200 44 5MB
German Pages 112 Year 1973
Romanistische Arbeitshefte
1
Herausgegeben von Gustav Ineichen und Christian Rohrer
Jürgen M. Meisel
Einführung in die transformationeile Syntax I. Grundlagen
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1973
ISBN 3-484-50057-3
© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1973 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teüe daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie] zu vervielfältigen.
V I N H A L T S V E R Z E I C H N I S
Inhaltsverzeichnis
V
Vorwort
VII
Verzeichnis der Symbole und Abkürzungen
ix
0
Einleitung
1
1
Grundlagen einer transformationellen Grammatik
3
1.1
3
Definitionen von Sprache
1.2
Implikationen der Sprachtheorie Chomskys
4
1.3
Die Aufgaben einer Grammatik
8
1.4
Der ideale Sprecher-Hörer und
12
der kompetente Sprecher 1.5
Kompetenz und Performanz -
13
Grammatikalität und Akzeptabilität
2
1.6
Einwände
15
1.7
Übungen und begleitende Lektüre
17
Phrasenstrukturgrammatik 2.1
3
(PSG)
Syntax in Semiotik und Linguistik
19 19
2.2
Die IC-Analyse
20
2.3
Regeln einer einfachen PSG
23
2.4
Der Strukturbaum (Phrase-Marker)
26
2.5
Die Nominalphrase
27
2.6
Die Verbalphrase
30
2.7
Einwände
31
2.8
Übungen und begleitende Lektüre
33
Subkategorisierung und Lexikonregel
35
3.1
Kontextfreie Subkategorisierung
35
3.2
Kontextsensitive Subkategorisierung
40
3.3
Das Lexikon
46
3.4
Einwände
49
3.5
Übungen und begleitende Lektüre
52
VI 4
5
Transformationen
54
4.1
5k
Die Aufgaben der Transformationsregeln
4.2
Die Wirkungsweise der Transformationsregeln 63
4.3
Tiefenstruktur und Oberflächenstruktur
70
4.4
Einwände
75
4.5
Übungen und begleitende Lektüre
76
Die syntaktische Komponente im Rahmen des
79
Grammatikmodells 5.1
Die Standardtheorie (ST)
79
5.2
Die erweiterte Standardtheorie (EST)
83
5.3
Die generative Semantik (GS)
85
5.4
Die Kasusgrammatik (case grammar)
89
5.5
Schlussbemerkungen zum ersten T e ü
91
5.6
Begleitende Lektüre
92
6
Lösungen zu den Übungen
93
7
Literaturverzeichnis
97
VII
V O R W O R T
DER
H E R A U S G E B E R
Als erster Band der romanistischen Arbeitshefte erscheint hier eine Einführung in die generative Transformationsgrammatik. Es handelt sich um eine Darstellung der Syntax im Rahmen des Standardmodells. Dabei wird angenommen, daß die Kenntnis dieses Modells für das Verständnis der Positionen der Sprachwissenschaft heutzutage grundlegend ist. Dazu kommt, daß es gleichzeitig einen Bezugspunkt darstellt und eine bestimmte Redeweise für die Behandlung linguistischer Fragen festlegt. Dies ist auch für die Praxis der Sprachwissenschaft wichtig, und wir würden deshalb analog von den Bestimmungen einer "Linguistique saussurienne" (entsprechend dem Titel eines der nächsten Hefte) reden wollen, bzw. auch von einem Strukturalismus im Sinne Martinets oder Coserius. Konzeptionen der traditionell historischen Sprachwissenschaft so präzis anzugeben, wäre demgegenüber zur Zeit wohl nicht ganz einfach. Wir sehen darin ein echtes Problem, auch wenn feststeht, daß es keine Theoreme gibt, die nicht revidierbar wären. Die Gestalt der Sprachwissenschaft wird in erheblichem Maße von den Gesichtspunkten bestimmt, die man für relevant erklärt. Wir würden die Reihe der Arbeitshefte dann für besonders nützlich halten, wenn es gelänge, umschriebene und nicht zu umfangreiche Themenkreise korrekt abzuhandeln, denen ein Platz in der Ausbildung zukommt. Damit stellt sich das Problem des Praxisbezugs, z.B. im Falle der Ausbildungsprogramme für die Lehrer an weiterführenden Schulen. Soweit hier die Schule betroffen ist, setzen wir unsere Akzente ganz eindeutig auf den Spracherwerb. Das Problem, das bislang nicht befriedigend gelöst ist, besteht genau darin festzustellen, inwiefern die Sprachwissenschaft und deren Einsichten in der Praxis des Fremdsprachenunterrichts anwendbar sind. Gleichzeitig muß jedoch gesagt sein, daß das Problem der Umsetzbarkeit für die Sprachwissenschaft als solche nicht entscheidend ist. Es gibt aber auch in diesem Zusammenhang ein praktisches Problem, die Frage nämlich, inwiefern die kritische Beschäftigung mit der Sprache ein Bestandteil der Ausbildung in den Human- und Sozialwissenschaften darstellt, oder nicht. Welcher Art diese Sprachwissenschaft sein soll, ist bislang nicht ausgemacht. Gustav Ineichen
Christian Rohrer
VIII V O R W O R T
Das Konzept dieser Einführung geht auf ein Proseminar zurück das ich 1970 und 1971 im Romanischen Seminar der Universität Frankfurt gehalten habe. Wertvolle Anregungen habe ich durch meinen Aufenthalt an der Universität von Kalifornien, San Diego bekommen, der durch ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermöglicht wurde. Eine erste Fassung des nun vorliegenden Textes wurde im November 1971 fertiggestellt. Ich danke den Professoren Dr. G. Ineichen (Rom) und Dr. C. Rohrer (Stuttgart) für ihre kritischen Anmerkungen, durch die ich das Manuskript in Inhalt und Form verbessern konnte. Professor Dr. S.-Y. Kuroda (San Diego) hat viel Zeit dafür geopfert, das Heft zu lesen und mit mir zu besprechen. Dafür möchte ich ihm herzlich Dank sagen. Jochen Pleines, mit dem ich in Frankfurt zusammengearbeitet habe, bin ich für die Durchsicht der Einführung dankbar. Meiner Frau Angelika danke ich für die Hilfe bei der Herstellung des Manuskripts. Schliesslich möchte ich mich noch bei Daniele Dubois bedanken, die mit grosser Geduld die Aufgabe des französischen Informanten übernommen hat. Trotz dieser grosszügigen Unterstützung von vielen Seiten möchte ich bitten, dass zumindest die Unzulänglichkeiten imd Fehler mir zugeschrieben werden.
Universität von Kalifornien, San Diego Februar 1972 Jürgen M. Meisel
IX V E R Z E I C H N I S
D E R
S Y M B O L E
U N D
A B K Ü R Z U N G E N
1. Kapitel *
ungraamatischar Satz
?
Satz zweifelhafter Grammatikalitat
2. Kapitel -*
expandiere zu (ersetze durch)
(...)
umschliessen fakultative Elemente
[ I JI } +
umschliessen alternative Elemente Verkettungssymbol
S
Satz
NP
Nominalphrase
VP
Verbalphrase
Det
Determinierer
N
Nomen
V
Verb
Art
Artikel
PA
Präartikel
PP
Präpositionalphrase
Prep
Präposition
3. Kapitel [...]
umschliessen syntaktische Merkmale Grenzsymbol
[ihum]
menschliches N (jeweils - )
[¿anim]
belebtes N
[¿compt]
zählbares N
[ - abs]
abstraktes N
[-masc]
maskulines N
X [-sing]
N im Singular
[icom]
Appelativum
[idef]
definites N
[-fact]
V factitif
[irèsult]
V rfesultatif
[-action]
V d'aetion
[±duratif]
V duratif
[+
NP]
V verlangt als Ergänzung eine NP
[+_PP]
V verlangt als Ergänzung eine PP
[SUPPRESSION D'OBJET]
markiert Verben, deren direktes Objekt getilgt werden kann
[+_
]
es
V stellt am Ende einer Kette
komplexes Symbol
4. Kapitel ...wird zu... Aux
Auxiliarkomplex
Adj
Adjektiv
TPS
enthält die Angaben über Tempus und Person des Satzes
PartPass
Participe Passfe
Q Neg
Frage Negation
I
Variable, die für Q und Neg steht
Pass
löst die Passivtransformation aus
Pron
Pronomen
1
O
E I N L E I T U N G
Im Spiegel von Vorworten und Einleitungen zu einführenden Arbeiten stellt sich die Entwicklung der modernen Linguistik in der Bundesrepublik so dar, dass seit 1969 die ersten Erfolgsmeldungen zu lesen sind. Gemeint ist, dass sich die Transformationsgrammatik an den Universitäten eines steigenden Interesses erfreut. Mit Bedauern wird zugleich festgestellt, dass nicht genügend deutschsprachige Literatur zur Verfügung steht, vor allem keine Einführungen. Die Chronologie fortsetzend kann man ergänzen, dass auch dieser Mangel behoben ist; zumindest der Mangel an Einführungen in die Linguistik. Die vorliegende Arbeit ersetzt nicht die Lektüre solcher umfassenderen und detaillierteren Werke. Entsprechend der Konzeption der "Romanistischen Arbeitshefte" ist sie als Arbeitsunterlage für einführende Proseminare gedacht. Ihre Aufgabe ist es, einen bedeutenden Teil dessen darzubieten, was andernfalls in den SeminarSitzungen vorgetragen werden müsste. Auf diese Weise soll die reine Informationsvermittlung aus dem Unterricht herausgenommen werden. Die somit gewonnene Zeit kann genutzt werden, um a) schwer verständliche Abschnitte des Texts zu besprechen, b) den gesamten Text kritisch zu diskutieren und c) den Stoff einzuüben. Die Arbeit mit dem Heft verlangt diese Diskussion in der Gruppe. Zum Selbststudium wird sich der Text wegen seiner gedrängten Fassung kaum eignen. Die Einführung in die transformationelle Syntax des Französischen geschieht in zwei Schritten. Im ersten wird das Instrumentarium - das Aspects-Modell einer transformationellen Syntax - angeboten und zur Diskussion darüber aufgefordert, welche anderen Entscheidungen mit der Wahl gerade dieser Theorie implizit getroffen werden. Im nächsten Schritt im zweiten Heft der Einführung - werden einige Probleme der französischen Syntax genauer analysiert und noch einmal die Frage gestellt, wie und wozu man all diese Kenntnisse verwenden kann. Die Entscheidung für das Chomsky-Katz-Postal Modell ergibt sich daraus, dass alternative Versionen nur im Ansatz vorliegen. Zweifellos ist das C-K-P Modell verbesserungsbedürf-
2 tig; ich bin mir aber keineswegs sicher, ob eine der bisher veröffentlichten Kritiken den richtigen Weg weist. Auf jeden Fall ist es günstiger, sie im Kontrast zum Standardmodell zu betrachten. Daher werden im zweiten Teil einige Änderungen vorgenommen, Es sollte möglich sein, das Heft in einem Semester durchzuarbeiten. Selbst im Sommersemester stehen für jedes Kapitel zwei Wochen zur Verfügung. Der Aufbau entspricht ungefähr dem des Grammatikmodells. Wenn es die Zeit erlaubt, empfiehlt es sich, am Ende des Semesters noch einmal zum ersten Kapitel zurückzukehren, das nach der Lektüre des mehr technischen Teils neue Ansatzpunkte zur Diskussion bieten wird. Für einige der Übungen werden im sechsten Kapitel Lösungen angeboten. Nicht immer gibt es nur eine korrekte Antwort. Das gilt vor allem für die Übungen, für die keine Lösungen gegeben werden. D a s Literaturverzeichnis enthält die Arbeiten, auf die ich mich direkt oder indirekt beziehe und einige wichtige Werke seit 1964. Es sollten möglichst nur leicht zugängliche Titel aufgeführt werden oder solche, die demnächst erscheinen. Leider konnte ich diesem Vorsatz nicht immer folgen. Ich möchte sehr darum bitten, mir Kritiken und Verbesserungsvorschläge zu schicken. Wenn sie auch für dieses Heft zu spät kommen, helfen sie doch den Studenten, mit denen ich zusammenarbeite .
3 I . G R U N D L A G E N T I O N E L L E N
1.1
E I N E R
T R A N S F O R M A -
G R A M M A T I K
D e f i n i t i o n e n
v o n
S p r a c h e
Wie in allen anderen Wissenschaften, besteht die erste Aufgabe der Linguistik in der Definition ihres Gegenstandsbereichs. Um sich diese Frage als ein Problem bewusst zu machen, genügt es nachzuschlagen, welche Definitionen von "Sprache" verschiedene Autoren anbieten: ...we can think of a language as a set of structural descriptions of sentences, where a füll structural description determines (in particular) the sound and meaning of a linguistic expression. (N. Chomsky) Die Sprache ist ein artikulierter, umgrenzter, für den Zweck der Expression organisierter Laut. (Croce) Die Sprache ist die Gesamtheit aller Ausdrucksleistungen der menschlichen bzw. tierischen Individuen, sofern sie mindestens einem anderen Individuum zu verstehen gemacht werden. (Dittrich)Sprache ist die Wirklichkeit unserer Gedanken.
(Engels)
Die Sprache ist die Tat der theoretischen Intelligenz im eigentlichen Sinne, denn sie ist die äusserliche Äusserung derselben. (Hegel) Umschaffen der Welt in das Eigentum unseres Geistes.
(Humboldt)
Die Sprache ist ein Gefüge von Zeichen, mit deren Hilfe sich eine Darstellung von Sinn- und Sachverhalten bewerkstelligen lässt. (Kainz) Die Sprache ist jede absichtliche Äusserung von Lauten als Zeichen psychischer Zustände. (Marty) Le langage est un Instrument de communication entre les hommes. (Perrot) ...das umfassendste und differenzierteste Ausdruckssystem des Menschen, zugleich die höchste Erscheinungsform des objektiven Geistes. (Philosophisches Wörterbuch)
k Sprache in abstracto ist ein System von Ausdruckssymbolen für die Inhalte unseres Bewusstseins. (Ries) Language is a purely human and non-instinctive method of communicating ideas, emotions, sind desires by means of a system of voluntarily produced sounds. (Sapir) Das Wesen der Sprache liegt in der Mitteilung. (Schuchardt) Sprache ist ein soziales Objektivgebilde, das an den Menschen in seiner Eigenschaft als Gattungswesen, und zwar in seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sprachgemeinschaft, gebunden ist. (Tschirch) Die unterschiedlichen und zum Teil sogar widersprüchlichen Antworten erklären sich aus den unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Autoren. Ausser den Linguisten interessieren sich auch Psychologen, Philosophen, Soziologen, Literaturwissenschaftler, Mathematiker, Biologen und Ärzte für die Probleme der Sprache, um nur einige der naheliegendsten Wissenschaften zu erwähnen. Jedes dieser Fächer stellt andere Fragen, entsprechend dem jeweiligen fachlichen Hintergrund und dem theoretischen Rahmen. Und jede Frage schliesst eine Reihe möglicher Antworten von vornherein aus. Jede Frage bedingt zu einem gewissen Teil den Inhalt der Antwort. Daran ist auch der gebunden, der erklärt, er gehe vorurteilsfrei an die Probleme heran und lasse die "Sprache sich selber erklären". Wir müssen uns damit abfinden, dass ' Um noch einmal Chomsky zu zitieren: "...wenn die Grammatik
12 durchweg explizit ist, wenn sie - mit anderen Worten - nicht auf die Intelligenz des Lesers baut, sondern wenn sie gerade eine explizite Analyse dessen liefert, was dieser von sich aus zum Verstehen der Grammatik beiträgt, dann können wir sie (mit einer gewissen Redundanz) eine g e n e r a t i v e G r a m m a t i k nennen." (Chomsky,Aspekte S. 15) 1.4
D e r u n d
i d e a l e S p r e c h e r - H ö r e r d e r k o m p e t e n t e S p r e c h e r
1.4.1 Nachdem nun in Andeutungen von seinen Fähigkeiten die Rede war, nachdem er, ohne direkt genannt zu werden, als das eigentliche Objekt einer linguistischen Theorie bezeichnet wurde, ist es an der Zeit, ihn endlich selbst vorzuführen: den idealen Sprecher-Hörer der generativen Transformationsgrammatik. Jedem, der sich mit dieser Richtung der modernen Grammatik beschäftigt, wird er binnen kurzem zu einem zweiten Ich - im wahrsten Sinne des Wortes, im bösen wie im guten. Seinen Doppelnamen verdient er, da er über die beiden Fähigkeiten verfügt, Sprache zu produzieren und Sprache zu verstehen. Es ist nicht unbedingt selbstverständlich, dass ein Grammatilcmodell beide Operationen beschreibt. Und der Name "generative Grammatik" war schon Anlass zu Missverständnissen, indem man glaubte, dass dieses Modell ein reines SprecherModell sei. Im übrigen besitzt der ideale Sprecher-Hörer alle Fähigkeiten, die im Vorangegangenen, vor allem im Abschnitt 1 . 3 > 2 erwähnt wurden. Er verfügt also über einen Mechanismus aus einer endlichen Zahl von Elementen, mit denen er eine unendliche Menge von Sätzen produzieren und verstehen kann, indem er eine Beziehung zwischen Laut- und Bedeutungsstrukturen herstellt. 1.4.2 Woher aber bezieht der Linguist seine Informationen, die es ihm erlauben, nach einer Reihe von Abstraktionen die Fähigkeiten des idealen Sprecher-Hörers zu beschreiben? Wie schon angedeutet, betrachtet die Transformationsgrammatik auch das umfangreichste Korpus als unzureichende Informationsquelle, da äLle möglichen Äusserungen, nicht nur die schon produzierten, Gegenstand der Untersuchung sind. Die Informationsquelle kann daher nur der muttersprachliche Sprecher der zu untersuchenden Sprache sein, der kompetente Sprecher einer Sprache. Als kompetent in diesem Sinn wird jeder erwachsene Sprachteilnehmer einer Sprache angesehen, sofern er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist (in der landläufigen Bedeutung des Ausdrucks). Es ist wohl nicht nötig zu erklären, dass auch er ein Sprecher-Hörer im oben angeführten Sinn ist. Die Informationen e i n e s kompetenten Sprechers können ausreichen. Gewöhnlich wird man aber eine Reihe weiterer Informanten zur Kontrolle hinzuziehen, um sicherzugehen, nicht nur einen Idiolekt, d.h. sprachliche Gewohnheiten, die nur der einen Person eigen sind, zu beschreiben. f
13 Es ist wichtig festzuhalten, dass nicht das Gegenstand der generativen Grammatik ist, was der kompetente Sprecher t u t , sondern das, was er k a n n , wobei es bedeutungslos ist, ob er sich dieser Kenntnis bewusst ist - was sehr selten der Fall ist - oder ob er sich ihrer unbewusst bedient. 1.5
K o m p e t e n z u n d G r a m m a t i k a l i t ä t t a b i l i t ä t
P e r f o r m a n z u n d A k z e p -
1.5»1 Auf diese Weise gelangt man zur K o m p e t e n z als dem Gegenstand der Linguistik. Der Begriff ist ähnlich zu verstehen wie der Begriff "1 a n g u e" bei Ferdinand de Saussure. Die beiden Termini unterscheiden sich jedoch zumindest in zwei Punkten. Zum ersten wird der Begriff langue bei Saussure statisch verstanden, vergleichbar einem Inventar. Chomskys Kompetenz dagegen enthält das erläuterte generative Moment. Zum zweiten verfügt nach Saussure nur die Gesamtheit der Sprachteilnehmer über die langue, ein einzelner Sprecher kann sie nur unvollkommen erwerben. Die Definition des Begriffs ist bei Saussure an den Begriff "masse parlante" gebunden. Die Vorstellung eines idealisierten "individu isolé vivant pendant des siècles" wird zurückgewiesen. (Saussure, Cours, S. 113). Die Fähigkeiten der Kompetenz dagegen fallen zusammen mit denen des idealen Sprecher-Hörers. Das heisst, der kompetente Sprecher kann darüber befinden, ob eine bestimmte Lautkette ein grammatischer Satz seiner Sprache ist. Das beinhaltet zugleich alle anderen in 1.3.2 erwähnten Fähigkeiten, über Mehrdeutigkeit, Strukturgleichheit, semantische Identität verschiedener Strukturen etc. urteilen zu können. Diese Idealisierung des kompetenten Sprechers wird erreicht, indem man von den Erscheinungen der P e r f o r m a n z abstrahiert. Unter Performanz ist die tatsächliche Realisierung der Fähigkeiten der Kompetenz zu verstehen. Die Kompetenz ist keineswegs ein Spiegelbild der Performanz, oder aber ein sehr verzerrtes und getrübtes. Gewöhnlich werden folgende Faktoren angeführt, die in der Performanz zu beobachten sind, die aber für die Grammatik, die die Kompetenz des Sprechers beschreibt, irrelevant bleiben müssen: begrenztes Gedächtnis, Zerstreutheit und Verwirrung, Verschiebung in der Aufmerksamkeit und im Interesse, Fehler (zufällige und typische). Dazu kommen Husten, Stottern, Lärm etc. Die psychologischen Faktoren tond die der Sprechsituation müssen um mögliche soziale Einschränkungen der Performanz ergänzt werden, die in der linguistischen Literatur bisher wenig beachtet wurden. 1.5.2 Der Unterscheidung in Kompetenz und Performanz entsprechen zwei unterschiedliche Beurteilungen von Sätzen. Auf der Ebene der Kompetenz wird die G r a m m a t i k a l i t ä t von Sätzen entschieden. Das bedeutet, dassein kompetenter
14 Sprecher des Französischen darüber entscheiden kann, ob ein französischer Satz grammatisch oder ungrammatisch ist. Wie erwähnt, will die Grammatik nicht alle Sätze erklären, die tatsächlich produziert werden, da beim Gebrauch der Sprache zahlreiche Faktoren intervenieren, die nicht der grundsätzlichen Fähigkeit der Sprecher entspringen, die Sprache zu gebrauchen. Bei der Beurteilung der Grammatikalität von Sätzen soll der Linguist jedoch nicht normativ vorgehen und den Sprachteilnehmern vorschreiben, wie sie ihre Sprache zu gebrauchen haben. Er soll auch nicht Spekulationen darüber anstellen, wie die Sprache funktionieren s o l l t e , sondern seine Aufgabe ist es zu beschreiben, wie sie tatsächlich funktioniert. Ein solches Vorhaben ist nicht unproblematisch, da nicht alle Sprecher in allen Punkten übereinstimmen. Es genügt daran zu erinnern, dass es sowohl regional als auch sozial bedingte Unterschiede innerhalb einer Sprache gibt. Daher bleibt auch dem Linguisten, der nicht normativ vorgehen will, die Auseinandersetzung mit dem vielschichtigen Problem der sprachlichen Norm nicht erspart. Denn indem er sich für eine syntaktische Konstruktion entscheidet, erklärt er konkurrierende Formen zumindest indirekt - zu Abweichungen von der beschriebenen Regel. In vielen Fällen hilft die Statistik weiter; das heisst, die von der Mehrzahl der Sprecher verwendete Konstruktion niuss akzeptiert werden, nicht etwa diejenige, die von den "Gebildeten" einer Sprachgemeinschaft aufgrund speziellen Trainings bevorzugt wird. In einer ganzen Reihe von Fällen bietet aber auch dieses Vorgehen keine Lösung, dann nämlich, wenn dadurch eine regionale oder soziale Minderheit unterdrückt würde. Mit anderen Worten, es ist kein akzeptables Mittel,abzuzählen, ob es mehr Süddeutsche oder mehr Norddeutsche gibt,um zu entscheiden, welcher Gebrauch der Tempora der "richtige" ist. Ohne diese Schwierigkeiten zu bagatellisieren,kann man aber feststellen, dass es in der Mehrzahl der Fälle relativ leicht möglich ist, über die Grammatikalität von Sätzen zu urteilen, wenn man damit das Urteil meint, das ein Sprecher der französchen Sprache zum Beispiel über folgende Sätze abgeben kann: (3)(i) Il y a des étudiants qui fument du haschisch. (ii) Il y a des étudiants qui fument haschisch. (iii)ll y a des étudiants qui fument de la linguistique. (iv) Il fument des étudiants qui du haschisch y a. (v) Inya des toudants qui brunt patiche. Darüberhinaus ist ein kompetenter Sprecher sogar in der Lage, unterschiedliche Grade der Grammatikalität f e s t z u s t e l l e n . 6 Sein Urteil erschöpft sich nicht in der Einteilung : grammatisch-ungrammatisch, sondern er erkennt manche Sätze als "grammatischer" als andere, bis er schliesslich feststellt, dass eine Lautkette nicht mehr als Satz seiner Sprache bezeichnet werden kann. Eben diese Urteile soll auch die Grammatik ermöglichen und mehr als das - sie soll erklären, w a r u m ein Satz grammatischer ist als der andere, das heisst welche 6
Dazu: Chomsky, Formal Properties
15 Art von Regel verletzt wurde. Kommen wir zurück zu den etwas geheimnisvollen Faktoren, die von der Grammatik nicht erklärt werden sollen, da sie Erscheinungen der Performanz sind. Sie wurden im Abschnitt 1.5.1 schon erwähnt und als psychologische, soziale und andere situationsgebundene Erscheinungen klassifiziert. Ein Satz wie (4) kann in einer bestimmten Situation, nämlich wenn der Sprecher ihn in einem Lokal gegenüber dem Kellner äussert, durchaus adäquat sein (k)
Un demi !
Schwieriger wird es noch bei Sätzen wie (5)> die völlig grammatisch sind, die aber kaum mehr anwendbar sind (5)
Un de vos copains, qui, pendant l'été, quand tout le monde partait sans hésiter le plus vite possible et pour des raisons bien connues en vacances, chacun vers le pays de ses rêves, c'est-à-dire vers le Midi, est resté chez lui pour s'initier â l'étude de la linguistique, a raté son examen. Ein Urteil über solche Sätze bezeichnet man als Urteil über die A k z e p t a b i l i t ä t . Sie wird durch Faktoren der Performanz bestimmt. In unserem Beispiel entscheidet ein psychologischer Faktor - hier die begrenzte Kapazität unseres Gedächtnisses - dass dieser Satz nicht mehr akzeptabel ist. Diese Entscheidung, die sich zunächst nur auf die Intuition des Sprechers stützt, muss ebenfalls explizit gemacht werden, allerdings nicht durch die Grammatik, sondern durch eine entsprechende Theorie der Performanz. 1.6
E i n w ä n d e
In den vorausgegangenen Abschnitten wurde versucht, mit möglichst wenigen Worten eine Übersicht der wichtigsten Thesen zu geben, die der generativen Transformationsgrammatik zugrundeliegen, so wie sie von Noam Chomsky und seiner "Schule" vertreten wird. Auf den ersten Blick mag diese Darstellung überflüssig erscheinen, da sie doch "nur" eine Einführung in die Syntax der französischen Sprache einleiten soll. Dem ist zweierlei entgegenzuhalten. Zum ersten geht die Transformationsgrammatik davon aus, dass jede Einsicht in das Funktionieren einer Sprache zugleich auch zum besseren Verstehen der menschlichen Sprachfähigkeit beiträgt. Die ersten Abschnitte sollten den Blick für diese Dimension öffnen und damit ein mögliches Interesse an der Linguistik aufzeigen. Damit wird auch der zweite Punkt berührt, nämlich die Forderung, dass jede Wissenschaft ihr Erkenntnisinteresse darzulegen hat, besonders dann, wenn es sich um eine Einführung handelt. Denn auf dieser Ebene ist der Anfänger noch eher in der Lage, das betreffende Gebiet kritisch zu betrachten und infragezustellen. Später ist das nur sehr viel schwerer möglich, da eine Kritik der detaillierten Analysen ungleich komplizierter wird. Zu-
16 dem sollte man den psychologischen Faktor nicht vergessen, dass es nicht leicht fällt, eine Theorie, in die man sich unter Arbeits- und Zeitaufwand eingearbeitet hat, wieder zu verwerfen. U m diese Kritik zu erleichtern, sollen hier noch drei mögliche Einwände vorgeführt werden. Der erste Einwand betrifft die philosophischen und psychologischen Implikationen in Chomskys Arbeiten, besonders die Theorie der angeborenen Ideen. John Lyons hat darauf aufmerksam gemacht, dass Chomsky zwar sehr gute Argumente für seine Annahmen gegeben hat, dass sie aber nicht die einzig mögliche Erklärung der UniVersalien und des Spracherwerbs darstellen. (Vergl. Lyons, Chomsky, Kap. 10) Auch die Psychologie bietet Modelle an, die es eventuell erlauben, die Diskrepanz zwischen Erfahrung und Wissen zu erklären, in denen der Akzent aber mehr auf den Einflüssen der Umwelt als auf den vorgegebenen Strukturen liegt. Es ist daher denkbar, dass die zugrundeliegenden philosophischen und lernpsychologischen Modelle in wesentlichen Punkten verändert werden, ohne dass das Grammatikmodell an Wert verlieren würde. Der zweite Einwand betrifft die Idealisierung des kompetenten Sprechers. Ich habe versucht, eine Unterscheidung zwischen idealem Sprecher-Hörer und kompetentem Sprecher einzuführen, der in den Arbeiten der generativen Grammatik sonst nicht gemacht wird. Zwar fallen die beiden Konzepte bei entsprechender Idealisierung des kompetenten Sprechers wieder zusammen; das könnte aber an einem etwas zu sorglosen Vorgehen bei der Idealisierung liegen. Bei genauerer Untersuchung dessen, was dabei als uninteressant beiseitegelegt wird, könnte die Unterscheidung Sprecher-Hörer gegenüber kompetentem Sprecher wichtiger werden. Das wird am dritten Einwand deutlicher. Er betrifft die Vernachlässigung der sozialen Komponente in der linguistischen Literatur. Sehr oft macht man es sich recht leicht, indem alle unliebsamen Faktoren der Performanz zugewiesen werden, ohne dass eine Theorie der Performanz auch nur in Umrissen konzipiert worden wäre. Auf diese Weise gelangt man mühelos zum idealen Sprecher-Hörer und erspart sich die Integration sozialer Faktoren in das linguistische Modell.
17
1.7 1.7.1
Ü b u n g e n L e k t ü r e
und
b e g l e i t e n d e
Ü b u n g e n
1. Zu den Definitionen von Sprache a) Klassifizieren Sie die Definitionen nach Gesichtspunkten wie : welche Wissenschaften könnten an welcher Definition interessiert sein, welche Gruppierungen ergeben sich etc. b) Diskutieren Sie widersprüchliche Definitionen im Hinblick auf das Erkenntnisinteresse der Autoren. 2. Welches Interesse haben S i e an der Sprache: welche Leistungen würden Sie von der Linguistik erwarten? 3. Verifizieren Sie die Behauptung, dass traditionelle Grammatiken an die Intelligenz der Leser apellieren, anstatt exakte Regeln zu formulieren. Vergleichen Sie zu diesem Zweck mehrere Grammatiken, indem Sie ein eng definiertes Problem der französischen Syntax als Beispiel wählen. 4. Stellen Sie die verschiedenen Aspekte des Begriffs "generativ" zusammen. 5. Können Sie zunehmende Grade der Akzeptabilität in (3) finden? Welche Regeln - nach Ihren Grammatikkenntnissen wurden verletzt? 6. a) Geben Sie auch für die folgenden Sätze an, welche Regeln verletzt wurden (i) Je sais qu'on puisse détourner des avions Iii) Un avion grand a été détourné (iii) Je venirai demain si mon avion n'est pas détourné (iv) Un facile détourner est il d'avion (v) Li grun a pardé un vant (vi) Li grun a prdat un liant b) Satz (v) ist kein Satz der französischen Sprache. Können Sie ihm dennoch eine Struktur zuweisen? Versuchen Sie, Artikel, Nomina, Verben etc. zu finden. Setzen Sie Satz (v) ins Präsens. c) Warum sind prdat und liant in (vi) "unfranzösischer" als die anderen Wörter der erfundenen Sprache? Warum ist Satz (vi) ungrammatischer als Satz (v)? 7. Welche der folgenden Aussagen würden Sie als nur für eine Sprache, welche als universell gültig bezeichnen? (i) Die Wörter avion, ouvrier und manifestation sind Nomina ii) Nomina und Verben sind syntaktische Kategorien iii) Ein Wort kann syntaktisch und semantisch unterschiedlich klassifiziert werden (z.B. ist das
18 deutsche Wort Mädchen syntaktisch ein Neutrum, d.h. es verlangt den Artikel das, semantisch dagegen ist es feminin.) 8. Welche Faktoren der Performanz ermöglichen (i) und schliessen (ii) aus? (i)
Moi, oui!
(ii)
Le même jour que mon ami, qui ne s'intéresse pas â la linguistique, qui lui paraît sans intérêt pour le progris social, retournait à Paris, on a créé un poste de professeur de linguistique générale â l'université de Vincennes,
Lösungen zu einem Teil der Übungen finden Sie im 6. Kapitel, 1.7*2
B e g l e i t e n d e
L e k t ü r e
John Lyons, Chomskys Ein sehr guter Überblick. Es empfiehlt sich, das Bändchen ganz zu lesen, auf jeden Fall aber die Kapitel 1-4 und 8-10 Johannes Bechert. u.a., Einführung: S. 13 - 2 1 , besonders zu den Fähigkeiten des kompetenten Sprechers Noam Chomsky. Aspekte: Um gleich an die Originaltexte herangeführt zu werden empfiehlt es sich, im Laufe des Semesters wenigstens das erste Kapitel, S. 1387 zu lesen.
19 2
2.1
P H R A S E N S T R U K T U R G R A M M A T I K
S y n t a x in L i n g u i s t i k
S e m i o t i k
(PSG)
u n d
Im Abschnitt 1.3.2 hatten wir die Sprache als aus den Mengen A (Lautstrukturen) und B (Bedeutungsstrukturen) bestehend beschrieben. Die Aufgabe des Linguisten sollte es sein, die Elemente beider Mengen und ihre Relationen zueinander zu definieren. Damit wurde aber schon von anderen möglichen Relationen abstrahiert. So hätte man auch die Beziehungen untersuchen können, die zwischen den Elementen der Menge A - wir wollen sie jetzt sprachliche Zeichen nennen - und den Menschen, der Gesellschaft die sie benutzen, bestehen. Das ist die Aufgabe der P r a g m a t i k . Es ist verschiedentlich vorgeschlagen worden, sie als Teildisziplin der Linguistik zu verstehen.1 Oder man hätte die R e lationen zwischen den sprachlichen Zeichen und den Objekten, die sie bezeichnen, hinzunehmen können. Als Objekte in diesem Sinn wertet man nicht nur Gegenstände,sondern auch Eigenschaften, Beziehungen, Sachverhalte. So wird die S i g m a t i k definiert. Nun wollen wir, um uns dem Thema des Heftes zu nähern, auch noch von den Beziehungen absehen, die zwischen den Mengen A und B bestehen. Es ist die Aufgabe der S e m a n t i k , diese Beziehungen zwischen den sprachlichen Zeichen und den Bedeutungsstrukturen zu erklären. Dabei ist zu beachten, dass ein Unterschied gemacht werden muss zwischen den Objekten der Wirklichkeit und ihren gedanklichen Abbildern. Da diese Unterscheidung häufig nicht getroffen wird, fehlt in vielen Darstelllangen die S i g m a t i k . Sie taucht in Arbeiten zur Semantik gelegentlich wieder auf als Einteilung der Semantik in "theory of meaning" und "theory of reference". Letztere steht für die Sigmatik. Uns bleiben nun als Gegenstand der Beschreibung die Relationen, die zwischen den einzelnen sprachlichen Zeichen bestehen. Wir beschäftigen uns somit nur mit der S y n t a x . Pragmatik, Sigmatik, Semantik und Syntax sind die vier Teiltheorien der S e m i o t i k , der allgemeinen Theorie der sprachlichen Zeichen.^ Wir haben damit die Linguistik, unter der Hand, in diesen Rahmen gestellt, um noch einmal anzudeuten, welch starke Abstraktionen auch unter diesem 1 2
Wunderlich, Die Rolle der Pragmatik... und Wunderlich, Pragmatik Klaus, S. 56 ff
20 Aspekt, der stärker den sozialen Charakter der Sprache berücksichtigt, vorgenommen werden müssen, um zu unserem eigentlichen Thema zu gelangen. Zugleich wurde auf diese Weise eine Definition der Aufgabe der Syntax gegeben. Allerding enthält die Syntaxdefinition der Semiotik auch die Phonologie und die Morphologie. So wie wir Syntax definieren, werden nur die Relationen zwischen Wörtern beschrieben. Beziehungen zwischen anderen sprachlichen Zeichen, wie Phonemen imd Morphemen, werden in einem anderen Teil der Grammatik behandelt. Davon wird noch einmal die Rede sein, wenn der Aufbau einer generativen Grammatik beschrieben wird. 2.2
D i e
IC
-
A n a l y s e
Aus der Definition der Syntax, die gerade gegeben wurde die Syntax beschreibt die Relationen zwischen den einzelnen sprachlichen Zeichen - folgt, dass der S a t z die sprach liehe Einheit ist, die beschrieben und erklärt werden soll. Einer der Begründer des amerikanischen Strukturalismus, Leonard Bloomfield, hat eine Methode entwickelt, die es ermöglicht, erste Aussagen über einen Satz zu machen: die sogenannte IC-Analyse. IC steht für die englische Bezeichnung immediate constituents, die man als "unmittelbare Konstituenten" übersetzen kann. Bei der IC-Analyse geht man von der Feststellung aus, dass die Reihenfolge der Elemente eines Satzes nicht beliebig ver ändert werden kann, ohne die Bedeutung und/oder Grammatikali tät des Satzes zu verändern. (1)(i) L'histoire fait l'homme (ii) L'homme fait l'histoire (iii) *L'homme l'histoire fait (Der Stern "*" kennzeichnet einen ungrammatischen Satz) Es ist andererseits aber durchaus möglich, Teile eines Satzes zu vertauschen, durch andere zu ersetzen oder gar weg zulassen, ohne dass die Grammatikalität des Satzes verletzt oder die Bedeutung wesentlich verändert würde. (2)(i) ii) iii)
Le Président de la République a démissionné de ses fonctions. Pompidou a démissionné de ses fonctions. Pompidou a démissionné.
Aus diesen Beobachtungen kann man folgern, dass es innerhalb eines Satzes Wortgruppen gibt, deren Elemente untereinander in engerer Verbindung stehen, als die Gruppen zueinander. Solche Wortgruppen, die sogenannten K o n s t i t u e n t e n des Satzes zu finden, ist die Aufgabe der IC-Ana lyse. Dabei macht sie von den genannten Operationen Gebrauch Austausch, Weglassen und Ersetzen von Satzteilen.
Die Analyse setzt sich somit aus mehreren Proben zusammen. Vorausgesetzt ist eine Segmentierung des Satzes, zunächst versuchsweise, in denkbare Gruppen. Diese vorläufige Einteilung muss dann mit Hilfe der drei Operationen überprüft werden. Als Beispiel soll noch einmal der folgende Satz dienen: (3)(i) Les ouvriers exigent la participation. Bittet man einen kompetenten Sprecher des Französischen, diesen Satz zu gliedern, wobei er angeben soll, welche Wörter für sich eine mehr oder weniger unabhängige Gruppe bilden können, dann sind drei Antworten zu erwarten: (3)(ii) Les ouvriers - exigent - la participation (iii) Les ouvriers - exigent la participation (iv) Les ouvriers exigent - la participation Zur Überprüfung dieser Entscheidung steht zunächst nur eine Op ration zur Verfügung, die sogenannte E r s a t z p r o b e . Das Weglassen einer der.drei Gruppen würde in diesem Fall keinen grammatischen Satz ergeben: (3)(v) * exigent la participation (vi) * Les ouvriers la participation (vii)* Les ouvriers exigent Mit der Ersatzprobe aber kann die Segmentierung wie in ( 3 ) (ii) bestätigt werden (3)(viii) Ils exigent la participation (ix) Ils l'exigent Die V e r s c h i e b e p r o b e ist in unserem Beispiel nur bedingt beweiskräftig. Anders als im Deutschen, in dem ein entsprechender Satz leicht umgeformt werden kann (4)(i) Die Arbeiter fordern die Mitbestimmung (ii) Die Mitbestimmung fordern die Arbeiter Indem die Betonung auf Die Mitbestimmung gelegt wird, ist die Grammatikalität des französisehen Satzes (3)(x) zumindest fraglich. (Das wird durch das Fragezeichen vor dem Satz angezeigt). Eine solche Umformung muss im Französischen wie in (3)(xi) - (xii) aussehen (3)(x) ? La participation exigent les ouvriers (xi) La participation, les ouvriers l'exigent (xii) C'est la participation que les ouvriers exigent Die Gruppe la participation wird dabei ersetzt durch la oder que und wird dann noch einmal vorangestellt. Dennoch spricht auch dieses Verfahren für eine gewisse Autonomie der betreffenden Wortgruppe. Bis hierher scheint demnach die Lösving (3)(ü) die stärkste Unterstützung zu bekommen. Vor einer endgültigen Entscheidung müssen aber noch einmal die Beispiele (v) - (vii) verglichen werden. Während (v) und (vi) nämlich eindeutig als ungrammatisch klassifiziert werden müssen, könnte (vii) zu-
22 mindest ein Fragezeichen verdienen. Man vergleiche (vii) mit (xiii)
(3)(xiii) Les ouvriers ne demandent plus, ils exigent Mit anderen Worten: es ist ein Kontext denkbar, in dem (vii) als elliptische Form - verwendet werden kann. So zum Beispiel, wenn ein Sprecher A äussert Les ouvriers demandent la participation und ein Sprecher B korrigierend antwortet Les ouvriers exigent! Um dieses Beispiel nicht über Gebühr zu strapazieren, soll Satz ( 5 ) hinzugenommen werden (5)(i) (xi)
La police cherche mon copain La police cherche
Beide Versionen, (i) und (ii) sind im Gegensatz zu (3)(vii) zweifelsfrei grammatische Sätze. Nimmt man nun noch (5)(iii) hinzu, (5)(iü)
La police exige la participation
dann kann man vermuten, dass doch der Segmentierung wie in (3)(iü) die grössere Wahrscheinlichkeit zukommt. (3)(iv) wurde schon durch die Weglassprobe in (3)(vii) widerlegt: zwar kann la participation als eine Konstituente betrachtet werden, jedoch spricht kein Argument dafür, Les ouvriers exigent als solche zu deklarieren. (5)(ii) widerspricht nur scheinbar dieser Behauptung. Der Satz kann ebenfalls nicht mehr zeigen, als dass mon copain e i n e Konstituente ist, nicht aber, dass La police cherche ebenso zusammengehört. Das geht aus (3)(viii)hervor. Somit bleibt nur noch die Wahl zwischen (3)(ii) und (iii). Die gezeigten Beispiele lassen vermuten, dass der Satz zwar in drei Konstituenten gegliedert werden kann, dass es zwischen den Konstituenten aber wiederum unterschiedliche Grade der Affinität gibt, das heisst, dasszwischen exigent und la participation eine engere Verbindung besteht, als zwischen Les ouvriers und den beiden anderen Konstituenten des Satzes. Damit ist es möglich, den Begriff "u n m i t t e l b a r e Konstituenten" zu erklären. Geht man von der Einheit "Satz" aus, dann kann man zwei unmittelbare Konstituenten finden: Les ouvriers und exigent la participation, die jeweils wieder in ihre unmittelbaren Konstituenten zerlegt werden können; Les - ouvriers und exigent - la participation und schliesslich la - participation. Der Satz (3)(i) besteht demnach aus den Konstituenten Les - ouvriers - exigent - la. - participation. Seine unmittelbaren Konstituenten sind dagegen Les ouvriers und exigent la participation. Unser Beispielsatz kann in fünf Konstituenten zerlegt werden. Eine weitere Segmentierung ist auf der Ebene der Syntax nicht möglich. Durch die IC-Analyse werden Aussagen Uber die Struktur des Satzes ermöglicht, die über die Beobachtung hinausgehen, dass die Elemente des Satzes in linearer Abfolge auftreten: eine mehr hierarchische Struktur des Satzes konnte
aufgedeckt werden. Sie kann dargeste 11t werden, indem man die einzelnen Konstituenten durch Klammern zusammenfasst: eine Klammer für den Satz, je eine weitere für seine unmittelbaren Konstituenten, etc.: (6) ( ( (Les)(ouvriers) ) ( (exigent) ( (la)(participation) ) Eine solche Beschreibung der Satzstruktur wird häufig als Konstituentenstruktur bezeichnet. Wir wollen aber den Termi» nus verwenden, der von Chomsky geprägt wurde und sprechen von einer P h r a s e n s t r u k t u r . Obgleich die Über nähme der englischen Bezeichnungen nicht immer zu sehr elegan ten Ausdrücken im Deutschen führt, hat sie sich als die bessere Lösung erwiesen. Die Begriffe finden sich nämlich in den Abkürzungen und Symbolen wieder. Eine international einheitliche Terminologie erleichtert besonders bei formalisierten Darstellungen das Lesen auch fremdsprachlicher Literatur. Die Übersichtlichkeit des Beispiels (6) kann wesentlich verbessert werden, wenn die Klammern mit Indizes versehen werden, die anzeigen, welche Klammer welche Konstituente umfasst. Als Indizes werden hier die Symbole der Transformationsgrammatik zunächst ohne Rechtfertigung eingeführt. In den folgenden Abschnitten werden die Begriffe genauer erklärt S NP VP Det N V
= = = = = =
Satz Nominalphrase Verbalphrase Determinierer Nomen Verb
-
Les ouvriers exigent la participation Les ouvriers, la participation exigent la participation Les, la ouvriers, participation exigent
(7)(i) - ( ü ) zeigen Beispiel (6) mit indizierten Klammsrn. Zur Verdeutlichung werden beide Versionen vorgeführt. Gewöhnlich beschränkt man sich auf eine Indizierimg wie in (ii) (7)(±) ( s ( N p ( D e t L e s ) D e t ( N o u v r i e r s ) N ) N p ( v p ( v e x i g e n t ) v (Np(Detla)Det(Npartic±pation)N)Np)vP)S (ii)(((Les) D e t (ouvriers) N ) N p (
(exigent) v (
(la)Det
(participation) N ) N p ) v p ) s
2.3
R e g e l n
e i n e r
e i n f a c h e n
P S G
Die Ergebnisse der IC-Analyse können zu einem wesentlichen Teil in das Modell der generativen Grammatik integriert werden. Eine solche Analyse von Sätzen reicht jedoch nicht aus. Welche Operationen hinzukommen müssen, wird in den nächsten Kapiteln deutlich werden. Aber auch die IC-Analyse selbst musste den Erfordernissen einer generativen Grammatik angepasst werden; sie muss mit Hilfe generativer Regeln formalisiert werden. Das ergibt sich fast zwangsläufig aus dem,
24 was im 1 . Kapitel über die Ziele und Grundannahmen der Transformationsgrammatik gesagt wurde. Besondere Bedeutung kommt dem generativen Moment zu. Man begnügt sich nicht mehr mit der Segmentierung und Klassifizierung eines vorgegebenen Korpus, sondern will Regeln finden, die eine Menge - hier noch eine endliche, später eine unendliche Menge - von Sätzen generieren können. Ein solcher Regelapparat (Phrasenstrukturgrammatik) sieht, stark vereinfacht, für unseren Satz so aus: (8)(i)
S
-
NP + VP
(ii)
NP
-
Det + N
(iii)
VT
-
V + NP
(iv)
Det -» Les, la. . .
(v)
N
ouvriers, participation..,
(vi)
V
exigent. . .
Regeln dieser Art, wie (8)(i) - (iii) werden E x p a n s i o n s r e g e l n genannt, manchmal auch Ersetzungsregeln. Der Pfeil ist zu lesen als s"expandiere zu" (oder j" ersetze durch"). Das Pluszeichen dient als Verkettungssymbol und zeigt an, dass eine Gruppe von Elementen zu einer K e t t e verbunden wird. Die Symbole S, NP, VP, Det, N, V heissen K a t e g o r i e n s y m b o l e , da sie für ein Element oder eine Kette von Elementen stehen, die als syntaktische Kategorien bezeichnet werden. Dieser Begriff ist aus der traditionellen Grammatik bekannt, wenn er auf Det, N und V angewendet wird. Die Kategoriensymbole werden unterteilt in Symbole, die nicht weiter in andere Kat e r m i n a l e tegorien expandiert werden können (z.B. N oder V ) und in n i c h t - t e r m i n a l e Symbole, die weiter expandiert werden können (z.B. NP oder VP). Eine besondere Bedeutung kommt dem "S" zu, da es als E i n g a n g s s y m b o l (oder Startsymbol) dient. Es löst sozusagen den durch die Regeln beschriebenen Vorgang erst aus. Bei genauer Betrachtung von (8) fällt auf, dass "S"das einzige Symbol links vom Pfeil ist, das nicht vorher schon rechts vom Pfeil gestanden hat. Mit anderen Wortens mit Ausnahme des Eingangssymbols "S" können nur Symbole expandiert werden, die zuvor von einer Expansionsregel eingeführt wurden. In unserer Erklärung wird auffallen, dass die l e x i k a l i s c h e n F o r m a t i v e , (so werden die "Wörter" ouvriers. exigent etc, genannt , aus Gründen, die hier unterschlagen werden müssen) behandelt werden, als seien sie nicht vorhanden; Det, N und V werden als terminale Symbole definiert, die nicht weiter expandiert werden können. Wir müssen uns vorläufig mit dem Hinweis begnügen, dass die lexikalischen Formative durch eine Regel anderer Art eingeführt werden als die syntaktischen Kategorien. Diese Regel soll im nächsten Kapitel erläutert werden. Schliesslich müssen noch einige "Bedienungsanleitungen" gege-
ben werden. Es sind Übereinkünfte, oder auch "Konventionen", die man getroffen hat, um den Regelapparat zu vereinfachen und seinen Gebrauch zu erleichtern. So muss man mit der Regel beginnen, die das Eingangssymbol links vom Pfeil enthält Die weitere Reihenfolge ergibt sich dann von selbst, wenn man sich an die Vorschrift hält, dass links vom Pfeil nur stehen darf, was zuvor schon auf der rechten Seite stand. Da her kann man zum Beispiel die Regel (8)(iii) vor der Regel (8)(ii) anwenden. Das Ergebnis bleibt das gleiche. Eine Regel kann - unter Beachtung dieser Vorschriften - auch mehrmals durchlaufen werden. In unserem Beispiel muss (8)(ii) zweimal durchlaufen werden, da zwei Nominalphrasen zu "Det + N" expandiert werden müssen: die NP, die aus S entwickelt wurde und die, die aus VP entwickelt wurde. Weitere Konventionen,die bei der Formulierung der Regeln zu beachten sind: - links vom Pfeil darf nur ein Element stehen - weder links noch rechts vom Pfeil darf eine Null (0) stehen Ebenfalls durch Konvention festgelegt ist die Bedeutung verschiedener Zeichen, von denen "-»" und " + " schon bekannt sind Dazu gehören die runden und die geschweiften Klammern. Runde Klammern bezeichnen f a k u l t a t i v e Elemente Wie das Beispiel (5) schon gezeigt hat, gibt es syntaktische Kategorien, die nicht unbedingt auftreten müssen, sondern ge wählt werden können. Regel (8)(iii) wird daher richtiger geschrieben als (9)(i)
VP - V (NP)
An dieser Schreibweise ist abzulesen, dass eine Verbalphrase obligatorisch ein Verb und fakultativ eine Nominalphrase enthält. Weiter geht daraus hervor, dass auch die Klammern als Verkettungssymbol fungieren können. Das bedeutet: wenn eine Klammer steht, kann das Verkettungssymbol "+" wegfallen Geschweifte Klammern umschliessen a l t e r n a t i v e Elemente. Mit anderen Worten e i n e der in der geschweif ten Klammer enthaltene Zeile m u s s gewählt werden, die Regel lässt jedoch offen, welche Zeile gewählt wird. Zur Illustration zeigen (lO)(i) - (iii) und (ll)(i) - (iii) den Gebrauch der Klammern: do)(i) (ii) (iii) (11)(i) (ii) (iii)
A - B (c) A - B + c A B A A - B A - C
An diesen Beispielen wird deutlich, dass diese Konventionen
26 besonders auch ein Mittel sind, um die Regeln zu vereinfachen (lO)(i) müsste ohne die Hilfe der Klammern als (ii) und (iii) geschrieben werden, (ll)(i) als (ll)(ii) und (iii). Das kann am Beispiel (12) noch besser gezeigt werden. Hier sind beide Klammern kombiniert. (12) erklärt auch, warum es hiess, aus geschweiften Klammern müsse eine "Zeile" gewählt werden. Mit anderen Worten, es ist nicht nur ein Element aus der Klammer zu realisieren, sondern eine der gegebenen Zeilen, die allerdings aus einem einzigen Element bestehen können. Wählt man die dritte Zeile, muss demnach wenigstens eines der beiden fakultativen Elemente realisiert werden: B + C + D B (E + F ) (G) (H)
(12)
2.4
D e r
S t r u k t u r b a u m
( P h r a s e M a r k e r )
Um die Struktur eines Satzes möglichst übersichtlich darzustellen, wurde der S t r u k t u r b a u m eingeführt. Man findet dafür oft auch die englische Bezeichnung PhraseMarker, abgekürzt P-Marker. Der Strukturbaum ist eine Art graphische Darstellung und enthält alle Informationen, die durch indizierte Klammern übermittelt werden können. Durch seine weitaus grössere Übersichtlichkeit hat er sich stärker durchgesetzt als die Klammerschreibweise. (13)
K n o t e n : nennt man die Stelle im Strukturbaum, an der mehrere Linien zusammenlaufen; die Kategoriensymbole bezeichnen demnach Knoten, wie z. B. "S" den Knoten, an dem die Linien v o n NP und V P zusammenlaufen.
27 D o m i n i e n e n : man sagt, die Kategorie A dominiert die Kategorie B, wenn A einen höheren Knoten als B bezeichnet; NP dominiert z. B. die Kategorien "Det" und "N" (über la participation). In den Termini der IC-Analyse ausgedrückt: jede Kategorie dominiert ihre Konstituenten. D i r e k t d o m i n i e r e n (oder: unmittelbar dominieren): man sagt, die Kategorie A dominiert direkt die Kategorie B, wenn A einen höheren Knoten als B bezeichnet und zwischen A und B kein weiterer Knoten liegt; z.B. wird VP direkt dominiert von S. Anders ausgedrückt: jede Kategorie dominiert direkt ihre unmittelbaren Konstituenten. Somit ist "direkt dominieren" ein Sonderfall von "dominieren". Ein Strukturbaum kann mit Hilfe der Informationen geschrieben werden, die durch einen Regelapparat gegeben sind. So entspricht (13) den Regeln in (8). Um (8) als (13) darzustellen, genügt es, die Pfeile als Anweisung zu verstehen, dass das Kategoriensymbol links vom Pfeil die Symbole rechts vom Pfeil direkt dominieren soll. Dadurch ist es auch möglich, am P-Marker die verschiedenen Relationen abzulesen, die die syntaktischen Kategorien eingehen. Eine der wichtigsten ist die "ist-ein(e)-Relation". So kann man sagen, die Kette Det + NP i s t e i n e Nominalphrase, womit die Intuition des kompetenten Sprechers beschrieben wird, dass die beiden Elemente durch einen grösseren Grad der Adhäsion verbunden werden, als zum Beispiel "N" (über ouvriers) und "V". In der "ist-ein-Relation" stehen aber nicht nur die direkt dominierten Kategorien, sondern alle von dem betreffenden Knoten dominierten Kategorien, auch die mittelbar dominierten. Am Baumdiagramm (13) kann man zum Beispiel ablesen, dass die Kette V + Det + N "eine Verbalphrase ist"
2.5
D i e
N o m i n a l p h r a s e
Damit kehren wir noch einmal zurück zu den direkten Konstituenten des Satzes, die in 2.2 gefunden und zunächst ohne Begründung als NP und VP bezeichnet wurden. Die Konstituenten werden gefunden, indem der Satz einer Art Materialtest unterworfen wird: er wird verdreht, verbogen und gewendet. Dabei stellt sich heraus, dass gewisse Elemente auch unter den verschiedensten Bedingungen nicht voneinander zu trennen sind. Zwei dieser Tests wurden schon in 2.2 angewendet 1. Gespaltene Sätze: (3)(xii) C'est la participation que les ouvriers exigent 2. Voranstellung: (3)(xi) L a participation, les ouvriers l'exigent
28 Als weiterer Test dieser Art kann die Passivierung werden :
angesehen
3. Passivierung: (14)(i) L 1 é t u d i a n t vend les livres (ii) Les livres sont vendus par l'étudiant Die Gruppen, die wir als Nominalphrasen bezeichnet haben, tauschen dabei ihre Plätze aus: 1'étudiant und les livres. E i n Test, der es erlaubt, die von S direkt dominierte NP herauszufinden, ist die "Ja-Nein-Frage". Mein bezeichnet sie so, da m a n auf diese Art v o n Frage die Antworten "Ja" oder "Nein" geben kann, w i e bei ( 1 5 ) ( ü ) und (iv) , während andere Fragen eine ausführlichere Antwort verlangen. 4. Ja-Nein-Frage: (15)(i) Le professeur déteste la linguistique (ii) Le professeur déteste-t-il la linguistique? (iii) Franz Walter déteste la linguistique (iv) Franz Walter déteste-t-il la linguistique? Bei diesem Versuch wandert die gesuchte Wortgruppe um das Verb herum und wird dort als Pronomen geschrieben. Man kann sich für ( 1 5 ) ( Ü ) und (iv) also die Zwischenstufen ( 15) 1 denken : (15) 1 (i)
Le professeur déteste le professeur la linguistique? (ii) Franz Walter déteste Franz Walter la linguistique?
W i e man hier sieht, kann die gesuchte Nominalphrase auch aus einem Eigennamen bestehen. Sowohl le professeur als auch Franz Walter wandern um das Verb herum und werden dann beide als il hinter dem Verb geschrieben. Durch das Beispiel (15) stösst mein auf eine neue Frage: welche Elemente müssen und welche können in einer Nominalphrase enthalten sein? Offensichtlich sind unsere Regeln in (8) weit davon entfernt, eine adäquate Beschreibung eines französischen Satzes zu geben. Mein muss eher sagen, sie sind einer adäquaten Beschreibung der Struktur eines französischen Satzes nicht ganz unähnlich. Im Verlaufe der nächsten Kapitel soll diese Ähnlichkeit immer grösser werden, ohne dass zu erwarten wäre, dass eine Identität erreicht würde. Eine wirklich adäquate Formulierung der Regeln ist nur möglich, wenn a l l e Probleme der französischen Sprache berücksichtigt werden, d.h., nur bei einer vollständigen Beschreibung des Franz ö s i s chen. Wir können jedoch einen kleinen Schritt weiterkommen, wenn wir die Beobachtung berücksichtigen, dass eine Nominalphrase nur aus einem N bestehen kann, wie in (l5)(iii) und (iv). Eine N P , die nur aus dem bestimmten Artikel besteht, gibt es dagegen nicht. (8)(ii) wird folglich neu geschrieben als (1
29 (16)
NP -
(Det) N
Dem Determinierer müssen wir noch etwas mehr Aufmerksamkeit widmen. Bisher waren die Beispiele so gewählt, dass tinter Det nur Artikel auftauchten. Anders nun in (17) (17)(i) Le professeur va â la manifestation (ii) Les professeurs vont â la manifestation (iii)Un professeur va â la manifestation (iv) Des professeurs vont â la manifestation (v) Ce professeur va à la manifestation (vi) Ces professeurs vont â la manifestation (vii)Plusieurs de ces professeurs vont à la manifestation (viii)Aucun de ces professeurs ne va à la manifestation (ix) Lequel de ces professeurs va à la manifestation? Die Liste kann fortgesetzt werden. Selbst bei recht grober Vereinfachung der Regeln müssen wir doch der Tatsache gerecht werden, dass der Determinierer aus einem Artikel alleine bestehen kann, wie in den Beispielen (i) bis (iv), oder aus einem Element, das wir Pré-Article (PA) nennen wollen, sowie dem Artikel, wie in (vii) bis (ix). (8) kann nun durch die Regel (18) ergänzt werden: (18)
Det
-
Aus (16) und ( 1 8 ) (iii) (19)(i)
(PA) Art ergeben sich als mögliche Strukturen (l9)(i)
NP N
(ü)
30 (Iii)
Eine genauere Analyse des Determinierer-Systens des Französischen würde weitere Regeln notwendig machen. Eine Möglichkeit wäre (20)(i) (ii)
PA
J I n d f + de 1 tout
Art
Joe jle
(CL)| j>
Dabei steht Indf für plusieurs, chaque. un etc. CL zeigt die möglichen Partikel ci/lä an. ("i) ist notwendig, um Konstruktionen wie Tout professeur... neben den Beispielen in (17) zu ermöglichen. Indf müsste nochmals durch eine Regel expandiert werden, da die syntaktischen Eigenschaften der zu dieser Kategorie gehörenden Elemente nicht einheitlich sind. Wir müssen folglich im Gedächtnis behalten, dass die Regel (18) nur eine Art Stenogramm ist, das für eine detailliertere Analyse steht. 2.6
D i e
V e r b a l p h r a s e
Die Konstituenten der Verbalphrase sind nun relativ leicht zu finden, da mit den unter 2.5 angeführten Tests auch die N P , die von VP direkt dominiert wird, ermittelt werden kann. Regel ( 9 ) beschreibt schon die Beobachtung, dass nur das Verb stehen rnuss, die Nominalphrase fehlen kann. Nominalphrase und Verbalphrase wurden also nach ihren obligatorischen Konstituenten so benannt. W a s im letzten Abschnitt gesagt wurde, gilt mit noch mehr Berechtigung für ( 9 ) s diese Regel ist weit davon entfernt, eine befriedigende Beschreibung der Struktur einer Verbalphrase zu geben. (21) kann zum Beispiel ganz offensichtlich nicht damit erklärt werden (2l)(i)
II travaille ä la campagne
Unterwerfen wir den Satz wieder den Materialtests, sehen wir, dass die Präposition ä ebenfalls bei der NP bleibt, gleich, welche Operationen man damit versucht.
Die Ersatzprobe zeigt, dass 1k und ^ 3X1 die Stelle von à la campagne treten können, nicht aber nur sin die Stelle der NP (21)(ii) Il travaille là (iii) XI y travaille (iv)* Il travaille à là Das gleiche Ergebnis bringt die Verschiebeprobe (v) A la campagne il travaille (vi) A la campagne,il y travaille (vii) C'est à la campagne qu'il travaille Ausserdem kann man fragen (viii) Où travaille-t-il? A la campagne OÛ fragt also nach à la campagne. Alle drei Operationen spre chen dafür, die Präposition zu der nachfolgenden Nominalphra se zu rechnen. Auf diese Weise haben wir eine weitere Kategorie gefunden, die von VP direkt dominiert wird, die P r ä p o s i t i o n a l p h r a s e (PP), bestehend aus einer Präposition (Prep) und einer NP. Zusammenfassend kann (8) nun verbessert werden in (22) (22) (i) (ii)
S
NP + VP
NP
(iii) VP
(Det) N -»
V (NP) (PP)
(iv)
Det
(PA) Art
(v)
PP
Prep + NP
(iii) wurde in dieser Weise geschrieben, obwohl auch (iii)' denkbar wäre :
(iü).
VP
-»
v (J
NP
L
)
das heisst, dass NP und PP nur alternativ auftreten können. Damit würde jedoch (23) ausgeschlossen, in dem sowohl eine NP (son meilleur ami) als auch eine PP (à Paris) auf das Verb folgen (23)
2.7
Il a envoyé son meilleur ami à Paris
E i n w ä n d e
In diesem Kapitel soll auf zwei mögliche Einwände aufmerksam gemacht werden. Der erste betrifft die scheinbar selbstverständlichen Begriffe "Wort" und "Satz". Beim Versuch, sie
32 exakt zu definieren, gerät man rasch in unvorhergesehene Schwierigkeiten. Die Wortgrenze kann nicht immer an der Schreibweise abgelesen werden. Das zeigt zum Beispiel das Spanische, in dem Pronomina mit Infinitivformen des Verbs verbunden werden: Tienes que verlo, Hay que encontrarle. Schwieriger wird es im Rumänischen, das den Artikel mit dem Nomen verbindet: bus. busul. Die Transformationsgrammatik hat sich im Gegensatz zum Strukturalismus wenig um dieses Problem gekümmert. Sie hat den, meines Erachtens gangbaren W e g eingeschlagen, traditionelle Termini zunächst zu übernehmen, um sie im Lauf der Analyse zu bestätigen oder zu revidieren. "Wort" wird dabei durch "lexikalisches Formativ" ersetzt. Die beiden Begriffe sind jedoch nicht immer identisch, da nicht jedes Wort als eine eigene Eintragung im Lexikon erscheinen muss, sondern auch aus einem anderen "transformationell abgeleitet" werden kann. Was das bedeutet wird klarer, wenn die nächsten drei Kapitel behandelt sind. Es ist auch keineswegs selbstverständlich, dass der Satz als Gegenstand der Syntax gelten soll. Warum nicht der "Text"? Immerhin gibt es einige syntaktische Erscheinungen, die nur erklärt werden können, wenn man Informationen aus anderen Sätzen hinzunimmt. M a n denke an einen Satz, der mit einem Personalpronomen beginntDas richtige Pronomen kann nur eingesetzt werden, wenn man die notwendigen Informationen über Numerus, Genus etc. aus vorangehenden oder nachfolgenden Sätzen bezieht. Schwieriger wird es beim Gebrauch der Zeiten, die aufeinander abgestimmt werden müssen. Wenn man sich dennoch auf den Sat z beschrankt, so basiert diese Entscheidung auf der These, dass grundsätzlich jeder Satz mit einem anderen verbunden werden kann : durch Konjunktionen zum Beispiel. Auf diese Weise ist es möglich, alle Sätze, deren Informationen benötigt werden, in den Ausgangssatz einzubetten. Mit diesen Hinweisen sollen die Einwände jedoch nicht als abgewiesen gelten. Vielmehr möchten diese Bemerkungen als Aufforderung zur Diskussion verstanden werden.
33 2.8
Ü b u n g e n
u n d
b e g l e i t e n d e
L e k t ü r e 2.8.1 1.
Ü b u n g e n Geben Sie eine Konstituentenanalyse des Satzes Le voleur a pris une photo
2.
Schreiben Sie (12) im Abschnitt 2.3 ohne Hilfe der Klammern. Mit anderen Worten : wieviel eindeutige Regeln können daraus entwickelt werden?
3.
Zeichnen Sie alle Strukturbäume, die (12) zugeordnet werden können.
4.
Wenden Sie die verschiedenen Tests (eventuell noch andere möglich?) auf den Satz (21) an. Auch die Ersatzprobe für die beiden Nominalphrasen.
5.
Finden Sie Argumente für (oder gegen) die Entscheidung, dass Prep und NP nicht direkt von VP dominiert werden wie V, sondern dass sie von PP direkt dominiert werden.
6.
Fassen Sie die folgenden Regeln zu je einer Regel zusammen : A
B
b)
A
—*
A
-
D + E + F
A
B + C + H
A
—>
D
A
B + C + E
A
-
B + C
A
B + X
A
—*
B + F
A
—•
B + D
A A
c)
—*
A
7.
B
B
A
B + C
A
A
-
B + C + D
A
A
—*
B + E
A
B + F + G -
F F + H
-
F + G F + G + H
Gegeben sei folgende Grammatik S
-
A r
A
-
(B)
^ í >¿< { í Íe!
, ^
B
C
-
so kann man zunächst feststellen, dass die Unterschiede iri der ersten Gruppe anderer Art sind als die in der zweiten Gruppe. Das wird dadurch, deutlich, dass man umgangssprachlich sagen kann, in (6) sei der gleiche Satz als Aussagesatz, verneint, als Fragesatz und im Passiv wiederholt worden. In ( 7 ) werden die selben syntaktischen Variationen vorgeführt, doch hier ist es nicht mehr möglich zu behaupten, es sei der gleiche Satz. Die Aufgabe der Grammatik ist es danach, zu zeigen, dass und in welcher Weise sich die Sätze der ersten Gruppe gleichen. Dazu hat man vorgeschlagen, in der zugrundeliegenden Struktur ein fakultatives Element einzuführen, das, wenn es auftritt, bewirkt, dass die jeweilige Struktur abgeleitet wird. Nehmen wir die V e r n e i n u n g . Sie wird angezeigt durch das Element "Neg". Die den Sätzen (6)(i) und (ii) zugrundeliegenden Strukturen hätten demnach folgende terminale Ketten (8)(i)
Le + président + Tps + avoir + PartPass + déclarer + la + guerre
(ii) Neg + le + président + Tps + avoir + PartPass + déclarer + la + guerre Die F r a g e f o r m kann durch ein entsprechendes Element "Q" angezeigt werden. Da beide Elemente für den ganzen Satz von Bedeutung sind, sollen sie mit unter S abgeleitet werden. Um die Schreibweise zu vereinfachen, führen wir eine Variable "I" ein, die für Q und für Neg stehen soll. Damit müssen wir die Regel (22)(i) aus Kapitel 2 verändern in ( 9 ) (9)
S
-
(i) NP + VP
Das Element, das bewirkt, dass ein Satz in der p a s s i vi s c h e n Form erscheint, muss etwas anders behandelt werden. Die mögliche bzw. nicht mögliche Passivierung kann nämlich zur Subkategorisierung der Verben beitragen. Dabei genügt es nicht festzustellen, dass ein Verb mit direktem Objekt stehen kann, tun es als passivierbar zu klassifizieren. Ein oft zitiertes Gegenbeispiel zu dieser Vermutung ist der Satz (10)
58 (10)
Il pese quarante kilos
±11 dem das direkte Objekt quareinte kilos nicht zum Subjekt eines entsprechenden Passivsatzes werden kann. Allerdings könnte man infrage stellen, ob die Verbergänzung hier als direktes Objekt bezeichnet verden darf. Eindeutig ist jedoch das Beispiel (11), in dem ein indirektes Objekt zum Subjekt des Passivsatzes werden kann, was den üblichen Definitionen zuwiderläuft (H)(i)
Jean obéit à Pierre
(ii) Pierre est obéi
de Jean
Der Ausweg aus dieser Schwierigkeit ist die Markierung der Verben wie obéir durch [+PASS], womit angezeigt wird, dass sie passiviert werden können, (Genauer: die Passivtransformation kann angewendet werden). Um eine solche Subkategorisierung in passivierbare oder nicht passivierbare Verben zu ermöglichen, muss das entsprechende Element tinter dem gleichen Knoten wie das Verb abgeleitet werden. Das ergibt für unsere Regel (l)(i) in diesem Kapitel die Regel (12) (12)
VP
- Aux+V (NP) (PP) (Pass)
Was ist nun aber die Aufgabe der n e u eingeführten Elemente? Sie haben die Funktion von Startzeichen ; sobald nämlich eines der Elemente durch die Basisregeln generiert wird und in der zugrundeliegenden Struktur eines Satzes auftaucht, m u s s eine Transformationsregel bzw. eine Reihe von Transformationsregeln wirksam werden und die angegebene Struktur ableiten. Bisher haben wir nur obligatorische Transformationsregeln kennengelernt, zur Verteilung der diskontinuierlichen Elemente und zur Generierung von Strukturen, die negativen bzw. Frageund Passivsätzen zugrundeliegen. E s gibt allerdings Fälle, in denen Transformationsregeln fakultativ sind. Zum Beispiel (13) (13)(i) C'est décevant qu'il lise un tel journal (ii)Qu'il lise tin tel journal, c'est décevant (Manche Sprecher des Französischen bevorzugen für Satz (i) (iii) XI est décevant qu'il lise un tel journal Der Unterschied ist stilistischer Natur und entkräftet unser Argument nicht, dass die Sätze (i) und (ii) bedeutungsgleich sind). Die Gemeinsamkeiten von (13)(i) und (ii) sind wieder anderer Natur,als die der Beispiele in (6). Diesmal besteht der Unterschied überhaupt nur in der Reihenfolge der Elemente. Es sind keine neuen Elemente hinzugekommen und es sind keine weggenommen worden. Zudem sind die Sätze bedeutungsgleich.
59 Wie wir im Unterabschnitt 4.1.1 schon gesehen haben, berücksichtigen die Basisregeln nicht die Reihenfolge der Elemente, die für einen grammatischen Satz einer Sprache verlangt werden. Das bedeutet für das Beispiel (13), dass die von den Basisregeln generierten zugrundeliegenden Strukturen für (i) und (ii) identisch sein werden. Die gewünschte Reihenfolge der Elemente kann somit nur durch die Transformationsregeln erreicht werden. Im Gegensatz zu den Regeln aber, die die diskontinuierlichen Elemente verteilen, und somit erst einen grammatischen Satz ermöglichen, muss man diesmal nicht eine bestimmte Regel anwenden, sondern hat die Auswahl zwischen zwei Möglichkeiten. Wählt man beide Möglichkeiten, so erhält man Strukturen, die Sätzen wie in (13) zugrundeliegen. Diese Sätze, die von einem kompetenten Sprecher der Sprache als gleichbedeutend beurteilt werden, nennt man P a r a p h r a s e n . Damit wird ein Begriff aus der Semantik eingeführt, denn die Definition basiert auf der Bedeutung der betreffenden Sätze. Die Semantik spielt jedoch nur insofern eine Rolle, als der Intuition der Sprecher Rechnung getragen werden soll, die Sätze als gleichbedeutend erkennen, wenn sie trotz unterschiedlicher abgeleiteter Strukturen auf eine gemeinsame zugrundeliegende Struktur zurückgeführt werden können. Dieser Zusammenhang von syntaktischen und semantischen Überlegungen liefert uns später ein wesentliches Argument dafür, die zugrundeliegende Struktur als die Verbindungsstelle zwischen syntaktischer und semantischer Komponente anzunehmen. 4.1.3 Das eingebettete "S" Hinter diesem Titel verbirgt sich einer der wichtigsten theoretischen Begriffe der Transformationsgrammatik. Er berührt die Frage, wie der Anspruch der Transformationsgrammatik verwirklicht werden kann, eine unendliche Zahl von Sätzen generieren zu wollen. Um diese Frage beantworten zu können, überlegt man am besten, wodurch der kompetente Sprecher in die Lage versetzt wird, grundsätzlich unendlich viele Sätze produzieren zu können. Zunächst scheint es ausgeschlossen, dass mit einer endlichen Zahl von Elementen und Regeln so etwas erreicht werden kann. Im ersten Kapitel findet sich aber schon der Ausweg aus diesem scheinbaren Widerspruch. In 1.3.2 haben wir gesehen, dass es möglich ist, jeden Satz zu erweitern, indem noch eine Ergänzung, noch ein Relativsatz, noch ein Adjektiv, ... und so weiter eingeführt wird. Das Beispiel lautete (l4)(i) (ii)
Les ouvriers exigent la participation Les ouvriers de Lyon, qui préparent une belle manifestation, exigent la participation qu'on leur a refusée pendant trop longtemps en prétendant . . .
60 Es bleibt aber noch die Frage, wie wir diese Fähigkeit des kompetenten Sprechers in unser Regelsystem übersetzen sollen. Diesmal können wir nicht einfach die Regeln um ein Element "Rel" für Relativsatz oder "Adj" für Adjektiv erweitern. Denn die Zahl dieser Ergänzungen ist grundsätzlich unbeschränkt. Man könnte allerdings Regeln einführen, die etwa wie in (15) aussehen würden (I5)(i)
Adj
(ii) Rel
Adj' (Adj) Rel 1
(Rel)
Das bedeutet, dass rechts und links vom Pfeil dasselbe Symbol auftaucht. Bisher haben wir solche Regeln nicht verwendet. Nur wenn wir auf die Konvention verzichten, dass in den PSGRegeln nicht rechts und links vom Pfeil dasselbe Symbol auftauchen darf, können wir beschreiben, dass ein Element grundsätzlich unendlich viele Male in einem Satz erscheint, da die Regeln ad infinitum immer wieder durchlaufen werden können. Regeln dieser Form und mit diesen Eigenschaften enthalten r e k u r s i v e E l e m e n t e ,( Q u e l l e n d e r R e k u r s i v i t ä t ). Man bezeichnet sie daher als r e k u r s i v e Regeln. I n den Regeln (15) wird "Adj" direkt von "Adj" dominiert und "Rel" direkt von "Rel". Man kann Grammatiken aber auch mit rekursiven Regeln ausstatten, ohne dass eine Kategorie "X" unmittelbar "X" dominiert wie in ( 1 5 ) . Stattdessen dominiert "X" eine Kette "Y", in der "X" eine Teilkette ist. Um das exakter zu definieren, muss der Begriff der "A b 1 e i t u n g" erklärt werden. Wir sprechen von einer Ableitung (einer Kette durch eine Grammatik), wenn eine Folge von Ketten vorliegt, wobei die erste das Eingangssymbol ist lind jede Kette durch die Anwendung einer Regel der Grammatik aus der vorangegangenen folgt. E. Bach gibt folgendes Beispiel einer einfachen Grammatik (An Xntroduction, S. 15 ) (I6)(i) (ii)
Z
A + B
A
C + D
(iii) C (iv) (v)
c
D
d
B
b
Diese Grammatik ermöglicht durch folgende Ableitung eine ganz bestimmte Endkette (S. 15 - 16) (17)
Z
(gegeben)
A + B
(Regel (i) )
61 c + D + B
(Regel
c + D + B
(Regel
c + d + B
(Regel
c + d + b
(Regel
(17) nennt man die Ableitungs g e s c h i c h t e der Kette c + d + b. Wenn nun der Grammatik (16) noch eine Regel hinzugegeben wird (16) (vi)
D
-»
Z
dann enthält sie eine Quelle der Rekursivität "Z" , und kann eine unendliche Menge von Ketten der Form cdb, ccdbb, cccdbbb, ... generieren. Die Quelle der Rekursivität einer Grammatik ist demnach das Element, das sich selbst dominiert. Um die Grammatik möglichst einfach zu halten, ist es wünschenswert, nur e i n e Quelle der Rekursivität vorzusehen. Dann kann für alle anderen Regeln der Phrasenstrukturgrammatik die Konvention beibehalten werden, dass rechts und links vom Pfeil nicht dasselbe Symbol stehen darf. Genauers von der einen Ausnahme abgesehen, darf kein Element sich selbst dominieren. Chomsky plädiert in den "Aspekten" dafür, "S" als die Quelle der Rekursivität anzunehmen. Satz (l8)(i) wird demnach auf zwei Sätze, (l8)(ii) und (iii) zurückgeführt. ( 18)(i) (ii)
L'étudiant qui a lu le livre dort L'étudiant a lu le livre
(iii) L'étudiant dort Im zweiten Teil dieser Einführung wird der Vorschlag genauer untersucht, wonach attributive Adjektive aus der korrespondierenden prädikativen Wendung abgeleitet werden sollen, ähnlich wie im Beispiel (19) (19)(i) (ii)
C'est un garçon intelligent C'est un garçon
(iii) Le garçon est intelligent Wir können nun die Regel (22)(ii) aus dem zweiten Kapitel verbessern und erhalten dann (20)
NP
->
(Det) N (S)
Mit den neu formulierten Phrasenstrukturregeln können wir zum Beispiel für Satz (l8)(i) die zugrundeliegende Struktur ( 2 1 ) generieren 1 : 1
D a die punktierten Linien anzeigen sollen, dass die Lexikonregel angewendet wird, stehen die grammatischen Formative unter durchgezogenen Linien. Wie aus der Regel (20) (ii) hervorgeht (Kapitel 2), gehören dazu auch die unter "Art"abgeleiteten Formative. Sie können alle ohne Hilfe der Lexikonregel eingesetzt werden. Der Artikel l_e wird später erst in der gewünschten Form als la, les ausbuchstabiert.
62
Aufgabe der Transformationsregeln ist es dann, daraus die Struktur abzuleiten, die von den phonologischen Regeln in (l8)(i) verwandelt werden'kann. Dazu müssen sie in diesem Fall die Nominalphrase des eingebetteten Satzes, die mit der NP des M a t r i x s a t z e s - s o heisst der Satz, der ein eingebettetes "S" enthält - identisch ist f durch das Relativpronomen "qui" ersetzen. 4.1.4 Schlussfolgerungen Es ist ganz offensichtlich, dass die Probleme der letzten drei Unterabschnitte nur angedeutet worden sind. Es sollten damit in groben Umrissen die Aufgaben der Transformationsregeln skizziert werden. Einige dieser Themen werden im zweiten Teil der Einführung wieder aufgenommen und gründlicher diskutiert. Vorläufig genügt es, wenn folgendes deutlich wurde; 1)
die Basisregeln generieren nicht Sätze, sondern Strukturen, die wir als Baumdiagramme schreiben. Diese Strukturen heissen T i e f e n s t r u k t u r e n . Die Tiefenstruktur eines Satzes soll alle Informationen enthalten, die zu seiner semantischen Interpretation notwendig sind.
2)
Die Transformationen setzen an der Tiefenstruktur an. Sie wirken daher auf Baumdiagramme, nicht auf Sätze, und produzieren neue Baumdiagramme. Wenn der Transformationsteil durchlaufen ist, enthält man eine abgeleitete Struktur, die O b e r f l ä c h e n s t r u k t u r des Satzes. Sie enthält alle Informationen, die zur phonologischen Interpretation notwendig sind.
63 4.2
D i e W i r k u n g s w e i s e d e r T r a n s f o r m a t i o n s r e g e l n
Die Forderving, dass die Tiefenstruktur eines Satzes alle Informationen enthalten soll, die zur semantischen Interpretation notwendig sind, bedeutet für die Transformationsregeln, dass sie keine semantisch relevanten Elemente mehr einführen oder tilgen dürfen. Diese Vorschrift kommt möglicherweise etwas überraschend, da sie noch nicht explizit angegeben wurde. Implizit war sie freilich in den letzten Unterabschnitten schon vorhanden. Sonst wäre es zum Beispiel nicht notwendig gewesen, die Elemente "Neg" und "Q" in der Basis einzuführen. Stattdessen hätte man,durch eine fakultative Regel, die entsprechenden Operationen transformationeil ausführen können. Dieses Beispiel zeigt, dass es notwendig ist, die Wirkungsweise der Transformationen genauer zu beschreiben. Ausserdem müssen einige technische Details erläutert werden. 4.2.1 Welche Operationen führen Transformationsregeln aus? Alle Transformationen können auf drei Elementartransformationen zurückgeführt werden: Tilgung (suppression), Adjunkion (addition) und Substitution (substitution). Chomsky hatte zunächst noch die Permutation (permutation) dazugezählt, argumentierte dann aber dafür, sie aus der Klasse der Elementartransformationen zu streichen, da sie als Kombination von Tilgving und Adjunktion erklärt werden kann. Transformationen überführen P-Marker in andere P-Marker. Welche Operationen sie dabei vornehmen, soll ein folgenden Beispielen illustriert werden: 1)
T i l g u n g
vous
pärlez
parlez
Dabei steht "Pron" für "Pronomen" und der Pfeil bedeutet "...wird zu...". Wenn das getilgte Element selbst eine Kette dominiert, wird auch diese Kette getilgt, das heisst, alle von dem getilgten Element dominierten Kategorien. Es war schon davon die Rede, dass manche Verben eine Tilgung ihres direkten Objekts erlauben. In diesem Fall wird die Transformationsregel so geschrieben, dass die auf das Verb folgende N P getilgt wird. Sollte sie einen eingebetteten Satz dominieren, wie das unsere Regel (20) ermöglicht, dann wird auch dieser Satz getilgt.
64 2)
A d j u n k t i o n
A
rçp
Dét I Art I ce
N
monsieur
Prep
Art
par
ce
monsieur
Dabei muss angegeben werden, an welchen Knoten das anzufügende Element gehängt werden soll. Bei einem Diagramm mit der Struktur unseres Beispiels sind mehrere Möglichkeiten denkbar s
(iü)
(ü)
A
B b
In allen drei Fällen wurde "c" eingefügt. Die Ausgangsstruk tur war
Als Konvention soll gelten, dass das anzufügende Element an den niedrigsten Knoten gehängt wird, der alle Elemente dominiert, an die es adjungiert werden soll. Schreibt die Transformationsregel vor, dass "c" an "A + b" adjungiert wird, dann ist der niedrigste ( vom Eingangssymbol "S" aus nach unten gehend) gemeinsame Knoten für "A" und"b"der Knoten'^" wie in (i). Die Anweisung,"c"an"B"oder"b"zu adjungie ren, ergibt (ii). Und um (iii) zu erhalten, muss angegeben werden, dass"c"an"A"oder"a"angefügt wird. (%"und"b"sind kei ne Knoten). 3)
S u b s t i t u t Aux Tps
Aux Subjonctif
Ähnlich wie bei der Tilgung werden bei der Substitution all Elemente, die vom substitmarten oder substituierenden Ele-
65 ment dominiert werden, ebenfalls von der Veränderung betroffen.
A Als Sonderfälle der Substitution können Expansion (expansion) und Reduktion (réduction) angesehen werden; ein Element wird durch mehrere andere ersetzt, beziehungsweise umgekehrt 3a) E x p a n s i o n
R S Entfällt der Knoten"BV dann werden"R"und"S"direkt hängt 3b)
an"A"ange-
R e d u k t i o n ==>
Y
¥
R
Die Beispiele wurden Bach, S. 74 - 75 entnommen. Auch wenn sie im engeren Sinn nicht zu den Elementartransformationen gerechnet wird, soll ein Beispiel für die Permutation gegeben werden 4)
P e r m u t a t i o n
A
A
Diese Operation k a n n auf zwei Weisen vorgenommen werden. Entweder wird"a"getilgt und rechts von"b"adjungiert, oder"b»wird getilgt und links von"a"adjungiert. Welcher Weg gewählt wird, entscheidet sich entsprechend den Erfordernissen des jeweiligen Problems. E s ist zu beachten, dass bei komplexeren Strukturen die gleichen Probleme auftauchen, wie sie für die
66 A d j u n k t i o n durch d i e B e i s p i e l e den.
(i)
-
(ill)
aufgezeigt
wur-
Ein einfaches Beispiel für die i s t d i e R e g e l , d i e das E l e m e n t
Permutationstransformation " T p s " an das V e r b a n h ä n g t . VP
VP
Aux V
Aüx
Tps
Tps 4.2.2 Wie s c h r e i b t man T r a n s f o r m a t i o n e n ? E i n e s o l c h e D a r s t e l l u n g s w e i s e m i t t e l s Baumdiagramm i s t zu a u f w e n d i g . Daher i s t e i n e v e r k ü r z t e S c h r e i b w e i s e ü b l i c h g e worden, d i e jedoch n i e v e r g e s s e n l a s s e n d a r f , dass Transf o r m a t i o n e n P - Marker i n andere P-Marker ü b e r f ü h r e n . Die ü b l i c h e N o t a t i o n s i e h t so a u s , dass zunächst d i e Ausgangss t r u k t u r b e s c h r i e b e n w i r d . Die Elemente d i e s e r Struktur w e r d e n a b g e z ä h l t . Dann f o l g t d e r P f e i l . (Am Rande s e i d a r a u f h i n g e w i e s e n , d a s s b e i T r a n s f o r m a t i o n s r e g e l n - im G e g e n s a t z z u den R e g e l n d e r PSG - l i n k s vom P f e i l mehr a l s e i n E l e m e n t a u f t r e t e n k a n n ) . Nach dem P f e i l f o l g t d i e v e r ä n d e r t e S t r u k t u r , w o b e i g e t i l g t e E l e m e n t e durch " 0 " a n g e z e i g t w e r d e n . Neu hinzugekommene E l e m e n t e w e r d e n a u s g e s c h r i e b e n . E i n " + " z e i g t , an w e l c h e s E l e m e n t s i e a n g e f ü g t w u r d e n . D i e v i e r B e i s p i e l e aus 4 . 2 . 1 w e r d e n danach, s o g e s c h r i e b e n ; 1)
T i l g u n g StrukturbeSchreibung
(SB)
X 1
Pron 2
1 2)
3)
0
A d j u n k t i o n SB
X 1
NP 2
Y 3
SV
1 Prep+2 3
==>
S u b s t i t u t i o n SB
X 1
SV
1
2
QU
NP 3
Y 4
Tps 5
Z 6
2
3
4 Subjonctif
^ 6
V 3
Y ==> 4
3
4
67 4)
P e r m u t a t i o n SB
X 1
[+AV] 2
[+V] 3
SV
1
0
3+2
Y 4
==>
X, Y und Z stehen in allen vier Beispielen für Variablen. 2) ist ein Ausschnitt aus der Passivtransformation. In Regel 3), Substitution, wurde, leicht verändert, die SubjonctifTransformation von N. Ruwet übernommen (introduction S. 364). 4) wird als die Affix-Transformation bezeichnet« T . "AV" heisst "Verbalaffix". Element 3 wurde als Merkmal geschrieben, da AV auch an avoir oder être angehängt werden kann, wenn Aux avoir und PartPass enthält. Unter anderem aus diesem Grund müssen die Hilfsverben mit einem Merkmal [+V] versehen werden. 4.2.3 Anwendungsbereich und Konventionen Wir kommen nun noch einmal auf den Begriff der A n a l y s i e r b a r k e i t zurück, der in 3.2.3 schon erwähnt wurde. Bei Chomsky heisst es 2 Jede Transformation ist durch einen Struktur-Index, der eine Boole'sche Bedingung für die Analysierbarkeit ist, und eine Folge von Elementartransformationen vollständig definiert. Der Begriff "analysierbar" ist bestimmt durch die Relation "ist ein", die wiederum durch die Ersetzungsregeln der Basis und durch das Lexikon definiert ist. Unter der"Boole 1 sehen Bedingung"ist zu verstehen, dass die Bedingungen für die Analysierbarkeit aussagenlogisch verbunden sind. Es stehen also zur Verknüpfung nur die logischen Operationen "und" (A) » "oder" (\/) und "nicht" zur Verfügung. Der "Struktur-Index" ist in unseren Transformationsregeln die Zeile "Strukturbeschreibung". Eine Voraussetzung für die Anwendbarkeit einer Regel ist somit, dass die Struktur des Baumdiagramms, das verändert werden soll, mit der SB-Zeile der Regel übereinstimmt. Um zu illustrieren, was der Begriff "Analysierbarkeit" bedeutet, kann man sagen, dass eine Kette X dann als "NP + V + VP" analysierbar ist, wenn X = X-j , X2, , wobei X-j von NP dominiert wird, X 2 von V und Xo von VP. Die Definition von "Analysierbarkeit" bezieht sich also auf die "ist ein-Relation". Unser Satz (18)(Ü) L'fetudiant a lu le livre ist analysierbar als NP + Aux + V + NP ; denn - wie man im P-Marker (21) ablesen kann - L'fetudiant ist eine NP, Tps avoir PartPass ist ein Aux, lire ist ein V und le livre ist eine NP. 2
Chomsky, Aspekte, S. 181
68 Diese Definition bringt wesentliche Vorteile mit sich. Zum Beispiel haben wir gezeigt, dass jede lexikalische Kategorie ein Merkmalbündel dominieren kann, so dass man von den Merkmalen unter N sagen kann, sie "sind ein" N. Auf diese Weise erlaubt die Definition der "Analysierbarkeit", dass Transformationsregeln auch auf syntaktische Merkmale Bezug nehmen. Das zeigt die Regel (22), in der Element h ein Nomen ist.3
(22)
ce
^
le SB
SV
wobei Det vor 3 otund ß stehen für: "+" oder "-". Die letzte Zeile der Regel zeigt, dass zusätzliche Bedingungen angegeben werden können. In diesem Fall soll sie sicherstellen, dass sich der Determinierer nur nach dem direkt folgenden N richtet. Eine Einschränkving muss noch für die Tilgungen angegeben werden. Sie folgt aus der Forderung, dass durch Transformationen die Bedeutung nicht verändert werden darf. Ausserdem möchte man die Regeln so schreiben, dass man, von den abgeleiteten Strukturen ausgehend, die zugrundeliegenden Strukturen wieder rekonstruieren kann. Nur Vinter dieser Voraussetzung kann die Transformationsgrammatik in eine noch zu erstellende Theorie der Performanz integriert werden, die unter anderem erklären muss, wie ein Hörer einen Satz dekodiert. Tilgungstransformationen sind aus diesen Gründen an die Bedingung der R e k o n s t r u i e r b a r k e i t (recoverability) gebunden. Sie schreibt vor, dass Hauptkategorien, die im Struktur-Index einer Transformation enthalten sind, nur dann getilgt werden dürfen, wenn sie mit einem anderen Element des Struktur-Index identisch sind. (Hauptkategorien - major category - sind a) die lexikalischen Kategorien und b) alle Kategorien, die eine lexikalische Kategorie dominieren, also NP, VP, N, V,..., aber nicht Det oder Tps.) Rekonstruierbar in diesem Sinn ist in unserem Diagramm (21) die identische NP im eingebetteten Satz: 1'fetudiant. Ist die Bedingung der Identität nicht erfüllt, dann darf ein 3
aus: Langacker, Transformational Syntax, S. 176
69 Element nur dann getilgt werden, wenn es der "Platzhalter" einer Kategorie ist. So kann ein Satz wie J'ai mangfe abgeleitet werden aus einer Struktur, die dem Satz J'ai mangfe quelque chose zugrunde1iegt. Das Element, das quelque chose dominiert, muss in der terminalen Kette der Struktur, die J'ai mangfe zugrundeliegt, gar nicht als quelque chose realisiert werden, sondern kann in der terminalen Kette als P l a t z h a l t e r - S y m b o l (oder Quasi-Symbol, engl, dummy element) auftreten, und kann ohne semantischen Verlust getilgt werden. Wir haben nun eine Reihe von Bedingungen kennengelernt, die Voraussetzung sind für die Anwendung der Transformationsregeln. Wenn eine dieser Bedingungen nicht erfüllt wird, blokkiert die Regel und leitet aus der gegebenen Struktur keine Oberflächenstruktur ab. Diese Eigenschaft bezeichnet man als die F i l t e r f u n k t i o n der Transformationsregeln. Sie sichert, dass von den PSG-Regeln abgeleitete Strukturen, die keinem Satz als Tiefenstruktur zugrundeliegen können, aussortiert werden. Zum Schluss noch eine Bemerkung zur Ordnung der Transformationsregeln. Wie wir gesehen haben, ist die Reihenfolge der Anwendung von PSG-Regeln festgelegt, wenn auch auf sehr schlichte Weise« ein Element kann nur expandiert werden, wenn es zuvor auf der rechten Seite des Pfeils aufgetaucht ist; VP zum Beispiel muss erst unter S abgeleitet werden, bevor es selbst expandiert werden kann. Jede Regel kann aber mehrfach durchlaufen werden. Für die Transformationsregeln gilt zunächst eine ähnlich einfache Vorschrift, dass sie nämlich in linearer Folge angewendet werden müssen. Damit ist die denkbare Möglichkeit ausgeschlossen, dass alle Transformationsregeln gleichzeitig operieren. Weiter ist durch diese Konvention ausgeschlossen, dass eine Transformation, wenn sie einmal angewendet worden ist, später noch einmal wirken kann.^ Der Grund für diese Ordnung liegt darin, dass Transformationen Strukturen verändern und dadurch, zum Beispiel, ein Element getilgt werden könnte, das für eine andere Regel eine Bedingung der Anwendbarkeit ist. Man wird daher erst das Element tilgen, wenn die andere Operation abgeschlossen ist. Es gibt allerdings auch den Fall, dass man bei vier gegebenen Transformationen T-j , T 2 , T^, T4 Gründe dafür hat, dass T-j vor T_ und T^ kommen muss, sowie Tp vor T^. Damit gibt es aber keine Argumente, die für die Reihenfolge T2 - T_ und gegen T_ - T^ sprechen würden. Die Theorie erlaubt dann beide Möglichkeiten. Die Entscheidung ist willkürlich.. Was aber, wenn man eine komplexe Struktur folgender Art hat? 4
Es ist natürlich denkbar, dass durch spätere Transformationen die Struktur wiederhergestellt wird und somit die betreffende Transformationsregel wieder angewendet werden kann. Eben dies soll jedoch vermieden werden.
70
Soll nun Regel T 1 erst auf S-j , dann auf S«, dann auf Sn wirken oder umgekehrt, bei S^ anfangen? Oder sollen alle Regeln T^ bis T4 erst auf S.| angewendet werden, dann auf S2, dann auf S^ oder umgekehrt? Die Entscheidung für die Reihenfolge der Sätze ist relativ leicht: Mein muss bei dem am tiefsten eingebetteten Satz, hier also So beginnen. Ist das zum Beispiel ein Relativsatz, kann die NP der Tiefenstruktur nur durch das für die Oberflächenstruktur gewünschte Relativpronomen ersetzt werden, wenn sich in S2» dem Matrixsatz, eine identische NP findet. Diese könnte aber durch eine Transformationsregel zerstört worden sein, wenn sie von oben her wirken würden. Die Wahl zwischen den beiden übrigen Möglichkeiten ist sehr viel schwerer zu begründen. Wir müssen einmal mehr auf die Diskussion verzichten und ohne Begründung die Entscheidung fällen. Diesmal befinden wir uns dabei aber in bester Gesellschaft, denn Chomsky ist in den "Aspekten" ebenso verfahren. Um ein Übriges zu tun, können wir uns zudem auf N. Ruwet berufen, der in einem Aufsatz "Le principe cyclique.." die hier ausgesparte Diskussion vorführt. Danach ist die z y k l i s c h e Ordnung der Transformationsregeln aus theoretischen und empirischen Gründen'vorzuziehen. Sie besagt, dass erst alle Regeln auf den am tiefsten eingebetteten Satz angewendet werden, dann alle Regeln auf den nächst-tiefsten Satz und so fort. Es sex noch erwähnt, dass einige Linguisten Argumente dafür geliefert haben, dass man manche Regeln aus dem Zyklus herausnehmen muss. Eine Reihe von post-zyklischen Regeln werden gemeinhin akzeptiert. Der Status von präzyklischen Regeln dagegen ist umstritten. 4.3
T i e f e n s t r u k t u r f l ä c h e n s t r u k t u r
u n d
O b e r
-
In dem Grammatikmodell, das vor allem von N. Chomsky und J. J. Katz entwickelt wurde, enthält die syntaktische Komponente also eine Basis, die Tiefenstrukturen generiert und eine transformationeile Subkomponente, die Oberflächenstrukturen generiert. Nach dieser Theorie kann man folgende Bedingungen formulieren;
71 1) 2)
An der Entwicklung einer Tiefenstruktur ist keine Transformationsregel beteiligt Die Tiefenstruktur enthält alle Informationen, die die semantische Komponente benötigt, um dem abzuleitenden Satz eine semantische Interpretation zuweisen zu können.
Im nächsten Kapitel wird der Anspruch, dass alleine die Tiefenstruktur Eingabe der semantischen Komponente sein soll, noch einmal infragegestellt. In diesem Abschnitt sollen zunächst nur zwei Konsequenzen behandelt werden, die aus dieser Entscheidung folgen: 1)
Da syntaktische Relationen wie Subjekt und Objekt die Bedeutung eines Satzes entscheidend mitbestimmen, müssen sie in der Tiefenstruktur definiert werden
2)
Da die Tiefenstruktur über die semantische Interpretation entscheidet, muss ein mehrdeutiger Satz mehrere Tiefenstrukturen haben, und umgekehrt muss Sätzen mit gleicher Bedeutung (Paraphrasen) die gleiche Struktur zugrundeliegen.
4.3.1 Ambiguität und Synonymie Einer der bedeutendsten Vorteile einer transformationeilen Grammatik ist, dass mit Tiefenstruktur und Oberflächenstruktur erklärt werden kann, wieso ein Satz mehrdeutig ist und warum mehrere Sätze bedeutungsgleich sind. Dazu einige der gängigen Beispiele^. (23)(i) J'ai trouvé ce livre idiot (ii) Chomsky aime mieux Humboldt que Skinner (iii) Sartre propose à Merleau-Ponty de publier cet article dans les Temps Modernes Jeder dieser Sätze ist zumindest in zwei Weisen zu interpretieren, wie (24) zeigen soll (24)(i) (ii)
J'ai trouvé ce livre qui est idiot J'ai trouvé que ce livre est idiot
(iii) Chomsky aime mieux Humboldt que Chomsky n 1 aime Skinner (iv) (v) 5
Chomsky aime mieux Humboldt que Skinner n'aime Humboldt Sartre propose â Merleau-Ponty que Sartre publie...
Die Beispiele sind - mehr oder weniger stark verändert aus Ruwet, Introduction, S. 57 übernommen worden.
72 (vi)
Sartre propose à Merleau-Ponty que MerleauPonty publie ...
Dabei spielt es keine Rolle, dass Sätze wie (24)(iii) und (v) nicht tatsächlich verwendet werden. Sie sollen nur illustrieren, welcher Art die zugrundeliegenden Strukturen der Beispiele in (23) sind. Jeder Satz in ( 2 3 ) wird von zwei verschiedenen Tiefenstiu kturen abgeleitet, die auch den entsprechenden Beispielen in (24) zugrundeliegen. (24) (i) hat also die gleiche Tiefenstruktur wie (23)(i), ebenso hat (24)(ii) die gleiche Tiefenstruktur wie (23)(i). Diese beiden - (24)(i) und (24)(ii) - haben jedoch unterschiedliche Tiefenstrukturen. Demnach hat ( 2 3 ) ( i ) zwei verschiedene Tiefenstrukturen. Umgekehrt kann man sagen, dass (23)(i) und (24)(i) unterschiedliche Oberflächenstrukturen, bei gleichen Tiefenstrukturen haben. Mit anderen Worten: sie unterscheiden sich durch ihre Ableitungsgeschichte, da die Folge der auf die gemeinsame Tiefenstruktur angewandten Transformationen unterschiedlich ist. Auf diese Weise kann man synonyme Sätze (Paraphrasen) beschreiben. Damit erlaubt die Einführimg von Tiefen- und Oberflächenstruktur die Erklärung von zwei weiteren Fähigkeit en des kompetenten Sprechers. Wir haben schon gesehen, dass so die Zusammengehörigkeit diskontinuierlicher Elemente dargestellt werden kann. Nun kommt hinzu, dass beschrieben wird, warum ein kompetenter Sprecher scheinbar verschiedenartige Sätze miteinander in Verbindung bringen und warum er Mehrdeutigkeiten erkennen kann. Ambiguität und Synonymie können sowohl durch die Struktur des Satzes als auch durch die Bedeutung eines Wortes begründet sein. ( 2 5 ) zeigt eine lexikalische Mehrdeutigkeit, (26) eine lexikalisch begründete Paraphrase (25) C'est un canard ( 2 6 ) ( i ) La police s'est montrée fort prudente (ii) Les forces de l'ordre se sont montrées fort prudentes^ Schliesslich erklärt die Tiefenstruktur auch die Gemeinsamkeiten von Sätzen, die sich nur durch das Vorhandensein bzw. die Abwesenheit der Elemente "Q" und "Neg" in der Tiefenstruktur unterscheiden. 4.3.2 Syntaktische Funktionen und Relationen In den vorausgegangenen Abschnitten wurde schon eine syntaktische Relation eingeführt, die durch ein Baumdiagramm, beziehungsweise durch die Regeln der PSG-Grammatik definiert ist, die "ist ein-Relation". Ausserdem haben wir syntaktische Kategorien kennengelernt. In scharfer Abgrenzung 6
Hierbei soll unberücksichtigt bleiben, ob police und forces de 1'ordre wirklich Synonyme sind. Tatsache ist, dass die beiden Begriffe häufig in dieser Weise benutzt werden.
73 dagegen müssen nun noch die syntaktischen Funktionen "Subjekt eines Satzes", "Objekt eines Satzes" etc. definiert werden. Sie stehen zueinander in Relationen, die für die semantische Interpretation des Satzes von ausschlaggebender Bedeutung sind. Am Beispiel eines Baumdiagramms kann man zeigen, dass die funktionalen Begriffe relationalen Charakter haben und daher nicht durch eigene Regeln eingeführt werden müssen. Sie können an dem P-Marker abgelesen werden.
Es ist offensichtlich, dass der Satz eine wesentlich andere semantische Interpretation erhält, wenn Les spectateurs und les acteurs ihre Stellung im Satz austauschen. Anders gesagt, die Bedeutung verändert sich, wenn les acteurs das Subjekt des Satzes und Les spectateurs das direkte Objekt des Satzes ist. Mit dieser kleinen Verschiebeprobe lassen sich zwei sehr wichtige Definitionen erläutern. 1) Es ist unsinnig zu sagen:" Les spectateurs" i s t ein Subjekt. Man kann nur sagen, es i s t eine Nominalphrase. Subjekt, Prädikat... dagegen sind funktionale Begriffe. Somit darf man nur sagen, dass Les spectateurs als Subjekt von S f u n g i e r t . 2) Betrachtet man sich, was in dem Baumdiagramm vorgeht, wenn man die beiden Nominalphrasen austauscht, entdeckt man, dass sie, je nachdem ob sie als Subjekt oder als Objekt des Satzes fungieren, von S oder von VP direkt dominiert werden. Syntaktische Kategorien werden also von den Phrasenstrukturregeln eingeführt und damit auch definiert. Die syntaktischen Funktionen sind durch ihre Stellung im Baumdiagramm und damit durch die Relationen zwischen syntaktischen Kategorien definiert. Wenn man bedenkt, dass das Element links von dem Pfeil einer PSG-Regel das Element rechts vom Pfeil direkt dominiert, werden auch die syntaktischen Funktionen durch diese Regeln bestimmt. Sie können so beschrieben werden:
74 Sub j ekt-von: NP Prädikat-von :
Direktes-Objekt-von: VP NI Zu lesen als: NP direkt dominiert von S, VP direkt dominiert von S und NP direkt dominiert von VP. Die übliche Schreibweise ist folgende: Subjekt-von:
[NP,S]
Prädikat-von :
[VP,S]
Direktes-Objekt-von:
[NP,VP]
(in der gleichen Weise zu lesen) Da die Symbole S, NP, VP, N und V als grammatische Universalien angesehen werden können, ist es möglich, die Funktionen ebenfalls als für alle Sprachen gültig anzunehmen. Sie sind daher auch Bestandteil der allgemeinen Grammatiktheorie und müssen nicht in der Grammatik jeder Einzelsprache neu definiert werden. Es ist wichtig zu beachten, dass die Funktionen in der Tiefenstruktur beschrieben werden. Das ist wünschenswert, da die Transformationen Veränderungen vornehmen können, die für die semantische Interpretation keine Rolle mehr spielen. Die Beispiele in (28) sollen das illustrieren. (Aus Ruwet, Introduction, S. 325) (28)ii) (ii)
Pierre est facile â contenter Pierre a conseillé à Jean de consulter un spécialiste (iii) Pierre a promis â Jean de consulter un spécialiste (iv) Le bandit a été arrêté par la police
Nach unserer Definition ist Pierre in (i) direktes-Objektvon contenter Pierre. In (ii) und (iii) ist Pierre Subjektvon conseiI T T und promis. Dagegen ist in (ii) Jean Subjektvon Jean consulte un spécialiste und Pierre ist Subjektvon Pierre consulte un spécialiste in (iii) . In der Struktur, d i e S a t z (iv) zugrundeliegt, ist Le bandit "direktesOb jekt-von". In diesem Beispiel zeigt sich der Unterschied zu den traditionellen Definitionen am deutlichsten. Es
75 ist jedoch offensichtlich, dass die Oberflächenfunktionen bei der Interpretation des Satzes keine Rolle spielen. Auf der Grundlage der Definitionen der syntaktischen Funktionen können die Relationen beschrieben werden, wie sie zwischen Subjekt und Verb oder zwischen Verb und Objekt bestehen. Von diesen Relationen hängt die semantische Interpretation des Satzes ab. Nun werden dadurch aber auch automatisch irrelevante Relationen definiert, wie SubjektObjekt, die bei der Interpretation nur unnötigen Ballast darstellen. Man schränkt daher insofern ein, als nur diejenigen Relationen als echte grammatische Relationen zu betrachten sind, die von den Regeln ("Projektionsregeln") der semantischen Komponente verwendet werden, um den Satz zu interpretieren.
4.4
E i n w ä n d e
Ein erster Einwand betrifft die Ableitung des Auxiliarkomplexes unter VP. Dagegen könnte man anführen, dass die Informationen in Aux ebenso wie Neg und Q für den ganzen Satz relevant sind und Aux daher von S direkt dominiert werden sollte. Ich gebe dennoch der anderen Lösung den Vorzug, da mir einmal die Subkategorisierung von V das gewichtigere Argument zu sein scheint und da zum anderen auch die unter "I" zusammengefassten Elemente Informationen anderer Art liefern, als die in Aux enthaltenen. Selbst wenn die Konvention aufgegeben werden sollte, dass nur die Kokonstituenten die Subkategorisierung beeinflussen - was durchaus denkbar ist - scheint mir daher kein Argument zur Verfügung zu stehen, das eindeutig für die Ableitung des Aux unter S sprechen würde. Dubois et Dubois-Charlier behaupten, es gäbe keine fakultativen Transformationen, da nur die "auslösenden Elemente" fakultativ seien. Wenn das Element auftritt, m ü s s e die Transformationsregel wirken. Unser Beispiel (13) würden sie in derselben Weise erklären, da sie unter "I" ein fakultatives Element für emphatische Formen v o r s c h l a g e n . ^ Das ist jedoch zumindest keine ausreichende Lösung. In den Sätzlen (29) nämlich sind beide Formen emphatisch und dennoch ist die Anordnung der Elemente in der Oberflächenstruktur verschieden. Ich möchte daher bei den fakultativen Transformationen bleiben. (29)(i)
Je ne sais pas, moi, pourquoi il lit un tel j ournal
(ii) Moi, je ne sais pas, pourquoi il lit un tel j ournal
7
Dubois et Dubois-Charlier, S. 133 ff
76 Der dritte Einwand ist der gewichtigste. Er betrifft die Behauptung, dass die Transformationen nicht die Bedeutung verändern und dass die Tiefenstruktur alleine die Informationen zur semantischen Interpretation liefert. Dazu soll hier aber noch nichts gesagt werden. Im nächsten Kapitel wird verständlich, warum ich mich hier vorläufig der Stimme enthalten möchte.
4.5
Ü b u n g e n L e k t ü r e
4.5.1 1)
u n d
b e g l e i t e n d e
Ü b u n g e n
Schreiben Sie die Tiefenstrukturen folgender Sätze als Baumdiagramme, wobei Sie — wenn notwendig — von den Regeln (l), (9) und (20) aus diesem Kapitel Gebrauch machen sollten. (i)
Le ministre a refus4 le candidat
(ii)
Le savant qui a fecrit ce livre ne trouve pas de poste
(iii) Est-ce que ce livre parle de politique? 2)
Im Deutschen spielen diskontinuierliche Elemente eine bedeutendere Rolle als im Französischen. Suchen Sie Beispiele (anrufen) und versuchen Sie, sie in der Tiefenstruktur unterzubringen. Welche Transformationen sind notwendig, tun sie in der Oberflächenstruktur richtig zu verteilen?
3)
Schreiben Sie die Tiefenstrukturen für die Sätze (28) (ii) - (iv) als Baumdiagramme. Versuchen Sie die Transformationsregeln zu formulieren die man braucht, um die Oberflächenstrukturen abzuleiten. Schreiben Sie auch die Baumdiagramme der abgeleiteten Strukturen.
4)
Vergleichen Sie die Definitionen für die syntaktischen Funktionen mit denen in traditionellen Grammtiken Ihrer Wahl. In welcher Hinsicht reichen die traditionellen Definitionen nicht aus? (Geht die Handlung immer vom Oberflächensubjekt aus, hat das direkte Objekt in den romanischen Sprachen nie eine Präposition etc.?)
77 5)
Welche Transformationsregeln verändern die Baumdiagramme (±) in die Diagramme (ii)?
(ü)
(D(i)
A i A (ü)
(3)(i)
(ü)
Z
A
/ \
D
B
K
I
E F
I
L
(ü)
(M(i)
G
B
A
H
A
6) Gegeben sei folgende Grammatik: (i)
Z
(ii)
A
-
(iii) B (iv)
C
-
A + B + C
(v)
D
-
d
D + E
(vi)
E
-
e
b
(vii) F
F + G
(viii)G
x + y -
g
a) Welche terminale Kette generiert diese Grammtik? b ) Schreiben Sie die Ableitungsgeschichte dieser Kette. c) Ergänzen Sie die Grammatik um eine Regel, die ein rekursives Element (z) einführt.
78 7 a ) Versuchen S i e , d i e gemeinsame T i e f e n s t r u k t u r der S ä t z e ( i ) und ( i i ) a l s Baundiagramm zu s c h r e i b e n . Benutzen Sie dabei folgende Regel VP
-
Aux
fv
(NP)
(ppn
J^être + A d j J
b ) Welche Veränderungen müssen d i e T r a n s f o r m a t i o n s r e g e l n b e w i r k e n , damit d i e S ä t z e ( i ) und ( i i ) e r z e u g t werden können?
Î
i) ii)
4.5.2
Le c l i e n t Le c l i e n t
regrette regrette
B e g l e i t e n d e
l'argent l'argent
qui est perdu
perdu
L e k t ü r e
N i c o l a s Ruwet. I n t r o d u c t i o n à l a grammaire g ê n ê r a t i v e : S. 173 - 188, b i s A b s c h n i t t g ) . A c h t e n S i e b e s o n d e r s d a r a u f , wo d i e s e D a r s t e l l u n g von d e r i n diesem H e f t a b w e i c h t . Welchem V o r s c h l a g geben S i e den Vorzug? Warum? Johannes B e c h e r t u . a . E i n f ü h r u n g i n d i e g e n e r a t i v e T r a n s f o r m a t i o n s g r a m m a t i k : S. 109 - 116, f ü h r t eine Ableitung v o r . Maurice G r o s s . Remarques sur l a n o t i o n d ' o b j e t f r a n ç a i s , i n : Langue f r a n ç a i s e : f é v r i e r 1969 ( l ) , S . 63 - 73
d i r e c t en l a syntaxe,
79 5.
D I E IM
S Y N T A K T I S C H E R A H M E N
D E S
K O M P O N E N T E
G R A M M A T I K
-
M O D E L L S
5,1
D i e
S t a n d a r d t h e o r i e
(
ST
)
5.1.1 Der Aufbau des Grammatikmodells Wir fassen nun noch einmal zusammen, wie die syntaktische Komponente der Grammatik aufgebaut ist und zeigen dann, in welchem Zusammenhang sie zu den anderen Komponenten des Grammatikmodells von Chomsky steht. Der syntaktische Teil besteht aus zwei Subkomponenten, der Basis und dem Transformationsteil. Die Basis enthält eine kategoriale Teilkomponente, Subkategorisierungsregeln und ein Lexikon. Die kategoriale Teilkomponente, die Phrasenstruktur grammatik, besteht aus einer Reihe von kontextfreien Ersetzungsregeln (Expansionsregeln). Durch diese Regeln werden die syntaktischen Relationen definiert: die "ist ein"Relationen,ebenso die Relationen wie "Subjekt-von" zu "Prädikat-von". Die Regeln der PSG sind nur in dem Sinn "geordnet", dass eine Regel nur dann angewendet werden darf, wenn das zu expandierende Symbol (links vom Pfeil) durch eine andere Regel abgeleitet wurde, das heisst, dort rechts vom Pfeil steht. Man kann vermuten, dass die Basisregeln zu einem erheblichen Teil universell sind, das heisst, dass die Kategoriensymbole, die durch diesen Teil der Grammatik eingeführt werden, für alle Sprachen gleich sind, ebenso wie die durch die Regeln definierten Relationen. Sollte sich diese Annahme bestätigen, können die Basisregeln der Grammatiktheorie zugewiesen und aus den einzelsprachlichen Grammatiken herausgenommen werden. Vorläufig besitzen wir aber nicht genügend Kenntnisse, um eine solche Entscheidung fällen zu dürfen. Die Lexikonregel dagegen kann in dieser Weise behandelt werden. Das ist in einigen Arbeiten, auch in Einführungen in die generative Transformationsgrammtik, nicht beachtet worden, so dass dort in der Darstellung der Basis die Lexikonregel noch mit aufgeführt wird.
80 Eine wesentliche Eigenschaft der kategorialen Subkomponente ist, dass sie über die Möglichkeit verfügt, das Eingangssymbol S mit einer Expansionsregel einzuführen, wodurch praktisch das Baumdiagramm eines Satzes in das Baumdiagramm eines anderen Satzes eingebettet wird. Aus dieser Eigenschaft ergibt sich die infinite generative Kapazität der Grammatik. Das Lexikon besteht aus einer ungeordneten Menge von Lexikon-Einträgen,von denen jeder eine Menge von Merkmalen ist. Die Lexikon-Einträge werden vereinfacht, einmal, wie wir gesehen haben, durch bestimmte Konventionen, durch die es möglich wird, aus dem Vorhandensein eines Merkmals andere Merkmale vorauszusagen. Soweit diese Konventionen universell gelten, müssen sie in dem Lexikon einer bestimmten Sprache nicht ausdrücklich angegeben werden. Zum anderen gibt es neben den Konventionen auch Redundanz-Regeln, die sprachspezifisch sind und daher in der Grammatik einer Sprache enthalten sein müssen. Als Eingabe der Basis fungiert das Eingangssymbol S. Als Ausgabe produziert diese Subkomponente der Grammatik die Tiefenstrukturen, die ihrerseits wieder als Eingabe für die transformationeile Subkomponente dienen. Der Transformationsteil besteht aus einer Folge von Transformationen, die die Tiefenstrukturen auf Oberflächenstrukturen abbilden. Über Form- und Wirkungsweise der Transformationen muss nicht noch einmal gesprochen werden. Auch ihre zyklische Ordnung wurde schon ausreichend erklärt. Während die syntaktische Komponente nach diesem Modell als Satzgenerator fungiert, und damit mit generativer Kraft ausgestattet ist, sind die beiden anderen Komponenten als interpretative konzipiert. Sie werden auf die von der Syntax erzeugten Strukturen angewendet, und weisen ihnen phonologische beziehungsweise semantische Interpretationen zu, ohne selbst neue Informationen hinzuzufügen. Als Eingabe für die phonologische Komponente dient die Ausgabe der transformationeilen Subkomponente der Syntax, also die Oberflächenstruktur. Eine Folge von Regeln wirkt auf das eigegebene Baumdiagramm von unten her aufwärts, indem zunächst die Formative, dann die Konstituenten, deren Teile sie sind, dann die Konstituenten, in die diese einge bettet sind, und so fort immer grössere Strukturen interpretiert werden. Die phonologischen Regeln sind also, wie die Transformationsregeln, zyklisch angeordnet. Als Eingabe für die semantische Komponente dient die Ausgabe der Basis, das heisst, die Tiefenstruktur. Nach J. J. Katz, der bisher die am weitesten ausgearbeitete semantische Theorie vorgelegt hat, enthält die semantische Komponente ein Wörterbuch, das nicht mit dem Lexikon der syntaktisehen Komponente identisch ist. Diese Lösung bietet den Vorteil, dass das Lexikon nicht die gesamte semantische Information enthalten muss. Diese Zweiteilung ist anscheinend vielen Linguisten entgangen, sogar solchen, die sich auf Katz be-
81 rufen. Daher ist die Diskussion, zu dieser Frage noch, nicht weit gediehen. Ein Wörterbuch-Eintrag besteht nach Katz aus dem Lexikon-Eintrag und den verschiedenen Lesarten des Eintrags.1 Unter Lesarten versteht m a n eine Darstellung der verschiedenen möglichen Bedeutungen eines Wortes. (Denken Sie an unser Beispiel canard!) Sollte es sich als günstiger erweisen, die Trennung von Lexikon und Wörterbuch aufzugeben, so ist das ohne schwerwiegende Folgen für die Theorie möglich. Auf jeden Fall aber enthält die semantische Komponente eine Folge von Regeln, die sogenannten Projektionsregeln, die ähnlich wie die phonologischen Regeln von unten her aufwärts wirken. Skizze (l) zeigt in anschaulicher Weise den Aufbau dieses Grammatikmodells. Die Rechtecke symbolisieren die Komponenten und Subkomponenten der Grammatik, die übrigen Figuren symbolisieren die von ihnen entwickelten Strukturen. Das Modell wird gewöhnlich als "Standardtheorie" bezeichnet, bisweilen auch als CKP-Theorie (nach Chomsky, Katz und Postal, die es im wesentlichen entwickelt haben) oder auch als Chomsky-Katz-Theorie (da P. Postal inzwischen eine andere Konzeption vertritt.) 5.1.2 Gründe für diesen Aufbau der Grammatik Für diesen Aufbau der Grammatik lassen sich drei Klassen von Argumenten anführen. Die erste ist technischer Art. Es wird behauptet, dass dieses Vorgehen das ökonomischste ist. Da sowohl die semantische Komponente als auch der Transformationsteil nicht ohne Informationen über die syntaktischen Relationen arbeiten können, scheint es am günstigsten zu sein, eine Ebene anzunehmen (hier die Tiefenstruktur) , auf der beide aufbauen können. Dadurch erspart man es sich, zweimal Angaben über die Relationen machen zu müssen. Auf dieses Argument kommen wir noch einmal zurück, wenn in den nächsten Abschnitten Alternativlösungen gezeigt wurden. Die zweite Klasse von Argumenten geht davon aus, dass die Bedeutungsstrukturen sprachliche Universalien sind, das heisst, dass es sich um Vorstelltangen und Aussagen handelt, die in jeder Sprache ausgedrückt werden können. Die Lautstrukturen dagegen sind in höchstem Masse sprachspezifisch, wenn auch das phonetische Repertoire universell ist. Die Organisation der Grammtik, wie sie von der Standardtheorie vorgeschlagen wird, verfügt daher mit der Tiefenstruktur über eine Ebene, die Universelles mit Einzelsprachlichem verbindet. Dadurch werden interessante Aussagen über die menschliche Fähigkeit, zu sprechen, möglich gemacht. 1
Katz, Recent Issues, S. 144 und Xnterpretative vs. Generative, S. 239 f". Bedauerlich ist, dass der Übersetzer von Katz/Fodor dictionary sowohl mit "Lexikon" als auch mit "Wörterbuch" übersetzt. Die Unterscheidung fehlt zum Beispiel auch bei F. Hundsnurscher, Neuere Methoden der Semantik
82 Skizze (1)
Die dritte Gruppe nimmt diesen Gedanken auf. Seit Ferdinand de Saussure ist die Vorstellung vom "arbitraire du signe" zu einem Gemeinplatz der Sprachwissenschaft geworden. Man weiss, dass bestimmte Bedeutungen nicht notwendig mit bestimmten Lautsequenzen verbunden werden müssen. Selbst die lautmalenden Wörter, die gelegentlich gegen diese Annahme angeführt wurden, können nur als teilweise motiviert bezeichnet werden. Denn auch das "kikeriki" des Hahns und das "bim bam" der Glocken klingt in anderen Sprachen anders. Dieser nur indirekten Beziehung zwischen Lautstruktur und Bedeutungsstruktur wird das Modell der ST gerecht, indem diese Strukturen nicht direkt miteinander verbunden sind, sondern über die Tiefenstruktur nur mittelbar in Beziehung stehen. Die Frage, ob der Tiefenstruktur damit auch eine psychologische Realität zukommt, ist bisher noch nicht schlüssig beantwortet worden. Immerhin sprechen psycholinguistische Untersuchungen dafür, dass zumindest einige der Informationen der Tiefenstruktur — so die syntaktischen Relationen - auch als psychologische Gegebenheiten angesehen werden können. 5.2
D i e e r w e i t e r t e t h e o r i e ( E S T )
S t a n d a r d
-
Die Theorie der generativen Transformationsgrammtik wurde in ungewöhnlich kurzer Zeit entwickelt und weiterentwickelt Die Standardtheorie, die in den Jahren zwischen i960 und 1965 aufgebaut wurde, ist selbst eine in wesentlichen Punkten verbesserte Fassung eines Modells, das von Chomsky in den Jahren 1955 und 1957 vorgestellt worden war. In den ver gangenen Jahren, etwa seit 1967» wurden auch Kernpunkte der ST kritisiert, bis sich schliesslich eine alternative Konzeption abzuzeichnen begann, die, von einer generativen Semantik ausgehend, Oberflächenstrukturen generieren will. Chomsky verteidigte sein Modell, indem er es gewissen Veränderungen unterzog und es dann als erweiterte Fassung der Standardtheorie (EST) bezeichnete ( 1 9 6 8 ) . Zu den Problemen, die Chomsky dazu bewogen haben, seine erweiterte Standardtheorie vorzuschlagen, gehören vor allem diejenigen, die mit Focus und Präsupposition, Koreferenz und mit Reihenfolge und Wirkungsbereich von logischen Elementen zusammenhängen. Als Illustration zur Frage nach Focus und Präsupposition sollen die Beispiele in (1) dienen Mit "Focus" ist dabei der Teil des Satzes gemeint, auf den die Frage abzielt. Die "Präsupposition" hingegen wird vom Sprecher als bekannt vorausgesetzt oder geht davon aus, das er und der Angesprochene in der Präsupposition übereinstimmen. (I)(i) (ii)
Est-ce Alain qui t'a dit 9a? Non, c'est Renfe (qui me l'a dit).
8k (ili) Non, il l'a dit à René. (iv)
Est-ce à. toi qu'Alain a dit 9a?
Sowohl Satz (l)(i) als auch Satz (l)(iv) müssten nach der Standardtheorie von einer Tiefenstruktur abgeleitet werden, die etwa wie ( 2 ) aussieht (2)
Q + Alain + Tps + avoir + PartPass + dire + quelque chose + tu
In Focus und Präsupposition dagegen unterscheiden sich die beiden Fragen. (Der Focus ist jeweils unterstrichen). Die Präsuppositionen müssten etwa folgende Bedeutungen ausdrükken: für (1)(i) (3)
Quelqu'un a dit quelque chose à toi
und für (1)(iv) (4)
Alain a dit quelque chose à quelqu'un
Dementsprechend ist auch nur (ii) eine mögliche Antwort auf (l)(i), nicht (iii), und auf die Frage (iv) ist umgekehrt nur (iii) als Antwort denkbar. Man muss daraus den Schluss ziehen, dass Focus und Präsupposition mit die Bedeutung eines Satzes ausmachen. So wie die Standardtheorie vorging, sind sie aber Oberflächenerscheinungen, die keinen Einfluss auf die semantische Interpretation haben dürften. Das Problem der logischen Elemente soll mit einem Beispiel von Chomsky erklärt w e r d e n . 2 Es geht dabei um die Negation land um Quantifikatoren. (5)(i)
Not many arrows hit the target
(ii) Many arrows dit not hit the target Nach der Standardtheorie müsste den beiden Sätzen eine gemeinsame Tiefenstruktur zugewiesen werden, die etwa wie (6) aussehen würde (6)
not (many arrows hit the target)
(5)(i) und (ii) haben jedoch unterschiedliche Bedeutungen, die daraus resultieren, dass in (i) die ganze Aussage negiert wird, etwa wie in (6), während in (ii) die Verbalphrase negiert wird. Auch hier also entscheiden Faktoren der Oberflächenstruktur mit über die semantische Interpretation. Im Französischen können die Beispiele nicht direkt übernommen werden, da eine Verbindung von *pas beaucoup durch peu ersetzt werden muss. Man kann aber Ähnliches erreichen, indem man einen anderen Quantifikator einsetzt: 2
Die Beispiele stammen aus Chomsky, Deep Structure,... sind aber zuerst von Jackendorf benutzt worden
85 (7)(i) Un seul étudiant n'a pas été arrêté par la police (ii) Pas ion seul étudiant n'a été arrêté par la police Aus solchen und ähnlichen Erwägungen hat Chomsky die Standardtheorie dahingehend "erweitert", dass nicht nur die Tiefenstruktur über die semantische Interpretation entscheidet, sondern in einigen Fällen auch die Oberflächenstruktur. Obwohl die Bedeutung der Tiefenstruktur für die Definition der syntaktischen Relationen und ähnliches dadurch nicht eingeschränkt wird, kann die Bezeichnung "erweiterte" ST nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Modell ein zentraler Stelle verändert wurde. Bisher sind auch noch nicht viele Linguisten Chomsky auf diesem Weg gefolgt, und wenn man anderen glauben kann, war die Entscheidung Chomskys insofern voreilig, als die ST eventuell auch mit weniger substantiellen Veränderungen gerettet werden k a n n . 3 Einige Argumente sprechen dafür, nicht die Oberflächenstruktur als zweite Informationsquelle der semantischen Komponente zu benutzen, sondern eine Struktur nahe der Oberfläche, die Postal " s h a l l o w s t r u c t u r e " genannt hat. Viel mehr als ein Name ist die shallow structure bisher jedoch nicht. Chomsky verwendet den Begriff so, dass darunter die Struktur zu verstehen ist, die vor der Anwendung des letzten Transformationszyklus liegt. Es ist noch nicht abzusehen, ob sich die Annahme dieser Struktur als notwendig erweisen wird; zumindest ist es sehr zweifelhaft. (Es fällt sehr schwer, an dieser Stelle keinen der zahlreichen möglichen Kalauer einzufügen, die sich durch die deutsche Übersetzung von shallow als "seicht, untief, flach" geradezu aufdrängen). 5.3
Die
g e n e r a t i v e
S e m a n t i k
5.3«1
Der Aufbau des Grammatikmodells
(GS)
Durch ähnliche Überlegungen keimen etndere Linguisten dazu, ein alternatives Modell zur Stcindardtheorie auszuarbeiten. Es waren vor allem George Lakoff, James D. McCawley und Paul M. Postal, die dieses Gegenmodell entwickelten, und dadurch auch Chomsky veranlassten, die EST als verbesserte Fassung der Chomsky-Katz-Postal-Theorie vorzulegen. Charles J.fc'Fillmorewird im nächsten Abschnitt etwas ausführlicher vorgestellt werden. Die Kritik berührt nicht die Feststellung, dass eine Darstellving der Oberflächenstruktur nicht ausreicht, sondern dass eine Greimmatik Transformationen haben muss, um von einer zugrundeliegenden Struktur aus die Oberflächenstruktur abzuleiten. Die Kritiker sind also ebenfalls Treinsformationalisten, die den taxonomischen Strukturalismus als un3
Dazu Katz, Semantic Theory,und Kuroda, Greunmatical Transformations ...
86 zureichend erkannt haben. Ihre Kritik gilt vor allem dem Konzept der Tiefenstruktur in der Standardtheorie. Die wichtigsten Punkte sind: 1)
Die Basis der Grammatik, der Teil also, der die Eingabe für die transformationelle Teilkomponente liefert, ist semantisch. Daher wird diese Theorie gewöhnlich als die "generative Semantik" bezeichnet, was heissen soll, dass die semantische Komponente im Gegensatz zur ST nicht als interpretativ konzipiert ist.
2)
Die Trennung in Syntax und Semantik kann in der bisher üblichen Weise nicht aufrecht erhalten werden. So sind zum Beispiel alle Selektionsbeschränkungen im Grunde nicht syntaktischer, sondern semantischer Natur.
3)
Die lexikalischen Elemente werden nicht, wie in der Standardtheorie, alle an der gleichen Stelle eingesetzt (Tiefenstruktur), sondern müssen je nach Erfordernissen an verschiedenen Stellen der Ableitung eingesetzt werden; einige vor den Transformationen, andere nachdem einige Transformationen schon gewirkt haben.
4)
Der formale Apparat in Syntax und Semantik soll der gleiche sein, das heisst, immer von geordneten Baumdiagrammen Gebrauch machen. Ausserdem sollen die Elemente die gleichen sein: N , NP, V etc.
Die Skizze ( 2 ) soll zeigen, wie man sich etwa den Aufbau der Grammatik nach der Theorie der "Generativen Semantik" vorzustellen hat. Basis und generative Komponente ist die Semantik, die sofort die Bedeutungsstrukturen erzeugt. Die konkreten einzelsprachlichen lexikalischen Formative können an dieser Stelle eingesetzt werden, sie können aber auch dann noch hinzukommen, wenn die Struktur schon einen Teil der Transformationen durchlaufen hat. Das wird angezeigt durch die Pfeile, die zwischen Lexikon und Transformationsteil in beide Richtungen gehen. Im restlichen Teil unterscheidet sich das Modell nicht von der Standardtheorie: die phonologische Komponente erhält die Oberflächenstrukturen als Eingabe und produziert die Lautstrukturen. 5.3.2
Ist die "Generative Semantik" eine echte Alternative zur Standardtheorie? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich mit einer^wissenschaftlichen Theorie kritisch auseinanderzusetzen. Auf die Linguistik angewandt könnte man sagen: 1) 2) 4
Man legt eine beschreibungs- und erklärungsadäquatere Theorie vor. Man zeigt, dass sich in der kritisierten Theorie Lücken oder Fehler im logischen Aufbau nachweisen lassen. Nach: W. Abraham und R . I. Binnick, S. 2
87 Skizze
(2)
88 3)
Man zeigt, dass es sprachliche Erscheinungen gibt, die mit der kritisierten Theorie nicht befriedigend oder überhaupt nicht erklärt werden können.
Die Kritik der "Generativen Semantik" hat fast ausschliesslich von der dritten Möglichkeit Gebrauch gemacht. Dadurch ist der Vergleich erschwert, denn es liegt kein Gegenmodell vor, das annähernd so weit ausgearbeitet wäre, wie die Standardtheorie. Allerdings ist auch der kurze Zeitraum zu bedenken, der dafür zur Verfügung stand. Die Verteidiger der ST brauchten nur ihr Modell so zu verändern, dass den bislang nicht erklärbaren Erscheinungen Rechnung getragen wird. Das ist im Übrigen ein übliches Verfahren bei der Entwicklung wissenschaftlicher Theorien: man baut, durch empirische Untersuchungen abgestützt, eine Theorie auf, die an den weiteren Beobachtungen des Materials gemessen und gegebenenfalls verbessert wird. Die theoretischen Veränderungen, die von der GS vorgeschlagen wurden, sind von den Verteidigern der ST mit dem Hinweis abgelehnt worden, dass das angeblich neue Modell nur eine notationeile Variante des alten sei, ein neuer Name für die alte Sache. Diese Diskussion wird hier nicht wiederholt und nicht entschieden werden. Mir scheint jedoch, dass bisher nicht gezeigt werden konnte, dass die "Generative Semantik" Strukturen erklären könnte, die in der interpretativen Semantik nicht zu erfassen wären. In bezug auf den Aufbau der Theorie kann ich auch kein Argument sehen, das für die "Generative Semantik" spräche, wenn auch einige wichtige Einwände gegen die Standardtheorie sprechen, beziehungsweise gegen Einzelheiten aus diesem Modell. J. J. Katz hat in seinem Aufsatz "Interpretative Semantic vs. Generative Semantics", wie ich meine, schlüssig nachgewiesen, dass eine Alternative nur dann vorliegt, wenn folgende Forderung an eine semantische Komponente umgangen werden könnte;5 " ( 3 0 ) The association of semantic representations with meaningful sentences and with meaningful constituents of them is determined in part, by syntactic Information about the constituents of sentences, their grammatical relations, and their distributional characteristics. " Andererseits verhält es sich wohl nicht so, wie Chomsky und besonders Katz in ihren Aufsätzen aus den Jahren 1 9 6 7 - 7 1 behaupten, dass nämlich alle Veränderungen der ursprünglichen Theorie, die sie akzeptiert haben, nur unwesentlich seien und dass diese Variante immer schon impliziert gewesen sex. Wieder einmal erlaubt der Rahmen nur, dass diese Fragen angerissen werden. Als Antwort muss das sehr laue und zudem noch unbegründete "einerseits - andererseits" genügen. Doch 5
Katz, Interpretative vs Generative, S. 241. Für eine ausführliche Diskussion sei auf diesen Artikel verwiesen.
89 selbst wenn mehr Platz zur Verfügtang stünde, wäre beim augenblicklichen Stand der Diskussion keine bindende Antwort möglich. Diese Unsicherheit soll jedoch nicht verwirren auch nicht den Anfänger - sondern zeigen, dass hier eine Diskussion geführt wird, die verspricht, unsere Wissenschaft ein Stück weiterzubringen. Es ist nicht einzusehen, warum die Entscheidung für die eine oder andere Theorie so getroffen werden sollte, als hinge davon die Existenz der Beteiligten ab. Gelegentlich wird die Diskussion jedoch in einer Weise geführt, die nur noch durch Tätlichkeiten gesteigert werden könnte. Verbalinjurien sind bereits ausgetauscht worden, Dem sich wundernden Betrachter zum Trost: vielleicht zeugt auch dies von der Vitalität der Wissenschaft! 5.4
D i e K a s u s g r a m m a t i k ( c a s e g r a m m a r )
Eine etwas eigenartige Position zwischen den beiden konkurrierenden Modellen nimmt die sogenannte Kasusgrammatik ein. Sie wurde vor allem von Ch. J. Fillmore entwickelt, der sich dabei auf den französischen Sprachwissenschaftler Lucien TesniSre beruft, Die grundlegende These besagt, dass die Funktionen "Subjekt", "direktes Objekt" etc. nur in der Oberflächenstruktur eine Rolle spielen, und dass man an ihrer Stelle in der Tiefenstruktur die Kasusrelationen erfassen muss, "Kasus" ist dabei etwas anders zu verstehen, als man es aus den meisten traditionellen Grammatiken kennt. Kasusendungen etc. sind selbst nur oberflächliche Manifestationen der zugrundeliegenden Kasusrelationen. Diese sind syntakto-semantisch definiert und betreffen Nominalphrasen und deren Verhältnis zum Verb des Satzes. In der Tiefenstruktur besteht der Satz aus zwei Konstituenten (8)
Satz
-+ Modalität + Proposition
Die Proposition - nur sie interessiert in diesem Zusammenhang — besteht aus einem Verb und mindestens einer Nominalphrase, die in einer bestimmten Kasusrelation zu dem Verb steht, bzw. stehen. Bisher wurden von Fillmore acht- solcher Kasusrelationen definiert. Agent (A):
belebter Handlungsträger
Experiencer (E)sbelebtes Wesen, durch die Handlung des Verbs affiziert Instrument (i)s unmittelbar beteiligte Kraft oder Stimulus der Handlung Object (0):
neutrale Kasusrelation, gewöhnlich von der Handlung affiziert, unbelebt und oft Teil der semantischen Interpretation des Verbs
90 Source ( s ) :
Ausgangspunkt der Handlung
Goal (G)s
Zielpunkt der Handlung
Place (p):
Ort der Handlung
Time (T):
Zeit der Handlung
Die Definitionen können nicht als endgültig gelten. In einzelnen Fällen werden sie sicher noch korrigiert werden müssen. "Handlung" ist zudem nicht wörtlich zu nehmen; es kann ebensogut ein Zustand oder eine abstrakte Tätigkeit gemeint sein. Es ist offensichtlich, dass diese Relationen nicht mehr rein syntaktisch oder rein semantisch zu verstehen sind. Fillmore geht davon aus, dass beide Ebenen nicht eindeutig voneinander zu trennen sind. Solche Angaben werden zur Subkategorisierung der Verben verwendet, indem man Verbklassen je nach ihrem Kasusrahmen aufstellt. Dabei werden die Relationen als Merkmale geschrieben, (9)(i) (ii)
La porte s'ouvre
f
Jean ouvre la porte
(iii) Le vent ouvre la porte
Ol 0 + A]
f
0 + i]
(iv)
Jean ouvre la porte avec une clef f
0 + X + A]
(v)
ouvrir
0
+[
(x)(a)]
In ( 9 ) ( v ) sind die verschiedenen Möglichkeiten zusammengefasst. ouvir muss mit dem Objectivus stehen, Agentivus und Instrumentalis sind fakultativ. Das Beispiel zeigt weiter, dass alle drei Nominalphrasen in der Oberflächenstruktur als Subjekt erscheinen können. Die Kasus sind hierarchisch geordnet - in der Reihenfolge, wie sie hier aufgeführt wurden - der höchste Kasus rückt in die Subjektsposition. Verben, die gegen diese Generalisierung Verstössen, erhalten ein syntaktisches Merkmal. Eine ähnliche Regelung gilt für die beteiligten Präpositionen: bestimmte Kasus verlangen bestimmte Präpositionen; der Instrumentalis zum Beispiel avec. Wird gegen diese Regel Verstössen, muss es ebenfalls durch ein Merkmal angezeigt werden. Somit erhalten die Verben ausser den Merkmalen, die den Kasusrahmen angeben, drei weitere Arten von Merkmalen, die bestimmte Transformationen auslösen: a) bei der Wahl von Subjekt, direktes Objekt etc. in der Oberflächenstruktur. b)
bei der Wahl der Präpositionen.
c)
andere syntaktische Eigenschaften, wie zum Beispiel die Art der möglichen Ergänzung (mit S etc.).
Die als merkwürdig bezeichnete Zwischenposition der Kasusgrammatik rührt daher, dass sie sowohl mit der Standardtheo-
91 rie als auch, mit der Generativen Semantik verbunden werden kann. Zunächst wird hier nur eine abstraktere Tiefenstruktur vorgeschlagen, als das in der ST üblich ist. Zudem werden aber auch explizit semantische Kriterien in die Basis eingeführt. Fillmore hat selbst keine Entscheidung g e T troffen. In seiner Arbeit "Some Problems for Case Grammar" lasst er jedoch Neigungen zur Generativen Semantik erkennen. Die Kasusgrammtik hat vor allem in der Bundesrepublik zahlreiche Anhänger. Das liegt wohl nicht zuletzt daran, dass sie sich am ehesten in die europäische und besonders auch in die deutsche Tradition der Sprachwissenschaft einreihen lässt, wovon auch die Popularität der Dependenzgrammatik zeugt."
5.5
S c h l u s s b e m e r k u n g e n e r s t e n T e i l
z u m
Mit dieser Darstellung des Standardmodells der generativen Transformationsgrammatik und mit einem kurzen Seitenblicjc auf die konkurrierenden Modelle innerhalb der Theorie der generativen Grammatik, schliesst der erste Teil der Einführung. Viele Einzelheiten mussten unberücksichtigt bleiben. Eine ganze Reihe von Problemen konnte überhaupt nur beschrieben und nicht erklärt werden. Diese Beschränkung war notwendig, um die Voraussetzungen für eine detailliertere Analyse der französischen Syntax zu schaffen. Es kann keine Alternative sein, die problematischen Punkte ganz zu unterschlagen, da dies den Eindruck einer in allen Einzelheiten abgesicherten Theorie ergeben würde. In diesem Fall brauchte eine Einführung nur als Gebrauchsanweisung geschrieben werden, wobei alle Probleme durch Bedienungsanleitungen ausgeräumt werden könnten. Eine solche Haltung gegenüber der Linguistik ist keineswegs ungewöhnlich. Sie diskreditiert jedoch die Bemühungen der letzten Jahre, ausserhalb sprachwissenschaftlicher Seminare Interesse für die Fragen der modernen Sprachwissenschaft zu erwecken. Denn ein rein technischer Ansatz ist untauglich, wenn es zum Beispiel darum geht, sprachliche Probleme im Schulunterricht zu behandeln. So haben sich die Interessierten eine "Reflexion über Sprache" sicher nicht vorgestellt. Wir haben schon im ersten Kapitel versucht, zu zeigen, dass die Analyse syntaktischer Probleme nicht Selbstzweck sein kann. Sie muss Einsichten bieten, die über diesen Ausschnitt hinausgehen. Das setzt wiederum voraus, dass die Position der Syntax im Rahmen des Gesamtmodells abgesteckt ist. Schliesslich haben Fragen der Organisation der Grammatik, wie die nach der Interdependenz von Syntax und Semantik, Konsequenzen für unsere Konzeption vom eigentlichen Gegen6
Siehe dazu: G. Heibig, Der Begriff der Valenz...
92 stand der Sprachwissenschaft, der menschlichen Sprachfähigkeit. Wie wichtig die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist, wird durch die Kontroversen um die Theorien des amerikanischen Psychologen B. F. Skinner und des französischen Nobelpreisträgers Jacques Monod illustriert, deren Bücher Plätze in den internationalen Bestsellerlisten einnehmen.7 Allerdings ist die Gefahr, dass wissenschaftliche Untersuchungen in vulgärphilosophischen Spekulationen enden, anscheined besonders gross, wenn die "angeborenen Fähigkeiten" zur Diskussion stehen. Daher gilt es zu vermeiden, dass die Linguistik zum Philosophieersatz wird, was nicht weniger fatal wäre, als eine Konzeption, die nur technische Fragestellungen zulässt. Überlegungen dieser Art scheinen mir die Entscheidung zu rechtfertigen, dass Probleme, die über den Bereich der Syntax hinausgehen, zumindest erwähnt werden müssen, auch wenn dadurch der ohnehin knapp bemessene Raum noch enger wurde. Präzisere Aussagen über die syntaktische Struktur des Französischen folgen im zweiten Teil der Einführung. Die Gliederung in einen mehr theoretischen und einen mehr praktischen Teil ist jedoch nicht zu rigoros zu verstehen. So wie dieser erste Teil schon Aussagen über die Struktur der französischen Sprache beinhaltet, so haben auch die Diskussionen einzelner syntaktischer Probleme im zweiten Teil Konsequenzen für die Grammatiktheorie. 5.6
B e g l e i t e n d e
L e k t ü r e
Dieter Wunderlich. Syntax und Semantik in der Transformationsgrammatik. Der Aufsatz ist nicht sehr leicht zu lesen, er gibt jedoch einen guten Einblick in die mit diesem Thema verbundenen Probleme Johannes Bechert. u.a.. Einführung in die generative Transformationsgrammatik: S. 179 - 188. Dieser Abschnitt gibt einen raschen Überblick über die Entwicklung der Theorie vom 1957 bis 1965 S.-Y. Kuroda. Grammatical Transformations and Meaning. Bis zum Erscheinen dieser Einführung wird Kurodas Artikel auf Französisch vorliegen ("Transformations grammaticales et la signification"). Die Lektüre ist unbedingt anzuraten. Einmal enthält er eine kurze Gegenüberstellung der konkurrierenden Modelle, zum anderen zeigt er, in welcher Weise die Standardtheorie verbessert werden kann, ohne so weit zu gehen, wie die EST. Da diese Literaturangaben gründliche Lektüre verlangen, kann in diesem Kapitel auf Übungen verzichtet werden. Besonders die Aufsätze von Kuroda und Wunderlich, wenn sie mit Verständnis gelesen werden, erfüllen den gleichen Zweck wie die Übungen der vorangegangenen Kapitel, 7
B. F. Skinner, Beyond Freedom and Dignity J. Monod, Le hasard et la nécessité
93 6.
L Ö S U N G E N
6.1
E r s t e s
6a) (i) (ii)
ZU
D E N
Ü B U N G E N
K a p i t e l
falscher Gebrauch des Subjonctif das Adjektiv muss vor dem Nomen stehen
(iii) falsche Verbform: .je viendrai (iv)
keine korrekte Wortstellving
Wenn Sie diese Aufgabe noch einmal durchsehen, nachdem Sie das vierte Kapitel durchgearbeitet haben, werden Sie verstehen, dass in (i)
eine Transformationsregel angewendet wurde, obwohl die Voraussetzungen nicht erfüllt waren
(ii)
eine für dieses Adjektiv obligatorische Transformation nicht ausgeführt wurde
(iii) die Regelverletzung nicht syntaktischer Natur ist (sie liegt im Bereich der morphophonologisehen Regeln) (iv)
Verschiebungen stattgefunden haben, für die es gar keine Transformationsregeln gibt. Der Regelverstoss kann demnach schon in der PSG gesucht werden.
b ) Li und un sind Artikel, grun und vant sind Nomina, a pardS ist ein Verbalkomplex. Im Präsens lautet (v) Li grün parde un vant c) Laut strukturen wie prdat und llant gibt es im Französischen nicht. Im Anlaut sind weder prd noch 11. möglich. 7)
(i)
bezieht sich nur auf das Französische, da eine Aussage über französische Wörter gemacht wird
(ii)
beansprucht universelle Gültigkeit
(iii) beansprucht ebenfalls universelle Gültigkeit
94 8)
Der situative Kontext erlaubt eine Äusserung wie (i) Psychologische Faktoren machen eine Äusserung wie (ii) unakzeptabel; bei mündlicher Kommunikation kann die Konstruktion kaum mehr dekodiert werden.
7)
Terminale Ketten: (2), ( 3 ) , (6), (9) Nicht-terminale Kettens (l), (5), (10) ungrammatische Kettens (4), ( 7 ) , (8)
8)a) V, NP 2 , PP, Det 2 , N,,, Prep, NP 3 , Art,,, N 3 b) V, NP 2 , PP c) Prep, NP 3> N 3 d) Prep, NP^ e) N 3 f) N 3 6.3 6a) b)
D r i t t e s
K a p i t e l
tan livre, un âne, un collègue, un banc, le sable [-abs]
95 7)
(l) François, Claudine,... (2) chien, âne,... (3) le sable, le lait,... (4) l'idée, le mensonge,... (5)
8)
le fils, l'ami,...
( 2 ) , (4) und ( 5 ) können eingesetzt werden, da ihre Merkmalmengen nicht distinkt sind von der in (i)
6.4
V i e r t e s
5)0)
(2)
(3)
O)
SB
X 1
A 2
B 3
C 4
Y 5
SV
1
0
3
4+2
5
SB
X 1
F 2
G 3
Y 4
SV
1
2
3+K
4
SB
X 1
A 2
B 3
C 4
Y 5
SV
1
2
3
K
5
SB
X 1
D 2
E 3
F 4
Y 5
SV
1
2
3
0
5
6)a) b)
K a p i t e l
Permutation
==>
Adjunktion
Substitution
Tilgung
d + e + b + x + y + g z Z
(gegeben)
A + B + C
(D
D + E + B + C D + E + b + C
(ü) (iii)
D + E + b + F + G
(iv)
d + E + b + F + G
(v)
d + e + b + F + G
(vi)
d + e + b + X + y + G
(vii)
d + e + b + X + y + g
(viii)
96 c)
Y -* Z, wobei Y eins der nicht-terminalen Symbole ist, ( A bis G)
b)
Durch eine Transformation (Relativsatztransformation) wird aus der Endkette des P-Markers in a) folgende Kette erzeugt (bzw. der entsprechende P-Marker) le Tps
Client être
Tps perdu
regretter
le
argent
qui
Durch eine zweite Transformation, die qui Tps être (Réduction de la proposition relative) tilgt, wird dann le
client
Tps
regretter
le
argent
perdu
97 7.
L I T E R A T U R V E R Z E I C H N I S
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