM anwächst, muß bei der Anlage im Ausland die Mark zunächst zum heutigen Kassakurs von w = 2 DM pro Dollar in Dollar umgetauscht werden. Man erhält also 0,50 Dollar, die bei einem Zinssatz von 8 Prozent nach einem Jahr auf 0,54 Dollar angewachsen sind. Wird dieser Dollarbetrag zum erwarteten Wechselkurs we = 2,10 DM pro Dollar in DM umgewandelt, erhält man 2,10 • 0,54 = 1,134 DM. Die erwartete, auf die DM bezogene Rendite der Dollaranlage beträgt also 13,4 Prozent. Sie ist höher als bei einer Anlage im Inland. Man ermittelt allgemein die erwartete Rendite von Auslandsanlagen wie folgt: Wird eine DM zum heutigen Wechselkurs w in Dollar umgetauscht, erhält man 1/w Dollar, die nach einem Jahr bei einem Dollarzinssatz i* auf (1 + i*) • 1/w Dollar anwachsen. Wird dieser Betrag zum erwarteten Wechselkurs w e in DM umgetauscht, erhält man nach einem Jahr (1 + i*) • w e /w DM. Die erwarteten Renditen von Inlands- und Auslandsanlage sind gleich, wenn gilt: we (1+1) = — ( 1 + 1 ) w

. we 1= w 1=

w c ., 1 +—1 w

we —w . +1 w

+

we —w., 1 w

838

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

Der letzte Term auf der rechten Seite ist das Produkt von zwei kleinen Größen und wird oft vernachlässigt (in unserem Zahlenbeispiel ist er 0,05 • 0,08 = 0,004). Es gilt approximativ: .

..

1= 1 +

we-w w

Der Ausdruck auf der rechten Seite ist die erwartete Rendite von Auslandsanlagen. Diese Rendite ist gleich der Summe aus dem Auslandszins i* und der erwarteten Aufwertungsrate der Fremdwährung gegenüber der DM

). Die erwarteten Renditen

von Inlands- und Auslandsanlagen sind gleich, wenn die durch wc-w 1=1+ w beschriebene sogenannte ungedeckte Zinsparität erfüllt ist. 2.

Gedeckte und ungedeckte Zinsparität

Im vierten Kapitel wurde die sogenannte gedeckte Zinsparität abgeleitet: . wx — w i=i + w Sie unterscheidet sich von der ungedeckten Zinsparität nur dadurch, daß im zweiten Term auf der rechten Seite der Terminkurs w T an die Stelle des erwarteten Wechselkurses wc tritt. Wenn sowohl die ungedeckte wie die gedeckte Zinsparität gelten, ist w T = w c . Der Terminkurs ist gleich dem erwarteten zukünftigen Kassakurs. Während die gedeckte Zinsparität auf risikoloser Arbitrage beruht, ist die ungedeckte Zinsparität mit der Übernahme von Risiko verbunden. Wenn die Akteure risikoscheu sind, kann es sein, daß sie zur Anlage in einer fremden Währung nur bereit sind, wenn das Risiko durch eine Risikoprämie (RP) entgolten wird. Statt der ungedeckten Zinsparität gilt dann

w Gleichgewicht herrscht, wenn die erwartete Rendite von Auslandsanlagen (rechte Seite) gleich der Summe aus Inlandszins und Risikoprämie ist (linke Seite). Wenn also zum Beispiel Anlagen im Ausland als risikoreicher angesehen werden als Anlagen im Inland, so mag sich ein Gleichgewicht bei einem Auslandszins von sieben Prozent, einer erwarteten Aufwertung der Auslandswährung von drei Prozent und einem Inlandszins von acht Prozent ergeben. Die erwartete Verzinsung bei Anlage im Ausland wäre also um zwei Prozent höher als bei inländischen Wertpapieren. Die Risikoprämie für Anlagen in Auslandswährung würde zwei Prozent betragen.

S e c h s t e s Kapitel: B e s t i m m u n g s g r ü n d e des W e c h s e l k u r s e s

839

Die Risikoprämie kann positiv oder negativ sein. Während nämlich für die Inländer die Anlage im Ausland mit einem Wechselkursrisiko verbunden ist, ist umgekehrt für Ausländer die Rendite bei Anlagen im Inland unsicher und daher mit einem Risiko verbunden. 1 Die Höhe der Risikoprämie hängt ceteris paribus von der relativen Größe der Auslandsforderungen ab, die jeweils bei gegebener Nettoauslandsposition der betrachteten Länder von Inländern und Ausländern gehalten werden müssen. 2

3.

Die Bestimmung des Wechselkurses

Es soll im folgenden unterstellt werden, daß Risikoerwägungen die Entscheidungen nicht beeinflussen. Die Entscheidungen der Investoren werden nur durch die erwartete Rendite bestimmt. Der Devisenmarkt ist nur im Gleichgewicht, wenn die ungedeckte Zinsparität gilt. Ist die Bedingung für die Zinsparität nicht erfüllt, ist also zum Beispiel die erwartete Rendite bei Anlage im Ausland größer als im Inland, ist es lohnend, Dollarguthaben zu erwerben. Dollar werden nachgefragt, DM werden angeboten. Es kommt zu einer Aufwertung des Dollar gegenüber der DM. Gleichgewicht herrscht erst, wenn der Wechselkurs so hoch ist, daß die Zinsparität erfüllt ist. Aus der Bedingung für die Zinsparität ersieht man, daß die auf die DM bezogene Rendite von Auslandsguthaben sinkt, wenn w steigt. Das ist deshalb so, weil bei gegebenem erwarteten Wechselkurs w e der erwartete Aufwertungssatz der Fremdwährung ^ j mit steigendem Wechselkurs w sinkt. Der Zusammenhang zwischen dem Wechselkurs w und der erwarteten DM-Rendite von Auslandsguthaben wird graphisch in Abbildung 6.5 dargestellt, bei dem der Wechselkurs auf der Ordinate und die erwartete Rendite von Dollarguthaben auf der Abszisse abgetragen wird. Der fallende Verlauf der Kurve gibt an, daß die erwartete Rendite von Dollarguthaben ceteris paribus um so höher ist, je niedriger der Wechselkurs und je höher somit die erwartete Aufwertungsrate des Dollar ist.

1

Außer dem hier erwähnten Wechselkursrisiko m ö g e n Inflationsrisiken und politische Risiken die Investitionsentscheidungen beeinflussen.

2

Siehe dazu die Ausführungen in Abschnitt D dieses Kapitels.

840

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

Gleichgewicht auf dem Devisenmarkt herrscht, wenn die erwartete Rendite von Dollarguthaben (i* +

gleich dem Inlandszins i ist.

In Abbildung 6.6 gibt der horizontale Abstand der vertikal verlaufenden Geraden von der Ordinate die Höhe des Inlandszinses an. Der Devisenmarkt ist im Gleichgewicht, wenn die Bedingung für die Zinsparität erfüllt ist. Das ist nur bei dem Gleichgewichtswechselkurs w 0 der Fall. Bei einem höheren Wechselkurs w, wäre die Rendite von Dollaranlagen kleiner als der im Inland erwartete Zins i. Dollar würden angeboten, DM nachgefragt. Der Dollarkurs würde fallen, bis die Zinsparität erreicht ist. 4.

Wechselkursänderungen

Mit Hilfe der Bedingung für die ungedeckte Zinsparität i = i* + ^ ^ ^ läßt sich angeben, welche Datenänderungen ceteris paribus zu einer Wechselkursänderung führen. a.

Der Inlandszins sinkt

Wenn in der Ausgangssituation die Bedingung für die ungedeckte Zinsparität erfüllt ist, führt ein Sinken des Inlandszinses dazu, daß die erwartete Rendite von Auslandsanlagen beim bisherigen Wechselkurs w 0 größer ist als der Inlandszins. Bei gegebener Wechselkurserwartung und gegebenem Auslandszins muß der Wechselkurs steigen. Die Zinssenkung führt zu einer Abwertung der Inlandswährung. Das kann auch aus Abbildung 6.7 abgelesen werden. Die Zinssenkung von i 0 auf i, bewirkt einen Anstieg des Wechselkurses von w 0 auf w,.

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

b.

841

Der Auslandszins steigt

Aus der Bedingung für die Zinsparität folgt, daß bei konstantem Inlandszins und gegebenen Wechselkurserwartungen bei einer Erhöhung des Auslandszinses der Wechselkurs steigen muß. Graphisch wird die Erhöhung des Auslandszinses durch eine Verschiebung der RD-Kurve um Ai* nach rechts ausgedrückt. Der Wechselkurs steigt in Abbildung 6.8 von w0 auf w,. Abb. 6.8

erwartete Rendite von Dollarguthaben nach der Erhöhung des Auslandszinses

erwartete Rendite von Dollarguthaben in der Ausgangssituation

'. c.

1•«

w - w

+ "^T"

Änderung des erwarteten Wechselkurses

Wenn der erwartete Wechselkurs steigt, so bedeutet dies, daß ceteris paribus die erwartete Aufwertungsrate des Dollar gegenüber der DM steigt. Bei gegebenem Wechselkurs w0 steigt die auf die DM bezogene Rendite von Dollarguthaben. Bei konstantem Inlandszins und gegebenem Auslandszins muß der Wechselkurs w steigen. Graphisch wird der Anstieg des erwarteten Wechselkurses we durch eine Rechtsverschiebung der RD-Kurve wiedergegeben. Aus Abbildung 6.9 ersieht man, daß der Wechselkurs von w0 auf w, steigt.

842

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

Abb. 6.9

w

-

te von Dollarder Erhöhung

w'

w,

erwartete Rendite von Dollarguthaben in der Ausgangssituation w°- w w

0

5.

Wechselkurserwartungen als determinierender Faktor

Die Bedingung für die ungedeckte Zinsparität . •*

t= i +

w w -— w w

wird bei gegebener Zinsdifferenz durch eine unendliche Zahl von Wechselkursen erfüllt. Wenn zum Beispiel der erwartete Wechselkurs zehn Prozent höher ist als der heutige Wechselkurs, so wird bei entsprechender Zinsdifferenz die Zinsparität erfüllt, wenn bei einem Kassakurs von zwei DM/Dollar der erwartete zukünftige Wechselkurs 2 , 2 0 D M / D o l l a r ist. Die Bedingung wird aber ebenfalls erfüllt bei Wechselkursen von 3 und 3 , 3 0 bzw. 1 und 1,10 DM/Dollar. Für jeden beliebigen in der Zukunft erwarteten Kurs gibt es einen heutigen Kurs, der mit der Zinsparität vereinbar ist. E s gibt, wie Abbildung 6 . 1 0 zeigt, beliebig viele Pfade, durch die bei gegebener Zinsdifferenz der heutige Wechselkurs mit dem für die Zukunft erwarteten Wechselkurs verbunden wird.

Abb. 6.10

w

w

T

T + 1

Zeit

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

843

Während bei einem System fester Wechselkurse der fixierte Kurs eine Art Anker ist, wird bei flexiblem Wechselkurs die Lage des Pfades durch die Erwartungen über den zukünftigen Wechselkurs bestimmt. Wenn sich die Erwartungen ändern, ändert sich der heutige Wechselkurs. Es ist deshalb notwendig, zu analysieren, wie die Erwartungen gebildet werden. Es gibt verschiedene theoretische Ansätze, mit deren Hilfe erklärt wird, wie sich Erwartungen bilden. Eine Gruppe von Ansätzen unterstellt rationales Verhalten der Akteure. Der Grundgedanke der Theorie der rationalen Erwartungen besagt, daß die Wirtschaftssubjekte alle verfügbaren relevanten Informationen nutzen. Sie werden nicht nur die Erfahrungen auswerten, die in der Vergangenheit gemacht wurden, sondern auch andere Informationen verwenden, die für die Vorhersage zukünftiger Wechselkurse von Bedeutung sind. So wird etwa eine glaubwürdige Ankündigung, die Geldpolitik werde in der Zukunft restriktiver sein, die Erwartungen beeinflussen. Um die Bedeutung solcher Verlautbarungen für den zukünftigen Wechselkurs abzuschätzen, wird man sich ökonomischer Modelle bedienen, die die Beziehungen zwischen der Geldpolitik und dem Wechselkurs beschreiben. Man wird - allgemeiner formuliert - mit Hilfe ökonomischer Modelle zu ermitteln versuchen, wie sich erwartete Änderungen exogener Größen auf den Wechselkurs auswirken. Wenn die Marktteilnehmer aufgrund der rational gebildeten Erwartungen am Devisenmarkt handeln, die Mobilität des Kapitals nicht beschränkt ist und keine Transaktionskosten entstehen, werden sich alle vorhandenen Informationen in dem für die Zukunft erwarteten Wechselkurs niederschlagen. Wenn die gedeckte und die ungedeckte Zinsparität gelten, ist der Terminkurs gleich dem erwarteten Wechselkurs. Der Terminkurs ist eine nicht verzerrte Prognose des zukünftigen Kassakurses. Über die Zinsparität werden die Erwartungen auch im heutigen Wechselkurs widergespiegelt. Man nennt Märkte, auf denen alle vorhandenen Informationen vollständig in den Preisen widergespiegelt werden, effizient. Auf effizienten Märkten kann kein Marktteilnehmer bei gegebenem Informationsstand sichere Gewinne erzielen. Auf den Devisenmarkt übertragen bedeutet dies: Eine vom Terminkurs abweichende Prognose des zukünftigen Kassakurses, die sichere Gewinne verspricht, ist nicht möglich. Die Volkswirtschaft wird jedoch ständig durch nicht antizipierte Datenänderungen gestört. Die Erwartungen über den zukünftigen Wechselkurs müssen aufgrund neuer Informationen (news) kontinuierlich revidiert werden. Diese Erwartungsänderungen schlagen sich in entsprechenden Schwankungen der Kassakurse nieder. Damit Erwartungen revidiert werden, muß sich etwas nicht Erwartetes ereignen. Nur nicht erwartete neue Informationen führen zu Erwartungsänderungen. Da die neuen Informationen zufällig auftreten, werden die Wechselkurse einem Zufallspfad folgen (Random-Walk-Hypothese). Die beste Prognose einer Variablen, die einem Zufallspfad folgt, ist ihr gegenwärtiger Wert. Zwar ist die Prognose, die der Kassakurs liefert, falsch, wenn neue Informationen zu Erwartungsänderungen führen. Weil aber die neuen Informationen zufällig auftreten, ist eine Aufwertung ebenso wahrscheinlich wie eine Abwertung.

844

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

Mit Hilfe unserer an die Zinsparität anknüpfenden Analyse lassen sich die beobachteten starken kurzfristigen Wechselkursschwankungen erklären. Unsere Analyse kann aber nicht die ebenfalls beobachtete positive Korrelation der nominalen und realen Wechselkursänderungen und die beträchtlichen langfristigen Schwankungen der realen Wechselkurse erklären. Überdies ist die Zinsparitätentheorie noch keine Theorie der Erklärung des Wechselkurses. Die Zinssätze und Wechselkurserwartungen sind ihrerseits endogene Variable, deren Werte im Rahmen einer Wechselkurstheorie erklärt werden müssen. In den Finanzmarktansätzen, die in dem folgenden Abschnitt dargestellt werden, wird diese Aufgabe in Angriff genommen. C.

Die monetäre Wechselkurstheorie

Die monetäre Wechselkurstheorie wird wie die im folgenden Abschnitt zu behandelnde Portfoliotheorie zu den Finanzmarktansätzen der Wechselkurserklärung gerechnet. Sie stellt eine Übertragung des monetären Zahlungsbilanzansatzes, der im vorigen Kapitel dargestellt wurde, auf den Fall flexibler Wechselkurse dar. Im monetären Zahlungsbilanzansatz waren Angebot und Nachfrage nach Geld als Bestandsgröße die wichtigsten Determinanten der Zahlungsbilanz. Da bei flexiblen Wechselkursen die Zahlungsbilanz stets ausgeglichen ist, wenn die Zentralbank nicht interveniert, sind Angebot und Nachfrage nach den nationalen Währungen im monetären Ansatz bei flexiblen Kursen die wesentlichen Determinanten des Wechselkurses. Während bei festen Wechselkursen eine Erhöhung der inländischen Geldmenge ceteris paribus zu einem Zahlungsbilanzdefizit und einem Verlust an Währungsreserven führte, bewirkt die Geldmengenerhöhung bei flexiblen Kursen eine Abwertung und einen Anstieg des inländischen Preisniveaus. Im monetären Modell wird unbeschränkte Kapitalmobilität und vollkommene Substituierbarkeit in- und ausländischer Wertpapiere unterstellt. Es gilt die ungedeckte Zinsparität. 1.

Monetäre Wechselkurstheorie bei flexiblen Preisen

In einem ersten Modellansatz wird unterstellt, daß alle Preise vollkommen flexibel sind. Das Sozialprodukt erreicht das natürliche Niveau, das allein durch die realen Faktoren bestimmt ist, und dessen Höhe durch die Geldpolitik nicht beeinflußt wird. Die aggregierte Angebotskurve verläuft vertikal. Es wird Geltung der Kaufkraftparitätentheorie unterstellt. a.

Ein einfaches monetäres Modell

Das monetäre Modell soll lediglich in seinen Grundzügen in vereinfachter Form dargestellt werden. Die Geldnachfrage Md sei eine stabile Funktion des Einkommens: M d = k p-Yr. Bei gegebener Geldmenge M gilt im Gleichgewicht: M = k • p • Yr

(1)

Der inländische Zinssatz sei durch den Weltmarktzinssatz gegeben. Der erwartete Wechselkurs sei gleich dem heutigen Wechselkurs. Die inländische Geldmenge werde erhöht. Bei dem durch die realen Faktoren bestimmten Einkommen und dem durch den Weltmarktzins gegebenen Inlandszins ergibt sich ein Überschußangebot an Geld, das nur durch den Anstieg des inländischen Preisniveaus beseitigt werden kann. Im Fall des kleinen Landes, das das Weltmarktpreisniveau nicht beeinflussen kann, führt das

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

845

Überschußangebot an Geld zu steigender Nachfrage nach ausländischen Gütern und Wertpapieren. Der Wechselkurs steigt. Mit steigendem Wechselkurs nimmt das inländische Preisniveau zu. Es gilt die Kaufkraftparitätentheorie: p = w • p*

(2)

Aus (1) und (2) erhält man: M = k • w • p* • Yr

(3)

In Veränderungsraten geschrieben, ergibt sich bei konstantem k: w = M — p* - Yr

(4)

Aus Gleichung (4) folgt: -

Bei Konstanz des ausländischen Preisniveaus (p* = 0) und Konstanz des realen inländischen Sozialprodukts (Yr = 0) führt eine Erhöhung der inländischen Geldmenge zu einer prozentual gleich großen Erhöhung des Wechselkurses.

-

Wenn bei konstanter Geldmenge (M = 0) das reale Sozialprodukt wächst (Y r > 0), sinkt der Wechselkurs. Die inländische Währung wird aufgewertet! Dieser Aufwertungseffekt ergibt sich, weil bei wachsendem Einkommen die Geldnachfrage steigt. Bei konstanter Geldmenge ist die Geldnachfrage größer als das Geldangebot. Dem Nachfrageüberschuß auf dem Geldmarkt entspricht ein Überschußangebot auf dem Güter- oder Wertpapiermarkt, das auf den Weltmarkt drängt und über steigendes Devisenangebot zu einer Aufwertung führt.

-

Ein Anstieg des ausländischen Preisniveaus (p* > 0) führt ceteris paribus zu sinkendem Wechselkurs und somit zu einer Aufwertung der Inlandswährung.

b.

Ein Zwei-Länder-Modell

Man kann die Einsichten ergänzen, wenn man ein Zwei-Länder-Modell betrachtet. Im Gleichgewicht gilt im Inland: M = k • p • Yr Für das Ausland gilt: M* = k* • p* • Y* Division ergibt: M

k • p • Yr

M" ~ k* • p* • Yr'

846

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

Bei Geltung der Kaufkraftparitätentheorie ist w = 4 • Deshalb können wir schreiben: p

M k • Yr —; = w — — ; M k • Y* Durch Auflösen nach w erhält man: w

=

M/M*

;—;

k • Y,/k • Y*

Schreiben wir die letzte Gleichung in Veränderungsraten und unterstellen wir, k und k* seien konstant, erhalten wir: w = (M - M*) + (Y* - Yr) Der Wechselkurs steigt, die inländische Währung wird also abgewertet, wenn die inländische Geldmenge schneller steigt als die ausländische Geldmenge, oder wenn das reale Sozialprodukt im Ausland schneller wächst als im Inland. c.

Wechselkurserwartungen im monetären Modell

In unserem stark vereinfachten monetären Modell wurde die Rolle der Wechselkurserwartungen vernachlässigt. Tatsächlich ist die ungedeckte Zinsparität Bestandteil der monetären Modelle. Es gilt: , we — w 1-1 = w Nehmen wir an, daß die Zentralbank die inländische Geldmenge erhöht. Im bisher erörterten einfachen Modell steigen Wechselkurs und Preisniveau um den gleichen Prozentsatz wie die Geldmenge. Dieser simple Zusammenhang gilt jedoch nicht, wenn die expansive Geldpolitik die Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Geldpolitik und damit die Wechselkurserwartungen verändert. Wenn nämlich erwartet wird, daß die Geldpolitik auch in Zukunft expansiv sein wird, wenn sich also die Erwartungen hinsichtlich der Wachstumsrate der Geldmenge ändern, erhöht sich der erwartete Wechselkurs we. Aus der Bedingung für die ungedeckte Zinsparität folgt, daß bei gegebenem Auslandszins der Inlandszins steigen muß! Wenn der Inlandszins steigt, sinkt die Geldnachfrage, da die Kassenhaltung teurer wird. Es kommt zu einem temporären Angebotsüberschuß auf dem Geldmarkt. Der Wechselkursanstieg wird auf diese Art verstärkt. Der Wechselkurs wird proportional stärker steigen als die Geldmenge. Anders gesagt: Allein die Erwartung einer höheren Wachstumsrate der Geldmenge, etwa aufgrund einer Ankündigung der Währungsbehörden, führt dazu, daß man eine Abwertung der inländischen Währung erwartet. Der Inlandszins steigt relativ zum Auslandszins. Das dadurch bewirkte Uberschußangebot an inländischer Währung führt zu einer Abwertung der heimischen Währung und einem Preisanstieg.

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

847

In unserem monetären Modell signalisiert der steigende Zins im Inland nicht eine Aufwertung, sondern eine Abwertung der Inlands Währung! Dabei ist zu bedenken, daß der Zins in unserem Modell eine endogene Größe ist. Der Zinssatz steigt, weil erwartet wird, daß sich die Wachstumsrate der Geldmenge dauerhaft erhöht hat. Je größer aber die erwartete Wachstumsrate der Geldmenge ist, um so größer ist ceteris paribus die erwartete Inflationsrate. Je größer die erwartete Inflationsrate im Inland relativ zu der im Ausland ist, um so größer wird der erwartete Wechselkursanstieg sein. Je größer der erwartete Wechselkursanstieg ist, um so größer muß der Inlandszins relativ zum Auslandszins sein, wenn die Bedingung für die Zinsparität erfüllt sein soll. Die Differenz zwischen Inlandszins und Auslandszins (i - i*) ist Ausdruck der Differenz in den erwarteten Inflationsraten (7t c -7t e ). Die Zinsdifferenz gewährleistet, daß im langfristigen Gleichgewicht die reale Verzinsung im Inland und Ausland gleich sind. d.

Beurteilung des monetären Modells mit flexiblen Preisen

Das monetäre Modell mit flexiblen Preisen basiert auf der Kaufkraftparitätentheorie. Es ist daher nicht überraschend, daß es sich empirisch nicht bewährt hat. Die in der Realität zu beobachtenden großen kurzfristigen nominalen Wechselkursschwankungen können mit Hilfe des monetären Modells mit flexiblen Preisen ebensowenig erklärt werden wie die enge Korrelation von nominalen und realen Wechselkursänderungen. Auch die beachtlichen längerfristigen Bewegungen realer Wechselkurse lassen sich mit Hilfe des Modells nicht erklären. Trotz aller Mängel stellt das monetäre Modell mit flexiblen Preisen einen wichtigen Beitrag zur Wechselkurstheorie dar, weil es die Rolle von Geldangebot und Geldnachfrage, den Einfluß des realen Wachstums und der Inflationserwartungen als Bestimmungsgründe des Wechselkurses aufgezeigt hat. 2.

Monetäre Wechselkurstheorie bei kurzfristig starren Preisen

Die monetäre Wechselkurstheorie bei kurzfristig starren Preisen basiert auf einem von Rüdiger Dornbusch 1976 entwickelten Modell für ein kleines Land mit rationalen Erwartungen der Akteure.' Inlands- und Auslandsgüter sind unvollkommene Substitute. Die Preise auf den Gütermärkten und die Löhne sind kurzfristig starr und verändern sich als Reaktion auf Datenänderungen nur allmählich, während die Wechselkurse auf neue Entwicklungen unmittelbar reagieren. Wechselkurse können daher kurzfristig die relativen Preise zwischen In- und Ausland beeinflussen, da Wechselkursänderungen nicht unmittelbar von entsprechenden Preisänderungen begleitet werden. Die Kaufkraftparitätentheorie wird kurzfristig verletzt, langfristig gilt sie. Die Akteure im Dornbusch-Modell gehen davon aus, daß der Wechselkurs langfristig durch die Kaufkraftparitäten bestimmt wird. Es wird unterstellt, daß die Kapitalmobilität unbeschränkt ist und inländische und ausländische Wertpapiere vollkommene Substitute sind. Die Bedingung für die ungedeckte Zinsparität ist jederzeit erfüllt.

1

Rüdiger Dornbusch: Expectations and Exchange Rate Dynamics, Journal of Political Economy, Bd. 84, 1976, S. 1161-1176.

848

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

Geldmengenänderung und Wechselkurs Wir wollen prüfen, wie sich im Dornbusch-Modell eine Erhöhung der inländischen Geldmenge auf den Wechselkurs auswirkt. Die inländische Volkswirtschaft befinde sich in der Ausgangssituation im Gleichgewicht. Der erwartete Wechselkurs sei gleich dem heutigen Wechselkurs. Da die Zinsparität jederzeit erfüllt ist, ist der Inlandszins gleich dem Auslandszins. Wenn die Geldmenge unerwartet erhöht wird, muß bei gegebenem Einkommen und kurzfristig starren Preisen der Inlandszins sinken, damit ein monetäres Gleichgewicht herrscht. Bei konstantem Auslandszins ist der Inlandszins niedriger als der Auslandszins. Aus der Bedingung für die Zinsparität wc —w l—i = w folgt, daß wegen i < i* der Term auf der rechten Seite negativ sein muß. Es ist we < w; es wird also erwartet, daß sich die inländische Währung aufwertet. Die Aufwertungserwartung ist notwendig, wenn Gleichgewicht auf dem Wertpapiermarkt herrschen soll, die erwartete Verzinsung im Inland also gleich der erwarteten Verzinsung bei Anlage im Ausland sein soll. Langfristig führt jedoch die Geldmengenerhöhung zu einer entsprechenden Erhöhung des inländischen Preisniveaus. Wenn zum Beispiel die Geldmenge um zehn Prozent steigt, erhöht sich wegen der Vollbeschäftigungsannahme langfristig auch das Preisniveau um zehn Prozent. Die Akteure erwarten deshalb aufgrund der Kaufkraftparitätentheorie, daß auch der Wechselkurs um zehn Prozent steigt, die Inlandswährung also abgewertet wird. Während also aufgrund der Bedingung für die Zinsparität eine Aufwertung erwartet wird, wird aufgrund der Kaufkraftparitätentheorie mit einer Abwertung der Inlandswährung gerechnet. Der scheinbare Widerspruch kann aufgelöst werden, wenn als Folge der Geldmengenerhöhung der Wechselkurs unmittelbar so stark steigt, daß eine Aufwertung auf das langfristig durch die Kaufkraftparitätentheorie bestimmte Niveau erwartet wird. Anders gesagt: Da es nach der Kaufkraftparitätentheorie langfristig zu einer Abwertung der inländischen Währung kommen wird, muß kurzfristig der Wechselkurs über das langfristige Gleichgewicht hinausschießen (Überschießen des Wechselkurses), so daß während des Anpassungsprozesses die Aufwertungserwartung besteht, die es wegen der Zinsdifferenz (i < i*) geben muß, damit die Bedingung für die Zinsparität erfüllt ist. Im Zuge des Anpassungsprozesses steigt wegen der Geldmengenerhöhung allmählich das inländische Preisniveau. Die reale Geldmenge sinkt, der Zins steigt. Mit steigendem Zins sinkt der Wechselkurs. Die heimische Währung wird aufgewertet, bis im neuen Gleichgewicht der Wechselkurs das durch die Kaufkraftparitätentheorie bestimmte Niveau erreicht hat. Die Zeitpfade für die Entwicklung der Geldmenge, des Zinssatzes, des Preisniveaus und des Wechselkurses werden in Abbildung 6.11 dargestellt. In Abbildung 6.1 la steigt zum Zeitpunkt t0 die Geldmenge von M 0 auf M,. Der Inlandszins sinkt auf i, (6.11d) und der Wechselkurs steigt von w 0 auf w', und überschießt das durch die Kaufkraftparitätentheorie bestimmte Niveau w,. Im Zeitablauf steigt das inländische Preisniveau (6.11c) und wegen der damit verbundenen

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

849

Abb. 6.11

Verringerung der realen Geldmenge der Zins, der im neuen Gleichgewicht das Ausgangsniveau wieder erreicht. Mit steigendem Zins sinkt der Wechselkurs (6.1 lb), der im neuen Gleichgewicht das durch die Kaufkraftparitäten bestimmte Niveau erreicht. Im neuen Gleichgewicht ist der Inlandszins wieder gleich dem Auslandszins, der Kassakurs gleich dem erwarteten Wechselkurs.

Beurteilung des Dornbusch-Modells Mit Hilfe des Dornbusch-Modells kann erklärt werden, warum die Wechselkurse stärker schwanken, als dies aufgrund der Veränderungen der "Fundamentalfaktoren" gerechtfertigt erscheint. Auch die enge Korrelation von nominalen und realen Wechselkursänderungen kann mit Hilfe des Dornbusch-Ansatzes erklärt werden. Da sich im Dornbusch-Modell die Preise nur mit zeitlicher Verzögerung anpassen, sind Veränderungen der nominalen Wechselkurse auch reale Wechselkursänderungen. Die langfristigen Bewegungen der realen Wechselkurse können allerdings mit Hilfe des Dornbusch-Modells nicht erklärt werden.

D.

Die Portfoliotheorie

Im Gegensatz zur monetären Wechselkurstheorie geht man in der Portfoliotheorie nicht davon aus, daß in- und ausländische Wertpapiere vollkommen substituierbar sind. Die ungedeckte Zinsparität gilt daher im Portfoliomodell nicht. Investoren mögen aus verschiedenen Gründen in- oder ausländische Wertpapiere f ü r risikoreicher

850

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

halten. Sie müssen durch entsprechende Risikoprämien entschädigt werden. Differenzen zwischen Inlandszins und Auslandszins ergeben sich im Portfoliomodell nicht nur wegen erwarteter Wechselkursänderungen, sondern auch wegen der Existenz von Risikoprämien. Investoren, die in- und ausländische Wertpapiere nicht als vollkommen substituierbar ansehen, werden ihr Portfolio diversifizieren, um den erwarteten Nutzen zu maximieren. Sie werden nur dann bereit sein, den Anteil einer bestimmten Klasse von Vermögenstiteln zu erhöhen, wenn der Ertragssatz relativ zu den Ertragssätzen alternativer Vermögenstitel steigt. Wenn also zum Beispiel das Angebot an inländischen Wertpapieren relativ zum Angebot an ausländischen Wertpapieren steigt, müssen Investoren, die bisher ein optimales Portfolio gehalten haben, durch Erhöhung der relativen Ertragsraten der inländischen Papiere veranlaßt werden, ihre Portfolios zu ändern. 1.

Ein einfaches Portfoliomodell

In einem einfachen Modell wird unterstellt, daß das gesamte private Vermögen W aus inländischem Geld M, inländischen Wertpapieren B und den Nettobeständen an ausländischen Wertpapieren F besteht. Dabei ist F der in Auslandswährung bewertete Bestand an ausländischen Wertpapieren. Der in Inlandswährung bewertete Bestand ist w • F. Für das in Inlandswährung bewertete Vermögen W gilt die Vermögensrestriktion W = M + B + wF

(1)

Gleichgewicht herrscht, wenn die Bestandsnachfrage nach den einzelnen Vermögenstiteln gleich dem Bestandsangebot ist. Wenn wir vereinfachend unterstellen, daß der erwartete Wechselkurs w e gleich dem heutigen Wechselkurs w ist (statische Wechselkurserwartungen), hängt bei gegebenen Risiken und gegebenem Grad an Risikoaversion die gewünschte Bestandsnachfrage außer vom Vermögen nur von den relativen Ertragssätzen bei den einzelnen Vermögenstiteln ab. Im Gleichgewicht gilt: M = m(i_, i!)W

(2)

B = b(i+, i*)W

(3)

wF = f(i_, i*)W

(4)

Die linken Seiten sind das Bestandsangebot, die rechten Seiten die Bestandsnachfrage. Die Nachfrage hängt vom Vermögen, dem Inlandszins und dem Auslandszins ab. Die Vorzeichen an den Zinssätzen in den Gleichungen (2)-(4) geben an, wie die gewünschte Portfoliostruktur auf Zinsänderungen reagiert. Die Geldnachfrage sinkt, wenn der Inlandszins oder der Auslandszins steigen. Die Nachfrage nach inländischen Wertpapieren reagiert positiv auf eine Erhöhung des Inlandszinses und negativ auf eine Erhöhung des Auslandszinses, während die Nachfrage nach ausländischen Wertpapieren positiv auf den Auslandszins und negativ auf den Inlandszins reagiert. Eine Erhöhung des Vermögens führt in unserem Modell zu einer proportionalen Erhöhung der Nachfrage nach den einzelnen Vermögenstiteln.

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

851

Wenn bei gegebenem Vermögen zwei Märkte im Gleichgewicht sind, herrscht auch Gleichgewicht auf dem dritten Markt, weil die Gesamtnachfrage (Mn + B" + wF') und das Gesamtangebot (M + B + wF) sich jeweils zum Vermögen W addieren. Es ist daher: (M - Mn) + (B - B") + (wF - wF") = 0 Im Fall des kleinen Landes ist der Auslandszins i ein Datum. Bei gegebenen Beständen an Vermögenstiteln sind nur der Inlandszins und der Wechselkurs endogene Variable des Systems, die sich aus zwei der drei Gleichungen bestimmen lassen. Die Gleichgewichtswerte, die sich ergeben, stellen sicher, daß auch der dritte Markt im Gleichgewicht ist. 2.

Graphische Darstellung des kurzfristigen Gleichgewichts

Mit Hilfe von Abbildung 6.12 kann das Gleichgewicht graphisch dargestellt werden. Die Gleichgewichtslinien MM, BB und FF sind der geometrische Ort aller Kombinationen von w und i, bei denen die einzelnen Vermögensmärkte im Gleichgewicht sind. Abb. 6.12

w

i

Wenn der Wechselkurs w steigt, die Inlandswährung also abgewertet wird, steigt bei gegebenem F der in Inlandswährung gemessene Wert w-F des Nettoauslandsvermögens. Dadurch steigt die Nachfrage nach allen Vermögenstiteln. Auf dem Geldmarkt führt ein Anstieg von w bei gegebenem Zins zu einer Erhöhung der Geldnachfrage. Bei konstantem Geldangebot kann ein in der Ausgangssituation bestehendes monetäres Gleichgewicht nur aufrechterhalten werden, wenn der Inlandszins steigt. Die MM-Kurve als der geometrische Ort aller Kombinationen von Wechselkurs und Inlandszins, bei denen der Geldmarkt im Gleichgewicht ist, muß daher wie in Abbildung 6.12 positive Steigung haben. Auf dem Markt für inländische Wertpapiere ergibt sich bei gegebenem Inlandszins ebenfalls eine Überschußnachfrage, wenn bei einer Erhöhung des Wechselkurses das private Inlandsvermögen steigt. Bei gegebenem Bestand B kann das Gleichgewicht nur hergestellt werden, wenn der Inlandszins sinkt und dadurch die Überschußnachfrage beseitigt wird. Die BB-Kurve hat also negative Steigung.

852

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

Auch die FF-Kurve als der geometrische Ort aller Kombinationen von Wechselkurs w und Inlandszins i, bei denen die Bestandsnachfrage nach ausländischen Wertpapieren gleich dem Bestandsangebot ist, hat negative Steigung. Zwar steigt die Nachfrage, wenn sich bei einer Erhöhung des Wechselkurses das Vermögen erhöht. Diese Nachfrageerhöhung wird aber überkompensiert durch den wertmäßigen Anstieg des in Inlandswährung bewerteten Angebots, der bewirkt, daß der Anteil des Auslandsvermögens am Gesamtvermögen steigt. Es ergibt sich also unmittelbar ein Überschußangebot auf dem Markt für ausländische Wertpapiere, wenn der Wechselkurs steigt. Das Uberschußangebot kann bei gegebenem Auslandszins nur beseitigt werden, wenn die Attraktivität konkurrierender inländischer Vermögenstitel reduziert wird. Der Inlandszins muß sinken. Die FF-Kurve hat deshalb in Abbildung 6.12 negative Steigung. Die BB-Kurve verläuft steiler als die FF-Kurve, weil die Nachfrage nach inländischen Wertpapieren auf Zinsänderungen im Inland stärker reagiert als die Nachfrage nach ausländischen Wertpapieren. Durch den Schnittpunkt von zwei der drei Gleichgewichtslinien werden der gleichgewichtige Wechselkurs und der Gleichgewichtszins bestimmt. Die dritte Kurve muß durch diesen Schnittpunkt gehen. Änderungen des Vermögens, des Auslandszinses oder des Angebots an den einzelnen Vermögenstiteln führen in unserem Modell zu Wechselkursänderungen. 3.

Die Wirkung expansiver Offenmarktpolitik

a.

Die kurzfristigen Wirkungen

Wir wollen uns darauf beschränken zu analysieren, wie sich eine Erhöhung der Geldmenge durch expansive Offenmarktpolitik (Kauf inländischer Wertpapiere durch die Notenbank) auf den Wechselkurs auswirkt. In der Ausgangssituation seien alle Märkte im Gleichgewicht. Die Leistungsbilanz ist ausgeglichen. Die Geldmenge werde erhöht. Der Inlandszins sinkt, da die Wirtschaftssubjekte nur bei einer Zinssenkung bereit sind, inländische Wertpapiere durch zusätzliche Kassenhaltung zu substituieren. Bei konstantem Auslandszins ist die Verzinsung im Inland geringer als im Ausland. Die Investoren sind bemüht, einen größeren Teil ihres Vermögens im Ausland anzulegen. Die Inländer können aber kurzfristig ihren Nettobestand an Auslandsforderungen nicht erhöhen. Bei flexiblen Wechselkursen, bei denen sich die Nettoauslandsposition der Zentralbank nicht ändert, ist eine Erhöhung des privaten Nettobestandes an ausländischen Wertpapieren nur möglich, wenn die Leistungsbilanz einen Überschuß aufweist. Exporte und Importe reagieren aber nur mit einer zeitlichen Verzögerung. Bei gegebener Nettoauslandsposition muß daher der Wechselkurs so stark steigen, daß der Nettoerwerb ausländischer Wertpapiere für Inländer nicht mehr lohnend ist. Infolge der Abwertung steigt der Wert des Nettoauslandsvermögens w-F. Die Inländer erkennen, daß infolge der Abwertung der Teil ihres Vermögens, der in ausländischen Wertpapieren angelegt ist, gestiegen ist. Die Überschußnachfrage nach ausländischen Wertpapieren wird durch Erhöhung des in Inlandswährung bewerteten Angebots abgebaut. Durch einen Anstieg des Wechselkurses wird so das Gleichge-

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

853

wicht auf den Vermögensmärkten wiederhergestellt. 1 Wie bei den anderen Ansätzen zur Wechselkurserklärung führt also die Erhöhung der Geldmenge zu einer Abwertung. b.

Die langfristigen Wirkungen

Mittel- und langfristig ergeben sich zusätzliche Anpassungsprozesse. Infolge der Abwertung verbessert sich die Leistungsbilanz. Wenn die Leistungsbilanz in der Ausgangssituation ausgeglichen war, entsteht wegen der Abwertung der inländischen Währung ein Leistungsbilanzüberschuß. Der Bestand an Nettoauslandsforderungen nimmt zu. Damit die Inländer bereit sind, das zusätzliche Angebot an ausländischen Wertpapieren aufzunehmen, muß der Wechselkurs sinken. Durch den sinkenden Wechselkurs vermindert sich der in Inlandswährung gemessene Wert des Bestandes an Auslandsforderungen w-F. Durch die Wechselkurssenkung wird so der sich aufgrund des Leistungsbilanzüberschusses ergebende Angebotsüberschuß an ausländischen Wertpapieren abgebaut. Das Portfoliomodell prognostiziert also, daß Leistungsbilanzüberschüsse mit einer Aufwertung verbunden sind. Während des Anpassungsprozesses steigt als Folge der Geldmengenerhöhung das inländische Preisniveau. Nominale Aufwertung und Preisniveauanstieg bedeuten, daß der reale Wechselkurs sinkt. Im Verlauf des Anpassungsprozesses wird zu einem bestimmten Zeitpunkt der reale Wechselkurs das Ausgangsniveau wieder erreichen. Dieser Zustand ist jedoch kein neues langfristiges Gleichgewicht. Während des Anpassungsprozesses hat sich als Folge der Leistungsbilanzüberschüsse der Bestand an Nettoauslandsforderungen erhöht. Die Zinseinnahmen sind gestiegen. Die Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen hat sich im Vergleich zur Ausgangssituation verbessert. Die Leistungsbilanz wäre daher nicht ausgeglichen, wenn sich am Ende des Anpassungsprozesses der ursprüngliche reale Wechselkurs einstellte. Sie würde ceteris paribus bei konstantem realen Wechselkurs wegen der gestiegenen Zinseinnahmen einen Überschuß aufweisen. Wenn sich im langfristigen Gleichgewicht der Bestand an Finanzaktiva nicht ändern soll, muß der Saldo der Leistungsbilanz Null sein. Dieser Zustand ergibt sich jedoch nur, wenn der reale Wechselkurs niedriger ist als in der Ausgangssituation. Es ergibt sich als Folge der expansiven Offenmarktpolitik eine reale Aufwertung der Inlandswährung. Wenn also zum Beispiel die Geldmenge um zehn Prozent steigt, wird langfristig auch das Preisniveau um zehn Prozent steigen. Der nominale Wechselkurs wird aber im neuen Gleichgewicht um weniger als zehn Prozent gestiegen sein, so daß es zu einer realen Aufwertung kommt. Mit Hilfe der Portfoliotheorie können also permanente Abweichungen von der Kaufkraftparitätentheorie erklärt werden. Im Portfoliomodell kommt es ebenso wie im Dornbusch-Modell zu überschießenden Wechselkursreaktionen. Wie im Dornbusch-Modell ist die sofortige Reaktion der Finanzmärkte bei langsamer Anpassung des Preisniveaus die Ursache der überschießenden Wechselkurse. Im Portfoliomodell spielt darüber hinaus auch die verzögerte Anpassung der Leistungsbilanz eine wichtige Rolle.

I

Graphisch führt die Geldmengenerhöhung durch expansive Offenmarktpolitik in Abbildung 6.12 zu einer Linksverschiebung der M M - und der BB-Kurve. Im neuen kurzfristigen Gleichgewicht ist der Zinssatz niedriger und der Wechselkurs höher.

854

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

Beurteilung des Portfoliomodells Die Portfoliotheorie ist ein wichtiger Beitrag zur Wechselkurstheorie. Die Märkte für in- und ausländische Wertpapiere werden explizit in die Betrachtung einbezogen. Dadurch wurde es möglich, den Einfluß deutlich zu machen, den bei unvollkommener Substituierbarkeit der Finanzaktiva Veränderungen der Risikoeinschätzung und Bestandsänderungen bei den Vermögenstiteln auf den Wechselkurs haben. Die Portfoliotheorie schafft damit auch den Rahmen, der es ermöglicht, den Einfluß fiskalpolitischer Maßnahmen auf den Wechselkurs darzustellen. Man kann zeigen, daß kreditfinanzierte expansive Fiskalpolitik zu steigendem Inlandszins führt, die Wirkung auf den Wechselkurs jedoch nicht eindeutig ist.1 Mit Hilfe des Portfoliomodells können starke kurzfristige Wechselkursschwankungen, wie sie in der Realität beobachtet werden, im Prinzip ebenso erklärt werden wie die Erscheinung, daß nominale und reale Wechselkursänderungen eng korreliert sind. Geld- oder fiskalpolitische Maßnahmen führen dazu, daß die Investoren versuchen, die Zusammensetzung ihrer Portfolios zu ändern. Da kurzfristig die Nettoauslandsposition nicht verändert werden kann, weil sich die Leistungsbilanz nur langsam anpaßt, sind sprunghafte Wechselkursänderungen notwendig, um das Gleichgewicht auf den Vermögensmärkten nach einer Störung wiederherzustellen. Da der Wechselkurs schneller reagiert als das Preisniveau, sind kurzfristig nominale und reale Wechselkursänderungen eng korreliert. Ein wichtiger Beitrag der Portfoliotheorie besteht darin, daß der Zusammenhang zwischen Leistungsbilanzsaldo und Wechselkurs theoretisch aufgezeigt werden kann. Es ist eine zentrale Aussage der Theorie, daß Leistungsbilanzüberschüsse zu einer Aufwertung führen. Das Modell kann die beobachteten langfristigen Schwankungen des realen Wechselkurses nicht erklären. Die Erfahrungen widersprechen auch zum Teil der These, daß Leistungsbilanzüberschüsse mit einer Aufwertung verbunden sind. So wiesen 1982-1985 die deutsche und die japanische Leistungsbilanz Überschüsse auf, während die amerikanische Leistungsbilanz durch hohe und steigende Defizite gekennzeichnet war. Trotzdem wurde der Dollar gegen den Yen und der DM nicht ab-, sondern aufgewertet. Empirische Tests des Portfoliomodells sind im allgemeinen enttäuschend gewesen. Die zu beobachtende relativ geringe Reagibilität der Wechselkurse bei Veränderung der relativen Bestände an Finanzaktiva weckt Zweifel an der Geltung der Aussagen des Portfoliomodells. Schlußbemerkungen In den Wechselkurstheorien, die in diesem Kapitel dargestellt worden sind, lassen sich rational handelnde Akteure bei ihren Entscheidungen von den gegenwärtigen und für die Zukunft erwarteten Ereignissen leiten. Wechselkursänderungen spiegeln Änderungen oder erwartete Änderungen sogenannter fundamentaler Variablen wider, die

1

Siehe dazu etwa die Darstellung bei Klaus Rose, a.a.O. S. 210f.

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

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durch geldpolitische oder fiskalpolitische Maßnahmen oder auch durch sonstige reale Schocks wie zum Beispiel Erdölkrisen verursacht werden. In den wichtigsten Modellen reagieren Wechselkurse schnell auf Änderungen der fundamentalen Variablen oder auf neue Informationen. Durch überschießende Reaktionen werden die Wechselkursschwankungen verstärkt. Die zu beobachtenden großen Wechselkursschwankungen lassen sich als generelles Phänomen mit Hilfe der Wechselkurstheorien im Prinzip erklären. Doch versagen die Theorien meistens bei dem Versuch, konkrete Wechselkursschwankungen zu prognostizieren. Vor allem die kurzfristigen täglichen oder monatlichen Schwankungen sind zum größten Teil unerwartet und nur selten vorhersehbar. Aber auch die längerfristigen Schwankungen der realen Wechselkurse können nur unzureichend erklärt werden. Die Unfähigkeit, mit Hilfe der Wechselkurstheorien die längerfristigen Bewegungen realer Wechselkurse zu erklären, hat dazu beigetragen, daß Theorien populär wurden, die behaupten, daß spekulative Handlungen der Marktteilnehmer die Wechselkurse in bestimmten Perioden immer weiter von den durch die fundamentalen Faktoren bestimmten Gleichgewichtswerten entfernen. Man spricht von spekulativen Blasen (bubbles) und meint damit Wechselkursbewegungen, bei denen sich die Wechselkurse durch sich selbst verstärkende spekulative Engagements auf einem Pfad bewegen, der von den Gleichgewichtswerten wegführt. Die spekulativen Blasen könnten eine Folge irrationalen Verhaltens der Marktteilnehmer sein, die erwarten, daß ein Wechselkurs steigt, weil er in der letzten Zeit gestiegen ist, und die aus einem zuletzt beobachteten Sinken des Kurses schließen, daß er auch in Zukunft sinken wird. Sie werden deshalb kaufen, wenn der Kurs steigt, und verkaufen, wenn er sinkt. Doch kann ein Verhalten, das zu spekulativen Übersteigerungen führt, auch mit rationalem Verhalten der Marktteilnehmer vereinbar sein. Denn selbst wenn die Akteure wissen, daß sich ein Wechselkurs bereits von dem durch die fundamentalen Faktoren bestimmten Gleichgewichtswert entfernt hat, und sie deshalb damit rechnen, daß die spekulative Blase zu einem heute allerdings noch nicht bekannten Zeitpunkt platzt, mögen sie erwarten, daß sich zum Beispiel ein Kursanstieg zunächst noch eine gewisse Zeit fortsetzt. Wenn sie die Wahrscheinlichkeit, daß der Kurs zunächst weiter steigt, für hinreichend groß halten, werden sie heute in der Hoffnung kaufen, später mit Gewinn verkaufen zu können, bevor es zum Zusammenbruch kommt. Man scheint aber allenfalls einige Episoden, wie zum Beispiel die Aufwertung des Dollar in den Jahren 1984 und 1985, mit Hilfe der These der spekulativen Blasen erklären zu können. Es gibt wenig Anhaltspunkte dafür, daß spekulative Blasen ein allgemeines Phänomen der Wechselkursentwicklung sind. Die Unzufriedenheit mit den etablierten Wechselkurstheorien hat auch dazu geführt, daß man dem tatsächlichen Verhalten der Akteure am Devisenmarkt größere Aufmerksamkeit geschenkt hat. Man hat zwei Gruppen unterschieden: die Fundamentalisten und die Chartisten. Während die Fundamentalisten glauben, den zukünftigen Wechselkurs am besten vorhersagen zu können, indem sie fundamentalen Faktoren wie Geldmenge, Zinsen, Inflationsraten oder dem Saldo der Leistungsbilanz Beachtung schenken, hoffen die Chartisten, durch systematische Auswertung von Vergan-

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Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

genheitswerten bessere Wechselkursprognosen stellen zu können. Chartisten glauben, daß bestimmte Verhaltensweisen sich wiederholen und daß es wichtig ist, diese Muster zu erkennen. Die tatsächliche Wechselkursentwicklung hängt dann nicht zuletzt davon ab, ob die Fundamentalisten oder die lange von Ökonomen abschätzig beurteilten Chartisten ("sie haben große Rechenschieber und ein kleines Gehirn") die Oberhand gewinnen. Literatur zum sechsten Kapitel des dritten Teils Dieter Bender, Artikel Finanzmarkttheorie des Wechselkurses, in: Willi Albers u.a. (Hrsg.), Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Band 9, 1982, S. 748-764. William H. Branson, Exchange Rate Dynamics and Monetary Policy, in: Assar Lindbeck (Hrsg.), Inflation and Unemployment in Open Economics, Amsterdam 1979, S. 185-224. LaurenceS. Copeland, Exchange Rates and International Finance, Wokingham 1989. Deutsche Bundesbank, Entwicklung und Bestimmung des Außenwerts der D-Mark, Monatsbericht, November 1993, S. 41-60. Deutsche Bundesbank, Gesamtwirtschaftliche Bestimmungsgründe der Entwicklung des realen Außenwerts der D-Mark, Monatsbericht, August 1995, S. 19-40. Gustav Dieckheuer, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, München 338-367.

1990, S.

Rüdiger Dornbusch, Expectations and Exchange Rate Dynamics, Journal of Political Economy, Band 84 (1976), S. 1161-1176. Rüdiger Dornbusch, Artikel Purchasing Power Parity, in: The New Palgrave: A Dictionary of Economics, Band 3, New York 1987, S. 1075-1085. Manfred Gärtner, MakroÖkonomik flexibler Wechselkurse, Berlin 1990. Paul de Grauwe, International Money: Post War Trends and Theory, Oxford 1989. Hans-Joachim Jarchow, Peter Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft, I. Monetäre Außenwirtschaft, 4. Auflage, Göttingen 1994, S. 214-312. Paul R. Krugman, Maurice Obstfeld, International Economics, 2. Auflage, New York 1991, S. 315-448. Lawrence Officer, The Purchasing-Power-Parity Theory of Exchange Rates: A Review Article, International Monetary Fund Staff Papers 23 (1976), S. 1-61. Keith Pilbeam, International Finance, Houndsmills 1992, S. 141-278. Klaus Rose, Karlhans Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft, 11. Auflage, München 1992, S. 177-235.

Sechstes Kapitel: Bestimmungsgründe des Wechselkurses

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Horst Siebert, Außenwirtschaft, 6. Auflage, Stuttgart 1994, S. 264-313. Manfred Wilms, Internationale Währungspolitik, 2. Auflage, München 1995, S. 109-150.

Siebentes Kapitel Internationale Währungssysteme in historischer Perspektive Internationale Währungssysteme bilden eine Rahmenordnung für den internationalen Güter- und Kapitalverkehr. Sie können die wirtschaftliche Entwicklung fördern, aber auch hemmen. Die Währungssysteme lassen sich vor allem durch das Wechselkurssystem und die Art der Währungsreserven beschreiben. In bezug auf das Wechselkurssystem kann man Systeme fester und flexibler Wechselkurse unterscheiden. Bei festen Wechselkursen können die Kurse unabdingbar fest oder fest, doch bei Bedarf anpaßbar sein. Häufig können auch in einem System fester Wechselkurse die Kurse innerhalb gewisser Bandbreiten schwanken. Die Bandbreiten können unterschiedlich groß sein. Bei flexiblen Wechselkursen unterscheidet man zwischen einem System rein flexibler Kurse, bei dem die Zentralbanken auf Interventionen am Devisenmarkt völlig verzichten und einem System des kontrollierten Floatens (managed floating), bei dem die Zentralbanken intervenieren, um den Wechselkurs zu beeinflussen. Die Zentralbanken können eingreifen, um lediglich kurzfristige, zufällige Wechselkurssschwankungen zu glätten; sie können aber auch mit dem Ziel auf dem Devisenmarkt intervenieren, Abweichungen vom langfristigen Gleichgewichtskurs - oder von dem, was sie für den Gleichgewichtskurs halten - zu verhindern (leaning against the wind). Nur bei einem System rein flexibler Wechselkurse besteht kein Bedarf an Währungsreserven. Bei festen Wechselkursen und kontrolliertem Floaten benötigen die Zentralbanken Währungsreserven, um im Falle eines Zahlungsbilanzdefizits eine Abwertung der heimischen Währung zu verhindern. Die Währungsreserven können Gold, international bedeutende Währungen oder auch ein aus verschiedenen Währungen zusammengesetzter Währungskorb sein. A.

Der internationale Goldstandard

1.

Die Periode vor dem Ersten Weltkrieg

Der Goldstandard, der das internationale Währungssystem von den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs prägte, hat seinen Ursprung in der Verwendung des Goldes als Zahlungsmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel. Als gesetzlicher Standard wurde es durch einen Beschluß des englischen Parlaments im Jahre 1819 verankert, als die Bank von England verpflichtet wurde, Banknoten auf Verlangen zu einem festen Preis in Gold umzutauschen. Zugleich wurden alle Exportbeschränkungen für Gold aufgehoben. Deutschland, die meisten anderen europäischen Industrienationen und die USA gingen in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts zum Goldstandard über. Der Goldstandard war in den vierzig Jahren vor dem ersten Weltkrieg das allgemein praktizierte Währungssystem. Im Goldstandard legt jedes Land die Parität der nationalen Währung in Gold fest (zum Beispiel eine Unze Gold gleich 86,58 Mark). Die Währungsbehörden kaufen und verkaufen Gold zur festgelegten Parität. Internationale Zahlungen können in Gold erfolgen. Der Goldstandard ist ein System fester Wechselkurse, weil durch die Festlegung der Goldparitäten eine feste Relation zwischen den einzelnen Währungen

860

S i e b e n t e s K a p i t e l : I n t e r n a t i o n a l e W ä i h r u n g s s y s t e m e in h i s t o r i s c h e r P e r s p e k t i v e

besteht. Wenn zum Beispiel eine Unze Gold gleich a Mark und gleich b Dollar ist, ergibt sich zwischen Mark und Dollar eine Parität von a/b DM pro Dollar. Der Wechselkurs konnte in diesem System nur innerhalb enger Bandbreiten, die durch die sogenannten Goldpunkte bestimmt waren, schwanken. Wenn die gleiche Menge Gold in Deutschland für vier Mark und in den USA für einen Dollar von den Währungsbehörden ge- und verkauft wird, so ergibt sich daraus ein Wechselkurs von vier Mark pro Dollar. Wenn Land D ein Zahlungsbilanzdefizit hat und zum Wechselkurs von 4:1 mehr Dollar nachgefragt als angeboten werden, besteht eine Tendenz zur Erhöhung des Wechselkurses. Der Wechselkurs kann sich jedoch nicht weit von der Parität entfernen. Ein Importeur im Land D, der Zahlungen in Höhe von 100 Dollar zu leisten hat, hat die Möglichkeit, für 400 Mark Gold zu kaufen, dieses Gold in die USA zu versenden und es dort gegen 100 Dollar zu verkaufen. Mit dieser Transaktion sind jedoch Kosten verbunden. Der Goldversand lohnt sich nur, wenn der Wechselkurs nicht innerhalb der durch die mit dem Goldversand verbundenen Transport- und Versicherungskosten bestimmten Marge liegt. Wenn zum Beispiel pro Dollar vier Pfennige an Transportund Versicherungskosten entstehen, belaufen sich die Kosten pro Dollar auf 4,04 Mark. Ein Goldexport lohnt sich daher nicht, wenn der Wechselkurs den Paritätskurs um einen Betrag übersteigt, der geringer ist als die Transportkosten. Anders gesagt: Der sogenannte Goldexportpunkt, von dem an sich der Goldexport lohnt, ergibt sich, indem man zum Paritätswechselkurs die Kosten pro Dollar addiert, die bei einem Goldversand entstehen. Ganz analog findet ein Goldimport nur statt, wenn der tatsächliche Wechselkurs den Paritätskurs mindestens um die Transportkosten unterschreitet, wenn also der sogenannte Goldimportpunkt erreicht wird. Der Wechselkurs konnte daher beim Goldstandard nur im Bereich zwischen dem Goldexportpunkt und dem Goldimportpunkt schwanken. Ein Land mit einem Zahlungsbilanzdefizit verliert Gold. Bei einer Goldwährung bedeutet dies, daß die inländische Geldmenge sinkt. Bei flexiblen Preisen sinken die Inlandspreise, während im Ausland die Preise steigen, weil sich dort infolge des Goldzuflusses die Geldmenge erhöht. Infolge der realen Abwertung der Inlandswährung steigen die Exporte, und die Importe sinken. Durch Verbesserung der Leistungsbilanz wird das Zahlungsbilanzdefizit vermindert. Durch diesen schon David Hume bekannten Geldmengenpreismechanismus wird schließlich ein neues Zahlungsbilanzgleichgewicht erreicht. Der Geldmengenpreismechanismus wurde in der Regel durch die Reaktionen der Zentralbanken auf Zahlungsbilanzdefizite und Zahlungsbilanzüberschüsse verstärkt. Zentralbanken, die Gold verloren, reduzierten die Geldmenge, um idealiter eine konstante Relation zwischen Notenumlauf und Goldreserve zu halten. 1 Dies führte zu Zinssteigerungen und Kapitalimporten. Zentralbanken mit Goldzuflüssen erhöhten die Geldmenge und senkten den Zins. Dies bewirkte einen Kapitalexport. Auf diese Weise

1

B e i m Fiduziiirsystem m ü s s e n die u m l a u f e n d e n B a n k n o t e n b i s auf einen b e s t i m m t e n festen B e t r a g (das " V e r t r a u e n s k o n t i n g e n t " ) zu 100 P r o z e n t d u r c h G o l d g e d e c k t sein. B e i m P r o p o r t i o n a l s y s t e m m u ß ein b e s t i m m t e r Anteil d e s B a n k n o t e n u m l a u f s durch G o l d g e d e c k t sein. Im D e u t s c h e n R e i c h b e l i e f sich dieser Anteil auf ein Drittel. W e n n d i e G o l d r e s e r v e n u m e i n e M i l l i a r d e M a r k a b n a h m e n , m u ß t e also d e r B a n k n o t e n u m l a u f u m drei M i l l i a r d e n M a r k r e d u z i e r t werden.

Siebentes Kapitel: Internationale Währungssysteme in historischer Perspektive

861

wurde der Geldmengenpreismechanismus entlastet, indem man sich an die von Keynes so genannten Spielregeln des Goldstandards hielt. Man weiß heute allerdings, daß auch in der Zeit vor 1914 die Spielregeln nicht immer eingehalten wurden. Da zur Zeit der Goldwährung die auf Gold basierenden Paritäten als endgültig angesehen wurden, reichten meistens geringe Zinssteigerungen in den Defizitländern aus, um durch Kapitalimporte die Zahlungsbilanz auszugleichen. Die schnelle Reaktion des kurzfristigen internationalen Kapitalverkehrs auf Zinsänderungen machte größere Goldbewegungen meist überflüssig. Hohe Leistungsbilanzüberschüsse und Leistungsbilanzdefizite konnten so durch Kapitalimporte und Kapitalexporte ausgeglichen werden. Als die Bundesrepublik in den Jahren 1987 bis 1989 kurzfristig Leistungsbilanzüberschüsse erzielte, die 4,2 - 4,8 Prozent des Bruttosozialproduktes ausmachten, wurde dies von vielen als bedenkliches Ungleichgewicht angesehen. Großbritannien erzielte vor dem Ersten Weltkrieg vier Jahrzehnte lang Leistungsbilanzüberschüsse, die im Durchschnitt mehr als fünf Prozent des Bruttosozialprodukts betrugen; Kanada wies von 1910 - 1913 ein Leistungsbilanzdefizit von 13 Prozent auf!1 2.

Vor- und Nachteile des Goldstandards

Die Zeit der Goldwährung war eine Zeit rapider Ausdehnung des internationalen Handels und des internationalen Kapitalverkehrs. Es war auch eine Zeit des wirtschaftlichen Wachstums und der langfristigen Preisniveaustabilität. So wird die durchschnittliche jährliche prozentuale Inflationsrate für Deutschland (1876-1913) mit 0,3, für die Vereinigten Staaten (1879-1913) mit 0,1 und für Großbritannien mit -0,7 angegeben." Über kürzere Perioden traten allerdings beträchtliche Preisniveauschwankungen auf. Der Goldstandard begrenzt die Möglichkeiten der Zentralbanken, durch expansive Geldpolitik eine Inflation zu verursachen. Er zeichnet sich dadurch aus, daß kein Land eine privilegierte Stellung hat. Anders als in einem Reservewährungssystem ist kein Land der Verpflichtung enthoben, zu intervenieren, um die Parität zu bewahren. Im Fall von Zahlungsbilanzdefiziten und Zahlungsbilanzüberschüssen wird die Last der Anpassung im reinen Goldstandard von Defizit- und Überschußländern getragen. Man bezeichnet dies auch als Symmetrieeigenschaft des Goldstandards. Der Goldstandard hat jedoch auch Nachteile. Keynes hielt sie für so schwerwiegend, daß er Gold als barbarisches Relikt einer vergangenen Epoche bezeichnete. Die wichtigsten Nachteile sind: -

Die Geldpolitik steht im Dienste des Zahlungsbilanzausgleichs und kann nicht für binnenwirtschaftliche Ziele, zum Beispiel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, eingesetzt werden.

1

Vgl. Paul R. Krugman, Exchange-rate Instability, Cambridge (Mass.) und London, 1989, S. 10.

2

Vgl. Hans-Joachim Jarchow und Peter Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft, II. Internationale Währungspolitik, 3. Auflage, Göttingen 1993, S. 47.

862

Siebentes Kapitel: Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in historischer Perspektive

-

Ein internationales Währungssystem, das auf Gold basiert, kann nicht jenen kontinuierlichen Zuwachs an Währungsreserven sicherstellen, der bei wachsendem Außenhandel benötigt wird.

-

Der Goldstandard garantiert keine Preisniveaustabilität. Größere Goldfunde können zu einem Anstieg des Preisniveaus führen.

-

Länder mit hoher Goldproduktion können die makroökonomischen Bedingungen der Weltwirtschaft bestimmen.

-

Die Förderung von Gold ist mit hohem Ressourcenaufwand verbunden.

-

Die beobachtete langfristige Preisniveaustabilität schließt große kurzfristige Preisniveauschwankungen nicht aus.

3.

Die Periode zwischen den beiden Weltkriegen

Während des Ersten Weltkriegs finanzierten die Regierungen einen Teil ihrer Militärausgaben, indem sie Geld druckten. Sie gaben den Goldstandard auf. Einige Länder setzten diese Praxis der Haushaltsfinanzierung nach dem Ende des Krieges fort. Im Deutschen Reich kam es zu einer Hyperinflation. Das Preisniveau stieg im Jahre 1923 um über eine Milliarde Prozent. Nicht zuletzt durch die inflationäre Entwicklung und die Unsicherheit auf den Devisenmärkten wurde der Wunsch erweckt, zum Goldstandard zurückzukehren. Die USA führten bereits 1919 den Goldstandard wieder ein. England kehrte 1925 zum Goldstandard zurück. Trotz des inzwischen gestiegenen Preisniveaus wurde auf Drängen Churchills die Vorkriegsparität für das Pfund festgesetzt, eine Entscheidung, die sich als gravierender Fehler erweisen sollte. Allerdings wurde der Goldstandard durch einen Golddevisenstandard ersetzt, weil neben dem Gold in stärkerem Maße als früher Devisen als Währungsreserven gehalten wurden. Als verhängnisvoll erwies sich die Praxis der Überschußländer, vor allem der USA, von den Spielregeln der Goldwährung abzuweichen und Goldzuflüssen durch kontraktive Geldpolitik entgegenzuwirken, um auf diese Art den Goldzufluß zu neutralisieren. Die Defizitländer hatten deshalb die Hauptlast der Anpassung bei Zahlungsbilanzungleichgewichten zu tragen. Wegen der größeren Starrheit der Nominallöhne und der geringeren Flexibilität der Preise war die Anpassung in den Defizitländern mit Produktions- und Beschäftigungsrückgängen verbunden. Im Verlauf der Weltwirtschaftskrise gab England die Bindung an das Gold auf und ging zu flexiblen Wechselkursen über. Andere Länder folgten dem Beispiel Englands. Einige Länder werteten ab, um danach mit veränderter Parität zum Goldstandard zurückzukehren. Konkurrierende Abwertungen (Abwertungswettlauf) und protektionistische Maßnahmen wurden eingesetzt, um Vorteile zu Lasten des Auslands zu erzielen ("beggar-thy-neighbour-policy"). Um die Desintegration der Weltwirtschaft, die sich infolge des währungspolitischen Chaos der dreißiger Jahre ergeben hatte, nach dem Zweiten Weltkrieg zu vermeiden, wurden für die Zeit nach dem Krieg in Bretton Woods (USA) Grundsätze eines neuen internationalen Währungssystems in einem multilateralen Vertrag vereinbart.

Siebentes Kapitel: Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in historischer Perspektive

B.

863

D a s System von Bretton W o o d s

Das Bretton-Woods-System erhielt seinen Namen von dem Abkommen, das im Frühjahr 1944 in Bretton Woods von 44 Nationen unterzeichnet wurde. In diesem Abkommen wurde die Gründung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) beschlossen. Während die Weltbank Kredite für die im Krieg zerstörten Länder geben sollte und heute Kredite an Entwicklungsländer gibt, wurden im Abkommen über den Internationalen Währungsfonds die Grundzüge eines internationalen Währungssystems fixiert, das die Währungspolitik bis 1971 maßgeblich prägte. Das in Bretton Woods geschaffene Währungssystem stellt einen Kompromiß zwischen den von Harry Dexter White (USA) und John Maynard Keynes vertretenen Standpunkten dar. Wegen ihrer politischen und ökonomischen Vormachtstellung konnten sich die Amerikaner weitgehend durchsetzen. 1.

Grundzüge des Systems

Das in Bretton Woods vereinbarte internationale Währungssystem war ein auf Gold und Dollar basierendes System fester, aber anpassungsfähiger Wechselkurse. Jedes Mitgliedsland mußte seine Parität gegenüber dem Dollar (bzw. dem Gold) festlegen und sich verpflichten, durch Interventionen der Zentralbank den Kassakurs der eigenen Währung innerhalb einer Bandbreite von ± 1 Prozent der festgelegten Parität zu halten. Damit waren auch die Wechselkurse zwischen den übrigen Mitgliedsländern fixiert. Änderungen der Parität waren nur im Fall eines "fundamentalen Ungleichgewichts" möglich. Es wurde jedoch nicht definiert, was ein fundamentales Ungleichgewicht ist. Die Parität des Dollar wurde gegenüber dem Gold festgelegt, indem sich die USA gegenüber den ausländischen Notenbanken verpflichteten, Gold zum Preis von 35 Dollar je Unze zu kaufen oder zu verkaufen. Durch die Bindung des Dollar an das Gold sollte Vertrauen in das System hergestellt werden. Die USA verfügten gegen Ende des Zweiten Weltkriegs über etwa siebzig Prozent der Goldreserven der Welt. Man unterstellte, daß durch die Bindung des Dollar an das Gold die Zentralbanken eher bereit wären, einen Teil ihrer Währungsreserven in Dollar zu halten. Der bei einem System fester Wechselkurse notwendige Bestand an internationalen Währungsreserven konnte so vergrößert werden. Die Mitgliedsländer verpflichteten sich, die zunächst noch bestehende Devisenbewirtschaftung so bald als möglich abzubauen und die Währungen für Leistungsbilanztransaktionen konvertibel zu machen. Eine konvertible Währung kann von den Bürgern aller Länder für internationale Transaktionen verwendet werden. Inkonvertible Währungen behindern den internationalen Handel. Allerdings enthielt das Abkommen von Bretton Woods nicht die Verpflichtung, die Währungen für Kapitaltransaktionen konvertibel zu machen, weil man damals glaubte, daß freier internationaler Kapitalverkehr potentiell destabilisierend sei. 2.

Von der Dollarlücke zum "Dollarsegen"

In der Anfangszeit des Bretton-Woods-Systems war der Dollar die einzige bedeutende konvertible Währung. Er wurde deshalb als Währungsreserve gehalten. Obwohl die Statuten des IWF nicht vorschrieben, in welcher Form die Währungsreserven gehalten werden mußten, kann man das System als Golddevisenstandard bezeichnen, in dem

864

Siebentes Kapitel: Internationale Währungssysteme in historischer Perspektive

außer Gold von den Zentralbanken Dollar als Währungsreserven gehalten wurden. Da die Paritäten gegenüber dem Dollar festgelegt wurden, und der Dollar zugleich Reservemedium war, hatte der Dollar die Stellung einer Leitwährung. Die ersten Jahre nach dem Krieg waren durch die Dollarknappheit der europäischen Länder charakterisiert. Viele glaubten damals, daß die sogenannte Dollarlücke ein dauerhaftes Problem der Nachkriegszeit sein werde. Leistungsbilanzdefizite der europäischen Länder führten im Jahre 1949 zu einer Reihe von Abwertungen gegenüber dem Dollar. Auch die DM wurde abgewertet. Doch bereits in den frühen fünfziger Jahren erzielten einige europäische Länder und Japan Zahlungsbilanzüberschüsse, und gegen Ende der fünfziger Jahre und zu Beginn der sechziger Jahre kam es zu massiven Dollarzuflüssen. Um den drohenden Inflationsimport zu stoppen, wurden die DM und der holländische Gulden gegenüber dem Dollar um fünf Prozent aufgewertet. Gegen Ende der sechziger Jahre stieg das amerikanische Zahlungsbilanzdefizit an. Die Ansicht, der Dollar sei überbewertet, setzte sich durch. Als im April 1971 die amerikanische Handelsbilanz zum ersten Mal in diesem Jahrhundert ein Defizit aufwies, kam es zu einem massiven Kapitalabfluß aus den USA. Im Mai 1971 mußte die Bundesbank in zwei Tagen zwei Milliarden Dollar kaufen, um den Wechselkurs zu verteidigen. Als die Bundesbank am 5. Mai in einer Stunde eine Milliarde Dollar kaufen mußte, warf sie das Handtuch. Die DM wurde um sieben Prozent, der österreichische Schilling um fünf Prozent gegenüber dem Dollar aufgewertet. Doch die massive Spekulation gegen den Dollar hielt an, so daß Präsident Nixon am 13. August 1971 offiziell die Goldeinlösungspflicht aufhob. Im Dezember 1971 wurden in Washington im sogenannten Washingtoner Währungsabkommen (Smithsonian Agreement) die Wechselkurse der zehn führenden Industrienationen neu festgesetzt. Der Dollar wurde gegenüber dem Gold abgewertet und unter anderem die DM gegenüber dem Dollar aufgewertet. Gleichzeitig wurden die Bandbreiten, innerhalb derer die Währungen gegenüber dem Dollar schwanken konnten, von ± 1 auf ± 2,25 Prozent erweitert. Trotz der im Laufe der Zeit erweiterten Kredithilfen für Länder mit Zahlungsbilanzdefiziten brach das Bretton-Woods-System fester, aber anpassungsfähiger Wechselkurse im Frühjahr 1973 endgültig zusammen, als wichtige Länder sich entschlossen, ihre Wechselkurse freizugeben. 3.

Konstruktionsmängel des Systems

Das System von Bretton Woods hat zwanzig Jahre lang befriedigend funktioniert. Der Zusammenbruch des Systems ist auf einige wichtige Konstruktionsfehler zurückzuführen: Ein System fester Wechselkurse bei freier Konvertierbarkeit der Währungen kann langfristig nur funktionieren, wenn die Zahlungsbilanzen keine größeren Defizite oder Uberschüsse aufweisen. Um die Stabilität des Systems zu sichern, hätte es im Bretton-Woods-System ähnlicher Spielregeln wie beim Goldstandard bedurft. Doch war das System von Bretton Woods gerade durch den Verzicht auf diese Spielregeln charakterisiert. Die Länder sollten die Möglichkeit haben, ihre Geldund Fiskalpolitik am Ziel der Vollbeschäftigung auszurichten. Vorübergehende Zahlungsbilanzdefizite sollten durch Kredite finanziert werden, fundamentale Ungleichgewichte durch Paritätsänderungen beseitigt werden. In der Praxis wurden jedoch auch nachhaltige Defizite durch Kredite finanziert und auf Paritätsän-

Siebentes Kapitel: Internationale Währungssysteine in historischer Perspektive

865

derungen meist verzichtet. Überschußländer werteten nicht auf, weil sie die Exporte der heimischen Wirtschaft nicht gefährden wollten. Defizitländer werteten nicht ab, weil sie befürchteten, daß durch den Preisanstieg bei importierten Gütern der Inflationsprozeß verstärkt würde. Während das Bretton-Woods-System der Konzeption nach ein Golddevisenstandard war, entwickelte es sich im Lauf der Zeit immer stärker zu einem Reservewährungssystem mit dem Dollar als Währungsreserve. In einem solchen System ist das Reservewährungsland in einer speziellen Lage. Es gibt bei n Ländern nur n-1 Wechselkurse. W e n n die n-1 Nichtreservewährungsländer ihre Wechselkurse gegenüber d e m Reservewährungsland fixieren, gibt es keinen Wechselkurs mehr, den das Reservewährungsland festsetzen könnte. Bezogen auf das BrettonW o o d s - S y s t e m bedeutete dies, daß eine Dollarabwertung nicht durch einen einseitigen Schritt vollzogen werden konnte. Es sind multilaterale Vereinbarungen über die Neufestsetzungen der Paritäten erforderlich, wie sie erst (sehr spät) im Rahmen des Washingtoner Währungsabkommens getroffen wurden. In einem Reservewährungssystem ist das Reservewährungsland in einer privilegierten Situation, weil es als einziges Land trotz der festen Wechselkurse eine an binnenwirtschaftlichen Zwecken orientierte Geld- und Fiskalpolitik betreiben kann. W e n n also zum Beispiel das Reservewährungsland expansive Geldpolitik betreibt, so daß der Inlandszins sinkt, ergibt sich eine Überschußnachfrage nach fremden Währungen, weil wegen der Zinssenkung im Inland Anlagen im Ausland rentabler werden. Um eine Aufwertung ihrer Währungen zu verhindern, müssen die anderen Länder die Reservewährung gegen Inlandswährung kaufen. Die Währungsreserven und die Geldmenge nehmen zu. Die Funktionsfähigkeit eines solchen Systems setzt voraus, daß das Reservewährungsland eine stabilitätsorientierte Politik betreibt. Die U S A haben ab Mitte der sechziger Jahre eine solche Politik j e d o c h nicht betrieben. Schon lange vor dem endgültigen Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems hat Triffin darauf hingewiesen, daß der Gold-Dollar-Standard mit einem Konstruktionsfehler behaftet ist, der das Vertrauen in das System langfristig untergrabe. Mit wachsendem internationalem Handel n e h m e der Bedarf an Währungsreserven zu. U m diesen Bedarf zu befriedigen, müsse die amerikanische Zahlungsbilanz defizitär sein. Im Laufe der Zeit müsse aber dadurch die Relation zwischen den kurzfristigen Verbindlichkeiten der USA und den Goldreserven immer ungünstiger werden, so daß schließlich die zugesagte Konversion von Dollar in Gold nicht mehr möglich sei. Diese Prognose Triffins wurde durch die Entwicklung bestätigt, wie die folgende Tabelle zeigt:

866

Siebentes Kapitel: Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in historischer Perspektive

Tabelle 1: Verhältnis der kurzfristigen Verbindlichkeiten zu Währungsreserven in den USA 1950 1954 1958 1960 Quelle:

C.

0,37 0,54 0,75 1,09

1962 1966 1970 1972

1,41 2,00 3,20 6,25

Christopher Milner und David Greenaway, An Introduction to International E c o n o m i c s , London, 1979, S. 271

Die Zeit nach Bretton Woods

Der Ubergang zu flexiblen Wechselkursen wurde ursprünglich als eine temporäre M a ß n a h m e angesehen. Doch die Hoffnung, daß ein neues System mit festen Wechselkursen etabliert werden könnte, wurde durch die beiden Ölkrisen in den siebziger Jahren zerstört.

1.

Die erste Ölkrise

Von Ende 1973 bis März 1974 wurde der Erdölpreis durch die O P E C (Organisation of Petroleum Exporting Countries) von 3 Dollar auf 12 Dollar j e Barrel erhöht. Die Vervierfachung des Ölpreises hatte beträchtliche Auswirkungen auf die Leistungsbilanzen der ölimportierenden Länder. Wiesen die Leistungsbilanzen der Industrieländer 1973 noch einen Überschuß von 20,3 Milliarden Dollar auf, waren sie 1974 mit 10,8 Milliarden defizitär. Besonders hart wurden die ölimportierenden Entwicklungsländer getroffen. Steigende Importpreise wegen der gestiegenen Ölpreise und sinkende Exporterlöse infolge der Rezession in den Industrieländern führten dazu, daß das Leistungsbilanzdefizit der Entwicklungsländer, die kein Öl exportierten, von 11,3 Milliarden Dollar 1973 auf 46,3 Milliarden Dollar 1975 stieg. 1 Wegen der inflationären Impulse der steigenden Ölpreise, der die Inflation noch verstärkenden hohen Lohnforderungen der Gewerkschaften, die keinen Kaufkraftverlust hinnehmen wollten, und der zum Teil expansiven Wirtschaftspolitik kam es in den wichtigsten Industrieländern trotz der Rezession zu einer Beschleunigung der Inflation, wie die folgende Tabelle zeigt:

1

V g l . Paul R. Krugman and Maurice Obstfeld, International E c o n o m i c s : Theory and Policy, Z w e i t e A u f l a g e , N e w York, 1991, S. 555 und 646.

Siebentes Kapitel: Internationale Währungssysteme in historischer Perspektive

867

Tabelle 2: Inflationsraten in den wichtigsten Industrieländern1 Land

\

Jahr

USA Japan Deutschland Frankreich Italien Großbritannien Kanada

1972

1973

1974

1975

1976

1977

1978

1979

1980

3,9 5,6 5,7 6,3 6,4 6,5 4,2

6,1 10,7 6,3 7,4 13,8 8,6 6,4

10,5 21,2 7,0 14,8 21,3 16,9 10,5

8,1 11,3 6,2 11,8 16,6 23,7 10,6

5,8 9,2 4,2 9,9 17,7 15,8 7,3

6,6 7,2 3,6 9,4 17,6 14,8 7,4

7,2 4,5 2,7 9,1 13,1 9,1 7,6

9,2 3,6 3,9 10,8 14,5 13,6 8,5

10,8 7,1 5,8 13,3 20,5 16,3 10,0

I Deflatoren des privaten Verbrauchs. Quelle: IMF, World Economic Outlook, Dezember 1990

U m das Phänomen steigender Preise bei Rückgang der Produktion und der Beschäftigung zu beschreiben, wurde der Begriff der Stagflation geprägt. Auf einer K o n f e r e n z in J a m a i c a wurde 1976 formell das System flexibler Wechselkurse legitimiert. Es wurde vereinbart, daß die Mitglieder des Weltwährungsfonds ihre Währungen nicht manipulieren dürfen, um Wettbewerbsvorteile für die eigene Exportwirtschaft zu erlangen. Der Fonds erhielt die Kompetenz, die Wechselkurse der Mitgliedsländer zu überwachen. Der offizielle Goldpreis wurde abgeschafft. Der Kurs der W ä h r u n g e n durfte nicht mehr in Gold festgelegt werden. Obligatorische Goldeinzahlungen b e i m Fonds (Goldtranche) wurden abgeschafft. Aus der Goldtranche wurde die Reservetranche. Sonderziehungsrechte sollten eine dominierende Stellung als Reservemedium erhalten.

2.

Die zweite Ölkrise

Im Zuge der Revolution im Iran kam es zu einer zweiten Ölkrise. Der Erdölpreis stieg von 13 Dollar pro Barrel Mitte 1978 auf 32 Dollar 1980. Aufgrund der Erfahrungen mit der ersten Erdölkrise waren die Regierungen bestrebt, die inflationären Impulse durch restriktive Geld- und Fiskalpolitik einzudämmen. Die Rezession, die durch die Krise ausgelöst wurde, war weitaus schwerer als nach der ersten Erdölpreissteigerung. Die Produktion stagnierte, die Arbeitslosenquoten stiegen beträchtlich und verharrten in vielen Industrieländern in den achtziger Jahren auf hohem Niveau, wie die folgende Tabelle zeigt:

868

Siebentes Kapitel: Internationale Währungssysteme in historischer Perspektive

Tabelle 3: Standardisierte Arbeitslosenrate in den wichtigsten Industrieländern 1 LandVJahr

1981

1982

1983

1984

1985

1986

1987

1988

1989

1990

USA Japan Deutschi. Frankreich Italien Großbrit. Kanada

7,5 2,2 4,2 7,4 7,8 9,8 7,5

9,5 2,4 5,9 8,1 8,4 11,3 10,9

9,5 2,6 7,7 8,3 8,8 12,4 11,8

7,4 2,7 7,1 9,7 9,4 11,7 11,2

7,1 2,6 7,2 10,2 9,6 11,2 10,4

6,9 2,8 6,4 10,4 10,5 11,2 9,5

6,1 2,8 6,2 10,5 10,9 10,3 8,8

5,4 2,5 6,2 10,0 11,0 8,5 7,7

5,2 2,3 5,6 9,4 10,9 6,9 7,5

5,4 2,1 5,1 9,0 9,9 7,1 8,1

1

Die Arbeitslosenquoten, die für die Bundesrepublik nach den standardisierten OECD-Statistiken ausgewiesen werden, sind niedriger als die nationalen Zahlen.

Quelle: IMF, World E c o n o m i c Outlook, Dezember 1990

Nicht zuletzt als Folge der Rezession in den Industrieländern kam es zu einer schnelleren Anpassung der Zahlungsbilanzen. Der Überschuß der O P E C von 112 Milliarden Dollar im Jahr 1980 verwandelte sich bis 1982 in ein Defizit.

3.

Der Anstieg und Fall des Dollar in den achtziger Jahren

Von Januar 1980 bis Mai 1985 kam es zu einem dramatischen Anstieg des Dollarkurses. Während die U S A in dieser Zeit expansive Fiskalpolitik und kontraktive Geldpolitik betrieben, waren Fiskalpolitik und Geldpolitik in den europäischen Ländern eher restriktiv. Der reale Zins in den USA stieg relativ zum realen Zins in Europa. Der dadurch ausgelöste Kapitalzufluß in die U S A führte zu einem außerordentlichen Anstieg des Dollarkurses. Der reale Außenwert des Dollars stieg um nahezu vierzig Prozent. Die reale A u f w e r t u n g minderte die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Exportindustrie und Importgütersubstitutionsindustrie. Die amerikanische Leistungsbilanz verschlechterte sich. Die Forderung nach protektionistischen M a ß n a h m e n wurde immer dringender. Im September 1985 trafen sich die Finanzminister und Notenbankgouverneure der fünf wichtigsten Industrieländer (G5-Länder: Bundesrepublik, Frankreich, Großbritannien, Japan, USA) und erklärten, der Dollar sei überbewertet und eine weitere A b w e r t u n g sei wünschenswert (seit Mai 1985 war es bereits zu einer Dollarabwertung g e k o m m e n ) . Der Dollar wertete sich 1986 weiter ab. Nach der Talfahrt des Dollar im Jahre 1987 erklärten die Finanzminister in Paris, der Dollarkurs sei inzwischen in Ubereinstimm u n g mit den fundamentalen ökonomischen Faktoren. Der Dollar stabilisierte sich zunächst, geriet aber nach einem Börsenkrach erneut unter Druck. Das A u s m a ß der Wechselkursschwankungen, vor allem auch das A u s m a ß der langfristigen S c h w a n k u n g e n der realen Wechselkurse, war gerade auch von Befürwortern flexibler Wechselkurse nicht erwartet worden. Die Bedeutung dieser S c h w a n k u n g e n wird anhand folgender Zahlen deutlich: Die Lohnstückkosten stiegen in den USA relativ zum Durchschnitt in den anderen Industrieländern von 1980 bis 1985 u m 60 Prozent. In weniger als drei Jahren wurde durch die Abwertung des Dollar die Ausgangsposition wieder erreicht. Oder: Während in der Bundesrepublik 1980 die Löhne

Siebentes Kapitel: Internationale Währungssysteme in historischer Perspektive

869

in Dollar um 25 Prozent höher waren als in den USA, waren sie 1985, als der Dollarkurs seinen Gipfel erreichte, um 25 Prozent niedriger. Zu Beginn des Jahres 1988 waren sie in der Bundesrepublik wieder um 20 Prozent höher! Bemerkenswert ist, daß die durch solche Schwankungen ausgelösten Wirkungen nicht noch viel größer gewesen sind, als dies der Fall war.1 D.

V o m Europäischen Wechselkurssystem zur W ä h r u n g s u n i o n

1.

Der Europäische Wechselkursverbund

Im April 1972 beschlossen die Länder der Europäischen Gemeinschaft, die Bandbreite, mit der ihre Währungen untereinander schwanken konnten, auf ± 2,25 Prozent zu verringern. Die so festgelegte Bandbreite war geringer als die Marge, mit der die Nichtdollar-Währungen nach dem damals noch geltenden Bretton-Woods-System im Verhältnis zueinander schwanken konnten. Im Washingtoner Währungsabkommen (Smithsonian Agreement) war im Dezember 1971 die Bandbreite gegenüber dem Dollar auf ± 2,25 Prozent und damit die Bandbreite unter den Nichtdollar-Währungen auf das Doppelte, also auf ± 4 , 5 Prozent, festgesetzt worden. Durch die Einschränkung der Bandbreiten für die Währungen der Europäischen Gemeinschaft waren die Dollarkurse der EU-Währungen untereinander enger verknüpft als durch das Washingtoner Währungsabkommen. Gegenüber Drittländern konnten die Dollarkurse der am Wechselkursverbund beteiligten Länder in der vollen Bandbreite schwanken, die seit dem Dezember 1971 zugelassen war. Auf diese Art entstand die Schlange im Tunnel. Der Durchmesser der Schlange, die sich aus der internen Bandbreite innerhalb der EU ergab, war kleiner als der Durchmesser des Tunnels, der die Bandbreite der Schwankungen aufgrund des Washingtoner Währungsabkommens angibt. Im Jahre 1973 wurde beschlossen, die Schlangenwährungen gemeinsam gegenüber dem Dollar schwanken zu lassen. Das System, das eine Art Mini-Bretton-Woods darstellte, war durch zahlreiche Ab- und Aufwertungen, den Austritt und Wiedereintritt verschiedener Mitgliedsländer gekennzeichnet. Es scheiterte, weil es an der notwendigen Koordination der Wirtschaftspolitik fehlte.

2.

Das Europäische Währungssystem

Trotz der negativen Erfahrungen beschloß der Europäische Rat, das Europäische Währungssystem (EWS) einzuführen, dessen Grundlage feste Wechselkurse der am Währungssystem beteiligten Länder sind. Das System trat im März 1979 in Kraft. Das Europäische Währungssystem ist durch den Wechselkursmechanismus und die Europäische Währungseinheit (ECU = European Currency Unit) charakterisiert. Der ECU ist eine Währungseinheit, die aus einem Korb der Währungen der Mitgliedsstaaten besteht. a.

Der Wechselkursmechanismus

Wie das System von Bretton-Woods ist das Europäische Währungssystem ein System fester, aber anpassungsfähiger Wechselkurse. Für alle Länder, die am Europäischen Wechselkursmechanismus teilnehmen, wird für ihre Währung gegenüber dem ECU

1

Vgl. Paul R. Krugman, Exchange-rate Instability, Cambridge (Mass.) und London, 1989, S. 37.

870

Siebentes Kapitel: Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in historischer Perspektive

ein in Einheiten der Inlandswährung fixierter Leitkurs festgesetzt. Daraus ergibt sich ein System bilateraler Leitkurse, das Paritätengitter genannt wird. Wenn also zum Beispiel die ECU-Leitkurse so festgesetzt werden, daß ein ECU gleich zwei DM und ein ECU gleich sechs FF ist, erhält man den in DM ausgedrückten bilateralen Leitkurs für den französichen Franc aus — 2 DM/ECU UM/ W DMK 33J 3DM/FF / K= 6 p F / E C U = 0U < " Bei Flexibilität der Wechselkurse gegenüber Drittländern konnten die Wechselkurse im EWS im Rahmen einer Bandbreite von ± 2,25 Prozent um die bilateralen Leitkurse schwanken. Für Italien galt bis 1990 die größere Bandbreite von ± 6 Prozent. Für die dem Wechselkursmechanismus neu beigetretenen Länder Spanien (1989), Großbritannien (1990) und Portugal (1992) galt ebenfalls die Bandbreite von ± 6 Prozent. Nach der Währungskrise im September 1992 suspendierten Italien und Großbritannien ihre Teilnahme am Wechselkursmechanismus. Im Juli 1993 wurde beschlossen, die Bandbreiten vorübergehend auf ± 15 Prozent zu erweitern. Wenn die sich am Devisenmarkt bildenden Wechselkurse die obere oder untere Grenze erreichen, sind die Zentralbanken verpflichtet, zu intervenieren, um den Wechselkurs innerhalb der Bandbreiten zu halten. Man nennt diese Interventionen marginale Interventionen. Es gibt aber keine absolute Verpflichtung, den Wechselkurs innerhalb der Bandbreiten zu halten. Durch gegenseitige Vereinbarungen der Mitgliedsländer können die Leitkurse neu festgesetzt werden. In der Praxis bedeutet dies, daß Paritätenänderungen von den Finanzministern der am Wechselkursmechanismus beteiligten Länder beschlossen werden. Für marginale Interventionen sollten nach den ursprünglichen Vorstellungen die Währungen der am Wechselkursmechanismus beteiligten Länder benutzt werden. Dabei können die Länder auf die "sehr kurzfristigen Kredite" zurückgreifen, die in unbegrenzter Höhe zu gewähren sind, aber innerhalb von 75 Tagen zurückgezahlt werden sollen. Außer den marginalen Interventionen können die Zentralbanken auch sogenannte intramarginale Interventionen vornehmen, indem sie intervenieren, bevor die Grenze der Bandbreite erreicht ist. Diese intramarginalen Interventionen sollen unter den Zentralbanken abgestimmt werden. Bis 1987 erfolgten die intramarginalen Interventionen über den Dollar. Seit 1987 kann auch für intramarginale Interventionen auf die "sehr kurzfristigen Kredite" zurückgegriffen werden, um EWS-Währungen für Interventionen zu erhalten. Um ihre Währungen zu stützen, können die Zentralbanken verschiedene Kreditformen in Anspruch nehmen. Außer den schon erwähnten "sehr kurzfristigen Krediten", die der Erfüllung der unbegrenzten Interventionsverpflichtungen dienen, werden "kurzfristige Kredite" gewährt, um temporäre Zahlungsbilanzdefizite zu finanzieren, die sich infolge nicht vorhersehbarer außenwirtschaftlicher Störungen ergeben. Die Kreditaufnahme ist durch Schuldnerquoten begrenzt. Die Laufzeit von drei Monaten kann zweimal um drei Monate verlängert werden. "Mittelfristige Kredite" werden bei Zahlungsbilanzdefiziten für die Dauer von zwei bis fünf Jahren gewährt und sind mit wirtschaftspolitischen Auflagen verbunden. Sie müssen vom EU-Ministerrat genehmigt werden.

Siebentes Kapitel: Internationale Währungssysteme in historischer Perspektive

b.

871

Der E C U

Der E C U ist eine durch die Mitglieder des Europäischen Währungssystems geschaffene Währungseinheit. Er ist ein W ä h r u n g s k o r b , der sich aus bestimmten Währungsbeträgen der Länder des E W S zusammensetzt. Die Währungsbeträge wurden durch den Ministerrat der E U nach dem Anteil des jeweiligen Landes am Handel der Mitgliedsländer, dem Anteil des Landes am Bruttosozialprodukt der Mitgliedsländer und der Quote im kurzfristigen Währungsbeistand festgelegt. Der Währungskorb enthält seit dem 2 1 . September 1989 folgende Währungsbeträge: Deutsche Mark Französischer Franc Pfund Sterling Italienische Lira Holländischer Gulden Belgischer Franc Luxemburgischer Franc Spanische Peseta Dänische Krone Irisches Pfund Griechische Drachme Portugiesischer E s c u d o

0,6242 1,332 0,08784 151,8 0,2198 3,301 0,130 6,885 0,1976 0,008552 1,440 1,3493

Der Wert eines E C U ergibt sich aus der S u m m e dieser im Korb enthaltenen W ä h rungsbeträge. Ein E C U ist also gleich 0 , 6 2 4 2 D M + 1,332 F F + ... + 1 , 3 4 9 3 E s c . Um den Wert eines E C U in einer bestimmten Währung, also zum Beispiel in D M , anzugeben, muß man die Beträge für alle im Korb enthaltenen Währungen in D M ausdrücken._Geht man von den durch die bilateralen L e i t k u r s e bestimmten W e c h selkursen W (DM/j) aus, so erhält man den D M - W e r t einer im Korb enthaltenen Währung j , indem man den Währungsbetrag der Währung j mit dem Wechselkurs W ( D M / j ) multipliziert. Um also für die im Währungskorb enthaltenen 1,332 F F den Wert in D M zu erhalten, wird dieser Währungsbetrag mit dem bilateralen Leitkurs des Franc (Preis des F r a n c in D M ) multipliziert. B e i einem bilateralen Leitkurs von 0 , 2 9 8 DM/FF erhält man 1,332 F F • 0 , 2 9 8 DM/FF = 0 , 3 9 7 D M . A u f die gleiche Art werden die anderen Währungsbeträge in D M ausgedrückt. Addiert man alle D M - B e t r ä g e , erhält man den in D M ausgedrückten Wert eines E C U . Der Leitkurs der D M gegenüber dem E C U ( D M / E C U ) errechnet sich also nach der Formel: Leitkurs der DM gegenüber dem E C U

=

ii Z fester Betrag der Währung j im

bilateraler Leitkurs x

der DM gegenüber

J = I

(DM/ECU)

Korb

der Währung j (DM/j)

Die folgende T a b e l l e zeigt, wie sich der Leitkurs der D M gegenüber dem E C U ( D M / E C U ) aus den festen Währungsbeträgen und den bilateralen Leitkursen ergibt:

872

S i e b e n t e s K a p i t e l : Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in h i s t o r i s c h e r P e r s p e k t i v e

Tabelle 4: Leitkurs der DM gegenüber ECU Währung

Bilateraler Leitkurs Wert der Wähin D M gegenüber rungsbeträge im der Korbwährung j e Korb in D M (DM/j)

Fester Betrag der einzelnen Währungen im Währungskorb

Deutsche Mark Pfund Sterling Französischer Franc Italienische Lira Holland. Gulden Belgischer Franc' Dänische Krone Irisches Pfund Griech. Drachme Spanische Peseta Portug. Escudo

0,6242 0,08784 1,332 151,8 0,2198 3,431 0,1976 0,008 1,440 6,885 1,393

1 2,478090 0,298164 0,001087 0,887523 0,048484 0,262157 2,411042 0,007371 0,012639 0,010109

E C U in D M (Leitkurs) 1

0,6242 0,217675 0,397155 0,165044 0,195078 0,166347 0,051802 0,020619 0,010614 0,087023 0,014082 1,949639

Einschließlich luxemburgischen Franc.

In gleicher W e i s e ergibt sich der Leitkurs der anderen Währungen rechnerisch aus den festen Beträgen der einzelnen Währungen im Währungskorb und den bilateralen Leitkursen. Von dem ECU-Leitkurs ist der ECU-Tageskurs zu unterscheiden. Er ergibt sich, indem statt der bilateralen Leitkurse die sich durch Angebot und Nachfrage innerhalb der Bandbreite bildenden bilateralen Tageskurse eingesetzt werden. Tageskurs der DM gegenüber dem E C U =

Tageskurs der DM

n

X fester Betrag der Währung j im

x gegenüber der Wäh-

J = I

(DM/ECU)

Korb

r u n g j (DM/j)

In der Praxis ermittelt die EU-Kommission die ECU-Tageskurse, indem sie von den Dollarkursen der im Währungskorb vertretenen Währungen ausgeht, die ihr die Zentralbanken mitteilen. V o n diesen Dollarkursen ausgehend wird zunächst der Wert des E C U in Dollar ermittelt. Aus dem Tageskurs des Dollar gegenüber dem E C U und den Dollarkursen der im K o r b vertretenen Währungen ergibt sich dann der Tageskurs der einzelnen Währungen gegenüber dem E C U .

Siebentes Kapitel: Internationale Währungssysteme in historischer Perspektive

c.

873

Das Gewicht einer Währung

Das Gewicht einer Währung ist der Quotient aus dem Betrag, der von dieser Währung im Währungskorb enthalten ist (zum Beispiel 0,6242 DM) und der in der gleichen Währung ausgedrückten Summe aller im ECU enthaltenen Währungsbeträge, also dem Leitkurs dieser Währung gegenüber dem ECU. . , „, , Im Währungskorb enthaltener Betrag Gewicht einer Währung = —— —— —— Leitkurs der Währung gegenüber dem LCU Als Gewicht der DM im Währungskorb erhält man: 0,6242 DM Gewicht der DM = —^— = 32,016 % 1,94964 DM Da der im Währungskorb enthaltene Betrag der Währung fixiert ist, führt eine Aufwertung dazu, daß das Gewicht der betrachteten Währung steigt und eine Abwertung dazu, daß das Gewicht sinkt. Im Fall der Aufwertung wird der Nenner kleiner unc damit das Gewicht größer. Bei einer Abwertung wird das Gewicht kleiner, weil dei Nenner größer wird. Man hat deshalb in der Vergangenheit im Abstand von fünf Jahrer die Beträge im Korb so verändert, daß die Gewichte annähernd konstant blieben. Das ist offenbar eine Praxis, die nicht geeignet ist, das Vertrauen in den ECU zu festigen Im Vertrag von Maastricht wurde daher beschlossen, die Währungsbeträge in Zukunfi nicht mehr zu verändern. Wenn eine der Korbwährungen gegenüber allen anderen Währungen um einer bestimmten Prozentsatz auf- oder abgewertet wird, ist die prozentuale Auf- odei Abwertung gegenüber dem ECU geringer. Wenn zum Beispiel die DM gegenüber aller Korbwährungen um zehn Prozent aufgewertet wird, so bedeutet dies, daß alle Positionen in der dritten Spalte von Tabelle 4 durch 1,1 dividiert werden müssen, mi' Ausnahme des Betrages für die DM. Das führt aber dazu, daß die Aufwertung gegenüber dem ECU geringer ist. Sie ist bei einer Aufwertung um so geringer, je größer das Gewicht der Währung ist. d.

Der Abweichungsindikator

Länder, deren Wechselkurs vom ECU-Leitkurs in der einen oder anderen Richtung abweichen, sollen möglichst frühzeitig zu angemessenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen veranlaßt werden. Zu diesem Zweck wurde der Abweichungsindikator eingeführt. Der Abweichungsindikator wird errechnet als Abweichung de! ECU-Tageswertes einer Währung von ihrem ECU-Leitkurs. Die maxima zulässige Abweichung des ECU-Tageskurses vom ECU-Leitkurs wird erreicht, wenr sich der am Markt bildende Tageskurs einer Währung um die volle Schwankungsbreitf von dem bilateralen Leitkurs entfernt hat. Die maximale Abweichungsrate des ECU Tageswertes vom ECU-Leitkurs hängt allerdings auch vom Gewicht der betreffender Währung ab. Je größer das Gewicht einer Währung ist, um so geringer ist die maximalt Abweichungsrate. Es gilt: Maximale Abweichungsrate = Bandbreite (1 - Korbgewicht)

874

Siebentes Kapitel: Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in historischer Perspektive

Bei der grundsätzlich geltenden Bandbreite von 2,25 Prozent und einem Korbgewicht der D M von 32,016 Prozent seit dem 14. Mai 1993 ergäbe sich f ü r die D M eine maximal zulässige A b w e i c h u n g von: 2,25%

(1 - 0 , 3 2 0 1 6 ) = 1,53%

Nach der vorläufigen Erweiterung der Bandbreite auf ± 15 Prozent ergibt sich dagegen für die D M eine m a x i m a l e Abweichung von: 15% • ( 1 - 0 , 3 2 0 1 6 ) = 10,20% Der Berechnung des Abweichungsindikators liegt die Fiktion zugrunde, daß alle Währungen, die im E C U - W ä h r u n g s k o r b enthalten sind, mit identischen M a r g e n (zur Zeit also 15 Prozent) am Wechselkursmechanismus teilnehmen. Die nicht a m Wechselkursmechanismus teilnehmenden Währungen gehen höchstens mit einer Abweichung von ± 15 Prozent in die Berechnung des Abweichungsindikators ein. Nach der ursprünglichen Konzeption sollten wirtschaftspolitische M a ß n a h m e n bereits einsetzen, wenn die A b w e i c h u n g 75 Prozent der maximal zulässigen Abweichung ergibt.

e.

Erfahrungen mit dem EWS-System

Es war das Ziel des Europäischen Währungssystems, mit Hilfe fester, aber anpassungsfähiger Wechselkurse eine Zone der Währungsstabilität in Europa zu schaffen. Das Stabilitätsziel bezog sich auf den Außenwert und den Binnenwert. W ä h r e n d in den ersten vier Jahren des Bestehens Wechselkursänderungen häufig waren, wurden sie danach seltener und im A u s m a ß geringer. Nach der elften Wechselkursänderung im Jahre 1987 blieben die Paritäten fünf Jahre lang unverändert. Auch die Inflationsraten konnten gesenkt werden. Die Differenzen in den Inflationsraten zwischen den Partnerländern nahmen ab. M a n meinte, daß diese Erfolge darauf zurückzuführen seien, daß Länder mit traditionell hohen Inflationsraten durch ihre Teilnahme am E W S , das durch die traditionell stabile D M dominiert wurde, eine glaubhaftere Antiinflationspolitik betreiben konnten, indem sie ihre Glaubwürdigkeit von der Bundesbank "entliehen". Allerdings gab es nach wie vor deutliche Inflationsunterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Trotz der noch bestehenden Differenzen in den Inflationsraten, die zu einer realen A b w e r t u n g der D M führten, war man bestrebt, möglichst keine Wechselkursanpassungen mehr vorzunehmen. Dieses Ziel schien auch nach dem Abbau der Kapitalverkehrskontrollen in Frankreich und Italien zunächst realisierbar zu sein. Die Entwicklung im E W S war dadurch gekennzeichnet, daß die D M als stärkste und begehrteste R e s e r v e w ä h r u n g zur Ankerwährung des Systems geworden war. Die anderen Länder koppelten ihren Wechselkurs an die D M und mußten die Geldpolitik einsetzen, um diesen Kurs zu halten. Die Bundesbank konnte dagegen eine an der Entwicklung der G e l d m e n g e orientierte Geldpolitik betreiben. Das E W S hatte sich zu einem asymmetrischen System entwickelt. Mit der A b s c h a f f u n g der Kapitalverkehrskontrollen im Jahre 1990 wurde die geldpolitische Autonomie der E W S - L ä n d e r noch weiter geschwächt.

Siebentes Kapitel: Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in historischer Perspektive

875

Mit der Währungskrise im Herbst 1992 ging dann eine fünf Jahre dauernde Periode der Stabilität im E W S zu Ende. Die Vorstellung, das E W S habe sich bereits zu einem System unveränderlicher Paritäten entwickelt, erwies sich als trügerisch. Nach der Ablehnung des Maastricht-Vertrages durch die dänische Bevölkerung und der Unsicherheit über den Ausgang der Volksabstimmung in Frankreich am 20. September wurde der divergierenden Entwicklung in den EU-Ländern, die die langfristige Grundlage stabiler Paritäten bereits unterminiert hatte, größere Bedeutung zugemessen. Tatsächlich war von 1987 bis 1992 der Preisanstieg in Frankreich um zwei Prozent, in Italien um 14 Prozent, in Großbritannien u m 17 Prozent und in Spanien um 31 Prozent größer als in Deutschland. Die krisenhafte Zuspitzung im E W S führte dazu, daß im September 1992 zunächst die Lira um 7 Prozent und dann die spanische Peseta um 5 Prozent gegenüber allen anderen E W S - W ä h r u n g e n abgewertet wurden. Italien und Großbritannien suspendierten ihre Teilnahme am Wechselkursmechanismus. Seitdem floaten beide W ä h r u n g e n . Durch Stützungskäufe flössen der Bundesbank von Ende August bis Ende September Devisen in Höhe von 92 Mrd. D M zu! Ende Juli 1993 kam es erneut zu einer krisenhaften Zuspitzung, die die Existenz des E W S in Frage stellte. Die Erfahrungen des Jahres 1992 hatten dazu geführt, daß die Ansicht, das E W S sei bereits zu einem System unveränderter Paritäten geworden, aufgegeben werden mußte. Das System hatte an Glaubwürdigkeit verloren. Vor dem Hintergrund der konjunkturell bedingten Zinssenkungspolitik in einigen Partnerländern bei vorsichtiger Zinssenkungspolitik der Bundesbank kamen einige Währungen, wie der französische Franc und die dänische Krone, unter Abwertungsdruck. Die Bundesbank intervenierte massiv durch Stützungskäufe, vor allem zugunsten des französischen Franc. Die Banque de France war gezwungen, ihre gesamten Devisenreserven einzusetzen. Der Bundesbank flössen Devisen in Höhe von 60 Mrd. D M zu, davon allein 30 Mrd. DM am 30. Juli. Die Notenbankpräsidenten und die Finanzminister der EU beschlossen mit Wirkung vom 2. August 1993 eine Ausweitung der Bandbreiten auf ± 15 Prozent bei unveränderten Leitkursen. Deutschland und die Niederlande vereinbarten, an den bisherigen engen Bandbreiten festzuhalten. Die Finanzminister und Notenbankpräsidenten erklärten, daß die fundamentalen Faktoren die Beibehaltung der bestehenden Paritäten rechtfertigten. Tatsächlich gelang es durch die vorläufige Erweiterung der Bandbreiten, die Spekulationswelle zu brechen. Die Wechselkurse der am Wechselkursverbund beteiligten W ä h r u n g e n blieben bis Ende 1994 stabil. A b Dezember 1994 gerieten einige Währungen erneut unter Druck, vor allem die spanische Peseta. Der Leitkurs der Peseta wurde im März 1995 um 7 Prozent abgewertet, nachdem sie während der Turbulenzen 1992/93 bereits um insgesamt 18 Prozent gegenüber der D M abgewertet worden war. Die Währungen Italiens und Großbritanniens, die 1992 aus dem Wechselkurs ausgeschieden waren, schwächten sich weiter ab. Die Abwertung des Pfundes gegenüber dem früheren Leitkurs belief sich bis März 1995 auf 24 Prozent, die der Lira auf 38 Prozent, wenn die Leitkursänderung von September 1992 einbezogen wird. Seit A n f a n g 1995 trat eine Beruhigung ein. Die spanische Peseta und der portugiesische Escudo erholten sich nach den Abwertungen im M ä r z 1995. Auch die italienische Lira konnte Boden gewinnen.

876

3.

S i e b e n t e s Kapitel: Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in historischer Perspektive

Auf dem W e g zur Europäischen Währungsunion

Im Juni 1988 beauftragte der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz des Kommissionspräsidenten Delors, der unter anderem alle Notenbankpräsidenten angehörten, einen Plan zur Entwicklung einer Wirtschaftsund Währungsunion in Europa auszuarbeiten. Aufgrund des "Delors-Berichtes" wurde beschlossen, am 1. Juli 1990 in die erste Stufe eines sich in drei Stufen vollziehenden Prozesses zur Wirtschafts- und Währungsunion einzutreten. Am 7. Februar 1992 wurde in Maastricht von den Außenministern der EU der auf der Basis des Delors-Stufenplans konzipierte Vertrag über die Europäische Union unterzeichnet. Dieser Vertrag ist nach schwierigen Ratifizierungsprozessen am 1. November 1993 in Kraft getreten. Er sieht vor, daß frühestens 1997 und spätestens 1999 eine Währungsunion mit unveränderlich festen Wechselkursen und einer europäischen Zentralbank geschaffen werden soll. Die erste Stufe In der ersten Stufe, die am 1. Juli 1990 begann und am 31. Dezember 1993 endete, sollten vor allem folgende Maßnahmen durchgeführt werden: -

Bessere Koordinierung der Wirtschafts- und Währungspolitik der Mitglieder der EU. Teilnahme aller Mitgliedsländer am Europäischen Wechselkursmechanismus. Aufhebung aller Kapitalverkehrskontrollen. Stärkung der Autonomie der Zentralbanken.

Die zweite Stufe Die zweite Stufe hat am 1. Januar 1994 begonnen. Wie im Maastrichter Vertrag vorgesehen, wurde mit Beginn der zweiten Stufe das Europäische Währungsinstitut (EWI) errichtet. Der Sitz ist Frankfurt. Die zweite Stufe ist als Übergangsphase zur Vorbereitung der Endphase der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion konzipiert. Für die zweite Phase ist vorgesehen: -

Die Wirtschafts- und Währungspolitik soll stärker koordiniert und überwacht werden.

-

Das Europäische Währungsinstitut soll die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, damit die Europäische Zentralbank mit Beginn der letzten Stufe ihre Arbeit aufnehmen kann. Die Geldpolitik soll allerdings in dieser Stufe Aufgabe der nationalen Notenbanken sein.

-

Den Notenbanken wird untersagt, Kredite an den öffentlichen Sektor der Volkswirtschaft zu geben.

-

Die Mitgliedsstaaten müssen vor Errichtung der Europäischen Zentralbank die Unabhängigkeit ihrer nationalen Zentralbanken sicherstellen.

Siebentes Kapitel: Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in historischer Perspektive

877

Die dritte Stufe In der dritten und letzten Stufe erfolgt die Errichtung einer Europäischen Zentralbank und der Übergang zu einer Europäischen Währungsunion mit unwiderruflich fixierten Wechselkursen. Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs soll bis spätestens Dezember 1996 entscheiden, ob eine Mehrheit der Mitgliedsländer die sogenannten Konvergenzkriterien erfüllt und ob ein Übergang zur dritten Stufe zweckmäßig ist. Die Konvergenzkriterien, die erfüllt sein sollen, sind: 1. Kriterium der Preisniveaustabilität Die Inflationsrate darf im letzten Jahr vor der Prüfung um nicht mehr als anderthalb Prozentpunkte über derjenigen der - höchstens drei - preisniveaustabilsten Länder der Europäischen Union liegen. 2. Kriterium des stabilen Außenwerts (Wechselkurskriterium) Der Wechselkurs muß sich mindestens in den beiden letzten Jahren vor der Prüfung ohne starke Spannungen und ohne Abwertungen innerhalb der normalen Bandbreite des Europäischen Wechselkurssystems gehalten haben. 3. Kriterium der Konvergenz der langfristigen Zinssätze Die langfristigen Zinssätze dürfen im Verlauf des Jahres vor der Prüfung die vergleichbaren Zinssätze in den - höchstens drei - Mitgliedsländern mit den niedrigsten Inflationsraten um nicht mehr als höchstens zwei Prozentpunkte übersteigen. 4. Kriterium einer auf Dauer tragbaren Finanzlage der öffentlichen Hand (doppelte Fiskalkriterien) a. Die Haushaltsdefizite aller Gebietskörperschaften einschließlich Sozialversicherung sollen höchstens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. b. Der Bruttoschuldenstand der öffentlichen Haushalte soll nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Ist bis Ende 1997 kein Zeitpunkt für den Eintritt in die dritte Stufe festgelegt worden, beginnt diese am 1. Januar 1999. Die dritte Stufe kann auch mit nur einem Teil der Mitgliedsstaaten beginnen. Im Entscheidungsverfahren über die Bildung der Währungsunion hat kein Mitgliedsstaat ein Vetorecht. Mit Beginn der dritten Stufe wird die Währungsunion mit unwiderruflich festgelegten Wechselkursen verwirklicht. -

Die Europäische Zentralbank wird errichtet. Das Europäische Währungsinstitut wird aufgelöst.

-

Die Zuständigkeit für die Geldpolitik wird auf das Europäische System der Zentralbanken übertragen, das aus der Europäischen Zentralbank und den nationalen Notenbanken besteht.

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Siebentes Kapitel: Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in historischer Perspektive

-

Die geldpolitischen Entscheidungen werden vom Rat der Europäischen Zentralbanken getroffen. Der Rat besteht aus den nationalen Zentralbankpräsidenten und den sechs Direktoriumsmitgliedern der Europäischen Zentralbank. Die Direktoriumsmitglieder werden vom Europäischen Rat für acht Jahre ernannt. Eine Wiederernennung ist nicht zulässig.

-

Das Recht zur Emission von Banknoten geht faktisch von den nationalen Zentralbanken auf die Europäische Zentralbank über.

-

Die monetäre Finanzierung von Haushaltsdefiziten durch die Europäische Zentralbank ist verboten.

-

Vorrangiges Ziel des Systems der Europäischen Zentralbank ist die Wahrung der Preisniveaustabilität.

-

Die Europäische Zentralbank ist zur Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik verpflichtet.

-

Die Wechselkurskompetenz für die zukünftige Einheitswährung wird nicht der Europäischen Zentralbank, sondern dem EU-Ministerrat zugewiesen.

a.

Nutzen und Gefahren der Währungsunion

Die Beschlüsse zur Schaffung einer Europäischen Währungsunion haben zu einer intensiven Diskussion über deren Vor- und Nachteile, Chancen und Risiken geführt. Die Währungsunion als Inflationsgemeinschaft? In der Bundesrepublik war die Auseinandersetzung über den Vertrag von Maastricht durch die Befürchtung geprägt, die zu schaffende Europäische Einheitswährung werde weniger stabil sein als die DM. Zur Begründung wurde vorgebracht: -

Durch den Maastrichter Vertrag wird nicht hinreichend die persönliche Unabhängigkeit der Mitglieder des europäischen Zentralbankrats gesichert. Die nationalen Zentralbankpräsidenten brauchen nur für fünf Jahre ernannt zu werden und können wiederernannt werden. Sie haben ein persönliches Interesse, sich im Sinne ihrer nationalen Regierungen "wohl" zu verhalten, um ihre Wiederernennung zu erreichen. Der Ausspruch Mitterands, die Europäische Notenbank werde natürlich den Weisungen des Ministerrats folgen, macht deutlich, daß einige Länder versuchen werden, Einfluß auf die Entscheidungen des europäischen Zentralbankrats zu nehmen.

-

Selbst wenn die Mitglieder des europäischen Zentralbankrats politisch unabhängig sind, werden sich doch zahlreiche Mitglieder bei ihren Entscheidungen nach der öffentlichen Meinung in ihren Heimatländern richten, in denen dem Ziel der Preisniveaustabilität häufig geringere Bedeutung zugemessen wird als in der Bundesrepublik.

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-

Da die Wechselkurskompetenz beim Ministerrat liegt, ist es möglich, daß die Europäische Zentralbank durch Beschlüsse des Ministerrats die Kontrolle über die Geldmenge verliert und trotz ihres Auftrags keine auf Preisniveaustabilität gerichtete Politik betreiben kann.

-

Ob sich die Europäische Union zu einer Stabilitätsgemeinschaft entwickeln wird, hängt davon ab, wie die Konvergenzkriterien erfüllt werden. Das besonders wichtige Kriterium der Preisniveaustabilität wurde aber nur relativ formuliert. Die Erfüllung des Kriteriums schließt nicht aus, daß die Inflationsrate in allen beteiligten Ländern hoch ist. Anlaß zu Besorgnis gibt auch, daß die Europäische Kommission das Kriterium offenbar so interpretiert, daß nicht die durchschnittliche Inflationsrate der drei preisstabilsten Länder, sondern das Land mit der drittniedrigsten Inflationsrate den Referenzwert bestimmt.

-

Die Erfüllung der Konvergenzkriterien ist nicht zwingende Vorbedingung für die Mitgliedschaft in der Europäischen Währungsunion. Der Europäische Rat hat nur "unter gebührender Berücksichtigung" der Kriterien mit qualifizierter Mehrheit zu entscheiden, welche Mitgliedsstaaten an der Endstufe teilnehmen können.

Gegen diese die Inflationsgefahren in den Vordergrund stellende Kritik wird geltend gemacht, daß die Statuten für die Europäische Zentralbank sich am Bundesbankgesetz orientieren, in wichtigen Punkten aber noch darüber hinausgehen: -

Die Europäische Zentralbank wird explizit auf das Ziel der Preisstabilität verpflichtet. Das Bundesbankgesetz enthält dagegen nur das Ziel, "die Währung zu sichern".

-

Die Unabhängigkeit der Bundesbank beruht nur auf einem einfachen Bundesgesetz. Bei den Statuten der Europäischen Zentralbank handelt es sich um Teile eines internationalen Vertrages. Vertragsänderungen sind nur möglich, wenn diese Änderungen in allen beteiligten Ländern ratifiziert werden.

-

Durch die zu schaffende Einheitswährung gehen die Nationalstaaten zu einem Geld über, das sie nicht selbst herstellen können. Es entfällt die Versuchung, Geld auszugeben, das man nicht hat, aber schaffen kann. Die Geldpolitik wird deshalb dem Einflußbereich der Politik und der Tarifparteien weitgehend entzogen. Die Europäische Zentralbank kann als supranationale Institution nicht in gleicher Weise wie eine nationale Zentralbank durch die Regierungen unter Druck gesetzt werden.

Steigende Arbeitslosigkeit als Folge der Währungsunion? Als Nachteil der Währungsunion werden auch die Beschäftigungsprobleme angesehen, die sich wegen des Wegfalls des Instruments der Wechselkursanpassung nach Meinung der Kritiker ergeben werden. Wenn bei unterschiedlichen Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität in den Ländern der Währungsunion die Löhne in allen Ländern in gleichem Maße steigen, müsse es zu steigender Arbeitslosigkeit in Ländern mit unterdurchschnittlichem Anstieg der Arbeitsproduktivität kommen. Arbeitslosigkeit werde auch entstehen, wenn Gewerkschaften und Arbeitgeber in zentralen Lohnverhandlungen trotz unterschiedlicher Produktivitätsniveaus eine schrittweise Anpassung an das Lohnniveau der Hochlohnländer beschließen, wie dies nach der

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Siebentes Kapitel: Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in historischer Perspektive

deutsch-deutschen Währungsunion geschah. Beschäftigungsprobleme entstehen auch, wenn sich die Nachfrage von einem Land A in ein Land B verlagert. Stehen bei solchen asymmetrischen Nachfrageschocks Wechselkursänderungen als Instrument nicht zur Verfügung, werden sich bei rigiden Löhnen Unterbeschäftigung und deflationärer Druck in Land A und Inflation und Überbeschäftigung in Land B ergeben. Diese Nachteile der Währungsunion könnten bei rigiden Löhnen nur vermieden werden, wenn die Mobilität des Faktors Arbeit hinreichend groß wäre. Tatsächlich sei jedoch wegen der sprachlichen und kulturellen Barrieren die Mobilität des Faktors Arbeit zwischen den Ländern gering. Dies bedeute, daß die Länder der Europäischen Union kein "optimales Währungsgebiet" seien. Befürworter einer Währungsunion machen geltend, daß die aufgezeigten negativen Beschäftigungswirkungen durch verantwortliche Lohnpolitik vermieden werden können. Flexibilität der Löhne relativ zu anderen Volkswirtschaften könne Wechselkursänderungen als Anpassungsinstrument ersetzen. Eine verantwortliche, an der Arbeitsproduktivität orientierte und auf Nachfrageschocks richtig reagierende Lohnpolitik sei gerade als Folge einer Währungsunion zu erwarten, weil diese die Verantwortung für die Beschäftigung eindeutig den Gewerkschaften und Arbeitgebern zuweise. Es werde nicht mehr möglich sein, bei Fehlern in der Lohnpolitik zu erklären, Wechselkursänderungen würden verhindern, daß die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährdet werde. Keine Gewerkschaft könne hoffen, daß die Europäische Zentralbank ihre Fehler heile. In diesem Sinne schreibt der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Wirtschaft: "In einer Währungsunion ist Geldlohnpolitik immer in dem Bewußtsein zu führen, daß sie Reallohnpolitik ist. Denn die das Niveau der Güterpreise bestimmenden monetären Bedingungen, unter denen die Arbeitskräfte des einzelnen Landes im intra-europäischen Wettbewerb antreten, können nicht länger in Abhängigkeit davon verändert werden, welche Geldlöhne diese (kollektiv) verlangen: Wer die Geldlöhne bestimmt, bestimmt zugleich die Reallöhne und die Beschäftigung." Man bezweifelt auch, ob Wechselkursänderungen ein geeignetes Mittel sind, Fehler in der Lohnpolitik zu korrigieren oder die Wirkungen von Nachfrageschocks auf Volkseinkommen und Beschäftigung zu neutralisieren. Zwar werde bei einer Abwertung die Nachfrage nach Inlandsgütern erhöht, doch werde zugleich wegen der Preissteigerung bei Importgütern und der Lohnsteigerungen das Angebot verringert. Je offener eine Volkswirtschaft sei, um so weniger sei es möglich, den realen Wechselkurs durch eine nominale Abwertung zu ändern. Der Wegfall des Wechselkurses als wirtschaftspolitisches Instrument sei insoweit kein Nachteil. Transaktionskostenersparnis Zu den Vorteilen einer Währungsunion zählen die Ersparnis an Transaktions- und Informationskosten, die sich durch den Wegfall der verschiedenen Währungen ergeben. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat zwischen den direkten und indirekten Ersparnissen unterschieden. Die direkten Ersparnisse beim Währungsumtausch von Noten, Schecks und Überweisungen werden von der Kommission auf 8,2 bis 13,1 Mrd. ECU jährlich geschätzt. Die indirekten Ersparnisse ergeben sich in den Unternehmen durch Vereinfachungen im Rechnungswesen, Erleichterung der Kontroll- und Bewertungsaufgaben und die geringere Haltung fremder Währungen. Sie werden von der Kommission auf 4,9 bis 6,1 Mrd. ECU jährlich geschätzt, so daß die Einsparungen sich insgesamt auf 13 bis 19 Mrd. ECU belaufen.

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881

Die Ersparnisse sind für einen Staat um so größer, j e weniger die eigene Währung international verwendet wird und j e größer der Offenheitsgrad der Volkswirtschaft ist. Bei kleinen Ländern wie Belgien oder Dänemark machen die Ersparnisse bis zu 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. In den größeren Ländern Frankreich und Deutschland belaufen sie sich dagegen nur auf 0,1 - 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Vorteile durch Wegfall des Wechselkursrisikos Mögliche Vorteile einer Währungsunion sind eine Intensivierung des internationalen Handels, steigende Auslandsinvestitionen und eine Stimulierung des Wachstums als Folge des Wegfalls des Wechselkursrisikos. Ob der internationale Handel intensiviert wird, ist jedoch zweifelhaft, weil die Unternehmen auch bei flexiblen Wechselkursen viele Möglichkeiten haben, das Wechselkursrisiko abzusichern. Außerdem ergeben sich bei schwankenden Wechselkursen nicht nur Verlustrisiken, sondern auch Gewinnchancen. Empirisch scheint die Frage, wie sich die Ausschaltung von Wechselkursrisiken auf den internationalen Handel auswirkt, nicht eindeutig zu beantworten zu sein. Langfristige Auslandsinvestitionen lassen sich nur unzureichend gegen Wechselkursänderungen absichern. Durch eine Währungsunion können diese Risiken eliminiert werden. Doch gilt auch in bezug auf langfristige Auslandsinvestitionen, daß reale Wechselkursschwankungen nicht nur Verlustrisiken, sondern auch Gewinnchancen bieten. Auslandsinvestitionen erfolgen bei schwankenden Kursen gerade auch deshalb, weil so in den Absatzländern das reale Wechselkursrisiko ausgeschaltet werden kann. Empirisch läßt sich auch in bezug auf Auslandsinvestitionen kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Höhe der Auslandsinvestitionen und dem Wechselkursrisiko feststellen. Uberwiegen die Nachteile? Versucht man, aus rein ökonomischer Sicht für die Bundesrepublik Vor- und Nachteile abzuwägen, so scheint es fraglich, ob die Vorteile die Nachteile und Risiken überwiegen. Allerdings darf man bei einem Gesamturteil nicht die negativen Aspekte alternativer Lösungen außer acht lassen. Die Alternative zur Währungsunion ist keineswegs ein friktionsfreies Festkurssystem. Ein System fester, aber anpassungsfähiger Wechselkurse als reale Alternative leidet an einem Mangel an Glaubwürdigkeit. Dieser Mangel an Glaubwürdigkeit führt, wie die Erfahrungen mit dem Bretton-WoodsSystem und mit dem EWS-System gezeigt haben, von Zeit zu Zeit zu krisenhaften Zuspitzungen, die die Existenz dieser Systeme in Frage stellen. Systeme flexibler Wechselkurse sind, wie die Erfahrungen zeigen, vor spekulativen Übersteigerungen nicht gefeit, die zu einer Bedrohung des freien Handels werden können. Selbst wenn die ökonomischen Vorteile zweifelhaft sind, fragt es sich, ob es für die Bundesrepublik politisch vertretbar wäre, die Währungsunion scheitern zu lassen. Ein Scheitern könnte einen "Rückschritt in längst überwunden geglaubte politische Konflikte bedeuten" (Tietmeyer). Richtig ist jedoch auch, daß die angestrebten positiven politischen Wirkungen auf lange Sicht nur eintreten, wenn das ökonomische Fundament tragfähig ist. Das tragfähige Fundament soll durch Erfüllung der Konvergenzkriterien errichtet werden.

882

b.

S i e b e n t e s K a p i t e l : Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in h i s t o r i s c h e r P e r s p e k t i v e

Der Stand der Konvergenz im Lichte der Konvergenzkriterien

Tabelle 5 zeigt, daß 1995 nur ein einziges Land, nämlich Luxemburg alle Konvergenzkriterien erfüllt hat. Nur drei Länder, Dänemark, Irland und Luxemburg erfüllten das fiskalpolitische Defizitkriterium, wonach der Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte höchstens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen darf. Das Schuldenstandskriterium, das besagt, daß der Bruttoschuldenstand nicht mehr als sechzig Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen darf, wurde 1995 nur von vier Ländern, nämlich Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Luxemburg erfüllt.

Tabelle 5: Stand des Konvergenzfortschritts im Jahre 1995 Rendite langfristiger öffentlicher Anleihen in %

Finanzierungssaldo der öffentl. Haushalte in % des BIP

Bruttoschuldenstand der öffentl. Haushalte in % des BIP

Land

Inflationsrate in % (1995 gegenüber Vorjähr) 1

Belgien Dänemark Deutschland Finnland Frankreich Griechenland Großbritannien Irland Italien Luxemburg Niederlande Österreich Portugal Schweden Spanien

1,4 2,3 1,6 1,0 1,7 9,0 3,0 2,4 5,4 1,9 1,1 2,0 3,0 2,9 4,7

7,5 8,3 6,9 8,8 7,5 17,3 8,3 8,3 12,2 7,6 6,9 7,1 11,4 10,2 11,3

-4,5 - 2,0 -3,5 -5,4 -5,0 -9,3 -5,1 - 2,7 -7,4 + 0,4 -3,1 - 5,5 -5,4 - 7,0 -5,9

134,4 73,6 58,1 63,2 51,5 114,4 52,5 85,9 124,9 6,3 78,4 68,0 70,5 81,4 64,8

Schwellenwert 2

2,7

9,7

-3,0

60,0

1 2

Teilharmonisierter Index. D i e a n g e g e b e n e n S c h w e l l e n w e r t e f ü r die I n f l a t i o n s r a t e u n d die R e n d i t e b e z i e h e n s i c h j e w e i l s auf d e n u n g e w o g e n e n D u r c h s c h n i t t d e r drei preisstabilsten L ä n d e r als R e f e r e n z g r ö ß e . Q u e l l e : D e u t s c h e B u n d e s b a n k , G e s c h ä f t s b e r i c h t 1995, S. 101

Die Schuldenstandsquote hat sich in den meisten Ländern sogar erhöht. Die große Mehrheit der L ä n d e r der Europäischen Union hat also 1995 die beiden Fiskalkriterien nicht erfüllt. Die Konvergenzkriterien und ihre Erfüllung sollen im folgenden genauer beschrieben werden.

S i e b e n t e s Kapitel: Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in historischer Perspektive

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Das Kriterium der Preisniveaustabilität Nach dem Kriterium der Preisniveaustabilität darf die Inflationsrate eines Landes im letzten Jahr vor der Prüfung um nicht mehr als anderthalb Prozentpunkte über derjenigen der - höchsten drei - preisstabilsten Länder liegen. Das Kriterium soll sicherstellen, daß die tatsächlichen Inflationsraten der Teilnahmeländer niedrig sind und die Inflationserwartungen bereits bei Beginn der Tätigkeit der Europäischen Zentralbank so gering sind, daß die Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft beginnen kann. Das Kriterium ist nur relativ definiert und läßt außerdem verschiedene Auslegungen zu. In der Vergangenheit sind allerdings in der EU beachtliche Fortschritte in der Inflationsbekämpfung erzielt worden. Das Kriterium der Preisniveaustabilität wurde 1995 von neun der fünfzehn Mitgliedsländer der Europäischen Union erfüllt. In Tabelle 5 wurde der ungewogene Durchschnitt der drei preisstabilsten Länder als Referenzbasis benutzt, aus der sich nach Addition der 1,5 Prozentpunkte der angegebene Schwellenwert von 2,7 Prozent ergibt. Die Angaben über die Inflationsraten in den einzelnen Ländern beruhen auf sogenannten teilharmonisierten Verbraucherpreisindices. Diese Indizes schließen einige der bisher in den einzelnen Ländern unterschiedlich behandelten Bereiche des privaten Verbrauchs aus. Dazu zählen zum Beispiel der eigengenutzte Wohnraum und die Ausgaben für Gesundheit. Die Vergleichbarkeit der Indizes zwischen den einzelnen Ländern soll durch die Verwendung dieser teilharmonisierten Indizes verbessert werden. Für die meisten Länder (nicht für alle) ergeben sich niedrigere Inflationsraten als bei der Verwendung herkömmlicher Indizes. Das Wechselkurskriterium Das Kriterium des stabilen Außenwerts (Wechselkurskriterium) wird erfüllt, wenn der Wechselkurs sich in den zwei Jahren vor dem Prüfungstermin ohne starke Spannungen innerhalb der normalen Bandbreiten bewegt hat. Die Währung darf in dieser Zeit nicht abgewertet worden sein, und das Land muß am Wechselkursmechanismus teilgenommen haben. Das Kriterium ist ein allgemeiner Indikator, der anzeigt, in welchem Maße monetäre und fiskalpolitische Konvergenz erreicht worden ist. Es ist allerdings unklar, was nach der Erweiterung der Bandbreite auf ± 15 Prozent als normale Bandbreite anzusehen ist. Die zur Zeit geltende Bandbreite von ± 15 Prozent kann kaum als Maßstab herangezogen werden. Bezieht man sich auf die ursprüngliche Bandbreite von ±2,25 Prozent, die Geschäftsgrundlage beim Abschluß des Vertrags von Maastricht war, so haben 1995 zahlreiche Länder das Kriterium nicht erfüllt. Der französische Franc bewegte sich zum Beispiel 1995 überwiegend außerhalb der ursprünglichen Bandbreite von 2,25 Prozent. Das Kriterium der Konvergenz der langfristigen Zinssätze Das Kriterium der Konvergenz der langfristigen Zinssätze besagt, daß die langfristigen Zinssätze eines Landes im Verlauf des Jahres vor der Prüfung die vergleichbaren Zinssätze in jenen - höchsten drei - Mitgliedsstaaten mit den niedrigsten Inflationsraten um nicht mehr als höchsten zwei Prozentpunkte übersteigen dürfen. Das Kriterium ist ebenso wie das der Preisniveaustabilität relativ formuliert. Der Referenzwert wird nach dem Vertrag aber nicht aus den Zinssätzen der Staaten mit den niedrigsten Zinsen, sondern der Staaten mit den niedrigsten Inflationsraten abgeleitet! Das brauchen nicht

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S i e b e n t e s K a p i t e l : Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in h i s t o r i s c h e r P e r s p e k t i v e

die gleichen Länder zu sein. S o hatte zum Beispiel 1995 Finnland die niedrigste Inflationsrate, doch war der langfristige Zinssatz in Finnland mit 8,8 Prozent höher als in der Mehrzahl der Mitgliedsländer der Europäischen Union. Andererseits hatte Deutschland 1995 (zusammen mit den Niederlanden) die niedrigsten langfristigen Zinssätze, doch war Deutschland nicht eines der drei Länder mit den niedrigsten Inflationsraten. In den Differenzen der langfristigen Zinssätze schlagen sich die Risikozuschläge nieder, mit der die Finanzmärkte die jeweilige nationale Stabilitätspolitik bewerten. Diese Differenzen sind ein Indikator, der anzeigt, in welchem Maße eine auf Preisniveaustabilität und Vermeidung übermäßiger Haushaltsdefizite gerichtete Politik von den Märkten erwartet wird. In Tabelle 5 ergibt sich der Schwellenwert von 9,7 Prozent aus einem Referenzwert, der als ungewogener Durchschnitt aus den langfristigen Zinssätzen der drei Länder mt den niedrigsten Inflationsraten gebildet wurde. Das Kriterium wurde 1995 nur von Griechenland, Italien, Portugal, Schweden und Spanien nicht erfüllt. Die finanzpolitischen Kriterien Besonders umstritten ist das Kriterium einer auf D a u e r t r a g b a r e n Finanzlage d e r öffentlichen H a n d . Als Beitrittskriterium besteht es aus dem Defizitkriterium und dem Schuldenstandskriterium. Das Defizitkriterium besagt, daß die Nettoneuverschuldung aller Gebietskörperschaften einschließlich der Sozialversicherung höchsten drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen darf. Nach dem Schuldenstandskriterium soll der Bruttoschuldenstand nicht mehr als 6 0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Das doppelte Fiskalkriterium wird damit begründet, daß es nicht genüge, allein auf die Defizitquote abzustellen. Dieses Kriterium könnte kurzfristig erfüllt werden, indem etwa durch Privatisierung von Staatsvermögen das Defizit vorübergehend unter drei Prozent gesenkt wird, obwohl keine langfristig tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand erreicht wird. Durch die Kriterien soll verhindert werden, daß Länder mit hohen Defiziten und hohem Schuldenstand der Währungsunion beitreten, die ein Interesse daran haben, Druck auf die Europäische Zentralbank auszuüben, damit diese eine mit dem Ziel der Preisniveaustabilität nicht vereinbare expansive Geldpolitik betreibt. Die Länder mit hohen Defiziten und hohem Schuldenstand mögen hoffen, daß ein nicht erwarteter Anstieg der Inflationsrate zu sinkenden realen Zinsen führt, die Entlastungen beim Schuldenstand bringen. Der Vertrag von Maastricht läßt bei dem Defizitkriterium und dem Schuldenstandskriterium A u s n a h m e n zu. Ein Haushaltsdefizit kann als nicht übermäßig bewertet werden, wenn die Defizitquote erheblich reduziert worden ist und einen Wert in der Nähe des Schwellenwerts von 3 Prozent erreicht. Ein Defizit kann auch dann akzeptiert werden, wenn die Defizitquote nur ausnahmsweise und vorübergehend die Grenze von drei Prozent überschreitet und in der Nähe des Wertes bleibt. Das Schuldenstandskriterium kann auch bei einem Schuldenstand von mehr als 6 0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als nicht verletzt bewertet werden, wenn die Schuldenstandsquote hinreichend rückläufig ist und sich der Grenze von 6 0 Prozent nähert. Die Europäische Kommission hat also bei der von ihr vorzunehmenden Beurteilung und bei ihrer Empfehlung einen Ermessensspielraum bei der Frage, ob und welche Länder die Fiskalkriterien hinreichend erfüllen. Die Entscheidung, welche Länder die

Siebentes Kapitel: Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in historischer Perspektive

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Fiskalkriterien erfüllen, trifft der Europäische Rat mit qualifizierter Mehrheit auf der Basis eines Berichts und einer Empfehlung der Kommission. Der Rat ist jedoch nicht an diese Empfehlung gebunden. Über Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Sinn der im Maastrichter Vertrag verankerten Fiskalkriterien wird eine kontroverse Diskussion geführt. Während die Bundesbank, der Sachverständigenrat und die deutschen Politiker, die sich zu dieser Frage äußern, die Fiskalkriterien befürworten und eine strikte Einhaltung fordern (wobei nicht klar ist, was dies angesichts des Wortlauts des Vertrages bedeutet), halten andere die beiden Fiskalkriterien für ökonomisch fragwürdig oder schlagen vor, zumindest das Schuldenstandskriterium zu relativieren oder zu vernachlässigen, wie das die Arbeitsgemeinschaft der deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute in einer gemeinsamen Stellungnahme getan hat. Vor allem gegen das Schuldenstandskriterium wird eingewandt, es sei fragwürdig, sinnwidrig oder willkürlich, -

weil es keinen vernünftigen Grund gebe, die erlaubte Schuldenstandsquote auf 60 Prozent statt auf 50 oder 70 Prozent festzulegen,

-

weil es unter Umständen Länder beitreten lasse, die es mit ihrer Geldpolitik dem Staat ermöglicht haben, seine Schulden zu Lasten der Gläubiger durch Inflation zu entwerten, während anderen Ländern, die eine solide Geldpolitik betrieben haben, die Mitgliedschaft verweigert werde,

-

weil das Kriterium die Bruttoschulden, nicht aber die diesen Schulden gegenüberstehenden Aktiva erfasse. Eine Kreditfinanzierung öffentlicher Investitionen sei jedoch anders zu beurteilen als eine Verschuldung zugunsten des öffentlichen Konsums,

-

weil in den Bruttoschulden die nicht offen ausgewiesenen Schulden in Form der in Zukunft zu zahlenden Pensionen oder Renten nicht erfaßt werden, die in vielen Ländern höher sind als die offen ausgewiesenen öffentlichen Schulden,

-

weil nicht berücksichtigt werde, daß die zukünftigen steuerlichen Lasten, die mit dem Schuldendienst verbunden sind, um so leichter zu tragen sein werden, je niedriger die gegenwärtige Steuerlastquote ist,

-

weil man der Gefahr, daß Länder mit hohem Schuldenstand für eine inflationäre Geldpolitik eintreten, begegnen könne, indem diesen Ländern kein Stimmrecht bei geldpolitischen Entscheidungen eingeräumt werde,

-

weil relativ hohe Haushaltsdefizite, die zu einem hohen Schuldenstand geführt haben, nur angemessen beurteilt werden könnten, wenn man die private Sparquote in die Beurteilung einbeziehe. Wenn zum Beispiel bei einer hohen privaten Sparquote trotz hoher Haushaltsdefizite die gesamtwirtschaftliche Sparquote wie in Belgien im Vergleich zu anderen Ländern hoch sei, die Sparquote überdies die Investitionsquote übersteige, so daß seit 1985 hohe und im Zeitablauf steigende

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Leistungsbilanzüberschüsse erzielt worden seien, Kapital also exportiert wurde, wäre es ökonomisch vernünftig, nicht nur das Schuldenstandskriterium sondern auch das Defizitkriterium zu relativieren. Das Defizitkriterium wurde, wie schon erwähnt, 1995 nur von Dänemark, Irland und Luxemburg erfüllt. Nur zwei Länder, nämlich die Niederlande (3,1 Prozent) und Deutschland (3,5 Prozent) verfehlten die Schwelle von drei Prozent nur knapp. Mit Ausnahme Belgiens (4,5 Prozent) belief sich die Defizitquote in allen anderen Ländern auf fünf Prozent oder mehr als fünf Prozent, obwohl zwölf der fünfzehn Länder der Europäischen Union ihre Defizitquote gegenüber dem Vorjahr verringern konnten. Es ist möglich, daß bei günstiger konjunktureller Entwicklung außer Luxemburg und Irland auch die Niederlande, Deutschland, Belgien, Frankreich und Österreich, die häufig als potentielle Mitgliedsländer der Währungsunion genannt werden, das Defizitkriterium erfüllen. Das Schuldenstandskriterium wurde 1995 nur von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Luxemburg erfüllt. In der Mehrzahl der Länder hat sich 1995 die Schuldenstandsquote erhöht, so daß sich diese Länder noch weiter von der 60-Prozent-Marke entfernt haben. Fiskalpolitik nach Bildung der Währungsunion Während die Kompetenzen für die Geld- und Währungspolitik in der Währungsunion auf die Europäische Zentralbank (EZB) übergehen, bleiben die einzelnen Mitgliedsländer für die Finanzpolitik zuständig. Deshalb gilt die allgemeine Erfordernis einer auf Dauer tragbaren Finanzlage der öffentlichen Hand für die Mitgliedsländer auch nach Schaffung der Währungsunion. Die Länder, die an der Währungsunion teilnehmen, sind verpflichtet, übermäßige Haushaltsdefizite zu vermeiden. In diesem Sinne ist das allgemeine Kriterium einer nachhaltig tragbaren Finanzlage der öffentlichen Hand nicht nur ein Beitritts- sondern auch ein Dauerkriterium. Der Rat kann von Ländern mit zu hohen Haushaltsdefiziten verlangen, innerhalb einer bestimmten Frist Maßnahmen zum Abbau des Defizits zu ergreifen. Er kann unter anderem verlangen, daß diese Länder eine unverzinsliche Einlage hinterlegen und er kann Geldbußen verhängen. Dabei handelt es sich um Kann-Bestimmungen. Wann ein übermäßig hohes Haushaltsdefizit vorliegt, ist nicht präzisiert worden. Sanktionen können erst nach einer langwierigen und wenig erfolgversprechenden Prozedur verhängt werden. Der deutsche Bundesfinanzminister hat deshalb im November 1995 vorgeschlagen, die finanzpolitischen Kriterien zu präzisieren und Sanktionen operationaler zu machen. Er schlägt unter anderem vor, daß ein Haushaltsdefizit von drei Prozent auch in konjunkturell ungünstigen Lagen nicht überschritten werden soll. Bei Uberschreiten der Defizitgrenze soll für jeden angefangenen Prozentpunkt eine Einlage bei der Gemeinschaft in Höhe von 0,25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinterlegt werden, die in eine Geldbuße umgewandelt werden soll, wenn das Defizitkriterium auch in den beiden folgenden Jahren nicht erfüllt wird. c.

Der Übergang zur einheitlichen europäischen Währung

Der Europäische Rat hat im Dezember 1995 beschlossen, die künftige europäische Währung Euro zu nennen. Die Währungsunion soll mit jenen Ländern, die ein aus-

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reichendes Maß an Konvergenz aufweisen, Anfang 1999 beginnen. 1 Ein Übergangsscenarium gliedert den Zeitraum bis zur vollständigen Ablösung der nationalen Währungen in drei Zeitabschnitte. -

Die sogenannte Interimsperiode beginnt mit der Auswahl der Länder, die an der Währungsunion teilnehmen. Die Entscheidung trifft der Europäische Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs möglichst früh im Jahre 1998 auf der Grundlage der volkswirtschaftlichen Daten für das Jahr 1997 mit qualifizierter Mehrheit. In dieser Interimsperiode von etwa einem Jahr sollen die Europäische Zentralbank (EZB) und das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) errichtet werden. Das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) besteht aus der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken der Teilnehmerländer. Nach dem Vertrag von Maastricht kann auch die endgültige Entscheidung über das notenbankpolitische Instrumentarium erst von dem in dieser Interimsperiode errichteten Europäischen System der Zentralbanken getroffen werden. Der Rat des Europäischen Währungsinstituts (EWI-Rat) hat sich aber bereits darauf verständigt, daß eine überwiegend auf Pensionsgeschäfte gestützte Offenmarktpolitik das zentrale geldpolitische Instrument sein soll. Die Mindestreservepolitik soll eingesetzt werden, um kurzfristige Zinsschwankungen am Geldmarkt zu glätten. Ob die Geldmenge Zwischenziel der Geldpolitik sein soll oder ob die Geldpolitik unmittelbar Preisniveauziele ansteuern soll, ist noch umstritten.

-

In einem zweiten Abschnitt, der am 1. Januar 1999 beginnt (Stufe 3a), werden die Umrechnungskurse unwiderruflich festgesetzt. Der offizielle ECU soll 1:1 auf den Euro umgestellt werden. Die Verantwortung für die Geldpolitik geht auf das Europäische System der Zentralbanken über. Die Europäische Zentralbank wird ihre geld- und währungspolitischen Maßnahmen schon in dieser Phase (Stufe 3a) in Euro durchführen. Börsennotierte Neuemissionen der öffentlichen Hand, die erst nach der Übergangsperiode fällig werden, sollen auf Euro lauten. Die bereits umlaufenden Schuldverschreibungen der öffentlichen Hand, sollen spätestens am 1. Juli 2002 auf Euro umgestellt werden.

-

Der dritte Abschnitt beginnt spätestens am 1. Januar 2002. In diesem höchstens sechs Monate dauernden Abschnitt werden die auf Euro lautenden Banknoten und Münzen ausgegeben. Die nationalen Münzen und Noten werden aus dem Verkehr gezogen und sind keine gesetzlichen Zahlungsmittel mehr. Der Übergang zur Euro-Währung ist damit vollendet.

Es spricht alles dafür, daß nicht alle Länder der EU an der Europäischen Währungsunion teilnehmen werden. 2 Die Währungsunion wird aber zweifellos nicht ohne Deutschland realisiert werden. Deutschland wird also mit der Währungsunion die D-Mark verlieren, die sich als eine der großen Währungen der Welt etabliert hat und

1

D e r im V e r t r a g von M a a s t r i c h t e b e n f a l l s v o r g e s e h e n e f r ü h e r e T e r m i n kann nicht m e h r realisiert werden.

2

D a m i t wird d i e F r a g e a u f g e w o r f e n , wie die W ä h r u n g s b e z i e h u n g e n zu d e n L ä n d e r n der E U gestaltet w e r d e n sollen, die an d e r W ä h r u n g s u n i o n nicht t e i l n e h m e n . Z u r Zeit w i r d die E r r i c h t u n g e i n e s n e u e n E u r o p ä i s c h e n W e c h s e l k u r s s y s t e m s ( E W S II) diskutiert, d a s e i n e B r ü c k e n f u n k t i o n z w i s c h e n d e r E u r o p ä i s c h e n W ä h u n g s u n i o n u n d den a n d e r e n L ä n d e r n d e r E U h a b e n soll. D i e B u n d e s b a n k b e f ü r w o r t e t ein L e i t k u r s s y s t e m mit breiten S c h w a n k u n g s m a r g e n .

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über einen Zeitraum von fünfzig Jahren zum Symbol der Stabilität in der Welt geworden ist. Die Deutsche Bundesbank genießt als Hort einer unbeirrt auf Preisniveaustabilität gerichteten Politik eine einzigartige Reputation. Die Europäische Zentralbank wird selbst bei konsequenter Stabilitätspolitik erst im Laufe der Zeit eine vergleichbare Reputation erlangen können. Der Euro wird sich an der D-Mark messen lassen müssen. Man kann nur hoffen, daß er diesen Test besteht. Literatur zum siebten Kapitel des dritten Teils Norbert Berthold, Monetäre Integration in Europa, Köln 1990. Peter Bofinger (Hrsg.), Der Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion in Europa, Wiesbaden 1990. Peter Bofinger, Stephan Collignon, Ernst-Moritz Lipp (Hrsg.), Währungsunion oder Währungschaos? Wiesbaden 1993. Richard Cooper, The International Monetary System, Cambridge 1987, S. 1-141. Deutsche Bundesbank, Die erste Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, Monatsbericht, Juli 1990, S. 30-39. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme der Deutschen Bundesbank zur Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion in Europa, Monatsbericht, Oktober 1990, S. 41-45. Deutsche Bundesbank, Die Beschlüsse von Maastricht zur Europäischen Wirtschaftsund Währungsunion, Monatsbericht, Februar 1992, S. 45-54. Deutsche Bundesbank, Zur Weitergeltung der D-Mark und ihrer späteren Ablösung durch eine europäische Einheitswährung, Monatsbericht, Februar 1992, S. 55-56. Deutsche Bundesbank, Szenarium für den Übergang auf die einheitlich europäische Währung, Monatsbericht, Januar 1996, S. 55-63. Gustav Dieckheuer, 369-439.

Internationale Wirtschaftsbeziehungen, München

1990, S.

Paul de Grauwe, The Economics of Monetary Integration, 2. Auflage, Oxford 1994. Hans-Joachim Jarchow, Peter Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft, II. Internationale Währungspolitik, 3. Auflage, Göttingen 1993, S. 233-333. Keith Pilbeam, International Finance, Houndsmills 1992, S. 281-310 und S. 357-396. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1995/96, S. 246-259. Horst Siebert, Außenwirtschaft, 6. Auflage, Stuttgart 1994, S. 374-393.

Siebentes Kapitel: Internationale W ä h r u n g s s y s t e m e in historischer Perspektive

889

Paul J. Weifens (Hrsg.), European Monetary Integration, 2. Auflage, Berlin 1994. Manfred Wilms, Internationale Währungspolitik, 2. Auflage, München 1995, S. 151-259.

Namensverzeichnis

Ackley, G. 4 8 9 Adebahr. H. 793 Alchian, A.A. 12, 161 Allen, W. 6 5 0 Allen. W. P. 12 American Bureau of Lahour Statistics 393 Ando. A. 570 Aristoteles 134. 335 Auerbach. A. J. 427. 576, 632 Barr« 657. 6591T. Barr«, R. 1. 662 Baßeier. U. 461 Baumol. W. J. 77, 94, 122, 288 Becker. B. 3 Beethoven, L. van 7 Bender. D. 715, 856 Benjamin. D. 4 0 9 Berg. H. 753 Bernheim. B. D. 662 Berthold. N. 427. 888 Blankart. C. B. 662 Blinder. A. S. 77, 288 B l ü m l c . G . 517 B ö h m - B a w e r k . E. von 335 Böventer. E. von 217 Böfingen P. 888 Borchert. M. 461. 715. 753 Branson. W. H. 856 Browning. E. K. 217. 339 Browning. J. M. 217. 339 BrümmerholT. D. .385, 777 Brumberg. R. 5 7 0 Brunner. K. J. 596 Buchanan. J. M. 151 Bundesanstalt für Arbeit 393 Bundesbank 41 1 Burda. M. 613 McCallum. B. T. 461 McCandless. G. T. jr. 4 8 9 Carbaugh. R. J. 715, 753. 827 Cassel. D. 385. 428 Cassel. G. 831 Caves. R. E. 715. 753 C e / a n n e . W. 4 2 8 . 4 6 1 . 517, 576, 6 1 3 , 7 1 5 Churchill. W. 862 Clausen. E. M. 517, 5 7 6

Coase, R. H. 151, 161 Collignon, S. 888 Cooper, R. N. 666, 888 Copeland, L. S. 856 Cournot, A. A. 222, 247, 249, 713, 735fT. Cuthbertson, K. 632 D a w s o n , G. 427 Delors, J. 876 Demsetz, H. 161 Deutsche Bundesbank 4 6 1 , 7 6 3 , 7 7 0 , 7 7 7 , 786, 856, 882, 888 Dickertmann, D. 461 Dieckheuer, G. 427, 517, 576, 613, 716, 753, 777, 793, 827, 856, 888 Dornbusch, R. 461, 517, 576f\, 613, 632, 662, 847, 856 Duesenberry, J. S. 565, 5 7 6 D u w e n d a g , D. 662 Eckert, R. D. 151, 217, 288 Engel, E. 117 Engels, W. 3 2 1 . 3 4 0 Eisner, R. 662 Ethier, W. J. 716, 753 Fehn, R. 427 Felderer, B . 4 8 9 , 517, 6 1 3 Fender, J. 4 2 8 Fischer. S. 461. 517, 5 7 6 f „ 613, 632, 662 Fisher, I. 420, 455 Fisher, J. 324 Fourastie, J. 363 Franke, J. 77. 122, 339 Frankel, J . A . 7 1 5 , 7 5 3 Franz, W. 427, 613 Frenkel, M. 3 8 5 , 7 7 7 Friedman, M. 12. 217. 568, 576, 596t'„

601. 603, 624. 629r„ 632 Friedman, R. D. 12 Froyen, R. T. 489 F u h r m a n n , W. 461. 577 Gärtner, M. 856 G a n d e n b e r g e r , O. 662 Gerfin, H. 122 Glismann, H. H. 753 G o e t h e . J . W . von 7 G o r d o n , R. J. 517, 577, 613 Gossen, H. H. 45, 94

Namensverzeichnis

Gral'. S. 3 d e G r a u w e . P. 8 5 6 . 8 8 8 G r e e n a w a y . D. 8 6 6 Gregory. M. 490. 613 H a a v e l m o . T. 513 Haherler. G. 586 H a g e m a n n . H. 6 1 3 H a m i l t o n . A. 741 Hardin. G. 277. 278 H a s l i n g e r . F. 3 8 5 H a y e k . F. A. von 3 3 H e e k s c h e r . E. 6 9 9 H e i m a n n . P. 122 H e i n e m a n n , F. 6 6 2 H e i n r i c h . J. 4 2 8 H e r b e r g , H. 2 8 8 Hermann. F.B.W, von I H e s s e . H. 4 2 6 H e u h e s . J. 4 2 8 . 5 7 6 f . H i r s h l e i f e r . J. 122. 3 4 0 H o b b e s . T. 2 7 6 . 2 7 7 H o m b u r g . S. 4 8 9 , 5 1 7 , 6 1 3 H o n e c k e r . E. 15 H o r n . E. J. 7 5 3 H u m c . D. 8 6 0 H u s t e d . S. 7 1 6 I L O 3 8 8 . 391 I M F 8301'.. 8 3 6 . 8 6 7 f . I n f o r m a t i o n s d i e n s t d e s Instituts der d e u t schen Wirtschaft 4 1 0 Infratest 390 Institut f ü r D e m o s k o p i e A l l e n s b a c h 3 9 0 f f . Internationale Arbeitsorganisation (ILO) 388 Issing.O. 428. 4 6 1 . 6 3 2 IWD781 J a c k m a n . R. 4 2 8 J a r c h o w . H. J. 4 6 1 . 7 7 8 , 8 2 7 , 8 5 6 , 8 6 1 ,

888 J e v o n s . W . S. 195 J o h n . K. D. 3 8 5 , 7 7 7 J o n e s . R. W . 7 1 5 , 7 5 3 Juglar. C. 492 Juster. T. 384 K a g e l . M . 21 R a t h . D. 461 Katz. L. F. 4 0 9 K e l l e n b e n z . H. 11 K e n e n . P. B. 716. 7 5 3 K e y n e s . J. M . 3 1 7 , 3 2 3 . 4 0 1 , 4 1 2 , 4 6 0 ,

891

463.492,543,618, 861,863 Kitterer, W . 6 6 3 Koch, W. 428 K o c h i n L. 4 0 9 K o t l i k o f f , L. J. 4 2 7 , 5 7 6 , 6 3 2 K r e i n i n , M . E. 7 1 6 , 7 5 3 Krelle, W . 5 7 7 K r o m p h a r d t . J. 4 2 8 K r u g m a n n , P. R. 6 6 6 f „ 7 1 6 , 7 5 3 . 8 5 6 , 8 6 1 , 866, 869 K u z n e t s . S. 5 6 5 K y d l a n d , F. E. 6 3 2 L a r r a i n , F. B. 4 2 8 , 6 3 3 L a s s a l l e , F. 311 L a y a r d , R. 4 2 8 Layard, P.R.G. 218. 343 L e f t w i c h , R. H. 151, 2 1 7 , 2 8 8 , 3 4 3 L e i b e n s t e i n , H. 2 2 6 Leontief, W. W. 700 L e r n e r , A. P. 2 2 4 L e v a c i c . R. 6 3 3 Lincoln, A. 690 L i n d b e c k , A. 4 2 8 L i p p , E. M . 8 8 8 List, F. 7 4 1 L u c a s . R. E. 6 0 4 , 6 2 5 M a l t h u s , T . R. 2, 4 , 3 1 1 Mankiw. N. G. 428. 489. 517, 576f.. 613. 633, 663 M a r c e t . J. H. 2 7 6 M a r i n . A. 6 1 3 , 6 3 3 M a r s h a l l , A . 195 M a r x . K. 11, 3 3 5 M e a d e J. E. 2 2 7 Melvin, M. 716 M e y e r . B. D. 4 0 9 M i l l . J . S . 2 , 4 6 3 , 741 M i l l e r . R. L. 2 2 8 Milner, C. 866 M i t t e r a n d , F. 8 7 8 M o d i g l i a n i , F. 5 7 0 , 5 7 6 M ü l l e r , H. 3 8 5 Mulvey, C. 428 M u s c a t e l l i , V. 4 9 0 , 6 1 3 N a s h , J. C . 7 3 5 N e h r i n g , S. 7 5 3 N i c k e l ! , S. 4 2 8 / N i x o n , R. 8 6 4 N o n o , L. 21 N o r d h a u s , W . D. 33, 77, 2 1 7 , 2 8 8 , 3 3 9 ,

K92

Namensverzeichnis

383 Obstfeld, M. 716, 753, 856, 866 O E C D 384, 389. 393f.. 428, 646 Officer. L. 856 Ohlin. B. 699 O P E C 866 Ott. A. E. 161 Pützold. J. 633 Patzig. W. 517 Pigou. A. C. 230, 463. 586, 588 Pilbeam. K. 793, 827, 856, 888 Phillips. A. W. 6 0 0 Pohl. R. 428 Pl atten. C. 12 Prescott. E. C. 632 R e b m a n . A. 633 Reed. G. 716. 753, 827 Recktenwald. H. C. 10 Ricardo. D. 2 , 3 0 3 , 4 6 3 , 4 6 5 , 6 3 5 , 6 5 7 . 6 7 7 Rock. J. M. 663 Romer. D. 613 Rose. K. 7 1 6 . 7 5 3 . 7 7 8 , 7 9 3 , 8 1 3 , 8 2 7 , 8 5 4 , 856 Rodbertus, K. 335 Robertson. D. H. 155 R ü hmann. P. 778. 827, 856, 861. 888 Ruffin. R. J. 77. 122 Sachs. J. D. 428, 633 Sachverständigenrat 410, 647, 829ff., 836. 888 Samuelson, P. A. 1 0 , 3 3 , 7 7 , 2 1 7 , 2 8 8 , 3 3 9 ,

600 Sauernheimer. K. 7 1 6 . 7 5 3 , 7 7 8 , 7 9 3 , 8 1 3 , 827. 854. 856 Saw ver. J. A. 489. 633 S a y J . B. 2 Scherer. F. M. 288 Schulze. H. 427 Schumann. J. 161, 217. 288, 339 Schumpeter. J. A. 259 Siebert. H. 716. 753. 827. 857, 888 Siebke. J. 461. 518 Siedenberg. A. 461 Slichter. S. H. 14 Smith. A. 2. 6. 10. 11. 1251T.. 153. 299, 463. 635 Smithies. A. 5 6 6 S ö d e r s t e n . B . 7 1 6 , 7 5 3 . 827 Solow. R. 6 0 0 Statisches Bundesamt 3 6 2 f „ 372f„ 375f„

380, 385 Statistisches Amt der EU 393 Stein, L. von 635 Stevenson, A. 490, 613 Stobbe, A. 385 Stresemann, G. 426f. Ströbele, W. 428 S u m m e r s , L. H. 4 0 4 Taylor, M. P. 632 T h i e m e , H. J . 5 1 8 T h o m p s o n , J. L. 613 T h r u p p , S. L. 11 Tietmeyer, H. 881 Tobin, J. 384, 575 Trevithick, J. A. 428 Triffin, R. 865 O E C D 409 Vaubel, R. 340, 753 Vane, H. R. 613 Viner, J. 744 Vousden, N. 753 Walras, M.E.L. 194 Walters, A.A. 218 W e i f e n s , P. J. 889 Wicksteed, P. H. 151 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesminister für Wirtschaft 8 8 0 White, H. D. 863 Wilms, M. 461, 778, 793, 827, 857, 889 Winters, L. A. 716, 753, 827 Woll, A. 33, 77, 122, 1 5 1 , 4 2 8 W o o d w a r d , S. 161 W y p l o s z , C. 613

Sachwortverzeichnis

A b s c h r e i b u n g e n , s. a. Brutto-, N e t t o k o n zept 134. 324. 3 4 6 f f „ 3 5 I f f . , 359, 365, 367. 377. 422, 772 A b s i c h e r u n g , soziale 4 0 7 f . A b s o r p t i o n f s ) 771 f., 776. 8 1 5 f f „ 8 2 4 - a n s a t z 815, 8 1 9 - q u o t e , m a r g i n a l e 816f. A b s p r a c h e n , s. a. G e n t l e m a n - A g r e e m e n t , Kartell. Preisabsprachen 252, 2 5 6 f f . . 2 6 3 ff. A b w ä g u n g s k l a u s e l 268 A b w c i c h u n g s i n d i k a t o r , s. a. E W S 873f. A b w e r t u n g ( s ) . s. a. T e r m s of T r a d e n o m i n a l e 779f.. 789. 791 f., 795f., 8()8f.. 81 Iff.. 822. 8 2 5 f „ 840. 8 4 3 f „ 846. 848. 85 Iff., 8 5 9 f „ 864, 868, 8731'.. 880 reale 868. 8 8 0 -satz 7 8 0 A d v e r s e Selection, s. a. unvollständige Informationen 406 A g r e e m e n t on T r a d e - R e l a t e d A s p e c t s of I n t e l l e c t u a l Property Rights, s. T R I P S A k t i e n m a r k t 575 A k t i v r e s e r v e 451 Ak/elerator flexibler 575 starrer 5731". Allokation 64 ineffiziente 4 2 2 p a r e t o o p t i m a l e 8f.. 2 0 7 f f . Als-ob-Wettbewerb 266 Altersstruktur der B e v ö l k e r u n g 5 7 0 Altruismus 573 A m o r o s o - R o b i n s o n - F o r m e l 112ff., 232. 734 Angebot(s) aggregiertes, s. g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e s auf d e m W e l t m a r k t 6 8 1 . 6 8 4 f „ 705f.. 7 0 8 f. auf e i n e m polypolistischen (Inlands-) Markt 16. 4 7 f f . . 54ff.. 6 0 f . . l 2 4 , 706. 7 2 0 f f „ 729f. kurzfristiges 51. 1 7 5 f f . 1991'f. individuelles 481".. 1761". gesamtes 48f..l77ff. langfristiges 511'.. 180ff„ 199ff. individuelles 52. 181

g e s a m t e s 52, 183ff. - b e s c h r ä n k u n g 70, 7 1 3 -elastizität, s. a. C o n s t a n t - , Decreasing-, I n c r e a s i n g - C o s t Industry 199f„ 2 0 4 f „ 732, 7 4 6 , 781 gesamtwirtschaftliches 473f.. 579ff., 604 g e m ä ß d e m k e y n e s i a n i s c h e n Modell mit starren N o m i n a l l ö h n e n 5 9 2 f f . , 617 g e m ä ß der neuen klassischen Makroökonomie 606 klassisches, s. a. langfristiges 580. 476, 478, 483ff. k u r z f r i s t i g e s 4 9 3 f „ 4 9 9 f f . , 5 0 4 , 506, 510, 519, 5 2 3 f f „ 5 2 7 , 538, 5 4 2 f „ 545, 557, 5 5 6 f „ 559, 569. 5 7 9 f f „ 6 0 5 . 607f., 61 lf.. 617f., 8 0 0 monetaristisches kurzfristiges 597ff. langfristiges, s. dort langfristiges 493, 5 8 0 f f „ 5 9 6 f f „ 604ff„ 611,617 reales, s. a. langfristiges 476, 583ff. - g e s e t z 48 in einer B r a n c h e 705 relatives, s. a. Handel 6 8 5 f . . 6 9 4 f f . . 7 0 7 spezielles 5 4 f „ 72ff. -Überschuß auf d e m A r b e i t s m a r k t 3151'., 4 0 3 f . auf d e m ( g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e n ) G ü t e r m a r k t 4641'., 4 8 3 . 608, 611, 845 auf d e m W e r t p a p i e r m a r k t 845 auf e i n e m polypolistischen M a r k t 54, 70f. v o r w ä r t s g e n e i g t e s , s. D e c r e a s i n g Cost Industry A n k e r w ä h r u n g , s. a. E W S 8 7 4 A n m e l d e k a r t e l l 268 A n p a s s u n g s k o s t e n 575 A n s c h l u ß k l a u s e l 269 Antidumping 724 Ä q u i m a r g i n a l p r i n z i p 7. 30ff., 9 I f f . . 224, 284

894

Sach W o r t v e r z e i c h n i s

Arbeit!s) 2f.. 290. 306, 4 6 8 . 6 7 7 . 691. 6 9 7 l'f. - a n g e b e t 3071'.. 345f., 4 0 2 f f „ 4 7 1 , 4731'.. 4 8 2 . 4841'., 581. 592, 5 9 6 f f „ 602, 604. 611. 6 9 7 - b e s c h a f f u n g s m a ß n a h m e 391 - e i n k o m m e n . s. Lohn - e i n s ä t / , s. A r b e i t s n a c h f r a g e Hausarbeit, s. dort -inicnsität. s. a u c h Kapitalintensität, Faktoreinsatzverhältnis 692. 6 9 8 f f . -kostentheorie. s. a. Klassik 1231"f., 678, 689 - k r ä f t e s t i c h p r o b e 389, 392 -lohn. s. L o h n -losen -geld 4 0 8 . 5 1 5 -hiIle 4 0 8 . 5 1 5 -quote 387. 3 9 3 f f . . 396f.. 4041'.. 491, 596. 600t".. 6 2 9 . 867f. natürliche 5 9 7 . 601 IT.. 6 2 8 f . standardisierte 393. 3 9 7 -losigkeit 3 8 7 f f . . 4 9 1 , 4 9 3 . 603, 607, 612. 627. 647. 582. 5 8 4 f f „ 589, 591. 593f.. 618. 739f.. 797, 800, 816, 879f. Arten der 3 9 9 f f . auf e i n e m T e i l m a r k t 315 Dauer d e r 395. 3971'. abgeschlossene 395 bisherige 395 F n t w i c k l u n g der 3 9 4 freiwillige 390f. friktioneile 3991'.. 4 0 8 k e y n e s i a n i s c h e , s. k o n j u n k t u r e l l e Arbeitslosigkeit klassische, s. Arbeitslosigkeit auf einem Teilmarkt k o n j u n k t u r e l l e 4 0 1 . 4 6 4 . 5 4 3 . 597.

608 Langzeitarbeitslosigkeit, s. dort M e s s u n g der 3 8 8 f f . M i n d e s t l o h n a r b e i t s l o s i g k e i t . s. dort natürliche 597. 627. o f f e n e 392 registrierte 3 8 9 f f . saisonale 4 0 0 strukturelle 4001'.. 4 0 3 . 4 6 4 f . .Sucharbeitslosigkeit, s. friktioneile Arbeitslosigkeit u n f r e i w i l l i g e 464f., 611 v e r d e c k t e 387, 391 ff. -markt 3 1 5 f f . , 399f.. 4 0 2 . 4 7 0 f f „ 581 f.,

591 ff., 597, 609. 6 1 1 , 7 3 9 -indikator 3 9 3 - n e h m e r e n t g e l t 3 5 3 , 372f., 3 7 7 -nachfrage 308f„ 315f„ 402ff„ 472ff„ 4 8 2 f f „ 4 8 6 . 581 ff., 5 9 2 f f „ 5 9 6 f „ 6 0 2 . 61 lf. e f f e k t i v e , s. k e y n e s i a n i s c h e keynesianische 61 lf. neoklassische 61 lf. notionale, s. k e y n e s i a n i s c h e Arbeitsnachfrage -Produktivität, s. a. Qualifikation 4. 10, 22, 4 0 0 , 4 0 5 , 465, 6 8 8 f „ 879f. S c h w a r z a r b e i t , s. dort -teilung LOff. internationale 6 7 4 , 680, 7 1 7 -Übergangsgeld 391 -zeitverkürzung 4 6 4 A r b i t r a g e 61 f., 229, 323, 7 8 2 - g e s c h ä f t 782 -gleichgewicht 782f. Kursarbitrage, s. dort Z i n s a r b i t r a g e , s. dort A u f k a u f p r o g r a m m 71 A u t l a g e n 282 A u f t r a g s v e r g a b e d u r c h den Staat,, s. a. nichttarifäre H a n d e l s h e m m n i s s e 7 1 9 A u f w e r t u n g ( s ) 622, 654. 783, 790. 7 9 2 , 810, 8 2 0 f „ 8 2 5 f „ 837, 843. 845, 848, 853, 859, 865, 8 7 3 nominale 779ff„ 853 reale 7 7 4 , 784. 834, 853, 8 6 8 -satz 7 7 9 f . A u s f u h r , s. Export Ausgaben a u t o n o m e 537, 5 3 9 f „ 5 4 2 f f . . 557. 5 5 9 - m u l t i p l i k a t o r (im I S - L M - M o d e l l ) , s. a. Staatsausgabenmultiplikator 540ff.. 546f„ 558ff. A u s g l e i c h des Staatshaushalts, s. H a u s haltsdefizit A u s l a n d ( s ) 3 7 7 f „ 3 8 0 , 797f. - m a r k t 711 ff., 7 3 7 - v e r m ö g e n 852 -Währung 7 7 9 -zins 7 8 3 , 790, 8 3 7 f „ 841, 8 4 6 f f . A u s r e i f u n g s p h a s e , s. P r o d u k t z y k l u s Ausrüstungsinvestition 366 A u s s c h l i e ß l i c h k e i t s b e d i n g u n g e n 265 Ausschlußprinzip 272

Sach Wortverzeichnis

Außen-heitrag 349. 351. 365, 368. 3 7 5 f „ 759, 772. 797. 7 9 9 f „ 801. 807, 809ff.. 813, 816IT.. 8 2 0 / u m Bruttoinlandsprodukt 474, 771 - h a n d e l . s. H a n d e l - w e r t e i n e r W ä h r u n g 7 7 9 , 7851T. gewogener Index d e s g e w o g e n e n n o m i n a l e n A u ß e n w e r t s , s. dort I n d e x d e s g e w o g e n e n realen A u ß c n w e r t s , s. dort nominaler 785t. realer 7 8 5 f . Index d e s n o m i n a l e n A u ß e n w e r t s , s. dort Index d e s r e a l e n A u ß e n w e r t s , s. dort Kriterium des stabilen Außenwerts, s. dort Veränderungsrate des Außenwerts 786 -zoll(-tarif) 743f.. 746 Austausehvcrhältnis reales, s. T e r m s of T r a d e r e l a t i v e s , s. r e l a t i v e r P r e i s A u t a r k i e 6751'.. 6 7 9 , 6 8 2 f . . 6 8 5 . 6 9 5 ff., 706f.. 709ff. -preis 696 Bagatellmarktklausel 270 Balaneed Budget Multiplier 514 B a n d b r e i t e , s. a. W e c h s e l k u r s 8591"., 8631".. 8691".. 8 7 4 f . . 8 8 3 B a n k . s. G e s c h ä f t s - , Z e n t r a l b a n k B a r g c l d ( - u m l a u f ' ) . s. a. G e l d 4 3 5 f f . . 4 4 2 f . - q u o t e 4421". Barreserve 433f.. 443 B a r r o - R i c a r d o - Ä q u i v a l e n z t h e o r e m , s. Rieardo-Barro-Äqui valenztheorem B a r w e r t . s. a. Z i n s 3 2 2 . 5 2 0 . 6 5 6 Basis - j ä h r . s . a . Index 3 7 9 f . . 4 1 2 . 4 1 6 m o n e t ä r e Basis, s. G e l d b a s i s - p e r i o d e . s. Index Bauinvestition 346. 366 B e d a u e r l i c h e N o t w e n d i g k e i t , s. N o t w e n digkeit B e d ü r f n i s 1. 6f. Beggar-Thy-Neighbour-Policy 862 B e h i n d e r u n g s m i ß b r a u c h 2 6 5 . 271 B e l a s t u n g z u k ü n f t i g e r G e n e r a t i o n e n , s. Nettobelastung zukünftiger Generationen

895

Belgien 669ft'„ 743 B e s c h ä f t i g u n g ( s ) , s. a. V o l l b e s c h ä f t i g u n g . Arbeitslosigkeit 4 0 2 f „ 4 6 8 , 482, 484, 4 8 6 , 5 4 3 , 5 6 9 , 5 8 2 f f . . 5 9 1 f., 5 9 4 f f „ 5 9 8 f „ 6 0 2 , 6 0 9 . 611 ff., 6 1 8 , 6 2 4 , 6 2 9 f „ 639, 665 -niveau 582 natürliches 5 9 6 f „ 599, 6 0 2 f f „ 612 -politik 595 Bestand(s) -änderung, siehe Lagerinvestition - a n g e b o t v o n W e r t p a p i e r e n , s. P o r t f o liotheorie - g l e i c h g e w i c h t auf d e m W e r t p a p i e r m a r k t , s. P o r t f o l i o t h e o r i e -große 755, 807, 836f. -nachfrage nach G e l d , s i e h e G e l d n a c h f r a g e nach W e r t p a p i e r e n , s. P o r t f o l i o t h e o r i e B e s t R e s p o n s e F u n c t i o n , s. R e a k t i o n s f u n k t i o n . s. a. O l i g o p o l Betriebs- g r ö ß e 145ff.. 2 2 2 o p t i m a l e 150, 7 0 5 - m i n i m u m 166 - v o r t e i l e , s. s t e i g e n d e S k a l e n e r t r ä g e B F A . siehe M e s s u n g der Arbeitslosigkeit Bilanz d e r E r w e r b s - und V e r m ö g e n s e i n k o m men 755, 757. 760, 767, 772. 853 der Erwerbs- und Vermögensübertragungen 755ff., 762, 774ff. der laufenden Übertragungen 755ff., 7 6 1 f., 7 7 2 Binnen-wert einer W ä h r u n g 779. 784, 831 - z o l l , s. a. F r e i h a n d e l s a b k o m m e n 7 4 4 B l a s e n , s p e k u l a t i v e ; s. B u b b l e s B o d e n 2 f f . , 2 9 0 f „ 3 0 1 , 341 f., 4 6 8 , 6 7 4 -rente 302 Bogenelastizität 103f„ 1 1 6 , 7 8 9 Boom 572f. B R D 665, 669. 6 7 0 f f „ 743 B r e t t o n W o o d s , s. S y s t e m v o n B r e t t o n Woods Brutto-einkommen aus unselbständiger Arbeit 372 -einkommen aus Unternehmertätigkeit und V e r m ö g e n 372 -inlandsprodukt 341, 3 4 7 f f „ 354f„

896

Sachwortverzeichnis

357H".. 365f.. 3 6 8 f f „ 3 7 7 f f „ 4 5 6 , 6 4 6 f „ 6 6 8 . 761. 771 f.. 8 8 4 - d e f l a t o r 379l'f., 412IÏ. n o m i n a l e s 4 5 4 f f . , 641 f.. 6 4 4 f „ 668 W a c h s t u m s r a t e des n o m i n a l e n Bruttoinlandsprodukts 643 Preisindex des Bruttoinlandsprodukts, s. dort reales 4 5 4 . 4 5 7 f „ 4 6 3 , 4 9 1 , 6 6 5 f . W a c h s t u m s r a t e des realen Bruttoinlandsprodukts 642ff. zu l a u f e n d e n Preisen 637f. zu M a r k t p r e i s e n 341. 3 4 7 -investition 3 4 6 f f „ 3 6 5 f f „ 3 7 7 - l ö h n e und - g e h ä l t e r 3 7 3 - n a t i o n a l e i n k o m m e n 349ff., 359, 377, 382 - s c h u l d e n s t a n d , s. a. Staatsschuld, s. a. V e r t r a g von Maastricht 877, 882, 884f. -Sozialprodukt 341, 3 4 9 f „ 761. 861 - w e r t s c h ö p f u n g 345. 347, 3 5 3 f f „ 363 377. 7 1 8 Bubbles 855 Budgetgerade i n t e r t e m p o r a l e 657f., 6 6 0 B u n d e s b a n k , s. a. Z e n t r a l b a n k 4 3 4 , 458, 6231'.. 628. 6 3 0 . 8741'., 888 D i r e k t o r i u m der 4 3 4 - g e s e t z 4 3 6 . 4 4 4 f f . . 4 4 8 , 879 C a m b r i d g e - G l e i c h u n g , s. a. Quantitätsgleichung 454 Capital rental, s. G e w i n n Chartisten, s. a. A k t i e n m a r k t 855f. China 670. 673 eif 7 18. 720. 7 5 9 f . . 7 7 0 C o b w e b - T h e o r e m , s. G l e i c h g e w i c h t im Polypol C o m m o n s , s. G e m e i n e i g e n t u m C o n s t a n t - C o s t Industry, s. a. auch Polypol 184. 745 cost, insurance, freight, s. eif Coiirnotscher Punkt 222 C o u r n o t - D y o p o l 2 4 2 f f . . 2 4 9 f . . 713. 7 3 5 f f . . 751 C r e d i t p o s t e n der Z a h l u n g s b i l a n z 7 8 8 C r o w d i n g Out 547, 6 l 5 f f „ 804, 821. v o l l s t ä n d i g e s 4 8 8 . 542. 549. 589, 596.

616. 618 D e b e t p o s t e n d e r Z a h l u n g s b i l a n z 788

D e c r e a s i n g - C o s t Industry, s. a. Polypol 1 8 4 f f „ 705 f. Defizit-kriterium, fiskalpolitisches, s. a. Vertrag von Maastricht 882, 884, 886 - q u o t e 637, 642, 8 8 6 D e f l a t i o n 588 D e f l a t o r des privaten V e r b r a u c h s , s. Inflation, s. Preisindex des privaten K o n s u m D e l o r s - B e r i c h t 875 Deport, s. a. S w a p s a t z , s. a. T e r m i n g e s c h ä f t 782f. D e u t s c h e r Zollverein 7 4 3 Devisen- a n g e b o t 782, 7 8 8 f f . - b i l a n z , s. G o l d - u n d D e v i s e n b i l a n z - b ö r s e 781 - h a n d e l 781 - k u r s 781 - m a r k t 3 5 f f „ 781 ff., 7 9 0 , 840, 843, 8 5 9 ,

862 - n a c h f r a g e 782, 7 8 8 f f . -reserven 4 3 5 , 7 6 4 f „ 7 7 6 , 791 f., 7 9 5 , 803, 805. 8 2 3 f „ 859, 8 6 3 f f „ 875 - t e r m i n m a r k t 782 D i c h o t o m i e , klassische 4 6 3 f., 4 8 5 D i f f e r e n z i e r u n g , s. heterogener M a r k t Dienstleistung(s) - b i l a n z 351, 755, 7 5 7 f „ 7 6 0 f „ 771 f. - e x p o r t 3 4 8 f „ 755, 7 5 7 f „ 766, 771, 774f. - i m p o r t 348f.. 7 5 5 . 7 5 7 f „ 766, 771. 774, 7 7 6 D i l e m m a zwischen U n t e r b e s c h ä f t i g u n g und A u s g l e i c h der Z a h l u n g s b i l a n z 8 0 0 . 815 Direktinvestition 704, 720, 763f. Disinflation 6061'., 6 2 6 Diskontk r e d i t 435, 4 4 4 f f „ 452 -politik 445 ff., 6 2 4 -satz, s. auch Zins 445, 4 5 3 D i s k o n t i e r u n g s f a k t o r , s. a. Zins 321 f. D i v e r s i f i k a t i o n 669 Dollar- l ü c k e 864 -parität 863 D o m i n a n z p r i n z i p 249, 251, 4 5 9 D o p p e l t e K o i n z i d e n z der T a u s c h - und Z a h l u n g s w ü n s c h e , s. a. G e l d f u n k t i o n 429f

Sach Wortverzeichnis

D o r n h u s c h - M o d e l l , s. a. m o n e t ä r e W e c h selkurstheorie 847ff.. 853 D u m p i n g 712 r e z i p r o k e s 71 1 ff. Durchschnitt(s) - e i n k o m m e n 566f. - e r l ö s 791T.. 8 3 f f . . 1 6 4 f f „ 2 2 0 - e r t r a g 2 3 f f . . 29f. - k o s t e n 123, 139IT., 7 0 5 , 7 0 7 . 7 3 0 , 7 3 7 kurzfristige t o t a l e 139. 1411'.. 144f.. 1 6 5 f f „ 2 2 3 v a r i a b l e 1391'.. 1441'., 166ff. l a n g f r i s t i g e 145 ff.. 148ff, 181 ff".. 2401'.. 7 1 0 - P r o d u k t 174. 2 8 0 , 2 9 3 . 4 7 0 D y o p o l . s. a. O l i g o p o l 2 4 3 , 7 1 3 E C U 8 6 9 . 871 - L e i t k u r s 871 ff. - T a g e s k u r s 8721'. Effekt(e) E i n k o m m e n s e f f e k t , s. d o r t E r w a r t u n g s e f f e k t , s. dort e x t e r n e 2 7 3 ff.. 2 7 9 . 6 1 0 , 741 p e k u n i ä r e 179ff. t e c h n o l o g i s c h e 184 ff.. 7 7 7 K e y n e s - E f f e k t . s. dort P i g o u - E f f e k t . s. d o r t S u b s t i t u t i o n s e f f e k t , s. d o r t E f f i z i e n z 6ff.. 191'.. 2 0 7 f f . -lohn 405ff. E i g e n t u m s r e c h t e 2 7 6 ff. E i g e n v e r b r a u c h d e s S t a a t s , s. s t a a t l i c h e r Konsum Eigenzinssatz 323 Eindringlings Vermutung 2 7 0 E i n - F a k t o r - M o d e l l . s. a. T h e o r e m d e r komparativen Kostenvorteile 696 E i n f u h r , s. I m p o r t Einkommen(s). (gesamtwirtschaftliches) Eaktoreinkommen 342. 345, 347, 349f.. 355. 371. 376. 473. 475ff.. 4 9 6 f f „ 519. 522. 564ff.. 569ff„ 575. 5 7 9 f f „ 6 1 6 f f „ 640. 665. 690. 703 a b s o l u t e s , s. a b s o l u t e E i n k o m m e n s h y pothese -abhängigkeit der Geldnachfrage 533, 5361'.. 5 5 0 . 5541'.. 5 5 8 -Ausgaben-Modell 494. 499ff.. 519. 529. 616. 797 -ausstattungspunkt 657f., 660 a u s u n s e l b s t ä n d i g e r A r b e i t , s. a. B r u t -

897

toeinkommen aus unselbständiger Arbeit 403ff. aus Unternehmertätigkeit und V e r m ö g e n , s. B r u t t o e i n k o m m e n a u s U n t e r n e h mertätigkeit und V e r m ö g e n Barwert des 656ff. D u r c h s c h n i t t s e i n k o m m e n , s. d o r t -effekt 41, 307, 333, 466, 471, 475, 496 -elastizität I I 5 f f . erwartetes 626, 657, 659 erwartetes Lebenszeiteinkommen, s. dort H ö c h s t e i n k o m m e n , s. d o r t -hypothese 496 absolute 651, 569 permanente 5 6 7 f f „ 5 7 2 f „ 626, 657, 6 5 9 , 661 relative 566f. -indikator 351, 352 -kreislaufgeschwindigkeit des Geldes 3641'., 4 7 7 f f „ 4 8 8 , 5 0 7 f f „ 5 1 0 laufendes 568, 570, 657, 659f. -mechanismus der Anpassung der Zahlungsbilanz 797, 799f. M i n d e s t e i n k o m m e n 3 1 6 f „ 403ft".. 4 5 8 f . , 5021'. p e r m a n e n t e s , s. p e r m a n e n t e E i n k o m menshypothese reales 154ff„ 4 5 8 f „ 503, 528ff.. 557f.. 593, 690. 702f. R e s i d u a l e i n k o m m e n , s. d o r t r e l a t i v e s , s. relative E i n k o m m e n s h y p o these -Steuer, s. e i n k o m m e n s a b h ä n g i g e S t e u e r T r a n s f e r e i n k o m m e n , s. d o r t transitorisehes 567ff. v e r f ü g b a r e s 3 7 4 , 3 7 7 , 4781'., 4 8 8 , 5 0 8 f f „ 5 2 4 f „ 5641'., 5 6 7 , 5 6 9 , 6 2 1 . 6 5 1 f.. 6 5 5 f . , 6 5 8 f f . -Verteilung 6 5 0 f f . funktionale 2 9 1 , 7 0 3 , 7 1 1 personelle 291 p r i m ä r e 291 v o n A u s l ä n d e r n i m I n l a n d , s. a. B i l a n z der Erwerbs- und Vermögenseinkommen 349. 755, 757f.. 7 6 0 f „ 767, 772 v o n I n l ä n d e r n a u s d e m A u s l a n d , s. a. Bilanz der Erwerbs- und V e r m ö g e n seinkommen 349, 755. 757f., 760f.. 767. 772 zukünftiger Generationen 652f., 655

89X

Sachwortverzeichnis

E i n l a g e n p f l i c h t , bei d e r N o t e n b a n k 432f., 434 Elastizität(s) 102ff., 535 A n g e b o t s e l a s t i z i t ä t , s. d o r t -ansatz der A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz 8 ( ) 7 f f „ 8 1 5 , 8 1 9 . 8 2 6 B o g e n e l a s t i z i t ä t , s. dort E i n k o m m e n s e l a s t i z i t ä t . s. dort K r e u z p r e i s e l a s t i z i t ä t , s. d o r t P r e i s e l a s t i z i t ä t d e r N a e h f r a g e . s. dort P u n k t e l a s t i z i t ä t , s. dort E n d p r o d u k t , s. O u t p u t E n g e l k u r v e I 16ff. E n t f r e m d u n g 11 E n t s t e h u n g s r e c h n u n g , s. a. V o l k s w i r t schaftliches R e c h n u n g s w e s e n 344f.. 353. 355. 359, 367. 377 E r b l a s t e n t i l g u n g s f o n d s 6351". E r b s c h a f t 5 7 3 . 6 6 1 f. Erlaubniskartell 268 Erlös 79ff.. 97f. D u r c h s c h n i t t s e r l ö s , s. d o r t - f u n k t i o n . s. E r l ö s G e s a m t e r l ö s , s. d o r t G r e n z e r l ö s , s. d o r t E r s p a r n i s , s. K o s t e n e r s p a r n i s o d e r s. S p a ren Ertrag! s) D u r c h s c h n i t t s e r t r a g . s. d o r t - f u n k t i o n 2 I f f . , 170 G e s a m t e r t r a g , s. d o r t G r e n z e r t r a g . s. d o r t p r i v a t e r 2 I f . 179, 721 s o z i a l e r , s. v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e r volkswirtschaftlicher 721, 739 E r w a r t u n g ( s ) . s. a. K e y n e s i a n i s m u s 522, 5 4 3 . 5 5 6 . 5 6 8 . 5681'.. 5 6 9 . 6 0 5 . 6 2 1 , 624. 6 2 6 f f . 836. 843, 846 I n f l a t i o n s c r w a r t u n g e n , s. dort r a t i o n a l e , s. a. T h e o r i e d e r rationalen E r w a r t u n g e n 6 0 3 , 6 0 5 . 6 2 4 f „ 6 2 6 , 831, 843. 855 E r w e r b t s) - l o s i g k e i t , s. A r b e i t s l o s i g k e i t -personen 391. 393 abhängige 387 - p o t e n t i a l 391 - t ä t i g e , s. E r w e r b s p e r s o n e n E r w e r b s - und V e r m ö g e n s e i n k o m m e n 3491'.. 371 Erziehunaszoll 74Iff.

EU 666, 670, 869 -Assoziierungsabkommen 743 Euro 886f. Europäische W ä h r u n g s e i n h e i t , s. E C U Währungsunion 876ff. W i r t s c h a f t s g e m e i n s c h a f t , s. E W G Z e n t r a l b a n k 8 7 6 f „ 8 7 8 f „ 884, 8 8 7 f . Europäischer Wechselkursverbund 869 Europäisches Währungsinstitut 876f. W ä h r u n g s s y s t e m , s. E W S Euromarkt 433 E u r o p ä i s c h e U n i o n , s. E U Europäisches System Volkswirtschaftlicher G e s a m t r e c h n u n g e n ( E S V G 1995) 341 f., 3 4 6 , 3 5 0 f . , 3 5 8 , 3 6 0 , 3 6 5 , 371 EWG 743 E W S , s. a. I n t e r v e n t i o n e n 8 6 9 f f . , 8 7 7 , 881, 8 8 7 f n . Expenditure Reducing Policy 8 1 9 Expenditure Switching Policy 813, 8 2 6 Export 348f., 365, 368, 370, 3 7 5 f f „ 4 7 4 , 6 6 5 , 6 6 7 , 6 6 9 f f „ 681 f., 6 8 7 , 7 0 0 f „ 7 0 3 , 7 1 1 , 7 1 4 , 723, 760, 796ff., 807. 8 0 9 f f „ 852, 865 - a n g e b o t , s. E l a s t i z i t ä t s a n s a t z d e r A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz D i e n s t l e i s t u n g s e x p o r t , s. dort -förderung 737 G ü t e r e x p o r t , s. W a r e n e x p o r t -kontingentierung 725 - m u l t i p l i k a t o r im E i n k o m m e n Ausgaben-Modell 797f. - n a c h f r a g e , s. E l a s t i z i t ä t s a n s a t z d e r A n p a s s u n g der Z a h l u n g s b i l a n z nominaler 668 - q u o t e , s.a. O f f e n h e i t s g r a d 6 6 6 , 6 6 8 , 670 realer 6 6 5 f . -Steuer 7 3 8 -subvention 718, 722ff. W a r e n e x p o r t , s. dort -zoll 7 3 2 Faktor- a l l o k a t i o n , s. A l l o k a t i o n -ausstattung(s) e i n e s L a n d e s 6 9 7 , 7 0 3 f . , 7 0 6 f „ 71 1 -Verhältnis 7 0 6

- e i n k o m m e n , s. E i n k o m m e n , s. S a l d o der Erwerbs- und Faktoreinkommen

Sach Wortverzeichnis

-einsät/ -menge im Polypol/Polypson individuell 171 ff., 293ff. gesamt 2 9 5 f f im Monopol/Polypson individuell 297ff. gesamt, s. Faktoreinsatzmenge im Polypson. Monopson im Monopson 2 9 9 f f „ 3 1 9 -Verhältnis, s. Faktorintensität -Intensität 6 9 8 f f , 709 fixe 691 umschlagende, s. a. LeontiefParadoxon 700, 702 variable 692. 697 -komplementarität 401 -leistungen 341, 3 4 3 f „ 348 -markte, einzelne 2891T. -mobilität internationale 677, 880 nationale 677 -nachfrage auf einem Markt 289, 292ff., 609 -preis, s. a. Opportunitätskosten, volkswirtschaftliche Kosten 18. 20, 171 ff., 178 f f . 212 ff.. 293, 575. 701 f.. 709 absoluter 701 -ausgleichstheorem 701 f. -elfekt I78ff. relativer 701 - V e r h ä l t n i s 698f.. 709 -proportionentheorie. s. HeckscherOhlin-Theorie Fall, klassischer; s. a. G e l d n a c h f r a g e , ISLM-Modell 548. 553. 555 Fiduziärsystem. s. a. Goldstandard 860ff. Finanzielle Kaitalgesellschaften 361 Finan/ierungssaldo des privaten Sektors 773f. des staatlichen Sektors 6 3 6 f , 773 Feedback von E i n k o m m e n und Konsum 565. 569 Finanz-murktansätze der Wechselkurstheorie 844 -statistik 6361". -zoll 717 Fishersche Verkehrsgleichung, s. Quantitätsgleichung

899

Fiskal-illusion 640, 657, 659 -Politik 4 6 0 , 487 ff., 508 ff., 514, 519, 522, 543, 5 4 7 f f , 5 5 5 f , 565, 579, 5 8 8 f , 594ff.. 603f., 612, 6 1 5 f f „ 622ff., 744, 8 0 2 f f „ 8 l 9 f f . , 823, 8 5 4 f „ 8 6 4 f „ 876f.,

886 bei festen Wechselkursen 802ff. bei flexiblen Wechselkursen 819ff. Kreditfinanzierung der Fiskalpolitik, s. dort regelgebundene 631 Floaten, s. W e c h s e l k u r s Fluktuation 4 0 5 fob 722, 759 Folgetheorie 267 Forderungen an das Europäische W ä h rungsinstitut 764f. Fortschritt, technischer 261, 464f.. 469, 486. 665ff., 7 0 3 f „ 741 Frankreich 665f., 6 6 9 f f „ 673, 743 free on board, s. fob Freihandel(s) 689. 696, 710, 717, Uli., 733ff., 739, 749 - a b k o m m e n 744 -zone 720 Freizeit 383f. Fusion(s) -kontrolle 265, 268 -verbot 252 Fundamentalisten, s. a. Aktienmarkt 855f. F u U - M a ß n a h m e 391 Gastarbeiter 350, 7 5 5 , 7 6 1 G A T S 719 G A T T 666, 717. 719. 722. 724f. G e f a n g e n e n d i l e m m a , s. a. Dominanzprinzip 2 5 1 , 2 5 4 Gegenstandstheorie 267 G e g e n w a r t s k o n s u m 626, 657ff. Geld 323. 4 2 9 f f . -angebot 4 3 1 ff., 4 4 2 f „ 532ff.. 5 3 8 f f , 550, 552. 823ft'„ 844ff.. 851 Bargeld, s. dort -basis (monetäre Basis) 434, 438, 441 f., 4 4 3 f . , 446f., 449, 630, 803, 823ff. -funktionen 4 2 9 f f „ 453 Recheneinheit 4 3 0 . 463, 480, 528 Tauschmittel 429, 463 , 466, 480, 528 W e r t a u f b e w a h r u n g s m i t t e l 430, 466, 480. 528 G e s c h ä f t s b a n k e n g e l d . s. dort

900

Sachwortverzeichnis

-markt 4 4 8 . 4 5 0 . 4 5 2 , 5 3 0 , 5 3 2 f „ 537, 5 3 9 . 559. 7 9 6 . 804, 819, 8 2 3 f f „ 845, 851

-potential 4 4 2 f f . -vermögen 426, 4 5 9 -wertstabilität 6 3 1

-pupiere 4 4 4 . 4 5 0 , 4 5 2 -regulierung 4 4 8

-Wirtschaft 4 6 5 f f . Z e n t r a l b a n k g e l d , s. dort

-menge(n) 438, 4 4 2 f „ 449, 456, 458,

Gemeineigentum 277ff.

481 ff.. 4 8 8 . 5 3 5 , 5 4 3 , 5 8 1 , 5 9 0 , 596,

G e n e r a l A g r e e m e n t on T a r i f f s and T r a d e ,

605. 624. 627, 629f„ 796, 803, 805f„ 8 2 0 . 823IT.. 8 4 4 , 8 4 7 f f „ 8 5 2 f „ 8 6 0 , 865. 874. 879. 887

s. G A T T G e n e r a l A g r e e m e n t on T r a d e in S e r v i c e s , s. G A T S

ausländische 8 4 6

Gentleman-Agreement 2 6 8

i n l a n d i s c h e 845t"., 8 4 8

Gesamt-

M l 4311'.. 4 3 7 . 4 5 1 . 4 5 9

-erlös 7 9 f f „ 8 3 f f „ 110f„ 163ff.

M 2 432. 434. 630

-ertrag 21 f f „ 3 1 , 4 6 9 , 4 8 3 , 4 8 6

M3 432

-kosten 136ff„ 1 4 7 f f „ 164, 5 3 , 8 9 , 9 2 f „

M 3 erweitert 4 3 3 - m u l t i p l i k a t o r im I S - L M - M o d e l l 5 4 0 , 550tf.. 558fr.. 803

101f„ 142ff„ 148ff„ 164ff„ 3 0 0 Geschäftsbank(en) 434, 438ff„ 444ff, 624, 630

n o m i n a l e 5 5 8 . 5861'., 5 9 1 . 6 1 7

-geld 4 3 3 , 4 3 8 , 4 4 4

-politik 4 5 8

S c h a f f u n g von 4 3 6 f f „ 4 4 2 f f .

- p r e i s m e c h a n i s m u s 7961".. 8601'.

aktive 4 3 7 f .

reale 5 1 9 . 5 2 9 . 5 3 1 . 5 3 7 . 5 4 0 , 550,

multiple 4 3 8 f f .

5 5 2 . 5581'.. 5 8 3 I T . . 5 8 8 . 5 9 1 . 6 1 0 , 6 1 2 , 6 1 7 . 8481'.

passive 4 3 7 Gesetz

W a c h s t u m s r a t e der G e l d m e n g e 601

A n g e b o t s g e s e t z , s. dort

- z i e l e der B u n d e s b a n k 4 5 8

der Unterschiedslosigkeit der Preise

-nachfrage 453ff. 456, 5 1 9 . 5 2 7 f „

160, 8 2 4 f f „ 833ff.

53011'.. 5381'.. 5 4 2 . 5 4 5 . 5471T., 5551'.,

fundamentales psychologisches 4 9 6

558. 615. 618f.. 803. 823ff„ 844ff..

gegen Wettbewerbsbeschränkungen

850t".

2 5 2 , 2 5 5 ff.

-I unktion

G o s s e n s c h e s G e s e t z , s. dort

-keynesianische 528. 531

vom abnehmenden Ertragszuwachs 3f.,

-klassische 4 5 3 f f . 465ff., 4 8 0 , 482ff.

22f.

l a n g f r i s t i g e S t a b i l i t ä t der 8 2 7

zur F ö r d e r u n g der S t a b i l i t ä t und d e s

-nahe Forderungen 4 3 2 f . -politik 4 4 7 . 4 9 2 , 5 1 9 . 5 4 3 . 5501'..554ff.. 5 7 9 . 5 6 5 . 5 9 0 f „ 5 9 4 f f „ 5991'.. 6031'.. 6061'., 6 1 2 . 6 1 5 f f „ 6221'f.,

W a c h s t u m s der Wirtschaft 4 4 5 , 6 2 3 . 627f. G e w e r k s c h a f t 4 0 2 , 4 0 4 f., 4 0 6 , 5 9 1 , 6 1 8 , 866, 879

7 4 4 . 8 2 1 f f . 8251'., 8 4 3 . 8 4 6 , 8 5 4 f „

G e w i c h t e i n e r W ä h r u n g , s. W ä h r u n g s k o r b

8611'.. 8641'.. 8671'.. 8 7 4 . 8 7 6 f f . . 8841'..

G e w i n n 18, 3 2 3 f f . , 3 3 7 f f „ 3 4 2 , 344ff'.,

887

350, 573. 575, 698, 702f.. 709. 796

bei festen W e c h s e l k u r s e n 8041'.

-erwartungen 5 0 7 , 6 0 8

bei f l e x i b l e n W e c h s e l k u r s e n 8 2 1 ff.

- m a x i m i e r u n g 8 9 f f „ 1 5 6 f f „ 4 7 1 f.

neutralisierende 7 9 6 . 8 0 3 , 8 0 5 .

im Monopol 2 2 I f f . , 7 2 8 . 7 3 3 , 7 3 7 .

regelgebundene 628ff.

749ff.

- s c h l e i e r . s. a. k l a s s i s c h e D i c h o t o m i e

in der m o n o p o l i s t i s c h e n K o n k u r r e n z

4 6 3 f.

240ff.

-schöpfung(s) 4 3 6 f f „ 4 4 2 f f „ 6 3 0

i m O l i g o p o l 2461T.

a k t i v e 4371'.

im Polypol 1 6 3 f f , 6 9 3

multiple 4 3 8 f f .

-quote 3 6 3

-multiplikator 4 4 3 f . , 4 4 6 , 4 5 2

- s c h w e l l e 165

passive 4 3 7

unverteilter 3 7 5

Sach Wortverzeichnis

Gläubiger-Schuldner-Hypothese 418 Gleichgewicht im E i n k o m m e n - A u s g a b e n - M o d e l l 495IT.. 5 0 7 f f . im k l a s s i s c h e n m a k r o ö k o n o m i s c h e n Modell auf d e m A r b e i t s m a r k t 4 7 0 f f . . 4 8 2 f f . auf d e m G ü t e r m a r k t , s. a. S a y s c h e s T h e o r e m 4741'. auf d e m K a p i t a l m a r k t 4 6 7 f f „ 4 7 6 f f . im I S - L M - M o d e l l auf d e m G ü t e r m a r k t 5 2 0 f f . auf d e m G e l d m a r k t 5271Ï. auf G ü t e r - und G e l d m a r k t 5 3 6 f f . im k e y n e s i a n i s c h e n M o d e l l (bei N o m i nallohnstarrheit auf d e m A r b e i t s m a r k t 5 9 1 f., 5 9 3 auf d e m G ü t e r m a r k t 5 9 3 f . im M o d e l l k o m p a r a t i v e r K o s t e n v o r t e i l e 6 8 7 ff. im m o n e t a r i s t i s c h e n M o d e l l auf d e m A r b e i t s m a r k t 5 9 7 auf d e m G ü t e r m a r k t 5 9 9 f . im n e o k e y n e s i a n i s c h e n M o d e l l auf d e m A r b e i t s m a r k t 61 Off. auf d e m G ü t e r m a r k t 61 Off. im M o n o p o l 221 ff. im O l i g o p o l 2 4 2 f f . im P o l y p o l 190tT in d e r m o n o p o l i s t i s c h e n K o n k u r r e n z 2401'.. 70911'. in d e r N e u e n k l a s s i s c h e n M a k r o ö k o n o mie 6041'. in d e r n e o k l a s s i s c h e n S y n t h e s e (bei v o l l s t ä n d i g flexiblen N o m i n a l l ö h n e n ) auf d e m A r b e i t s m a r k t 581 ff. auf d e m G ü t e r m a r k t 5 8 3 f . im n e o k e y n e s i a n i s c h e n M o d e l l 6 0 8 f f . im P o l y p o l 16ff.. 5 4 f f . . 601'.. 1 9 0 f f . k u r z f r i s t i g 199ff. l a n g f r i s t i g 5 4 f f . . 1821'.. 1 9 9 f f . . 6 9 8 , 7011'f. im P o r t f o l i o m o d e l l des W e c h s e l k u r s e s 852 Globalisierung 665. 702f. G l o b a l S o u r c i n g . s. a . W e r t s c h ö p f u n g 6 6 7 Gold(-) - d e v i s e n s t a n d a r d 8621'.. 8 6 5 -Dollar-Standard 865 -einlösungspflicht 864 -exportpunkt 860 -importpunkt 860

901

-parität 859ff. -punkte 860 -reserve 860, 865 -standard 796, 859ff. Symmetrieeigenschaft des Golds t a n d a r d s 861 und Devisenbilanz 756ff.. 763ff„ 768 -Währung 436ff. Gossensches Gesetz erstes 45 zweites 94 Grenz- e r l ö s 79, 8 1 f f „ 89, 9 1 f „ 9 8 f „ 100, 1 1 2 f f „ 165ff., 2 2 0 . 2 3 2 , 7 1 2 , 7 3 3 f f . -produkt 297 - e r t r a g 3, 2 2 , 2 5 f f . , 3 0 f f „ 92, 170. 2 9 3 , 618 -faktorkosten 300 - k o s t e n 5 3 . 89. 9 2 f „ 1011'., 1 4 2 f f „ 148ff.. 1 6 4 f f „ 3 0 0 . 71 l f . , 7 1 4 , 7 2 8 , 730, 732ff„ 737f. - l e i s t u n g s f ä h i g k e i t d e s K a p i t a l s , s. a. interner Zins 5 2 0 - n u t z e n , s. e r s t e s G o s s e n s c h e s G e s e t z - p r o d u k t 4 7 0 f f . , 4 8 6 , 61 l f . -rate der Transformation 214. 683, 693ff. -wertprodukt 90. 170ff„ 212ff„ 293. 3 2 7 f f . , 4 7 1 f. aggregiertes 295 G r ö ß e n v o r t e i l e , s. K o s t e n e r s p a r n i s s e Großbritannien 665. 669ff„ 673 Grundbilanz 776 G r u p p e n g l e i c h g e w i c h t , s. G l e i c h g e w i c h t im Polypol Güter- a r b i trage 8 3 4 - e x p o r t , s. W a r e n e x p o r t -markt, gesamtwirtschaftlicher 519. 524, 527, 537, 556, 559, 565, 597. 608. 61 l f „ 8 4 5 -preise 701. 706 relative 6 9 8 f . , 7 0 1 . 7 0 8 -steuern 3 5 5 f f „ 3 7 7 -Subventionen 3 5 5 f f . , 3 7 7 G u t , s. a. P r o d u k t freies 191 handelbares 8 3 4 h e t e r o g e n e s , s. h e t e r o g e n e r M a r k t h o m o g e n e s , s. h o m o g e n e r M a r k t i n f e r i o r e s 4 2 , 119 komplementäres 43

Sach Wortverzeichnis

l e b e n s n o t w e n d i g e s 119 L u x u s g u t . s. dort nicht h a n d e l b a r e s 8 3 4 n o r m a l e s I 19 S u b s t i t u t i o n s g u t , s. dort superiores 42 ö f f e n t l i c h e s 2721T.. 2 8 1 Z w i s c h e n g u t . s. Z w i s c h e n p r o d u k t G u t h a b e n . s. E i n l a g e n G W B . s. G e s e t z g e g e n W e t t b e w e r b s b e schränkungen

Hechscher-Ohlin-Modell 698ff„ 703f, 709. Höchst-einkommen 566 -preis 63ff, 200ff. Homogenität, s.homogener Markt H o r t e n , s. a. G e l d 4 6 5 H u m a n k a p i t a l 3, 2 9 0 , 4 1 0 , 7 0 0 H y p e r i n f l a t i o n , s. a. g r o ß e d e u t s c h e I n f l a tion 4 1 1 , 8 3 5 , 8 6 2 H y s t e r e s i s , s. a. A r b e i t s l o s i g k e i t 4 0 9

H a a v e l m o - T h e o r e m 513f. H a n d e l * s ) 6651'.. 6 7 9 . 6 8 1 . 7 0 1 , 861 f., 8 6 ? . 881 -barrieren 677. 688f., 717 - b i l a n / 7 5 5 . 7 5 7 . 7581T.. 7 6 6 f . . 771 f. -gewinn 676. 680ff.. 703. 708 - h e m m n i s s e . s. a. Z o l l 6 9 8 f f . , 7 2 1 . 8 3 3 f . nichttarifäre 718f., 724, 833 i n t r a i n d u s t r i e l l e r 6 6 6 . 6 7 2 . 7 0 3 . 711, 714

Imitation 262 Import 3 4 8 f f „ 365, 368, 370, 3 7 5 f f „ 474, 6 6 5 f . , 6 6 9 f f . . 6 8 1 f..687, 7 0 0 f „ 7 0 3 , 711, 714, 7 2 4 f „ 727. 729f„ 7 4 0 f „ 745, 760. 7 9 6 f f „ 801, 820, 852 -abhängigkeit einer Nation 6 7 4 - a n g e b o t , s. E l a s t i z i t ä t s a n s a t z d e r A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz - b e s c h r ä n k u n g , s. I m p o r t k o n t i n g e n t D i e n s t l e i s t u n g s i m p o r t , s. d o r t G ü t e r i m p o r t , s. W a r e n i m p o r t -kontingent 724f.. 725ff. für landwirtschaftliche Produkte 720 mengenmäßiges 718, 720 - n a c h f r a g e , s. E l a s t i z i t ä t s a n s a t z d e r A n p a s s u n g der Zahlungsbilanz nominaler 668

-krieg 732. 738 -Politik 729. 735

Konflikte der Handelspolitik 719 strategische 738

-struktur 672f. -umlenkung 745ff. -Verflechtung 665. 670f. -volumen 669 reales 665 - v o r t e i l e 71 I H a n d e l und V e r k e h r 3 5 7 f . H a u s a r b e i t 381 Haushalt(s) - d e f i z i t 4 7 9 . 5 1 5 , 6 2 0 f . . 631 f., 6 3 5 f f „ 6 3 9 . 641 ff.. 7 7 4 . 7 7 7 , 8 6 2 . 8 7 7 f „ 8 8 4 f f . konjunkturelles 646f. nominales 645 primäres 643. 645 reales 645 S c h e i n d e f i z i t , s. dort strukturelles 646f. tatsächliches 646f. ö f f e n t l i c h e r , s. S t a a t s h a u s h a l t -optimum intertemporales 658 -sektor 361 - S t u d i e 5 6 5 f . . 5 6 8 f . . 571 f. -Überschuß 479. 632 primärer 643

-preis 7 l 8 f „ 720, 729, 731, 733, 7 3 5 -quote 666, 724, 727. 797, 801 W a r e n i m p o r t , s. dort -wert 797, 807, 809ff. -zoll 7 1 7 I n c r e a s i n g - C o s t I n d u s t r y , s. a u c h P o l y p o l , s. a. K o s t e n 188ff. I n c r e a s i n g R e t u r n s , s. L o c k e d - I n - P r o z e ß , Random Walk Index B a s i s j a h r , - p e r i o d e e i n e s I n d e x , s. d o r t des gewogenen nominalen Außenwerts 785 d e s g e w o g e n e n realen A u ß e n w e r t s 7 8 6 des nominalen Außenwerts 785 des realen A u ß e n w e r t s 785 P r e i s i n d e x , s. d o r t i m p l i z i t e r , s. B I P - D e f l a t o r d e r L e b e n s h a l t u n g 3791'.. 4 1 0 . 4 1 2 , 414f. d e r letzten i n l ä n d i s c h e n V e r w e n d u n g 413 des privaten Verbrauchs 413f.

Sach W o r t v e r z e i c h n i s

des S t a a t s v e r b r a u c h s 4 1 4 L a s p e y r e s - I n d e x . s. dort P a a s c h e - I n d e x . s. dort I n d i f f e r e n z k u r v e . intertemporale 657f. Indikator E i n k o m m e n s i n d i k a t o r , s. dort P r o d u k t i o n s i n d i k a t o r . s. dort sozialer, s. W o h l f a h r t s i n d i k a t o r Industry C o n s t a n t - C o s t - I n d u s t r y . s. dort D e c r e a s i n g - C o s t - I n d u s t r y , s. dort I n c r e a s i n g - C o s t - I n d u s t r y , s. dort Intlution(s) 4IOf., 592, 644, 839, 844, 848. 853. 861. 866. 875, 880. 8 8 5 - e r w a r t u n g e n . s. e r w a r t e t e Inflationsrate große d e u t s e h e 411 H y p e r i n f l a t i o n . s. dort importierte 864f. Kosten d e r 4 1 6 f f . , 4 2 1 f . M e s s u n g der 4 1 2 f f . -neutralität des S t e u e r s y s t e m s 4 2 2 ff., 426 -rate 3 2 2 f „ 4 5 8 . 6 0 0 f f . . 6 0 6 , 8 3 0 . 832, 8 3 4 f f . . 861. 874. 877. 879. 884 a u s l ä n d i s c h e 784 erwartete 323f.. 418. 596. 6 0 2 f „ 618, 6 2 6 f f . . 631. 8 8 3 inländische 784 tatsächliche 324. 4 1 8 . 4 2 6 , 4 5 8 , 5 9 5 f f . . 603. 618. 626t'f.. 6 4 2 f f „ 8 4 7 s c h l e i c h e n d e 411 z u r ü c k g e s t a u t e 411 InIbrmation(s) 18. 20. 569. 732 -Offizien/ 8 4 3 fehlerhafte 9 -kosten 1571'.. 609f. u n v o l l s t ä n d i g e 9. 603f., 6 0 7 . 7 3 5 , 738 I n d i v i d u a l k o n s u m 346 Inlandsm a r k t 71 Iff.. 737 -preis 715. 721. 7241"., 728 -produkt 341. 343ff.. 348., 351., 359. 365. 371. 377ff.. 382.. 4 7 4 f., 4 7 7 , 6 5 2 , 772 B r u t t o i n l a n d s p r o d u k t , s. dort N e t t o i n l a n d s p r o d u k t , s. dort n o m i n a l e s 3 7 8 . 454f.. 4 5 6 Preisindex des I n l a n d s p r o d u k t s , s. Bruttoinlandsprodukt-Deflator reales 378. 4 5 4 . 6 0 6 Realwert des Inlandsprodukts 4 1 3 ,

903

454. 459, 463 -zins 622, 6 5 4 f f „ 7 8 3 , 7 9 0 , 8 3 7 f „ 8 4 0 f „ 844, 8 4 6 f f „ 854, 865 Innovation(s) 262, 338, 7 0 4 - p h a s e , s. P r o d u k t z y k l u s , s. p r o z e s s u a les M o n o p o l Input, s. P r o d u k t i o n s f a k t o r -regel, s. a. F a k t o r e i n s a t z m e n g e 175 Inside-Lag 622f. I n s i d e r - O u t s i d e r - M o d e l l , s. a. Arbeitslosigkeit 406f., 4 1 0 Integration, internationale ö k o n o m i s c h e 743 Interest, o w n rate of; s. E i g e n z i n s s a t z Interimsperiode, s. a. Vertrag von M a a s tricht 887 Intermediate Lag 6 2 4 Internationaler W ä h r u n g s f o n d s , s. I W F Interventionen der Z e n t r a l b a n k ( e n ) , s. a. E W S , S y s t e m von Bretton W o o d s 863 intramarginale 8 7 0 marginale 870 Interventionspunkt o b e r e r 792 unterer 792 Investierbare F o n d s , s. a. K r e d i t n a c h f r a g e 467 Investition(s) 346, 354. 3 6 5 , 367. 371, 3 7 5 , 377. 384, 4 6 5 f f „ 4 7 4 f f „ 5 0 6 f f „ 5 1 9 f f . , 5 6 8 f „ 5 7 4 f f „ 6 0 8 , 612, 6 2 4 , 6 5 3 , 6 5 5 f „ 773, 7 7 6 f „ 8 0 0 , 816, 819, 881 A u s r ü s t u n g s i n v e s t i t i o n , s. dort a u t o n o m e 504, 507. 521, 525, 5 3 7 . 816 Bauinvestition, s. dort Bruttoinvestition, s. dort - f a l l e 552, 555, 5 8 4 , 5 8 6 f f . , 591. 595. 616 F i n a n z i e r u n g einer Investition 4 7 6 . 4 7 9 , 488,639.646,648.661 - f u n k t i o n . m a k r o ö k o n o m i s c h e 5 0 2 ,521, 524, 550 geplante 4 6 8 , 4 7 5 f „ 4 9 5 . 499. 5 0 1 . 511. 5 2 3 f „ 652 g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e 7 7 3 . 776f. private 6 1 6 f „ 6 1 9 , 649, 652. 653f., 6 5 7 f „ 661, 7 7 3 staatliche 6 3 1 , 6 4 6 , 653f., 646, 648, 7 7 3 . 885 Lagerinvestition, s. dort - m u l t i p l i k a t o r 5 0 3 , 505. 511 -nachfrage 327

904

Sach Wortverzeichnis

Nettoinvestition, s. dort ö f f e n t l i c h e . s. staatliche private 4 7 5 . 478. 4 8 8 . 5 0 7 , 5 1 5 , 5 4 3 f f „ 547. 549. 557. 6161'., 6 1 9 , 649, 6 5 2 f f „ 657t'.. 661. 773 - q u o t e 885 Reinvestition, s. dort realisierte 4 7 5 staatliehe 4 7 4 . 6 3 1 . 6 4 6 . 648, 6 5 3 f „ 773. 885 -theorien 573IT. u n g e p l a n t e . s. a. Lagerinvestition 495, 500. 504. 5 9 3 Irrationalität, s. Rationalität I S - K u r v e 5 191".. 5 2 2 f f . . 525ft'„ 53711. 541 IT.. 551 f., 5 5 4 . 557, 5 8 3 f f „ 58911, 61611'.. 802t'.. 8 0 5 f f . , 8 1 9 f f . I S - L M - M o d e l l 5 1 9 f f . . 5 7 9 . 5 8 9 f f . , 593, 61611'.. 619. 6 2 1 , 8 0 0 Israel 6 6 6 Italien 6701'.. 673, 7 4 3 IWF. s. a. R e s e r v e p o s i t i o n . Sonderziehungsrecht 764f.. 863. 867 J-Kurven-Effckt 813f. Japan 666. 6 6 8 f f . K a m p f p r e i s u n t e r b i e t u n g 265 K a n a d a 666. 670 Kapital 2. 4. 290. 3 2 I f f . . 468. 6 9 1 , 697ff., 7001'. -bilanz 756fl'.. 7 6 2 f „ 7 6 6 f . . 7 7 5 , 8041'., 815 im engeren S i n n e 7 5 6 f f . . 7 6 3 f . . 768f., 775 im weiteren S i n n e 7 5 5 f f . , 763. 775 - e i n k o m m e n , s. G e w i n n -export 7 5 7 . 7 7 0 . 7 7 6 f „ 860 N e t t o k a p i t a l e x p o r t , s. dort -gut 133. 324 H u m a n k a p i t a l , s. dort -import 7 5 7 . 7 9 5 . 8001'f„ 807. 821, 8 6 0 N e t t o k a p i t a l i m p o r t , s. dort -intensität der P r o d u k t i o n , s. a. Arbeitsintensität. Faktoreinsatzverhältnis 575, 692. 698 ff. -koeffizient 574 -kosten, s. Z i n s k o s t e n -knappheit 410 -markt 4471'.. 4 6 6 f f „ 4 7 6 f f . (un-) v o l l k o m m e n e r 654f., 741 f., 847, 849f.

-mobilität, s. a. Faktormobilität 7 1 1 , 843f., 801 ff., 8 2 0 f f „ 847 -nutzung Preis der K a p i t a l n u t z u n g , s. G e w i n n , s. Zins p h y s i s c h e Nettoproduktivität d e s Kapitals 3 3 6 -stock 4 6 9 , 4 7 2 f „ 4 8 2 , 486, 5 7 3 , 580, 618, 6 5 2 , 6 5 6 f . gewünschter 573ff. tatsächlicher 574f. - v e r k e h r 665, 835. 861, 863, 8 7 6 W e r t p r o d u k t i v i t ä t des Kapitals 3 3 6 Kartell 2 5 6 f f . , 2 6 3 , 2 6 6 f „ 6 1 0 A n m e l d e k a r t e l l , s. dort Erlaubniskartell, s. dort M e n g e n - , Quotenkartell, s. dort Preiskartell, s. dort -verbot 2 6 6 W i d e r s p r u c h s k a r t e l l , s. dort Kassa- g e s c h ä f t 782 -kurs 7 8 1 , 835, 842f.. 849 -markt 7 8 2 -preis 62 K a s s e n h a l t u n g ( s ) 4 2 1 , 4 5 3 , 852 -dauer 4 5 4 g e w ü n s c h t e , s. G e l d n a c h f r a g e -koeffizient 454, 558 nominale 480 reale 4 8 0 , 5 8 7 Kaufkraft 416 -argument 317 einer W ä h r u n g , s. B i n n e n w e r t einer Währung -paritäten-theorie, s. a. B i n n e n w e r t einer W ä h r u n g 8 2 9 f „ 831 ff., 8 4 4 f f „ 8 5 3 absolute 8 3 2 f f . relative 832l'f. -Wechselkurs, s. K a u f k r a f t p a r i t ä t e n t h e o rie K e n n e d y - R u n d e , s. a. G A T T 7 2 0 Keynes-El'fekt 5 8 7 K e y n e s i a n i s m u s 491 ff., 555, 5 6 5 , 5 9 5 f f „ 615,618, 625,641 Klassik 4 6 3 , 5 5 7 K n a p p h e i t lf. K o i n z i d e n z der T a u s c h - und Z a h l u n g s w ü n s c h e , s. d o p p e l t e K o i n z i d e n z der T a u s c h - und Z a h l u n g s w ü n s c h e , s. a. Geldfunktion

Sach Wortverzeichnis

Kolumbien 666 K o n j u n k t u r , s. a. Arbeitslosigkeit, Geld-, Fiskalpolitik 4 0 1 . 4 0 7 . 491 f., 5 1 5 f „ 5681'..572. 574f.. 5951'., 603, 608. 613, 62 2 IT. -/yklus politischer 625 realer 6 0 8 Konkurren/, monopolistische 2401T., 7 0 9 f f . potentielle, s. a. Markteintrittsbarrieren 182 v o l l k o m m e n e , s. Polypol Konkursspirale 5 8 8 K o n s u m , s. a. K o n s u m a u s g a b e n 346ff., 368. 375IT.. 382. 384, 4741'., 4771'f., 4881'.. 499IT.. 517. 524, 527, 542. 5 4 5 , 547. 550. 5 5 2 . 565ft'.. 620, 6 3 2 , 6 5 3 , 65711'.. 6601".. 708. 797 a u t o n o m e r 4 9 7 . 507, 525 f.. 537. 5 6 4 , 816 -effekt 722t".. 7 2 7 f f „ 7 4 0 -l'unktion 5 0 1 . 504. 5 0 9 keynesianische 4 9 6 f., 501. 514, 564f. kurzfristige 565f.. 572 langfristige 5 6 5 f „ 572 G e g e n w a r t s k o n s u m , s. dort geplanter 4 7 5 . 502. 5 10. 564, 571 - m ö g l i c h k e i t e n , s. T r a n s f o r m a t i o n s kurve privater 383. 4 7 4 f „ 4 7 7 , 4 8 8 f., 507f. . 5 17. 5 2 3 f f . . 589. 6 2 0 f „ 649, 652 -quote durchschnittliche 4 9 6 f . . 5 6 4 f f „ 57 l f f . marginale 4 9 6 f.. 502 f.. 5 0 6 . 512, 526. 555. 564f.. 572, 8 1 6 staatlicher, s. a. K o n s u m a u s g a b e n des Staates u. S t a a t s a u s g a b e n 4 7 7 . 7 7 3 I n d i v i d u a l k o n s u m , siehe dort Z u k u n f t s k o n s u m . s. dort Konsumausgaben -der privaten Haushalte 345f., 365f., 369. 377. 384 -der privaten O r g a n i s a t i o n e n o h n e E r w e r b s / w e c k 369 -des Staates 354f.. 369, 3 6 5 f f . , 369, 371. 377. 383. 3 8 4 -private 346. 366. 369

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Konsumenten -rente 4 4 f f „ 5 7 f „ 6 4 , 2 0 0 f f „ 226, 2 3 5 f f „ 639, 715, 7 2 l f f . . 725. 727. 731. 7 3 3 f f . , 746, 7 5 0 -Souveränität 6, 2 0

K o n t i n g e n t r e n t e 725, 728 Konto P r o d u k t i o n s k o n t o , s. dort V e r m ö g e n s ä n d e r u n g s k o n t o , s. dort Kontrakte, implizite 4 0 7 k o n v e n t i o n e l l e Lehre der Staatsverschuld u n g , s. W a c h s t u m s a n s a t z K o n v e r g e n z k r i t e r i e n , s. a. Vertrag von Maastricht 8 7 7 f f „ 882ff. Konzept I n l ä n d e r k o n z e p t , s. dort I n l a n d k o n z e p t , s. dort Koordination 7, 14 ff. Kopfsteuer 477ff., 487f.. 507ff. K o p p e l u n g s v e r t r ä g e 265 Kosten A n s c h a f f u n g s k o s t e n , s. dort - d e g r e s s i o n , kurzfristige 140, 144f. D u r c h s c h n i t t s k o s t e n , s. dort einzelwirtschaftliche 127.705 - e r s p a r n i s s e 741 externe, s. a. D e c r e a s i n g Cost Industry 705ff.. 708 interne, s. steigende Skalenerträge f i x e 134 ff.. 168 f. - f u n k t i o n , relative 698f. G e s a m t k o s t e n , s. dort G r e n z k o s t e n , s. dort I n f o r m a t i o n s k o s t e n , s. dort k o n t r a k t b e s t i m m t e 156f„ 338 k u r z f r i s t i g e e i n z e l w i r t s c h a f t l i c h e 136ff. - k u r v e , s. K o s t e n f u n k t i o n langfristige e i n z e l w i r t s c h a f t l i c h e 145ff. M e n ü k o s t e n , s. dort O p p o r t u n i t ä t s k o s t e n . s. dort private 1 2 3 f f . . 4 4 4 , 721 soziale, s. v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e -Steuer 3 6 0

variable 1 3 4 f f „ 1 4 0 f „ 145 ff. v e r m e i d b a r e fixe 18f., 135. 167 v e r s u n k e n e , s. auch v e r m e i d b a r e fixe 131 f., 168. 8 1 5 v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e 71 f., 127, 275. 3 3 7 f f . , 382, 721 f.. 737. 739!". -vorteile 7 3 7 absolute, s.a. Markteintrittsbarrieren, Handel 675, 678, 6 8 2

906

Sach Wortverzeichnis

k o m p a r a t i v e , s. a. H a n d e l 6 7 8 f f . , 6 8 0 , 6881'.. 6 9 4 . 6 9 7 . 6 9 9 , 7 0 4 , 7 0 7 f . , 711 W a r t e k o s t e n , s. d o r t K r e d i t 321 ff.. 4 2 3 f „ 4 3 6 , 4 3 8 f . , 4 4 1 , 443f.. 476. 520, 865f. -abwicklungsfonds 635f. -angebot 332ff.. 4 6 6 f f „ 476.. 4 7 9 , 488 -aufnähme, öffentliche 648f. D i s k o n t k r e d i t , s. d o r t -Ii n a n z i e r u n g der Fiskalpolitik 854 staatlicher Investitionen 646, 6 4 8 k u r z f r i s t i g e r , s. a. E W S 8 7 0 L o m b a r d k r e d i t , s. d o r t - m a r k t , s. a. K a p i t a l m a r k t 3 3 2 . 5 8 f f . , 3321".. 4 4 5 f f . m i t t e l f r i s t i g e r , s. a. E W S 8 7 0 -nachfrage 332ff.,466ff„ 476. 479, 488 s e h r k u r z f r i s t i g e r , s. a. E W S 8 7 0 K r e u z p r e i s e l a s t i z i t ä t 120t". Kriterium der aktiven Arbeitsplatzsuche 388 d e r Konvergenz der langfristigen Zinss ä t z e . s. a. V e r t r a g v o n M a a s t r i c h t 877, 883 der Nichterwerbstätigkeit 388 d e r P r e i s n i v e a u s t a b i l i t ä t , s. a. V e r t r a g von Maastricht 877. 883 der Verfügbarkeit 388. 392f. d e s stabilen A u ß e n w e r t s , s. a. V e r t r a g von Maastricht 877. 883 e i n e r auf D a u e r t r a g b a r e n F i n a n z l a g e d e r ö f f e n t l i c h e n H a n d , s. a. V e r t r a g v o n Maastricht 877 f i n a n z p o l i t i s c h e s , s. a. V e r t r a g v o n Maastricht 884IÏ. Kursarbitrage 782 k u r z f r i s t i g e P e r i o d e , s. a. K o s t e n 136 L a g e r l d e s ) i n v c s t i t i o n , s. a. V o r r a t s v e r ä n d e r u n g 346. 495, 500 Lagrange-Methode 94ff. Land g r o ß e s 7 2 3 f f . . 7 2 9 . 7 3 1 f. k l e i n e s 7 2 0 . 7 2 3 . 7 2 9 . 8 4 4 , 851 L a n d - lind F o r s t w i r t s c h a f t , s. a. S e k t o r 3571'.. 6 9 0 . 7 2 0 , 7 2 2 f f . l a n g f r i s t i g e P e r i o d e , s. a. K o s t e n 145 l a n g f r i s t i g e s G r u p p e n g l e i c h g e w i c h t , s. G l e i c h g e w i c h t im P o l y p o l Langzeitarbeitslosigkeit 395. 398 Laspeyres-Index 3 8 1 . 4 1 4

Laspeyres-Preisindex 380, 381, 382, 4 1 4 Lastverschiebung, intertemporale 632, 639, 648ff. -Verteilung, s. i n t e r t e m p o r a l e L a s t v e r schiebung L a w of o n e P r i c e , s. G e s e t z d e r U n t e r schiedslosigkeit der Preise Leben(s) -standard 566 -Zeiteinkommen, e r w a r t e t e s 5 7 0 - z y k l u s h y p o t h e s e , s. a. E i n k o m m e n h y pothesen 570ff. L e i s t u n g s b i l a n z 375, 6 6 1 , 7 5 5 , 7 5 7 f . , 761 f., 7 6 9 , 7 7 1 f., 7741T., 7 9 6 f . , 7 9 9 f „ 804f„ 807ff., 814f„ 819, 821, 8 2 3 f „ 8 5 2 f f „ 860, 8 6 6 , 8 6 8 -defizit 6 5 4 f f „ 761, 771, 774, 7 7 6 f „ 807, 8 6 1 , 8 6 4 , 8 6 6 - m u l t i p l i k a t o r im E i n k o m m e n Ausgaben-Modell 798f. -saldo 375f., 652ff., 759, 761, 769. 7 7 2 f „ 774, 7 7 6 , 8 0 1 , 8 0 4 , 8 1 5 -Überschuß 861, 886, 771, 7 7 6 f „ 824 Leit- k u r s , s. a. P a r i t ä t e n g i t t e r 8 7 0 -Währung 8 6 4

Leontief-Paradoxon 700 L e r n e f f e k t , s. a. Q u a l i f i k a t i o n , s t e i g e n d e Skalenerträge, externe Kostenersparnisse 741 Lerner-Index 225 L i b e r a l i s i e r u n g , s. P r i n z i p d e r L i b e r a l i s i e rung Liquidität(s) 4 3 0 -beschränkung 4 2 3 f f „ 659f. -effekt einer G e l d m e n g e n e r h ö h u n g 540, 550 -falle 460, 535, 549, 5 5 4 f „ 585ff., 591, 595,616 -präferenztheorie des Zinses 527f., 530 - r e s e r v e 4 4 0 , 4 4 4 f., 4 4 7 , 4 5 0 , 4 5 2 L M - K u r v e 5 1 9 , 5 2 7 , 5 3 2 f f „ 5 3 7 f f „ 5411'., 5 4 4 f f „ 5 4 7 f f , 551 ff., 5 5 7 , 5 8 3 f f „ 5 8 9 f f „ 616ff., 819f., 822 klassischer Bereich 536 normaler Bereich 536 L o c k e d - I n - P r o z e ß 7 0 6 . 7 0 8 , 71 1

Sach W o r t v e r z e i c h n i s

Lohn 463, 597, 665, 689, 7 0 2 f „ 796 -ersatzleistung. s. auch Arbeitslosengeld, -hilfe 408 -flexibilität, s. Lohnstarrheit -kosten 337, 679, 687, 704 -niveau 307 IT., 600, 677, 698, 709, 879 Nominallohn, s. dort -Politik 594. 880 -quote 373 Reallohn, s. dort -Starrheit 31511.. 403ff., 5 9 2 f f „ 740, 880 kurzfristig 6 0 9 f f „ 630 -Steuer, s. e i n k o m m e n s a b h ä n g i g e Steuer Lombard -kredit 436. 452 -politik 4 4 5 f f . -satz. s . a . Zins 446. 4 5 1 . 4 5 3 Lucas-Angebotsfunktion 604 Lücke inflatorisehe 818 technologische, s. technologischer Vorsprung L u m p of Labour Fallacy 3 1 9 f „ 4 6 4 Lump of Output Fallacy 465 Luxemburg 6701"., 743 Luxusgut 1 19 M1. s. G e l d m e n g e M2. s. G e l d m e n g e M3. s. G e l d m e n g e M 3 erweitert, s. G e l d m e n g e Maastricht, s. Vertrag von Maastricht Makroökonomie 463 neue klassische 603ff., 615 Marginalismus. s. Marginalprinzip Marginalprinzip 88 ff. Markt 35ff. -abgrenzung 37, 270 -beherrschende Stellung, s. auch Marktmacht 265, 268, 270ff. bestreitbarer 228 -eintritt(s) -barrieren 160, 2 2 7 , 2 6 4 , 3 3 8 , 7 3 7 freier, s. a. Polypol, monopolistische Konkurrenz 709, 737, 739 -formen 15 8 ff. g e m e i n s a m e r 744 heterogener 3 8 . 1 5 9 , 709. 7 1 1 , 7 1 4 , 725f„ 834, 854 h o m o g e n e r 38. 159f. ideal organisierter 55, 160, 192 -macht 219. 224ff.. 2 6 6 f f „ 338. 609.

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732 -nachfrage 40ff„ 220 o f f e n e r 448 -räuniung, s. a. Gleichgewicht d e r diversen M a r k t f o r m e n 4 7 0 relevanter 2 7 0 schwarzer 68f., 381 temporär u n v o l l k o m m e n e r 160 -transparenz 160 Verkettungszusammenschluß, s. a. U n t e r n e h m e n s z u s a m m e n s c h l u ß 264 -versagen, s. Marktmacht v o l l k o m m e n e r 38, 160 -Wirtschaft 13f„ 207 ff. inhärente Instabilität der Marktwirtschaft 522, 569, 574, 615 -zins, s. Zins Marshall-Lerner-Bedingung 8f Off, 817 M a ß n a h m e n , handelspolitische, s. Handelspolitik Meistbegünstigungsklausel, s. a. Prinzip der allgemeinen und unbedingten Meistbegünstigung 254, 743 Menge(n) -karteil 260ff. -notierung des Wechselkurses 779, 785 relative, s. a. relatives Angebot, relative N a c h f r a g e 694ff. -tender 4 4 8 M e n ü k o s t e n 421, 609 Merkmalsdiskrepanzen, s. auch strukturelle Arbeitslosigkeit 400f. Mexiko 666 Miete, s. G e w i n n Mikrozensus, s. a. Arbeitslosigkeit 389, 392 Mindest-lohn 404, 4 0 9 -arbeitslosigkeit 404 -preis auf einem Markt 70ff. -reserve 431, 434, 4 4 0 ff., 451 ff. -politik 451 ff, 887. -satz 452, 623 Mismatch, s. Merkmalsdiskrepanzen Mißbrauchsaufsicht 265. 271 Mobilität der Produktionsfaktoren internationale 744 monetäre Basis, s. Geldbasis monetäre Nachfrage, s. G e l d n a c h f r a g e Monetarisierung von Aktiva 435, 4 4 9 Monetarismus 555, 596ff., 6 1 5

908

Sachwortverzeichnis

M o n o p o l 36. 87, 100. 1580'., 338, 610, 702. 705. 709, 712, 737, 7 4 7 f f . auf d e m I n l a n d s m a r k t 7 2 6 f f . b e s c h r a n k t e s 159 bilaterales 159 natürliches 151, 2 0 0 p r o z e s s u a l e s , s. a. t e m p o r ä r e Marktm a c h t 262. 7 0 4 T e i l m o n o p o l , s. dort t e m p o r ä r e s , s. p r o z e s s u a l e s M o n o p o l m o n o p o l i s t i s c h e K o n k u r r e n z 239ff. langfristiges G l e i c h g e w i c h t 240f., 7091T. M o n o p s o n 159. 729. 731 Teil- 159 Moral H a z a r d 4 0 5 m o r a l i s c h e s W a g n i s , s. Moral Hazard M o t i v a t i o n , s. a. A r b e i t s a n g e b o t 18, 20, 402 Münz(e) 430 -regal 435 Multiplikator A u s g a b e n m u l t i p l i k a t o r , s. dort e l e m e n t a r e r Multiplikator im Einkommen-Ausgaben-Modell bei e i n k o m m e n s a b h ä n g i g e n Steuern kurzfristig b z w . k e y n e s i a n i s c h 525fT., 537. 539fT., 5 5 4 f „ 5571T., 562t'.. 6161'. langfristig 621 bei e i n k o m m e n s u n a b h ä n g i g e n Steuern 5021T.. 5 0 5 f f . G e l d m e n g e n m u l t i p l i k a t o r , s. dort G e l d s c h ö p f u n g s m u l t i p l i k a t o r , s. dort S t a a t s a u s g a b c n m u l t i p l i k a t o r , s. dort S t e u e r s a t z m u l t i p l i k a t o r , s. dort M u n d e l l - F l e m i n g - M o d e l l . s. a. IS-LMM o d e l l 800ft".. 8 1 9 f f . Nachfrage aggregierte binnenwirtschartliche 371 IT.. 3771".. 380. 4 0 1 , 4 0 7 , 4 6 3 ff.. 4751". 478. 481 ff.. 4 9 2 f f . 5 1 0 . 514, 519, 52311'.. 5 2 7 . 538. 541 IT, 5 5 7 f f „ 573, 5 7 9 t T . 5 8 8 f f . . 5981'., 600, 6041T., 611 f., 6161'.. 630. 639. 797, 799t"., 807, 8161". auf d e m W e l t m a r k t 6 8 1 , 6 8 5 , 708, 7271T.. 7351".. 7 4 1 . 7 5 1 auf e i n e m einzelnen Markt, s. a. Preisabsatzl'unktion 1 5 f f . , 3 8 f f „ 44tT., 540'.,

60t".. 8011'.. 104IT., 400, 609r„ 705, 7121't'.. 7 2 0 f f „ 726t'., 7320'., 739f., 745,

748r. geknickte, s. a. O l i g o p o l 249 g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e , s. aggregierte binnenwirtschaftliche k e y n e s i a n i s c h e 557tT., 582 klassische 4 6 3 f f „ 4 7 4 f f „ 559 m o n e t ä r e , s. n o m i n a l e g e s a m t w i r t schaftliche N a c h f r a g e

nominale 457, 460, 630r. reale 4 5 7 , 4 6 0 , 4 7 6 , 4990"., 5 0 8 f r . , 583f., 5 8 9 f f . -gesetz, s. G e s e t z der U n t e r s c h i e d s l o sigkeit der Preise individuelle 40, 4 7 , 4 6 4 in einer Zollunion 7 4 8 inverse 39, 4 7 , 72 f. isoelastische 1 0 9 f f . , 7 3 4 Preiselastizität der N a c h f r a g e , s. dort relative, s. a. Handel 6 8 6 , 6940"., 7 0 6 f . spezielle 540"., 720". -Überschuß 16f., 54, 64 ff., 5 3 8 f „ 5 8 8 ,

590 a u t d e m A r b e i t s m a r k t 599, 6 0 2 , 611 v o l l k o m m e n elastische 7 2 9 -vorbehaltspreis 44 N a t i o n a l e i n k o m m e n 348, 351 f., 359, 371 f., 382 Natural Rate of Output, s. natürliches Produktionsniveau Naturalwirtschaft 464f. N e c e s s i t y , regrettable, s. b e d a u e r l i c h e Notwendigkeit negative Auslese, s. A d v e r s e Selection Nennwert 530 Neo- r a k t o r p r o p o r t i o n e n t h e o r i e , s. a. Heckscher-Ohlin-Theorie 700 - k e y n e s i a n i s m u s 608tT. -klassik 4 6 3 Netto- a u s l a n d s a k t i v a der D e u t s c h e n B u n d e s b a n k , s. G o l d - und D e v i s e n b i l a n z -belastung zukünftiger Generationen

650r. - f o r d e r u n g e n , s. N e t t o a u s l a n d s p o s i t i o n -auslandsnacht'rage 556, 569, 622 -auslandsposition 770, 774, 8 5 2 f f .

-auslandsvermögen 377, 649, 654rr., 652, 7 6 1 , 7 7 0 f . , 7 7 4 f f „ 851 -gläubigerland 649, 770r. - g l ä u b i g e r p o s i t i o n . s. N e t t o g l ä u b i g e r land

Sach Wortverzeichnis

-giitersteuern 355. 357ff. - I n v e s t i t i o n 3 5 0 . 3 5 9 . 372t'., 3 7 6 f f . -kapital- e x p o r t 7751". - i m p o r t 7 7 5 . 8 0 1 f., 8 0 4 - i n l a n d s p r o d u k t 3 4 7 . 3 4 8 , 3 5 1, 3 6 2 , 375, 377 - i n v e s t i t i o n 3461'., 3751'., 5 7 3 - k r e d i t a u f n a h m e der Öffentlichen Hand, s.a. S t a a t s v e r s c h u l d u n g 6 4 3 -löhne 373 - n a t i n a l e i n k o m m e n 3 5 1 f., 3 5 9 . 3 7 1 f., 3741'.. 3 7 7 -produktionsabgaben 371 - S o z i a l p r o d u k t , s. a. N c t t o n a t i o n a l e i n k o m m e n u. P r i m ä r e i n k o m m e n 7 7 3 zu F a k t o r k o s t e n ( V o l k s e i n k o m m e n ) 7 9 7 . 8 161".. 8 2 2 zu M a r k t p r e i s e n 6 5 3 nominales 480, 535 o.k. reales 480. 584 -staatsverschuldung 646 - Ü b e r t r a g u n g e n an d a s A u s l a n d , l a u f ende 375. 6 5 3 f „ 772ff. -vermögensposition des Staats 646, 6 5 4 -Übertragungen 774ff. - w e r t s c h ö p f u n g 345. 347f. Neue Orthodoxie 641, 648ff. Nicht- f i n a n z i e l l e K a p i t a l g e s e l l s c h a f t e n 361 f. -marktaktivität 382 - n e u t r a l i t ä t des S t e u e r s y s t e m s , s. a. Inflation 422 -preisrationierung 65ff., 201 nach dem Windhundverfahren 65 n a c h d e m Z u f a l l s v e r f a h r e n 201 Niederlande 666. 669ff., 673, 743 Nominallohn 482, 485. 492, 581, 583. 5 8 6 . 5911'.. 5941'.. 597IT., 6 0 2 , 6 0 4 , 611 f.. 8 6 2 -Starrheit 5 9 2 f f . . 6 1 0 , 6 1 8 Norm soziale 402. 407 t e c h n i s c h e , s. S t a n d a r d N o t e n , s. a. G e l d f u n k t i o n W e r t a u f b e w a h rungsmittel 430 Notwendigkeit, bedauerliche 383 Nullsummenspiel 676 Nutzen 45. 94, 6 4 0 intertemporaler 570. 658, 6 6 0

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Ö k o n o m i s c h e T h e o r i e der Politik 6 3 9 f . Österreich 671, 673 O f f e n h e i t s g r a d 3 7 0 , 6 6 8 f f „ 881 O f f e n m a r k t , s. o f f e n e r M a r k t - g e s c h a l t 4 3 6 , 4 4 8 ff., 4 5 0 -politik 448ff., 8 5 2 f „ 887 O l i g o p o l 36, 158 ff., 2 4 2 ff., 7 0 2 , 7 0 5 . 709, 747, 815 bilaterales 2 5 9 h e t e r o g e n e s 2 4 7 f f . , 711 homogenes 242ff. T e i l o l i g o p o l , s. d o r t O l i g o p s o n 158 T e i l o l i g o p s o n , s. d o r t O p p o r t u n i t ä t s k o s t e n 2, 1 2 5 f f „ 4 7 0 , 4 7 5 , 520, 693 durchschnittliche Opportunitätskosten e i n e s p o l y p o l i s t i s c h e n A n b i e t e r s 167ff., 176f. marginale Opportunitätskosten eines polypolistischen Anbieters 683, 692f. v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e , s. a. m a r g i n a l e Opportunitätskosten eines polypolistischen Anbieters 278 O p t i m a l z o l l 7 3 1 f. O u t p u t , s. a. ( g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e s ) Angebot, E i n k o m m e n 342ff., 464f., 673. 4 6 8 f f „ 573ff., 6 2 0 f „ 624, 629f. - r e g e l 175 Outside-Lag 622, 624 Paasche-Index 379, 3 8 1 , 4 1 2 P a c h t , s. G e w i n n Parallelp o l i t i k , s. a. p r o z y k l i s c h e E f f e k t e d e r Stabilitätspolitik 5 1 5 verhalten, b e w u ß t e s 251, 267, 6 1 0 Parität(en) 7 9 0 f f „ 7 9 5 -gitter, s.a. L e i t k u r s 8 7 0 f f . Passivreserve 451 P e n s i o n s g e s c h ä f t , s. W e r t p a p i e r p e n s i o n s geschäft Pflegeversicherung 645 Phillips-Kurve 600 kurzfristige 603, 627f. langfristige 602f. modifizierte 600f„ 627 Pigou-Effekt 586ff. P i o n i e r u n t e r n e h m e n , s. P r o d u k t z y k l u s Planung d e z e n t r a l e 13 zentrale 99

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Sachwortverzeichnis

Polen 6 7 3 Politik d i s k r e t i o n ä r e 615 Fiskalpolitik, s. dort - i n e f f e k t i v i t ä t s p o s t u l a t , s. a. T h e o r i e der rationalen E r w a r t u n g e n 6 0 4 f f . L o m b a r d p o l i t i k , s. dort M i n d e s t r e s e r v e p o l i t i k , s. dort O f f e n m a r k t p o l i t i k , s. dort Rediskontpolitik, s. dort Verteilungspolitik, s. dort Z a n g e n p o l i t i k , s. dort Polvpol 361'.. 88, 158, ff.. 4 7 1 , 6 7 9 , 687, 693. 6 9 8 f f . . 701 f., 7 0 5 f „ 7 2 0 , 726, 808 P o r t f o l i o 4 4 4 . 4 5 2 , 807, 850. 8 5 4 -theorie 836f.. 844. 8 4 9 f . . 850, 852ff. d e r G e l d n a c h f r a g e , s. a. keynesianische G e l d n a c h f r a g e f u n k t i o n 4 5 3 , 4 5 8 f f . . 61 8f. P r ä f e r e n z e n 159f.. 2 0 7 f „ 6 9 7 P r ä f e r e n / . / o n e . s. a. internationale ökonom i s c h e Integration 7 4 3 Preis- a b s a t / f u n k t i o n , s. a. N a c h f r a g e auf e i n e m Markt 88. 97, 2 2 0 , 2 4 2 , 250, 709f.. 712. 727. 7 3 3 - a b s p r a c h e n 252 -anpassungshypothese I92ff. -anstieg, s. Inflation -bildung a l l g e m e i n e 1241'f. f ü r nicht r e g e n e r i e r b a r e Ressourcen 130 - d i f f e r e n z i c r u n g 229, 7 1 2 a g g l o m e r a t i v e 231 d e g l o m e r a t i v e 231 quantitative 236ff. v o l l k o m m e n e 230 -elasti/tität d e r E x p o r t n a c h f r a g e 8 1 1 , 8 1 3 , 825t". d e r I m p o r t n a c h f r a g e 788. 809, 811. 813. 825ff. d e r N a c h f r a g e 102ff„ 1 lOfff, 220, 2 2 5 . 244. 402. 710, 7 3 2 . 7 4 6 -erwartung(s) naive 198 rationale 596. 6 1 8 statische 4 2 0 -theorie des Zinses 197, 324, 4 2 0 f „ 460 -flexibilität. s. a. Preisstarrheit 591, 847 - g e r a d e ( a u ß e n w i r t s c h a f t l i c h e ) , s. a.

relatives Preisverhältnis 693, 6 9 5 , 7 0 8 Höchstpreis, s. dort -index 396ff, 412, 834 a u s l ä n d i s c h e r 785 der Exporte, s. a. T e r m s of T r a d e 680ff. der Importe, s.a. T e r m s of T r a d e 680ff. der L e b e n s h a l t u n g 379, 380, 4 1 0 , 4 1 2 , 4 1 4 f „ 834 der letzten V e r w e n d u n g 4 1 3 des privaten V e r b r a u c h s 4 1 3 f . des Staats Verbrauchs 4 1 4 impliziter, s. B I P - D e f l a t o r inländischer 7 8 5 V e r b r a u c h e r p r e i s i n d e x , teilharmonisierter, s. dort -kartell 2 5 6 f f „ 267 - m e c h a n i s m u s auf e i n e m M a r k t 19 I f f . M i n d e s t p r e i s , s. dort natürlicher 123 - n i v e a u 410, 4 8 0 f f „ 4 9 1 , 5 5 6 f f „ 5 7 9 f f . 5 9 0 , 5 9 2 f f „ 6 0 4 f f „ 6 0 9 , 611, 6 1 6 f f „ 6 2 4 , 629, 6 3 1 , 641 f., 8 2 3 f „ 831 f., 8 3 4 f „ 849, 854 a u s l ä n d i s c h e s 785, 845 erwartetes 5 9 6 f f . , 6 0 4 f . inländisches 785, 845, 848, 8 5 3 -Stabilität 6 2 3 , 6 2 7 f „ 631, 805, 861 f., 878f. Kriterium d e r Preisniveaustabilität, s. a. Vertrag von Maastricht 877, 8 8 3 tatsächliches 5 9 6 f f „ 604f. w a h r g e n o m m e n e s 599, 6 0 4 - n o t i e r u n g des W e c h s e l k u r s e s 7 7 9 Prohibitivpreis, s. dort relativer 123, 126, 6 0 4 f f „ 676, 6 8 0 f „ 683, 685f„ 690, 693ff„ 706f„ 708 -Starrheit 4 9 2 , 529, 556, 580, 5 9 1 ,

6 0 8 f f „ 612, 847f. kurzfristige 609f., 6 3 0 - s y s t e m 13, 15 ff. -vorteil absoluter 6 8 7 f f . relativer 6 9 6 f „ 6 9 9 P r i m ä r e i n k o m m e n 3 5 0 f f „ 359, 3 7 1 , 3 7 4 f . Prinzip der allgemeinen und unbedingten M e i s t b e g ü n s t i g u n g , s. a. G A T T , W T O 720 d e r Liberalisierung, s.a. G A T T , W T O

Sach W o r t v e r z e i c h n i s

719 der N i c h t d i s k r i m i n i e r u n g , s. a. G A T T , W T O 720 Privatschuldthcse 647f. Private K o n s u m a u s g a b e n , siehe K o n s u m ausgaben, private Produkt D u r c h s e h n i t t s p r o d u k t , s. dort E n d p r o d u k t , s. O u t p u t G r e n z p r o d u k t , s. dort G r e n / . w e r t p r o d u k t . s. dort - V i e l f a l t 6 7 5 . 7 1 Of.

V o r p r o d u k t , s. V o r l e i s t u n g Z w i s c h e n p r o d u k t , s. dort - / y k l u s 7 0 3 f f . . 741 P r o d u k t i o n ( s ) . s. a. A n g e b o t , E i n k o m m e n , Output - d i c k t , s. a. H a n d e l s h e m m n i s s e 7 2 2 , 7271".. 7 4 0 - f a k t o r e n 2 IT.. 19, 2 9 0 ff., 3 4 2 , 4 6 8 kontinuierliche Substituierbarkeit der P r o d u k t i o n s f a k t o r e n . s. v a r i a b l e s F a k t o reinsatzverhältnis mangelnde Substituierbarkeit der P r o d u k t i o n s f a k t o r e n , s. f i x e s F a k t o r e i n sat/verhültnis internationale Mobilität der Produktionsfaktoren 698ff. - f u n k t i o n , s. a. E r t r a g s f u n k t i o n 170, 4681'f.. 4731"., 4 8 3 , 6 9 8 , 7 0 2 linear-homogene 697ff. - i n d i k a t o r 351 f. -konto 347. 353ff. - k o s t e n t h e o r i e 125 - m ö g l i c h k e i t e n k u r v e . s. T r a n s f o r m a t i on s k u r v e - n i v e a u . n a t ü r l i c h e s ( N a t u r a l R a t e of Output) 596. 598f„ 603ff„ 612 -potential(s) Auslastungsgrad des 591, 603, 607f., 639. 6 4 6 Wachstumsrate des 458 -pro/.cß. v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e r 3 4 2 -steuern. 354. 355 - s t r u k t u r , s. a. T r a n s f o r m a t i o n s k u r v e 697. 707. 709 o p t i m a l e , s. T r a n s f o r m a t i o n s k u r v e -Subvention 723 - u m w ' c g e . m e h r e r g i e b i g e ; s. a. I n v e s t i tion 3 2 6 -Verlagerung ins A u s l a n d 7 0 4 -wert 3441'.. 3 4 7 , 3 5 3 f f . . 3 7 7 , 3 8 3

Produktions- und Importabgaben 350, 3 7 1 f., 3 7 4 , 3 7 7 Produktivität(s) 676f. 694, 697, 711 -unterschiede 676, 688, 690, 694, 696, 834 Produzentenrente 5 2 f „ 57f, 64, 2 0 0 f f „ 639. 715, 721, 723, 727, 732f„ 736, 746f. A b s c h ö p f u n g von Produzentenrente 7 3 6 Umlenkung von Produzentenrente 736, 738 Programmierung k o n v e x e , s. a. v a r i a b l e F a k t o r i n t e n s i t ä t 692f. l i n e a r e , s. a. T h e o r e m d e r k o m p a r a t i v e n Kostenvorteile, fixe Faktorintensität 674ff. Progression, kalte 4 2 2 Prohibitiv- p r e i s 38, 1 0 8 , 7 3 4 -zoll 734 P r o p o r t i o n a l s y s t e m , s. a. G o l d s t a n d a r d 860fn. Proportionen f i x e , s. F a k t o r i n t e n s i t ä t v a r i a b l e , s. F a k t o r i n t e n s i t ä t Prozeß primärer expansiver 542, 545f., 547, 550, 552 sekundärer kontraktiver 542, 5 4 5 f „ 547. 550, 552 P u n k t e l a s t i z i t ä t 104 f.. 116 Q u a l i f i k a t i o n , s. a. A r b e i t 6 7 4 , 7 0 0 , 7 3 9 , 741 Quantität(s) - g l e i c h u n g 4 5 5 , 4 8 0 , 4 8 3 f.. 5 3 5 , 6 3 1 -theorie des Geldes 456, 488, 4 9 4 Quasirente 305f. Quote(n) B a r g e l d q u o t e , s. dort G e w i n n q u o t e , s. d o r t L o h n q u o t e , s. d o r t - k a r t e l l . s. M e n g e n k a r t e l l Rabatt T r e u e r a b a t t , s. dort U m s a t z r a b a t t , s. d o r t R a n d o m Walk 569, 704, 843 R a t i o n a l i t ä t , s. a. O l i g o p o l , G e f a n g e n e n d i lemma, Politikineffektivitätspostulat 843, 855

Sachwortverzeichnis

Rationierungsmodell 609 R e a k t i o n s f u n k t i o n , s. a. Oligopol 748, 751 ReaktionsVerbundenheit, oligopolistische 252IT. R e a l l o h n , s. a. reales E i n k o m m e n 307ff., 4 0 3 . 4 6 3 . 4 7 0 f f „ 4 8 2 f f „ 581 f., 5 9 I f f . , 602. 6051'.. 6111".. 618, 699, 701, 8 8 0 e r w a r t e t e r 575, 597f.. 6 0 4 tatsächlicher 5 9 7 f . . 6 0 4 w a h r g e n o m m e n e r , s. a. M o n e t a r i s m u s 598 R e c h e n e i n h e i t , siehe G e l d f u n k t i o n e n R e d i s k o n t g e s e h ä f t , s. Diskontkredit R e d i s k o n i k o n t i n g e n t s. a. Rediskontpolitik 4 4 5 . 4 4 7 . 4 5 2 Rediskontkredit s. Diskontkredit Refinan/.ierungspolitik. s. a. Kredit, L o m b a r d - und O f f e n m a r k t g e s c h ä f t 4 4 5 ff. Regel, s. a. r e g e l g e b u n d e n e G e l d - oder Fiskalpolitik aktive 6 2 9 f . passive 6 2 9 R e g i s t r i e r u n g s m e t h o d e , s. a. Arbeitslosigkeit 3 88 f. Regrettable Necessities 3 8 3 Regulierung G e l d m a r k t r e g u l i e r u n g , s. dort Reihe, g e o m e t r i s c h e 441 Reinvestition 346 Rendite, s. auch Z i n s 3 2 5 f f . -ervvartungen 8 3 6 f f . R e n t - S e e k i n g , s. a. M a r k t m a c h t 226 R e n t e ( n ) 188. 3 0 4 f f „ 570. 5 7 3 B o d e n r e n t e , s. dort K o n s u m c n t c n r e n t e , s. dort K o n t i n g e n t r e n t e , s. dort P r o d u z e n t e n r e n t e . s. dort Q u a s i r e n t e . s. dort U m l e n k u n g von Renten 748 -Versicherung, staatliche 645 Report, s. a. T e r m i n g e s c h ä f t , s. a. Swaps a t / 7821". Reserve 438 A k t i v r e s e r v e . s. dort Barreserve, s. dort Liquiditätsreserve, s. dort M i n d e s t r e s e r v e , s. dort Passivreserve, s. dort -position im Internationalen W ä h r u n g s f o n d s 7641".

stille 390f. Ü b e r s c h u ß r e s e r v e , s. dort -Währung, R e s e r v e w ä h r u n g s s y s t e m 787, 861, 865 R e s i d u a l e i n k o m m e n , s. auch G e w i n n 154ff. R e s s o u r c e n , nicht regenerierbare 383, 6 7 4 Rest- n a c h f r a g e (bei effizienter Rationierung) 7 3 5 -posten, s. S a l d o d e r statistisch nicht a u f g l i e d e r b a r e n T r a n s a k t i o n e n 768f. R e z e s s i o n 394, 4 0 1 , 567, 572. 6 6 9 R e z i p r o z i t ä t s g e s c h ä f t 265 R i c a r d i a n i s c h e s Modell 691, 694, 6 9 6 Ricardo-Barro-Äquivalenztheorem 656ff. Risiko, s. a. U n s i c h e r h e i t 325, 3 3 9 -aversion 8 5 0 - p r ä m i e 338, 8 3 8 f „ 850 R o b i n s o n - B e d i n g u n g 813 Rußland 673 Sachkapital, s. Kapital Saldo d e r E r w e r b s - und V e r m ö g e n s e i n k o m men 3 5 0 , 7 6 1 , 7 6 9 , 772, 7 9 7 der P r i m ä r e i n k o m m e n 350f., 3 7 5 S a t e l l i t e n s y s t e m des v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n R e c h n u n g s w e s e n s 385 Sättigung(s) - m e n g e 38, 108 -these 3 2 0 spezielle 154 S a y s c h e s T h e o r e m 4 6 3 ff. S c h e i n d e f i z i t , s. a. H a u s h a l t s d e f i z i t 644f. S c h l a n g e im T u n n e l , s. a. E u r o p ä i s c h e r Wechselkursverund, Washingtoner W ä h r u n g s a b k o m m e n 869 S c h m u s e k a t z e n t h e o r i e der ö f f e n t l i c h e n Schuld, s. N e u e O r t h o d o x i e S c h o c k , g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e r realer 569, 8 5 5 Schuld(en) -dienst der Ö f f e n t l i c h e n H a n d , s. Z i n s e n auf die Staatsschuld ö f f e n t l i c h e , s. Staatsschuld -stands-quote 6 3 8 f f „ 882, 884f. -kriterium, s. a. Vertrag von M a a s tricht 882, 884ff. S c h u t z z o l l , s. Z o l l s c h u t z S c h w a r z a r b e i t 381

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Schweden 673 S c h w e i n e z y k l u s . siehe Stabilität im Polypol Schweiz 6 7 1 . 6 7 3 Seite, kürzere, s. R a t i o n i e r u n g s m o d e l l S e k t o r e n 357. 3 6 0 , 361, 362 S e k t o r e n e i n t e i l u n g 360. 361 Selbst- b e s c h r ü n k u n g s a b k o m m e n , freiwilliges, s. a.nichttarifäre H a n d e l s h e m m n i s s e 718. 725 - b e s t i m m u n g , s. K o n s u m e n t e n s o u v e r ä nität Sieht -einlagen 431 ff., 4 4 0 f f . . 4 5 0 f „ 4 5 9 - g u t h a b e n , siehe -einlagen -Verbindlichkeiten, s. -einlagen Sickerverlust 504. 7 9 8 Singapur 668 Skalenerträge konstante, s. a. C o n s t a n t Cost Industry 4 6 9 . 682. 706. 7 4 4 steigende, s. a. externe, interne Kostenersparnisse 1 4 8 f „ 228. 669, 675, 7 0 5 f f . . 709. 7 1 1 , 7 3 7 , 7 4 7 S m i t h s o n i a n A g r e e m e n t , s. W a s h i n g t o n e r Währungsabkommen S o n d e r z i e h u n g s r e c h t 764f.. 867 Sorten, s. a. D e v i s e n 781 Sozial- d u m p i n g 677. 6 8 9 -beitrag 370. 3 7 2 f . -hilfe 4 0 8 -politik 744 - p r o d u k t 4 9 5 . 5 7 9 , 593, 653. 777, 801, 815. 817f.. 820 B r u t t o s o z i a l p r o d u k t , s. dort N c t t o s o z i a l p r o d u k t , s. dort r e a l e s 8451'. S p a n i e n 671, 673 S p a r t e n ) 376. 4 6 5 f f . , 4 8 8 ; 504ff.. 5 l 0 f . . 523. 7761". -einlagen 4 3 0 . 4 3 2 , 4 5 1 , 4 5 9 -funktion k e y n e s i a n i s c h e 4 9 7 f f . , 501 f., 506f. klassische 4 6 6 f f „ 4761'.. 4 7 9 ö f f e n t l i c h e s , s. staatliches privates (inkl. Ersparnis der U n t e r n e h m e n ) 3321'f.. 4 1 8 f f . . 4 7 6 ; 523, 570, 5 7 3 , 651 f f . . 657f.. 6 6 0 f f . , 7 7 3 g e p l a n t e s 4 7 6 f f . . 499, 501, 6 5 3 -quote (gesamtwirtschaftliche) 885

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durchschnittliche 498 m a r g i n a l e 4 9 8 , 503, 651, 7 9 7 f „ 802 private 885 realisiertes 503f. staatliches 652, 657, 7 7 3 Spekulation(s), s. a. B u b b l e s 62f. -kasse 528, 554 Spezialisierung(s) 6 7 4 f „ 6 7 9 f f „ 6 8 5 . 696. 702, 7 0 6 f . -gewinn 676 Staat(s) 5 1 1 , 5 1 3 , 6 2 9 a u s g a b e n 4 7 7 f f „ 4 8 7 f f „ 5 0 7 f f . , 511 ff.. 5 1 5 f „ 5 2 4 f f „ 527, 537, 5 4 3 f f . , 589, 6 1 5 , 6 1 7 , 6 2 1 , 6 2 5 , 6 3 2 , 800 E r h ö h u n g der S t a a t s a u s g a b e n p e r m a n e n t e 621 transitorische 621, 6 3 9 kreditfinanzierte 6 1 5 f f „ 6 3 9 f f . , 6 4 9 f f . . 652ff. -multiplikator im E i n k o m m e n - A u s g a b e n - M o d e l l 51 l f . im I S - L M - M o d e l l 544, 548f. s t e u e r f i n a n z i e r t e 640, 6 4 9 f f . -einnahmen 717 -haushalt, s. a. Haushaltsdefizit, Staatsschuld A u s g l e i c h des Staatshaushalts 516, 621, 631 f. -schuld, s. a. H a u s h a l t s d e f i z i t 6 1 9 , 635ff„ 648ff. n o m i n a l e 644f. reale 6 4 4 f . - v e r b r a u c h , s. a. K o n s u m a u s g a b e n des Staates 353, 365 Stabilisator, a u t o m a t i s c h e r 515, 6 2 3 , 632 Stabilität(s) -gesetz, siehe G e s e t z zur F ö r d e r u n g der Stabilität und des W a c h s t u m s d e r Wirtschaft -politik 5 5 6 , 6 1 5 , 8 8 8 antizyklische 522 diskretionäre 596, 622, 6 2 5 f f . p r o z y k l i s c h e E f f e k t e der Stabilitätspolitik, s. a. Parallelpolitik 6 2 5 Stackelbergsche Unabhängigkeitsposition 738 Stagflation 4 1 1 , 8 6 7 Standard, technischer, s. a. nichttarifäre H a n d e l s h e m m n i s s s e 719 S t a n d a r d i s i e r u n g s p h a s e , s. P r o d u k t z y k l u s

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S t e r i l i s i e r u n g s p o l i t i k , s. n e u t r a l i s i e r e n d e Geldpolitik S t e u e r * n ) 3 5 4 f f „ 3 7 1 , 3 7 3 , 3 7 7 , 3 8 2 , 519, 6 2 5 f . . 6 3 2 . 6 3 9 f f „ 6 4 3 . 6 4 5 , 6 5 9 f „ 723, 833 Barwert der 656ff. d i r e k t e 371 einkommensabhängige 422f., 514ff., 5241'.. 5 3 7 . 5 4 3 , 5 5 5 , 5 6 9 , 6 2 0 f „ 6 5 0 e i n k o m m e n s u n a b h ä n g i g e , s. K o p f s t e u e r -glättung 632, 639 i n d i r e k t e 5 0 . 7 2 f f . . 120. 2 0 4 f f „ 3 5 6 , 371.717.719 Inflationsneutralität des Steuersystems, s. d o r t K o p f s t e u e r , s. dort K o s t e n s t e u e r , s. dort -lastquote 885 -multiplikator 512f. - s a t / . s. e i n k o m m e n s a b h ä n g i g e S t e u e r -multiplikator (im E i n k o m m e n Ausgaben-Modell) 517 -Senkung 721 U m w e l t s t e u e r n , s. dort - V e r g ü n s t i g u n g e n , s. E x p o r t s u b v e n t i o nen Z i n s s t e u e r , s. dort zukünftige 660f. Stolper-Samuelson-Theorem 702f. S t r o m g r ö ß e 7 5 5 . 8 0 7 . 826, 8 3 6 f . Strukturwandel, sektoraler 400f., 4 6 5 Stück- k o s t e n 6 9 8 . 7 0 1 ff., 7 0 6 , 7 1 0 , 7 4 4 k o n s t a n t e , s. k o n s t a n t e S k a l e n e r t r ä g e langfristige 675, 705, 708ff. relative 698 s i n k e n d e , s. s t e i g e n d e S k a l e n e r t r ä g e Substittution(s) - e f f e k t , s. a u c h E i n k o m m e n s e f f e k t 41, 333. 466. 470. 475, 496, 686 -gut 371"., 421'.. 113f., 121, 7 0 9 f . , 7 1 4 S u b v e n t i o n ( s ) 5()f.. 7 6 f „ 2 0 6 . 3 5 0 , 3 5 2 f „ 3 5 5 f f . . 3 6 9 . 3 7 1 . 3 7 2 , 3 7 5 f f . . 7 3 2 , 740f. - p r o g r a m m 71 f. Südkorea 668. 673 S u n k C o s t s . s. v e r s u n k e n e K o s t e n S w a p s a t z . s. a. T e r m i n g e s c h ä f t 7 8 2 f . S y n c h r o n i s a t i o n v o n Z a h l u n g s e i n - und -ausgängen 453 S y n d i k a t 261 S y n t h e s e , n e o k l a s s i s c h e 581 ff.

S y s t e m von Bretton W o o d s 787, 829, 8 6 3 f f „ 8 6 9 , 881 Taiwan 670 Tarif-autonomie 314 -vertrag 404 Tausch -mittel, siehe G e l d f u n k t i o n e n ungleicher 677, 689f. T e a m 154ff. T e c h n o l o g i e , v e r f ü g b a r e ; s. a. t e c h n i s c h e r Fortschritt 580f„ 707, 711 T e i l m o n o p o l 159 T e i l m o n o p s o n 159 Teiloligopol 259 T e i l o l i g o p s o n 159 Tender M e n g e n t e n d e r , s. d o r t -verfahren 448f. Termin - e i n l a g e , s. a u c h G e l d m e n g e 4 3 2 , 4 5 1 , 459 -geschäft 62f. - g u t h a b e n , s. T e r m i n e i n l a g e -kurs 7 8 1 , 8 3 8 , 8 4 3 -markt 782 -preis 62 T e r m s of Trade 6 8 0 f „ 685f., 688, 690, 7 0 8 , 7 2 0 , 7 2 9 f „ 7 3 2 f „ 7 4 7 , 7 8 1 , 81 Off. - A r g u m e n t f ü r Z ö l l e , s. Z o l l TEU 666 T h e o r e m , s. a. G e s e t z der komparativen Kostenvorteile 676f., 6 8 8 f f „ 741 Theorie der rationalen Erwartungen 569, 604, 831, 8 5 4 des realen K o n j u n k t u r z y k l u s 6 0 8 Tobins q 575 T o k i o - R u n d e , s. a. G A T T 7 2 0 T r a d c - O f f zwischen Inflation und Arbeitsl o s i g k e i t , s.a. P h i l l i p s - K u r v e 6 0 1 , 6 0 3 Transaktion(s) -Crowding-Out 615ff. -geschwindigkeit 456 - k a s s e , s. a. G e l d n a c h f r a g e f u n k t i o n 5 2 8 - k o s t e n 62, 8 4 3 , 8 6 0 , 8 8 0 f . - t h e o r i e d e r G e l d n a c h f r a g e , s. a. k e y nesianische Geldnachfragefunktion 4 5 3 f f „ 459, 463

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T r a n s l e r e i n k o m m e n 342, 421, 474, 477, 5071'.. 5 4 3 . 6 3 2 , 6 3 9 , 6 6 1 T r a n s f o r m a t i o n s k u r v e 5f., 20, 2 0 9 ff., 2131'.. 6 8 2 f f . , 691 ff.. 6 9 4 , 6 9 7 , 7 0 7 Transportkosten 666, 698ff.. 702. 704. 7121'.. 7 1 8 . 8 3 3 f . . 8 6 0 Treuerabatt 265 TRIPS 719 T r i t t b r e t t f a h r e r , s. a u c h G e f a n g e n e n d i lemma 272 Tschechien 673

M a r k t v e r k e t t u n g s z u s a m m e n s c h l u ß , s. dort vertikale 2 6 3 Ursprung(s) - k o n t r o l l e n , s. a. F r e i h a n d e l s a b k o m m e n 744 - z e u g n i s , s. a. F r e i h a n d e l s a b k o m m e n 744 U r u g u a y - R u n d e , s. a. G A T T 7 2 0 U S A 665ff.

T w e n t y Foot E q u i v a l e n t U n i t , s. T E U T w i n D é f i c i t s , s. a u c h H a u s h a l t s d e f i z i t 774

V e r b i n d l i c h k e i t e n , s. K r e d i t Verbot 282 Verbrauch p r i v a t e r , s. p r i v a t e r K o n s u m s t a a t l i c h e r , s. s t a a t l i c h e r K o n s u m -steuern 3 5 4 f f „ 355f. Verbraucherpreisindizes t e i l h a r m o n i s i e r t e , s. a. V e r t r a g v o n Maastricht 883 Verfügbarkeitskriterien 388, 392 Vergleichsmarkt 266, 271 V e r h a l t e n , ( i r ) r a t i o n a l e s ; s. R a t i o n a l i t ä t Verhaltensweisen, abgestimmte 267f. Vermögen(s) 322, 416, 4 1 8 f f „ 431, 459. 556, 567, 5 7 0 f f „ 619f.. 850. 8 5 I f f . -änderungs-konto 354 - b i l d u n g s s e k t o r , s. V e r m ö g e n s ä n d e rungssektor -effekt 556, 618f.

Übernutzung 277 Ü b e r p r o d u k t i o n , s. A n g e b o t s ü b e r s c h u ß Ü b e r s c h u ß , s o z i a l e r ; s. a. W o h l f a h r t 5 7 f., 6 4 . 2 0 0 ff.. 2 3 0 , 2 3 5 , 2 7 5 , 7 1 5 , 721 f f . , 7 2 5 , 7 2 9 . 7 3 1 . 7 3 4 , 746, 750 Überschußreserve 434, 440, 452 Übertragungen (Transfers), laufende 3741'^ U m h ü l l e n d e , s. a u c h l a n g f r i s t i g e K o s t e n 146 Umlaufgeschwindigkeit (des Geldes) 45511'., 4 6 0 . 4801'.. 4 8 3 f f „ 4 9 4 , 5 3 5 . 558.630. 796,818 Einkommensumlaufgeschwindigkeit d e s G e l d e s , s. dort Umsatz-rabatt 265 -Steuer 3 5 4 . 3 5 5 Umverteilungseffekte einer Änderung des Preisniveaus 417, 588 Umwelt-steuern 282ff. -Zertifikate 286ff. U n g l e i c h g e w i c h t s m o d e l l , s. R a t i o n i e rungsmodell U n s i c h e r h e i t , s. a. R i s i k o 3 2 5 , 3 3 9 . 4 4 4 , 573. 6 6 0 U n t e r b e s c h ä f t i g u n g , s. A r b e i t s l o s i g k e i t Unternehmen(s) 342ff„ 350. 3 5 2 f f „ 360, 3 6 2 . 3 7 1 . 3 8 0 f . . 3 8 1 , 3831". k l a s s i s c h e s k a p i t a l i s t i s c h e s 155ff. -sektor 360ff. - Z u s a m m e n s c h l ü s s e 2 6 3 ff., 2 6 9 ff. horizontale 263 konglomerate 264

-Steuer, s. e i n k o m m e n s u n a b h ä n g i g e Steuer -Übertragungen 375, 377, 656, 757f.. 7 6 1 , 7 6 9 , 774f. -verlust 416, 418ff. V e r s c h u l d u n g s q u o t e , s. S c h u l d e n s t a n d s quote Versicherungskosten 718 Verteilungs-politik 64f., 7 0 -rechnung 3 4 4 f „ 353, 371, 377 -verluste, temporäre 421 Vertrag von Maastricht 873. 8 7 5 f „ 878. 883ff. Verwaltungsmaßnahme, handelshemmende 719 Verwendungs-rechnung 3 4 4 f „ 353, 3 6 5 f „ 377, 474, 477, 495 - z w a n g , s. a. n i c h t t a r i f ä r e H a n d e l s hemmnisse 719

Sachwortverzeichnis

916

Volks- e i n k o m m e n . siehe Nettosozialprodukt /.u F a k t o r k o s t e n -vermögen 648 -Wirtschaft geschlossene 343, 348, 365, 371, 475IT.. 495IT., 5 0 7 i f „ 5 5 6 offene 348. 365, 371. 665ff. Volkswirtschaftliche(s) G e s a m t r c c h n u n g , s. a. E n t s t e h u n g s - , Verteilungs-, Verwendungsrechnung 341. 344."352. 382, 384f.. 637 Vollbeschäftigung(s) 394, 457, 460, 5821'.. 5 8 8 . 5 9 2 . 5 9 5 . 6 1 2 , 6 2 3 , 7 9 6 , 8 0 5 f f . . 8181'.. 8 2 3 . 8 2 7 , 8 4 8 - e i n k o m m e n . s. V o l l b e s c h ä f t i g u n g s o u t put - o u t p u t 4 9 2 . 581 ff., 5 9 2 , 5 9 4 , 6 1 1 , 805 v o l l s t ä n d i g e K o n k u r r e n z , s. P o l y p o l V o r l e i s t u n g e n 3 4 2 f f „ 3 5 2 . 3531'f., .357., 3 6 5 . 3671'.. 3 7 1 . 3 7 7 . 3 8 3 . 6 6 7 f . . 6 7 3 . 718. 720 V o r p r o d u k t , s. a. V o r l e i s t u n g 3 4 2 , 344, 348 V o r r a t s v e r ä n d e r u n g s. a. L a g e r i n v e s t i t i o n 346. 366 Vorruhestandsgeld 391 Vorsichtskasse 528 V o r s p m n g eines Landes, technologischer, 7031'. V o r t e i l e , k o m p a r a t i v e , s. T h e o r e m d e r komparativen Kostenvorteile W a c h s t u m s a n s a t z . s. a. S t a a t s v e r s c h u l d u n g 652f.. 657. 6 5 9 Währungs-konvertibilität 863f. - k o r b 871. 873 - r e s e r v e n . s. D e v i s e n r e s e r v e n -Stabilität

874

- s y s t e m e . i n t e r n a t i o n a l e , s. a. W ä h rungsreserven. Wechselkurssysteme 859. 863 Waren- e x p o r t 755IT.. 7661'.. 7 7 1 . 7 7 4 f „ 8 2 9 -import 755ff.. 766, 771, 774, 776 -produzierendes G e w e r b e 357f., 394 - k o r b . s. a. P r e i s i n d e x d e r L e b e n s h a l tung 414ff.. 832ff. e x p o r t i e r t e r und i m p o r t i e r t e r

Warenkorb 680ff. - s t r u k t u r , s. a. W a r e n k o r b 711 des deutschen Handels 672ff. Wartekosten 65 Washingtoner W ä h r u n g s a b k o m m e n 864f., 869 W e c h s e l , s. D i s k o n t k r e d i t -kurs 687ff„ 829ff. - ä n d e r u n g e n , s. a. A u f - , A b w e r t u n g 807, 8 0 7 f f „ 826, 8 2 9 f f „ 8 3 4 f f „ 8 4 0 , 8 4 4 , 8 4 8 , 8 5 0 , 852, 8 5 4 , 8 6 0 ,

868, 880 erwarteter 823, 8 3 7 f f „ 846, 848, 8 5 0 f e s t e r 7 9 0 f f „ 7 9 5 f f „ 805, 8 0 7 , 8 2 2 f f „ 859, 8 7 6 f . aber anpassungsfähiger 792, 864, 869, innerhalb einer Bandbreite fester 7 9 2 , 7 9 5 f . , 8 6 3 f „ 8 6 9 , 881 floatender 622, 782, 787ff„ 792, 8 1 9 f f „ 829, 839, 843f„ 847, 852, 8 5 4 f „ 8 5 9 , 8 6 2 , 8 6 7 f „ 881 k o n t r o l l i e r t floatender 8 5 9 rein f l o a t e n d e r 7 9 2 , 8 5 9 f l e x i b l e r , s. f l o a t e n d e r im G l e i c h g e w i c h t gemäß dem Dornbusch-Modell 848 gemäß dem monetären Ansatz 844f. g e m ä ß der Kaufkraftparitätentheorie 832f„ 845 g e m ä ß d e r P o r t f o l i o t h e o r i e 8 5 1 ff. g e m ä ß der Zinsparität 839ff. - k r i t e r i u m , s. K r i t e r i u m d e s s t a b i l e n Außenwerts M e n g e n n o t i e r u n g , s. dort nominaler 779ff., 783f„ 830f„ 835f„ 844, 8 4 9 , 8 5 3 f . Veränderungsrate 780. 784 P r e i s n o t i e r u n g , s. d o r t realer 7 8 3 f f „ 830, 833ff., 844, 846. 849. 853f., 868, 880 Veränderungsrate 784 - r i s i k o . s. flexibler W e c h s e l k u r s - S c h w a n k u n g e n , s. flexibler Wechselkurs -systeme 859 -theorie K a u f k r a f t p a r i t ä t e n t h e o r i e , s. d o r t monetäre 844ff. -überschießender 853

Sach Wortverzeichnis

Welt-bank 863 -markt - a n g e b o t , s. A n g e b o t auf e i n e m W e l t markt 720 - p r e i s 6791T.. 6 9 5 . 7 2 2 , 7 2 6 f f . - / i n s 6541'.. 8 4 4 - P r o d u k t i o n , s. A n g e b o t auf e i n e m Weltmarkt - t r a n s f o r m a t i o n s k u r v e 684IT. -Wirtschaftskrise 491

Werbung 6 Wert- a u f b c w a h r u n g s m i t t c l , s. G e l d f u n k t i o nen d e r z u s ä t / . l i c h c n P r o d u k t i o n , s. a. sozialer Überschuß 226. 234, 713. 739 - p a p i e r . s. a. O f f e n m a r k t g e s c h ä f t 4 3 0 , 488. 530. 847. 8 4 9 f „ 852f. -markt 845. 848. 8 5 1 , 8 5 4 -pensionsgeschäft 436. 444, 4 4 8 - s c h ö p f u n g ( s) inländische 667 -kette 667 - v e r l u s t . s. A b s c h r e i b u n g e n -zoll 7 1 7 W e t t b e w e r b e s) A l s - o b - W e t t b e w e r b , s. dort -beschränkung 267 - f ä h i g k e i t e i n e r I n d u s t r i e , s. a. G l o b a l i sierung 741. 774 -funktionen 262 - p o l i t i k 261 f f . Widerspruchskartell 268 W i n d h u n d v e r f a h r e n , s. a. R a t i o n i e r u n g 6 5 Wirtschaft(s) - k r c i s l a u f 2 8 9 . 371 ff. - u n i o n . s. a. i n t e r n a t i o n a l e ö k o n o m i s c h e Integration 744 -zweige 343f„ 357ff. W i s s e n , t e c h n i s c h e s ; s. t e c h n i s c h e r F o r t schritt Wohlfahrt(s) 383 -effekte. dynamische 747 -gewinn 675. 682f.. 689, 7 0 6 f „ 713 einer Zollunion 748 nationaler 713ff., 729ff.. 741, 744. 747. 750 -indikator 382 nationale 688, 714, 738

917

- v e r l u s t 6 4 , 7 1 5 , 7 2 1 f. nationaler 690, 713ff., 721, 723. 725, 725, 727, 729, 7 3 2 f f „ 745, 747 W o r l d T r a d e O r g a n i z a t i o n , s. W T O W T O 719f. -Schiedsgericht 720 X-Ineffizienz 226, 747 Z-Kurve 800ff„ 806f„ 819ff. Zahlungsbereitschaft des Inlands 737 Z a h l u n g s b i l a n z 7 5 5 f f . , 7 9 5 , 8 0 0 f „ 804, 806f„ 820, 823ff„ 844. 864 C r e d i t p o s t e n d e r Z a h l u n g s b i l a n z , s. d o r t D e b e t p o s t e n d e r Z a h l u n g s b i l a n z , s. d o r t -defiz.it 7 7 5 f „ 7 9 1 . 7 9 6 f , 8 0 0 , 8 0 2 f „ 805, 820, 822f„ 825ff., 844, 859f„ 870 -gleichgewicht 860 -theorie, monetäre 796, 823 -Überschuß 7 7 5 f f „ 797, 8 0 I f f . , 820. 8 2 4 f „ 827, 860, 864 Zangenpolitik 447 Zeit- f a k t o r , s. Z i n s -inkonsistenz 626, 628f. -reihenstudie kurzfristige 565, 568, 57If. langfristige 565, 568f. Z e n s u s , s. M i k r o z e n s u s Z e n t r a l b a n k , s. a. B u n d e s b a n k 4 3 4 , 4 5 8 . 529, 6 2 3 f „ 6 2 8 f f „ 791, 796, 805. 824f„ 8 4 4 , 8 4 6 , 8 5 2 , 8 5 9 f „ 8 6 3 , 870, 8 7 6 -bilanz 4 3 6 -geld 4 3 3 f f „ 440ff. -rat 434 europäischer 878. 887 Zins(en) 345, 347, 369. 459. 4 6 6 f f „ 4 7 5 f f „ 4 8 8 f „ 4 9 7 , 5 1 9 ff., 5 2 4 f f „ 5 2 8 , 5 3 0 f f „ 557, 564, 5 8 4 f „ 587, 589, 612, 6 1 5 f f „ 624, 652, 795f., 800f, 806. 819, 822, 8 2 4 f „ 8 3 6 f „ 840. 844, 8 4 7 f f „ 860, 884 - a b h ä n g i g k e i t d e r G e l d n a c h f r a g e , s. a. Portfoliotheorie der Geldnachfrage, keynesianische Geldnachfragefunktion 458ff., 534, 528ff„ 546ff„ 552f„ 555f„ 558, 5 8 5 f . , 6 1 6 -abhängigkeit der Investitionen 467ff., 4 7 5 f f „ 5 2 0 f f . , 5 3 7 , 5 4 4 f „ 5 5 0 f „ 555, 584 - a b h ä n g i g k e i t d e s K o n s u m s , s. a. K l a s sik 4 7 5 f f .

918

Sachwortverzeichnis

-arbitrage 7 8 2 , 8 3 8 a u f die Staatsschuld 6 4 1 , 6 4 3 , 6 4 9 f f „ 885 Auslandszins, s. dort effektiver 5 3 0 , 5 5 4 Eigenzinssatz, s. dort -einkommen 322, 650ff. erwarteter 8 3 8 -fuß. interner 3 2 6 f f „ 5 2 0 Inlandszins. s. dort -knechtschaft 6 4 7 -kosten 3 2 4 . 3 2 7 , 3 3 0 f „ 5 7 5 nominaler 3 2 2 f f „ 4 1 9 , 4 2 2 f f „ 4 5 9 f „ 643ff. -parität(en) 8 4 0 f f „ 8 4 8 gedeckte 7 8 3 , 8 3 8 , 8 4 3 -theorie 8 4 4 ungedeckte 8 3 7 f f „ 8 4 2 f f „ 8 4 6 f . , 8 4 9 Preiserwartungstheorie des Z i n s e s , s. dort realer 322, 3 2 4 , 3 3 4 , 4 2 2 f f „ 4 6 0 , 4 6 8 , 4781'.. 5 7 3 , 5 7 5 , 5 8 4 , 6 4 3 f f . , 7 7 6 ex ante 3 2 4 , 4 2 0 ex post 3 2 4 , 4 1 9 f . nach Steuern 4 2 2 f . -Steuer, s. a. Haushaltsdefizit, Staatsverschuldung 6 5 0 f . , 6 5 6 f . -tender 4 4 9

Weltmarkt/ins, s. dort Zoll 3 5 5 . 3 5 6 . 6 8 8 f f „ 6 9 8 f f „ 7 0 2 , 7 1 7 , 722. 725ff.. 7 4 8 f f „ 8 3 3 -einnahmen 7 1 7 , 7 2 1 , 7 2 5 , 7 2 7 , 7 3 1 , 733ff.. 745f„ 748, 750 Optimalzoll, s. dort -satz 7 4 8 , 7 5 0 nominaler 7 1 8 -schütz 6 9 0 , 7 1 7 , 7 4 1 f. effektiver 7 1 7 f . nominaler 7 1 7 f . spezifischer 7 1 7 , 7 2 1 , 7 3 5 -tarif. s. Zollsatz T e r m s - o f - T r a d e - A r g u m e n t für einen Zoll 7 2 9 f f . -union 7 2 0 , 7 4 3 f f . Zufallspfad. s. R a n d o m W a l k Zukunfts-einkommen 6 5 8 -konsum 3 3 7 . 6 5 7 f . Zwecktheorie 267 Zwischen/ielverzögerung. s. Intermediate Lag Zwillingsdefizite, s. T w i n D e f i c i t s

Zwischengut, s. Zwischenprodukt Zwischenprodukt 3 4 4