184 74 25MB
German Pages 412 Year 1999
Einfuhrung in die Volkswirtschaftslehre MikroÖkonomie Von Universitätsprofessor
Dr. rer. pol. Ulrich Brösse Dritte, unwesentlich veränderte Auflage
R. Oldenbourg Verlag München Wien
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Brösse, Ulrich: Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie / von Ulrich Brösse. - 3., unwes. veränd. Aufl. - München ; Wien : Oldenbourg, 1999 ISBN 3-486-25105-8
© 1999 R. Oldenbourg Verlag Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089)45051-0, Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München ISBN 3-486-25105-8
INHALTSVERZEICHNIS GLIEDERUNG
V
VERZEICHNIS DER TABELLEN
XII
VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN VORWORT I. TEIL:
XV GRUNDLEGENDE BEGRIFFE, ÜBERLEGUNGEN UND ZUSAMMENHÄNGE
1. Kapitel: Das spezifisch ökonomische Denken und der Gegenstand der Volkswirtschaftslehre 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
1.6 1.7
XIII
Der besondere Denkansatz der Ökonomen Der Lebensbereich "Wirtschaft" als Gegenstand der Volkswirtschaftslehre Der Gegenstand der Volkswirtschaftslehre, abgeleitet aus einem kurzen wirtschaftshistorischen Überblick Volkswirtschaftslehre als Fachgebiet im System der Wissenschaften Ökonomie als Methode wirtschaftswissenschaftlichen Denkens und Arbeitens versus Wirtschaft als besonderer Lebens- und Problembereich sowie Definitionen für Volkswirtschaftslehre Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens und wissenschaftstheoretische Grundlagen Die Ausgangsfragen und die Bedeutung der Wirtschaftsordnungen und der Wirtschaftspolitik für den Wirtschaftsprozeß
1 I 1 2 5 8
11 12 17
2. Kapitel: Ausgangstatsachen der Wirtschaft
22
2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4
22 22 22 23 23
2.2.4.1 2.2.4.2 2.2.4.3
Problemstellung Bedürfnisse Bedürfnisse als Gegebenheiten für die Volkswirtschaftslehre Bedürfnisse und Nachfrage Arten von Bedürfnissen und ihre Systematisierung Bedürfnisse in der Theorie der menschlichen Motivation nach Maslow Die hierarchische Ordnung der grundlegenden Bedürfnisse Einige ökonomisch relevante Aussagen im Rahmen der Maslow'schen Theorie Die Bedürfnisse nach Wissen und Verstehen und nach Ästhetik
25 25 29 32
VI
Inhalt
2.3 2.4 2.5 2.6
Güter und Knappheit Konsum, Produktion und Produktionsfaktoren (Ressourcen) Rationales Verhalten und ökonomisches Prinzip Arbeitsteilung, Produktionsumwege und Produktivität
2.7 2.7.1
Wichtige Gesetzmäßigkeiten volkswirtschaftlicher Produktion Der Zusammenhang zwischen den Produktionsfaktoren und dem Produktionsertrag (Produktionsfunktion) Das Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs (Ertragsgesetz) Das Gesetz der Massenproduktion und ökonomische Vorteile der Größe Zur Problematik der Wahl bzw. der Entscheidung zwischen Alternativen, dargestellt mit Hilfe der volkswirtschaftlichen Transformationskurve Tausch und Kreislauf in der Volkswirtschaft Naturaltausch und Geldwirtschaft Volkswirtschaftliche Kreisläufe
2.7.2 2.7.3 2.8
2.9 2.9.1 2.9.2
33 37 47 48 52 52 53 58
58 63 63 65
3. Kapitel: Ökonomische Wertbegriffe und Werttheorien
69
3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.5
69 69 71 71 72 74 74 74 76
Problemstellung Objektivistische und subjektivistische Werttheorien Objektivistische Werttheorien Der natürliche Wert nach Adam Smith Der Ausbau der Arbeitswerttheorie Der Begriff des Mehrwerts nach Karl Marx Subjektivistische Werttheorie: Die Grenznutzentheorie Das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen Der Aussagegehalt der Grenznutzentheorie Der Wert eines Gutes als Ergebnis subjektiver und objektiver Elemente?
78
4. Kapitel: Nachfrage, Angebot und Preise als Steuerungselemente einer Marktwirtschaft 80 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7
Aufgaben- und Problemstellung Die Nachfragefunktion Die Angebotsfunktion Das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage auf dem Markt Verschiebungen von Angebot und Nachfrage Rückblick: Die Preisbildung durch Nachfrage und Angebot sowie die Tauschwertbestimmung mit Hilfe des Grenznutzens Das Spinnweb-Theorem als Beispiel einer dynamischen Analyse des Gleichgewichts von Angebot und Nachfrage auf dem Markt
80 85 86 87 89 90 91
Inhalt II. TEIL:
MIKROÖKONOMISCHE THEORIE DES HAUSHALTS
Einleitung: Mikroökonomische und makrökonomische Theorie - inhaltliche Abgrenzung 5. Kapitel: 5.1 5.2 5.3 5.4
6. Kapitel: 6.1 6.2 6.3 6.3.1
Das Einkommen als Bestimmungsgröße der Konsumentscheidungen der Haushalte Abgrenzungen und Problemstellung Quellen des Haushaltseinkommens Verwendung des Haushaltseinkommens Konsum- oder Verbrauchspläne und ihre Begrenzung durch das Haushaltsbudget Die Nutzen der Haushalte als Grundlage ihrer Konsumentscheidungen
VII 95 95
98 98 100 102 103
108 108 108 113
6.3.10
Kardinale und ordinale Meßbarkeit des Nutzens Die kardinale Nutzentheorie Die ordinale Nutzentheorie und die Indifferenzkurvenanalyse Problemstellung: Die Erstellung einer Präferenzordnung aufgrund von Annahmen (Hypothesen) über rationales Verhalten der Haushalte Annahme (Hypothese) 1: Vollständigkeit der ordinalen Vergleichbarkeit der Güter durch den Haushalt Annahme (Hypothese) 2: Transitivität der Präferenzordnung des Haushalts Annahme (Hypothese) 3: Rationale Wahl des Haushalts Annahme (Hypothese) 4: NichtSättigung des Haushalts Annahme (Hypothese) 5: Stetigkeit der Präferenzen und indifferentes Verhalten des Haushalts Indifferenzkurven als Ergebnis der Annahmen (Hypothesen) 1 bis 5 Annahme (Hypothese) 6: Stetige Differenzierbarkeit der Indifferenzkurven Annahme (Hypothese) 7: Konvexität der Indifferenzkurven und abnehmende Grenzrate der Substitution Das Ergebnis: Eine unendliche Schar von Indifferenzkurven
7. Kapitel:
Der optimale Konsum- oder Haushaltsplan
128
7.1 7.2 7.3 7.4
Zeichnerische Bestimmung Rechnerische Bestimmung Einkommens-und Substitutionswirkungen einer Preisänderung Kritische Interpretation der ökonomischen Bedeutung des optimalen Konsumplans
128 131 134
6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.3.6 6.3.7 6.3.8 6.3.9
113 114 115 116 116 118 122 12 3 123 126
138
VIII
Inhalt
8. Kapitel:
Die Güternachfrage des Haushalts
140
8.1 8.2
Die allgemeine Nachfragefunktion Die Nachfrage in Abhängigkeit vom Einkommen des Haushalts bei Konstanz aller übrigen Einflußfaktoren Die Nachfrage in Abhängigkeit vom Preis eines Gutes bei Konstanz der übrigen Einflußfaktoren Die aggregierte Nachfrage der Haushalte als Marktnachfrage Die Beschreibung der Reaktionen der Nachfrager auf Änderungen der Güterpreise und der Haushaltseinkommen mittels Elastizitäten
140
8.3 8.4 8.5
141 146 148
150
9. Kapitel:
Das Arbeitsangebot des Haushalts
160
9.1 9.2
Problemstellung Die Bestimmung des optimalen Konsumplans unter Berücksichtigung von Arbeitszeit und Lohnsatz Die Arbeitsangebotsfunktion bzw. Arbeitsangebotskurve des Haushalts Verschiebungen von Arbeitsangebotskurven Die Aggregation des Arbeitsangebots zum Marktangebot
160
9.3 9.4 9.5 III. TEIL:
MIKROÖKONOMISCHE THEORIE DES UNTERNEHMENS
161 164 167 169
171
10. Kapitel: Produktionstheorie
171
10.1 10.2
171
10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.4 10.4 10.5
Problemstellung und Einführung Zu den Begriffen Produktion, Produktionsfunktion, Technik und Produktionsplan eines Unternehmens Die Produktion gemäß substitutionaler Produktionsfunktionen Aufgabe der Analyse Die partielle Faktorvariation Substitutionalität der Produktionsfaktoren Die Niveauvariation Die Produktion gemäß limitationaler Produktionsfunktionen Technischer Fortschritt und Produktion
173 175 175 177 182 184 190 193
11. Kapitel: Kostentheorie
196
11.1 11.2 11.3 11.3.1 11.3.2
196 198 200 200 205
Problem- und Aufgabenstellung Die Kosten bei linear-limitationaler Produktionstechnik Die Kosten bei substitutionaler Produktionstechnik Bestimmung der Minimalkostenkombination Kostenfunktionen bzw. Kostenkurven
Inhalt 12. Kapitel: Der optimale Produktionsplan und das Güterangebot der Unternehmen 12.1
12.3
Der optimale Produktionsplan bei substitutionaler Produktionstechnik Der optimale Produktionsplan bei linear-limitationaler Produktionstechnik Das Güterangebot und die Angebotskurve
IV. TEIL:
PREISBILDUNG DURCH ANGEBOT UND NACHFRAGE
12.2
AUF MÄRKTEN (PREISTHEORIE)
IX
215 215 221 224
227
13. Kapitel: Märkte und Preise
227
14. Kapitel: Typisierung von Märkten und Marktformen
238
14.1 14.2 14.3
14.4 14.5 14.6 14.7
Bestimmungsfaktoren einer Preisbeeinflussung und ihre Bedeutung für die Typisierung von Märkten Das Marktformenschema auf Basis der Zahl und Größe der Marktteilnehmer Die Bildung von Markttypen mit Hilfe der Bestimmungsfaktoren "Art der Produkte", "Präferenzen", "Markttransparenz" und "Anpassungsfähigkeit und Anpassungsgeschwindigkeit" Verhaltensweisen der Marktteilnehmer als Kriterium für die Markttypisierung Eintritts- und Austrittsbedingungen sowie der Organisationsgrad als Bestimmungsfaktoren für die Typisierung von Märkten Die Kombination mehrerer Bestimmungsfaktoren für die Marktabgrenzung und -typisierung Statik und Dynamik der Markttypen und Marktformen
15. Kapitel: Monopol, monopolistische Preisdifferenzierung und Monopson 15.1 15.1.1 15.1.2 15.2 15.2.1 15.2.2 15.2.3 15.2.4
Die Preisbildung beim Angebotsmonopol Das Modell und die Entscheidungsparameter des Monopolisten Die Bestimmung des optimalen Preises Die monopolistische Preisdifferenzierung Problemstellung Begriff und Formen der Preisdifferenzierung Verfahren der Preisbestimmung im Rahmen der monopolistischen Preisdifferenzierung Die agglomerative Preisdifferenzierung
238 240
242 245 252 253 256 262 262 262 265 269 269 270 272 272
X 15.2.5 15.3
Inhalt Die deglomerative Preisdifferenzierung Die Preisbildung beim Nachfragemonopol (Monopson)
16. Kapitel: Das Polypol auf dem unvollkommenen Markt oder die monopolistische Konkurrenz 16.1 16.2 16.3 16.4 16.5 16.6
Problemstellung Marktbedingungen und Begriffe Die Lösung des kurzfristigen Preisbildungsproblems nach Chamberlin Die Lösung des langfristigen Preisbildungsproblems bei freiem Marktzugang Die Lösung des Preisbildungsproblems mit Hilfe der doppeltgeknickten Preis-Absatzfunktion Zur Bewertung der Marktform
17. Kapitel: Das bilaterale Monopol 17.1 17.2 17.3
18.3 18.4 18.5 18.6
286 286 287 288 293 295 301 302
Problemstellung 302 Die Ableitung der Preisbildung aus den Marktkurven der vollständigen Konkurrenz, des Monopols und des Monopsons 303 Die Preisbildung unter Berücksichtigung der Absatzsituation des Monopsonisten 308
18. Kapitel: Graphische Veranschaulichung von Tauschprozessen bei unterschiedlichen Verhaltensweisen der Tauschpartner mit Hilfe des Edgeworth-Diagramms 18.1 18.2
275 279
Aufgabenstellung Darstellung des Tauschprozesses zwischen zwei Haushalten im Edgeworth-Diagramm und Pareto-Optimalität Die Verhaltensweise der beiderseitigen Mengenanpassung Monopolistisches Verhalten auf der einen Seite und Mengenanpassung auf der anderen Die Verhaltensweisen des Optionsfixierers und des Optionsempfängers Der Vergleich mit dem bilateralen Monopol
313 313 313 319 320 321 322
19. Kapitel: Das Oligopol
323
19.1 19.2
323
19.3
Problemstellung Beispiele für die klassische preistheoretische Behandlung des Oligopolproblems Die Theorie der geknickten Nachfragekurve
327 332
Inhalt
19.4 19.5 19.6
Die Berücksichtigung von Interdependenzen durch Reaktionskurven Der spieltheoretische Ansatz Zur Komplexität des Preisbildungsproblems im Oligopol
20. Kapitel: Das totale Marktgleichgewicht im Polypol bei vollständiger Konkurrenz 20.1 20.2 20.3 20.4 20.5 20.6
Problem- und Aufgabenstellung Die Annahmen und Elemente des Modells des totalen Marktgleichgewichts Marktgleichgewicht bei reinem Tausch zwischen Haushalten ohne Produktion Marktgleichgewicht im produzierenden Unternehmenssektor Das totale Marktgleichgewicht für Haushalte und Unternehmen Bedeutung und Kritik
21. Kapitel: Märkte, Preise und die Neue Institutionenökonomie 21.1 21.2 21.3 21.3.1 21.3.2 21.3.3 21.4
Anliegen und Aufgaben der Neuen Institutionenökonomie Verfügungsrechte oder Property Rights Die Bedeutung der Transaktionskosten für die Funktionsweise von Märkten Begriff und Arten von Transaktionskosten Bestimmungsfaktoren bzw. Ursachen der Transaktionskosten Transaktionskosten und unvollständige Verträge Externe Effekte, Property Rights und das Coase-Theorem
XI
333 339 344
347 347 348 350 355 358 359 361 361 364 368 368 370 372 373
LITERATURVERZEICHNIS
379
STICHWORTVERZEICHNIS
385
VERZEICHNIS DER TABELLEN Tabelle 1/1: Tabelle 2/la: Tabelle 2/lb: Tabelle 2/2: Tabelle 2/3: Tabelle 2/4:
Tabelle 2/5:
Tabelle 2/6:
Tabelle 2/7: Tabelle 4/1:
Tabelle 4/2: Tabelle 5/1: Tabelle 5/2: Tabelle 5/3:
Tabelle 8/1:
Tabelle 8/2: Tabelle 9/1:
Tabelle 11/1: Tabelle 11/2:
Die Bevölkerung und das Volkseinkommen in Deutschland 1925 - 1939 Daten zur Flächennutzung in der BR Deutschland 1950 - 1989 Daten zur Flächennutzung in Deutschland 1993 Luftbelastung durch Emissionen nach Emittentengruppen in den alten Bundesländern 1970 - 1990 Wasser als Konsumgut und als Produktionsfaktor in der BR Deutschland 1979- 1991 Realkapitalbildung durch Investitionen von Unternehmen und Staat in der BR Deutschland (früheres Bundesgebiet) 1960 - 1994 in Preisen von 1991 Realkapitalbildung durch Investitionen im Verarbeitenden Gewerbe und im Bergbau in der BR Deutschland (früheres Bundesgebiet) 1960 - 1994 in Preisen von 1991 Produktivität im Bergbau und Verarbeitenden Gewerbe in der BR Deutschland 1951 - 1993, gemessen am Nettoproduktionswert je Beschäftigten in 1000 DM Das Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs. Zahlenbeispiel zu Abb. 2/6 Zahl der Unternehmen, Arbeitsstätten und Beschäftigten nach Wirtschaftssektoren für die BR Deutschland gemäß der Arbeitsstättenzählungen 1970 und 1987 Zahl der Betriebe im Bergbau und Verarbeitenden Gewerbe nach Beschäftigtengrößenklassen 1988 und 1993 Privathaushalte nach der Haushaltsgröße in der BR Deutschland 1950 - 1993 Monatliches Einkommen privater Haushalte in der BR Deutschland nach Haushaltstypen 1994 in DM Verwendung des ausgabefähigen Einkommens für ausgewählte Gütergruppen und die Vermögensbildung nach Haushaltstypen 1994 in % Die Verbrauchsausgaben eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalts mittleren Einkommens für ausgewählte Gütergruppen in der BR Deutschland 1950 - 1994 in DM und (in Prozent) des ausgabefähigen Einkommens Ausgewählte Preiselastizitäten der Nachfrage Erwerbstätige nach ihrer Stellung im Beruf in der BR Deutschland 1960 - 1994, Jahresdurchschnitte in 1000 und (Anteile in %) Zahlenbeispiel für einen linearen Kostenverlauf Zahlenbeispiel für einen ertragsgesetzlichen Kostenverlauf
7 40 41 42 43
44
45
51 55
81 84 99 101
102
145 159
160 210 214
Verzeichnis der Tabellen
Tabelle 13/1: Matrix der Austauschverhältnisse zwischen den Gütern A - Z Tabelle 19/1: Ein Zahlenbeispiel zur Veranschaulichung der Cournot'schen Dyopollösung Tabelle 19/2: Auszahlungsmatrix eines Spielers A in einem Zwei-PersonenNullsummenspiel Tabelle 19/3: Auszahlungsmatrix eines Spielers A in einem Zwei-Personenspiel
XIII
233 330 340 342
VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN Übersicht 1/1: Die Volkswirtschaftslehre im System der Wissenschaften Übersicht 1/2: Zur Unterscheidung von Ökonomie als Gegenstand und Ökonomie als Methode Übersicht 2/1: Der volkswirtschaftliche Güter- und Geldkreislauf Übersicht 14/1: Stark vereinfachtes Marktformenschema unter der Annahme der Gleichartigkeit der Marktteilnehmer einer Seite ("Symmetrieannahme") Übersicht 14/2: Differenziertes Marktformenschema unter Aufgabe der Annahme der Gleichartigkeit der Marktseiten Übersicht 14/3: Vollkommener und unvollkommener Markt Übersicht 14/4: Die Zuordnung von Verhaltensweisen zu Marktformen Übersicht 15/1: Formen der Preisdiskriminierung Übersicht 17/1: Marktfunktionen bzw. Marktkurven des Monopols und des Monopsons Übersicht 17/2: Schema der relevanten Einflußfaktoren für einen bilateralen Monopolmarkt unter Berücksichtigung der Absatzmarktsituation
10 11 66
240 241 244 256 271 304
309
Vorwort zur ersten bis dritten Auflage Viele volkswirtschaftliche Zusammenhänge berühren heutzutage das Leben der Menschen in einem Maße, daß ohne ihre Kenntnis ein großer Teil der Berichte über alltägliche wirtschaftliche Vorgänge in den Medien unverständlich bleiben muß. Ein Grundwissen in Ökonomie gehört heute bereits zur Allgemeinbildung. Es ist daher verständlich, daß in zahlreichen Ausbildungsgängen der Hochschulen ein Kurs in Volkswirtschaftslehre mittlerweile Pflichtbestandteil ist. Vor diesem Hintergrund ist die vorliegende einführende Darstellung der Volkswirtschaftslehre zu sehen. Sie ist das Ergebnis einer langjährigen Lehrtätigkeit im Bereich der Ökonomie für Studierende der unterschiedlichsten Fachrichtungen. Es geht mir dabei um die Vermittlung von ökonomischem Basiswissen in allgemeinverständlicher Art. Dazu bediene ich mich vorwiegend der verbalen Ausdrucksweise, die trotz des zunehmenden Gebrauchs der Mathematik und trotz der Computerisierung noch immer das wichtigste Ausdrucks- und Kommunikationsmittel der Ökonomen ist. Graphiken und empirische Daten dienen dazu, den Text zu veranschaulichen. Mathematische Darstellungen unterstützen die Argumentation, gehen aber nicht über die Grundlagen der Differentialrechnung hinaus. Das Buch wendet sich in erster Linie an alle diejenigen, die sich im Rahmen ihres Studiums oder aus persönlichem Interesse einen Einblick in das Fachgebiet der Volkswirtschaftslehre verschaffen wollen. Als Übersichts- und Einstiegslektüre ist es aber auch für angehende Volkswirte gedacht. Die Volkswirtschaftslehre wird üblicherweise in die Bereiche MikroÖkonomie und Makroökonomie unterteilt. Die Makroökonomie beschäftigt sich mit Aggregatbzw. Gesamtgrößen und deren Zusammenhängen, wie z. B. Preisniveau, Sozialprodukt und Wirtschaftswachstum. Die MikroÖkonomie betrachtet die Entscheidungen und Handlungen der einzelnen Anbieter und Nachfrager auf Märkten und analysiert ihr Zusammenspiel. Im Sinne dieser Einteilung beschränkt sich das vorliegende Buch auf das Gebiet der MikroÖkonomie und wichtige Grundlagen. Ausgeklammert bleibt die Makroökonomie. Die Volkswirtschaftslehre ist durchaus ein spannendes Gebiet. Sie gibt Antworten auf viele Fragen, die sich stellen, wenn man das wirtschaftliche Geschehen mit Interesse und Aufmerksamkeit verfolgt, und die ohne ein entsprechendes ökonomisches Rüstzeug nicht überzeugend zu beantworten sind, so beispielsweise: Warum wird im Falle der Preiserhöhung eines Gutes manchmal weniger und manchmal mehr von diesem Gut nachgefragt? Oder: Warum nimmt ein Monopolist einen bestimmten Preis und nicht einen noch höheren, der ihm ebenfalls am Markt bezahlt würde? Oder: Warum ist ein großer Binnenmarkt wie in der EU eigentlich gegenüber kleineren nationalen Märkten von Vorteil? Antworten auf diese Fragen liefern z. B. die Instrumente der Angebots- und Nachfragefunktionen, der Preisbildungs-
XVI
Vorwort
modelle oder das Konzept der Transaktionskosten. Hervorzuheben ist, daß die ökonomische Theorie zunehmend auch für andere Lebensbereiche wie etwa den Umweltschutz, das Gesundheitswesen oder die öffentliche Verwaltung bedeutsam wird und nützliche Problemlösungen liefern kann. Antworten indes lösen neue Fragen aus. Je vertrauter jemand mit dem Stoff wird, umso größer wird der Reiz, tiefer in die Materie einzudringen und sie auf die verschiedensten Fragestellungen anzuwenden. Wenn dem Buch die Vermittlung des ökonomischen Basiswissens gelingt und wenn es darüber hinaus das Intéresse an weiteren Studien weckt, hat es seinen Zweck erreicht. Durch Diskussionen und kritische Bemerkungen haben mich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Erarbeitung des Buches unterstützt. Ich danke besonders Herrn Dipl.-Ing. Dipl.-Wirtschaftsingenieur Ralph Hintemann und Frau Dipl.-Angl. Dieta Lohmann, die in der letzten Phase der Entstehung des Buches noch dabei waren. Herr Dipl.-Volkswirt Achim Raimann hat bei Korrekturen sowie bei der redaktionellen Gestaltung geholfen und vor allem bei der Erstellung des Stichwortverzeichnisses mitgewirkt. Hilfreich war auch die Mitarbeit der Studierenden Frau Astrid Joerißen, Frau Petra Röder und Herr Holger Telke. Die Umsetzung des Textes am Computer in ein ansprechendes Schriftbild übernahm Frau Elke Bosseler. Ihnen allen danke ich sehr herzlich. Der Verlag hat die Gestaltung der Abbildungen und mathematischen Ausdrücke und Gleichungen nach den Vorlagen übernommen. Dafür und für die gute Gesamtausführung möchte ich mich auch bei ihm bedanken.
Ulrich Brösse
I. Teil: Grundlegende Begriffe, Überlegungen und Zusammenhänge 1. Kapitel: Das spezifisch ökonomische Denken und der Gegenstand der Volkswirtschaftslehre 1.1 Der besondere Denkansatz der Ökonomen Auf die Frage, womit sich Ökonomen befassen, wird man vielleicht schnell die Antwort erhalten: mit der Wirtschaft und wirtschaftlichen Problemen. Die Antwort ist schon richtig; sie trifft aber nicht die ganze Problematik und insbesondere nicht den Kern des Ökonomischen. Die Ökonomen beschäftigen sich mit der Problematik von Wahlhandlungen bzw. Wahlentscheidungen einzelner Menschen, Unternehmen, Gruppen und Staaten im Zusammenhang mit knappen Gütern und Ressourcen. Was hiermit gemeint ist, wird vielleicht an ein paar Beispielen anschaulich. Folgende Fragen beschreiben Wahlhandlungsprobleme der erwähnten Art: -
Sollen verschärfte Emissionsgrenzwerte in der Industrie eingeführt werden? Sollen strengere Umweltschutzauflagen für die Landwirtschaft erlassen werden? Soll der Staat die Steuern für die Einkommensbezieher erhöhen oder senken? Sollen die Stipendienbedingungen für Studierende verbessert werden? Soll eine Strecke für die "Transrapid"-Bahn gebaut werden und ggf. wo? Soll ein Unternehmen Investitionen z. B. in die Forschungskapazität oder in die Produktionskapazität vornehmen? - Soll ein bestimmtes Stahlwerk, ein Bergwerksunternehmen oder eine Werft stillgelegt werden? Allen aufgeführten Entscheidungssituationen ist gemeinsam, daß Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen werden müssen. Verschärfte Emissionsgrenzwerte bedeuten z. B. für Bewohner in der Nähe oder im Einzugsbereich von Industriebetrieben und für die Umwelt Vorteile (Nutzen), für die Unternehmen aber Nachteile (Kosten), weil sie Ressourcen (Arbeitskräfte, Rohstoffe, Kapital) zur Schadstoffvermeidung einsetzen müssen, die dann für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung stehen. In der Volkswirtschaft muß deshalb z. B. die Produktion von Getreide, PKWs oder Chemieprodukten eingeschränkt werden (Kosten). Der Bau einer "Transrapid"-Bahn bringt zahlreiche Vorteile, d.h. Nutzen für die potentiellen Fahrgäste und die angeschlossenen Städte und Regionen. Der Aufwand für den Bau ist aber erheblich; denn viele Ressourcen werden gebunden, die dann an anderer Stelle für andere Produktionen nicht mehr verwendet werden können. Analoge Überlegungen lassen sich für alle anderen angeführten Beispiele anstellen. Immer sind Nutzen und Kosten im Spiel.
2
I. Teil Grundlegende Begriffe, Überlegungen und Zusammenhänge
Die angesprochene ökonomische Problematik besteht oder entsteht aber nur dann, wenn die Güter und Ressourcen knapp sind. Gäbe es beliebig viel ungenutztes Land, eine sehr hohe Arbeitslosigkeit und zinsloses Kapital in Hülle und Fülle, könnte die "Transrapid"-Bahn gebaut werden, ohne daß an anderer Stelle auf Nutzen verzichtet werden müßte. Die Güter Land, Arbeitskraft und Kapital wären nicht knapp; aber nur knappe Güter kosten in der Regel etwas. Insofern sind Knappheit und Kosten korrespondierende Begriffe. Die typische Denk- und Arbeitsweise der Ökonomen besteht also darin, daß sie Nutzen und Kosten von Entscheidungen, Handlungen und Maßnahmen, die knappe Güter betreffen, analysieren und ihre Ergebnisse als Nutzen- und Kostengrößen darlegen. Ökonomisch ist eine Wahl dann, wenn die Alternative mit dem günstigeren Nutzen-Kosten-Verhältnis gewählt wird. Das macht den Kern des ökonomischen Denkens und Arbeitens aus. Es handelt sich um eine fachspezifische oder berufsspezifische, systematisch und theoretisch abgestützte Betrachtungsweise. Mit dieser Aussage ist keinerlei Wertung verbunden. Ob das ökonomische Ergebnis gut oder schlecht im Sinne anderer als ökonomischer Kriterien ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Man darf von den Ökonomen exakte und gute wissenschaftliche Arbeit erwarten, doch darf man von ihnen keine sozialen, ethischen oder gerechten Ergebnisse verlangen. Sie sollen ökonomische Analysen durchführen und ökonomische Aspekte und Ergebnisse darlegen. Das ist ihre Aufgabe, und dazu sind sie besonders ausgebildet und geeignet. Vor- und Nachteile abwägen, d.h. in Nutzen und Kosten denken, tun allerdings fast alle Menschen irgendwann einmal (z. B. eine Familie bei der Entscheidung über eine Urlaubsreise oder bei der Wahl eines Geschenks für einen ungeliebten Erbonkel), ohne daß sie nun Ökonomen wären. Insofern ist die Kennzeichnung des spezifisch Ökonomischen nicht eindeutig. Die Ökonomen haben diesen Denkansatz aber systematisch ausgebaut, theoretisch untermauert und gezeigt, daß sie in vielen Fällen mit ihrer Betrachtungsweise praktische Entscheidungshilfe leisten können. Darüber hinaus haben sie ihr Denksystem schwergewichtig auf bestimmte Lebensbereiche bezogen, die üblicherweise als "die Wirtschaft" bezeichnet werden. 1.2 Der Lebensbereich "Wirtschaft" als Gegenstand der Volkswirtschaftslehre Im vorhergehenden Abschnitt wurde dargelegt, was ökonomisches Denken und Arbeiten kennzeichnet. Es wurde aber auch gesagt, daß der Ökonom sich mit dem Bereich oder dem Gegenstand "Wirtschaft" befaßt, was ja auch einer weitverbreiteten Vorstellung entspricht. Offensichtlich gibt es neben dem erläuterten, definierbaren ökonomischen Denken einen irgendwie abgegrenzten Sektor oder Bereich Wirtschaft, d.h. einen Lebensbereich und Themenbereich, den man üblicherweise und traditionellerweise als Wirtschaft versteht. Dazu zählen der Tausch, d.h. das Kaufen
1. Kapitel: Das spezifisch ökonomische Denken
3
und Verkaufen auf Märkten, das Produzieren in Unternehmen, das Wirtschaftswachstum, Konjunktur und Beschäftigung, die Geldwertstabilität, die Steuern, der Außenhandel und vieles mehr. Eine Abgrenzung des Bereichs Wirtschaft als Gegenstand volkswirtschaftlichen Interesses ist - anders als beim methodischen Denkansatz - noch weniger eindeutig möglich. Mit welchen Lebensbereichen sich die Ökonomen vorwiegend und üblicherweise beschäftigen, ist z.T. traditionsbestimmt und ändert sich im Zeitablauf. Es lassen sich aber einige wichtige Themen, Aspekte und Kriterien angeben, die den Bereich Wirtschaft als Gegenstand volkswirtschaftlichen Interesses kennzeichnen. Zur Veranschaulichung seien wiederum einige konkrete Beispiele vorangestellt. Jeder wird fast täglich mit Sachverhalten, Vorgängen oder Problemen konfrontiert, die Gegenstand der Volkswirtschaftslehre sind: -
-
Die Preise für Lebensmittel steigen und können regional und je nach Geschäft unterschiedlich hoch sein. Die Gewerkschaften fordern höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten, die Arbeitgeber sind oft dagegen. Der Wechselkurs der DM gegenüber anderen Währungen schwankt. Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen teilen den Verbrauchern per Rundschreiben mit, daß der zuständige Minister einer Strompreiserhöhung ab dem soundsovielten zugestimmt hat. Die Banken verlangen höhere oder niedrigere Kreditzinsen oder erhöhen oder senken die Zinsen für Sparguthaben. Die Produktion und der Verbrauch von Kunststoffen steigt ständig. Die Einkommen sinken, steigen oder bleiben konstant. Der Wohlstandszuwachs auf der Welt verteilt sich regional unterschiedlich. Die Zahl der Arbeitslosen steigt oder sinkt, z.T. regional unterschiedlich. Es wird ein Wirtschaftswachstum von z. B. 2 % von der Regierung erwartet. Die Bevölkerung erhofft sich in unterschiedlichem Ausmaß Vorteile (Nutzen) aus dem Umweltschutz. Umweltschutz wird wegen zu hoher Kosten vernachlässigt. Manche sehr notwendige Güter (z. B. Luft) sind billig, und manche relativ "unwichtige" Dinge (z. B. Diamanten) sind teuer. Der Wettbewerb auf manchen Märkten wird stärker oder schwächer.
Die Liste läßt sich beliebig verlängern. Es ist aber nicht das Ziel, viele solcher Details aufzuzählen. Vielmehr soll versucht werden, das Gemeinsame an den Sachverhalten herauszufinden und den Gegenstand der Volkswirtschaftslehre auf einige wenige allgemeine Sachverhalte zurückzuführen. Dazu müssen die vielen festgestellten Sachverhalte und Vorgänge systematisiert werden. Systematisieren heißt, eine Menge nach Kriterien ordnen und zusammenfassen. Die Systematisierung ist eine einfache Methode wissenschaftlichen Arbeitens. Sie verschafft Übersichtlichkeit, erleichtert das Auffinden von Zusammenhän-
4
I. Teil Grundlegende Begriffe, Überlegungen und Zusammenhänge
gen und kann so dazu beitragen, Erkenntnisse zu gewinnen. Damit ist bereits ein erstes Instrument wissenschaftlichen Arbeitens vorgestellt. Wichtig für die Systematisierung ist die Wahl geeigneter Ordnungskriterien oder Ordnungsmerkmale. Ihre Auswahl bestimmt sich nach den Zielen des Wissenschaftlers, seiner Erfahrung, nach dem Zweck des Vorhabens und nach der Praktikabilität der Kriterien. Im vorliegenden Fall sollen Kriterien für Gemeinsamkeiten in den vorgestellten Phänomenen gesucht und angewendet werden. Als solche zusammenfassende Merkmale lassen sich beispielsweise feststellen: -
Märkte und Tausch, Produktion und Verbrauch (Konsum) von Gütern, Preise, und zwar für Güter, für Arbeit (Löhne), für Kapital (Zinsen), Wohlstand und Armut, Beschäftigung und Wachstum.
Mit diesen Merkmalen oder Merkmalsgruppen wurden auf ganz pragmatische Weise einige der wichtigsten Sachverhalte herausgearbeitet, die Gegenstand der Volkswirtschaftslehre sind. Zentrales Thema der Volkswirtschaftslehre sind Märkte und der Tausch auf Märkten, wobei die Preise für Güter, Arbeit und Kapital ein wesentliches Thema darstellen. Eng verknüpft hiermit ist der Wettbewerb bzw. die Konkurrenz. Weiter befaßt sich die Volkswirtschaftslehre mit der Produktion und dem Konsum von Gütern und mit den Investitionen. Auch Wohlstand und Armut, Beschäftigung und Wachstum sind Gegenstand der Volkswirtschaftslehre. Zu den genannten Gegenständen können Fragen formuliert und so Problembereiche angesprochen werden, mit denen sich der Volkswirt befassen muß. Solche Fragen können lauten: -
Warum steigen Preise? Was bewirken Preissteigerungen? Welchen volkswirtschaftlichen Zweck haben Preise? Wie läßt sich der Wettbewerb auf Märkten erhalten oder intensivieren? Warum gibt es arme und reiche Menschen, Länder und Regionen? Wie läßt sich die Armut erklären und verringern? Warum ist die Beschäftigungslage zeitlich und räumlich schwankend? Was muß man tun, um Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum zu erreichen? Bringen Umweltschutzmaßnahmen mehr Beschäftigung und Wachstum? Was kostet die Sanierung der Flüsse, Seen, der Luft und der Wälder, was kostet der Verkehr unter Berücksichtigung der Verkehrstoten und der Unfallopfer?
Damit sind pragmatisch einige wichtige Problembereiche der Volkswirtschaftslehre angesprochen. Durch die Systematisierung einer Sammlung ökonomisch relevanter Sachverhalte wurde der Gegenstand der Volkswirtschaftslehre auf einige wesentliche und charak-
1. Kapitel: Das spezifisch ökonomische Denken
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teristische Sachverhalte zurückgeführt und hierzu wurden entsprechende Problembereiche beschrieben. Diese Phänomene können begrifflich nun noch weiter zusammengefaßt werden, indem als Gegenstand der Volkswirtschaftslehre einfach die Wirtschaft oder das Wirtschaften bezeichnet wird. Das hat den Vorteil, daß das Fachgebiet mit einem einzigen Wort umschrieben werden kann. Es hat den Nachteil, daß am Ende dieser begrifflichen Verdichtung ein abstrakter, komplexer Begriff steht, der wenig Konkretes sagt. Umgekehrt führt die nähere Beschreibung des hochkomplexen Gegenstandes "Wirtschaft" durch Reduktion von Komplexität erst zu konkreteren Formulierungen des Gegenstandes der Volkswirtschaftslehre. 1.3 Der Gegenstand der Volkswirtschaftslehre, abgeleitet aus einem kurzen wirtschaftshistorischen Überblick Der Gegenstand der Volkswirtschaftslehre oder Nationalökonomie - beide Begriffe werden synonym verwendet - läßt sich auch übersichtsartig mit einem historischen Ansatz erschließen. Dieser besteht darin, daß man durch die Erfassung des Einzelnen, Konkreten und Besonderen des Wirtschaftslebens und seines Wandels allgemeingültige Erkenntnisse, d.h. wissenschaftliche Erkenntnisse, zu gewinnen sucht. Durch genaue Beobachtung der Geschichte, insbesondere der Wirtschaftsgeschichte, läßt sich wiederum eine Vorstellung von dem Gegenstand gewinnen. Die wissenschaftliche Methode des historischen Ansatzes spielte in der Nationalökonomie zeitweilig eine große Rolle und ist unter dem Begriff der historischen Schule in die Theoriegeschichte eingegangen. Sie ist heute durch andere Wissenschaftsmethoden, auf die noch eingegangen wird, weitgehend abgelöst worden, aber keineswegs verschwunden. Ein Blick zurück in die Geschichte lehrt, daß eine Volkswirtschaftslehre oder Nationalökonomie erst mit dem Aufkommen moderner Staaten in der Zeit des Absolutismus in Ansätzen entsteht. Mit dem Rückgang der Naturalwirtschaft des Mittelalters und dem Vordringen der Geld Wirtschaft im 17. Jahrhundert gewinnt der Staat ein wachsendes Interesse daran, durch Geldwirtschaft den Handel und das Gewerbe zu fördern, um so die ständig steigenden Staatsausgaben für Bürokratie, Heer und Hofhaltung begleichen zu können. Erste Ansätze einer Volkswirtschaftslehre stehen in diesem Sinne ganz im Dienste des Staates. Wirtschaftshistorisch spricht man von der Zeit des Merkantilismus. Ziel der Merkantilisten ist es zu zeigen, wie der Staat durch mehr Geld wirtschaftlich wohlhabender und reicher werden kann. Der Merkantilismus als Epoche ist dementsprechend gekennzeichnet durch eine starke staatliche Gängelung der Wirtschaft. Alles, was Geld ins Land bringt, wird gefördert, z. B. Subventionierung der Manufakturen und des Exports, was Geld abfließen läßt, wird behindert, z. B. Erhebung von Zöllen zur Erschwerung der Importe. Die Geburtsstunde der eigentlichen Volkswirtschaftslehre liegt allerdings später und ist mit den Namen Quesnay und Adam Smith verbunden. Quesnay (1694-1774), der
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I. Teil Grundlegende Begriffe, Überlegungen und Zusammenhänge
Leibarzt Ludwigs XV. von Frankreich, entwirft 1758 in Anlehnung an den Blutkreislauf sein berühmtes "Tableau Economique". In diesem Schema werden die Güter- und Einkommensströme, die zwischen den Bereichen der Wirtschaft fließen, dargestellt. Ziel des "Tableau Economique" ist es, die wirtschaftliche Ordnung zu zeigen, nach der die Wirtschaft von selbst, d.h. ohne Eingriffe des Staates, abläuft. Inzwischen ist nämlich der Staatsinterventionismus der Merkantilisten suspekt geworden, und philosophische und wirtschaftstheoretische Ideen breiten sich aus, die vom Glauben an eine harmonische, natürliche Weltordnung ausgehen und diese auf die Ordnung des Wirtschaftslebens gedanklich übertragen. Es ist die Zeit des Liberalismus mit einem pseudoreligiösen, metaphysischen Hintergrund. Man glaubt an eine prästabilisierte Harmonie in der Natur und auch in der Wirtschaft. Das Credo des wirtschaftspolitischen Liberalismus jener Zeit lautet dementsprechend: "Laissez faire, laissez passer, le monde va de lui même". Zu deutsch: Laß machen, laß laufen, die Welt geht von allein. In diesem Sinne unternimmt dann nach Quesnay der große schottische Nationalökonom Adam Smith (1723-1790) den Versuch, den Mechanismus oder anders gesagt: die natürliche Ordnung aufzuzeigen, nach der die Wirtschaft abläuft. Für ihn sind es die Preise und die freie Preisbildung auf Märkten, die dafür sorgen, daß das produziert wird, was gebraucht wird, und daß ein Ausgleich zwischen den vielen Käufern und Produzenten stattfindet. Sein berühmtes Werk trägt den Titel "Inquiry into the nature and causes of the wealth of nations". Genau wie bei Quesnay besteht bei Adam Smith das Ziel darin, die wirtschaftliche Ordnung darzustellen und zu erklären. Damit ist ein ganz wesentlicher Gegenstand nationalökonomischer Arbeit, nämlich die Ordnung und der Ablauf einer arbeitsteiligen, über Märkte gesteuerten Wirtschaft, gefunden: Die Volkswirtschaftslehre untersucht u.a. das Funktionieren einer arbeitsteiligen, über Preise gesteuerten Marktwirtschaft. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt nun, daß im 19. Jahrhundert, der Zeit des reinen Liberalismus, sowohl eine starke Industrialisierung stattfindet als auch ungeheuerliches Elend auftritt. Die Ursachen des sozialen Problems liegen sicherlich auch außerhalb der marktwirtschaftlichen Ordnung, wie z. B. in den politischen Maßnahmen der Bauernbefreiung, die plötzlich große Menschenmassen zu den Fabriken strömen läßt, und im technischen Fortschritt, der Arbeitsplätze auch vernichtet. Die Marktwirtschaft hat offensichtlich die "soziale Frage" nicht von alleine zu lösen vermocht. Die Nationalökonomen nehmen sich deshalb dieser Frage an. Der englische Nationalökonom David Ricardo (1772-1823) schreibt in diesem Sinne 1817 in seinem berühmten Werk "Principles of political economy and taxation", daß es Aufgabe der Nationalökonomie sei, die Gesetze der Einkommensverteilung zu erforschen. Es geht um Arbeitseinkommen und Kapitaleinkommen, reiche und arme Menschen, Regionen und Völker. Die Wirtschaftsgeschichte macht also sehr drastisch auf einen zweiten Hauptgegenstand der Volkswirtschaftslehre aufmerksam, nämlich auf die soziale Frage oder ökonomisch formuliert: auf die Problematik der Einkommens- und Vermögensverteilung.
1. Kapitel: Das spezifisch ökonomische Denken
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Schon früh im 19. Jahrhundert wird in England und später auf dem Festland den Ökonomen klar, daß offensichtlich auch die theoretischen Vorstellungen von einer prästabilisierten Harmonie der wirtschaftlichen Entwicklung in der Realität keine uneingeschränkte Bestätigung finden. Ein gleichmäßiges Fortschreiten oder Wachsen der Wirtschaft stellt sich nicht ein. In mehr oder weniger regelmäßigen zeitlichen Abständen kommt es vielmehr zu Zusammenbrüchen, aber auch zu anschließenden Belebungen der Wirtschaft. Dieses Phänomen der Krisen und Konjunktur findet das Interesse der Volkswirte und hat es bis heute behalten. Tabelle 1/1: D i e Bevölkerung und das Volkseinkommen in Deutschland 1925-1939 Jahr
Bevölkerung 1 (in 1000)
Volkseinkommen (in Mio R M )
1925
62.411
56.993
1926
62.866
59.096
1927
63.252
66.219
1928
63.618
71.236
1929
63.985
70.880
1930
64.294
64.589
1931
64.627
52.066
1932
64.909
41.086
1933
65.218
42.552
1934
65.592
48.953
1935
66.871
55.341
1936
67.349
62.098
1937
67.831
69.887
1938
68.558
78.268
1939
69.286
85.479
1
Gebietsstand 31.12.1937; bis 1934 ohne Saarland. Quelle: Hoffmann,W. G. und Müller, J. H., Das deutsche Volkseinkommen 1851-1957, Tübingen 1959, S. 56.
Eng damit verbunden ist die Frage nach den Möglichkeiten einer stetig wachsenden Wirtschaft. Die große Weltwirtschaftskrise zu Beginn der 30er Jahre dieses Jahrhunderts macht deutlich, welch großes Elend und welche ungeheuerlichen wirtschaftlichen Verluste mit ökonomischen Krisen verbunden sind, so daß größte Anstrengungen der Volkswirte dringend geboten erscheinen, um Wiederholungen zu vermeiden. (Vgl. den enormen Rückgang des Volkseinkommens in der Weltwirtschaftskrise in Tab. 1/1). Trotzdem sieht sich die Wirtschaft heute wiederum mit großen Problemen der Unterbeschäftigung konfrontiert. Hinzu kommen neue Probleme, wie z. B. die, die sich aus den Belastungen und Zerstörungen der natürlichen
8
I. Teil Grundlegende Begriffe, Überlegungen und Zusammenhänge
Umwelt ergeben. Nicht mehr nur die Frage nach einem stetigen Wachstum steht zur Diskussion, sondern auch die Frage nach dem Einfluß der natürlichen Umwelt auf die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten. Als weitere Gegenstände der Volkswirtschaftslehre sind daher die Beschäftigung und die langfristige Entwicklung der Volkswirtschaften zu sehen. Wenn vorhin angedeutet wurde, daß die Volkswirtschaftslehre offensichtlich bis heute nicht hat klären können, wie z. B. Krisen und Arbeitslosigkeit zu vermeiden sind, so muß dazu gesagt werden, daß es die Nationalökonomie mit einem Gegenstand zu tun hat, der nicht immer, wie z. B. naturwissenschaftliche und technische Vorgänge, mit Gesetzen und Gesetzmäßigkeiten hinreichend erfaßt und beschrieben werden kann. Eine Vielzahl nicht vorhersehbarer und vorhersagbarer Verhaltensweisen von Menschen und Institutionen erschweren die Erfassung der Zusammenhänge. Selten hat man es im Laufe der Geschichte mit zwei völlig gleichen Situationen zu tun. Fast jede wirtschaftliche Situation verlangt eine eigene Analyse und spezielle wirtschaftspolitische Maßnahmen. Das macht die nationalökonomische Wissenschaft so schwierig. In diesem Sinne ist wohl auch die Aussage des großen Physikers Einstein zu verstehen, der gesagt haben soll, er habe von einem Studium der Nationalökonomie abgesehen, weil ihm diese Wissenschaft zu schwierig sei. 1.4 Volkswirtschaftslehre als Fachgebiet im System der Wissenschaften Als Gegenstand der Volkswirtschaftslehre wird hier ganz allgemein und abstrakt die Wirtschaft bezeichnet. Mit der Wirtschaft befassen sich aber auch andere Wissenschaften, z. B. die Betriebswirtschaftslehre. Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre sind jeweils Teilgebiete der Wirtschaftswissenschaften. Manche fassen auch noch die Finanzwissenschaft als eigenes Teilgebiet auf. Eine Unterteilung der Wirtschaftswissenschaften ergibt sich zwangsläufig aus dem Aufkommen immer neuer Problembereiche und der Ausweitung und Intensivierung des wissenschaftlichen Stoffes, so daß ein einzelner das gesamte Gebiet der Wirtschaftswissenschaften nicht mehr überschauen, geschweige denn beherrschen kann. In diesem Sinne können heute weitere Gebiete genannt werden, die zu den Wirtschaftswissenschaften gezählt werden können, sich jedoch weitgehend verselbständigt haben, aber weiterhin mit wirtschaftswissenschaftlichen Fragestellungen und Methoden arbeiten: Die Raumwirtschaftslehre, die Agrarökonomie und die Umweltökonomie, um nur einige Beispiele zu nennen. Viele dieser wirtschaftswissenschaftlichen Teilgebiete können als Teilmengen des Faches Volkswirtschaftslehre aufgefaßt werden. Es läßt sich von der Volkswirtschaftslehre auch als wirtschaftswissenschaftliche Mutterwissenschaft sprechen, die grundlegende und allgemeine Zusammenhänge untersucht und aus der sich die spezielleren Teilgebiete abgespalten haben.
1. Kapitel: Das spezifisch ökonomische Denken
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Die Wirtschaftswissenschaften gehören zu den Realwissenschaften, d.h. sie wollen Informationen über reale Vorgänge der Wirtschaft bereitstellen. Man spricht auch von empirischen Wissenschaften, weil diese auf Beobachtungen und Erfahrungen (Empirie) beruhen. Das Gegenstück hierzu sind die Formalwissenschaften wie z. B. die Logik und die Mathematik, die aufgrund rein gedanklicher Konstrukte, unabhängig von der Wirklichkeit, betrieben werden. Die Wirtschaftswissenschaften werden zusammen mit der Soziologie, der Sozialpsychologie, den Rechtswissenschaften und der Politikwissenschaft oft unter dem Oberbegriff "Sozialwissenschaften" subsumiert. Sie alle liefern Erkenntnisse über soziale Prozesse, haben es also weitgehend mit derselben Realität zu tun. Insofern ergänzen sie einander und können als Nachbar- oder Partnerwissenschaften angesehen werden, die ihre Erkenntnisse gegenseitig beachten und nutzen müssen. Übersicht 1/1 zeigt die Einordnung der Volkswirtschaftslehre in das System der Wissenschaften. Allgemein in den Wirtschaftswissenschaften und speziell in der Volkswirtschaftslehre wird nach Theorie und Politik unterschieden. Volkswirtschaftstheorie will Antwort geben auf die Frage: Was ist und warum ist etwas so und nicht anders? Aufgabe der Theorie ist es also zu erklären. Politik dagegen will etwas bewirken, will Ziele erreichen. Deshalb sucht die Volkswirtschaftspolitik Antwort zu geben auf die Frage: Was kann sein und wie lassen sich bestimmte Ziele erreichen? Mit Volkswirtschaftspolitik ist sowohl der wissenschaftliche Bereich des Faches als auch die praktische Wirtschaftspolitik z. B. einer Regierung gemeint. In der Regel wird Volkswirtschaftslehre mit Volkswirtschaftstheorie gleichgesetzt. Die Wirtschaftsgeschichte ist eine Disziplin, die auf die Frage: was war? Antwort gibt. Eine besondere Form der Geschichte stellt die Theorie- oder Dogmengeschichte der Volkswirtschaftslehre dar. Sie berichtet über die historische Entwicklung wirtschaftswissenschaftlicher Hypothesen und Theorien. Oft wird als besonderes Fach die Ökonometrie hervorgehoben. Sie stellt eine Art quantitativer Volkswirtschaftslehre dar. Ökonometriker erarbeiten mehr oder weniger umfangreiche mathematische, rechenbare Modelle und überprüfen sie empirisch mit Zahlen der Wirklichkeit. Bereiche der Wirtschaft, die Gegenstand der Volkswirtschaftslehre sind, werden oft von anderen Wissenschaften mit deren Fragestellungen und Methoden analysiert. Begrifflich ist das an der Verbindung des Wortes Wirtschaft mit dem entsprechenden Begriff einer anderen Fachdisziplin zu erkennen, z. B. Wirtschaftsrecht, Wirtschaftsgeographie, Wirtschaftssoziologie, Wirtschaftsmathematik. Je nach dem Grad der Spezialisierung stellen sie mehr oder weniger eigenständige Fachgebiete dar. Sie sind besonders enge Nachbar- und Partnerwissenschaften. Darüber hinaus existieren für die Volkswirtschaftslehre Hilfswissenschaften, die lediglich Hilfsmittel zur Erkenntnisgewinnung zur Verfügung stellen. Hier sind vor allem die Mathematik und die statistische Methodenlehre zu nennen.
10
I. Teil Grundlegende Begriffe, Überlegungen und Zusammenhänge
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e B > C stellt eine ordinale Messung dar. 6.2 Die kardinale Nutzentheorie Ein Schlüsselbegriff der kardinalen Nutzentheorie ist der Grenznutzen. Grenznutzen und Elemente der Grenznutzentheorie wurden bereits im Zusammenhang mit der Wertbestimmung der Güter dargestellt und erläutert. Insoweit kann an dieser Stelle darauf aufgebaut und daran angeknüpft werden. Die Fragestellung in diesem Kapitel lautet: Wie verhält sich ein Haushalt beim Konsum von Gütern, bzw. welche Güter will ein Haushalt in welcher Menge konsumieren? Zur Beantwortung dieser Frage hilft das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen (1. Gossen'sche Gesetz) weiter. Es beschreibt, um es noch einmal zu wiederholen, den Zusammenhang zwischen dem fortschreitenden Verbrauch eines beliebigen Gutes und der damit verbundenen Nutzenentwicklung beim Verbraucher. Hermann Heinrich Gossen war Statistiker und hat das später zu seinen Ehren so genannte Gesetz aufgrund seiner Beobachtungen formuliert. Es kann also als eine durch die Beobach-
6. Kapitel: Die Nutzen der Haushalte
109
tung der Realität gewonnene Hypothese angesehen werden. Sie wird aber auch durch die tägliche Erfahrung in gewissem Umfang bestätigt. Je mehr ein Haushalt nämlich von einem Gut konsumiert, umso weniger Nutzen wird er einer zusätzlichen Einheit dieses Gutes beimessen. Insgesamt möchte er als rational handelnder Konsument seinen Nutzen maximieren. In Abb. 3/2 (Kap. 3) bezeichnet u (= Utility) den Nutzen und u' den Grenznutzen. Offensichtlich ist der Gesamtnutzen u dort am größten, wo die Nutzenkurve (1)
u = f (x)
ihr Maximum hat und wo entsprechend die Grenznutzenkurve (2)
u' = f' (x) = 0
ist. Der nutzenmaximierende Haushalt wird seinen Konsum also gemäß Abb. 3/2 bis zur Gütermenge x = 10 ausdehnen wollen. Das ist in jedem Falle möglich, wenn das Gut nichts kostet, wenn es sich z. B. um ein freies Gut handelt. Bei knappen Gütern dagegen muß Einkommen für den Erwerb aufgewendet werden, und es fragt sich, ob der Haushalt überhaupt so viel Einkommen hat und wenn ja, ob er bereit ist, es dafür auszugeben. Für den Fall knapper Güter läßt sich folgende Überlegung anstellen. Der Haushalt wird nur dann eine Einheit des Gutes mehr kaufen und konsumieren, wenn der Grenznutzen daraus größer ist als der Nutzenentgang durch Hingabe der Geldmenge in Höhe des Kaufpreises, was ja mit einem Verzicht auf eine andere Verwendung dieses Geldbetrages verbunden ist. Die kardinale Nutzentheorie unterstellt nun, daß der Nutzen und somit auch der Nutzenentgang kardinal meßbar sind. Die Messung erfolgt in der Regel mit Hilfe des Geldmaßstabes und der Zahlungsbereitschaft der Konsumenten. Kostet beispielsweise das zu konsumierende Gut 20 DM, der Grenznutzen des Gutes wird aber mit 30 DM eingeschätzt, weil der Konsument bereit ist, maximal soviel dafür zu bezahlen, so ist der Nutzenzuwachs beim Kauf größer als der Nutzenentgang durch Zahlung des Kaufpreises. Liegt dagegen der Grenznutzen des Gutes nur noch bei 19 DM, so wird bei einem Preis von 20 DM keine zusätzliche Einheit des Gutes mehr gekauft. Als Fazit ist festzuhalten, daß der Haushalt ein Gut immer dann zu erwerben bereit ist, wenn der Preis höchstens gleich dem vermittelten Nutzenzuwachs (Grenznutzen) ist. Dementsprechend wird er sich als Nachfrager am Markt verhalten. Die Nachfragekurve des Haushalts entspricht folglich seiner Grenznutzenkurve. An die Stelle des individuellen, subjektiven Grenznutzens u' tritt der Preis als stellvertretende, den Nutzen kardinal ausdrückende Größe.
110
II. Teil Mikroökonomische Theorie des Haushalts
Die obigen Überlegungen beziehen sich auf ein Gut, das ein Bedürfnis befriedigt. Kann ein Gut, wie z. B. Wasser, mehrere Bedürfnisse befriedigen (z. B. Wasser zum Trinken, zum Kochen, zur Gartenbewässerung), so ist zu klären, wie der Haushalt eine bestimmte Menge des Gutes auf die unterschiedlichen Verwendungen aufteilt, um seinen Gesamtnutzen aus dem Wasserkonsum zu maximieren. Der Haushalt wird den größtmöglichen Nutzen erzielen, wenn der Grenznutzen in jeder Verwendung gleich ist, wenn also u'i = u'2 ist. Solange der Grenznutzen aus der Gartenbewässerung kleiner (z. B. wegen ausreichender Regenfälle) als der bei der Verwendung zum Kochen ist, wird der Gesamtnutzen noch steigen, wenn zusätzliches Wasser zum Kochen statt zur Gartenbewässerung verwendet wird. Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall (z. B. bei großer Trockenheit), wenn eine zusätzliche Einheit Wasser bei der Gartenbewässerung einen höheren Grenznutzen als beim Kochen stiftet. Das Gleichgewicht und Nutzenmaximum ergibt sich also bei der Gleichheit der Grenznutzen. Bei n Verwendungsarten des Gutes Wasser gilt entsprechend (3)
Ul'
= u 2 ' = ...= u n '
Man spricht vom Gesetz des Ausgleichs der Grenznutzen oder dem zweiten Gossen'schen Gesetz. Auch der Begriff des Äquimarginalprinzips findet sich in der Literatur. Die Zusammenhänge des 2. Gossen'schen Gesetzes können auch anhand eines Beispiels graphisch veranschaulicht werden (vgl. Abb. 6/0). Ein Gut soll auf zwei Verwendungsmöglichkeiten aufgeteilt werden. Um beim oben genannten Beispiel Wasser zu bleiben, soll eine Wassermenge x von 2,34 m 3 auf die Verwendungsarten 1 und 2 (beispielsweise Trinkwasser und Brauchwasser) aufgeteilt werden. Die Aufteilung soll so erfolgen, daß der Gesamtnutzen aus dem Wasserkonsum maximiert wird. Gemäß dem 2. Gossen'schen Gesetz ist das Optimum dort erreicht, wo die Grenznutzen aus den Verwendungsmöglichkeiten für die gegebene Menge gleich sind, also ui'=u 2 '. Durch Gleichsetzung der Gleichungen für ui' und U2' unter Berücksichtigung von X] + X2 = 2,34 errechnet sich das Optimum. In der Abbildung ist dies bei u¡' = 4,0, X[ = 1,0 und u 2 ' = 4,0, x 2 = 1,34 erreicht. Der Gesamtnutzen ergibt sich als das Integral der Grenznutzenfunktionen, d.h. im konkreten Fall als Fläche unter den beiden Grenznutzenkurven Uj' und u 2 ' für die Strecke x 2 = 1,34 bis X] = 1,0. Es läßt sich nun zeigen, daß die erwähnte Fläche die größtmögliche unter der Bedingung Xj + x 2 = 2,34 ist und somit den größtmöglichen Gesamtnutzen beschreibt. Wählte man nämlich eine andere Aufteilung, z. B. Xj = 0,6 und x 2 = 1,74, so ist die insgesamt zur Verfügung stehende Wassermenge auch bei dieser Aufteilung ausgeschöpft. Es ergibt sich für die Trinkwassermenge x j ein höherer Grenznutzen, und
6. Kapitel: Die Nutzen der Haushalte
111
zwar in Höhe von u j ' = 4,8- Die Fläche unter der Grenznutzenkurve u j ' wird im Vergleich zur vorherigen Aufteilung aber kleiner. Es wird ein Nutzenverlust in Höhe der rechten schraffierten Fläche realisiert.
Abb. 6/0 Als Brauchwasser wird dementsprechend die restliche zur Verfügung stehende Wassermenge von X2 = 1,74 m 3 genutzt, und zwar mit dem geringeren Grenznutzen von
1 12
II. Teil Mikroökonomische Theorie des Haushalts
u 2 ' = 1,6. Dadurch steigt der Nutzen u 2 , d.h. die Fläche unter der Grenznutzenkurve ist größer geworden. Es erfolgt ein Nutzenzuwachs in Höhe der linken schraffierten Fläche. Vergleicht man den Nutzenverlust in Höhe der schraffierten Fläche rechts mit dem Nutzenzuwachs in Höhe der schraffierten Fläche links, so wird deutlich, daß der Nutzenzuwachs niedriger ist als der Nutzenverlust. Die Fläche unter den beiden Grenznutzenkurven, also der Gesamtnutzen aus dem Wasserkonsum, wird bei dieser Aufteilung kleiner. Entsprechendes ist leicht für den umgekehrten Fall nachzuweisen, wenn mehr Wasser als Trinkwasser (xj) und weniger als Brauchwasser (x 2 ) genutzt wird. Auch in diesem Fall sinkt der Gesamtnutzen. Die jeweiligen einzelnen Gesamtnutzenwerte lassen sich auch in der oberen Zeichnung anhand der Nutzenkurven U] und u 2 direkt ablesen. Es ist aber nicht möglich, mit Hilfe dieser Graphik das Optimum für den Gesamtnutzen aus beiden Verwendungsarten zu veranschaulichen. Soll nun das Nutzenmaximum beim Erwerb von n verschiedenen Gütern bestimmt werden, so lassen sich die Grenznutzen der verschiedenen Güter nicht unabhängig von ihren Preisen betrachten. Beispielsweise ist denkbar, daß ein Mittelklasseauto und eine Luxuslimousine einem Haushalt fast denselben Grenznutzen bringen. Da die Preise für die beiden aber sehr unterschiedlich sind, wird der Haushalt nicht beide gleich bewerten. Man kann das Problem lösen, indem man die Grenznutzen mit den jeweiligen Preisen der Güter gewichtet, wobei der Grenznutzen durch den Preis dividiert wird. Das Nutzenmaximum ergibt sich wie in Gleichung (3), wenn die gewogenen Grenznutzen der n Güter gleich sind:
(4)
Ui'
=
Pi
u2' P2
P,
Die Quotienten in Gleichung (4) geben den Grenznutzen pro Geldeinheit, z. B. pro eine D M an. Sie stellen also Ausdrücke für den Grenznutzen des Geldes dar. Das zweite Gossen'sche Gesetz besagt daher in etwas anderer Formulierung folgendes: Der Haushalt verhält sich rational und nutzenmaximierend, wenn er die n Güter in solchen Mengen kauft, daß die jeweils letzte zum Kauf eines jeden Guts ausgegebene Geldeinheit bei allen n Gütern den gleichen Grenznutzen stiftet. Kurz läßt sich auch vom Gesetz vom Ausgleich der gewogenen Grenznutzen sprechen. Durch Umformulierung der Gleichung (4) erhält man (5)
Ul' u2'
=
Pl p2
6. Kapitel: Die Nutzen der Haushalte
113
oder allgemein (6)
Ü L = Ei für i=l,...,n und j=l,...,n u
i'
Pj
Der Haushalt maximiert also seinen Gesamtnutzen, wenn er die verschiedenen Güter in solchen Mengen kauft, daß deren Grenznutzen im gleichen Verhältnis zueinander stehen wie ihre Preise. Der Haushalt befindet sich dann im Gleichgewicht, man spricht vom Haushaltsgleichgewicht. Obwohl es so scheint, als ob die Grenznutzentheorie das Nachfrageverhalten relativ einfach und elegant erklären kann, hat sie auch Schwächen. Vor allem ist es bis heute nicht gelungen, den Nutzen kardinal zu messen. Damit ist auch ein interpersoneller Nutzenvergleich nicht möglich. Diese Schwierigkeiten schränken den Erkenntniswert der kardinalen Nutzentheorie für die Ableitung der Nachfragefunktion ein, heben ihn aber nicht ganz auf. Ein umfassenderer Ansatz wird mit der nachfolgenden ordinalen Nutzentheorie vorgestellt. 6.3 Die ordinale Nutzentheorie und die Indifferenzkurvenanalyse 6.3.1 Problemstellung: Die Erstellung einer Präferenzordnung aufgrund von Annahmen (Hypothesen) über rationales Verhalten der Haushalte Auch der ordinalen Nutzentheorie liegt die gleiche Fragestellung zugrunde wie der kardinalen Nutzentheorie: Wie verhält sich ein Haushalt beim Konsum von Gütern, bzw. welche Güter wird ein Haushalt in welcher Menge bei einem bestimmten Einkommen konsumieren? Die ordinale Nutzentheorie umgeht einige der Schwächen der Grenznutzenanalyse. Das entscheidende und zu lösende Problem ist ein Entscheidungsproblem: Der Konsument muß zwischen der Vielzahl der Güter, die der Befriedigung seiner Bedürfnisse dienen können, aufgrund seines begrenzten Einkommens eine Auswahl treffen. Grundlage für seine Wahl sind die Nutzen, die die Güter ihm stiften. Der Haushalt muß die gewünschten Güter gemäß seinen Nutzenvorstellungen ordnen. Zu dem Zweck wird angenommen, daß der Haushalt in der Lage ist, die Güter unter dem Aspekt der Erwünschbarkeit miteinander zu vergleichen und zu ordnen. Eine solche Ordnung wird als Präferenzordnung bezeichnet. Die ordinale Nutzentheorie geht davon aus, daß der Haushalt gemäß seiner Präferenzordnung sagen kann, welches Gut er welchen anderen Gütern vorzieht, daß er also eine ordinale Präferenzordnung besitzt; dagegen wird für die kardinale Nutzentheorie unterstellt, daß der Haushalt auch angeben kann, in welchem Ausmaß er ein Gut anderen Gütern vorzieht.
114
II. Teil Mikroökonomische Theorie d e s Haushalts
Außerdem werden in der ordinalen Nutzentheorie eine Reihe besonderer Annahmen explizit getroffen, die rationales Verhalten der Konsumenten beschreiben. Die Annahmen können auch als Hypothesen über bestimmte rationale Verhaltensweisen der Konsumenten aufgefaßt werden. Sie sind allerdings nicht empirisch überprüft, so daß es sich bei der ordinalen Nutzentheorie um reine Modelltheorie handelt. Aus den Hypothesen und Modellen wird die ordinale Präferenzordnung des Haushalts durch logische Folgerungen abgeleitet. Das Ergebnis sind Indifferenzkurven als Ausdruck der Präferenzordnung des Haushalts. Die Indifferenzkurvenanalyse ist deshalb ein wesentlicher Bestandteil der ordinalen Nutzentheorie. Statt für einzelne Güter kann die Präferenzordnung auch für Güterbündel erstellt werden. Die Haushalte wünschen zwar einzelne Gütermengen Xj, X2, ..., x n und müssen sich entscheiden, welche Güter sie in welchen Mengen konsumieren wollen. Man kann sich vorstellen, daß die Haushalte aber nicht zwischen einzelnen Gütern, sondern zwischen verschiedenen Güterkombinationen, d.h. Güterbündeln x('), x(2) ..., x(n) wählen. Ein Güterbündel ist, wie bereits erwähnt, ein nach Art und Menge genau beschriebenes Sortiment an Gütern: (7)
x0) = |x 1 0),x 2 0),...,x n 0)}
Im weiteren Verlauf der Darstellung wird mit Güterbündeln gearbeitet, und diese werden vereinfachend immer als aus nur zwei Gütern bestehend betrachtet, um die Zusammenhänge zeichnerisch veranschaulichen zu können. Das Güterbündel, das der Haushalt schließlich aus der gesamten Menge der Güterbündel X nachfragen will, legt er im Konsumplan fest. Der Konsumplan beschreibt also die gewählte Güterkombination. 6.3.2 Annahme (Hypothese) 1: Vollständigkeit der ordinalen Vergleichbarkeit der Güter durch den Haushalt Die Annahme besagt folgendes: Der Haushalt kann für jedes beliebige Paar von Güterbündeln eine Beziehung oder Relation angeben. Sie läßt sich ausdrücken durch "... wird vom Haushalt als mindestens ebenso gut betrachtet wie...". Verkürzt läßt sich die Relation durch das Symbol >; kennzeichnen. Wird beispielsweise xO) v x(2) geschrieben, so heißt das: Güterbündel oder Konsumplan x(') wird vom Haushalt als mindestens ebenso gut betrachtet wie Güterbündel oder Konsumplan Vollständigkeit der ordinalen Vergleichbarkeit ist gegeben, wenn für alle x('), x(i) in X gilt: Entweder x® >; x(i) oder xö) >; x® oder beides. Gemäß Hypothese 1 kann der Haushalt beim Vergleich zweier Güterbündel drei Entscheidungen treffen. Zum ersten kann er xW als mindestens ebenso gut bewerten wie xCi), nicht aber x(i) ebenso gut wie xW; zum zweiten kann er umgekehrt xCi) im Vergleich zu x® so sehen; und zum dritten kann der Haushalt beide Konsumpläne als gleichwertig betrachten, er ist zwischen x® und xü) indifferent.
6. Kapitel: Die Nutzen der Haushalte
115
Annahme 1 läßt sich auch in vereinfachter Schreib- und Ausdrucksweise folgendermaßen darstellen: xO) >- x, sprich: x(1> wird x(2J vorgezogen x- x(1), sprich: x (2 ' wird x") vorgezogen x") ~ x, sprich: x(1> ist x (2) gleichwertig. 6.3.3 Annahme (Hypothese) 2: Transitivität der Präferenzordnung des Haushalts Diese Hypothese unterstellt den Konsumenten ein widerspruchsfreies (konsistentes) Verhalten bei ihren Entscheidungen. Es ist gegeben, wenn als Annahme erfüllt ist: Für alle x«,xü>,x(k> in X gilt: Wenn x « y x® und x® x x,dann auch x ö x x- B wählen, d.h. lieber in der City als in der Nähe des Arbeitsplatzes wohnen. In einem zweiten Wahlgang entscheidet eine Mehrheit (M und V) B x C, d.h. sie zieht die Nähe des Arbeitsplatzes der Waldrandlage vor. Im Falle einer transitiven Präferenzordnung wäre zu erwarten, daß, da A X B und B X
116
II. Teil Mikroökonomische Theorie des Haushalts
C, nun auch A >- C folgen müßte. Das hieße, daß die Wohnung in der City mehrheitlich der Wohnung am Waldrand vorgezogen wird. Bei einer erneuten Abstimmung über die Alternative A oder C ergibt sich jedoch mehrheitlich (V und K) C >A, d.h. die Waldrandlage wird der City vorgezogen. Es läßt sich also bei transitiven Präferenzordnungen jedes einzelnen Familienmitgliedes in diesem Falle keine transitive Präferenzordnung einheitlich für den gesamten Haushalt durch demokratische Abstimmung gewinnen. Man spricht vom Abstimmungs- oder Arrow-Paradoxon. Also genügt die Präferenzordnung des Haushalts nicht der Transitivitätsbedingung. Eine wissenschaftliche, rationale Lösung aufgrund einer solchen Präferenzordnung ist nicht möglich. Deshalb wird, wie gesagt, für die Theorie angenommen, daß sich die Haushalte nach außen in ihren Entscheidungen konsistent verhalten. Was das praktische Beispiel angeht, so muß sich die Familie ja entscheiden. Sie wird letztlich, falls sie nicht würfeln und die Entscheidung also dem Zufall überlassen will, die Entscheidungskriterien gewichten müssen und auf dieser Basis dann versuchen, eine in ihrem Sinne rationale Lösung zu finden. 6.3.4 Annahme (Hypothese) 3: Rationale Wahl des Haushalts Der Haushalt kann nur solche Konsumpläne realisieren, die seinen finanziellen Rahmen nicht überschreiten. Bezeichnet man, wie in Kap. 5.4 geschehen, alle finanziell grundsätzlich realisierbaren Konsumpläne als die Budgetmenge, so muß der Haushalt seinen Konsumplan aus der Budgetmenge wählen. Diese Wahl muß rational erfolgen. Entsprechend wird eine dritte Annahme getroffen. Wird Güterbündel oder Konsumplan xW aus der Budgetmenge C gewählt, so gilt für alle x(i) in C: xW x x(i). Das heißt mit anderen Worten: Der Haushalt würde niemals einen Konsumplan x(') aus der Budgetmenge wählen, wenn es einen anderen Konsumplan x(2) gäbe, den er x^1) vorziehen würde. Er wählt also das Güterbündel, das jedem anderen mindestens gleichwertig ist. Dadurch wird berücksichtigt, daß der Haushalt gegenüber Güterbündeln auch indifferent sein kann. Es gibt also nicht unbedingt nur einen einzigen bestmöglichen Plan für den Haushalt, der den höchsten Nutzen bringt. 6.3.5 Annahme (Hypothese) 4: NichtSättigung des Haushalts Eine weitere wichtige Verhaltenshypothese betrifft die Unbeschränktheit menschlicher Bedürfnisse. Der Konsument wird als eine Person gesehen, die lieber mehr als weniger Güter verbraucht. Sättigung wird also ausgeschlossen. In der Terminologie der Grenznutzentheorie heißt das, daß der Grenznutzen der Güter immer positiv ist. Dabei kann ein qualitativ besseres Gut als ein Mehr eines qualitativ schlechteren Gutes interpretiert werden. Trotzdem sind Zweifel an der Realitätsnähe dieser Annahme berechtigt, weil sich de facto Sättigungserscheinungen für einzelne Güter
6. Kapitel: Die Nutzen der Haushalte
117
bemerkbar zu machen scheinen. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, daß man ja Güterbündel statt einzelner Güter betrachten kann, für die eine Sättigung schon schwerer festzustellen sein wird. Außerdem verfügen die meisten Menschen über Einkommen, die eine allgemeine Sättigung auch in heutiger Zeit kaum zulassen, so daß die Hypothese auch unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Wirklichkeit akzeptiert werden kann. Die Annahme der NichtSättigung läßt sich in symbolischer Schreibweise folgendermaßen ausdrücken, wobei das Zeichen > besagen soll, daß ein Konsumplan von jedem Gut mindestens die gleiche Menge hat wie ein anderer Konsumplan und zusätzlich mindestens von einem Gut mehr erhält: Für alle xW , x(i) in X gilt: Wenn x® > x(J), dann xW >- x(i). Sobald ein Güterbündel x O also von allen Gütern die gleiche Menge und von mindestens einem Gut mehr enthält als ein Güterbündel x(2), so wird x O dem x(2) vorgezogen. Diese Annahme impliziert, daß der Haushalt sein gesamtes Einkommen auch ausgibt; denn dann kann er die meisten Güter erwerben. Dem widerspricht nicht, daß der Haushalt auch Ersparnisse bilden kann, weil sie ja für einen zukünftigen Konsum vorgesehen werden. Das zu verausgabende Einkommen wird dadurch lediglich in der betrachteten Periode für den Gütererwerb entsprechend reduziert.
Abb. 6/1
118
II. Teil Mikroökonomische Theorie des Haushalts
Weiter ergibt sich aus der Annahme, daß der Haushalt nur Güterkombinationen realisieren wird, die auf der Budgetgeraden liegen; denn unterhalb dieser Geraden läßt sich für jeden Konsumplan xW mindestens ein Konsumplan x finden, für den gilt x > xW, woraus folgt, daß x >- xW (vgl. Abb. 6/1). Solange aber Konsumpläne realisierbar sind, die einem gewählten Plan vorgezogen werden, hat sich der Konsument nicht rational entschieden. Die Annahme (Hypothese 3) ist in diesem Fall nicht eingehalten.
6.3.6 Annahme (Hypothese)5: Stetigkeit der Präferenzen und indifferentes Verhalten des Haushalts Im Koordinatensystem der Abb. 6/2 ist ein Güterbündel x(°) eingezeichnet, und durch den Punkt für x(°) sind als gestrichelte Linien die Parallelen zu den Achsen gezogen, wodurch vier Quadranten I, II, III und IV gebildet werden. 1
1 1 1 II
1
1 1 i i
I x o
! x- x (*)). Auf den Linien des Achsenkreuzes durch Punkt x(°) lassen sich ebenfalls eindeutige Relationen ablesen. Auf der Parallelen zur Xj-Achse gilt links von x(°), daß x(°) >und rechts von x(°), daß x(*) >- x(°). Auf der Parallelen zur X2-Achse gilt unterhalb von x(°) entsprechend x(°) V x(*) und oberhalb von x(°) umgekehrt x'*) >- x ~ x(°l
120
II. Teil Mikroökonomische Theorie des Haushalts
Damit diese Aussage Gültigkeit hat, muß aber, wie gesagt, Stetigkeit der Präferenzen vorausgesetzt werden. Das bedeutet, daß die Güter beliebig teilbar sind. Wenn Stetigkeit auch nicht in vollem Umfang der Realität entspricht, so handelt es sich doch um eine wichtige Annahme, ohne die eine formale Behandlung der mikroökonomischen Betrachtungen außerordentlich schwierig würde. Legt man eine Vielzahl von Geraden ähnlich der Geraden g durch die Quadranten II und IV und ermittelt für jede dieser Geraden ihr Indifferenzgüterbündel x( c ), so muß die Verbindung der jeweiligen Punkte x^c> eine stetige Kurve in den beiden Quadranten ergeben. Da der Haushalt die Güterkombinationen auf dieser Kurve gleich bewertet, also ihnen gegenüber indifferent ist, wird die Kurve als Indifferenzkurve bezeichnet. Der Verlauf der Indifferenzkurve läßt sich aus den bisher gemachten Annahmen ableiten. Die Kurve muß fallend sein. In Abb. 6/4 ist zum Beweis eine wieder steigende und damit falsche Kurve K[ mit drei Güterbündeln eingezeichnet. Wäre es eine Indifferenzkurve, so müßte gelten x(') ~ x(°) und x(2) ~ x(°). Wegen der Transitivitätsannahme müßte dann auch gelten x ( ' ) ~ x(2>. Die Abbildung läßt aber erkennen, daß das Güterbündel x(2> mehr von Gut 1 und Gut 2 enthält als x('), was nach den bisherigen Überlegungen heißen würde, daß das Güterbündel x( 2 ) dem Bündel x' 1 ) vorgezogen wird: x( 2 ) >- x " ' . Das kann aber für eine Indifferenzkurve nicht gelten, weil sie ja die Verbindung aller als gleich bewerteten Güterkombinationen darstellt.
Ö
—
X] Abb. 6/4
6. Kapitel: Die Nutzen der Haushalte
121
X
122
II. Teil Mikroökonomische Theorie des Haushalts
Eine Indifferenzkurve kann auch keine parallelen Äste zum Koordinatenkreuz haben, wie in Abb. 6/4 durch die Kurve K2 dargestellt; denn im parallelen Bereich enthält, wie schon erläutert, ein Güterbündel x( 2 ) immer mehr von Gut 1 - bei gleicher Menge von Gut 2 - als ein Güterbündel x('). Entsprechende Überlegungen gelten für eine Sprungstelle (vgl. Kurve K 3 in Abb. 6/4). Man gelangt also zu dem Ergebnis, daß eine Indifferenzkurve fallend verlaufen muß.
6.3.7 Indifferenzkurven als Ergebnis der Annahmen (Hypothesen)l bis 5 Mit Hilfe der Abb. 6/3 wurde eine Indifferenzkurve abgeleitet, die durch den II. und IV. Quadranten fallend verläuft. Die gleichen Überlegungen, die anhand von Abb. 6/3, vom Güterbündel x(°) ausgehend, angestellt wurden, lassen sich für jedes andere Güterbündel als Ausgangspunkt vornehmen. Die Folge davon ist, daß sich nicht nur eine Indifferenzkurve finden läßt, sondern daß es vielmehr eine ganze Schar von Indifferenzkurven gibt. Aufgrund der bisher gemachten Annahmen wären Scharen von Indifferenzkurven der Verläufe in Abb. 6/5 denkbar. Die Indifferenzkurven in Abb. 6/5 schneiden einander nicht. Auch das ist eine Konsequenz der Annahmen 1 - 5 , wie sich mit Hilfe der Abb. 6/6 leicht feststellen läßt. Wenn die beiden Kurven in Abb. 6/6 Indifferenzkurven sein sollen, so muß gelten x (0) _ x (2) u n c j x (0) _ x (l) N a c h der Transitivitätshypothese muß dann auch gelten x (l) ~ x (2). Offensichtlich enthält Güterbündel x ® aber mehr von dem Gut 2 als Güterbündel x " ) bei gleicher Menge von Gut 1. Demnach würde gelten x( 2 ) >- x^). Nach der Vollständigkeitsannahme kann aber nicht gelten x' 2 ) ~ und x( 2 ) >- x ( ' l Daraus läßt sich folgern, daß Indifferenzkurven einander nicht schneiden können.
Abb. 6/6
X
'
6. Kapitel: Die Nutzen der Haushalte
123
6.3.8 Annahme (Hypothese) 6: Stetige Differenzierbarkeit der Indifferenzkurven Diese Annahme besagt, daß Indifferenzkurven keine Knicke, wie z. B. in Abb. 6/5 rechts oben, aufweisen dürfen. Sie müssen, mathematisch gesprochen, in jedem Punkt eindeutig differenzierbar sein, und die erste Ableitung der Indifferenzkurve muß dementsprechend eine stetige Funktion sein. Diese Annahme empfiehlt sich wiederum aus analytischen Gründen und aus Gründen der Handhabbarkeit der mikroökonomischen Theorie. Der ökonomische Gehalt dieser Annahme ist an dieser Stelle noch nicht einsichtig. Er wird erkennbar, wenn später der Begriff der Grenzrate der Substitution im Zusammenhang mit den Indifferenzkurven diskutiert wird. Die Folge der Annahme 6 ist, daß aus der Menge möglicher Verläufe von Indifferenzkurven alle Kurven ausgeschlossen werden, die Knicke aufweisen. 6.3.9 Annahme (Hypothese) 7: Konvexität der Indifferenzkurven und abnehmende Grenzrate der Substitution Die letzte Annahme, die zur Ableitung der Präferenzordnung des Haushalts gemacht werden muß, besagt, daß die Indifferenzkurven konvex verlaufen, oder anders ausgedrückt, daß die Grenzrate der Substitution sinkt. Abb. 6/7 zeigt zwei denkbare Verläufe konvexer Indifferenzkurven, von denen lediglich die zweite der Bedingung der strengen Konvexität genügt und damit zugleich das charakteristische Bild der in der mikroökonomischen Theorie üblicherweise verwendeten Indifferenzkurven aufweist. In Abb. 6/8 ist für eine gegebene Indifferenzkurve graphisch dargestellt, auf wieviele Mengeneinheiten eines Gutes 2 ein Haushalt jeweils zu verzichten bereit ist, wenn er sukzessive eine Mengeneinheit des Gutes 1 mehr verbrauchen will, wobei die jeweils neue Güterkombination gleich bewertet wird. Das Nutzenniveau eines Haushalts soll sich also durch die Substitution von Gut 2 durch Gut 1 nicht ändern. Er bewegt sich auf der Indifferenzkurve. Offensichtlich wächst das Güterbündel jeweils um Axj = 1. Der Verzicht auf Gut 2 in Höhe von Ax2 wird dabei immer kleiner. Das Verhältnis der absoluten Werte von Ax 2 Axj (Differenzenquotient) wird als Durchschnittsrate der Substitution oder auch nur Substitutionsrate von Gut 2 durch Gut 1 bezeichnet. Offensichtlich sinkt die Substitutionsrate, wenn man sich auf der Indifferenzkurve von links nach rechts bewegt. Will man die Substitutionsrate von Gut 1 durch Gut 2 ermitteln, so erhält man den reziproken Ausdruck Axj : Ax2, wobei Ax2 = 1 ist. Auch in diesem Falle sinkt die Substitutionsrate, wenn man sich jetzt auf der Indifferenzkurve von rechts nach links bewegt. Geht man von einem beliebigen Güterbündel, z. B. von x(2) in Abb. 6/8, aus und ermittelt eine Substitutionsrate, z. B. von Gut 2 durch Gut 1, so fällt der Wert jeweils anders aus, ob er nun für ein Mehr an Gut 1 oder für ein Weniger an Gut 1 berechnet wird. Das ist bei endlichen Werten für Axi und Ax2 zu beachten.
124
II. Teil Mikroökonomische Theorie des Haushalts
Diese Komplikation läßt sich ausschalten, wenn man unendlich kleine Änderungen betrachtet, also eine Grenzbetrachtung durchführt und statt der Durchschnittsrate die Grenzrate der Substitution bestimmt. Entsprechend der Differentialrechnung ergibt sich als Grenzrate der Substitution von Gut 2 durch Gut 1 der Differentialquotient
— = t g et (vgl. Abb. 6/9). dxj
6. Kapitel: Die Nutzen der Haushalte
A b b . 6/8
A b b . 6/9
125
126
II. Tell Mikroökonomische Theorie des Haushalts
Die Grenzrate der Substitution von Gut 1 durch Gut 2 ist
dx. dx.
: tg a' =
1 tga
Betrachtet man die absoluten Beträge, so ist also die Grenzrate der Substitution von Gut 2 durch Gut 1 gleich dem Kehrwert der Grenzrate der Substitution von Gut 1 durch Gut 2. Was besagt nun die sinkende Grenzrate der Substitution ökonomisch? Der Verlauf der Indifferenzkurven ist letztlich bedingt durch das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen. Je mehr ein Haushalt von einem Gut 1 konsumiert, um so kleiner wird der Grenznutzen durch die jeweils hinzugefügte Einheit des Gutes 1. Bewegt sich ein Haushalt auf einer Indifferenzkurve von links nach rechts (vgl. Abb. 6/8), so ist mit dem zusätzlichen Konsum ein Verzicht auf eine bestimmte Menge von Gut 2 verbunden, wodurch entsprechend auf immer größer werdende Grenznutzen des Gutes 2 sukzessive verzichtet werden muß. Das bedeutet: Je mehr der Haushalt von Gut 1 erhält, um so geringer bewertet er einen Zuwachs von Gut 1. Er wird also zunehmend weniger von Gut 2 für eine weitere Einheit von Gut 1 hergeben wollen. In der Realität hat man es mit endlichen Veränderungen der Gütermengen zu tun. Insofern gibt die Grenzrate der Substitution nicht genau die wirklichen Verhältnisse wieder. Es sind analytische Gründe und keine ökonomischen, die für die Anwendung der Grenzrate der Substitution statt der Durchschnittsrate der Substitution sprechen. Wenn die Grenzrate der Substitution eindeutig bestimmbar sein soll, muß die Indifferenzkurve stetig differenzierbar sein (vgl. Annahme 6). Nur dann sind die hier gemachten Aussagen in der vorgestellten Form zulässig. 6.3.10 Das Ergebnis: Eine unendliche Schar von Indifferenzkurven Wird aus den vorliegenden Überlegungen das Fazit gezogen, so ergibt sich für die Präferenzordnung des Haushalts eine beliebig große Schar von Indifferenzkurven I. Ihren Verlauf zeigt Abb. 6/10. Auf jeder Indifferenzkurve ist der Haushalt indifferent gegenüber den durch die Kurve beschriebenen Konsumplänen. Je weiter die Kurve vom Ursprung wegliegt, um so höher ist das Versorgungsniveau und damit das Nutzenniveau, das sie repräsentiert. Es handelt sich um eine ordinale Reihung der Niveaus. Man kann zwar sagen, daß ein Nutzen größer oder kleiner ist, nicht aber angeben, um wieviel er zwischen zwei Indifferenzkurven größer oder kleiner ist. Das Indifferenzkurvensystem beschreibt die Präferenzordnung eines Haushalts.
6. Kapitel: Die Nutzen der Haushalte
X2
JL
ÖA b b . 6/10
127
7. Kapitel: Der optimale Konsum- oder Haushaltsplan 7.1 Zeichnerische Bestimmung In Kap. 5.4 wurde gezeigt, daß der optimale Konsumplan ein Punkt auf der Budgetgeraden sein muß. Im Rahmen der ordinalen Nutzentheorie wurde in Kap. 6.2 die Präferenzordnung des Haushalts als Schar von Indifferenzkurven abgeleitet. Jede Indifferenzkurve beschreibt ein bestimmtes Nutzenniveau, wobei die Kurven weiter rechts ein höheres Niveau aufweisen. Da der Haushalt versucht, mit seinem vorgegebenen Budget ein möglichst hohes Nutzenniveau zu erreichen, liegt bei konvexem Verlauf der Indifferenzkurven ein optimaler Haushaltsplan dann vor, wenn eine Budgetgerade eine Indifferenzkurve tangiert. Das ist in Abb. 7/1 beim Konsumplan xW mit den Gütermengen und x 2 (°) der Fall. Ein höheres Nutzenniveau ist mit dem Einkommen nicht zu realisieren.
Abb. 7/1
Der optimale Konsumplan ist dadurch gekennzeichnet, daß die Steigungsmaße der Budgetgeraden und der sie tangierenden Indifferenzkurve gleich sind. Wie bereits erläutert, beträgt das Steigungsmaß der Budgetgerade pj/p 2 und das der Indifferenzkurve dx2/dxi (Grenzrate der Substitution).
7. Kapitel: Der optimale Konsum- oder Haushaltsplan
129
Für den optimalen Konsumplan gilt demnach für den Punkt x ( 0 ) 0)
dx2 dX]
£i P2
oder allgemein
dXj
Pi
dXj
Pj
Die Bedingung für den optimalen Konsumplan lautet also, daß für jedes Paar von Gütern die Grenzrate der Substitution gleich dem umgekehrten Preisverhältnis der jeweils betrachteten Güter sein muß. Ökonomisch läßt sich diese Bedingung folgendermaßen interpretieren. Die Budgetgerade bzw. das Preisverhältnis zweier Güter beschreibt die objektiven ökonomischen Möglichkeiten der Substitution eines Gutes durch ein anderes. Die Möglichkeiten sind durch das Haushaltseinkommen und die Marktpreise objektiv vorgegeben. Die Substitutionsrate dagegen zeigt die subjektive Bereitschaft des Haushalts zur Substitution eines Gutes durch ein anderes an. Fallen objektive Substitutionsmöglichkeit und subjektive Substitutionsbereitschaft auseinander, so kann der Haushalt durch Wahl eines anderen Güterbündels seine Situation noch verbessern. Erst wenn Substitutionsmöglichkeit und Substitutionsbereitschaft übereinstimmen, handelt es sich um einen optimalen Konsumplan. Die graphische Darstellung in Abb. 7/1 läßt gut erkennen, warum der stetige und streng konvexe Verlauf der Indifferenzkurven so wichtig ist. Ohne diese Annahme wäre es manchmal nicht möglich, einen optimalen Konsumplan eindeutig zu bestimmen. Würde eine Indifferenzkurve beispielsweise teilweise linear verlaufen, so gäbe es, wie Abb. 7/2 verdeutlicht, im linearen Bereich (von A bis B) mehrere bestmögliche Konsumpläne. Es läßt sich dann nicht eindeutig feststellen, welche Mengen der beiden Güter der Haushalt nachfragt. Gerade das zu sagen ist aber das Ziel der Nachfragetheorie. x2
Abb. 7/2
130
II. Teil Mikroökonomische Theorie des Haushalts
Denkbar ist auch, daß konvexe Indifferenzkurven eine Güterachse oder auch beide schneiden oder daß sie sich nicht einer Achse, sondern einem anderen Wert annähern. In Abb. 7/3 ist eine Indifferenzkurve gezeichnet, die die Achse des Gutes 1 schneidet und sich für Gut 2 einem Grenzwert nähert. Die Präferenzordnung des Haushalts ist folgendermaßen zu interpretieren: Der Haushalt substituiert Gut 2 bei zunehmendem Verbrauch von Gut 1, bis er bei der Menge x j überhaupt nichts mehr von Gut 2 wünscht. Gut 2 ist also vollständig substituiert worden. Man spricht in diesem Falle von vollständiger oder Alternativsubstitution.
Abb. 7/3 Bewegt sich der Haushalt in Richtung eines Mehrverbrauchs von Gut 2, so ist er nicht bereit, das Gut 1 weitergehend zu substituieren als bis zur Menge x . In diesem Falle nähert sich die Indifferenzkurve asymptotisch diesem Grenzwert. Immer dann, wenn kein vollständiger Austausch eines Gutes durch ein anderes möglich ist, wenn die Indifferenzkurven die Güterachsen nicht schneiden, spricht man von beschränkter oder peripherer Substitution. Für die Überlegungen zum optimalen Konsumplan (vgl. Abb. 7/1) wurde und wird auch weiterhin unterstellt, daß das Verhalten der Haushalte immer einer peripheren Substitution entspricht. Beim optimalen Konsumplan handelt es sich dann um ein sogenanntes "inneres" Optimum, weil es innerhalb des Koordinatensystems liegt und also immer von allen Gütern konsumiert wird. Würde auch die vollständige oder Alternativsubstitution berücksichtigt, so wären sogenannte Randoptima möglich. In Abb. 7/4 ist ein solches Randoptimum xM ein-
7. Kapitel: Der optimale Konsum- oder Haushaltsplan
131
gezeichnet. Die Steigung der Indifferenzkurve Ij mit dem höchsten Niveau und die Steigung der Budgetgeraden Bi stimmen nicht überein. Ein inneres Optimum kann also nicht vorliegen. Eine weitere Substitution ist auch nicht möglich. Man spricht, wie gesagt, in solchen Fällen von einem Randoptimum.
Abb. 7/4
7.2 Rechnerische Bestimmung Die rechnerische Bestimmung des optimalen Konsumplans setzt voraus, daß die Präferenzordnung und die Budgetbedingung in Form von mathematischen Gleichungen ausgedrückt werden. Das ist für die Budgetbedingung mit der Budgetgeraden (2)
p, • x, + p 2 • x2 = c = e
bereits in Kap. 5.4 geschehen. Die Präferenzordnung beschreibt die Nutzen des Haushalts. Der Nutzen hängt von den im Güterbündel vertretenen Gütermengen ab, also (3)
u = f(x b x 2 )
Der Haushalt handelt rational, wenn er seinen Konsumplan x(°) so wählt, daß dessen Nutzen u nicht kleiner ist als der Nutzen irgendeines anderen Konsumplans, der sich ebenfalls mit dem Budget des Haushalts realisieren läßt. Die Nutzenfunktion (3)
132
II. Teil Mikroökonomische Theorie des Haushalts
muß demnach, unter Einhaltung der Gleichung (2) als Nebenbedingung, maximiert werden, wenn man den optimalen Konsumplan ermitteln will. Eine relativ einfache, in der ökonomischen Theorie oft angewandte Methode zur Bestimmung der Extremwerte von Funktionen unter Einhaltung von Nebenbedingungen ist die der Lagrange-Multiplikatoren. Dazu wird die Nebenbedingung zunächst so umgeformt, daß auf der einen Seite Null steht:
(4)
c - p, • x, - p 2 • x 2 = 0
Im nächsten Schritt wird die Lagrange-Funktion L gebildet, indem zu der zu maximierenden Funktion die umgeformte und mit dem Lagrange-Multiplikator X multiplizierte Nebenbedingung addiert wird (oder abgezogen wird, das ist gleich):
(5)
L = u (x,,x 2 ) + A. ( c - p i • X] - p 2 • x 2 )
Hätte man mehrere Nebenbedingungen, so müßten sie jede für sich mit einem eigenen Lagrange-Multiplikator multipliziert und zu der Funktion addiert werden. Wichtig bei diesem Verfahren ist nun, daß die zu maximierende Nutzenfunktion unter Beachtung der Nebenbedingungen dort einen Extremwert hat, wo auch die Lagrange-Funktion einen solchen Extremwert aufweist. Für die Lagrange-Funktion muß also das Maximum bestimmt werden. Da sie im Falle der Gleichung (5) drei unabhängige Variablen Xj, X2 und X hat, sind die partiellen Ableitungen der Lagrange-Funktion nach diesen unabhängigen Variablen vorzunehmen und jeweils gleich Null zu setzten: .. (6a)
(6b)
(6c)
5L 3x,
3x 2
—
aX
= U] - X pj = 0
mit U] =
X p2 = 0
mit u 2 ' =
= u2' -
3u 3x,
dx2
= c - p, • x, - p2 • x2 = 0
Aus diesen Ableitungen erster Ordnung läßt sich der optimale Konsumplan bestimmen. Die Ableitungen zweiter Ordnung brauchen nicht mehr errechnet zu werden, weil aus der Kenntnis der Kurvenverläufe bekannt ist, daß das Ergebnis nur ein Maximum, also der optimale Konsumplan sein kann.
7. Kapitel: Der optimale Konsum- oder Haushaltsplan
133
Durch Auflösen der Gleichungen (6a) und (6b) nach X erhält man
(7a)
(7b)
Pi
P2
Da Uj' = 3u1 9x; (Grenznutzen) ist, lassen sich die Gleichungen (7a) und (7b) auch folgendermaßen schreiben: (8a)
(8b)
dx, 9u ()x?
=
:p2 = X
Durch Gleichsetzen von (8a) und (8b) errechnet sich der Ausdruck
(9)
El P2
dx2 dxj
Die Beziehung (9) stellt die bereits bekannte Bedingung der Gleichheit von Grenzrate der Substitution und umgekehrtem Preisverhältnis dar, die im Falle des optimalen Konsumplans erfüllt sein muß (vgl. (1)). Die Berechnung läßt sich für n Güter analog durchführen. Die entsprechende Lagrange-Funktion L lautet
(10)
L = u (x 1; x 2 ,..., x n ) + X • (c - p, • x, - p 2 • x 2 - ... - p„ • x n )
Die partielle Differentiation erbringt folgendes Gleichungssystem:
(11)
5L 3x t 3L dx?
= u,' - X. • p, = 0
= u2' - X • p2 = 0
134
II. Teil Mikroökonomische Theorie des Haushalts
3L dxn —
OA.
= u„' - X • pn = 0
= C - pi • X, - p2 • X2 - ... - Pn • Xn = 0
Aus dem Gleichungssystem (11) errechnet sich als allgemeine Bedingung für den optimalen Konsumplan du_ (12)
3x| p; — = — 3u_ pi
für i,j = l,...,n
3xj Das heißt, daß sich die Preise zueinander verhalten wie die Grenznutzen. Das rechnerische Vorgehen liefert aber noch ein weiteres, bekanntes Ergebnis. Die Gleichungen (8a) und (8b) beschreiben die mit ihren Preisen gewichteten Grenznutzen der Güter 1 und 2. Im Falle der Nutzenmaximierung bzw. im Gleichgewicht des Haushalts müssen die gewichteten Grenznutzen gleich sein, wie sich aus (8a) und (8b) unmittelbar ablesen läßt. Diese Bedingung wurde bereits in Kap. 6.1 im Rahmen der Darstellung der kardinalen Nutzentheorie abgeleitet. Insoweit führen also kardinale und ordinale Nutzentheorie zu demselben Ergebnis. Die Gleichungen (8a) und (8b) gestatten auch eine Interpretation der Größe X. X läßt sich als der zusätzliche Nutzen auffassen, den der Haushalt durch die Ausgabe einer weiteren Geldeinheit erlangen kann, also als der Grenznutzen des Geldes. Denn d u : ä x j ist nichts anderes als der Grenznutzen des Gutes 1, wie aus der bereits erläuterten Grenznutzentheorie bekannt ist. Die Gewichtung dieses Grenznutzens mit dem Preis Pi erfolgte im Zusammenhang mit dem 2. Gossen'schen Gesetz. Insoweit ist der Grenznutzen des Geldes bereits aus der kardinalen Nutzentheorie bekannt. Der Lagrange-Multiplikator X ist also ökonomisch als der Grenznutzen des Geldes zu interpretieren. 7.3 Einkommens- und Substitutionswirkungen einer Preisänderung Preise, Preisverhältnisse und vor allem ihre Änderungen stellen wichtige ökonomische Signale für das wirtschaftliche Verhalten der Haushalte dar. Steigt beispielsweise der Preis für ein Gut, z.B. für stark schwefelhaltige Brennstoffe, so kann es für
7. Kapitel: Der optimale Konsum- oder Haushaltsplan
135
einen Haushalt wirtschaftlich interessant werden, das teurer gewordene Gut durch ein preiswerteres Gut (z. B. Erdgas) zu ersetzen. (Es soll hier nicht diskutiert werden, welche Ursachen Preisänderungen haben.) Denn infolge der Preissteigerung ist der schwefelhaltige Brennstoff absolut und relativ zu anderen Gütern teurer geworden, so daß der Haushalt durch Substitution des teurer gewordenen Gutes ein höheres Nutzenniveau erreichen kann als ohne Substitution. Entsprechendes gilt umgekehrt bei Preissenkungen. Man spricht vom Substitutionseffekt einer Preisänderung. Die Preissteigerung eines Gutes hat aber noch einen weiteren Effekt, der für das Verhalten eines Haushalts wichtig ist. Höhere Preise bedeuten bei konstantem Einkommen des Haushalts einen Kaufkraftverlust dieses Einkommens oder mit anderen Worten gesagt: Das Realeinkommen des Haushalts ist infolge der Preissteigerung gesunken, wenngleich das Nominaleinkommen gleich geblieben ist. Entsprechend kommt eine Preissenkung einer Realeinkommenssteigerung gleich. Diese Tatsache wird mit dem Begriff des Einkommenseffekts einer Preisänderung beschrieben.
Abb. 7/5 Das Zusammenwirken von Substitutionseffekt und Einkommenseffekt und ihre Auswirkungen auf den optimalen Konsumplan lassen sich anschaulich am Beispiel des 2-Güter-Falls graphisch zeigen. In Abb. 7/5 soll der Konsumplan x(°) die Aus-
136
II. Teil Mikroökonomische Theorie des Haushalts
gangssituation darstellen. Eine Preiserhöhung für das Gut 2 von P20 auf P21 bei Preiskonstanz von p j für das Gut 1 zeigt sich, wie bereits früher erläutert, graphisch in der Drehung der Bilanzgeraden B 0 um den Schnittpunkt mit der Xj - Achse nach links. Es ergibt sich ein neues Haushaltsoptimum x ' 1 ' auf dem jetzt maximal erreichbaren Nutzenniveau Ij, das unterhalb des früheren Niveaus Iq liegt. Der neue optimale Haushaltsplan x(') enthält gegenüber x(°) weniger vom Gut 2, dafür aber mehr vom Gut 1. Die Verschiebung von x(0) nach x O ist auf den Substitutionseffekt und auf den Einkommenseffekt zurückzuführen. Um die Wirkungen dieser beiden Effekte isoliert darstellen zu können, werden folgende Überlegungen angestellt. Der Einkommenseffekt läßt sich gedanklich ausschalten, wenn angenommen wird, dem Haushalt wird mit der Preiserhöhung für Gut 2 eine so große Einkommenserhöhung (neues Einkommen = c ) gegeben, daß er trotz des höheren Preises das alte Nutzenniveau IQ gerade halten kann. In diesem Fall muß das neue Preisverhältnis P1/P21 gleich der Grenzrate der Substitution dx 2 /dxi für die Indifferenzkurve Iq sein. Graphisch stellt sich das als eine Budgetgerade dar, die parallel zur Budgetgeraden Bj verläuft und die Indifferenzkurve Iq in dem Punkt x(2> tangiert. Das entsprechende Haushaltsoptimum wäre durch die neue Güterkombination x(2> gegeben, die allein durch einen Substitutionsvorgang zu erklären ist. Die Verschiebung von x(°) nach x( 2 ) ( - - - ) stellt dann den Substitutionseffekt dar. Er gibt an, wie sich die nachgefragten Gütermengen bei Änderung des Preisverhältnisses verändern, wenn gleichzeitig das Einkommen so angepaßt wird, daß damit das alte Nutzenniveau beibehalten werden kann. Wegen der negativen Steigung der Indifferenzkurven ist der Substitutionseffekt für das relativ teurer gewordene Gut immer negativ, d.h. es wird substituiert; und für das relativ billiger gewordene Gut ist er immer positiv, d.h. dieses wird vermehrt konsumiert. Zur Isolierung des Einkommenseffekts wird nun die gedankliche Einkommenserhöhung wieder rückgängig gemacht, wobei aber das neue Preisverhältnis P1/P21 zugrunde gelegt wird. Dem entspricht eine Verschiebung des optimalen Konsumplans x(2) nach xd) ( ). Sie zeigt, daß die Senkung des Realeinkommens eine Verringerung der verbrauchten Mengen beider Güter zur Folge hat. (Entsprechendes gilt umgekehrt für steigendes Einkommen.) Insgesamt überlagert sich der Rückgang der konsumierten Menge von Gut 1 infolge des Einkommenseffekts mit der Zunahme der verbrauchten Menge von Gut 1 infolge des Substitutionseffekts zum Ergebnis x j O , und es überlagert sich der Rückgang der konsumierten Menge von Gut 2 infolge des Substitutionseffekts mit dem Rückgang der verbrauchten Menge des Gutes 2 infolge des Einkommenseffekts zum Ergebnis x 2 0) (vgl. Abb. 7/5). Wenn soeben festgestellt wurde, daß mit einer Senkung des Realeinkommens eine Verringerung der konsumierten Gütermengen einhergeht, so gilt das nur für sogenannte normale Güter. Dagegen werden sogenannte inferiore Güter als solche Güter
7. Kapitel: Der optimale Konsum- oder Haushaltsplan
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definiert, deren verbrauchte Menge bei steigendem Einkommen kleiner (und bei sinkendem Einkommen größer) wird. Inferiore Güter in diesem Sinne sind z.B. einfaches, noch holzhaltiges Papier (als Briefpapier oder Druckpapier), leichte Aluminiumkochtöpfe, nicht entspiegeltes Brillenglas. Die Überlagerung von Substitutionsund Einkommenseffekt kann demnach zu anderen Ergebnissen führen, wenn ein inferiores Gut im Güterbündel vertreten ist. Wäre im obigen Beispiel Gut 2 ein inferiores Gut, so würde bei einer Preissteigerung zwar eine Substitution durch Gut 1 erfolgen, der Einkommenseffekt würde aber einen vermehrten Konsum von Gut 2 bewirken, so daß nicht ohne weiteres gesagt werden kann, ob per Saldo im neuen optimalen Konsumplan der Rückgang von Gut 2 infolge des Substitutionseffektes durch die Zunahme von Gut 2 infolge des Einkommenseffekts teilweise oder ganz ausgeglichen oder gar überkompensiert wird. Bei einer Überkompensation stellt sich als Ergebnis heraus, daß der neue optimale Konsumplan xW mehr von Gut 2 enthält als vorher der Konsumplan x(°) (vgl. Abb. 7/6). Die Preissteigerung für Gut 2 hat dann per Saldo zu einer Steigerung der verbrauchten Menge dieses Gutes geführt. Solche Güter heißen Giffen-Güter. Es handelt sich dabei also immer um inferiore Güter, bei denen aber zusätzlich der (negative) Substitutionseffekt durch den (positiven) Einkommenseffekt überkompensiert wird. Nicht jedes inferiore Gut ist also auch ein Giffen-Gut. Im Falle eines Giffen-Gutes konsumiert also ein Haushalt trotz einer Preiserhöhung mehr von dem Gut.
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II. Teil Mikroökonomische Theorie des Haushalts
Die Überkompensation kann nur bei ganz bestimmten Präferenzordnungen der Haushalte auftreten. Es sind also Lage und Verlauf der Indifferenzkurven, die darüber entscheiden, ob ein inferiores Gut zu einem Giffen-Gut wird oder nicht (vgl. Abb. 7/6). Praktisch wird man solche Präferenzordnungen vielleicht in ärmeren Bevölkerungsschichten finden. So hat Giffen Mitte des vorigen Jahrhunderts angeblich beobachtet, daß bei steigenden Brotpreisen die nachgefragten Brotmengen in den ärmeren Bevölkerungsschichten nicht zurückgehen, sondern ansteigen, was sich damit erklären läßt, daß nicht mehr genug Einkommen für teurere Lebensmittel, z. B. Fleisch, vorhanden war.
7.4 Kritische Interpretation der ökonomischen Bedeutung des optimalen Konsumplans Zum besseren Verständnis der ökonomischen Bedeutung des optimalen Konsumplans sollte man sich noch einmal vergegenwärtigen, daß die mikroökonomische Theorie das Verhalten der Haushalte erklären will. Im Rahmen des modelltheoretischen Vorgehens zur Bestimmung des optimalen Konsumplans werden Annahmen zur Beschreibung rationalen Verhaltens gemacht. Aus diesen Annahmen werden die Ergebnisse abgeleitet. Die Ökonomen hoffen, daß die unterstellten Annahmen (oder Hypothesen) das Verhalten der Haushalte richtig beschreiben. Nur dann ist der gewählte Konsumplan eines Haushalts durch die aufgezeigten Bedingungen für den optimalen Konsumplan charakterisiert. Es ist also so, daß sich der Haushalt entscheidet, und zwar ohne die hier angestellten Überlegungen bewußt vorzunehmen. Vielmehr genügt sein tatsächliches Verhalten den analytisch gefundenen Bedingungen, wenn er sich rational und gemäß seiner Präferenzordnung verhält. Das hier angewendete Instrumentarium der geometrischen und mathematischen Analyse dient dabei dem Wissenschaftler lediglich zu einer möglichst exakten Beschreibung und Erklärung des Konsumenten Verhaltens. Es ist natürlich nicht so, daß der Konsument bei seinen praktischen Entscheidungen ähnlich vorgeht. Allerdings wird unterstellt, daß der Konsument bzw. Haushalt sich bewußt rational verhält - rational dabei so verstanden, wie es durch die sieben gemachten Annahmen in der ordinalen Nutzentheorie definiert wird. Bereits bei der Diskussion der Annahmen (Hypothesen) für die Ableitung der Präferenzordnung der Haushalte wurden einige kritische Bemerkungen zur Realitätsnähe der Annahmen gemacht. Grundsätzlich läßt sich kritisieren, daß die Ableitung der Präferenzordnung der Haushalte empirisch nicht nachprüfbar ist. Die mikroökonomische Theorie bewegt sich insoweit auf einem empirisch wenig gesicherten Terrain. Auch ist es nicht erwiesen, daß sich die Konsumenten wirklich rational im definierten Sinne verhalten. Die Vorstellung, daß der Haushalt zu einem Gleichgewicht tendiert (Haushaltsgleichgewicht), vereinfacht das theoretische Modell ganz wesentlich. Ob das aber der Fall ist oder ob nicht auch bewußt Ungleichgewichte - wie immer diese aussehen mögen - angestrebt werden, ist noch kaum erforscht. Schließlich
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wird bei allen Überlegungen stillschweigend unterstellt, daß die Konsumenten eine genaue Kenntnis der Marktdaten haben, also vollständig informiert sind. De facto werden aber viele Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen. Theorien unter Berücksichtigung von Unsicherheit sind sehr viel komplizierter, dafür aber nicht unbedingt wirklichkeitsnäher.
8. Kapitel: Die Güternachfrage des Haushalts 8.1 Die allgemeine Nachfragefunktion Die vorstehenden Ausführungen der Kapitel 5 bis 7 dienen letztlich dem Ziel, die Güternachfrage des Haushalts am Markt bzw. die entsprechenden Nachfragefunktionen zu bestimmen. Bei der Ableitung des optimalen Konsumplans wurde festgestellt, daß dieser beeinflußt wird durch -
die Präferenzen des Haushalts (Lage und Verlauf der Indifferenzkurven),
-
die Güterpreise und ihr Verhältnis zueinander (Neigung der Budgetgeraden) und
- die Höhe des Einkommens (Lage der Budgetgeraden). Falls sich der Haushalt rational verhält - und das wird, wie gesagt, unterstellt - fragt er am Markt diejenige Gütermenge nach, die in seinem optimalen Konsumplan enthalten ist. Es läßt sich demnach ein Zusammenhang zwischen der nachgefragten Menge x eines Gutes i einerseits und den unabhängigen Einflußgrößen Präferenzen I, Preise p und Einkommen e andererseits herstellen. Er wird für den 2-Güter-Fall in Form folgender Beziehungen x, = f , ( I , p b p 2 , e ) x2 = f 2 (I,p 1 ,p 2 ,e) als allgemeine Nachfragefunktion des Haushalts bezeichnet. In genereller Schreibweise lautet sie (2)
xi = fi(I,p i ,p b ...,p i _ 1 ,p i + 1 ,...,p n ,e)
für i = l,...,n
Die allgemeine Nachfragefunktion eines Haushalts besagt, daß die nachgefragte Menge eines Gutes von der Präferenzordnung des Haushalts, vom Preis dieses Gutes, von den Preisen der anderen Güter und vom Einkommen des Haushalts abhängt. Bei der Diskussion des optimalen Konsumplans wurde bereits gesagt, wie sich Änderungen der Preise und der Einkommen auf die Lage der Budgetgeraden auswirken. Ein Sonderfall liegt dann vor, wenn sich alle Güterpreise und das Einkommen um denselben Faktor verändern, also wenn z. B. Einkommen und Preise um 10% steigen. Durch einfache Überlegung und Erfahrungen aus dem Alltagsleben weiß man, daß man in einem solchen Falle zwar mehr Geld in der Hand hat, dafür aber nicht mehr kaufen kann, weil ja die Preise in gleichem Ausmaß wie das Einkommen gestiegen sind. Man fühlt sich daher nicht reicher und kann in der Tat kein höheres Nutzenniveau verwirklichen. In der Theorie heißt das, daß der Haushalt ohne Geldillusion handelt. Er gibt sich also nicht der Illusion hin, mehr Kaufkraft zu haben und sich mehr Güterwünsche erfüllen zu können. Das Nominaleinkommen ist in diesem Falle zwar um 10% gestiegen, das Realeinkommen des Haushalts ist aber konstant
8. Kapitel: Die Güternachfrage des Haushalts
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geblieben. Das Realeinkommen ist das um die allgemeine Preissteigerung bereinigte Nominaleinkommen. Steigt das Nominaleinkommen beispielsweise um 10% von 2 500 DM auf 2 750 DM und gehen damit Preissteigerungen von 10% einher, so daß die neue Preisniveaurelation 110:100 ist, so beträgt die Realeinkommenssteigerung 0 DM. Das neue Realeinkommen beläuft sich dann auf
110 Ein Haushalt würde der Geldillusion unterliegen, wenn er im obigen Fall nur die Einkommenserhöhung oder nur die Preisänderungen betrachten würde. Dann erhielte er nämlich einen falschen Eindruck von seiner wirklichen Situation. Bei gleicher und gleichgerichteter Änderung der Preise und des Einkommens ändert sich die Budgetgerade nicht. Das muß so sein, weil ja bei einer Verschiebung der Budgetgeraden eine andere Indifferenzkurve tangiert und somit ein anderes Nutzenniveau erreicht wird. Formal läßt sich das leicht nachvollziehen. Die durch die Bilanzgerade gebildeten Achsenabschnitte stellen Quotienten c/p dar. Wenn beide Größen mit dem Faktor k multipliziert werden, kürzt sich dieser heraus. Ein entsprechendes Ergebnis läßt sich erzielen, wenn mit Hilfe der Methode der Lagrange-Multiplikatoren der optimale Konsumplan errechnet wird. Auch hier kürzt sich der Faktor k heraus, so daß der optimale Konsumplan unverändert bleibt. Als Nachfragekurve wurde in Kapitel 4 der Zusammenhang zwischen der nachgefragten Menge eines Gutes und seinem Preis dargestellt. Offensichtlich handelt es sich hierbei um einen Sonderfall der allgemeinen Nachfragefunktion, der sich dadurch auszeichnet, daß außer dem Preis des betrachteten Gutes alle anderen unabhängigen Variablen konstant gehalten werden, also (3)
x, = f, ( p ^ p i J . e )
f ü r i = 2,...,n
wobei der Querstrich über den Variablen andeuten soll, daß die Größe konstant gehalten wird. Es gibt also neben der allgemeinen Nachfragefunktion spezielle Nachfragefunktionen, die unter der ceteris paribus-Bedingung gelten. Im folgenden werden solche speziellen Nachfragefunktionen dargestellt. 8.2 Die Nachfrage in Abhängigkeit vom Einkommen des Haushalts bei Konstanz aller übrigen Einflußfaktoren Ziel dieses Unterkapitels ist es, die durch den Haushalt nachgefragte Menge eines Gutes in Abhängigkeit von der Änderung seines Einkommens zu analysieren. Zu dem Zweck wird die in der ökonomischen Theorie verbreitete Methode der ceteris paribus-Bedingung angewendet. In der allgemeinen Nachfragefunktion werden alle unabhängigen Variablen bis auf das Haushaltseinkommen konstant gesetzt. Man
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erhält dann die Einkommen-Konsum-Funktion. Zur Veranschaulichung wird wiederum der 2-Güter-Fall herangezogen: (4)
xi = f 1 ( p , , p 2 , I , e )
für i = 1,2
In Abb. 8/1 sind ein Indifferenzkurvensystem sowie mehrere parallele Bilanzgeraden eingezeichnet, die jeweils unterschiedlich hohe Haushaltseinkommen bei konstanten Preisen repräsentieren. Es ergeben sich dementsprechend optimale Konsumpläne xO), x( 2 ), ..., x(n) in den Berührungspunkten von Indifferenzkurven und Bilanzgeraden. Wie ersichtlich, führt im dargestellten Fall eine Einkommenserhöhung zu einer gleichgerichteten, vermehrten Nachfrage nach beiden Gütern. Im Normalfall wird ein Gut bei steigendem Einkommen mehr nachgefragt. Dementsprechend sinkt die nachgefragte Menge bei fallendem Einkommen. Man kann hier von normalen Gütern sprechen.
Abb. 8/1
Offensichtlich hängt das Ausmaß der vermehrten Nachfrage nach den beiden Gütern bei gegebenen Preisen von der Lage der Indifferenzkurven ab, also von der Präferenzordnung des Haushalts. In Abb. 8/2 ist eine Präferenzordnung dargestellt, bei der lediglich Gut 2 bei steigendem Einkommen vermehrt gewünscht wird, Gut 1 aber in konstanter Menge x , weiter nachgefragt wird.
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Abb. 8/2
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In Abb. 8/3 sinkt sogar aufgrund der angenommenen Präferenzordnung bei steigendem Einkommen die nachgefragte Menge von Gut 1. In einem solchen Falle spricht man, wie bereits im vorhergehenden Kapitel erläutert, von einem inferioren Gut. Der Fall beschreibt die Tatsache, daß Haushalte bei steigendem Einkommen von gewissen "minderwertigeren" Gütern weniger kaufen. Die in Abb. 8/1 bis Abb. 8/3 beispielhaft eingezeichneten jeweiligen Konsumpläne x O bis xO) lassen sich durch Linien verbinden. Diese stellen die Aneinanderreihung der dazwischen liegenden Tangentialpunkte bzw. der dazwischen liegenden Konsumpläne dar. Die Verbindungslinien werden als Einkommen-Konsum-Kurven bezeichnet. Einkommen-Konsum-Kurven lassen sich auch so darstellen, daß auf einer Achse das Einkommen abgetragen wird, so daß der Zusammenhang zwischen Einkommensveränderung und Güternachfrage unmittelbar ablesbar wird. In Abb. 8/4 ist eine solche Einkommen-Konsum-Kurve gezeichnet. Sie wird auch Engeische Kurve zu Ehren von Engel genannt, der Mitte des 19. Jahrhunderts diesen Zusammenhang untersuchte. Dabei stellte er fest, daß mit steigendem Einkommen der prozentuale Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel zurückgeht, wenn auch der absolute Betrag zunimmt.
Entsprechendes beobachtete Schwabe für Wohnungsausgaben. Es wird auch von der Engel-Schwabeschen Gesetzmäßigkeit gesprochen. Einige Daten für die BR Deutschland mögen zur Überprüfung der Aussagen herangezogen werden (vgl. Tab. 8/1). Für die Nahrungs- und Genußmittel läßt sich die Aussage von Engel gut bestätigen, was allerdings nicht für die Wohnungsmieten gesagt werden kann.
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