Einführung in die Religionsdidaktik: Mit Tipps für einen gelingenden Religionsunterricht 3766845802, 9783766845801

Das Buch bietet eine umfassende und praxisnahe Einführung in den Religionsunterricht.Die Besonderheiten des Faches, sein

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German Pages 389 Year 2023

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Einführung in die Religionsdidaktik: Mit Tipps für einen gelingenden Religionsunterricht
 3766845802, 9783766845801

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Wilhelm Schwendemann / Katrin Hagen / Jürgen Rausch / Andrea Ziegler Einführung in die Religionsdidaktik

Wilhelm Schwendemann / Katrin Hagen / Jürgen Rausch / Andrea Ziegler

Einführung in die Religionsdidaktik Mitwirkende: Franziska Grausam, Lea Hirschbach, Sven Howoldt, Juliane Klopstein, Sarah Krebs, Henrike Stahlhut und Doreen Wössner

Bestandteil dieses Buches sind Formblätter und das eBook zum Download. Download unter: (bitte Groß- und Kleinschreibung beachten) http://www.calwer.com/cwv/download/einfuehrung_in_die_Religionsdidaktik Code: rd4580WS23

Calwer Verlag Stuttgart

Bemerkung zum Gendern: Im vorliegenden Buch werden verschiedene Formen des Genderns genutzt: ausgeschriebene Formen der Genderdifferenz, neutrale Begriffe als Genderformen oder die neue Schreibweise mit Doppelpunkt, z.B. Schüler:innen.

eBook (pdf): ISBN 978–3–7668–4551–1 2. überarbeitete, korrigierte und erweiterte Auflage 2023 © 2020 by Calwer Verlag GmbH Bücher und Medien, Stuttgart – Alle Inhalte, insbesondere Texte, Fotografien und Grafiken sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe, Kopieren und Bearbeiten der Datei, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlags. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://www.dnb.de abrufbar. ISBN 978–3–7668–4580–1 2. überarbeitete, korrigierte und erweiterte Auflage 2023 © 2020 by Calwer Verlag GmbH Bücher und Medien, Stuttgart Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Verlage. Umschlaggestaltung: Karin Sauerbier, Stuttgart Druck und Verarbeitung: Mazowieckie Centrum Poligrafii – 05-270 Marki (Polen) – ul. Słoneczna 3C – www.buecherdrucken24.de Internet: www.calwer.com E-mail: [email protected]

Inhalt Vorüberlegungen....................................................................

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Teil 1: Didaktische Grundlagen 1 Religionsunterricht in der Schule..................................... 17 2 Rollen, Rollenverständnis, Beziehungen�������������������������� 37 3 Bildungsplan�������������������������������������������������������������������� 56 4 Kompetenzen und Niveaukonkretisierung���������������������� 74 5 Präventive Kompetenzen erwerben................................. 97 6 Unterricht������������������������������������������������������������������������ 129 7 In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung.................. 143 8 Die Lehrprobe����������������������������������������������������������������� 160 9 Reformatorisch-protestantische Grundzüge der Bildung....................................................................... 169 10 Reflexionsaufgaben zu den einzelnen Kapiteln��������������� 184 11 Religionspädagogische Schlüsselbegriffe������������������������ 186 12 Anhänge zur Dokumentation im Schulpraktikum������������ 197 Teil 2: Methoden Hinführung............................................................................ 207 1 Kommunikation in der Schule............................................209 2 Erzählen im Religionsunterricht........................................ 216 3 Singen und Basteln im Religionsunterricht........................243 4 Spielen im Religionsunterricht.......................................... 259 5 Theaterspiel im Religionsunterricht��������������������������������� 281 6 Bilddidaktik....................................................................... 284 7 Kirchenraumpädagogik�����������������������������������������������������288 8 Stationen/Stationenlernen���������������������������������������������� 303

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9 Fotografieren und Filmen im Religionsunterricht������������� 306 10 Rituale............................................................................. 328 Literatur������������������������������������������������������������������������������� 343

Bestandteil dieses Buches sind Formblätter und das eBook zum Download. Download unter: (bitte Groß- und Kleinschreibung beachten) http://www.calwer.com/cwv/download/einfuehrung_in_die_Religionsdidaktik Code: rd4580WS23

Vorüberlegung Die Übungen zur schulpädagogischen Einführung in die Religionsdidaktik sind der zentrale Ort der Studierenden in einem Studiengang Religionspädagogik/Gemeindediakonie. Entwickelt wurde das Grundcurriculum Schulpädagogik/Religionsdidaktik an der Evangelischen Hochschule Freiburg als praktisches und auf den Unterricht hin orientiertes Begleitmaterial und für den Kompetenzerwerb im Bereich schulischen Religionsunterrichts und des Unterrichtens selbst. Die Inhalte der religionspädagogischen Zielbestimmungen in der Schule und die Begegnung mit der Botschaft des Evangeliums finden ihren Ort überwiegend im Religionsunterricht. Der Lernort Schule zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus: Zu nennen sind u.a. zum Beispiel die allgemeine Schulpflicht und Nichtfreiwilligkeit des Lernens, die alle Kinder und Jugendlichen zwischen 6 (Vollschulpflicht) und 18 (Teilschulpflicht) Jahren umfassen, oder die multikulturelle Zusammensetzung der Schulklassen in Bezug auf soziale Milieus, Herkunft, Nationalität, Religionszugehörigkeit usw. Dabei wird recht schnell deutlich, dass die Schule eine sehr komplexe und nicht eindeutige Institution darstellt, die sich in Funktion und Zielsetzung von anderen Institutionen des Bildungsbereichs unterscheidet. In einer Gesellschaft, in der aber das Unentschiedene und Ambivalente und auch die Pluralität der Lebensverhältnisse und des Sozialen zum Normalfall geworden sind, kommt es entscheidend darauf an, dass die Schule als größte gesellschaftliche Bildungsinstitution sich im Dienst einer Einwanderungs- und Migrationsgesellschaft stehend begreift und umfassend interkulturell und auch interreligiös bildet. Zu den Bildungsaufgaben der Schule gehört auch die Prävention gegen Fremdenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus (vgl. Bauman 2016; Schwendemann in ZfBeg 2018/2 und in ZfBeg 2022/1). Schulklassen sind künstliche und mehr oder weniger zufällig zusammengesetzte Gruppen, die von Lehrenden nach bestimmten Kriterien, wie z.B. Lerntempo, Lernvoraussetzungen, Lernergebnis usw., unterschieden werden, wobei professionelle Theorien im Hintergrund wirken und eine wechselseitige Abhängigkeit von Beobachtung und Beobachtetem zulassen. Die Wahrnehmung der Wirklichkeit eines Lernprozesses in einer Schulklasse unterliegt dabei konstruktivistischen Modellen. Die Konstruktionen von Wirklichkeit, also auch das, was als religiös oder nichtreligiös, christlich oder nichtchristlich gilt, ist nicht individuelle Einzelleistung eines Lehrenden, sondern bedient sich bestimmter tradierter Wissensinhalte oder kultureller Codes, die bestimmte Deutungen der Situation zulassen oder verhindern (vgl. zu den Konstruktionen von Wirklichkeit vor allem auch mit ihrer Kritik an Georg Auernheimer (Isabell

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Diehm & Frank-Olaf Radtke 1999, S. 38ff; Auernheimer 1990; 1996; 2003; 2011; 2012; 2013) und auch rassismussensibel beobachtet werden müssen (vgl. Simon & Fereidooni 2018, S. 17–30). So ist die Deutung einer Klasse als religiös einheitliche oder als multireligiöse Klasse eine Konstruktion der Wahrnehmung. Auch die Aussage, dass eine Klasse Probleme bereiten könnte, weil zu viele Lernende mit heterogenen und diversen Lebensumständen in ihr vorhanden sind, ist eine Konstruktion von Wirklichkeit, die seitens des/der Lehrenden eine bestimmte Wahrnehmung und Wertung der Wahrnehmung voraussetzt. Lernende sind in gleichem Maß wie die Lehrenden dieser uneindeutigen, aber konstruier­ten Lernsituation ausgesetzt und müssen die Fähigkeit erwerben, diese Konstrukte von Schulwirklichkeit zu hinterfragen, Gemeinsamkeiten zu entdecken und die Unterschiede zu benennen. In einem elementaren Sinn geht es hierbei um einen sozialen Lernprozess, dessen Kern aber nicht die Festlegung auf Fremdes, sondern die Entdeckung der Gemeinsamkeiten zwischen den Lernenden und die reflektierte Distanz zu den jeweiligen Konstruktionen ist. Lernende werden also nicht auf ihre religiösen, sozialen und kulturellen Herkunftmilieus festgelegt (nach dem Motto: Du bist doch Christ:in oder Muslim:a, also musst du dich auch so verhalten), sondern lernen sich als Mitglieder einer bestimmten Lerngruppe oder Klasse zu verstehen. Das Gemeinsame, das entsteht, ist der Lernprozess in dieser Lerngruppe. In einer demokratischen und pluralen Gesellschaft ist deshalb die Schule in einzigartiger Weise ausgezeichnet, den Umgang mit „Fremdheit“ oder „Andersheit“ kreativ zu vermitteln, nicht auf religiöse, kulturelle oder individuelle Eigenarten festzulegen (gegen den Modus des „Othering“)1 und das Gemeinwesen mit 1 Der Begriff Othering (von engl. other = „andersartig“ mit der Endung -ing“, um das Substantiv bzw. Adjektiv zu einem handelnden Verb zu machen) beschreibt den Gebrauch von und die Distanzierung oder Differenzierung zu anderen Gruppen, um seine eigene ‚Normalität’ zu bestätigen. Im Deutschen könnte man es transitiv mit „jemanden anders(artig) machen“ bzw. „Veranderung“ übersetzen. Der Begriff wurde ursprünglich von Gayatri Spivak geprägt für den Prozess, durch den der imperiale Diskurs die Anderen bzw. „das im Machtdiskurs ausgeschlossene Andere“ kreierte (Spivak 1985). Othering beschreibt den Prozess, sich selbst bzw. sein soziales Image positiv hervorzuheben, indem man einen anderen bzw. etwas anderes negativ brandmarkt und als andersartig, das heißt ‚fremd’ klassifiziert, sei es wegen der Rasse, der geographischen Lage, der Ethik, der Umwelt oder der Ideologie. In dieser Differenzierung liegt potenzielles hierarchisches und stereotypisches Denken, um seine eigene Position zu verbessern und als richtig darzustellen. Othering ist somit ein Akt, sich mit anderen zu vergleichen und zur gleichen Zeit sich von ihnen zu distanzieren, wobei man meint, dass Menschen und Gesellschaften, deren Leben und historische Erfahrungen von den eigenen abweichen, sich von den eigenen unterscheiden (was wahr ist) und nicht verständlich oder minderwertig sind (was nicht wahr ist). Man befürchtet außerdem, dass sich fremde Einflüsse auf die eigene Kultur ausweiten und sie damit bedrohen könnten.“ http://kulturglossar.de/html/o-begriffe.html#othering.



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seinen Aufgaben zu stärken, indem die Individuen gebildet werden und sich selbst bilden. Schule ist aber nicht nur ein multikultureller Lernort, sondern auch ein religiöser Lernort, denn es gibt keine Schule, in der Religion nicht in irgendeiner Spielart auftritt, da Religion zum Modell der kulturellen und gesellschaftlichen Pluralität dazugehört. Heterogenität und Pluralismus der Klassen sind Normalfall und nicht exotisch. Aber ist die Schule wirklich auch ein Ort religiösen Lernens, wie man das gemeinhin zum Beispiel vom christlichen Gottesdienst oder der kirchlichen Jugendgruppe annimmt? Der Begriff „religiöser Lernort“ bzw. „Ort, an dem Religiöses gelernt wird“, legt ein bloßes Ja/Nein-Schema nahe, das der Wirklichkeit religiöser Lernprozesse unangemessen ist und in die falsche Alternative einer Entscheidung zwischen Religion und Lernen führt. Wenn die Grundfrage nach einem Ort religiösen Lernens beantwortet werden will, muss die Religionspädagogik zum einen fragen, ob die Schule überhaupt und wenn ja, in welcher Weise ein religiöser Lernort ist. Zum anderen, was denn überhaupt religiöses Lernen ist. Die Antworten auf diese Fragen führen in die Unübersichtlichkeiten religiöser Grundbildung und religiöser Lernprozesse, die natürlich nicht auf den Lernort Schule beschränkt sind, sondern sich in allen religionspädagogischen Lernfeldern bis zur Schule, von Freizeit bis zum Kino, von der Erwachsenenbildung bis zur Evangelischen Akademie stellen: Was ist religiöse Grundbildung? Bei der Antwort auf die erste Frage folgt eine Konfrontation mit dem evangelischen Paradoxon, dass Religion als kognitives Kompetenzbündel zwar lehrbar, gleichzeitig der Glaube nicht lehrbar ist. Kognitive Wissensinhalte einer bestimmten Religion bzw. Religionsgemeinschaft oder einer bestimmten religiösen oder spirituellen Praxis sind lernbar (z.B. im Bereich des Christentums kirchengeschichtliche Daten und Zusammenhänge oder biblisches Einleitungswissen usw.), die innere Teilnahme des Lernenden an den Inhalten in Form eines praktischen Vollzugs jedoch nicht. Die innere Teilnahme am Kult bzw. das Berührtwerden durch Inhalte verstehen wir als unverfügbaren Glaubensausdruck der jeweiligen Religion oder Religionsgemeinschaft. Glaube (das ist zuerst Vertrauen in und auf Gott), im Christentum als Geschenk Gottes, bedarf aber keiner Bedingungen, ist an keine Lernleistung geknüpft und setzt nichts voraus. Keine Kognition, kein Inhalt ist hierbei im strengen Sinn Lernvoraussetzung. Allerdings müssen die Inhalte für die Lernenden lebensrelevant sein. In diesem Sinn ist Glaube auch nicht als Kompetenz oder zu erwerbende Fertigkeit oder Fähigkeit zu verstehen. Lernende können im Religionsunterricht zwar verschiedene Inhalte (in allen fünf Lerndimensionen: kognitiv, affektiv, sozial-kommunikativ, psychomotorisch, operativ), nicht aber die innere Teilnahme an der Religion bzw. Religionspraxis lernen, was wir jetzt als Religiosität charakterisieren. Lernende erlernen im Religionsunterricht nicht den (christlichen, jüdischen,

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muslimischen) Glauben, sondern erwerben eine bestimmte religiöse Bildung in Bezug auf diesen je spezifischen Glauben und werden mit Wahrheitsansprüchen anderer Religionsgemeinschaften oder Weltanschauungen konfrontiert, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen. Die Schule und speziell der Religionsunterricht bieten hierfür im Sinn oben angedeuteter Kompetenz eine Möglichkeit, sich mit konkurrierenden Wahrheitsansprüchen auseinandersetzen zu können, um so zu lernen und entscheidungsfähig zu werden. Religiöse Entscheidungen werden vorbereitet, aber nicht grundsätzlich evoziert. Religiöse Bildung muss sich aufgrund der pluralen aber gleichzeitig individualisierten Lebens- und Lernverhältnisse auf das religiöse Subjekt in seinen jeweiligen sozialen und individuellen Entwicklungsaufgaben beziehen. Joachim Kunstmann schreibt treffend: „Religiöse Bildung umfasst die Einsicht in die Lebensbedeutsamkeit von Religion und verbindet sie mit einem Zuwachs an Orientierungs- und Lebensfähigkeit für die eigene Person. Ferner gehört zu ihr die Befähigung zu einem argumentativ ausweisbaren persönlichen religiösen Standpunkt; im besten Falle eine nachvollziehbare, auf das konkrete Leben bezogene religiöse Identifikation bzw. Positionierung“ (Kunstmann 2018, S. 16). Vor allem religiöse Bildung am Lernort Schule ist gemäß den Bildungszielen der Schule in erster Linie Persönlichkeitsbildung. Die Reduktion jedoch auf Inhalte (= Lehr-Lernstoff) vermindert die Lernmöglichkeiten der Lernenden. Bedeutung erlangen Inhalte nur dadurch, dass sie vom Lernenden kategorisiert und so verfügbar werden (vgl. Derbolav 1957a; Derbolav 1957b; Derbolav & Ikeda 2008; Klafki 1964; 1975; 1986; 1993; 2005; 2007a; 2007b; Gudjons; Winkel & Klafki 2015; Stangl 2018). Diese Zielsetzung von schulischem Unterricht geht in das Zentrum von Didaktik überhaupt, wie Inhalte lebens- und subjektrelevant an Sinn und Bedeutung gewinnen. In einer subjektorientierten schulischen Religionsdidaktik muss mit der Befähigung des Lernenden zur Selbstbestimmung, dem sozialen Bezug zu anderen Lernenden und Lehrenden und mit der Partizipation der Lernenden an Auswahl der Inhalte, der Methoden usw. ernstgemacht werden. Die schulische Religionsdidaktik hat deswegen auch die Aufgabe, die religiösen Traditionen von Judentum, Christentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus im Unterricht mit den Lebensthemen der Lernenden zu verbinden. Noch einmal Kunstmann (2018, S. 17): „Es käme also darauf an, diese Erfahrungen und Fragen zu sammeln, zu kommunizieren und sie in einer nachvollziehbaren und hilfreichen Deutung zuzuführen.“



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Religiöse Deutung in einer christlichen Perspektive wäre zuallererst Haltung gegenüber dem Leben, verbunden mit der kritischen Prüfung von Wahrheits- und Absolutheitsansprüchen und auch der kritischen menschenrechtlichen Prüfung religiöser Praktiken auf ihre Lebensdienlichkeit. Der Lernende im Religionsunterricht wird als religiöses Subjekt charakterisiert (vgl. Boschki 2017a, S. 2 pdf; siehe auch dto 2017b), das sich aus den Komponenten Biografie, Erfahrung, Individualität, Identität, Selbstsorge, Reflexivität und relativer Autonomie, Verletzlichkeit, Fragmentarität und Fähigkeit zum Scheitern zusammensetzt (Boschki 2017a, S. 3; vgl. Wulf & Zirfas 2014, S. 537–608). Theologisch und religionspädagogisch bedeutsam wird folgende These: „Der Mensch – und damit das sich in der Gottesbeziehung verstehende und deutende Subjekt – steht im Mittelpunkt der theologischen Reflexion“ (Boschki 2017a, S. 3). In der gegenwärtigen Theoriebildung sind die Subjektwerdung und Identitäts- und Kohärenzarbeit des Subjekts (Keupp & Höfer 2009) lebenslange Konstruktions- und Konstitutionsarbeit des Menschen (Keupp 2013), was bedeutet, dass Identität und Kohärenz nur als dynamisches und komplementäres Patchwork verstanden werden können. Religiöse Bildung im Kontext des Religionsunterrichts (Boschki 2017a, S. 4) „ist in erster Linie eine – stets fragmentarisch bleibende – Selbstkonstruktion des Subjekts in Auseinandersetzung mit der ihr begegnenden Umwelt“ (Boschki 2017a, S. 5). Bildung und speziell religiöse Bildung lässt sich demzufolge „nur als ‚Theorie intersubjektiv reflektierter Lernprozesse’ (Peukert 2015, S. 43) bestimmen“ (Boschki 2017a, S. 5). Unser, in diesem Buch, verfolgter religionspädagogischer Ansatz lässt sich als dialogisch-kommunikative Perspektive auf Lernende und Lehrende im Gefolge der Dialogphilosophie nach Martin Buber (1923/2013) und Emmanuel Lévinas (vgl. Kamińska 2010; Lévinas 1985; 1995; 2011; 2012) verstehen (vgl. auch Zima 2000). Wenn Lernende und Lehrende dialogisch miteinander kommunizierende religiöse Subjekte sind, dann ist der jeweils ANDERE konstitutiv für das dialogische Verhältnis, sofern der ANDERE nicht auf seine Anderheit (Martin Buber) festgelegt wird. Die Balance zwischen der Anderheit, der jeweiligen Differenz und dem Nichtfestlegen auf Anderheit muss deswegen gewahrt bleiben. Reinhold Boschki formuliert treffend: „Das dialogische Subjekt lebt von der Alterität, wird andererseits aber von ihr bedroht. Dialogizität bedeutet die Auseinandersetzung mit dem Anderen, dem Fremden, den integrierbaren und nicht integrierbaren Alteritäten in

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Kultur, Sprache, Ideologie und Theorie. Ziel der Kommunikation ist nicht ein ideal postuliertes Einverständnis (Habermas), sondern die produktive Differenz. Was hier entworfen und betont wird, ist ein intersubjektiv konzipierter, relationaler Subjektbegriff. Das Subjekt kann nicht anders als in Beziehungen verstrickt gedacht werden. Es ist niemals das einsame, quasi monadenhaft existierende Ich. Das Subjekt ist per se Beziehung. Es lebt nicht nur in Beziehung oder in Beziehungen, es ist Beziehung“ (Boschki 2017a, S. 6). Der religionspädagogische Ansatz im Unterricht geht von der beziehungsgründenden Beziehung zwischen Mensch und Gott aus (Gen 1), aus der heraus Achtung und Würde des Menschen und das gegenseitige Anerkennungsverhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpf resultieren, was die Personwerdung des Menschen umfasst. Bevor Lernende religiöse Subjekte werden, sind sie bereits von Gott geliebte und anerkannte Personen: „Der Mensch ist Mensch, weil er grundsätzlich fähig ist, sich seiner Gottesbeziehung bewusst zu werden. Dazu sind Lehr-Lern- bzw. Bildungsprozesse in Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter unerlässlich. Bildung geht vom Subjekt aus und zielt auf das Subjekt. Dieses Subjekt jedoch ist nicht das schon mit sich identische, das von einer Ganzheit her gedacht werden könnte, sondern das sich entwickelnde, das fragmentarische Subjekt, das auch in der Möglichkeit des Scheiterns gesehen wird“ (Boschki 2017a, S. 8). Der Unterschied zum Lernort Gemeinde liegt auf der Hand: In der christlichen (bzw. jüdischen oder muslimischen) Gemeinde wird in die religiöse Praxis eingeführt, Gemeinschaftserfahrungen und die Partizipation am Kult und an der religiösen Praxis werden ermöglicht und im kirchlichen bzw. religiösen Unterricht reflektiert. Die Lehrbarkeit von Religion am Lernort Schule bezieht sich aber zuerst auf die kognitive Außensicht des Glaubens und dort eher auf eine kognitive und sozial-kommunikative Lerndimension. Zwar bleibt der Glaube unverfügbar, enthebt aber die Religionspädagogik nicht der Notwendigkeit, Lernprozesse zu initiieren, zu begleiten und zu reflektieren; wenn möglich in Bezug auf die kognitiv-affektive Dimension auch zu evaluieren (vgl. Schweitzer 1991, S. 3–41; Dressler 2003, S. 261–271). Die Ambivalenz der Lehrbarkeit von Religion und die Nichtlehrbarkeit des Glaubens (aber die Partizipation und Begegnung mit ihm) macht den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen zu einer für die Lernenden attraktiven und zugleich kritischen Instanz, die dem gegenwärtigen Bildungsverständnis als „Technologie und Marktgerechtigkeit“ entgegen- und widersteht. Wo sonst, wenn nicht im Religionsunterricht an der öffentlichen Schule, bietet sich ein gesellschaftlicher Ort, an dem alle Kinder und Jugendliche



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einer Jahrgangskohorte lernen können, Sinnfragen oder religiöse Fragen überhaupt zu stellen und Antworten zu prüfen? Kritisch gegenüber der Institution Schule bleibt der Religionsunterricht deshalb, weil verschiedene Zugänge zur Wahrheit zugelassen werden, um sie so überprüfbar zu machen. Religiöses Lernen lässt sich dabei aufgrund der beschriebenen Ambivalenz keineswegs streng und gänzlich in so genannte Bildungsstandards einfügen, die in der gegenwärtigen Schuldiskussion für evangelische Religion hinterfragt werden, sondern verhält sich ihnen gegenüber ebenfalls ideologiekritisch. Der Erwerb von religiöser Bildung mittels entsprechender Lernprozesse in der Schule steht für ein reflektiertes Selbstverhältnis der Lernenden und Lehrenden und ist insgesamt ein persönlichkeitsfördernder Bildungsprozess, der auch dem gesellschaftlichen Gesamtbildungsauftrag der Schule verpflichtet ist (vgl. Tugendhat 1997).

Teil 1 Didaktische Grundlagen

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Religionsunterricht in der Schule

1.1

Religion und Bildung

1.1.1 Religion – Religiosität

Im Religionsunterricht geht es immer um symbolische Lebensdeutung (vgl. Kunstmann 2018, S. 37), aber auch um Analyse von Glaubens- und Lebensproblemen und Durchspielen möglicher Lösungen im Horizont christlichen Glaubens bzw. im Bereich anderer Religionsgemeinschaften in deren jeweiligem Glaubensansatz. Religion und Bildung (vgl. Schwendemann 2016) sind seit der Aufklärung ein Verhältnis gemäßigter Feindschaft eingegangen, so wie bei zwei zänkischen Schwestern. Wir werden diesem Konflikt nicht ausweichen, sondern versuchen, in protestantischer Perspektive hier zur Klärung beizutragen. Pädagogisch stellt sich die Frage, was denn in der Religion gelernt wird und wie sich dieses im Bereich des persönlichen Bildungserwerbs so auswirkt, dass Kompetenzen bereitgestellt werden, im interreligiösen und gesellschaftlichen Dialog überhaupt sprachfähig zu werden. Wenn wir von Religion und Religionsunterricht sprechen, meinen wir zuerst eine soziologische Kategorie der Zugehörigkeit und verstehen unter Religion ein Zeichensystem, dem ich mich zugehörig fühle, und deren Zugehörigkeit

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Religionsunterricht in der Schule

(vgl. Simmel 1992, S. 19ff) ich mit vielen anderen Menschen teile, so z.B. in der sozialen Form einer Religionsgemeinschaft. Erworben bzw. gelernt wird also im Bereich der Religion der grundlegende Prozess der Enkulturation, d.h. die Personwerdung innerhalb von Kultur und Gesellschaft. Enkulturation ist die Bezeichnung für Lernprozesse des Individuums, die den Menschen kulturell handlungsfähig machen sollen (vgl. Kron et al. 2013, S. 37), und auch für die „strukturelle Herausbildung einer Grundpersönlichkeit“, d.h. also für den Personalisationsprozess eines Individuums. Pädagogisch bedeutsam ist die Enkulturation als „Prozess aktiver und die Entwicklung stimulierender Lebensleistungen eines jeden Menschen“ (Kron et al. 2013, S. 39). Die Sozialisation hingegen ist die Gesamtheit aller sozialen Prozesse, „in denen der einzelne Mensch zum Mitglied einer Kultur und Gesellschaft wird“ (Kron et al. 2013, S. 40). Religiosität hingegen bedeutet dann so etwas wie die subjektive Füllung dieser Zugehörigkeit und wäre in dieser Unterscheidung eher als anthropologische Kategorie (vgl. Joas 2013, S. 121ff) zu verstehen. Friedrich Schleiermacher, der große protestantische Theologe und Begründer eines religionspädagogischen Modells, sah in der soziologischen Kategorie der Religion so etwas wie eine Basiskategorie des Menschen überhaupt, was ihn vom Tier unterscheidbar mache. Schleiermachers Ansatz des Pädagogischen zielt auf eine Aufhebung sozialer Ungleichheit zwischen Menschen (Schleiermacher 1983, S. 30; 1993, S. 61ff; Klafki 1990; Sting 1998, S. 296ff); bedeutsam wird in diesem Kontext die Reflexion der Differenzerfahrungen im Horizont einer kritischen und auch selbstkritischen gesellschaftlichen Hermeneutik (Sting 1998, S. 298). Die Einheit des Subjekts gegenüber den Differenzerfahrungen wird im Selbstgefühl gewährleistet: „Das Selbstgefühl ist jedoch weder im Tun noch im Wissen erkennbar und auch nicht Resultat einer Empfindung oder eines reflektierten Selbstbewußtseins [sic!]. Jeder Selbstbezug beinhaltet eine Selbstspaltung. Die Einheit des Selbst kann sich daher nur aus dem Bezug auf anderes ergeben. Sie wird von einem anderen gestiftet und empfangen, von ‚Gott’ oder vom ‚transzendenten Grund’ als dem Jenseits des Denkbaren und Erkennbaren, und sie ist gleichbedeutend mit Abhängigkeit von diesem anderen“ (Sting 1998, S. 299; Schleiermacher 1960, S. 25–30). Das religiöse Selbstbewusstsein wird von Schleiermacher mit dem „Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit“ zusammengebracht (vgl. Frost 1991, S. 255f; Sting 1998, S. 299). Ähnlich wie in der Dialogphilosophie muss bei Schleiermacher der Mitmensch, das menschliche Gegenüber mitgedacht werden (vgl. Schleiermacher 1960, S. 171ff).

Religionsunterricht in der Schule

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Angesichts der gegenwärtigen pathologischen Formen von Religion und Religionspraxis (zum Beispiel aggressiv-militanter religiöser Fundamentalismus oder Rassismus), die sich in vielerlei fundamentalistischen bis menschenfeindlichen religiösen Erscheinungen unserer Zeit zeigen, soll hier gegen Schleiermacher allenfalls nur von der Option auf Religion und Religiosität nach dem Soziologen Joas gesprochen werden und damit die gelingenden Formen von Religion und Religiosität (vgl. Joas 2003; 2007; 2013; Joas & Resing 2007) charakterisiert werden. In der subjektbezogenen Ausübung von Zugehörigkeiten geht es aber immer um die Güte von Beziehungen, die helfen, menschenfreundlich und aufgeschlossen zu sein, d.h. Religiosität als Bedingung der Möglichkeit, sich mitmenschlich verhalten zu können und so dem Glauben in seiner rechtfertigenden und heiligenden Form zu entsprechen. Glauben in diesem Zusammenhang meint nicht ein Fürwahrhalten allgemeiner Wahrheitssätze, sondern Vertrauen in und auf Gott und damit in ethischer Hinsicht als Heiligung des Lebens Resilienz gegen Menschenfeindlichkeit und rassistische Verführung. Eine in dieser Weise innige und somit gelingende Beziehung zwischen Mensch und Gott (vgl. Boschki 2003, S. 302) hat Versöhnungscharakter, bleibt aber in Bezug auf Gott immer auch fremd (Boschki 2003, S. 303), weil sie nicht vernutzbar oder instrumentalisierbar ist: „Sein heißt – in Beziehung sein“, wie Eberhard Jüngel (1998, S. 96) richtig erkannte. Es geht also, wenn wir uns um religiöse Bildung bemühen, um den Ansatz einer dialogischen Theologie der Beziehung (vgl. Jüngel 2002, S. 19ff; Boschki 2003, S. 303), was bedeutet, dass wir das Beziehungsgeschehen zwischen Mensch und Gott und zwischen Menschen in den Blick nehmen müssen: Sowohl Gott und auch die Menschen existieren nur in Beziehungen, aber, wenn wir Gottes Gottheit bedenken, müssen wir Gottes Souveränität mit bedenken und können nicht einfach unseren Existenzbegriff zur Anwendung bringen: „Gott ist nicht nur der zugewandte, in Kommunikation mit seiner Schöpfung Stehende – er ist (wie die Bibel bezeugt …) im gleichen Atemzug der Verborgene, der sich Entziehende“ (Boschki 2003, S. 303). Eine beziehungsorientierte (Boschki 2003, S. 304) Rede von Gott muss deswegen so formuliert sein, dass sie das Geheimnis Gottes nicht auflöst; das Gleiche gilt für die beziehungsorientierte und beziehungsreiche Rede über den Menschen: „Der Mensch ist dem anderen Menschen in letzter Instanz entzogen, auch wenn er ihn noch so gut zu kennen meint“ (Boschki 2003, S. 305). Beispiele für beziehungsorientiertes Denken findet man bei Martin Buber, der die Ich-Du-Beziehung von der Ich-Es-Beziehung unterscheidet und die These aufgestellt hat, dass das Ich-Du nur mit dem ganzen Wesen des Menschen gesprochen werden könne. Bubers Ansatz ist „philosophische Anthro-

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pologie, die den Menschen konsequent dialogisch versteht“ (Boschki 2003, S. 311). Aber auch der Freund und Weggenosse Bubers, Franz Rosenzweig, liegt zwar grundsätzlich auf der Linie Bubers, geht aber an verschiedenen Stellen über ihn hinaus. Gershom Scholem wirft Buber zudem eine „Ungeschichtlichkeit“ der Rede vor (Boschki 2003, S. 313). Franz Rosenzweig jedoch bestimmte das Ich-Du-Verhältnis als ein geschicht­liches zwischen einem bestimmten Ich und einem bestimmten Du (Boschki 2003, S. 314; Casper 2002) in einer bestimmten Zeit und unter bestimmten Bedingungen. Geschichte wird an das Tun des Einzelnen gebunden und auch „an die konkrete Beziehung des Anderen zu mir zurück“ (Boschki 2003, S. 315). Ähnlich würde es Paul Tillich sehen, der in Gott die Quelle dessen sieht, was uns unbedingt in der geschichtlichen Essenz angeht und den wir in unserer Existenz immer wieder verwirklichen, im Sinn von verwirken, d.h. nicht erreichen bzw. sogar verfehlen. Emmanuel Lévinas wiederum sieht Beziehung von der Einsamkeit des Subjekts und seiner Gebundenheit an die Zeit (Boschki 2003, S. 319): Die „Beziehung zum Anderen ereignet sich in Zeit, ja sie ist Zeit … Das Verhältnis zum Anderen ist kein Verschmelzen, sondern gründet in der Abwesenheit, der Nichtverfügbarkeit des Anderen … Darum bleibt die Beziehung zum Anderen immer eine Beziehung zu einem Geheimnis … Das Verhältnis zum Anderen gründet in der ethischen Beziehung der Verantwortung und Verantwortlichkeit für seine Zeit … In der Gottesbeziehung erfassen wir Gott nur als ‚Spur’“ (Boschki 2003, S. 320). Das bedeutet nun für den Bereich der religiösen Bildung, dass sie in doppelter Weise sowohl beziehungs- als auch subjektorientiert sein muss, wenn sie nicht dem Abgrund fundamentalistischer Versuchungen erliegen will. Das „Subjekt wird konstitutiv als Beziehungssubjekt verstanden, […]“ (Boschki 2003, S. 331). „Religiöses Lehren und Lernen und religiöse Bildung geschehen immer in Beziehung und in Beziehungen, und zwar unter den Bedingungen von Raum (Kontext) und Zeit. Denn Menschen, so auch Kinder und Jugendliche, sind in allem, was sie erfahren und tun, glauben und hoffen, lernen und sich aneignen von den vielfältigen Beziehungen geprägt, in denen sie leben“ (Boschki 2003, S. 332).

1.1.2 Lernen und Lehren

In der allgemeinen Pädagogik versteht man unter Lernen „die innere Organisation von Wissen und Fertigkeiten, die sich das Individuum in Interaktion mit seiner Umwelt aneignet, um handlungs- und leistungsfähiger zu werden“ (Kron et al. 2013, 55).

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Wenn wir diese allgemeine Definition um eine sozialwissenschaftliche Perspektive erweitern, dann lassen sich in einem Lernprozess drei Teile unterscheiden: Aneignung des neuen Wissens, Umwandlung des Wissens und Bewertung des Wissens (vgl. Bruner 1980, S. 57ff). Zum Lernen gehört das Lehren: „Lehren ist spezifischer auf institutionelle Zusammenhänge bezogen. Im Zusammenhang mit Lehren ist meist eine spezifische Form von Lernen gemeint, nämlich als Resultat eines intentionalen Vorganges. Dabei sind mindestens zwei Personen in unterschiedlichen Rollen beteiligt: Jemand handelt in einer bestimmten Weise mit dem Ziel des Zuwachses an Wissen oder Können eines anderen Menschen“ (Pohl-Patalong 2015). In dieser dynamischen Sicht von Lernen verbirgt sich eine moderne Theorie des Subjekts, die davon ausgeht, dass Lernen als ein eigenständiger Verarbeitungsprozess des lernenden Subjekts charakterisiert werden kann (vgl. beispielsweise Büttner & Dieterich 2000). Mit Pohl-Patalong lässt sich dann sagen: Diese Lerndefinition „interessiert sich stärker für den Vollzug des Lernens und die Erfahrungen, die Menschen dabei mit sich und der Umwelt machen. Lernen kann dabei eher als ein Umlernen des bisherigen Wissens gesehen werden, über das der Mensch von klein auf verfügt“ (Pohl-Patalong 2015). Lernen gehört in dieser Sicht zu den Prozessen der subjektiven Selbstbildung. Ein religiöser Lernprozess erweitert allgemeine Definitionen um die Sphären des Glaubens und der Transzendenzerfahrung. Glauben ist zwar nicht lernbar, sondern bleibt als Resultat göttlichen Rechtfertigungshandelns am Menschen unverfügbar, hat aber sehr wohl mit personalen als auch kognitiven und affektiven Lernprozessen zu tun: „Zwar müssen sowohl elementare Kenntnisse vorhanden sein (ich kann nicht an die Auferstehung glauben, wenn ich nie von ihr gehört habe) als auch entsprechende Lernerfahrungen (ich kann nicht an Vergebung glauben, wenn ich sie nie erlebt habe), aber nicht nur die theologische Einsicht, sondern auch die pädagogische Erfahrung zeigt, dass Glauben nicht machbar und religiöse Lernprozesse nicht operationalisierbar sind. Die theologische Grundüberzeugung, dass Gott an und mit jedem Menschen handelt, bevor religionspädagogische Aktivität beginnt, legt in besonderer Weise den Respekt vor den individuellen Wegen der Lernenden nahe und bewahrt davor, diese als unbeschriebene Blätter zu sehen, denen primär Wissen vermittelt werden

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müsste“ (Pohl-Patalong 2015; auch Doyé 2012, S. 111–116; Englert 1997, S. 138–150; Englert 2007, S. 196–206; Lachmann 2002, S. 31–35; Schröder 2012, S. 202–204). Wenn wir uns jetzt dem religiösen Lern- und Bildungsprozess nähern, dann erhebt sich die Frage: Um wen geht es in diesem Prozess? Um den Lernenden oder den Lehrenden? Wenn wir uns hier vorschnell auf eine Seite begeben, reduzieren wir, denn beide, Lernende und Lehrende, sind im religiösen Lern- und Bildungsprozess sowohl an diese Beziehung gebunden als auch an die doppelte Subjektivität, nämlich Gott als auch dem Menschen gegenüber. Das bedeutet, dass Lernende zu Lehrenden werden können und umgekehrt Lehrende in religiösen Dimensionen immer auch zugleich Lernende bleiben, das auch durch unterrichtlichen Interaktionsprozess zwischen Lernenden und Lehrenden nicht aufgehoben wird, sofern man unter Lernen den Austausch auf Augenhöhe mit einschließt. Dem Erziehungswissenschaftler Heinrich Roth folgend, wird unter Lernen Folgendes verstanden: „Lernen bedeutet eine Chance, die Fertigkeiten, Leistungsformen, Verhaltensweisen, Könnensformen in und an der Umwelt aufzubauen, in die man hineingeboren wird. Lernen bedeutet weiterhin, daß ein solches Wesen notwendigerweise auf eine Umwelt hin ‚entworfen’ gedacht werden muß, die diesen Lernprozess in ihre Obhut nimmt. Wenn der Mensch auf Lernen hin ‚entworfen’ ist, dann ist er auf Lehrende und Erziehende angewiesen, dann ist er prinzipiell ein zu erziehendes Wesen“ (Roth 1976, S. 117; zitiert nach Art. Lernen von Gert Otto, in Lexikon der Religionspädagogik 2001, Bd. 2, Sp. 1218). Lernen gehört nach dieser Definition zur anthropologischen Grundausstattung des Menschen; Lernen als Prozess vollzieht sich in sehr verschiedenen Formen, Vollzügen und Konstitutionsbedingungen und setzt immer eine personale Veränderung beim Lernenden in Gang. Vorausgesetzt ist dabei die Veränderungsfähigkeit und -möglichkeit des Menschen (vgl. Otto 2001, Sp. 1218). Schwierigkeiten, die sich im Lernen ergeben, liegen auf der Hand, z.B. Umlernen oder Aussteigen aus alten Gewohnheiten, Denkmodellen, Verhaltensweisen und die damit verbundenen Unsicherheiten. Gelerntes muss ständig erweitert, korrigiert und manchmal auch destruiert werden. Heutzutage vollzieht sich Lernen in spezifischen Agenturen, die in der Gefahr stehen, Lernen technokratisch zu instrumentalisieren (vgl. Heydorn 1980, 63–94; Adorno 2006) und dass sich in Lernprozessen auch, sofern sie

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nicht reflektiert werden, gesellschaftliche Missstände und Ungerechtigkeiten reproduzieren und Lernende so auch zu Objekten werden. Andererseits werden aber Lernende nur durch Lernprozesse zu Subjekten ihrer Lernprozesse, sodass eben genannte Missstände auch erkannt und behoben werden können. Es kommt also darauf an, das dialektische Verhältnis zwischen der Wiederholung des Bestehenden und der Chance des lernenden Subjekts auf Zukunft offenzulegen (vgl. Otto 2001, Sp. 1219). Heinz-Joachim Heydorn resümiert: „Erziehung und Bildung sind Teil eines großen Versuchs, den Menschen an das Licht zu bringen, ihn im zerstörten Gesicht zu entdecken. Das ist Vorstoß in ein Reich ungehobener, verschütteter Möglichkeiten. Pädagogik wird zum unerhörten Experiment, der Mensch ist an der Oberfläche seiner Geschichte eben erst erkennbar. Aufgabe der Erziehung ist es, sein Geäder aufzudecken, seine vielfältigen Bedingungen zu erspüren, in seine Not einzukriechen; nur so wird konkrete Liebe möglich ... Inmitten der Paradoxie will sie den Menschen zu seiner Verantwortung frei machen, deckt sie den Widerspruch auf und will über ihn hinaus“ (Heydorn 1980, S. 88). Wo, wenn nicht im Religionsunterricht, ist die Dialogfähigkeit des einzelnen Schülers, der einzelnen Schülerin sowie der Lehrperson so gefordert (vgl. Lehmann u.a. 2016, S. 9)? Ein Autorenteam, das sich mit dialogorientiertem Religionsunterricht beschäftigt, fordert: „Der Religionsunterricht, der in Verbindung mit einer religiös-weltanschaulichen Identitätsbildung Toleranz und Verständigungsfähigkeit anbahnen will, muss sich in seinen Inhalten und Methoden an den unterschiedlichen Dimensionen des Dialogs orientieren, will er glaubwürdig für diese Ziele eintreten“ (Lehmann u.a. 2016, S. 9). Es ist aber nicht der Unterricht als solcher, der in den Dialog tritt, sondern es sind Menschen aus Fleisch und Blut in den verschiedenen Rollen der Lernenden und Lehrenden. Der dialog- und beziehungsorientierte Unterricht richtet sich an grundsätzlichen Maßstäben des menschenrechtlichen, wertschätzenden, anerkennenden und befähigenden Umgangs miteinander aus (vgl. Schwendemann 2015; 2017). Dazu gehört z.B. das Einüben von Wertschätzung und Anerkennung auf beiden Seiten. Dem Gespräch über existenziell angehende Themen wird ein Vertrauensraum geschaffen, in dem fair um die jeweilige Wahrheit gerungen werden darf, ohne den anderen zu verletzen, zu beschämen oder zu kränken (vgl. Marks 2015). Diese Form von kommunikativer Suche verbindet sich mit kommunikativer Wahrheit,

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also Wahrheit, die nicht verfügbar, aber in der Kommunikation erfahrbar wird. Verschiedene Erfahrungen werden aus verschiedenen Perspektiven wahrgenommen und kognitiv-empathisch aufbereitet, was Diskutant:innen zwingt, aufeinander zu hören und miteinander zu reden. Feedbackverfahren, die sich an Wertschätzung und Anerkennung orientieren, werden präferiert und eingeübt. Mit Menschen anderer Religionszugehörigkeit und weltanschaulicher Prägung muss im evangelischen Religionsunterricht angemessen und offen umgegangen werden, ohne die eigene Wurzel zu vergessen. Vielfalt – auch in der Lerngruppe – muss angenommen, gelebt und gestaltet werden, wozu man aber auch befähigt und ermutigt werden muss, sei es als Lernender, sei es als Lehrender, sei es als gesamte Lerngruppe (vgl. Lehmann 2016, S. 9+10). Martin Buber (vgl. Bohnsack 2008) hat in seiner berühmten Rede „Über das Erzieherische“ (1925/26) Folgendes gesagt, was für unsere Aufgabenstellung wesentlich bleibt: „Die Kräfte der Welt, die der Zögling zum Aufbau seines Wesens braucht, soll der Erzieher aus der Welt lesen und in sich ziehen. Erziehung von Menschen durch Menschen bedeutet Auslese der wirkenden Welt durch eine Person und in ihr. Der Erzieher sammelt die aufbauenden Kräfte der Welt ein. In sich selber, in seinem welterfüllten Selbst scheidet er, lehnt ab und bestätigt“ (zitiert in Bohnsack 2008, S. 14; Buber 1962, S. 807; Martin Buber Werkausgabe, Band 8, 2005, S. 153). Dieses Zitat fordert die Lehrperson enorm heraus, weil sie selbst zur Person, zum dialogischen Du dem Lernenden gegenüber, geworden sein muss. Dies müssen die Lehrpersonen aber vor allem auch sich selbst gegenüber geworden sein, bevor sie sich überhaupt als Lehrende wahrnehmen können. In der traditionellen Sprache der Pädagogik sprechen wir von Authentizität und Empathie; gleichzeitig muss die Lehrperson den Lernenden in der Sache voraus sein und auf Augenhöhe begegnen, ohne seine eigene Personalität infrage zu stellen, d.h., Lehrende dürfen weder autoritär und ängstlich noch kumpelhaft, noch planlos sein. Das Unterrichtsgespräch, aber auch die gesamte Unterrichtsatmosphäre in der Lerngruppe (Breidenstein & Helsper 2016; Combe & Helsper 1994; Helsper 2001; 2014a; 2014b; 2015; 2016), muss vom Dialogischen und dem Willen, sich zu begegnen, aufgebaut sein. Lernen in diesem Kontext lässt sich dann durchaus als ein aufbauender und die Biografie des Lernenden sinnvoll entfaltender Prozess beschreiben: „Sinn-volle Biographien haben, bei allen Krisen und Brüchen, einen ‚roten Faden‘. Sie zielen auf Stärkung und Reife“ (Bohnsack 2009, S. 7). PISA und fast alle bisherigen empirischen Untersuchungen des Unterrichts setzen den Akzent auf Leistungs- und Resultatsbewertung, sind aber nicht imstande, den Lernweg und

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die Lernbiografie der Lernenden in den Blick zu nehmen. Was aber sind erst einmal jenseits der Empirie die potenziellen Gestaltungsmöglichkeiten von Lernenden und Lehrenden im Unterricht? Wie werden individuelle Fähigkeiten der Lernenden weiterentwickelt (vgl. Bohnsack 2009, S. 8)? Dialogischer Unterricht will auch Leistung, setzt aber nicht bei normativen Vorgaben, sondern bei den individuellen Ressourcen der Lernenden an: „Und es wird versucht, dessen (Lern)Leistung weniger an zentralen Maßstäben und mehr an den Möglichkeiten dieses Einzelnen zu orientieren, was bedeutet, dass weniger die Defizite als vielmehr die Stärken im Blick sind, nicht nur die Forderungen, sondern vor allem auch die Bestätigung der jeweils möglichen unterschiedlichen Ergebnisse als „Leistung“ und damit die Akzeptanz der Person“ (Bohnsack 2009, S. 8). Der Bubersche Begriff „aufbauend“ bzw. „aufbauende Kräfte“ zielt also zuerst auf Stärkung und Entfaltung der Personalität bzw. der PERSON des Lernenden, aber auch indirekt auf die des Lehrenden, denn der Lehrende kann keine Inhalte und keine Kompetenzen vorhalten, wenn sie nicht authentisch vertreten werden können. Gegen die aufbauenden Kräfte stehen die destruktiven Kräfte, auch im Unterricht, wie z.B. das, was subjektiv als sogenannte Störung wahrgenommen wird. In der Regel führen destruktive Kräfte zu Irritationen, zu Verunsicherungen auf beiden Seiten, im schlimmsten Fall zu Sanktionen seitens der Lehrperson, zum Boykottieren des Unterrichts auf Seiten der Lernenden oder zu Orientierungslosigkeit und Gefährdung der personalen Identität (vgl. Bohnsack 2009, S. 9) auf beiden Seiten. Der „Aufbau der Person“ ist für Buber immer dialogisch und einander begegnend konnotiert. „Begegnungen (Schwendemann) in diesem Sinn werden nicht gemacht, sondern ereignen sich. Mit diesem Aspekt des (etwa im technischen Sinne) Nicht-Machbaren kommt ein anderes Moment in die üblichen Lernprozesse und auch in den Begriff des ‚Aufbaus’“ (Bohnsack 2009, S. 14). Es geht dann um Überraschendes in Lernprozessen und Lernbegegnungen (Bohnsack 2009; S. 15; Rumpf 1986a; 1986b, S. 52; 1991; 2002). Aber Überraschendes, Irritierendes, ist dabei ambivalent „wie unsere Begegnungen mit fremder Kultur, generell mit dem Andersartigen: Wir können dieses als identitätsgefährdend erleben (daher Fremdenfeindlichkeit als Ausdruck von Angst) oder aber als bereichernd“ (Bohnsack 2009, S. 15). Pädagogik hat aber gegen Überforderung der Lernenden und Lehrenden darauf zu achten, dass Überraschendes nicht fremd bleibt, andernfalls würde die Stärkung der Person nicht zustande kommen (Bohnsack 2009, S. 16) – die andere Gefahr ist das vorschnelle sich „Vertrautmachen“ (Rumpf u.a.).

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Das Überraschende muss das „Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein und Selbständigkeit“ der Lernenden fördern (Bohnsack 2009, S. 16), sodass sie in die Lage versetzt werden, zu lernen in Form des kognitiven, personalen und sozialen Wissenszuwachses und andererseits auch zu lernen, in ethischer Hinsicht, Verantwortung zu übernehmen für „Veränderung in Richtung auf eine bessere Welt“ (Bohnsack 2009, S. 17). Gelungener Unterricht bedeutet also Stärkung der Lernenden, Zuwachs verschiedener Wissensformen der Lernenden, Aufbau einer verantwortungsvollen Haltung (Bohnsack 2009, S. 17) und Aufbau der Selbstkompetenz, anstehende Aufgaben und Probleme lösungsorientiert anzunehmen (vgl. Bohnsack 2009, S. 18; Klafki 1991, S. 162–172). Bei Lehrenden geht es um die Ausbildung einer wertschätzenden, dialogischen und anerkennenden Grundhaltung den Lernenden gegenüber (vgl. Bohnsack 2009, S. 19). Auch soziales Lernen muss wie alle anderen Dimensionen des Lernens (kognitiv, affektiv, kommunikativ, instrumentell-operatorisch, psychomotorisch; vgl. Howoldt u.a. 2016; Rausch u.a. 2017) geübt werden, wozu Ausdauer und Anstrengungsbereitschaft gehören (vgl. Bohnsack 2009, S. 20). Versagensängste und Ausdruck von Überforderung bei den Lernenden müssen unbedingt vom Lehrenden wahrgenommen werden. Die Haltung der Lehrenden ist in diesem Prozess von Wertschätzung, Anerkennen und dem Zulassen von Fehlern gekennzeichnet, was entgegen der üblichen schulischen Praxis steht (vgl. Rausch u.a. 2013; Bohnsack 2009, S. 21). Genauso wichtig ist jedoch die Akzeptanz der jeweiligen Lernendenrealitäten und Lebenszusammenhänge der Lernenden (vgl. Bohnsack 2009, S. 21). Inhalte, die einen sogenannten „bildungsbürgerlichen Hintergrund“ (Bohnsack 2009, S. 22) zum Vorverständnis vor­aussetzen, sind hierbei als kritisch zu betrachten, weil sie auf Seiten der Lernenden durchaus Barrieren aufbauen und Lernprozesse stören (Bohnsack 2009, S. 22): „‚Sinnorientierung’ meint dann vor allem den Bezug auf die ‚zentralen Probleme’, auf die ‚Lebenswirklichkeit’, den ‚Lebenssinn’ der Lernenden, auf deren Probleme beim ‚Heranwachsen’ etwa“ (Bohnsack 2009, S. 23). Inhalte müssen also in pädagogischer Hinsicht zur Lerngruppe passen (Bohnsack 2009, S. 25), auch um den Preis der Verlangsamung und Entschleunigung der Lernprozesse bei den Lernenden (Bohnsack 2009, S. 26; Rumpf 1987, 17–27; Reheis 1996).

1.1.3 Die Unverfügbarkeit des Anderen

Unter Bildung lässt sich also der Vermittlungsprozess zwischen Ich bzw. Selbst/einer Person und Welt verstehen; in religiöser Tradition kommt noch

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der Beziehungs- und Vermittlungsprozess zwischen dem menschlichen Selbst und Gott hinzu. Der grundsätzliche Charakter dieses Vermittlungsprozesses liegt im Verstehen des Fremden und des Selbst begründet. Im Verstehen wird das Fremde jedoch nicht einverleibt, sondern subjektiv befragt und rezipiert. Im Verstehen des Fremden wird, wenn es nicht einverleibt wird, die Erinnerung an das eigene Humanum wachgehalten, und die christliche Tradition erinnert an das fremde Fleisch gewordene Wort Gottes (zum Folgenden vgl. Schwendemann 2010a). Erinnerung in einem tieferen Sinn meint dann die Erinnerung an das, was uns als Menschen trägt und zu Menschen macht und das Humanum schützt. Gegen die Einlinigkeit, (Max Horkheimer und Theodor W. Adorno) sprechen von der eindimensionalen Person, hält eine in diesem Sinn gestaltete zivilgesellschaftliche Erinnerungskultur am Paradoxen des Fremden fest und an einer Kultur der Vielfalt und der Achtsamkeit im Umgang mit Pluralität. Das Fremde ist jedoch nicht einfach fremd, sondern so gestaltet, dass ich als Gegenüber dem anderen Menschen immer Beziehung schulde, ohne dass diese ableitbar wäre, aber immer zugleich Verantwortung meint. Verantwortung widersteht einem rassistischen Einheitsstreben und meint Verpflichtung zur Toleranz als bewusste Entscheidung für das Fremde um des Anderen willen. Das fremde Antlitz fordert uns dazu auf, menschlich zu handeln, es signalisiert die Verletzlichkeit, die Schutzbedürftigkeit des Anderen. Insofern hat Bildung etwas mit dem interreligiösen Dialog zu tun, dass ich am Anderen und seiner Religionszugehörigkeit und religiösen Praxis zum Subjekt werde, das sich verhalten und entscheiden und vor allem sich der eigenen Identität (nicht auf Kosten fremder Identität) gewiss sein muss. Bildung als Subjektwerdungsprozess verstanden, setzt Freiheit zur Weltgestaltung voraus, ohne das interreligiöse Gespräch und den religiös Anderen zu vereinnahmen oder zu kolonialisieren (vgl. Dressler 2006, S. 86). Dietrich Korsch kann diese Verschränkung so zusammenfassen: „Aus dem Grund dieser Vermittlung aber leuchtet ein Moment hervor, das religiös gedeutet werden kann: dass das Subjekt sich nicht als ein solches gemacht hat, das bildungsfähig ist, dass der Bildungsprozess Bildsein voraussetzt. Dieses Moment wird auch da noch erinnert, wo Bildung als Versprechen verstanden wird“ (Korsch 1994, S. 193). Bildung als Persönlichkeitsbildung zielt auf Leiblichkeit, Freiheit, Geschichtlichkeit und Sprache des Menschen und setzt diese gleichsam im Sinn von Selbsttätigkeit voraus (vgl. Benner 2005, S. 71f). Einerseits muss die Unverfügbarkeit des Fremden, Anderen als Freiheit geachtet werden, ande-

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rerseits zielt Bildung darauf, die Befähigung zur Freiheit anzustreben (vgl. Dressler 2006, S. 87). Nur sich dieses Dilemmas bewusstes Bildungshandeln hält die Hoffnung auf Humanität wach, wird aber keine Garantie für das Gelingen übernehmen können.

1.1.4 Religiöse Bildung

Wenn man von der Voraussetzung ausgeht, dass Religion als eine Möglichkeit besteht, sich Welt, Immanenz und Transzendenz zu erschließen, dann geht es in religiöser Bildungsarbeit zuallererst um die Beziehung und die Frage des menschlichen Selbstverständnisses zwischen Endlichkeit und Freiheit; allgemeine Bildung ohne Religion wäre fragmentarisch und ungebildete Religion setzte sich einem Ideologieverdacht aus, denn die Selbsttätigkeit des Menschen wäre alles andere als selbstbestimmt, was bedeutet, dass Religion und Bildung nicht miteinander identisch sind, sondern sich zueinander komplementär verhalten. Peter Biehl und Karl Ernst Nipkow haben darauf hingewiesen, dass eine sich Bildungsprozessen öffnende Religion sich ändert und dynamisiert und sich für Umbildungsprozesse freigibt, ohne ihr Proprium zu verraten (vgl. Biehl & Nipkow 2005, S. 55). Vergleichbar zwischen Religion und Bildung ist das beiden Vorausliegende: Der Bildung liegt das Personsein voraus und dem (christlichen) Glauben das Handeln des Heiligen Geistes. Die Folgen des Unverfügbaren sind Bildsamkeit des Menschen und Gottvertrauen. Glauben als Vertrauen lässt sich auf kategoriale Bildung ein und bietet eine Interpretation dieses Vorganges und lässt sich gleichzeitig in den Formen kategorialer Bildung verstehen und ist deswegen keine Frage der Bildung an sich. Glaube in postmoderner Zeit ist jedoch bildungskritisch und befragt Bildungsprozesse danach, ob die Freiheitstraditionen auch zur Sprache und damit zu sich selbst kommen (vgl. Korsch 1994, S. 213). Bernhard Dressler hat diese Dialektik sehr schön beschrieben: „Wenn Bildung der Prozess ist, in dem der Mensch sich selbst überschreitet, so setzt Bildung Glauben im Sinne von Vertrauen voraus und setzt solches Vertrauen im Falle des Gelingens frei. Allerdings: Vertrauen wird auf diese Weise keineswegs zum Gegenstand einer Willensentscheidung oder eines Kalküls. Man kann sich zum Glauben so wenig entschließen wie zur Liebe“ (Dressler 2006, S. 126). Religion ist eine Form der Lebensdeutung und Glauben die vertrauensvolle Gewissheit, gehalten zu sein. Christliche Religion ist als „kultureller Zeichenkosmos“ zu verstehen, d.h. das Medium, in dem „der Glaube sich als Gottvertrauen artikulieren und reflektieren kann“ (Dressler 2006, S. 128).

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Bildung ist dann das Mittel zur Schulung von (religiöser) Wahrnehmungsfähigkeit. Glauben wird zwar nicht durch Bildung „erzeugt“, benötigt aber Bildung, weil sich in ihr symbolische Kommunikationsprozesse vollziehen, ohne die Glauben sich nicht vermitteln kann (vgl. Ochel 2001, S. 44ff). Glauben im Gewand der Religion hilft, die Welt zu verstehen und Wirklichkeit zu deuten; aber genau die Reflexion auf diese Eigenart ist konstitutiv für religiöse Bildung im Gesamtkontext allgemeiner Bildung: „Religion als Lebensdeutung im Horizont des Unbedingten macht das Endliche fürs Unendliche transparent. … Nicht zwei Wirklichkeiten werden damit postuliert, wohl aber die Notwendigkeit einer mehrdimensionalen Betrachtung der einen Wirklichkeit“ (Dressler 2006, S. 135). Christlicher Glaube und christliche Religion tragen in ihrem Kern die Erinnerung an das Christusereignis und die Deutung des Ereignisses in sich; religiöse Bildung erschließt sich zuerst in deutenden Narrationen. Deutende Narrationen setzen sich aber aus dem Risiko des Missverstehens einerseits frei und andererseits provozieren sie in dieser Freiheit zur Toleranz, sich zu dem verhalten zu müssen, was überraschend und zugleich fremd ist.

1.1.5 Lernbegleitung

Wenn wir religiöse Lernprozesse in spezielle Lern- und Erzählgemeinschaften zurückversetzen, hier wären z.B. die verschiedenen Religionsgemeinschaften wie Judentum, Islam, Christentum in ihrer jeweiligen Differenzierung und Diversität gemeint, dann leisten religiöse Individuen in hermeneutischer Sicht, was für die jeweiligen Narrationen zutreffend sein dürfte, Interpretationen, Sinnkonstruktionen und Sinnermittlung (vgl. Kron et al. 2013, S. 240). Der Lehrende ist in religiösen Lern- und Bildungsprozessen eher der Begleitende des Lernprozesses: „Strukturell gesehen eröffnet der Lehrer einen Spielraum, in dem der Schüler sich selbstständig mit der Sache auseinandersetzen kann. Hierbei kann der Schüler seine Vorerfahrungen und sein Vorwissen, seine Vorstellungen und Intentionen einbringen. Dieser Prozess kann als ‚verständiges Lernen’ bezeichnet werden ... Vermittlung ist symbolische Interaktion [...].“ (Kron et al. 2013, S. 241; vgl. Dewey 1993, S. 204).

1 Zu den Bildungsplänen 2016 siehe: http://bildungsplaene-bw.de/,Lde/Startseite.

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1.2

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Hintergründe

Der konfessionelle, hier im Allgemeinen der evangelische, Religionsunterricht ist Teil der schulischen Allgemeinbildung und Teil des Schullebens. Im Grundgesetz ist im Artikel 7, Absatz 3 der Religionsunterricht für alle öffentlichen Schulen in Deutschland festgehalten (vgl. Kothmann 2015, S. 1). Unter staatlicher Aufsicht wird er von den Religionsgemeinschaften inhaltlich verantwortet (vgl. Heckel, 2013, S. 392–394) und Lernenden wird im Raum der Schule die Möglichkeit eröffnet, über Sinn- und Existenzfragen nachzudenken (vgl. EKD 2014). Ziel des Lernens ist die religiöse Mündigkeit des Lernenden (vgl. Kothmann 2015, S. 1; Kothmann 2014). Pädagogisch begründungspflichtig bleibt der konfessionelle Religionsunterricht indes, weil sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Richtung Pluralität und Individualisierung der Lebenseinstellungen verändert haben; juristisch und auch kirchenrechtlich besteht die Möglichkeit, auf diese veränderten Rahmenbedingungen innerhalb eines konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts zu reagieren (vgl. Burrichter 2018; Eisenhardt et al. 2018; Kuld et al. 2009; Pemsel-Maier et al. 2011; Schröder 2017; Bastel et al. 2003). Der Religionsunterricht selbst hat bei den Lernenden immer noch eine hohe Akzeptanz (vgl. Kothmann 2015, S. 3 pdf; Kirchenamt der EKD 2014, S. 27; 81; Rothgangel & Schröder 2009, S. 381; Petzold 2003, S. 33–40; Kinder 2003). Gleichwohl entstehen im Moment alternative Formen zum Religionsunterricht, an erster Stelle ist der Ethikunterricht zu nennen. Im Bundesland Hamburg existiert ein Religionsunterricht für alle: „Dieser dialogische Religionsunterricht zielt auf die Realbegegnung mit Angehörigen anderer Religionen und Kulturen als Unterrichtsprinzip im Kontext der von mehr als hundert verschiedenen Religionsgemeinschaften geprägten Hansestadt“ (Kothmann 2015, S. 7; vgl. dazu auch Doedens & Weisse 2009). Im Bundesland Bremen existiert eine territoriale Ausnahmebestimmung für den Religionsunterricht; es wird ein bekenntnismäßig freier Unterricht in Biblischer Geschichte erteilt (vgl. Kothmann 2015, S. 8). Ähnlich wie in Hamburg können sich Lernende mit konfessioneller und auch nichtkonfessioneller Zuordnung begegnen und gemeinsam lernen. Der Art 141 GG (siehe Bremen) ist auch für Berlin anwendbar; seit 2006 gibt es dort einen verpflichtenden Ethikunterricht für die Klassen 7–10; der Besuch des Religionsunterrichts ist dort freiwillig (vgl. Kothmann 2015, S. 9). Brandenburg ist einen eigenen Weg gegangen: Dort wurde das Unterrichtsfach Lebenskunde – Ethik – Religionskunde (LER) eingerichtet:

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„Nach den Bestimmungen des Brandenburgischen Schulgesetzes (BbgSchulG) soll das Fach die „Lernenden in besonderem Maße darin unterstützen, ihr Leben selbstbestimmt und verantwortlich zu gestalten, und ihnen helfen, sich in einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft mit ihren vielfältigen Wertvorstellungen und Sinnangeboten zunehmend eigenständig und urteilsfähig zu orientieren. Das Fach dient der Vermittlung von Grundlagen für eine wertorientierte Lebensgestaltung, von Wissen über Traditionen philosophischer Ethik und Grundsätzen ethischer Urteilsbildung sowie über Religionen und Weltanschauungen“ (§ 11 Abs. 2 BbgSchulG)“ (Kothmann 2015, S. 10). Die Qualität des Religionsunterrichts trägt demnach auch zur Qualität der ganzen Schule bei und ist kein geheiligter Sonderbereich außerhalb der Qualitätsentwicklung in der Schule. Die in den PISA-Studien angemahnten Kompetenzbereiche (vgl. Baumert et al. 2001) heutiger Allgemeinbildung sind im Rahmen der Schule nur dann nachvollziehbar, wenn die Schule mit ihren unterrichtlichen und nichtunterrichtlichen Veranstaltungen selbst im Rahmen eines bildungswissenschaftlichen Diskurses unter die Lupe genommen wird (vgl. Benner 2002a; 2002b). Dietrich Benner et al. machen (2011, S. 18ff) darauf aufmerksam, dass im Fach Religion von Lehrenden und Lernenden, anders als z.B. im naturwissenschaftlichen oder sprachlichen Kompetenzbereich, nicht in erster Linie erfolgreiche Wissens- und Erforschungsstrategien gefragt seien, sondern Problembearbeitungsstrategien und entsprechende Kompetenzen. Auf den bildungstheoretischen Gehalt zielen gerade die evangelischen Rechtfertigungslehre und die Kompetenz, die Lernende im Umgang mit dieser theologischen Basislehre erwerben, worauf jüngst Henning Schluss aufmerksam gemacht (in Benner 2011). Die an die Kompetenzen angelegten Bildungsstandards in den Lehr- und Bildungsplänen1 setzen normative Zielvorgaben, wann Lernende sich bestimmte Inhalte und Kompetenzen angeeignet haben sollen. Friedrich Schweitzer (2007) machte unmissverständlich deutlich, dass zwischen schülerorientierten Kompetenzen und unterrichtlichen bzw. prozessorientierten Standards zu unterscheiden sei. Bildungsstandards operationalisieren also im Allgemeinen nur Bildungsziele (vgl. Klieme u.a. 2007, 12–33). Zudem meint fachspezifische Kompetenz nicht nur Fakten- und Informationswissen, sondern schließt eine hermeneutische Leistung mit ein, wie auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in ihrer Schrift (2011) betont. In der EKD-Denkschrift „Evangelischer Religionsunterricht als Beitrag zu einer pluralitätsfähigen Schule“ (Gütersloh 2014) heißt es: „In dieser Situation hat die Schule die Aufgabe, sowohl die je eigene Identität wie das Gemeinsame inmitten des Differenten zu stärken. Die Lernenden

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sollen befähigt werden, in einer pluralen Gesellschaft in gegenseitigem Respekt und friedlich zusammenzuleben. Dazu kann der Religionsunterricht einen entscheidenden Beitrag leisten“ (EKD 2014, S. 8). Und weiter heißt es: „Die Bearbeitung der Pluralität muss sich von beidem leiten lassen: von der Suche nach Gemeinsamkeit als dem trotz aller Vielfalt Verbindenden und der Bereitschaft, auch nicht auflösbaren Unterschieden gerecht zu werden. Beide Prinzipien sind sowohl pädagogisch als auch theologisch begründet. Die Fähigkeit, sich konstruktiv mit religiöser und weltanschaulicher Pluralität auseinanderzusetzen, beruht auf der Einsicht in Gemeinsamkeiten, die alle Menschen einschließen, aber auch auf dem Bewusstsein der bleibenden Bedeutung unterschiedlicher Lebensorientierungen und Glaubensüberzeugungen. Der doppelten Orientierung an Gemeinsamkeit und Differenz entspricht das Bildungsziel einer Pluralitätsfähigkeit, die profilierte religiöse Bildung voraussetzt“ (EKD 2014, S. 12). Das klingt gut, vor allem in Bezug auf die sogenannte Pluralitätsfähigkeit der Schule. Karl Ernst Nipkow (1994) sprach von „Pluralitätskompetenz“ und meinte damit eine Fähigkeit bzw. Fertigkeit, mit Vielheit angemessen und friedensstiftend/versöhnend umzugehen. Guter Wille allein reicht aber nicht. Die EKD-Denkschrift setzt zudem eine Denkfigur voraus, die in sich problematisch geworden ist: nämlich die Unterscheidung des Eigenen vom Fremden als polares Modell. So wird z.B. gern an anderer Stelle von EKD Denkschriften dafür optiert, dass Kinder und Jugendliche zuerst die eigene Religiosität und Religionszugehörigkeit kennenlernen, bevor sie sich mit anderen kognitiv und affektiv beschäftigen. Entwicklungspsychologisch ist das zwar begrenzt sinnvoll, menschenrechtspädagogisch wäre aber gerade hier schon, z.B. im konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, die Fähigkeit, Vielheit auszuhalten und zu gestalten, zu trainieren und das eben nicht mehr im abgegrenzten Religionsunterricht, sondern im Modell des kooperativen Religionsunterrichts, der zeitweise und projektartig Lernende und Lehrende anderer Konfessionen und Glaubensgemeinschaften umfasst, wobei die Konfessionsgrenzen nicht verwischt, sondern ausgehalten werden. Lernen – auch verbunden mit zu erwerbender kommunikativer Kompetenz zwischen den Religionen und Konfessionen – wäre an dieser Stelle von der sog. Dialogphilosophie des 20. Jahrhunderts geprägt – zu nennen sind: Martin Buber, Franz Rosenzweig, Emmanuel Lévinas. Mit Henning Schluss gesprochen, ist es die Aufgabe eines pluralitätssensiblen Religionsunterrichts, Räume zu eröffnen, Gott in seiner Vorbehaltlosigkeit gegenüber dem Menschen zu erfahren. Darüber hinaus sollen Lernende jene Kompetenzen erwerben, die sie in ihrer Lebensgestaltung voranbringen und mit deren Hilfe sie sich neue Horizonte und Perspektiven

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zu erschließen vermögen (vgl. Schluss 2011, S.  199). Der Religionsunterricht stellt also eine spezifische Kompetenz bereit, Sinnfragen und existenzielle Lebensfragen überhaupt wahrzunehmen und als Frage zu formulieren – es geht dabei um die anthropologischen und religiösen Grundfragen: Wer bin ich? Woher komme ich? Worin liegt meine Zukunft? Was kann und darf ich hoffen? Was ist Gerechtigkeit? Wo liegt Erlösung?

1.3

Aufgaben des Religionsunterrichts

Die im evangelischen Religionsunterricht (hoffentlich) gemeinsam und dialogisch entwickelten Antworten zwischen Lehrenden und Lernenden stellen einen Referenzrahmen bereit, der sowohl fächerverbindend als auch existenziell wichtig ist. Die Schule ist deswegen auch der gesellschaftliche Ort, an dem Menschen lernen, solche Fragen zu stellen und in einer Lerngemeinschaft auch Antworten zu finden, die für die jeweilige Lebenssituation der Lernenden bedeutsam sind. Religionsunterricht, aber auch Ethik- und Philosophieunterricht, bilden reflexive Prozesse in der Schule ab, die sowohl Erfahrungen reflektieren als auch Erfahrungen durch Reflexionen bereichern. Dazu kommt das spezifisch Religiöse: Religion lässt sich nur in einer lebendigen Form lerngemeinschaftlicher Religiosität lernen. Das ist einerseits ein Plädoyer für den konfessionellen Religionsunterricht, andererseits liegt es gerade im Zentrum des konfessionellen Unterrichts, achtsam mit anderen religiösen Perspektiven umzugehen und als komplementäre zu verstehen. Der evangelische Religionsunterricht hat entsprechend folgende Aufgaben, die zugleich als Abgrenzung zu anderen Unterrichtsfächern zu sehen sind: 1. Lernende sollen befähigt werden, die christliche Tradition kennenzulernen und sich an ihr zu bilden; ihre eigenen religiösen und theologischen Fragen zu stellen und den Reichtum möglicher Antworten kennenzulernen; Sinnfragen als solche wahrnehmen zu lernen und authentischen Lehrpersonen zu begegnen (siehe die Bildungspläne für das Fach evangelische Religion in Baden-Württemberg 2004/2016). 2. Darüber hinaus erwerben die Schüler und Schülerinnen interkulturelle und interreligiöse Kompetenzen im sozialen Miteinander einer heterogenen schulischen Lerngruppe (vgl. Schwendemann 2010b, S. 2–5; Schwendemann 2009, S. 169–181). 3. Gerade die Dimension religiösen Lernens in der Schule in einem heterogenen und diversen Kontext macht deutlich, dass der Religionsunterricht auch eine soziale Funktion hat, das gesellschaftliche Zusammen-

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Religionsunterricht in der Schule

leben auf einer werteorientierten Basis gerade im Bereich der Schule mitzugestalten, was auch die Seelsorge an Lernenden und Lehrenden mit einschließt (vgl. Koerrenz & Wermke 2008; Lammer 2012). 4. Zum Referenzrahmen in diakonischer Sicht gehört zum Religionsunterricht auch das gemeinschaftsbezogene Lernen und Einüben von z.B. Empathiefähigkeit und Verantwortungsübernahme (vgl. Rupp 2006, S. 3–6). Die „innere Sicht“ auf den Religionsunterricht wird um eine Außensicht erweitert, dass auch Bildungspläne in der Weise für das Fach evangelische Religion Bildungsstandards abbilden lassen. Bildungsstandards (vgl. Ministerium für Kultus 2004, S. 24–27 [Gym]) – greifen die Grundprinzipien des jeweiligen Unterrichtsfaches auf; – beschreiben die fachbezogenen Kompetenzen, einschließlich zugrunde liegender Kompetenzen liegender Wissensbestände, die Lernende bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Bildungsganges erreicht haben sollen (hermeneutische Kompetenzen, ethische Kompetenz, Sachkompetenz, personale Kompetenz, kommunikative Kompetenz, soziale Kompetenz; methodische und ästhetische Kompetenz). Im Grundschulbildungsplan Evangelische Religion (Baden-Württemberg) ist das grundsätzlich wie folgt beschrieben: – „Der Evangelische Religionsunterricht hilft die religiöse Dimension des Lebens zu erschließen. Er eröffnet einen spezifischen Modus der Weltbegegnung, der als integraler und unverzichtbarer Beitrag zum allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule zu verstehen ist. Soziales, politisches und kulturelles Leben in Deutschland, Europa und der Welt lässt sich ohne Kenntnis ihrer religiösen Wurzeln nicht angemessen verstehen. Angesichts der Globalisierung und der multikulturellen Lebenszusammenhänge wird religiöse Bildung für die Suche der Kinder und Jugendlichen nach Identität und Orientierung immer wichtiger. Der Evangelische Religionsunterricht richtet sich an Lernende evangelischer Konfession und ist darüber hinaus offen für alle Lernenden mit und ohne Religionszugehörigkeit. Grundlage des Unterrichts bilden die biblisch bezeugte Geschichte Gottes mit den Menschen und ihre Deutung in den reformatorischen Bekenntnissen der Evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg. Der Evangelische Religionsunterricht bringt den christlichen Glauben und seine Traditionen ins Gespräch und unterstützt die Heranwachsenden dabei, den Glauben als Möglichkeit zu entdecken, die Wirklichkeit zu deuten und ihr Leben zu gestalten. Der Evangelische Religionsunterricht bietet Kindern und Jugendlichen Unterstützung und Begleitung bei ihrer Suche

Religionsunterricht in der Schule

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nach Identität und Lebenssinn. Die Lernenden erwerben so Kompetenzen religiöser Bildung. Der Glaube selbst entzieht sich einer Überprüfung. Er kann deshalb zwar Gegenstand des Unterrichts, darf aber nicht Maßstab für die Leistungsbewertung oder Leistungsbeurteilung sein“ (http://www. bildungsplaene-bw.de). Grundsätzliche Ziele und Aufgaben des Religionsunterrichts in allen Schularten sind (2016): „Der Evangelische Religionsunterricht – unterstützt die Entwicklung religiöser Sprach- und Gestaltungsfähigkeit, – bietet altersgemäße Zugänge zur biblisch-christlichen Tradition und befähigt die Kinder und Jugendlichen zum Verständnis biblischer Texte, – thematisiert die Wahrheitsfrage und enthält sich angesichts der Begrenztheit menschlicher Erkenntnis letzter Urteile über Menschen, – fördert die Bereitschaft und die Fähigkeit, andere Auffassungen zu verstehen, Einstellungen zu erfragen und miteinander ins Gespräch zu bringen, – stärkt die ästhetische Kompetenz, Wirklichkeit sensibel wahrzunehmen und selbst kreativ tätig zu werden (zum Beispiel in den Bereichen Musik, Bildende Kunst, Literatur, Spiel, Tanz, Film, digitale Medien), – fördert die Sprach-, Toleranz- und Dialogfähigkeit der Kinder und Jugendlichen und leistet dadurch einen Beitrag zur Verständigung in der pluralen Gesellschaft. „Ein konstruktiver Umgang mit Pluralität kann weder in einer Gleichgültigkeit gegenüber allen Unterschieden bestehen noch in einem Rückzug von der Pluralität dadurch, dass nur noch die eigene Wahrheit gesehen wird“ (Religiöse Orientierung gewinnen, EKD 2014, S. 60), nimmt Kinder und Jugendliche als Mitgestalterinnen und Mitgestalter ihrer Lebenswelt ernst und stärkt die Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft, – beteiligt sich an der Gestaltung der Schule als Lebens- und Erfahrungsraum, insbesondere durch die Mitgestaltung von Festen, Feiern und Gottesdiensten, – beteiligt sich an der Öffnung zum Gemeinwesen, zu Kirchengemeinden, diakonischen Einrichtungen und anderen außerschulischen Partnern, – hat eine seelsorgliche Dimension und wird durch die Schulseelsorge ergänzt, – trägt zu einer profilierten Schulentwicklung bei. – Der Evangelische Religionsunterricht ermöglicht Kindern und Jugendlichen, sich selbst und andere als Geschöpfe Gottes mit individuellen Stärken und Schwächen wahrzunehmen. Er bestärkt sie, im Sinne der Inklusion sich und andere anzunehmen und im Blick auf gemeinsame Aufgaben

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Religionsunterricht in der Schule

Verantwortung für sich und die Gemeinschaft zu übernehmen. Die fachliche, didaktische und personale Kompetenz der Lehrperson sind wichtige Faktoren für den Evangelischen Religionsunterricht. Der Religionsunterricht ist offen für die fachübergreifende und fächerverbindende Vernetzung von Fragestellungen und Methoden sowie Kooperationen mit dem Katholischen Religionsunterricht und anderen Fächern. Darüber hinaus nimmt der Religionsunterricht als pluralitätsfähiges Fach, wo immer sich Möglichkeiten eröffnen, Chancen interreligiösen Lernens wahr“ (http:// www.bildungsplaene-bw.de/).

2

Rollen, Rollenverständnis, Beziehungen

Mit sich verändernden Unterrichts- und Lernformen werden Lehrpersonen mit neuen Anforderungen konfrontiert. Nicht der Frontalunterricht, der sich nach den Strukturen einer möglichst effizienten Stoff- und Informationsvermittlung richtet, sondern die Lehrperson als Coach:in, als Lernbegleitende von Lernprozessen der Lernenden, steht zukünftig für die Rolle des Erwachsenen im Unterrichtsgeschehen. Eine so begründete zurücknehmende Art lässt Lernenden Raum zur selbstbestimmten Erschließung von Unterrichtsstoff und Lerngegenständen. Die Lehrenden handeln nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe. Die helfende Lehrer:in-Schüler:in-Beziehung, wie sie Kurt Singer (2013) nennt, ist Grundlage des Lernens. Der pädagogische Takt, das rücksichtsvolle Miteinander, die achtsame Interaktion fördern eine angstfreie Lernatmosphäre: Lernende werden nie bloßgestellt, nicht unvorhergesehen aufgerufen oder beschämt – die Lernenden haben eine Würde, die dem Erwachsenen unverfügbar bleibt und die verletzlich ist. Ausdruck eines wertschätzenden und achtsamen Umgangs mit dem Schüler und der Schülerin sind u.a. eine angemessene Fehler-Freundlichkeit – aus Fehlern lernen, statt die Lernenden deswegen abzustrafen – und der achtungsvolle Umgang der Lernenden untereinander (im Folgenden nehmen wir direkt Bezug auf Kurt Singer, 2013) und seine Schriften: „Mit Schülern

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Rollen, Rollenverständnis, Beziehungen

in achtsamer Beziehung stehen“, „Lehrer:in-Schüler:in-Konflikte miteinander regeln“ und „Mit Schülern und Schülerinnen in achtsamer Beziehung sein – und mit sich selbst“. – In Konfliktsituationen reagiert der Erwachsene nicht durch Anordnungen, sondern vereinbart mit dem Lernenden etwas. Der Schüler/die Schülerin wird in die Verantwortung für eine gute Ordnung genommen (vgl. Singer 2013). Dafür sind folgende Schritte denkbar: – Lehrpersonen nehmen die Konfliktsituation bewusst wahr: „Jetzt möchte ich einmal genau ansehen, was da immer wieder abläuft.“ – Sie teilen den Lernenden mit, dass sie die störende Situation verändern wollen, ohne das Geschehen zu sehr auf die Lehrendenaktion zu verschieben: „Ich nehme wahr ...“ – Die Lernenden überlegen im Partner- oder Kleingruppengespräch, wie sich für sie die Problemsituation darstellt. Sie machen sich Notizen darüber als „Spur“ der Auseinandersetzung. Zuhören: Die Lehrperson hört den Lernenden zu. Ohne Kommentare oder Meinungsäußerung lässt die Lehrperson die Lernenden mitteilen, wie sie die störende Situation einschätzen. Aus dem unbefriedigenden Ist-Zustand heraus erarbeiten Lernende und Lehrende gemeinsam Problemlösungen. Die Vereinbarung für das neue Handeln wird schriftlich festgehalten. Lernende und Lehrpersonen wachen gemeinsam darüber, dass die Vereinbarung eingehalten wird. Entscheidend für eine gelingende Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden ist eine Grundhaltung des Respekts und der Wertschätzung, wie sie sich als Haltung aus dem christlichen Verständnis des Menschseins ergibt. Kinder sind Kinder, Jugendliche sind Jugendliche, junge Erwachsene sind junge Erwachsene. Alle sind Personen mit eigener ihnen gegebener Würde, die dem Erwachsenen immer wieder als unverfügbares Gut anzeigt, dass die Lernenden ein Recht auf Anerkennung, ein Recht auf achtsamen Umgang, aber auch ein Recht auf Sozialisation und Einführung in Normen und Werte der Schulgemeinschaft haben. Das mag zunächst ein Widerspruch sein, jedoch ist es die Aufgabe der Erziehenden und Lehrenden, die Kinder und Jugendlichen einzuführen in die Regelhaftigkeit der Schulgemeinschaft. Nur so ist gewährleistet, dass Kinder und Jugendliche und junge Erwachsene als Lernende jene Grenzen vermittelt bekommen, die sie befähigen, sich ihrer Freiheit eigenverantwortlich zu bedienen. Entscheidend bleibt aber immer, dass der Erwachsene Erwachsener bleibt und das Kind Kind, der Jugendliche Jugendlicher. Wie an anderer Stelle beim Modell-Lernen deutlich wird, ist es wenig förderlich, wenn Erwachsene sich in ein kindliches Rollenverhalten

Rollen, Rollenverständnis, Beziehungen

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zwängen mit der Absicht, so näher am Kind bzw. Jugendlichen zu sein. Ein solches Verhalten wäre wenig authentisch und für einen gelingenden Erziehungs- und Lehrprozess hinderlich. In der Folge würde sich ein Vakuum hinsichtlich der Vorbildfunktion und der Leitfunktion ergeben. Ein solches Vakuum würde dann jene Grenzen vermissen lassen, die Kinder und Jugendliche zur Entfaltung ihrer freiheitlichen Teilhabe innerhalb der Gemeinschaft notwendig brauchen. Informelle nicht autorisierte Handlungsmuster einzelner Lernenden mit dem Ziel, das Vakuum zu füllen, würden leicht zu einem konflikthaften Verhalten führen, das dann wiederum als Störung durch den Erwachsenen getadelt werden würde. Erziehende und Lehrende müssen sich ihrer Vorbildfunktion stets bewusst sein und diese Funktion als Erwachsene einnehmen und ausfüllen.

2.1

Beziehung, Lernen und Rollenverständnis

Ein oberflächlicher Blick in ein Klassenzimmer lässt zunächst den Schluss zu, es habe sich nicht wirklich viel an der Rolle der Lehrperson verändert. Tatsächlich trügt dieser spontane Eindruck. Von einer Rollenkontinuität der Lehrpersonen in der Schule kann, wenn überhaupt, nur noch im eng gefassten pädagogischen Aufgabenspektrum die Rede sein. Einerseits sind es die sich wandelnden Unterrichts- und Lernformen, die die Rolle der Lehrperson und damit auch das Verhältnis Lehrender und Lernende verändern; weniger Frontalunterricht, mehr Individualisierung in den Aneignungsprozessen und Anforderungssituationen. Weniger die möglichst effiziente Stoff- und Informationsvermittlung stehen im Vordergrund pädagogischen Handelns, sondern die Lehrpersonen sollen Coaches, Begleitende, Beratende der Lernenden in deren individuellen Lernarrangements sein. Daraus resultiert eine sich zurücknehmende Haltung der Lehrperson gegenüber dem Lernenden. Andererseits wirken ein sich wandelndes Rollenverständnis von Lehrpersonen und auch Lernender auf den heimlichen Lehrplan aus. Der bereits in den 60er Jahren problematisierte Begriff des heimlichen Lehrplans stellt personale Erziehungs- und Bildungsprozesse in der Schule per se infrage. Dabei unterliegt der Begriff des heimlichen Lehrplans mehrfacher Zuschreibungen (vgl. Ittel & Raufelder 2008, S. 61–62): – Er umschreibt Inhalte und Formen des Lernens, wie sie in offiziellen Bildungsplänen nicht genannt sind. – Er übernimmt tradierte geschlechterspezifische Sozialisation, die den Auftrag von Schule konterkariert. – Er steht für die Reproduktion bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse und verfestigt gesellschaftliche Strukturen und Ungleichheiten.

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Rollen, Rollenverständnis, Beziehungen

Gerade der letzte Aspekt, die funktionale Dimension schulischer Sozialisationsprozesse, wirkt auf das Beziehungsverhältnis von Lehrenden und Lernenden. Insbesondere deshalb, weil die individuelle Entfaltung menschlicher Anlagen zugunsten gesellschaftlicher Interessen unterdrückt wird (vgl. Kantner 2001). DIANA RAUFELDER (2007) hat das mit ihrer kulturanthropologischen Untersuchung thematisiert und fasst ihre Ergebnisse in einem Dualismus aus ritualisiertem Rollenverständnis von Lehrpersonen einerseits und Lernenden auf der anderen Seite zusammen. Dieser Dualismus durchdringte Raufelder zufolge das ganze schulische Bildungssystem und lasse deshalb wenig Spielraum für die Gestaltung pädagogischer Interaktionen. Was wiederum im Widerspruch zu den sich ändernden Rollenzuschreibungen, wie sie in jüngster Zeit diskutiert werden, steht. Lehrende und Lernende stehen sich vermeintlich unversöhnlich gegenüber. Und vor dem Hintergrund des immer wieder rezipierten pädagogischen Mantras des pädagogischen Takts und der aktuellen neurobiologischen Erkenntnisse zur Bedeutung der pädagogischen Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden, wird deutlich, Lernen kann mit solchen Rollenzuschreibungen, wie sie Raufelder analysiert und rekonstruiert hat, nicht gelingen. Kurt Singer (2013) folgend, braucht es eine helfende Lehrenden-Lernenden-Beziehung, in der der Lehrende nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe handelt. Dieses Beziehungsverhältnis ist zugleich die Grundlage erfolgreichen Lernens. Der pädagogische Takt, das rücksichtsvolle Miteinander, die achtsame Interaktion fördern eine angstfreie Lernatmosphäre. Aufgabe des Lehrenden ist es, das zu gewährleisten. Joachim Bauer sieht darin eine zentrale pädagogische Aufgabe. „Wo professionelle Akteure für andere Menschen tätig sind, ist die Möglichkeit, zwischenmenschliche Beziehungen zu gestalten, zugleich eine zentrale Aufgabe“ (Bauer 2010, S. 6). Eindrücklich weist Bauer auf die nicht immer segensreiche Beziehungsarbeit zwischen Lehrenden und Lernenden hin – körperliche Züchtigungen in den 50ern und 60ern „eine pädophile Kontakte legitimierende libertäre sexuelle Position“ (Bauer 2010, S. 6) in den 60er und 70er Jahren oder die in den letzten Jahren bekannt gewordenen Missbrauchsfälle in kirchlichen pädagogischen Einrichtungen. Diese pädagogischen Fehlentwicklungen sind Ausdruck einer Gegenreaktion wider die „schwarze Pädagogik“. Wie weit ist also die pädagogische Beziehung in der Schule noch relevant? Sind Forderungen nach einer beziehungsfreien „Professionalität“ in Lehr-Lern-Prozessen berechtigt? Joachim Bauer widerspricht und begründet aus neurobiologischer Perspektive die Notwendigkeit der Beziehungsgestaltung in pädagogischen Kontexten. Das von Bauer als Gegenregulation bezeichnete Phänomen basiert auf einer neurobiologischen Reaktion des menschlichen Gehirns, die auf Beziehungserfahrungen rekurriert. Insbesondere ein Wahrgenommen-

Rollen, Rollenverständnis, Beziehungen

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Werden, soziale Unterstützung, Wertschätzung oder die Erfahrung von Gemeinschaft veranlassen, setzen motivierende Botenstoffe wie Dopamin, Opioide oder Oxytozin frei (vgl. Bauer 2010). Unterrichtssituationen, die die Beziehungsebene zwischen Lehrenden und Lernenden vernachlässigen, sind aus neurobiologischer Sicht betrachtet, lernhemmend und Bauer zufolge aktiviert eine emotionsfreie Beziehung von Lehrenden und Lernenden die Stress-Systeme mit fatalen Folgen für das Lernen. Bauer führt einen weiteren Aspekt gelingender pädagogischer Beziehungsgestaltung an: Spiegelung und Resonanz (Bauer 2006). Beide sind Phänomene, die meist implizit das Unterrichtsgeschehen beeinflussen. „Lehrkräfte können über das Einfühl-Pozential [sic!] ihrer Spiegelneurone etwas von dem spüren, was in ihren Schützlingen vor sich geht. Kinder und Jugendliche nehmen dies ihrerseits wahr! Sie spüren nicht nur, ob sie in Erwachsenen eine Resonanz auslösen, sondern auch, wie sie wahrgenommen werden“ (Bauer 2010, S. 8). Dieser Erkenntnis folgend, lassen sich mit Bauer gesprochen, drei zentrale Forderungen von Lernenden an den Lehrenden ableiten (vgl. Bauer 2010, 8–9): 1. Zeige mir, dass du mich wahrnimmst. 2. Zeige mir meine Stärken und meine Schwächen auf. 3. Lass mich spüren, dass du an mich glaubst und meine Potenziale fördern wirst. Daraus leiten sich für die Rolle des Lehrenden zwei zentrale Forderungen ab, die der verstehenden Zuwendung, die für den Lernenden über das Resonanzverhalten der Lehrenden spürbar wird und die der pädagogischen Führung. Führung ist nach Bauer dann gegeben, wenn die Lehrenden die Spiegelneuronen ihrer Lernenden derart ansprechen, dass sie in Resonanz zu dem Lehrenden gehen. Medium dieser pädagogischen Führung sind Sprache und Körpersprache (vgl. Bauer 2010, S. 9). Während Bauer Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden in neurobiologischer Perspektive betrachtete, wählte John Hattie mit seiner MetaStudie einen erkenntnistheoretischen Zugang, die in den letzten Jahren den bildungstheoretischen Diskurs bestimmte. Die zentrale Botschaft, die mit einer hohen Effektstärke auf den Lernerfolg zielt, ist die „Haltung der Lehrperson“. Klaus Zierer verwendet dabei den Begriff „Expertise“. Sie lässt sich Zierer folgend nicht entlang von Berufserfahrung oder Arbeitspensum ableiten, sondern Expertise zeigt sich darin, „ob Lehrpersonen ihr Wissen mit Leidenschaft und Kompetenz weitergeben können. Es sind die „passionate and inspired teachers“, die „leidenschaftlichen Lehrpersonen“, welche den größten Einfluss auf die Lernenden haben“ (Zierer 2015, S. 6).

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Rollen, Rollenverständnis, Beziehungen

Im Zusammenspiel von fachlichen, pädagogischen und didaktischen Kompetenzen der Lehrenden sieht Hattie einen der größten Effekte für gelingendes Lernen. Howard Gardner, Mihaly Csikszentmihalyi und William Damon (2005) fassen unter Expertise Exzellenz, Ethik und Engagement zusammen. Gefordert sind Lehrende, die jene Haltung einnehmen können, die den Dialog mit den Lernenden sucht und deren Verständnis einer guten Lehrenden-Lernenden-Beziehung auf Kooperation und Akzeptanz beruht und den Lernenden als Ausgangspunkt für Erziehung und Unterricht anerkennt (vgl. Zierer 2015, S. 24). Hattie verwendet dafür den Begriff des Regisseurs. Entsprechend lässt sich weiter aus Hatties Meta-Studie ableiten: Gute Schule ist mehr als effektive Schule. Hattie leitet mit Visible Learning ein neues Denken über Schule und Unterricht ein, so Zierer (2015, S. 27). Entsprechend lassen sich mit Hatties Modell des Visible Learning vier Zugänge zur Beantwortung der Frage „Was ist eine gute Schule?“ ausmachen. Die an dieser Stelle zwar nicht weiter diskutiert werden sollen, jedoch soll an dieser Stelle auch ein kritischer Blick auf das gerichtet werden, was weder bei Hattie noch bei PISA & Co. Beachtung findet – die von Gardner (2013) benannten multiplen Intelligenzen: jene Kompetenzen also, die wesentlich zu Unterricht und Erziehung gehören, jedoch kaum auf quantitativempirischen Daten fußen, etwa motorische, soziale, affektive, moralische, ethische und religiöse Kompetenzen. Gerade diese Kompetenzen rahmen die Gestaltung von Lehrenden-Lernenden-Beziehungen einerseits und andererseits sind sie Ziel einer gelingenden Beziehungsarbeit und basal für den Lernerfolg der Lernenden. Führt man die vorangestellten Ausführungen der Frage zu, wie die Lehrperson im Religionsunterricht zu sein hat, um den individuellen Lernerfolg durch eine positive Beziehung zu den Lernenden gewährleisten zu können, stellt sich zugleich die Frage nach dem Selbstkonzept der „Religionslehrperson“. Es braucht die reflektierte Auseinandersetzung mit den Widersprüchen und den Unsicherheiten des beruflichen Alltags einerseits und die Selbstreflexion der Professionalität und Persönlichkeitsentwicklung (vgl. Terhart 2011) andererseits. Damit wird ein Personalisierungsprozess eingeleitet, in dessen Zentrum der Lehrende sich in der Rekonstruktion seiner Schulwirklichkeit reflektiert. Das geschieht vor dem Hintergrund der individuellen Erfahrungslage und im Bewusstsein des eigenen Kompetenzportfolios und skizziert zugleich ein professionelles berufliches Selbstkonzept (vgl. Marotzki 2007). Manfred Bönsch folgend, ist unter einem beruflichen Selbstkonzept „eine strukturierte und handlungsrelevante Vorstellung über die Prämissen, Op-

Rollen, Rollenverständnis, Beziehungen

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tionen und Handlungspräferenzen beruflicher Tätigkeit gemeint, also ein abgeklärtes Verhältnis zum eigenen Beruf, das durch pädagogische Professionalität gekennzeichnet ist“ (Bönsch 2019, S. 1), zu verstehen. Bönsch schlägt vor, entlang von sechs Qualifikationsaspekten ein positives berufliches Selbstkonzept zu markieren (vgl. Bönsch 2019, S. 2–12): 1. Wofür stehe ich? 2. Was beherrsche ich und wo bin ich ein Laie? 3. Bin ich Repräsentant der Allgemeinbildung? 4. Wie groß sind mein Anregungspotenzial und mein Methodenrepertoire? 5. Wie sehe ich mich in einer gesellschaftlichen Verantwortung? 6. Wie groß ist meine Verantwortung für die Schule (Ethos, Geist, Klima, Kooperation)? Als Ergebnis der Beantwortung der o.g. Fragen stünde eine sogenannte faktische Beschaffenheit des beruflichen Selbstkonzepts (Bönsch 2019, 12). Das Konzept, das eine Person von sich selbst erstellt, basiert auf Selbstwahrnehmung und Feedback durch die Umwelt. An erster Stelle steht die Selbstwahrnehmung, sie leitet Veränderungsprozesse ein, die zu einer Berufszufriedenheit führen können. Die wiederum ist Voraussetzung für ein positives berufliches Selbstkonzept und gründet auf einem umfangreichen Kompetenzportfolio für Lehrende. In seiner Konkretisierung zum beruflichen Selbstkonzept von Religionslehrerinnen und Religionslehrern stellt Gottfried Adam (1997) ein umfangreiches Anforderungsprofil aus Eigenerwartungen, Fremd­ erwartungen, Rollenerwartungen und strukturellen Rahmenbedingungen zur Verfügung. Adam betont zugleich, dass das Idealbild in der Praxis häufig zugunsten eines Realbildes von Religionslehrenden abweicht. Für einen berufspraktischen Zugang zu einem professionellen beruflichen Selbstkonzept, erweist sich als erster Zugang die Arbeit an einer positiv besetzten Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden als hilfreich. Zum einen ist dieser Zugang in seinem Ergebnis geeignet, die unterrichtliche Situation unmittelbar zu einer förderlichen Lernkultur werden zu lassen. Zum anderen ist damit einhergehend eine erste Berufszufriedenheit zu erwarten, die u.a. dadurch zum Ausdruck kommt, dass sich Fragen nach Selbst- und Fremdwahrnehmung einstellen, wie etwa die Frage „Wäre ich heute Schüler:in, wünschte ich mich als Lehrer:in?“ „Habe ich Freude am Unterrichten und gehe ich gerne zur Schule?“ oder „Interessiert mich der Lernstoff, den ich unterrichte?“ usw. (vgl. Singer 2019). Die Arbeit am Selbst ist die Frage nach der eigenen Haltung. „Haltung“ ist jedoch ein Containerbegriff, wie es Dietmar Peter formuliert (vgl. Peter 2018, S. 17). Und, um den Bogen zu Hattie zu schlagen, die Haltung des Lehrenden ist ent-

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Rollen, Rollenverständnis, Beziehungen

scheidend für die bildungsbiografische Laufbahn des Lernenden. Und in Rückbesinnung auf Hatties Studie, drängt sich die Frage auf, wenn Haltung zum wichtigsten Merkmal erkoren ist, ist Haltung lehrbar oder gar veränderbar (Peter 2018, S. 17)? Während Haltung bei Pierre Bourdieu mit dem Begriff „Habitus“ die gesamte innere und äußere Haltung eines Menschen erfasst, sein Auftreten, den Stil oder die Sprache, die Kleidung oder seinen Geschmack, verweist Peter auf den von Kuhl, Schwer und Solzbacher verwendeten Begriff Haltung, der Faktoren wie Einstellungen, Glaubenssätze, subjektive Theorien, Werte und ethische Postulate und/oder Handlungsintentionen und -ziele subsumiert (Peter 2018, S. 17). Dietmar Peter weiter folgend, lassen sich unter diesem Zugang Werte wie Verlässlichkeit, Respekt, Vertrauen, Wertschätzung oder Authentizität, Selbstreflexion, Begeisterung u.v.m. abbilden (vgl. Peter 2018, S. 17–18). Mit der von Julius Kuhl postulierten psychologischen Persönlichkeits-System-InteraktionenTheorie (PSI) ist eine Bezugsebene geschaffen, die geeignet scheint (Peter 2018, S. 18), Haltung und damit die Frage nach dem Selbst des Menschen als wesentliche Haltungsfrage herauszustellen. Haltung ist da und die „falsche“ Haltung gibt es nicht. Damit einher geht jedoch auch die Frage, wie sich eine professionelle pädagogische Haltung im Sinne des Selbstkonzepts ausbilden bzw. nachjustieren lässt. Womit sich wiederum ein Bogen zu Singers „Fragen an mich selbst“ schlagen lässt – eine Potpourri an Fragen, die zur Reflexion der eigenen Erfahrungen veranlassen. Die Frage nach der Lehrbarkeit lässt Peter offen. Das Momentum des Religionsunterrichts ist darin begründet, dass es nicht nur um Wissensvermittlung geht, sondern auch darum, sein eigenes Person-Sein zu ergründen, Deutungsoptionen seiner eigenen Lebenswirklichkeit zu erfahren. Die Rolle der Religionslehrenden ist die des Mediums, das durch „Lehre, Sprache, Raum und Ethos ihren Unterrichtsgegenstand“ (Peter 2018, 21) vermittelt. Die Ausbildung einer positiven pädagogischen Haltung steht dementsprechend als Voraussetzung gelingender Schul- und Unterrichtsentwicklung vorne an und, um den aktuellen Diskurs zur Digitalisierung und zum Bildungsmonitoring kritisch aufzunehmen, basal für Lernerfolg, Berufszufriedenheit, Rollenklarheit und Wirksamkeit von Schule.

2.2

Umgang mit Störungen und Störungsprävention

Was sind Störungen?

Unterricht ist ein Beziehungsgeschehen. Menschen aus unterschiedlichen Verhältnissen und mit sehr verschiedenen Voraussetzungen werden zu einer Klasse zusammengesetzt, die sich die Lernenden in der Regel nicht aus-

Rollen, Rollenverständnis, Beziehungen

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suchen und die das klar definierte Ziel hat, gemeinsam zu lernen. Lehrende stehen in dieser Situation immer wieder neu vor der Herausforderung, dieser „zusammengewürfelten Menschenansammlung“ zu helfen, eine lernfähige Gruppe zu werden. Dazu braucht es Regeln und ein gutes Klassenklima. Der Religionsunterricht steht dabei häufig vor der besonderen Herausforderung, dass Menschen aus verschiedenen Klassen zusammenkommen und in dieser Konstellation für zwei Wochenstunden ein neuer Gruppenprozess angestoßen wird, der gestaltet werden muss. Störungen sind in einer solchen Situation zunächst einmal vollkommen normal. Grenzen werden ausgetestet, viele Persönlichkeiten suchen und finden ihren Platz – die Gruppe (mit ihrer Leitung) sucht und findet sich; die Gruppenphasen werden durchlaufen. Wichtig für die Lehrperson ist, die Störungen wahrzunehmen, deren Ursachen selbstkritisch zu analysieren und so weit wie möglich zu minimieren.

Was ist eine Unterrichtsstörung?

Bevor mit der Suche nach den Ursachen für Unterrichtsstörungen begonnen wird, muss definiert werden, was eine Unterrichtsstörung eigentlich ist – denn ein lebendiger Unterricht kann laut sein, ohne dass eine Störung vorliegt und eine schweigende, fleißig arbeitende Klasse kann von Störungen (z.B. Angst) belastet sein. Folgende Definitionen von Unterrichtsstörungen finden sich in der Literatur: „Alles, was den Prozeß oder das Beziehungsgefüge von Unterrichtssituationen unterbricht oder unterbrechen könnte, ist als konkrete oder potentielle Unterrichtsstörung definierbar“ (Biller 1979). „Eine Unterrichtsstörung liegt dann vor, wenn der Unterricht gestört ist, d.h. wenn das Lehren und Lernen stockt, aufhört, pervertiert, unerträglich oder inhuman wird“ (Winkel 2011). Gert Lohmann sieht in Unterrichtsstörungen jene Ereignisse, „die den LehrLern-Prozess beeinträchtigen, unterbrechen oder unmöglich machen, indem sie alle Voraussetzungen, unter denen Lehren und Lernen erst stattfinden können, teilweise oder ganz außer Kraft setzen. Zu den Voraussetzungen zählen äußere und innere, das Lernen ermöglichende Bedingungen, wie physische und psychische Sicherheit, Ruhe, Aufmerksamkeit, Konzentration“ (Lohmann 2011).1

1 https://unterrichtsstoerungen.com/unterrichtsstoerungen-definition/

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Rollen, Rollenverständnis, Beziehungen

Störungen durch Lernende und externe Faktoren

Die wenigsten Störungen werden durch die Lernenden absichtlich verursacht – bei näherem Hinsehen, sind es (neben durch die Lehrperson verursachten Störungen – s.u.) oft außerhalb der Lernendenpersönlichkeit liegende Faktoren, die eine Störung erklären. Lernende bringen Ursachen für Störungen mit in den Unterricht. Bei manchen Lernenden wirken sich diese Ursachen in störendem Verhalten aus. Solche Störungsursachen können beispielsweise sein: – Krankheitsbilder (Autismus, AD(H)S, Depressionen, Traumata …) – Hunger (fehlendes Frühstück, vergessenes Vesper ...) – Belastende Probleme in der Familie (aktuelle Scheidung der Eltern, Misshandlung, Tod eines Familienangehörigen, psychische oder physische Erkrankung eines Elternteils ...) – Fehlende Deutschkenntnisse (bei Lernenden, die aus einem anderen Land neu in die Klasse kommen) – U.v.m. Störungen dieser Art sind zunächst einmal „da“, müssen wahrgenommen, analysiert und deren Ursachen herausgefunden werden. Nur, wenn die Lehrperson die Ursachen kennt und wahrnimmt, ist ein Umgang und eine Integration der Störungsursache in den Unterricht möglich – denn häufig lassen sich Störungen dieser Art nicht einfach beheben – jedoch die Ursache integrieren. Es kommt also darauf an, kreativ zu werden und Unterrichtsformen und -methoden zu finden, mit denen der gemeinsame Unterricht möglich ist und bleibt. Kontraproduktiv ist in einem solchen Fall das Jammern und Klagen über den Störenfried. Jede neue Geschichte über das störende Kind, den störenden Jugendlichen, die im Lehrerzimmer verbreitet wird, drängt die Betroffenen weiter an den Rand des Beziehungsgefüges „Schule“ und diskriminiert sie. Stattdessen kann das gemeinschaftliche wertschätzende Suchen nach Lösungen im Kollegium sehr hilfreich sein und zur Entschärfung einer Konfliktsituation beitragen.

Hilfreiche Tipps für das Vorgehen in einem solchen Fall

Der Ursache auf den Grund gehen, indem Gespräche mit dem Lernenden, anderen Lehrpersonen (besonders der Klassenlehrperson) und ggf. den Eltern geführt werden. Ist die Ursache bekannt und haben andere Lehrpersonen bereits Regeln/ Methoden eingeführt, um die Lernenden zu integrieren, ist es sinnvoll, dieses Vorgehen auch für den Religionsunterricht zu übernehmen. Dies bringt

Rollen, Rollenverständnis, Beziehungen

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für die Lernenden Verlässlichkeit und Kontinuität und die Lehrperson muss keine Energie in die Einführung neuer Regeln stecken. Eine gute, wertschätzende Beziehung zu dem Lernenden aufzubauen, ist unbedingt notwendig: Eine gute Beziehung entspannt beide Seiten. Grenzen deutlich machen: Neben einer guten Beziehung ist das sehr klare Ziehen von Grenzen wichtig. Lernende wissen sehr genau, dass sie in der Schule nicht alles dürfen – trotzdem probieren sie bei jeder Lehrperson auf’s Neue, wie weit sie gehen können. Grenzen gelten auch für Lernende, die mit ihrem Verhalten auffallen. Es ist jedoch möglich, Sonderregeln mit ihnen auszuhandeln. Diese müssen mit der gesamten Klasse kommuniziert sein, damit andere Lernende sich nicht benachteiligt fühlen. Bedeutsam ist, Einzelgespräche nach der Stunde zu führen: Einen Konflikt oder eine Grenzüberschreitung während der Stunde vor der ganzen Klasse zu klären, endet meistens in einem Machtkampf, den keine der Seiten verlieren will. Um aus dieser verbalen Gewaltspirale herauszukommen, oder den Machtkampf gar nicht erst zu beginnen, ist es hilfreich, den Lernenden nach der Stunde zu einem gemeinsamen Gespräch zu bitten. In diesem Gespräch kann der Störungsursache auf den Grund gegangen werden, es können „Verträge“ ausgehandelt und Entschuldigungen formuliert werden. Wichtig ist, dass die Sicht der Lernenden ihren Platz hat und der Lernende Vorschläge zum weiteren Vorgehen einbringt. Für Zweiergespräche gilt im Kontext nachzuweisender Schutzkonzepte (Schutzkonzepte sind seit 2018 Pflicht) das Prinzip der offenen Tür. Die Lehrperson sollte sich Notizen über Vorlieben machen: Verhaltenskreative Lernende erleben häufig eine Negativspirale. Sie werden für ihr Verhalten ermahnt, sind geknickt und stören aus Frust weiter – oder bekommen sogar nur für störendes Verhalten Aufmerksamkeit. Notieren Sie sich alles, was der Lernende gut kann und bestätigen Sie den Lernenden darin immer wieder. Ein positives Feedback fördert das meist gering entwickelte Selbstwertgefühl des Lernenden. Und schließlich: Störungen durch Lernende sind nicht als unangemessene Belastung zu deuten, sondern deuten vielmehr darauf hin, dass der Lernende eine Last zu tragen hat, unter der er/sie ohne Hilfe einknicken würde. Eine innere, wertschätzende Haltung gegenüber diesen von Gott geliebten Geschöpfen hilft häufig dabei, das störende Verhalten neu einzuordnen und entsprechend anders darauf zu reagieren.

Störungen durch Lehrende

Bei genauem Hinsehen und einer kritischen Reflexion des eigenen Unterrichts wird häufig deutlich: Die Ursache der meisten Störungen liegt in Fehlern der Lehrperson. Dies kann beispielsweise eine so langgezogene und

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Rollen, Rollenverständnis, Beziehungen

schlecht erzählte Geschichte sein, bei der es die logische Folge ist, dass Lernende unruhig werden und beginnen, sich anderweitig zu beschäftigen; oder es kann eine falsche Formulierung sein, die den Lernenden signalisiert, die Stunde sei zu Ende, woraufhin alle beginnen, ihren Ranzen zu packen; niemand kann von Lernenden (in der Grundschule) erwarten, dass sie ein so gutes Zeitgefühl haben, dass sie wissen, ob die Stunde wirklich vorbei ist. Das Schwierige und Problematische an Lehrerstörungen ist die Ungerechtigkeit, die sich daraus ergibt, wenn Lernende für Störungen bestraft werden, die die Lehrperson verursacht hat. Das Gute an Lehrerstörungen ist wiederum die Tatsache: An den Ursachen dieser Störungen können Lehrpersonen am besten arbeiten und lernen, sie zu vermeiden. In der folgenden Tabelle sind einige typische Lehrerstörungen aufgeführt. Die Tabelle dient gleichzeitig zur Reflexion des eigenen Unterrichts. Die Störungen sind in die drei Ebenen „Unterricht“, „Classroommanagement“ und „Beziehung“ aufgeteilt, wobei die Grenzen zwischen den Bereichen fließend sind. Lehrerstörung

Vorkommen in der Stunde Selten

1. Störungen auf der Unterrichtsebene Unterforderung (einzelner oder aller Lernenden) Überforderung (einzelner oder aller Lernenden) Unklare Arbeitsanweisungen/Erklärungen Leerlaufzeiten (jede noch so kurze Zeit, in der die Lernenden nichts zu tun haben/warten müssen, ist eine potenzielle Störungsquelle!) Fehlender roter Faden im Unterrichtsverlauf Fehlende Überleitungen zwischen den Unterrichtsphasen Falsch formulierte Fragen/W-Fragen an falscher Stelle Verwirrende Tafelanschriebe Insgesamt schlechte Vorbereitung Falsch gewählte/unpassende Methoden Fehlende Abwechslung Lehrer-Echo (= Lehrperson wiederholt alles von den Lernenden Gesagte; die Notwendigkeit anderen Lernenden zuzuhören, geht damit verloren). Verwendung unbekannter Worte Probleme beim Sprechen (nuscheln, zu schnelles Sprechen, monotone Sprache, zu leise/laute Sprache)

Häufig

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Monologe/zu lange Lehrervorträge Lehrerfloskeln und Füllworte (äh, öh, also, und dann, „Ich habe euch was mitgebracht“, „was machen wir jetzt“, „wir machen jetzt ein Arbeitsblatt“) 2. Störungen auf der Classroom-Managementebene Fehlende oder nicht sofort greifbare Materialien Fehlende Rituale/Signale (zum Ankommen, leise werden, in den Kreis gehen ...) Unklare Formulierungen von Erwartungen Schlecht sichtbare Bilder oder Materialien Fehlende oder unklare Konsequenzen „Schein“-Schluss (die Lernenden packen aufgrund einer schlecht gewählten Formulierung plötzlich zusammen) Unklare/fehlende Regeln 3. Störungen auf der Beziehungsebene Ungerechtigkeit Unpassende Kleidung der Lehrperson (Flecken, immer das Gleiche, zu viel Haut ...) Innere Abwesenheit/fehlende innere Präsenz Autoritäres, angsteinflößendes Verhalten Wunsch, von den Lernenden gemocht zu werden (und damit fehlendes Einfordern von klaren Grenzen) Verwenden falscher Namen Unsicherheit in der Rolle des Lehrenden

Umgang mit Störungen und Störungs-Prävention

„Störungen haben Vorrang!“ diese weit bekannte Aussage aus dem Kommunikationsmodell von Friedemann Schulz von Thun, gilt auch für den Religionsunterricht – dabei muss jedoch immer das Ziel verfolgt werden, eine gute Lehr-Lern-Atmosphäre zu schaffen. Aus Störungen kann eine Lehrperson lernen, wie eine Klasse „tickt“, was eine Klasse braucht und der Blick für selbstverschuldete Lehrerstörungen kann sensibilisiert werden. Da jede Klasse einmalig und einzigartig ist, gibt es keine „Geheimrezepte“, bei deren Anwendung jede Klasse störungsfrei „funktioniert“. Es geht jedes Mal – in jeder Klasse und jeder Stunde auf’s Neue – darum, sensibel für die Bedürfnisse einer Klasse zu sein und in einem guten Miteinander eine gute Lehr-Lernatmosphäre zu schaffen. Die folgenden Tipps können hierbei hilfreich sein.

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Kampf der Langeweile – eine gute Vorbereitung ist das A & O

Langeweile ist Störungsursache Nummer eins. Wer sich dieser Tatsache bewusst ist, sich bei der Unterrichtsvorbereitung Zeit nimmt, einen abwechslungsreichen und zur Klasse passenden Unterricht zu entwerfen, hat die schwerwiegendste Störungsursache bereits minimiert. Es lohnt sich, an dieser Stelle Zeit zu investieren und im Nachgang einer Stunde zu notieren, welche Methoden und Themen bei einer Klasse besonders gut ankamen, um die Klasse kennen- und einschätzen zu lernen.

Positive, motivierende Lehrerautorität

Wenn Lehrpersonen von Lernenden erwarten, sich im Unterricht ordentlich zu verhalten und mitzuarbeiten, dann haben die Schüler:innen auf der anderen Seite das Recht, von den Lehrpersonen, neben einem abwechslungsreichen Unterricht – ein motivierendes, klares und positives Auftreten zu haben. Gelingt ein solches Auftreten, ist auch an dieser Stelle der Langeweile vorgebeugt und Lehren und Lernen gelingen auf beiden Seiten besser.

Klarheit und Gerechtigkeit

Lernende haben ein Recht auf Gerechtigkeit und darauf zu wissen, nach welchen Regeln ein Unterricht abläuft. Ist eine Lehrperson unsicher, unklar oder legt unterschiedliche Gerechtigkeitsmaßstäbe an, birgt das die Gefahr von Unruhe, Unzufriedenheit und dem Gefühl benachteiligt zu werden. In einer solchen Atmosphäre ist Lernen undenkbar und Störungen allgegenwärtig. Hilfreiche Tipps und Methoden zur Schaffung von Klarheit und Gerechtigkeit: – Sich darüber bewusst sein, welche Verhaltensweisen, Grenzen und Regeln die eigene Lehrpersönlichkeit braucht, um gut unterrichten zu können. – Mit den Lernenden Regeln für den Unterricht besprechen, aushandeln und schriftlich festhalten – und dann auch einfordern und auf Einhaltung bestehen. – Sich im Anschluss an eine Stunde Notizen machen, wer in der Stunde beteiligt war – um alle Lernenden im Laufe des Schuljahres ähnlich häufig zu fragen und dran zu nehmen. – Vorwürfe der Ungerechtigkeitsbehandlung ernst nehmen, prüfen, besprechen und sich ggf. entschuldigen. – Kommunizieren, wenn es Gründe gibt, die die gewohnte Klarheit im Unterricht stören – beispielsweise Krankheit, schlechter Schlaf, Sorgen ... Lernende haben bei einer guten Beziehung großes Verständnis für solche Situationen und nehmen gerne Rücksicht.

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– Los-Gläser: Besonders in Grundschulen kommt häufig der Vorwurf, jemand sei schon letztes Mal dran gewesen. Eine einfache Methode ist das „Lose-Glas“. In ein Glas kommen Zettel mit den Namen aller Lernenden. Für beliebte Aufgaben wird jeweils ein Kind gelost und das Los im Anschluss aussortiert. Wenn das Glas leer ist, war jedes Kind einmal dran – das Glas wird neu gefüllt. – Lieber mit positivem Feedback als mit Strafen arbeiten (s.u.). – Akustische oder visuelle Signale einführen, um den Lernenden zu signalisieren, was gerade erwartet wird – solche Signale schonen die Stimme und schaffen einen entspannten Stundenverlauf, z.B. Klangsignal für Aufmerksamkeit; Symbole an der Tafel für Stillarbeit, Gruppenarbeit usw.; Zeichen für Sozialformenwechsel; Hinweise auf die verbleibende Zeit für eine Aufgabe ... Je jünger die Lernenden sind, desto mehr müssen solche Signale geübt werden – an dieser Stelle lohnt sich jedoch die Investition der Übungszeit.

Belohnen statt strafen

Das Aussprechen einer Strafe birgt immer die Gefahr eines Machtkampfes und einer Beziehungsstörung. Denn: Was, wenn ein Lernender sich weigert und austestet, wie weit er/sie gehen kann? Besser sind Gespräche (s.o.) oder Belohnungssysteme, Lernende motivieren und Beziehung fördern. In der Grundschule gilt: Die Signale und Systeme müssen klar strukturiert sein. Bei Lernenden in weiterführenden Schulen (Unter-/Mittelstufe in der Sekundarstufe I) reicht es häufig, die Lernenden mit einer Belohnung zu überraschen – beispielsweise mit einem Kuchen (Vorsicht: Allergien), einem Spaziergang oder einem Film, der einfach genossen werden darf. Wichtig in diesem Fall ist die Kommunikation, dass die Lernenden sich diese Belohnung durch gute Mitarbeit, besondere Leistungen oder gutes Verhalten verdient haben. Für Grundschulen und ggf. auch noch für den Beginn von Sekundarstufe I gibt es unzählige Belohnungs- und Ermahnungssysteme. An dieser Stelle kann nur eine kleine Auswahl beispielhaft genannt werden: Stoppuhr: Ziel dieser Methode ist eine Spielstunde als Belohnung. Den Lernenden wird erklärt, dass in einer bestimmten Stunde (z.B. vor den Ferien) gespielt wird. Allerdings nur, wenn sie in den Stunden davor ordentlich mitmachen. Mit Ermahnen und das Warten auf Ruhe, geht sehr viel Zeit verloren. Diese Zeit muss ggf. in der Spielstunde nachgeholt werden. Sobald die Klasse unruhig ist oder nicht still wird, nimmt die Lehrperson demonstrativ die Stoppuhr in die Hand startet sie und sagt nur: „Eure Zeit läuft.“ Dann wird gewartet. Alle Zeit, die es braucht, bis die Klasse ruhig ist, wird von der Spielstunde abgezogen. In der Regel wird die Klasse auf diese Weise sehr

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schnell ruhig. Durch besonders gute Leistungen kann den Lernenden Zeit auch wieder gutgeschrieben werden. Wichtig: Es bedarf einer richtigen Stoppuhr. Die Handy-Stoppuhr löst regelmäßig Diskussionen über Handys in der Schule und die Handymarke aus und ist damit eine Lehrerstörung. Zeitsteine: Es wird wieder eine Stunde (z.B. vor den Ferien) zur Spielstunde erklärt. Ein Glas mit 45 Deko-Steinen steht gut sichtbar im Zimmer. Wenn die Lernenden sich nicht an die (klar definierten!) Regeln halten, geht die Lehrperson zum Glas und nimmt theatralisch und langsam einen Stein nach dem anderen heraus. Jeder Stein steht für eine Minute der Spielstunde, die verloren geht. Durch gute Mitarbeit und besondere Leistungen können Steine auch wieder zurückgewonnen werden. Selbsteinschätzung: Die letzten fünf Minuten der Stunde sind der Stundenreflexion gewidmet. Die Lernenden schätzen auf einer Skala zwischen null und fünf ein, wie gut Mitarbeit, soziales Miteinander, Klassenregeln (diese können ggf. noch ausdifferenziert werden) geklappt haben. Die Einschätzung kann mit den Fingern angezeigt werden (alle schließen die Augen und zeigen ihre Einschätzung; dann Augen öffnen). Einzelne Lernende begründen ihre Wahl. Auch die Lehrperson gibt eine Meinung ab. Gemeinsam wird verhandelt, wie viele Punkte die Klasse für die Stunde bekommt. Ist eine vorher bekannt gegebene Gesamtpunktzahl erreicht, gibt es eine Belohnung. Ampel: Die Ampelmethode wird häufig als Bestrafungssystem eingesetzt, sie kann aber auch als Belohnungssystem genutzt werden. Eine Ampel aus Tonpapier hängt an der Tafel. An der Ampel hängt für jedes Kind eine Wäscheklammer, die mit dem Namen des Kindes beschriftet ist. Die Klammern hängen zunächst alle auf grün. Für Verhalten, das sich gegen die vereinbarten Klassenregeln richtet, wird die Klammer des störenden Kindes zunächst auf gelb und schließlich auf rot gesetzt. Anstatt einer Strafarbeit für Lernende, die auf rot sind, bekommen alle Lernenden, die auf grün sind, am Ende der Stunde zwei Punkte, Lernende auf gelb bekommen einen Punkt, wer auf rot ist, bekommt keinen Punkt. Wer eine bestimmte Punktzahl erreicht hat, bekommt eine kleine Belohnung. Zur Motivation, sein Verhalten zu bessern, ist es sinnvoll, die Regeln einzuführen, dass man für besonders gutes Verhalten ab der Störung auch wieder zurück auf grün oder gelb wandern kann. Materielle und nicht-materielle Möglichkeiten zu belohnen: Spielstunde, Spaziergang, Film, Süßigkeiten (Vorsicht: Allergien), Spielen eines Wunschspieles der Lernenden, Plastikedelsteine, Murmeln, Kiste mit kleinen Spielsachen, aus der man sich etwas aussuchen darf (mit Radiergummis, Spitzer, Kreisel, Flummis, Buttons ...), Luftballons, Aufkleber, usw. Achtung: Bei ess-

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baren Belohnungen muss vorher eine Information über Allergien, Unverträglichkeiten und ggf. religiöse Speisevorschriften in der Klasse eingeholt werden!

Klassenregeln für den Religionsunterricht

Ohne Regeln sind sämtliche Belohnungssysteme und Bestrafungen sinnlos – und Unterrichten unmöglich. Rechte, Regeln und Pflichten für beide Seiten (Lehrende und Lernende) müssen besprochen und formuliert sein. Viele Schulen definieren das Recht auf ungestörten Unterricht (für Lehrende und Lernende) bereits in der Schulordnung oder dem Schulkonzept. Als Religionslehrperson ist es wichtig, sich an jeder Schule, an der unterrichtet wird, darüber zu informieren. Zudem hat jede Klasse Klassenregeln, die mit den Klassenlehrpersonen eingeführt und geübt werden. Religionslehrpersonen stehen häufig vor der Herausforderung, dass im Religionsunterricht Lernende aus verschiedenen Klassen zusammenkommen. Je besser sich eine Religionslehrperson auf diese Situation vorbereitet, desto besser gelingt das Unterrichten. Folgende Hinweise hierzu sind hilfreich. Im Vorfeld: sich über Schulregeln informieren. Mit Klassenlehrpersonen der Religionsklassen ins Gespräch kommen und nach den Klassenregeln der einzelnen Klassen fragen; außerdem sich informieren, ob es in der Klasse Lernende gibt, für die „besondere“ Regeln gelten und wie der Toilettengang während der Stunde geregelt ist. Sich selbst darüber klarwerden: Welche Regeln sind mir wichtig? Welche Regeln sind wichtig, um gut unterrichten zu können? Nur, wer die Grenzen kennt und sich selbst daran hält, kann sie von Lernenden auch einfordern! Mit den Lernenden: Die erste Stunde mit den Lernenden dient zunächst einmal dem Kennenlernen. In vielen Klassen genügt es, darauf hinzuweisen, dass man sich über die Klassenregeln der einzelnen Klassen informiert hat und dass diese auch im Religionsunterricht gelten. Häufig sind die Klassenregeln verschiedener Klassen ähnlich, das Belohnungs- und Bestrafungssystem jedoch unterschiedlich. In diesem Fall ist es sinnvoll, für den Religionsunterricht ein eigenes System einzuführen – sofern die Klasse dies braucht. Viele Klassen „funktionieren“ bei klarem Einfordern der Regeln auch ohne solche Systeme. Selbstverständlich können für den Religionsunterricht auch eigene Regeln formuliert werden. Dabei ist weniger oft mehr: Wenige klare Regeln sind einfacher einzuhalten und einzufordern als ein ganzer Regelkatalog! Regeln positiv formulieren: Positiv formulierte Regeln schließen sehr viele Verhaltensweisen aus und motivieren mehr, sie einzuhalten. Außerdem verhindern positiv formulierte Regeln provokantes Austesten. Formuliere ich beispielsweise: „Wir schlagen keine Mitschüler oder Mitschülerinnen!“

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kommen Lernende schnell auf die Idee: Kneifen, treten und an den Haaren ziehen sind logischerweise erlaubt – steht ja nicht in der Regel! Formuliere ich aber: „Wir gehen freundlich und respektvoll miteinander um“, schließt das jede Form der Gewaltanwendung aus. Regeln müssen besprochen und deren Sinn deutlich gemacht werden. Die Lernenden sollen verstehen, dass Regeln nicht da sind, um Lernende zu ärgern, sondern um die Rechte jedes Einzelnen auf störungsfreien, angstfreien und wertschätzenden Unterricht zu sichern. Lernende unterschreiben die Regeln für den Religionsunterricht und erklären sich auf diese Weise damit einverstanden. Die Regeln sollen gut sichtbar den Religionsunterricht begleiten, sodass immer wieder darauf hingewiesen werden kann. Beispiele für positiv formulierte Klassenregeln: – Ich melde mich, wenn ich etwas sagen möchte. – Ich werfe den Müll in den richtigen Mülleimer. – Ich arbeite nur mit meinem eigenen Material und frage, bevor ich mir etwas leihe. – Ich höre zu, wenn andere sprechen. – Ich verlasse meinen Platz ordentlich. – Ich arbeite mit und erledige Aufgaben, so gut ich es kann. – Ich helfe anderen Lernenden. Sind die Regeln, die im Religionsunterricht gelten, besprochen, erarbeitet und bekannt gegeben, kommt es darauf an, diese einzufordern und auf deren Einhaltung zu bestehen. Dies ist Aufgabe der Lehrperson! Die Lernenden testen in der Regel, wie weit die gesetzten Regeln dehnbar sind. Hier lohnt es sich, in den ersten Stunden nach der Bekanntgabe der Regeln, sehr klar auf deren Einhaltung zu bestehen. Je jünger die Lernenden sind, desto schwerer fällt ihnen das Erlernen der Einhaltung. Lernende in den ersten Klassen beispielsweise kennen die Regeln, die in der Schule gelten, noch nicht. Sie müssen lernen und immer wieder daran erinnert werden, dass man sich meldet, bevor man spricht. Ältere Lernende kennen die Regel sehr genau, testen aber jede Lehrperson aus, in wieweit eine Regel Geltung hat. Hier zahlt sich Konsequenz aus. Die Lernenden lernen sowohl, dass sie sich an Regeln zu halten haben – aber ebenso lernen sie, wenn sie sich bei einer Lehrperson nicht an Regeln halten müssen. Zuletzt sei darauf hingewiesen: Lernende brauchen und schätzen Grenzen und Regeln. Sie sind dankbar für einen klaren, fairen und gerechten Führungsstil mit klaren Grenzen und Regeln. Ermahnungen, Hinweise auf

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Regelverletzungen und berechtigte Strafen (als Folge einer Regelverletzung) tun der Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden gut – wenn sie für beide Seiten einsehbar und berechtigt sind und dazu dienen, das gestörte Lehr-Lern-Klima wiederherzustellen.

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Im Jahr 2004 wurde das erste Mal in Deutschland im Bereich der Lehrpläne auf sog. Bildungspläne umgestellt und das nicht nur von der Bezeichnung, sondern von der ganzen Struktur her. Das 2004 neue Stichwort „Kom­ petenz­orientierung“ löste ein didaktisch-methodisches Denken ab, das sich bis dahin fast ausschließlich an Inhalte und Lehrer:innensichtweisen band. Kompetenzorientierung fordert aber ein Denken von Ergebnissen und Resultaten von Lernprozessen her, das die Schüler:innenseite stärker in den Blick nimmt: Welche Kompetenzen sollen an Inhalten und Themen ausgebildet werden und was sind Basiskenntnisse und Basiskompetenzen zum jeweiligen Inhalt? Waren Lehrpläne bis 2004 noch an die sog. T-Struktur gebunden (Groblernziel für eine thematische Einheit als Überschrift, darunter – getrennt durch einen Längs- und Querbalken – links Lernziele, rechts Methoden und Hilfsmittel usw., um – in der Regel kognitive – Lernziele zu erreichen), fordert der kompetenzorientierte Bildungsplan 2016 (vgl. Kliemann & Kasper 2016) mehr Flexibilität und Kreativität seitens der Lehrenden, sich auf die jeweilige Lerngruppe mit ihren Besonderheiten einzustellen. Die traditionelle Lehrplanstruktur verführte Lehrende so zu unterrichten, dass oft einseitig kognitive Bereiche bevorzugt und andere Bereiche des Lernens vernachlässigt und dass, wenn überhaupt, nur indirekt, kognitive Kompetenzen bedient wurden. Die Kompetenzen im Bildungsplan 2004 waren noch einer sogenannten übergeordneten „religiösen Kompetenz“ zugeordnet und untergliedert als soziale, personale, ethische, ästhetische, methodische Kompetenzen, was jedoch für die Lehrenden wenig hilfreich

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war, denn auf dieser theoretischen Ebene fällt die Fokussierung auf besondere Kompetenzen schwer, weil sie zu allgemein ist (vgl. Schweitzer 2018, S. 362) und kaum auf einzelne Unterrichtsstunden bzw. Unterrichtseinheiten anwendbar war.2 Seit den ersten PISA, IGLU, TIMMS Studien (vgl. Baumert 2002, S. 100–150) wurde deutlich, dass deutsche Lernende aufgrund der Struktur des damaligen deutschen Bildungssystems, aufgefächert auf 16 Länder, in der Gefahr stehen, von Lernleistungen anderer Länder abgehängt zu werden. Die 16 Kultusministerien waren deswegen in den vergangenen 12 Jahren (2004–2016) gezwungen, Bildungspläne und Curricula umzustellen und an neue gesellschaftliche Entwicklungen anzupassen (vgl. Pant 2016).3 Hans Anand Pant schreibt dazu: „Die zentrale Neuerung betrifft dabei fast überall die Umstellung auf eine durchgängige Kompetenzorientierung, …“4 Verbunden mit der Umstellung auf Kompetenzorientierung (vgl. Klieme & Hartig 2007, S. 11–29) war die Einführung von Qualitäts- und Bildungsstandards in den verschiedenen Schulformen und auch Unterrichtsfächern und der Blick auf Schule in einer stark diversifizierten Schule in einer Migrations- bzw. Einwanderungsgesellschaft. Rausch, Schwendemann und Howoldt haben in einer Qualitätsstudie (2013) zum Religionsunterricht die Frage gestellt, an was die schulische Leistung im Religionsunterricht gebunden werden müsse und wie diese überhaupt messbar werde.5 Sie haben festgehalten: „Die Schule ist seit mehr als zwei Jahrzehnten einem zunehmenden Reformdruck ausgesetzt, der im Wesentlichen in einer Qualitätsdebatte seinen Ausdruck findet. Tatsächlich fokussiert diese Qualitätsdebatte den Unterricht als zentrales Element guter Schulen und in der Folge bleiben Diskussionen zum Schulsystem und zur Organisation Schule in der zweiten Reihe stehen“ (Helmut Rausch; Schwendemann & Howoldt 2013, S. 7–10). Schulsysteme sind nach Helmut Fend (1980, S. 21ff) als „Institutionen der gesellschaftlich kontrollierten und veranstalteten Sozialisation“ anzusehen, in denen Bildung als Möglichkeit der Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung erprobt wird und gleichzeitig die Gesellschaft sich wissensmäßig reproduziert“ (Fend 1980, S. 7). Fend weiter: „Da in den Schulen Menschen lehren und lernen, geht es u.E. in den Qualitätsfragen immer auch um die normativen Dimensionen von Schule“ (Fend 1980, S. 377ff) und letztlich um die Frage nach dem ethisch angemessenen Umgang von Menschen miteinander. Die 2 Zur Diskussion siehe das Heft 4/2018: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie, Kompetenzorientierung im Religionsunterricht – Chancen und Grenzen. 3 http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/BP2016BW_ALLG_EINFUEHRUNG, abgerufen am 7.1.2019. 4 Siehe Anm. 1. 5 Im Folgenden übernehmen wir den Text aus 2013 von S. 7–10.

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alte Theorie von Schule kann jedoch die komplexe Wirklichkeit des heutigen Schulsystems nicht einmal mehr rudimentär abbilden, sodass es auch keinen einlinigen Qualitätsbegriff mehr geben kann. Eine Spur zu einem zeitgemäßen Verständnis von Schule könnten die UNESCO-Kriterien für Bildung und Schule sein. „Bildung für alle“ (Education for All/EFA; www.unesco.de) ist das größte Programm der UNESCO im Bildungsbereich. Auf dem Weltbildungsforum 2000 in Dakar haben sich 164 Länder verpflichtet, sechs Bildungsziele bis zum Jahr 2015 zu erreichen. In 2022 ist man immer noch weit von diesen Zielen global entfernt. Der Weltbildungsbericht 2021/2022 macht darauf aufmerksam: „Er warnt vor zunehmender Ungleichheit durch hohe Kosten, unzureichende staatliche Aufsicht und mangelnde Regulierung privater Bildungseinrichtungen in vielen Ländern“ (vgl. https://www. unesco.de/bildung/agenda-bildung-2030/unesco-weltbildungsbericht/bericht-2021-22-vorgestellt). Die sechs EFA-Ziele sind: Ziel 1: Die frühkindliche Bildung soll ausgebaut und verbessert werden, insbesondere für benachteiligte Kinder. Ziel 2: Bis 2015 sollen alle Kinder – insbesondere Mädchen, Kinder in schwierigen Lebensumständen und Kinder, die zu ethnischen Minderheiten gehören – Zugang zu unentgeltlicher, obligatorischer und qualitativ hochwertiger Grundschulbildung erhalten und diese auch abschließen. Ziel 3: Die Lernbedürfnisse von Jugendlichen und Erwachsenen sollen durch Zugang zu Lernangeboten und Training von Basisqualifikationen (Life Skills) abgesichert werden. Ziel 4: Die Alphabetisierungsrate unter Erwachsenen, besonders unter Frauen, soll bis 2015 um 50 Prozent erhöht werden. Der Zugang von Erwachsenen zur Grund- und Weiterbildung soll gesichert werden. Ziel 5: Bis 2015 soll das Geschlechtergefälle in der Primar- und Sekundarbildung überwunden werden. Bis 2015 soll Gleichberechtigung der Geschlechter im gesamten Bildungsbereich erreicht werden, wobei ein Schwerpunkt auf der Verbesserung der Lernchancen für Mädchen liegen muss. Ziel 6: Die Qualität von Bildung muss verbessert werden. Gerade das sechste Ziel liegt uns am Herzen. Wir fragen danach, was Qualität im Bereich von Schulbildung bedeuten und wie Schule sich unter einer nicht-ökonomischen Qualitätsdiskussion zu einer humanen Schule verändern könnte. Es geht uns um eine Erweiterung des kontextuellen Verständnisses von Qualität, das in rein ökonomischen Betrachtungen zum Qualitätsmanagement u.E. bislang zu kurz kam. Im Auftrag des UN-Menschenrechtsrats besuchte der UN-Sonderbotschafter Vernor Muñoz im Januar 2006 Deutschland. Sein Bericht ist im März 2007 erschienen: Folgende grundsätzliche Forderungen erscheinen in seinem Abschlussbericht (vgl. GEW 2007, Abs. 60–63n):

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1. Die Unterstützung des einzelnen Kindes und seiner spezifischen Lernfähigkeit in den Mittelpunkt rücken, was einen Wandel von einem selektiven Bildungssystem zu einem System bedingt, in dem das Individuum unterstützt wird. 2. Die Schulen autonom machen in der Nutzung ihrer Finanzen, der Einstellung von Lehrkräften und der Umsetzung zentraler Zielsetzungen. 3. Bildungsinhalte und Methoden verbessern, insbesondere in Hinblick auf systematische Sprachausbildung der Migranten und Migrantinnen, Stärkung der Lesekompetenz und Einsatz der neuen Medien. 4. Eine demokratische Schulkultur schaffen mit mehr Autonomie für die Kinder und der Möglichkeit, ihre Kompetenzen einzubringen. 5. Mehr Möglichkeiten bieten zum Ausschöpfen des Potenzials der Kinder, z.B. durch verstärkte Kindergartenangebote, Ganztagesschulen und Verzicht auf ein gegliedertes Schulsystem. 6. Die Ausbildung für Lehrende nicht nur für das Fachgebiet, sondern auf pädagogischer Ebene stärken. 7. Mehr Finanzmittel für die frühkindliche Unterstützung bereitstellen und Ressourcen dafür besser verteilen. 8. Zudem gelte: Das Bildungssystem sollte den Bedürfnissen und Rechten der Schüler:innen stärker entgegenkommen, da Kinder grundsätzlich aus heterogenen Lebenskontexten kommen und man u.E. von Vielfalt/ Diversität/Heterogenität als Grundvoraussetzungen von Lern- und Bildungsprozessen ausgehen sollte. 9. Um diese Entwicklung zu stärken, sollten sowohl die Eltern als auch die Lernenden selbst – auf Grundlage rechtlicher Regelungen – an den Entscheidungen beteiligt werden (siehe auch neuerdings UN-Kinderrechtskonvention). 10. Außerdem wird darauf aufmerksam gemacht, dass Bildung nicht einseitig mit Schulbesuch gleichgesetzt werden kann, sondern dass auch Heimunterricht unter gewissen Umständen eine Option sein kann. An den Forderungen Muñoz’ wird deutlich, dass das Bildungssystem in Deutschland grundsätzlich als eine soziale Wirklichkeit zu betrachten ist, die beschreibbare Bezüge zur Gesellschaft, innere Gliederungen als Erfahrungskontexte des Aufwachsens der nachwachsenden Generationen und empirisch untersuchbare Wirkungen hat. In der ersten Theorie von Schule galt als wichtig, dass kulturelle Traditionen als kulturelle Inhalte in die sozialen Erfahrungsfelder von Schule übermittelt wurden, die in der Regel Anschlussprobleme an die informellen Kulturen unter der jeweiligen Lerngruppe hatten. Die Strukturen von Schule waren einerseits durch Prüfungssysteme und durch bestimmte Schullaufbahnstrukturen gekennzeichnet

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und hatten die Aufgabe, den Erwerb von Wissen und Fertigkeiten und die Persönlichkeitsentwicklung Lernender sicherzustellen. Das bedeutete bislang, dass die Gesellschaft ihr Bildungssystem nötig hatte, um zu enkulturieren, zu qualifizieren, soziale Integration herzustellen und um gesellschaftlicher Allokation willen bestimmte Lernstandards bereitzustellen. Als Gesamtbild von Organisationsformen, Lehr- und Bildungsplänen, Prüfungsregelungen, Ausbildung der Lehrenden entstand ein Erfahrungsraum für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen, in dem inhaltliche Lernangebote im Vordergrund standen; zudem erfuhren Kinder und Jugendliche in der Schule die jeweils geltenden Formen von Autorität und Herrschaft; wichtig waren die Beziehungen zu Mitschülern und Mitschülerinnen und zu den Peers. Schulen sind im bislang geltenden gesellschaftlichen Modell von Bildung „institutionelle Regelsysteme der Bewertung und Verteilung von Lernenden nach Kriterien der Leistung. Dadurch entstand ein „latentes Curriculum“, in dem Personen nach individuell erbrachter Leistung beurteilt werden“ (Fend 2008, S. 117). Im Muñoz-Bericht werden jedoch andere Zielmarken für Schule gesetzt, z.B., wie Schule gestaltet werden kann und wie die Gestaltungsprozesse nachhaltig und anschlussfähig gemacht werden können. Unter dieser Perspektive rücken die Akteure und Akteurinnen von Schule, deren Handlungsformen, Verstehensleistungen und nicht zuletzt die Inhalte in den Vordergrund; das Bildungssystem wird in dieser neuen Perspektive zum Zusammenspiel institutioneller und individueller Akteure und Akteurinnen, die in den Lernangeboten von Schule zusammenwirken müssen, was aber bedeutet, dass die schulischen Lernangebote von Lernenden auch sinnvoll genutzt werden können. Zu unterscheiden wären in diesem Fall drei systemische Ebenen von Schule: Makrosteuerung des Bildungssystems (Gesellschaft), die Mesoebene (Qualitätssicherung von Schule und Unterricht), die Mikroebene (die Unterstützung von Lern- und Entwicklungsprozessen der Lernenden). Die Orientierungsleistungen wären wie folgt: 1. Akteursorientierung 2. Verstehensorientierung 3. Handlungsorientierung 4. Geschichtsorientierung 5. Gestaltungsorientierung Schule wäre als System zu betrachten, das bestimmte Lösungsoptionen in Form von Schlüsselqualifikationen bereitstellt. Wir beziehen uns hier dezidiert auf Wolfgang Klafkis Konzeption von Schlüsselqualifikationen (vgl. Klafki 1993a; 1993b, S. 209–247). Nach einer Definition der Bildungs-

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kommission in Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 1995 sind Schlüsselqualifikationen „… erwerbbare allgemeine Fähigkeiten, Einstellungen und Wissenselemente, die bei der Lösung von Problemen und beim Erwerb neuer Kompetenzen in möglichst vielen Inhaltsbereichen von Nutzen sind, so dass eine Handlungsfähigkeit entsteht, die es ermöglicht, sowohl individuellen als auch gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden“ (Zukunft der Bildung 1995). Schlüsselprobleme sind hierbei als Konzentrationskerne einer zeitgemäßen Bildungskonzeption zu betrachten (vgl. Reetz 1990). In der Schule sind so verschiedene Sinnsysteme aufeinander bezogen. Das System Schule ist jedoch im Unterschied zu anderen gesellschaftlichen Systemen ein sinnorientiertes System, in dem soziale Systeme mit psychischen Systemen (Einstellungen von Lehrenden und Lernenden) mittels Kommunikation miteinander verbunden „sind“ (vgl. Fend 2008, S. 126; Stichweh 1999; Luhmann 1996). Im neuen Bildungsplan soll zwar die Bildungsgerechtigkeit, d.h. die Partizipationsmöglichkeit der Lernenden gestärkt und Bildungshürden sollen abgebaut, die Durchlässigkeit erhöht werden (vgl. Pant 2016, siehe Fußnote 1). Gleichzeitig wird aber in der Einleitung zum Bildungsplan 2016 darauf verwiesen, die individuelle Förderung der Lernenden als Basis für einen angemessenen Umgang mit Heterogenität zu fokussieren. Was das tatsächlich bedeutet, kommt aber nur schwer in den Blick, da vor allem der Begriff der Heterogenität im Bildungsplan 2016 zu undifferenziert ist. Was die individuelle Förderung unter Qualitätsaspekten im Religionsunterricht bedeutet, ist bislang Forschungsdesiderat. Auch stehen Bildungsanspruch des Religionsunterrichts und die Kompetenzorientierung, gelinde ausgedrückt, in einem Konfliktverhältnis, denn Subjektorientierung, wie wir sie verstehen, lässt sich nicht mit einer formalen Kompetenzorientierung erreichen, denn diese schließt Lernende grundsätzlich von der Formulierung, z.B. inhaltlicher Kompetenzen, aus. Pant (2016) fasst die Neuerungen des Bildungsplans 2016 zusammen: „Als weitestreichende strukturelle Neuerung gibt es erstmals einen gemeinsamen, abschlussbezogenen Bildungsplan für die Sekundarstufe I, der die Einzelpläne für Werkrealschule, Hauptschule und Realschule ablöst. Dieser Bildungsplan gilt für die genannten Schularten sowie für die Gemeinschaftsschule und weist durchgängig drei Niveaustufen aus: – ein grundlegendes Niveau (G), das zum Hauptschul- und mit einer Phase der Vertiefung zum Werkrealschulabschluss führt,

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– ein mittleres Niveau (M), das zum Realschulabschluss führt, und – ein erweitertes, gymnasiales Niveau (E), das Lernenden einen neun- bzw. achtjährigen Bildungsweg zum Abitur eröffnet. Damit wird die Grundlage für individualisierte Lernangebote geschaffen, die auf die unterschiedlichen Fähigkeiten und die individuellen Lern- und Leistungsentwicklungen der Lernenden eingehen sollen. Der eigenständige Bildungsplan für das Gymnasium ist inhaltlich und strukturell mit dem gemeinsamen Bildungsplan abgestimmt. Der Bildungsplan der Grundschule knüpft an den baden-württembergischen Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im vorschulischen Bereich an und schafft die Grundlage für alle weiterführenden Bildungsgänge. In der Grundschule beginnt die Fremdsprache in der ersten Klasse und ist an der Rheinschiene Französisch, in den übrigen Landesteilen Englisch. In sechs Leitperspektiven werden Fähigkeitsbereiche angesprochen, die nicht einem einzigen Fach zugeordnet, sondern übergreifend in verschiedenen Fächern entwickelt werden sollen. Leitperspektiven sind: – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), – Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV), – Prävention und Gesundheitsförderung (PG), – Berufliche Orientierung (BO), – Medienbildung (MB), – Verbraucherbildung (VB). Die zweite Fremdsprache beginnt in Gymnasium, Realschule und Gemeinschaftsschule einheitlich in Klasse 6. Ziel ist es unter anderem, hierdurch das bilinguale Lehren und Lernen zu stärken. Die bisherigen schulartspezifischen Fächerverbünde werden aufgelöst. Stärker fachbezogene Bildungspläne stellen die Bedeutung der Fachlichkeit und die Entwicklung der fachlichen Kompetenzen der Lernenden in den Mittelpunkt; auf der Basis gefestigter fachlicher Kompetenzen können die Aspekte fächerverbindenden Lernens zum Tragen kommen. In dem neuen schulartenübergreifenden Fächerverbund „Biologie, Naturphänomene und Technik“ (BNT) für die Orientierungsstufe (5. und 6. Klasse) sind neben Schwerpunktthemen der Biologie auch chemische, physikalische und technische Inhalte verankert. Integrative Themenfelder weisen das Fächerverbindende aus. Durch das in allen weiterführenden Schularten neu eingeführte Fach „Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung“ sollen die ökonomische Bildung der Lernenden und deren Berufs- und Studienorientierungsprozess gefördert werden. Das neue Wahlpflichtfach „Alltagskultur, Ernährung, Soziales“ (AES) im gemeinsamen Bildungsplan der Sekundarstufe I harmonisiert die Inhalte der bisherigen Wahlpflichtfächer „Mensch und Umwelt“ (Realschule) und

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„Gesundheit und Soziales“ (Werkrealschule und Hauptschule) sowie des Fächerverbunds „Wirtschaft – Arbeit – Gesundheit“ (Werkrealschule und Hauptschule).“6 Die im Bildungsplan 2019 ausgewiesenen Prozess- und Inhaltskompetenzen sind nach unserem Verständnis einer grundsätzlichen subjekt- und lernerorientierten Perspektive zuzuordnen, d.h. als ein Baustein der Persönlichkeitsbildung zu interpretieren. Eine Möglichkeit bieten die allgemeinen Bildungs- und Erziehungsziele für die ganze Schule und auch Fächerkooperationen mit dem Fach evangelische Religion. Allgemeine Bildungs- und Erziehungsziele für die ganze Schule werden in sog. fächerübergreifenden Leitperspektiven festgehalten, die normativ zu verstehen sind und für die Persönlichkeitsbildung der Lernenden und für die „Bildung zur Gemeinschafts- und Teilhabefähigkeit in einer zunehmend pluralen Gesellschaft“ und für „die Sensibilisierung für den globalen Kontext des Alltagshandelns in ihrem komplexen wechselseitigen Bedingungsgefüge“ wesentlich sein dürften (Pant 2016). Die allgemeinen Leitperspektiven sind nach diesem Verständnis: „Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) im Sinne der Befähigung zur verantwortungsvollen und aktiven Gestaltung einer zukunftsfähigen Welt; Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV) im Sinne der Befähigung zu Toleranz und Akzeptanz von sowie zu diskriminierungsfreiem Umgang mit Vielfalt in personaler, religiöser, geschlechtlicher, kultureller, ethnischer und sozialer Hinsicht; Prävention und Gesundheitsförderung (PG) im Sinne einer Stärkung der Persönlichkeit durch die Förderung eines sozial kompetenten und gesundheitsbewussten Umgangs mit sich selbst und anderen“ (Pant 2016). Als themenspezifische Leitperspektiven gelten: „Berufliche Orientierung (BO) im Sinne einer Unterstützung und Vorbereitung von tragfähigen, begabungs- und entwicklungsgerechten Entscheidungen und Weichenstellungen für kommende Berufswege sowie für lebenslanges Lernen; Medienbildung (MB) im Sinne der Befähigung, Medien sinnvoll auszuwählen, das Medienangebot kritisch zu reflektieren, die Medien verantwortlich zu nutzen sowie die eigene mediale Präsenz selbstbestimmt zu gestalten; Verbraucherbildung (VB) im Sinne einer Reflexion und Entwicklung eines verantwortungsbewussten Konsumentenverhaltens“ (Pant 2016). Nachstehende Abbildung macht noch einmal auf die Vernetzungsstruktur des Bildungsplans 2016 aufmerksam:

6 Siehe Anm. 1.

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Abbildung 1. Der Aufbau der Bildungspläne. http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/BP2016BW_ ALLG_EINFUEHRUNG

„Dabei bedeuten: BNE: Bildung für nachhaltige Entwicklung; BTV: Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt; PG: Prävention und Gesundheitsförderung; BO: Berufliche Orientierung; MB: Medienbildung; VB: Verbraucherbildung; Kl.: Klasse; pbK: prozessbezogene Kompetenzen; ibK: Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen“ (Pant 2016). Der Bildungsplan 2016 benennt zwar Prozess- und Inhaltskompetenzen, lässt aber offen, in welcher Weise diese umgesetzt werden. Auch ist unklar, wie Prozess- und Inhaltskompetenzen miteinander verbunden werden. Wir werden eine Unterrichtsstruktur vorschlagen, in der Kompetenzen auf eine ganze und abgeschlossene mehrstündige Unterrichtseinheit und auf längere Unterrichtsperioden bezogen werden und Lernziele auf einzelne Unterrichtsstunden. Die Verbindung zwischen Kompetenzen und Lernzielen geschieht auf der Ebene unterrichtlicher Aufgaben und Handlungen, die die Subjektorientierung im Blick haben. Hartmut von Hentig formulierte im Bildungsplan von 2004 auch noch heute Gültiges: „In den Schulen werden die Menschheitserfahrungen und die in ihnen erworbenen Maßstäbe für das „gute Leben“ weitergegeben – an den Schulen werden zugleich die Instrumente für eine noch unbestimmte Zukunft bereitgestellt. Es geht in ihnen immer um eine Balance zwischen Verantwortung

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und Unvoreingenommenheit, von Bewahrung und Bewährung“ (Bildungsplan Gesamt Gymnasium 2004, S. 9). Der Weltbildungsbericht 2021/2022 gibt hierzu fünf Empfehlungen, die angesichts des jetzigen Standes der bundesdeutschen Bildungspolitik noch als Utopie gelten können: https://www.unesco.de/bildung/agenda-bildung-2030/unesco-weltbildungsbericht#item-2257).

Woher bekomme ich den Bildungsplan?

– Die Bildungspläne für Baden-Württemberg – ausgegeben vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport und vom Landesinstitut für Schulentwicklung – finden sich unter: http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/ LS/BP2016BW/ALLG – Die Bildungspläne Evangelische Religion Grundschule: http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/GS – Für die Sekundarstufe I: http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/ BP2016BW/ALLG/SEK1/REV – Für das Gymnasium: http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/ BP2016BW/ALLG/GYM/REV – Für die Gemeinschaftsschule: http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/ LS/BP2016BW/ALLG/GMSO/REV – Für Sekundarstufe II und Berufliche Schulen: https://www.schule-bw.de/ service-und-tools/bildungsplaene Der Aufbau wiederholt sich: Zuerst werden die prozessorientierten Kompetenzen und danach die inhaltlichen Kompetenzen vorgestellt. Die Grundschule gliedert sich in: 1. und 2. Klasse; 3. und 4. Klasse, die Sekundarstufe I/Gymnasium gliedern sich in 5. und 6. Klasse, 7. und 8. Klasse, 9. und 10. Klasse. Die 10. Klasse im achtjährigen Gymnasium wird bereits zur Oberstufe gezählt. In Baden-Württemberg existiert neben dem achtjährigen Gymnasium inzwischen auch wieder das traditionelle neunjährige (vgl. https://km-bw. de/,Lde/startseite/schule/G9_Modellschulen_n). Die Standards beziehen sich also immer auf zwei Klassen, in der Gemeinschaftsschule und im neunjährigen Gymnasium steht die Klasse 11 dafür allein wie auch die Kursstufe 1 und Kursstufe 2 im achtjährigen Gymnasium. Die inhaltlichen Kompetenzen von Klasse 1–10 sind auf sieben Inhaltsbereiche bezogen (die wir auch als theologische Erschließungsdimensionen bzw. theologische Loci charakterisieren):

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1. Mensch 2. Welt und Verantwortung 3. Bibel 4. Gott 5. Jesus Christus 6. Kirche und Kirchen 7. Religionen Diese sieben Bereiche benennen keine Unterrichtsthemen und auch keine Unterrichtssequenzen, sondern sind Erschließungsdimensionen von Inhalten, auf die sich dann die inhaltlichen Kompetenzen beziehen. Im Bildungsplan 2016 ist die Verwendung des Begriffs „inhaltliche Kompetenz“ unscharf – wir haben uns deswegen entschlossen, den präziseren Begriff der Erschließungsdimension einzuführen. Die Erschließungsdimensionen beziehen sich auf theologische Loci der Systematischen, Historischen und Biblischen Theologie und Religionskunde, denen bestimmte Unterrichtseinheiten und Themen zugeordnet werden sollen, woraus sich dann je spezifische inhaltliche Kompetenzen, die erworben werden sollen, ergeben.

Prozessbezogene Kompetenzen sind: 1. Wahrnehmen und Darstellen

Für die Grundschule heißt es: „Die Lernenden können 1. wahrnehmen und beschreiben, wo sie religiösen Spuren, Ausdrucksformen gelebten Glaubens und religiösen Fragestellungen in ihrem Leben begegnen 2. eigene Fragen stellen, in der Lerngruppe nach Antworten suchen und sich dabei mit biblisch-christlichen Deutungen auseinandersetzen 3. erkennen und beschreiben, dass Menschen religiöse und andere Fragen stellen und wie sie diese deuten“ (http://www.bildungsplaene-bw.de).

2. Deuten

Für die Grundschule heißt es: „Die Lernenden können 1. Sprach- und Ausdrucksformen wie Metaphern, Symbole oder Bilder, die auf eine andere Dimension von Wirklichkeit verweisen, erkennen und deuten 2. erlebte Symbole und Symbolhandlungen sowie liturgische Formen deuten 3. Texte religiöser Überlieferung inhaltlich wiedergeben und Deutungen formulieren 4. Erfahrungen von Menschen mit Gott in Beziehung setzen zu eigenen Erfahrungen“ (http://www.bildungsplaene-bw.de).

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3. Urteilen

Für die Grundschule heißt es: „Die Lernenden können 1. aus menschlichen Erfahrungen wie Liebe, Geborgenheit, Hoffnung, Vertrauen, Freude, Leid, Trauer, Scheitern, Ungerechtigkeit oder Schuld religiöse und ethische Fragen entwickeln 2. aus menschlichen Erfahrungen wie Freundschaft, Enttäuschung, Streit oder der Erfahrung mit Trauer und Tod unterschiedliche Antwort- und Handlungsmöglichkeiten finden, diese miteinander vergleichen und auf Basis der biblisch-christlichen Überlieferung reflektieren 3. einen eigenen Standpunkt zu religiösen und ethischen Problem- und Fragestellungen einnehmen und diesen begründen“ (http://www.bildungsplaene-bw.de).

4. Kommunizieren und Dialogfähig-Sein

Für die Grundschule heißt es: „Die Lernenden können 1. eigene Gedanken, Gefühle und Sicht- beziehungsweise Verhaltensweisen ausdrücken und in Beziehung setzen zu denen anderer Kinder in der Lerngruppe 2. sich in Gedanken, Gefühle und Sicht- beziehungsweise Verhaltensweisen anderer Menschen (Mitmenschen, biblische Figuren, Vorbilder) hineinversetzen 3. anderen Menschen in deren Vielfalt tolerant, achtsam und wertschätzend begegnen, auch im Kontext interkonfessioneller und interreligiöser Begegnungen“ (http://www.bildungsplaene-bw.de).

5. Gestalten und Handeln

Für die Grundschule heißt es: „Die Lernenden können 1. sich gestaltend-kreativ mit eigenen Erfahrungen, menschlichen Grunderfahrungen und der biblisch-christlichen Überlieferung auseinandersetzen 2. an religiösen und liturgischen Ausdrucksformen reflektiert teilnehmen oder diese mitgestalten 3. aus dem Nachdenken über biblische Texte und Personen aus Vergangenheit und Gegenwart Impulse für verantwortungsvolles Handeln entwickeln 4. ein achtsames Miteinander im Schulalltag mitgestalten“ (http://www. bildungsplaene-bw.de). In folgendem Beispiel wird die Dimension „Mensch“ von der Grundschule bis zum Abschluss der Realschule zusammengestellt. Es wird deutlich: Es geht um das gleiche Grundthema, die geforderten Kompetenzen wachsen jedoch und bauen aufeinander auf – das Gefäß füllt sich:

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Dimension Mensch – Klasse 2

„Der Religionsunterricht leitet Kinder an, ihr Leben und Erleben für religiöse Erfahrungen zu öffnen. Er ermöglicht ihnen, ihre Befindlichkeiten auszudrücken, sich in andere Geschöpfe einzufühlen und angemessen mit ihnen umzugehen. Er fördert die Entdeckung und Entwicklung eigener Gaben. Die Lernenden – nehmen wahr, dass Freude und Leid, Angst und Geborgenheit zum menschlichen Leben gehören p MeNuK – Kf 1; – kennen die Glaubensaussage, dass sie und alle Menschen – so wie sie sind – von Gott geliebt werden; – kennen Schöpfungslob der Bibel; – kennen geistliche Lieder und Gebete und ganzheitliche Ausdrucksformen des Gotteslobs“ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport 2004, Grundschule S. 26).

Dimension Mensch – Klasse 4

„Der Religionsunterricht fördert die religiöse Sprachfähigkeit der Kinder. Dabei lernen sie menschliche Grunderfahrungen zu erschließen und sich als Geschöpf unter Geschöpfen zu verstehen. Der Religionsunterricht ermutigt die Kinder, ihre Gaben in das Schulleben einzubringen. Die Lernenden – wissen, dass sie und andere Menschen Stärken und Schwächen haben, dass Leistung und Freude, Leid und Tod, Schuld und Vergebung zum menschlichen Leben gehören p MeNuK – Kf 1; – kennen eine Schöpfungserzählung der Bibel; – kennen das Gebet als Möglichkeit, sich an Gott zu wenden;
 – gestalten Schöpferlob, Freude und Dank, Klage und Bitte mit Tänzen, Bildern, Liedern und Psalmversen p MeNuK – Kf 1“ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport: Bildungsplan 2004, Bildungsplan Grundschule S. 28).

Dimension Mensch – Klasse 6 (Realschule)

„Der evangelische Religionsunterricht lädt die Lernenden dazu ein, ihr Selbstwertgefühl und ihre Ich-Stärke in der bedingungslosen Zuwendung Gottes zu gründen und sich als ein von Gott geliebtes Geschöpf zu verstehen. Er fördert den respektvollen Umgang miteinander. Die Lernenden – kennen das christliche Verständnis, dass sie als Geschöpfe Gottes einzigartig geschaffen sind und ohne Gegenleistung von Gott geliebt werden; – können über ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten, Stärken und Schwächen sprechen;

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– kennen Geschichten, in denen zum Ausdruck kommt, dass Körper und Seele verletzbar sind sowie einen sensiblen und verantwortlichen Umgang benötigen“ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport: Bildungsplan 2004, Realschule S. 25).

Dimension Mensch – Klasse 8 (Realschule)

„Der evangelische Religionsunterricht lädt die Lernenden dazu ein, ihr Selbstwertgefühl und ihre Ich-Stärke in der bedingungslosen Zuwendung Gottes und seiner Vergebungsbereitschaft zu gründen und sich als ein von Gott geliebtes Geschöpf zu verstehen. Er thematisiert die Achtung vor den Grenzen des anderen und fördert so den respektvollen Umgang miteinander. Die Lernenden – sind in der Lage, über eigene Begabungen und Stärken, aber auch Grenzen und Schwächen zu sprechen und über Konsequenzen für den Umgang miteinander nachzudenken; – kennen das christliche Verständnis des Menschen als einzigartiges, wertvolles und ohne Gegenleistung geliebtes Geschöpf Gottes und als Sünder, welcher der Vergebung Gottes bedarf; – wissen, dass Geschlechtlichkeit und Partnerschaft dem Menschen zum verantwortlichen Umgang anvertraut sind“ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport: Bildungsplan 2004, Realschule S. 27).

Dimension Mensch – Klasse 10 (Realschule)

„Der evangelische Religionsunterricht lädt die Lernenden dazu ein, ihr Selbstwertgefühl und ihre Ich-Stärke in der bedingungslosen Zuwendung Gottes und seiner Vergebungsbereitschaft zu gründen und sich als ein von Gott geliebtes Geschöpf und sein Ebenbild zu verstehen. Er fördert den respektvollen Umgang miteinander. Die Lernenden – wissen, dass nach dem Verständnis des christlichen Glaubens alle Menschen Ebenbild Gottes sind und deshalb das Recht haben, als eigenständige Persönlichkeiten mit unantastbarer Würde behandelt zu werden;
 – wissen, dass der Mensch zu einer freien, verantwortlichen Gestaltung seines eigenen und des gemeinschaftlichen Lebens berufen ist; – sind in der Lage, Situationen der Freude und des Leides, der Angst und der Hoffnung wahrzunehmen und ihnen auf unterschiedliche Weise Ausdruck zu geben“ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport: Bildungsplan 2004, Realschule S. 29).

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Im Anschluss an die ausgeführten Erschließungsdimensionen (= Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen) finden sich im neuen Bildungsplan 2016 in jedem Doppeljahr Themenfelder mit konkret benannten Inhalten; Themen; Geschichten, die im Laufe der beiden Schuljahre behandelt werden sollen; immer mit Blick auf die Dimensionen, die mit den Themenfeldern gefüllt und behandelt werden müssen. Einige Themenfelder lassen sich eindeutig einer der Dimensionen als Hauptdimension zuordnen. Geht es beispielsweise um Geschichten von Jesus, so lässt sich dieses Themenfeld eindeutig der Dimension „Jesus Christus“ zuordnen. Es wird jedoch auch die Dimension „Gott“ bedient und je nach Gestaltung auch andere Dimensionen. An dieser Stelle sind Mut, Kreativität und Abwechslung seitens der Lehrperson gefordert; zu verbinden sind Themenfelder und Dimensionen, die auf den ersten Blick nicht recht zusammenpassen wollen. Wenn hier kreative Kombinationen entstehen, öffnen sich ganz neue Möglichkeiten, neue Ideen und Türen zu einer abwechslungsreichen Unterrichtsgestaltung. Zu achten ist jedoch darauf, dass im Lauf der beiden Schuljahre alle Dimensionen gleichermaßen bedient werden. Für die Erschließungsdimension Mensch (1./2. Klasse) wird als grundsätzliche inhaltliche Kompetenz (2016) ausgewiesen: „Die Lernenden nehmen eigene Gefühle und Gedanken und die anderer wahr und kommen über Situationen des menschlichen Miteinanders ins Gespräch. Sie erzählen von Menschen und deren Erfahrungen mit Gott und beschreiben, dass aus christlicher Sicht alle Menschen von Gott geschaffen, gewollt und geliebt sind“ (http://www.bildungsplaene-bw.de, S. 12). Nachfolgend werden dann Denkanstöße und Teilkompetenzen unterschieden. Die Teilkompetenzen beziehen sich einmal auf Inhalte und zum anderen auf Themen anderer Fächer oder auf die Anschlussfähigkeit auf den sog. Orientierungsplan für die Kindergärten und Kindertagesstätten in BadenWürttemberg.

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Formblatt: Erschließungsdimensionen, Kompetenzen und Stoffverteilungsplan zur Vorbereitung einer EINHEIT Dieses Formblatt ist im Vorfeld jeder UnterrichtsEINHEIT auszufüllen und der BetreuungsLehrperson abzugeben. Es bezieht sich auf alle Stunden einer Einheit/eines Themas. Kerngegenstand/Thema (z.B. Noah, Gen 6,5–9,17): _____________________________________________________________ Erschließungsdimension(en) (= Standards inhaltsbezogener Kompetenzen): _____________________________________________________________ Prozesskompetenzen Siehe Bildungsplan; Formulierungen auf Thema anpassen! Wahrnehmen und Darstellen Deuten Urteilen Kommunizieren und Dialogfähig-Sein Gestalten und Handeln



Inhaltliche Kompetenzen Siehe Bildungsplan; Formulierungen auf Thema anpassen!

Unterrichtliche Teilkompetenzen Siehe Bildungsplan; Formulierungen auf Thema anpassen!

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Stoffverteilungsplan

Damit die Bildungsstandards umgesetzt werden können, bedarf es – neben dem Schulcurriculum – eines Stoffverteilungsplanes. Von manchen Rektoren und Rektorinnen wird ein solcher in den ersten Schulwochen eines Jahres eingefordert, andere Rektor:innen verzichten darauf. Unabhängig davon sollte sich jede/r einen solchen erstellen! Im Stoffverteilungsplan wird genau festgelegt, welches Thema in welchem Zeitraum behandelt wird und welchen Dimensionen es zugeordnet wird. Schulprojekte und Kooperationen werden abgesprochen und ebenfalls im Stoffverteilungsplan berücksichtigt – nur so ist es überhaupt möglich, mit anderen Lehrpersonen Fächern zu kooperieren. Für einen Stoffverteilungsplan bietet sich eine tabellarische Form an mit den Themen: Datum/Thema/Dimension/konkrete Inhalte/Kooperation/Sonstiges.

Formblatt: Verlaufsplanung/Stoffverteilung einer Unterrichtseinheit (Bitte NACH den Kompetenzen ausfüllen; bitte VOR der Durchführung einer Einheit für die gesamte EINHEIT festlegen und der Betreuungslehrperson [vorlegen])*. Unterrichtseinheit: ______________________________ Klasse: _________ Schule: ––––––––––––––––––––––––––––––––––– Datum und Uhrzeit der (Doppel)stunde

Stundenziel (wird in jeden Stundenablauf übertragen)

Inhaltlich-methodische Gedanken/Ideen (aus Mindmap)

* Für Studierende; Praktikanten/Praktikantinnen; Referendare/Referendarinnen gilt: Das Formblatt „Verlaufsplanung“ sollte mit der jeweiligen Betreuungslehrperson ab- und durchgesprochen werden.

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Arbeitshinweis:

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Das Beschriebene gilt für die Schularten: Grundschule, Realschule, Werk­ realschule, Allgemeinbildendes Gymnasium und Gemeinschaftsschule. Andere Schularten (Berufsschule, Förderschule ...) haben eigene Bildungspläne, die ebenfalls vom Land Baden-Württemberg herausgegeben und verpflichtend sind. Die Grundgedanken sind ähnlich oder gleich. Lesen Sie die Bildungspläne (in der Regel sind sie online verfügbar) sorgfältig (inklusive Einführungen, Leitgedanken oder Ähnlichem) und befragen Sie Kolleg:innen zur Umsetzung. Wenn Sie an einer neuen Schule beginnen, fragen Sie immer nach dem Schulcurriculum, nach dem Leitbild der Schule und dem Schulkonzept. Richten Sie ihren Unterricht danach aus – und/oder stoßen Sie Veränderungsprozesse an.

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Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

2001 gab es die erste PISA-Untersuchung (PISA = Programme for International Student Assessment) (vgl. Adam 2002; Baumert et al. 2001; Baumert 2002a; Baumert et al. 2002b; Baumert 2006; Ehmke & Baumert 2008; Haider & Reiter 2001 und dito 2004) und ab 2003 entwickelten Expert:innen das Gutachten „Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards-Expertise“, die von den Lernenden erworbene Kompetenzen am Ende von Schullaufbahnen beschreiben (vgl. Lenhard 2015/2018, S. 1pdf; Englert 2012a, S. 61ff; Englert 2012b; Englert 2012c; Englert 2002; Fischer & Feindt 2010; Fricke 2015, S. 378–401; Obst 2015; Weinert 2001, S. 27f). In der Expertise des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (2003, S. 73) sind Kompetenzen „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ Der Weinertsche Kompetenzbegriff ist kognitiv orientiert und bezieht sich auf sogenannte unterrichtliche Anforderungssituationen oder Problemkonstellationen. Auch Hilbert Meyer formulierte jüngst:

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„Kompetenzorientierter Unterricht ist ein offener und schüler­aktiver Unterricht, – in dem die Lehrerinnen und Lehrer auf der Grundlage genauer Lernstandsdiagnosen ein differenziertes Lernangebot machen, – in dem die Lehrerinnen und Lehrer ihre Unterrichtsplanung, die Durchführung und Auswertung an fachlichen und überfachlichen Kompetenzstufenmodellen orientieren, – in dem die Lernenden die Chancen haben, Wissen und Können systematisch und vernetzt aufzubauen, und – in dem sie den Nutzen ihres Wissens und Könnens in realitätsnahen Anwendungssituationen erproben können“ (Meyer 2012, S. 7–12; Rupp 2012: https://lehrerfortbildung-bw.de). Hartmut Lenhard macht in seiner Rezeption (2015/2018, S. 2) auf den Begriff „Verantwortung“ in obiger Definition aufmerksam, d.h. auch auf die ethische Dimension (vgl. EKD 2008). Im Unterschied zur Basiskompetenz „religiöse Kompetenz“ im Bildungsplan 2004 ist der neue Kompetenzbegriff (2016) zugleich weiter, aber auch enger gefasst, weil er einerseits Wissen, Verstehen, Können, Handeln, Erfahrung einschließt (Lenhard 2015/2018, S. 2), andererseits aber in der Gefahr steht, den Religionsunterricht auf unterrichtliche Anforderungssituationen und Problemlösestrategien zu reduzieren (Lenhard 2015/2018, S. 2). Bernd Schröder (2014, S. 181ff) (Lenhard 2015/2018, S. 15 pdf) kritisiert diesen reduktiven Charakter und sieht in der formalen und umfänglichen Anwendung dieses Kompetenzbegriffs die Gefahr der „Depotenzierung“ bzw. einer Verkürzung religiöser Bildung im Religionsunterricht. Diese fundamentale Kritik am Kompetenzbegriff ist insofern berechtigt, da sich inhaltliche Kompetenzen im baden-württembergischen Bildungsplan 2016 tatsächlich an Inhalte binden und die Kompetenzen nicht ohne theologische, religiöse und ethische, historische Bildungsinhalte zu haben sind. Die didaktische Grundfrage zielt deswegen nicht in erster Linie auf die sogenannten Anforderungssituationen, sondern schlicht auf die Frage: Welche Kompetenzen erwerben Lernende in welcher unterrichtlichen Beziehungskonstellation an bestimmten Inhalten und wie wird darin die Persönlichkeitsentwicklung gefördert (vgl. Schröder 2014, S. 181ff)? Kompetenzen und Kompetenzorientierung helfen aber dabei, so Feindt (2010, S. 86) und Claus-Peter Sajak & Feindt (2012, S. 102), ein didaktisches Grundgerüst zu planen. Wir sehen den Vorteil und den Nutzen der Kompetenz­orientierung auf der Ebene, eine ganze thematische Unterrichtseinheit im Umfang von 8–12 Unterrichtsstunden zu planen und zu strukturieren und nicht auf der Ebene einer unterrichtlichen Einzelstunde:

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Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

„Den Mittelpunkt des Modells … bildet der Unterricht, in dem Lernende Kompetenzen erwerben sollen (Wissen, Können, Wollen). Welche Kompetenzen dies sind, konkretisiert der äußere Rahmen durch die curricularen Zielvorgaben“ (Lenhard 2015/2018, S. 4). Gleichwohl bleibt die Kritik, dass der Religionsunterricht nicht nur lebensweltliche Probleme in den Blick nehmen soll, sondern tatsächlich subjektund vor allem beziehungsorientiert bleibt, d.h., Lernende müssen auch selbst über ihre eigenen Lernprozesse mitbestimmen können und damit auch letztlich über die zu erwerbenden Kompetenzen. Lernende bleiben als Personen das Zentrum des Religionsunterrichts (vgl. Obst 2015, S. 162) und gleichwohl müssen auch Ergebnisse im Religionsunterricht generiert werden (Lenhard 2015/2018, S. 6; Obst 2009, S. 184ff), was aber nicht zwangsläufig heißt, dass diese Ergebnisse ausschließlich kognitiv sein müssen. Es sind aber im Unterschied zu Obst und Lenhard nicht nur Anforderungssituationen (vgl. Lenhard 2017) in den Blick zu nehmen, sondern es geht insgesamt um inhaltliche Bildungschancen und um die Lebensrelevanz des Religiösen im Lebensalltag der Lernenden. Religion (als Zugehörigkeitskategorie), Religiosität (als persönliche Bearbeitung von Religion) und auch religiöse Praxis (als Tätigkeit in Gebet, Gottesdienst, Ritual usw.) sollten in keiner Weise strategisch funktionalisiert und instrumentalisiert werden (vgl. Englert 2012a, S. 64). Kompetenzorientierung kann jedoch, sofern nicht reduktionistisch verstanden, den Blick für andere Perspektiven auf ein Thema oder einen Lerngegenstand öffnen und perspektivenreichere Lern- und Lehrprozesse fördern (vgl. Michalke-Leicht 2011a, S. 11ff). In unserem Modell sind die Prozess- und Inhaltskompetenzen von Lehrenden und Lernenden komplementär aufeinander bezogen und diese Position nähert sich derjenigen von Sajak & Michalke (2013, S. 8f; vgl. Lenhard 2015/2018, S. 11). Letztlich geht es immer um die Verschränkung von Lehren und Lernen, was für Lehrende nötig macht, die Lernbedingungen der jeweiligen Lerngruppe in den Blick zu nehmen (Lernausgangslage) (vgl. Lenhard 2015/2018, S. 11) und auch die Frage, welche Bildungsangebote von Lernenden genutzt werden (vgl. Lenhard 2015/2018). Für die unterrichtliche Planungsarbeit sind deswegen Feedbackverfahren, Übungszeiten und Transfergelegenheiten einzuplanen (vgl. Lenhard 2015/2018, S. 14). Lenhard ist in dieser Weise recht zu geben, wenn er schreibt: „Im kompetenzorientierten Religionsunterricht müssen Lehrkräfte über dieselben Kompetenzen der Steuerung, Begleitung, Moderation und Beratung verfügen wie in jedem anderen Unterricht. Sie streben eine funktionierende Balance an zwischen Instruktion und Eigentätigkeit, zwischen rezeptiven, produktiven, diskursiven und Aneignungs-Phasen sowie zwischen geschlossenen,

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halboffenen und offenen Formen des Unterrichts“ (Lenhard 2015/2018, S. 14). Weiter drücken erwerbbare Kompetenzen nach Eckhard Klieme aus, „dass die Bildungsstandards – anders als Lehrpläne und Rahmenrichtlinien – nicht auf Listen von Lehrstoffen und Lerninhalten zurückgreifen, um Bildungsziele zu konkretisieren. Es geht vielmehr darum, Grunddimensionen der Lernentwicklung in einem Gegenstandsbereich (einer „Domäne“, wie die Wissens­psychologie sagt, einem Lernbereich oder einem Fach) zu identifizieren. Kompetenzen spiegeln die grundlegenden Handlungsanforderungen, denen Lernenden in der Domäne ausgesetzt sind“ (Klieme 2003). Kompetenzen sind verfügbare Fertigkeiten und Fähigkeiten, die einen handelnden Umgang beschreiben und Performanz mit einschließen und sich als Wissen und Können und Handeln charakterisieren lassen und sich im Handeln zeigen, weil sie dort erworben werden. Das Kompetenzmodell von 2004 beschreibt den Kern des Wissens und Könnens in einer Domäne, die im Idealfall kumulativ, in sinnvollen Lernschritten aufgebaut wird. Auf der Grundlage der Kompetenzmodelle sollten Aufgaben und Tests entwickelt werden, mit denen die Erreichung der Bildungsstandards überprüft werden kann, mit denen also Lernprozesse in Klassen, in Schulen und auch auf Länderebene evaluiert und den Beteiligten eine Rückmeldung gegeben werden kann. Die Erwartung ist, dass eine Verbindung von Kompetenzmodellen und -zielen, professionellem Handeln, Evaluierung und Rückmeldung dazu beiträgt, dass kulturell bedeutsame und für die Lebenspraxis wichtige Bildungsinhalte systematischer und letztlich erfolgreicher vermittelt werden. Die Merkmale des kompetenzorientierten Unterrichts sind: – – – –

Komplexe Aufgabenstellungen Struktur, Klarheit und effiziente Klassenführung Unterstützendes Sozialklima Feedback: Die Lernenden erhalten Gelegenheit, das eigene Wissen und Können zu prüfen. Lernrelevant sind dabei Form und Inhalt der Rückmeldung an die Lernenden. Feedback sollte informierend und wertschätzend sein, es sollte Unterstützung geben (www.lehrerfortbildung-bw. de).

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Das Kompetenzmodell von 2004 lässt sich mit Hilfe folgender Grafik erschließen.

Quelle: https://wiki.zum.de, nach Weinert 2004.

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Die nachfolgenden Grafiken zeigen den Planungsverlauf einer kompetenz­ orientierten Unterrichtseinheit im Fach Deutsch einschließlich einer Wiederholung und Vertiefung.

Abb. Kompetenzorientierter Unterricht. Quelle: www.Lehrerfortbildung-bw.de 2004.

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Abb. Vertiefung. Quelle: www.Lehrerfortbildung-bw.de 2004.

Wenn Lernende domänenspezifische Kompetenzen im Religionsunterricht erwerben sollen, ist es notwendig, dass Lehrpersonen diese zuvor vorhalten, d.h., auf der Seite der Lehrpersonen müssen notwendigerweise religionspädagogische Kompetenzen erworben worden sein, um überhaupt einen kompetenzorientierten Unterricht halten zu können. Welche Kompe-

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tenzen benötigt also eine Religionslehrperson (vgl. Mendl 2015, S. 1)? Diese Frage führt zuerst einmal in den Bereich der Lehrerprofessionsforschung und in den komplementären Bereich der professionellen unterrichtlichen Lehrer:in-Schüler:in-Beziehung. Lehrende können nur dann professionell arbeiten, wenn „formale Reflexions- und Handlungsmuster“ (Mendl 2015, S. 1) existieren und auch Räume und Zeiten existieren, in denen Lehrende ihr Tun unter professioneller supervisorischer Begleitung reflektieren und weiterentwickeln können. Die berufliche Professionalität im Religionsunterricht muss mit sich wandelnden Einstellungen, Lebensverhältnissen, Erwartungen umgehen können (zur Geschichte der verschiedenen Religionsdidaktikmodellen und ihren Anforderungsprofilen siehe Mendl 2006; Burrichter 2012; Ritter 2014; Rothgangel 2012). Auch die verschiedenen Modelle des professionellen Religionsunterrichts haben sich in den vergangenen 70 Jahren gewandelt, von der Evangelischen Unterweisung zum hermeneutischen, problemorientierten, symboldidaktischen, performativen, konfessionell-kooperativen, hin zum interreligiösen Religionsunterricht (wie zum Beispiel in Hamburg). Heutiger Religionsunterricht arbeitet verstärkt erfahrungs- und subjektorientiert (Mendl 2015, S. 3; Mendl 2014, S. 149f), was neue Kompetenzanforderungen an Lehrende, Lernende und an den Unterricht als Beziehungsgeschehen stellt. Mendl bringt es auf den Punkt: „Hier agieren die Lehrenden an der Schnittstelle zwischen den Erfahrungen der Lernenden[n](sic!) und den Erfahrungen der christlichen Tradition und haben die anspruchsvolle Aufgabe, Korrelationen zu ermöglichen … und die Brückenfunktion des Symbolischen didaktisch ins Spiel zu bringen. Sie benötigen vor allem auch die Fähigkeit zur genauen Wahrnehmung kindlicher und jugendlicher Lebenswelten“ (Mendl 2015, S. 3). Lehrende müssen in der Lage sein, „situationsgebundene, vernetzte, nachhaltige und auch im Ergebnis überprüfbare Lernprozesse“ (Mendl 2015, S. 3) zu den verschiedenen Dimensionen von Religion und Religiosität und religiöser Praxis zu initiieren und zu evaluieren. Manfred Pirner (2012) stellte drei Modelle der Religionslehrerprofession vor: a. den Persönlichkeitsansatz bzw. das Modell der Persönlichkeitsentwicklung des Lehrenden, b. den struktur- und rollentheoretischen Ansatz, zu dem vor allem die Bereitschaft zur Reflexion des Systems der Schule und entsprechender Rollen gehört (Mendl 2015, S. 4 pdf; Ziebertz 2010, S. 207ff) und c. das handlungsorientierte Modell (Ziebertz; Heil; Mendl & Werner 2005, S. 41ff), dem wir unseren Ansatz zuordnen (Mendl 2015, S. 5 pdf). Das handlungsorientierte Modell des Professionsverständnisses von Lehrpersonen im Religionsunterricht ist auf Religionslehrpersonen als Expert:innen zugeschrieben: Welche

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Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

Kompetenzen benötigen Religionslehrpersonen für die Ausgestaltung des Handlungsfeldes des schulischen Religionsunterrichts (Mendl 2015, S. 5 pdf)? Die Expert:innen für den Religionsunterricht (EKD 2008) müssen zuerst über eine spezifische theologische und pädagogische Fachkompetenz verfügen: Hierzu zählen vor allem theologische und religionspädagogische Reflexionskompetenz (Mendl 2015, S. 6 pdf); Gestaltungskompetenz für den Religionsunterricht; Kompetenzen der Wahrnehmung, des Förderns, Begleitens und Beurteilens und in unserem Fall besonders theologische und pädagogische Dialog- und Diskurskompetenzen (Mendl 2015, S. 6). Diese Kompetenzen lassen sich, Mendl folgend, besonders gut in einem Habitusmodell nach Pierre Bourdieu vorstellen: „Das Habitus-Modell (Habitus= grundlegende Haltung, die die Wahrnehmung, das Denken und Handeln prägt. SWE) liefert ein[e] Kriteriologie, die leitend für die Entwicklung einer berufsprofessionellen Reflexivität sein kann“ (Mendl 2015, S. 7). Der ausgebildete Lehrstil verdichtet sich als Habitus, der aber immer wieder aktiv bearbeitet und reflektiert werden muss, um nicht zu erstarren. Für die Religionslehrpersonen bedeutet dies: „Sie müssen aber vor allem in der Lage sein, als wissende Übersetzer die Komplexität von Religion und Theologie Kindern und Jugendlichen elementar darzustellen … und so insgesamt verstehbar zu machen“ (Mendl 2015, S. 9). Hinzu kommt die von allen Lehrpersonen erwartete Kompetenz und auch die Fähigkeit hinzu, Unterricht aus Perspektive der Lernenden wahrzunehmen (vgl. Hattie 2014; Mendl 2015, S. 10; Garcés 2020, S. 101ff), wozu sich am besten das Modell der Elementarisierung nach Karl Ernst Nipkow/ Friedrich Schweitzer eignet. Die Religionslehrperson muss aber für sich immer wieder die eigenen Zugänge zu Glauben, Spiritualität und religiösen Themen bedenken: „Dabei muss es das Ziel sein, als fragmentarisch Überzeugter … und in kritischer Loyalität mit der Beziehungspartnerin Kirche den Lernenden gegenüber transparent zu bezeugen, wie ein verantwortlicher Umgang mit Religion eines selbstreflexiven Glaubens und einer solidarischen und kritischen Beziehung zur Kirche als begründbar und lehrbar erscheint“ (Mendl 2015, S. 10). Religionslehrpersonen müssen in wechselnden Lerngruppen verschiedenen Alters und verschiedener Zusammensetzung in der Lage sein, sich in die Art und Weise des Denkens von Kindern und Jugendlichen hineinzuversetzen, d.h. mit Vielheit unterschiedlicher Lebenseinstellungen professionell umgehen zu können (vgl. Mendl 2015, S. 11).

Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

83

Sinnvoll ist, sich noch einmal den Bildungsplan von 2004 anzuschauen (vgl. auch das obige grundsätzliche Kompetenzmodell): Hier existieren übergeordnete und überfachliche Kompetenzen. Im Bildungsplan 2016 heißt es: „Überfachliche Kompetenzen bezeichnen eher jenes Wissen und Können, das über die Einzelfächer hinaus auch für Lernprozesse außerhalb der Schule von Bedeutung ist. Dazu zählen verschiedene methodische, personale und soziale Kompetenzen. Ein wichtiges Merkmal überfachlicher Kompetenzen ist, dass an ihrer Entwicklung alle – oder zumindest mehrere – schulische Fächer mit ihren spezifischen Fachinhalten, fachlichen Zugängen und Vorgehensweisen beteiligt sein müssen“ (bildungsplaene-bw.de). Nach Jürgen Baumert (2002) gehört der Bereich der Religion bzw. Philosophie zum rational-konstitutiven Modus des Weltzugangs; für Religion wäre dann die sog. religiöse Kompetenz als überfachliche Kompetenz zu nennen, die sowohl in der Schule als auch lebenslang außerhalb erworben werden kann. Für den schulischen Religionsunterricht, gleich welcher Konfession, ist die religiöse Kompetenz, gleichfalls komplementär zu verstehen (vgl. Baden-Württemberg Bildungsplan Gymnasium 2004, S. 25 und 26) und wie folgt formuliert: Religiöse Kompetenz ist zu verstehen als Fähigkeit, die Vielgestaltigkeit von Wirklichkeit wahrzunehmen und theologisch zu reflektieren, christliche Deutungen mit anderen zu vergleichen, die Wahrheitsfrage zu stellen und eine eigene Position zu vertreten sowie sich in Freiheit auf religiöse Ausdrucksund Sprachformen (zum Beispiel Symbole und Rituale) einzulassen und sie mitzugestalten. In diesem Rahmen fördert der Religionsunterricht folgende Kompetenzen, d.h., die religiöse Kompetenz (als übergeordnete Kompetenz) fächert sich auf in: Hermeneutische Kompetenz als Fähigkeit, Zeugnisse früherer und gegenwärtiger Generationen und anderer Kulturen, insbesondere biblische Texte, zu verstehen und auf Gegenwart und Zukunft hin auszulegen. Sachkompetenz als Fähigkeit, über religiöse Sachverhalte, Kernstücke der biblisch-christlichen Tradition und des christlichen Lebens Auskunft zu geben und deren Bedeutung für unsere Kultur zu benennen. Ästhetische Kompetenz als Fähigkeit, Wirklichkeit, insbesondere Bildende Kunst, Musik und Literatur sensibel wahrzunehmen, auf Motive und Visionen hin zu befragen und selbst kreativ tätig zu werden.

84

Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

Der nächste Basiskompetenzbereich wäre die Personale Kompetenz (S. 37, Zeile 8–10), zu ihr gehören ethische Kompetenz (S. 37, Zeile 1–4) und die kommunikative Kompetenz (S. 37, Zeile 11–14). Der dritte Kompetenzbereich stellt die Soziale Kompetenz dar (S. 37, Zeile 15–18) und der vierte Kompetenzbereich ist der Bereich der methodischen Kompetenz (S. 37, Zeile 19–21). Diese Kompetenzen sind auf Lehrer/innen und Schüler/innenseite als Basis sowohl der prozess- als auch der tatsächlich inhaltsbezogenen theologischen Kompetenzen zu verstehen; bis auf die religiöse und ethische Kompetenz sind alle anderen in allen allgemeinbildenden Fächern vorhanden.

Wie geht kompetenzorientierter Unterricht?

Im Folgenden beziehen wir uns direkt auf die Formulierungen zum Kompetenzerwerb, die vom Comenius-Institut zusammengestellt worden sind (Feindt, Andreas; Elsenbast, Volker; Schreiner, Peter; Schöll, Albrecht 2009, S. 13–15). Über Fächergrenzen hinweg können bestimmte Merkmale angeführt werden, die als konstitutiv für einen kompetenzorientierten Unterricht und für curriculare Zielvorgaben gelten. Sechs Merkmale kompetenzorientierten Unterrichts lassen sich nach der Sammelschrift des Comenius-Instituts aus 2009 nennen:

4.1

Individuelle Lernbegleitung

Lernende sollen gezielt in ihren individuellen Lernprozessen unterstützt und begleitet werden. Dabei wird dem gestuften Kompetenz­erwerb der Lernenden besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Anhand empirisch fundierter Modelle wird der Aufbau einer Kompetenz in verschiedenen, qualitativ unterscheidbaren Stufen beschrieben. Hat die Lehrperson erkannt, auf welcher Kompetenzstufe Lernende arbeiten, kann er/sie gezielte Lernangebote identifizieren, die zum Erwerb der nächsten Kompetenzstufe passen. Ein solches didaktisches Handeln kann nur gelingen, wenn man sich als Lehrperson systematisch einen Überblick über die verschiedenen Lernausgangslagen der Lernenden verschafft. Dabei geht es um das Vorwissen der Lernenden, ihre subjektiven Theorien und Fragen zu einem bestimmten Unterrichtsinhalt, und v.a. um ihre Lernwege und Bearbeitungsstrategien, mit denen sich Lernende an die Bearbeitung komplexer Herausforderungen machen. Im Fortgang des Unterrichts muss beobachtet werden, ob und inwiefern die Lernenden die nächsten Lernschritte durchlaufen und sich ein Lernzuwachs einstellt. Die individuelle Lernbegleitung ist also ein Prozess des genauen

Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

85

Hinschauens und pädagogischen Beobachtens, der sich kontinuierlich durch den Unterricht zieht.

4.2

Metakognition

Kompetenzorientierter Unterricht rückt den individuellen Kompetenz­ erwerb der Lernenden in den Mittelpunkt. Für die Gestaltung des Unterrichts bedeutet dies, dass es neben Phasen der direkten Instruktion Phasen einer individuellen Bearbeitung von (speziell ausgewählten) Lernangeboten geben muss. Für die Lernenden bedeutet dies, dass sie in den individualisierten Phasen des Lernens selbstgesteuert arbeiten müssen. Dabei ist das Wissen um die eigenen Stärken und Schwächen im Lernprozess eine wichtige Grundlage dafür, dass Lernende in die Lage versetzt werden, aktiv Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen. Die Lernprozesse mit ihren Hürden und Herausforderungen, mit ihren Strategien und Erfolgen sollten deshalb gemeinsam von Lehrenden und Lernenden besprochen werden. Die Lernenden sollten wissen, welche Strategien sie zur Bearbeitung von Aufgaben anwenden, welche Lernschritte notwendig sind, um sich Schritt für Schritt zu verbessern.

4.3

Vernetzung von Wissen und Fertigkeiten

Der nachhaltige Kompetenzaufbau braucht sowohl eine vertikale wie eine horizontale Vernetzung von Wissen und Fertigkeiten. Den Lernenden müssen die übergreifenden Zusammenhänge und Leitideen eines Faches deutlich werden. Mit vertikaler Vernetzung ist gemeint, dass im Unterrichtsgang deutlich werden muss, wie einzelne Wissensfelder und Können systematisch aufeinander aufbauen. Die Lernenden müssen einen Überblick darüber erlangen, wie neues Wissen an bestehendes Wissen anschließt und darauf aufbaut. Das gemeinsame Ordnen des Wissens auf einer Lernlandkarte oder einer Mind-Map sind z.B. Methoden, die die Vernetzung für Lernende transparent machen können. Unter horizontaler Vernetzung wird der anwendungsbezogene Transfer erworbenen Wissens und Könnens auf andere Bereiche verstanden. Wissensbestände und Fertigkeiten, die in bestimmten Kontexten erworben wurden und somit spezifisch situiert sind, müssen auf andere Kontexte übertragen werden. Wenn man den Unterricht primär an Inhalten (vorgegeben durch die Rahmenrichtlinien bzw. Kerncurricula) orientiert, dann ist es schwieri-

86

Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

ger, Vernetzungen herzustellen, als wenn man bestimmte Kompetenzen in den Mittelpunkt der Planungsüberlegungen stellt und diese dann auf unterschiedliche inhaltliche Kontexte bezieht.

4.4

Übung und Überarbeitung

Von Kompetenzen kann man erst sprechen, wenn Lernende ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie ihr kognitives Wissen auch in unbekannten Situationen anwenden können. Kompetenzen entwickeln sich nicht theoretisch, sondern erst, wenn sie in Fleisch und Blut übergehen. Wenn man an Sport oder Musik oder auch Computerspiele denkt, dann wird man erkennen, dass Übung und Training eine wichtige Voraussetzung für den Erwerb von Kompetenzen sind. Hierzu gehört auch die Überarbeitung von Arbeitsergebnissen: Wenn ein kumulativer Kompetenzaufbau darin besteht, dass die Lernenden, von ihren bestehenden Kompetenzen ausgehend, sich in kleinen Schritten neue Niveaus dieser Kompetenzen aneignen, dann ist es sinnvoll, die vorliegenden Produkte der Schüler:innen daraufhin zu untersuchen, an welchen Stellen eine Verbesserung des aktuellen Standes vorgenommen werden kann.

4.5

Kognitive Aktivierung

Die empirische Forschung zur Unterrichtsqualität hat verdeutlicht, dass ein Unterricht, der die Lernenden dazu herausfordert, bereits vorhandenes Wissen und verfügbare Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Bearbeitung neuer Herausforderungen aktiv und kreativ einzusetzen, ein wichtiger Faktor für den Lernerfolg ist. Für den kompetenzorientierten Unterricht gilt dies in besonderem Maße, weil Kompetenzen explizit auf die Bearbeitung von unbekannten Anforderungssituationen bezogen sind. Wenn man also den Erwerb von Kompetenzen befördern will, dann gelingt dies nicht, wenn man die Lernenden hauptsächlich mit Routine- oder Standardaufgaben konfrontiert. Vielmehr müssen im Unterricht immer wieder Situationen geschaffen werden, in denen gezielt eigene Entdeckungen gemacht werden können. Die Herausforderung im kompetenzorientierten Unterricht besteht darin, Aufgaben zu finden, bei denen die Lernenden gefordert sind, vorhandenes Wissen und verfügbare Fähigkeiten auf neue Weise miteinander zu verbinden. Eigene Lösungsstrategien müssen entwickelt, erprobt und auf ihre Eignung hin bedacht werden. Fehlendes Wissen muss identifiziert und entsprechend angeeignet werden.

Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

4.6

87

Lebensweltliche Anwendung

Didaktische Anregungen werden sich daran messen lassen müssen, ob es mit ihnen gelingt, den Kompetenzerwerb der Lernenden tatsächlich zu befördern. Um diese Frage zu beantworten, braucht es im Unterricht immer wieder Anforderungssituationen, die zugleich Anwendungssituationen sind, in denen die Lernenden Kompetenz zeigen müssen. Kompetenz zeigt sich, wenn Wissen, Können und Wollen beim Lernenden aktiviert werden, um Anforderungssituationen selbstständig und kreativ zu bearbeiten. Grundsätzlich sind Basiskompetenzen, prozess- und inhaltsbezogene Kompetenzen und Leitperspektiven miteinander verbunden: „Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen legen fest, was Lernenden bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (z.B. Ende Klasse 4, 6, 9, 10 oder 12) können und wissen sollen. Prozessbezogene Kompetenzen kennzeichnen übergreifende, allgemeine, das Fach betreffende Kompetenzen, die nicht an bestimmte Inhalte gebunden sind und sich im Bildungsprozess bis zum Ende des Bildungsgangs herausbilden. Insofern weisen prozessbezogene Kompetenzen diejenigen Aspekte aus, die in einem Fach themenübergreifend und fortlaufend entwickelt werden. Dagegen beschreiben die Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen, an welchen fachlichen Themen und in welchen Schritten diese erworben werden sollen“ (bildungsplaene-bw.de). Auch im neuen Bildungsplan 2016 sind die verschiedenen Anforderungssituationen bzw. Niveaukonkretisierungen vorhanden. Um diese zu verstehen, ist es notwendig, einen Blick auf die Aufgaben und Ziele des evangelischen Religionsunterrichts zu werfen: „Der Evangelische Religionsunterricht hilft die religiöse Dimension des Lebens zu erschließen. Er eröffnet einen spezifischen Modus der Weltbegegnung, der als integraler und unverzichtbarer Beitrag zum allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule zu verstehen ist. Soziales, politisches und kulturelles Leben in Deutschland, Europa und der Welt lässt sich ohne Kenntnis seiner religiösen Wurzeln nicht angemessen verstehen. Angesichts der Globalisierung und der multikulturellen Lebenszusammenhänge wird religiöse Bildung für die Suche der Kinder und Jugendlichen nach Identität und Orientierung immer wichtiger. Der Evangelische Religionsunterricht richtet sich an Lernende evangelischer Konfession und ist darüber hinaus offen für alle Lernenden mit und ohne Religionszugehörigkeit. Grundlage des Unterrichts bilden die biblisch bezeugte Geschichte Gottes mit den Menschen und ihre Deutung in den reformatorischen Bekenntnissen der

88

Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

Evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg. Der Evangelische Religionsunterricht bringt den christlichen Glauben und seine Traditionen ins Gespräch und unterstützt die Heranwachsenden dabei, den Glauben als Möglichkeit zu entdecken, die Wirklichkeit zu deuten und ihr Leben zu gestalten. Der Evangelische Religionsunterricht bietet Kindern und Jugendlichen Unterstützung und Begleitung bei ihrer Suche nach Identität und Lebenssinn. Die Lernenden erwerben so Kompetenzen religiöser Bildung. Der Glaube selbst entzieht sich einer Überprüfung. Er kann deshalb zwar Gegenstand des Unterrichts, darf aber nicht Maßstab für die Leistungsbewertung oder Leistungsbeurteilung sein. Der Evangelische Religionsunterricht – unterstützt die Entwicklung religiöser Sprach- und Gestaltungsfähigkeit, – bietet altersgemäße Zugänge zur biblisch-christlichen Tradition und befähigt die Kinder und Jugendlichen zum Verständnis biblischer Texte, – thematisiert die Wahrheitsfrage und enthält sich angesichts der Begrenztheit menschlicher Erkenntnis letzter Urteile über Menschen, – fördert die Bereitschaft und die Fähigkeit, andere Auffassungen zu verstehen, Einstellungen zu erfragen und miteinander ins Gespräch zu bringen, – stärkt die ästhetische Kompetenz, Wirklichkeit sensibel wahrzunehmen und selbst kreativ tätig zu werden (zum Beispiel in den Bereichen Musik, Bildende Kunst, Literatur, Spiel, Tanz, Film, digitale Medien), – fördert die Sprach-, Toleranz- und Dialogfähigkeit der Kinder und Jugendlichen und leistet dadurch einen Beitrag zur Verständigung in der pluralen Gesellschaft. „Ein konstruktiver Umgang mit Pluralität kann weder in einer Gleichgültigkeit gegenüber allen Unterschieden bestehen noch in einem Rückzug von der Pluralität dadurch, dass nur noch die eigene Wahrheit gesehen wird“ (Religiöse Orientierung gewinnen, EKD 2014, S.60), – nimmt Kinder und Jugendliche als Mitgestalterinnen und Mitgestalter ihrer Lebenswelt ernst und stärkt die Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft, – beteiligt sich an der Gestaltung der Schule als Lebens- und Erfahrungsraum, insbesondere durch die Mitgestaltung von Festen, Feiern und Gottesdiensten, – beteiligt sich an der Öffnung zum Gemeinwesen, zu Kirchengemeinden, diakonischen Einrichtungen und anderen außerschulischen Partnern, – hat eine seelsorgliche Dimension und wird durch die Schulseelsorge ergänzt, – trägt zu einer profilierten Schulentwicklung bei.

Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

89

Der Evangelische Religionsunterricht ermöglicht Kindern und Jugendlichen, sich selbst und andere als Geschöpfe Gottes mit individuellen Stärken und Schwächen wahrzunehmen. Er bestärkt sie, im Sinne der Inklusion sich und andere anzunehmen und im Blick auf gemeinsame Aufgaben Verantwortung für sich und die Gemeinschaft zu übernehmen. Die fachliche, didaktische und personale Kompetenz der Lehrperson sind wichtige Faktoren für den Evangelischen Religionsunterricht. Der Religionsunterricht ist offen für die fachübergreifende und fächerverbindende Vernetzung von Fragestellungen und Methoden sowie Kooperationen mit dem Katholischen Religionsunterricht und anderen Fächern. Darüber hinaus nimmt der Religionsunterricht als pluralitätsfähiges Fach, wo immer sich Möglichkeiten eröffnen, Chancen interreligiösen Lernens wahr“ (http://www.bildungsplaene-bw.de). Die grundsätzliche Vernetzungsstruktur von überfachlichen Leitperspektiven, Prozess- und Inhaltskompetenzen sollen so dem Aufbau eines Orientierungswissens dienen, denen auch für das Fach evangelische Religion in allen Schularten oben genannten Aufgaben und Ziele zugeordnet sind, woraus sich eine pädagogische Verankerung des Religionsunterrichts im Schulbetrieb ergibt (vgl. bildungsplaene-bw.de 2016). Die Niveaukonkretisierungen aus 2004 sind nun als Graduierungsstufen charakterisiert: „Im gemeinsamen Bildungsplan für die Sekundarstufe I kommt die Graduierung von Kompetenzen in den drei Niveaustufen G, M, E hinzu. Diese Graduierung zwischen den Niveaustufen erfolgt beispielsweise durch die Menge der verpflichtend zu bearbeitenden Inhalte, die Durchdringungstiefe oder durch den Grad an Abstraktion.“ (http://www.bildungsplaene-bw.de, S. 13) Die drei Stufen sind das G = Grundniveau/Reproduktionsniveau, M= mittleres Niveau/Reorganisation und Transfer und E= ergänzendes Niveau (Problemlösung, Urteilsbildung, Transfer). Auf unterrichtlicher Ebene sind in Aufgabenstellungen nun die sog. Operatoren wesentlich, um die drei Niveaus bzw. Graduierungen abbilden zu können: „Operatoren lassen sich den drei in der Komplexität zunehmenden Anforderungsbereichen ‚Reproduktion’, ‚Reorganisation’, ‚Reflexion/Transfer’ zuordnen. Eine Zuordnung zu nur einem Anforderungsbereich ist jedoch nicht immer möglich. Zum Beispiel ist im Fach Englisch der Operator ‚Analysieren’ je nach Kontext unterschiedlichen Anforderungsbereichen zugeordnet. In der Grundschule werden aus entwicklungspsychologischen

90

Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

Erwägungen heraus keine Operatoren verwendet“ (http://www.bildungsplaene-bw.de, S. 17). Im Fach Evangelische Religionslehre werden in Übereinstimmung mit den „Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Evangelische Religionslehre“ (EPA), (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 01.12.1989 i. d. F. vom 16.11.2006, S.8–9) folgende Operatoren verwendet: 1. Die EPA-Liste nennt Operatoren, mit deren Hilfe • Reproduktionsleistungen (Anforderungsbereich I), • Reorganisations- und Transferleistungen (Anforderungsbereich II), sowie • Leistungen der Problemlösung und Urteilsbildung (Anforderungsbereich III) ermöglicht werden. 2. Die EPA-Liste benennt Tätigkeiten, die zum Lösen von Prüfungsaufgaben erforderlich sind. Die Operatoren bilden die Grundlage für die Formulierung der Kompetenzen dieses Bildungsplans: Operatoren

Beschreibung

analysieren

unter gezielter Fragestellung Elemente, Strukturmerkmale und Zusammenhänge systematisch interpretieren und darstellen

AFB II

anwenden

einen bekannten Sachverhalt oder eine bekannte Methode auf etwas Neues beziehen

II

aufzeigen

den Gedankengang oder die Hauptaussage eines Textes oder einer Position mit eigenen Worten darlegen

I

begründen

Aussagen durch Argumente stützen

II

belegen

Aussagen durch Textstellen oder bekannte Sachverhalte stützen

II

benennen

ausgewählte Elemente, Aspekte, Merkmale, Begriffe, Personen etc. unkommentiert angeben

I

beschreiben

die Merkmale eines Bildes oder eines anderen Materials mit Worten in Einzelheiten schildern

I

beurteilen

zu einem Sachverhalt unter Verwendung von Fachwissen und Fachmethoden sich begründet positionieren (Sach- beziehungsweise Werturteil)

III

bewerten

zu einem Sachverhalt unter Verwendung von Fachwissen und Fachmethoden sich begründet positionieren (Sach- beziehungsweise Werturteil)

III

darstellen

den Gedankengang oder die Hauptaussage eines Textes oder einer Position mit eigenen Worten darlegen

I

Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

91

eine Erwiderung formulieren aus der Sicht von ...

eine unbekannte Position, Argumentation oder Theorie aus der Perspektive einer bekannten Position beleuchten oder in Frage stellen und ein begründetes Urteil abgeben

III

einen begründeten Standpunkt einnehmen

zu einem Sachverhalt unter Verwendung von Fachwissen und Fachmethoden sich begründet positionieren (Sach- beziehungsweise Werturteil)

III

einordnen

einen bekannten oder erkannten Sachverhalt in einen neuen oder anderen Zusammenhang stellen oder die Position eines Verfassers bezüglich einer bestimmten Religion, Konfession, Denkrichtung etc. unter Verweis auf Textstellen und in Verbindung mit Vorwissen bestimmen

II

entfalten

einen Sachverhalt, eine These etc. gegebenenfalls mit zusätzlichen Informationen und Beispielen nachvollziehbar veranschaulichen

II

entwerfen

sich textbezogen mit einer Fragestellung kreativ auseinandersetzen

III

erklären

einen Sachverhalt, eine These etc. gegebenenfalls mit zusätzlichen Informationen und Beispielen nachvollziehbar veranschaulichen

II

erläutern

einen Sachverhalt, eine These etc. gegebenenfalls mit zusätzlichen Informationen und Beispielen nachvollziehbar veranschaulichen

II

erörtern

die Vielschichtigkeit eines Beurteilungsproblems erkennen und darstellen, dazu Thesen erfassen beziehungsweise aufstellen, Argumente formulieren, nachvollziehbare Zusammenhänge herstellen und dabei eine begründete Schlussfolgerung erarbeiten (dialektische Erörterung)

III

formulieren

den Gedankengang oder die Hauptaussage eines Textes oder einer Position mit eigenen Worten darlegen

I

gestalten

sich textbezogen mit einer Fragestellung kreativ auseinandersetzen

III

herausarbeiten

aus Aussagen eines Textes einen Sachverhalt oder eine Position erkennen und darstellen

II

in Beziehung setzen

Zusammenhänge unter vorgegebenen oder selbst gewählten Gesichtspunkten begründet herstellen

II

einen Text oder ein anderes Material (zum Beispiel Bild, Karikatur, Tondokument, Film) sachgemäß analysieren und auf der Basis interpretieren methodisch reflektierten Deutens zu einer schlüssigen Gesamtauslegung gelangen

III

Konsequenzen Schlussfolgerungen ziehen, Perspektiven, Modelle, Handlungsaufzeigen möglichkeiten, Konzepte und andere entfalten

III

nachweisen

Aussagen durch Textstellen oder bekannte Sachverhalte stützen

II

nennen

ausgewählte Elemente, Aspekte, Merkmale, Begriffe, Personen etc. unkommentiert angeben

I

Perspektiven entwickeln

Schlussfolgerungen ziehen, Perspektiven, Modelle, Handlungsmöglichkeiten, Konzepte und andere entfalten

III

92

prüfen

Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

eine Meinung, Aussage, These, Argumentation nachvollziehen, kritisch befragen und auf der Grundlage erworbener Fachkenntnisse begründet beurteilen

III

recherchieren einen Sachverhalt (mediengestützt) ermitteln

I

sich auseinan- ein begründetes eigenes Urteil zu einer Position oder einem dardersetzen mit gestellten Sachverhalt entwickeln

II

skizzieren

einen bekannten oder erkannten Sachverhalt oder Gedankengang in seinen Grundzügen ausdrücken

I

Stellung nehmen

zu einem Sachverhalt unter Verwendung von Fachwissen und Fachmethoden sich begründet positionieren (Sach- beziehungsweise Werturteil)

III

Stellung nehmen aus der Sicht von ...

eine unbekannte Position, Argumentation oder Theorie aus der Perspektive einer bekannten Position beleuchten oder in Frage stellen und ein begründetes Urteil abgeben

III

überprüfen

eine Meinung, Aussage, These, Argumentation nachvollziehen, kritisch befragen und auf der Grundlage erworbener Fachkenntnisse begründet beurteilen

III

untersuchen

unter gezielter Fragestellung Elemente, Strukturmerkmale und Zusammenhänge systematisch interpretieren und darstellen

II

vergleichen

nach vorgegebenen oder selbst gewählten Gesichtspunkten Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede ermitteln und darstellen

II

wiedergeben

einen bekannten oder erkannten Sachverhalt oder den Inhalt eines Textes unter Verwendung der Fachsprache mit eigenen Worten ausdrücken

I

zuordnen

einen bekannten oder erkannten Sachverhalt in einen neuen oder anderen Zusammenhang stellen oder die Position eines Verfassers bezüglich einer bestimmten Religion, Konfession, Denkrichtung etc. unter Verweis auf Textstellen und in Verbindung mit Vorwissen bestimmen

II

zusammenfas- die Kernaussagen eines Textes komprimiert und strukturiert sen darlegen

I

Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

93

Die drei Niveaustufen G, M und E sind wie folgt zu beschreiben: Anforderungsbereich G

Anforderungsbereich M

– Wiedergabe von – Selbstständiges Begriffen und SachverBearbeiten bekannter halten unter VerwenSachverhalte. dung von gelernten – Selbstständiges und geübten VerfahÜbertragen von rensweisen in einem Kenntnissen auf neue begrenzten Gebiet. Fragestellungen oder Zusammenhänge.

Anforderungsbereich E – Bearbeiten komplexer Gegebenheiten, um selbstständig zu Lösungen, Begründungen, Folgerungen und Wertungen zu gelangen.

Die Niveaustufen geben vor, an welchen Anspruch bei der Umsetzung im Unterricht gedacht ist. Die Niveaukonkretisierungen richten sich an die Lehrkräfte und definieren einen Leistungskorridor als Leitlinien für die Unterrichtsplanung und dienen zur Überprüfung des Unterrichtserfolges. Sie verdeutlichen also das erwartete Anspruchsniveau einzelner Kompetenzen. Die Niveaubeschreibungen (G, M, E), die in den sog. Niveaukonkretisierungen zu finden sind, zeigen an Beispielen verbindlich das – der Schulart und Jahrgangsstufe angemessene – Anspruchsniveau auf. Man findet diese Niveaubeschreibungen entsprechend bei den Bildungs- und Lehrplänen der jeweiligen Schulart. Achtung: Nicht zu allen Themenfeldern liegen fertige Niveaukonkretisierungen vor, wo sie fehlen, muss der Unterrichtende/ die Unterrichtende selbst Niveaubeschreibungen vornehmen. Beim Unterrichtsschema muss die Niveaustufe (als Handlungsanweisung, Impuls oder Frage) ausgewiesen sein! Die Differenzierung der Niveaustufen bezieht sich in der Regel auf die Systematik der Anforderungsbereiche (siehe oben). Aber die Niveaubeschreibungen können sich auch auf nur einen, zwei oder drei dieser Anforderungsbereiche beziehen. Beispielsweise können innerhalb des Anforderungsbereichs I die Anwendung von einfachen oder von zunehmend anspruchsvolleren Verfahrensweisen in G, M und E beschrieben sein. Also Niveau G ist nicht immer mit Anforderungsbereich I gleichzusetzen, Niveau G kann sich auch in II finden usw.

94

Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

Anforderungsbereich I

Anforderungsbereich II

Anforderungsbereich III

G M E G M E G M E G M E G M E

G M E

Zur kritischen Beachtung von Kompetenzen und Bildungsstandards

Die Ausrichtung an Kompetenzen bzw. Output-Steuerung soll Unterrichtsqualität und Lernleistungen bzw. Lernniveaus von Lernenden verbessern. Mit Walter Herzog kann man sowohl an Zielsetzung als auch an der Umsetzung des Reformvorhabens, Bildungsstandards in der Schule einzuführen, Kritik üben (vgl. Herzog 2013, S. 8). Die Einführung von Bildungsstandards gehorche, so Herzog, einer Kritik an der Qualität des jeweiligen Bildungssystems (vgl. Herzog 2013, S. 9). Im Zuge der PISA-Studien wurde Qualität in den Lern- und Bildungsprozessen (vermeintlich) messbar und die deutsche Kultusministerkonferenz zog daraus die Konsequenz, die Lehr- und Bildungspläne in den 16 Bundesländern auf kompetenzorientierte Bildungspläne umzustellen, in denen die Bildungsstandards deutlich formuliert wurden: „Bildungsstandards haben die Erhaltung oder Sicherung sowie die Entwicklung oder Verbesserung von schulischer Qualität zum Ziel.“ (Herzog 2013, S. 10) Bildungsstandards seien als Teil einer „Gesamtstrategie der Qualitätssicherung“ (Herzog 2013, S. 10) zu verstehen. Nicht nur die unterrichtliche Qualität, sondern auch die Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit sollen verbessert bzw. gefördert werden (Herzog 2013, S. 11). Herzog problematisiert die Kategorien „Standard“ (vgl. Herzog 2013, S. 12–16) bzw. „Bildungsstandard“. Unterschieden werden dabei Fertigkeiten und Fähigkeiten, aber auch Ressourcen an Personen und Material als auch Standards für Lernprozesse. Herzog stellt fest: „Mit Bildungsstandards sind Leistungs- und Ergebnisstandards gemeint und nichts anderes“ (Herzog 2013, S. 17). Dieser Zug zur strikten Kon­ trolle von Schüler:innen- und Lehrer:innenleistungen gehe, so Herzog, auf entsprechende Unternehmen in den USA zurück, diese werden als „Testbewegung, Standardbewegung und Rechenschaftsbewegung“ charakterisiert (vgl. Herzog 2013, S. 19) und meint im Blick gerade auf die deutsche Diskussion, dass Bildungsstandards ausschließlich formale Standards seien, die festlegen, „wie viel erreicht werden muss“ (Herzog 2013,

Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

95

S. 20). Präzise müsste man eigentlich von „Schüler:inleistungsstandards“ sprechen (ebda.), bei den Lehrpersonen spricht man von Professionalisierungsstandards (vgl. Herzog 2013, S. 21): „Für den Begriff der Bildungsstandards, wie er sich im deutschen Sprachraum etabliert hat, ist jedoch charakteristisch, dass er von den Bedingungen des Lehrerhandelns absieht und sich ganz auf die Schülerleistungen beschränkt. Bildungsstandards beziehen sich weder auf curriculare Inhalte noch auf pädagogische Prozesse, sondern bezeichnen die Ergebnisse der Lernleistungen von Lernenden. Sie setzen nationale Standards für Schülerleistungen“ (Herzog 2013, S. 24). Es stellt sich also heraus, dass der Begriff „Kompetenz“ eher so etwas wie ein Containerbegriff ist, den man differenzieren muss, sowohl in spezifische Autonomien und entsprechende Taxonomien. Im angelsächsischen Bereich hat man begrifflich die Schwierigkeit, skills, knowledge, literacy und competence scharf zu unterscheiden (vgl. Herzog 2013, S. 31). In der deutschen Diskussion unterschied Heinrich Roth Sach-, Selbst- und Sozialkompetenzen (vgl. Herzog 2013, S. 32): „Roth macht also die Handlungsfähigkeit zum Kriterium des Kompetenzbegriffs. Diese beruht nicht auf Wissen oder Können, sondern auf der Verbindung von Wissen und Können“ (Herzog 2013, S. 32). Grundsätzlich werden Kompetenzen als Fähig- und Fertigkeiten charakterisiert, d.h. Kompetenzen sind „Fähigkeiten, die habitualisiertes Können ausmachen“ (Hubig 2012, S. 34ff; Herzog 2013, S. 33). In begrifflicher, aber auch in messtechnischer Hinsicht stellt sich der Kompetenzbegriff als sehr problematisch dar, der sich dann in didaktischen Überlegungen fortsetzt (Herzog 2013, S. 37): „… dann stellt der Kompetenzbegriff insofern ein Messproblem, als nicht nur die kognitiven, sondern auch die motivationalen, die volitionalen, die sozialen sowie allenfalls auch die moralischen Aspekte einer Kompetenz zu erfassen sind“ (Herzog 2013, S. 38). Kompetenzen müssten, um sinnvoll sein zu können, über längere Zeit gemessen werden, was im schulischen Kontext kaum durchführbar scheint (vgl. Herzog 2013, S. 39). Auch die Frage, was denn nun gelernt werde, ist mehrdeutig:

96

Kompetenzen und Niveaukonkretisierung

„Didaktisch bildet nicht mehr die Erschließung eines Stoffgebiets den Ausgangspunkt der Unterrichtsplanung, sondern die Frage, welche Kompetenzen sich an welchem Stoff erwerben lassen …“ (Herzog 2013, S. 40). Zu kritisieren ist die Verbindung zwischen Input-Output-Steuerung; der Bildungsstandard fokussiert als Leistungsstandard den Output, aber Steuerung beziehe sich von der Sache her erst einmal auf den Input (vgl. Herzog 2013, S. 46)! Menschen seien, so Herzog, weder triviale noch nichttriviale Maschinen, d.h., es müsste eigentlich um das Outcome gehen, der aber von vielen unbekannten Größen abhängig ist.

5

Präventive Kompetenzen erwerben

5.1

Interreligiöse Kompetenz und interreligiöses Lernen

Da viele Religionsklassen bzw. Lerngruppen inzwischen sehr heterogen zusammengesetzt sind, bietet sich an, über interreligiöse Kompetenz (Willems 2015, S. 1; Schambeck 2013; Willems 2011; van der Ven & Ziebertz 1994; Leimgruber 2007; Schreiner & Scheilke 1998; Schreiner; Sieg & Elsenbast 2005) nachzudenken. Die Lage im Religionsunterricht ist als Reaktion auf die religiöse Pluralisierung in Deutschland in den letzten 20 Jahren zu verstehen (Willems 2015, S. 1). In Zukunft wird sich die neu entstehende Migrationsgesellschaft weiter diversifizieren, was sich in den nächsten Jahren dann auch wieder im Religions- bzw. Ethikunterricht spiegelt (vgl. Mecheril et al. 2010; Meyer 2012 ; Schwendemann 2022), sodass schulpädagogisch auf Vielfalt zu reagieren sein wird: Religion kommt jedoch nur im Plural vor, ebenso Religiosität (vgl. Schambeck 2013, S. 174). Interreligiöse Kompetenz ist nach Willems

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Präventive Kompetenzen erwerben

„als Kompetenz im Umgang mit interreligiösen Überschneidungssituationen“ zu verstehen, „also solchen Situationen, in denen unterschiedliche Beteiligte jeweils durch Religionskulturen geprägte Deutungs-, Verhaltens- und Zuschreibungsmuster sowie emotionale und evaluative Muster zur Anwendung bringen und in denen sich durch die relative Inkongruenz dieser Muster Spannungen (von Konflikten bis hin zur exotischen Attraktivität) ergeben“ (Willems 2015, S. 2; Willems 2011, S. 142). Die interreligiösen Lernprozesse zeichnen sich dadurch aus, dass die eigene Position geklärt wird und so zur Identitätsbildung beiträgt; religionskundliche Kenntnisse erworben werden, die aber auch zu verstehen sind (hermeneutische Grundkompetenz). Gelernt werden muss zudem der Umgang mit Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften oder mit konfessions-, religionslosen Menschen. Auch Empathie und Toleranz im Umgang mit Anderen müssen gelernt werden (Willems 2015, S. 3pdf; Willems 2011, S. 114f) Stephan Leimgruber (2007, S. 99–101) sieht in der interreligiösen Kompetenz die „Fähigkeit, Zeugnisse, Phänomene und Personen anderer Religionen achtsam wahrzunehmen“ (Willems 2015, S. 3). Mirjam Schambeck stellt die Angemessenheit, sich zu Religion zu verhalten, in den Vordergrund ihrer Überlegungen (2013, S. 177–179) und „wie die Auseinandersetzung mit Religion im Subjekt verläuft und was diese Auseinandersetzung im Subjekt bewirkt“ (2013, S. 181). Ob die gängigen Entwicklungsmodelle überhaupt auf den Bereich des interreligiösen Lernens anzuwenden sind, ist eine offene Forschungsfrage: Wie sind Kategorien des „interreligiös Angemessenen“ zu verstehen und wie bekommt man die religiöse Differenz in den Blick (Willems 2015, S. 7)? Die nachfolgenden Ausführungen zeigen, wie auf der Grundlage des kompetenzorientierten Unterrichts religions- und dialogsensibler Religionsunterricht (mit Blick auf den Islam, das Judentum und andere Religionen und Religionsgemeinschaften) möglich sein kann, wie das Fach Religion im Sinn einer kultursensiblen Schulentwicklung wirksam werden und wie einer biblischen Grundforderung nachgekommen werden kann, die im Buch Levitikus zu finden ist: „Wie ein Einheimischer soll euch der Fremde gelten, der bei euch lebt. Und du sollst ihn lieben wie dich selbst, denn ihr seid selbst Fremde gewesen im Land Ägypten. Ich bin der HERR, euer Gott“1 (Lev 19,34 ZB; vgl. Schwendemann; Breidt; Saunus 2019). 1 Wir verweisen hier auf das Buch: Menschenwürde und Migration von Wilhelm Schwendemann, York Breidt und Melanie Saunus (2019), Stuttgart: Calwer.

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Der biblische Grundgedanke entspricht dem der Gastfreundschaft (vgl. Schwendemann 2022 = 2022b), die normalerweise nicht mit der Schule und des Religionsunterrichts zusammen gebracht wird. Wir fokusieren diesen Gedanken, um im evangelischen Religionsunterricht pädagogische Gastfreundschaft zu üben, was auf eine neue Dimension der Unterrichtskultur hinweist. Geflüchtete Schülerinnen und Schüler im Unterricht sind zuerst einmal ein Thema in sog. Vorbereitungsklassen ohne Deutschkenntnisse, wo der Religionsunterricht auch zu einem Deutschunterricht (Deutsch als Fremdsprache) wird. Die Herausforderungen der inklusiven Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund sind groß, sodass Deutschlernen zur Querschnittsaufgabe aller Fachlehrpersonen wird, auch für Religionslehrpersonen aller Konfessionen. Sie verstehen dann ihren Dienst als sozial-diakonische Aufgabe. Zudem kommt als weiteres Problem die Heterogenität solcher Klassen hinzu. Unabhängig davon ist es möglich, dass muslimische Schüler:innen durchaus den evangelischen Religionsunterricht besuchen, entweder mit Zustimmung der Eltern oder, wenn die Religionsmündigkeit gegeben ist, auch ohne die Zustimmung der Eltern. Hier entsteht dann eine Form der pädagogischen Gastfreundschaft im evangelischen Religionsunterricht mit besonderer Sensibilisierung, z.B. für den Islam auf Seiten der christlichen Schülerinnen und Schüler und umgekehrt auf Seiten muslimischer Schülerinnen und Schüler für das Christentum protestantischer Spielart. Dieser Religionsunterricht müsste sich durch eine besondere Form der interreligiösen Sensibilisierung auszeichnen. Die theologische Grundlinie in diesem Fall wäre die Anerkennung des Islam als Offenbarungsreligion, die an den einen Gott glaubt und sich wie auch immer auf das Vorbild im Glauben an den einen Gott auf den auf und in Gott vertrauenden Abraham. Man könnte auch sagen: „Christen und Muslime glauben auf verschiedene Weise an den gleichen Gott“ (Dam et al. 2016, S. 22). Diese Form fokussiert Analogie, weil sie immer auf Liebe, Leid, Erlösung und andere anthropologisch wesentliche Themen zielt, weil es immer um die Mannigfaltigkeit der einen Wahrheit geht (vgl. Ladenthin 2014, S. 81), die nur in der gelebten Konkretheit der einzelnen Religionszugehörigkeit und Religiosität erspürt werden kann (vgl. Ladenthin 2014, S. 83). Zu lernen wäre die Gleichzeitigkeit von Pluralität und Geltung (Ladenthin 2014, S. 96). Das Problem der Vielfalt stellt sich aber andererseits auch wieder als normales Alltagsproblem in Religionsklassen dar, sodass der Religionsunterricht von seiner Anlage – trotz aller Probleme und Begrenzungen – die Möglichkeit bietet, hier einen Raum der Gastfreundschaft im pädagogischen Feld zu bieten. Das Modell, das sich im gegenwärtigen RU-Diskurs anbietet, ist das Modell des dialogoffenen, kind- und jugendsensiblen Religionsunterrichts auf der Basis des kooperativ-konfessionellen Religionsunterrichts, in dem

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es vor allem um Persönlichkeitsbildung geht. Der Erziehungswissenschaftler Volker Ladenthin formuliert in diesem Zusammenhang: „Bildung findet in jener paradoxen Situation statt, in der der sich Bildende andere Menschen als Herausforderung für sich begreift, aber ihnen nicht gleich werden soll. Der zu Bildende darf sich also weder den Normen des anderen anpassen, noch ihnen fremd gegenüberstehen“ (Ladenthin 2014, S. 98). Die grundsätzliche Kompetenz, die es in der gegenwärtigen Situation zu fördern gilt, ist der gelingende Umgang mit Vielfalt religiöser Einstellungen und auch der Religionen, unter Einschluss des Islam. Diese von uns avisierte Spielart des konfessionell-kooperativen evangelischen Religionsunterrichts ist offen ist für andere Interessierte und begreift Heterogenität als pädagogische, theologische und religionspädagogische Chance, den eigenen Glauben kennenzulernen, zu schärfen, sich seiner selbst zu vergewissern, nach außen hin verständlich und erfahrbar zu machen und damit den Stellenwert von auf Humanität abzielender Religiosität für den gesellschaftlichen Zusammenhalt deutlich zu machen (vgl. Schwendemann 2013). Eine derartige Konzeption des Religionsunterrichts könnte im Bereich der Schule und der Schulentwicklung dazu beitragen, dass sich unterschiedliche Kulturen und Religionen vertragen, voneinander wissen und auch bei bestimmten Projekten zusammenarbeiten, etwa in den Fragen von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung sowie der Wahrung der Menschenwürde (vgl. Dam et al. 2016; Ladenthin 2014; Schwendemann; Breidt & Saunus 2019; Harbeck-Pingel & Schwendemann 2022).

1. Kritische Annäherung

Hierzu sind natürlich bestimmte Kompetenzen sowohl auf Lernenden- als auch Lehrendenseite notwendig, wobei wir uns verdeutlichen müssen, dass der im Zuge der PISA-Studien gebrauchte Begriff der Kompetenz schillernd ist, weil er nicht der geisteswissenschaftlichen, sondern der sozialwissenschaftlichen Tradition der Pädagogik und hier genau der empirischen Bildungswissenschaft entstammt (vgl. Klieme et al. 2003; 2002; 2004; 2008), die Bildung in sogenannte Domänen unterteilt. Das Domänenmodell sieht insgesamt vier Bereiche vor (vgl. Klieme 2003, S. 68): – Kognitiv-instrumentelle Modellierung der Welt – Ästhetisch-expressive Begegnung und Gestaltung – Normativ-evaluative Auseinandersetzung mit Wirtschaft und Gesellschaft – Probleme konstitutiver Rationalität

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Der evangelische Religionsunterricht wäre der letzten Domäne zuzuordnen, weil es hier um Letztbegründungen menschlichen Daseins geht (vgl. Büttner; Dieterich & Roose 2015, S. 35). Kritisch gegen diese Zuordnung bleibt zu sagen, dass eben nur ein Teil des Faches Religion einer Domäne zugeordnet werden kann, weil hier nicht nur argumentative, sondern auch hermeneutische und partizipative Fähigkeiten vorkommen, zum Beispiel den Umgang mit muslimischen und anders konfessionell gebundenen Geflüchteten zu fokussieren und sich auf Vielheit religiöser und auch nichtreligiöser Bekenntnisse und Einstellungen einzustellen. Kompetenzen lassen sich also definieren; sie sind „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, S. 27; 2002). Grundsätzlich gilt für eine Kompetenz, dass sie erlern- bzw. erwerbbar ist (vgl. Klieme & Hartig 2007, S. 18) und zu Leistungsdispositionen führt, „die sich ‚funktional’ … auf variable Anforderungssituationen beziehen“ (ebda.). Im Fall der religiösen Kompetenz wird über die Lern- und Erwerbbarkeit sehr kritisch nachzudenken zu sein, wenn es um die Komponente des christlichen Glaubens im Sinn von Gottvertrauen geht. Der Einsatz von Kompetenzen im Bereich der Anwendung wird gesellschaftlich und politisch gefordert; kompetent handelt also jemand, wenn es gelingt, erworbene Fähigkeiten anzuwenden und problemlösend einzusetzen (vgl. Klieme & Hartig 2008; Klieme 2009, S. 47; Klieme 2009b; Klieme 2010; Döbert et al. 2009). Die Förderung von messbaren erworbenen Kompetenzen hat also ein potenzielles Ergebnis im Sinn, was im Fall des Religionsunterrichts aber nur ein unzureichendes Bild dessen abgibt, was im Religionsunterricht pädagogisch passiert und intendiert ist. In unserem Fall ist jedoch genau auch diese kognitive Dimension wichtig, um solides religionskundliches Wissen aber in der Perspektive des Glaubens zu vermitteln. Kognitionen sind messbar, gleichwohl sind andere Dimensionen religiösen Lernens im Religionsunterricht der Messbarkeit entzogen (vgl. Büttner et. al. 2015, S. 46; Stachel 1971, S. 45). Mit Büttner et. al. muss es im Religionsunterricht in erster Linie um den spezifisch religiösen Modus der Weltbegegnung in der Spannung von Immanenz und Transzendenz gehen (vgl. Büttner et al. 2015, S. 49), theologisch wären das Unterscheidungen wie Evangelium und Gesetz, Christus als wahrer Mensch und wahrer Gott usw. (vgl. Büttner et al. S. 49). Daraus ergibt sich nach Büttner et al. 2015 folgendes Schema:

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Religion präsentieren

Religion modellieren

Relevanz konstituieren

1. Religion der Religionsgemeinschaft

1. Religion erfinden

1. Aneignung religiöser Zeugnisse

2. Religion des Religionsunterrichts

2. Religion entdecken

2. Aktualisierung religiöser Zeugnisse

3. Religion der Schüler:innen

3. Religion erläutern

3. Übertragung von Erfahrung

4. Religion der Kinder und Jugendlichen

4. Religion erörtern

4. Vertiefung von Erfahrungen

5. Religion erleben Nach Büttner et al. 2015, S. 52.

Unter religiös-theologischer Kompetenz wäre mit Büttner et al. (S. 57) dann zu verstehen „die Fähigkeit, die Welt anhand der Leitdifferenz und Transzendenz und Immanenz in der Semantik religiöser (christlicher) Tradition zu beobachten“ (Büttner et al. 2015, S. 57). Genau diese Fähigkeit wäre aber in unserem Modell des Religionsunterrichts auch auf muslimische Teilnehmende in den evangelischen Lerngruppen anzuwenden, möglicherweise unter Beteiligung muslimischer Lehrpersonen.

2. Klärung des Umfelds von Religionsunterricht

Das eben Skizzierte war die Ausgangssituation für den evangelischen Religionsunterricht, bevor im Sommer und Herbst 2015 die deutsche Gesellschaft vor eine große Herausforderung gestellt wurde: Es kamen bis Oktober 2019 weitaus mehr als eine Million Geflüchtete nach Deutschland, die vor allem den Bildungsbereich vor die Frage stellt: Wie sind Kinder und Jugendliche aus einer völlig anderen (Schul-)Kultur mit unseren Werten, religiösen Vorstellungen nach der Aufklärung und Moderne vertraut zu machen, ohne dass die Identität der Ankommenden noch die Identität der Gastgebenden infrage gestellt wird? Herausgefordert ist nicht nur die Schule, diese aber besonders von „Migration als Strukturmerkmal moderner Gesellschaften“ (GEW, EuWis 02/2016, S.8), mit dem Ziel, ein gelingendes und zugleich friedliches Zusammenleben zu organisieren. Herausgefordert ist der Religionsunterricht, weil sich hier naturgemäß der Umgang mit Heterogenität stellt und weil es hier auch Kompetenzmodelle gibt, die lösungsorientiert sind. Es geht hier nicht um Anpassung der Migrant:innen an unsere Maßstäbe, sondern um die Frage: Wie ist Bildung in einer Migrationsgesellschaft in Zukunft möglich? Umgang mit Heterogenität nicht im Sinn einer Vereinheitlichung, sondern im Sinn des Aushaltens der Unterschiede und im Konstrukt eines Dritten, Gemeinsamen ist dann Ziel aller Bildungsanstrengungen. Deutsch-

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land, so der Freiburger Soziologe Albert Scherr, ist „zu einer soziokulturell pluralen Einwanderungsgesellschaft geworden“ (Scherr 2015, S. 17). Gesellschaftliche Integration habe, so Scherr, wenig mit kultureller Distanz oder Nähe zu tun (Scherr 2015, S. 17). Es kommt also gar nicht zu sehr auf die Herkunftsgesellschaft an. Der entscheidende Faktor sei Bildung bzw. die Ermöglichung von Bildung und Aneignung von Bildung (ebda., S. 18). Eine Einwanderungsgesellschaft benötigt „gute Bildungschancen, die unabhängig von der sozialen und regionalen Herkunft sowie der im Elternhaus erworbenen Erstsprache für alle Gesellschaftsmitglieder zugänglich sind“ (Scherr 2015, S. 18). Bildung ist dann aber zuerst eine Form der Menschenrechtsbildung mit dem Ziel, allen klarzumachen, was die unverzichtbaren Grundlagen unseres gesellschaftlichen Zusammenleben sind: „Mit den Kernprinzipien der Menschenrechte, insbesondere der Forderung nach Achtung der Würde jedes Einzelnen und dem Diskriminierungsverbot, sind jedoch Möglichkeiten und Grenzen der Verständigung bestimmt. Wer diese Kernprinzipien ablehnt, mit dem kann man sich nicht mehr dialogisch verständigen, sondern nur noch feststellen, dass keine Verständigung möglich ist“ (Scherr 2015, S. 18).

3. Besinnung

In der geisteswissenschaftlichen Tradition der Pädagogik existiert, so wie Jan Amos Comenius betont, eine Vision von Schule jenseits von Messbarund Regelhaftigkeit (Herzog 2013, S. 80) und deswegen ist es notwendig, vor der Überschätzung der Steuerung und der Regelung zu warnen, die nur dann ihren Zweck erfüllen kann, wenn sie nicht überbewertet wird: „Es weckt die Erwartung, ein komplexes Sozialgebilde wie das Bildungssystem lasse sich tatsächlich steuern, wenn nur der herkömmliche Ansatz der Input-Steuerung zugunsten einer Steuerung über den Output verlassen wird“ (Herzog 2013, S. 82). Schule wird sonst u.E. einer reinen instrumentellen Perspektive unterworfen. Von Steuerung ist die Regelung zu unterscheiden (Herzog 2013, S. 85), wobei Regelung im System und Steuerung außerhalb des Systems zu platzieren sind (Herzog 2013, S. 85). Zudem ist das formale Bildungssystem ein soziales System, das sich maschinenmäßigen kybernetischen Abläufen entzieht (Herzog 2013, S. 91). Wenn jedoch kommunikatives Handeln Grundlage schulischer Lern- und Bildungsprozesse darstellt, dann sind Lernleistungen der Lernenden nicht nur Leistungen der Schule bzw. der Lehrpersonen (Herzog 2013, S. 93), weil Unterricht in erster Linie ein sozialer Prozess mit vielen Unbekannten darstellt (Herzog 2013, S. 94): „Die Standardbewegung scheint den Akzent auf die Kriterien allgemein und

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einfach zu legen, während in der pädagogischen Praxis die Kriterien einfach und zutreffend relevant sind. Die Schule als Gefüge ineinander verschachtelter Regelkreise zu sehen, ist eine einfache und allgemeine Vorstellung, die den Ansprüchen der Politik entgegenkommt, aber in der Praxis nicht hilfreich sind“ (Herzog 2013, S. 96). Kompetenzmodelle haben deskriptiven Charakter und sagen nichts über Entwicklungslogiken von Individuen aus (Herzog 2013, S. 99).

4. Religiöse Kompetenz

Ziel neuerer empirischer Studien zum Thema Religion war, Erkenntnisse der empirischen Bildungsforschung für theologische und religionspädagogische Fragestellungen in Bezug auf den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen zu nutzen (vgl. Benner et al. 2011, S. 13). Religion bzw. Religiöses wurde in der Projektgruppe als „diskursiver Tatbestand“ (vgl. Matthes 1992; 1993) verstanden. Religiöse Bildung ist dabei eine Fähigkeit, „verschiedene Erscheinungsformen von Religion wahrzunehmen, zu erkennen und mit ihnen deutend und partizipatorisch umzugehen“ (Benner et al. 2011, S. 14). In der Tradition Schleiermachers wird religiöse Bildung als essenzieller Bestandteil öffentlicher Bildung verstanden, „die sich auf ausdifferenzierte Lebensformen und Gesellschaftsbereiche mit unterschiedlichen kategorialen Strukturen und Denkmustern bezieht, welche gegeneinander keinerlei Vorrang für sich beanspruchen können“ (Benner et al. 2011, S. 15). Religion und Bildung gehören nach diesem Verständnis als komplementäre Partner zusammen. In der Schule taucht Religion zuerst in ihrer reflexiven Gestalt auf und nicht vorrangig performativ (vgl. Dressler 2006; 2008, S. 74–88; dito et al. 2012; 2014), was bedeutet, dass Religion nach dem sog. Grundbildungskonzept (vgl. Baumert; Stanat & Demmrich 2001, S. 21) eine eigene Domäne darstellt (Benner et al. 2011, S. 17). An Kompetenzen wird diesem Bereich der religiösen Bildung sowohl Problemlöse- als auch Problembearbeitungskompetenz zugeordnet. Die Herausgeber der Studie von 2011 orientieren sich weniger an Wissen und Kenntnissen im Bereich der Religion, sondern vielmehr an umfänglichen Kompetenzen. Das Berliner Modell unterscheidet drei Kompetenzdimensionen für die sog. religiöse Kompetenz: • religionskundliche Kenntnisse • religiöse Deutungen und Interpretationen • religiöse Partizipation und Performanz Es geht nicht um Rekrutierung von Lernenden für die Bezugsreligion des Lehrenden, sondern darum,

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„ihnen Grundkenntnisse im jeweiligen Fach sowie die Fähigkeit zu vermitteln, sich interpretierend und deutend sowie partizipierend und handelnd mit den jeweils domänenspezifischen Inhalten und Themen auseinanderzusetzen“ (Benner et al. 2011, S. 21). Folgende Standards lassen sich in diesen Kompetenzdimensionen wiederfinden: Sie beziehen sich „(1.) auf die Fähigkeit, den eigenen Glauben und die eigenen Erfahrungen wahrzunehmen und zum Ausdruck zu bringen sowie vor dem Hintergrund christlicher und anderer religiöser Deutungen zu reflektieren; (2.) auf ein angemessenes Verständnis der Grundformen biblischer Überlieferung und religiöser Sprache, (3.) auf die Kenntnis individueller und kirchlicher Formen der Praxis von Religion und die Fähigkeit, an diesen zu partizipieren, (4.) auf die Fähigkeit, über das evangelische Verständnis des Christentums Auskunft zu geben, (5.) auf eine Wahrnehmung ethischer Entscheidungssituationen im individuellen und gesellschaftlichen Leben, welche die christliche Grundlegung von Werten und Normen versteht und in Handlungen übersetzt, (6.) auf die Auseinandersetzung mit anderen religiösen Glaubensweisen und nicht-religiösen Weltanschauungen sowie die Fähigkeit, mit Kritik an Religion umzugehen und die Berechtigung von Glauben aufzeigen zu können, (7.) schließlich auf die Fähigkeit, mit Angehörigen anderer Religionen sowie mit Menschen mit anderen Weltanschauungen respektvoll kommunizieren und kooperieren zu können und (8.) darauf, religiöse Motive und Elemente in der Kultur identifizieren, kritisch reflektieren sowie ihre Herkunft und Bedeutung erklären zu können“ (Benner et al. 2011, S. 27). Im Zug der Zuwanderung von Geflüchteten wird ein Phänomen sichtbar, das die Bildungsforschung insgesamt nicht im Blick hat: Religiös zu sein bedeutet nicht gleichzusetzen mit, religiöse Kompetenz erworben zu haben. Die Pluralität der Lebensstile und der gesellschaftliche Wandel hin zu Diversität und Pluralität erlauben sowieso keine umfassende Definition von „Religiosität“ mehr, sondern nur noch weitgefasste Annäherungen an die Phänomene Religion/Religiosität. Auch wird das, was wir noch 2004 unter „religiöser Kompetenz“ gefasst haben, in heutiger Sicht divers. Eine religiöse Kompetenz geht nicht davon aus, dass jemand durch den Lernprozess religiös wird, und religiöse Kompetenz ist nicht gleichzusetzen mit Religiosität. Im Religionsunterricht geschieht grundsätzlich so etwas wie der Erwerb religiöser Bildung, die aber den ganzen Menschen betrifft (vgl. Ladenthin 2014, S. 9) – religiöse Bildung scheint aber von PISA stillschweigend verabschiedet worden zu sein zu sein. Bildung zielt als Persönlichkeitsbildung

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immer zuerst auf die sachkundige Verantwortung und Sinn übernehmende Person (vgl. Ladenthin 2014, S. 11): „Brauchen wir nicht die Vielfalt von Kultur, um überhaupt zu wissen, wofür wir eigentlich Kompetenzen antrainieren sollen – und müssen wir unsere Kinder nicht vom ersten Lebenstag an mit dieser Kultur in Begegnung bringen“ (Ladenthin 2014, S. 13)? Es geht in religiöser Bildung auch darum, sich selbst erkennen und sich zu sich selbst verhalten zu können. Religiöse Bildung, auch die im Religionsunterricht, muss eine gesellschaftliche Basisqualifikation sein, „auf die eine Gesellschaft nur um den Preis der Selbstschädigung und des Identitätsverlusts, den Verlust an Selbsterkenntnis und Rechenschaftsfähigkeit sich selbst gegenüber verzichten kann“ (Ladenthin 2014, S. 13). Das ist gerade nicht das, was in der Psychometrie von PISA und Kompetenzorientierung gemessen werden kann (vgl. Ladenthin 2014, S. 15). Religiöse Bildung hat mit den letzten Fragen der Existenz zu tun – braucht demnach Bildung Religion (vgl. Ladenthin 2014, S. 21)? Bildung fragt immer nach dem Menschen, also enthält eine Bildungstheorie auch immer eine allgemeine Theorie des Menschen (vgl. Ladenthin 2014, S. 21). Wir müssen also fragen, ob Religion nicht notwendige Voraussetzung für die Bildung des Menschen sei (vgl. Ladenthin 2014, S. 26). Religion ist aber nie abstrakt, sondern inhaltlich in den Offenbarungsreligionen Judentum – Christentum – Islam konkret. Aber dass geglaubt werden kann, ist keine Frage des Glaubens, sondern der kritischen und vernünftigen Reflexion: Über Musik kann auch der Mensch nachdenken, der selbst kein Instrument spielt; so ist auch die Einrichtung von konfessionellem Unterricht unabhängig davon zu sehen, ob die Mitglieder einer schulischen Lerngruppe im Fach Religion religiös oder nicht religiös sind (vgl. Ladenthin 2014, S. 27). Die jeweilige religiöse Tradition der Offenbarungsreligionen liegt aber immer der individuellen und subjektiven Religiosität voraus und ist für diese uneinholbar, aber „Religiosität ereignet sich immer schon im Proprium eines bestimmtes Glaubens, eines gelebten Bekenntnisses […]“ (Ladenthin 2014, S. 39). Die Möglichkeiten eines gastfreundlichen evangelischen Religionsunterrichtes liegen darin, mit Lernenden unterschiedlicher kultureller und religiöser Provenienz ins Gespräch zu kommen und gemeinsam über Endlichkeit, Fragmentarität des Lebens und die jeweiligen Antworten der Religionen nachzudenken und das in Anerkennung und Wertschätzung des jeweils anderen. Die Frage der Endlichkeit wird dann entscheidend, weil in jeder

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religiösen Praxis Sittlichkeit zum Thema wird und diese durch Endlichkeit herausgefordert bleibt, aber mit Volker Ladenthin; „Religiosität motiviert zwar Moralität; aber nicht jede Moralität ist auch schon religiös motiviert“ (Ladenthin 2014, S. 45). Gerade auch die Fragen der Lernenden nach dem Sinn des Lebens, der Endlichkeit und Fragmentarität zielen auf Dialog und dialogfähig wird man, indem man sich ethischen Ansprüchen stellt – auch Glaubenspraxis muss sich im Dialog sittlich ausweisen: „Eine Konfession, die zu unsittlicher Praxis führt, kann als Antwort auf die Sinnfrage nicht akzeptiert werden. Die Regeln der Ethik aber sind in der postkonventionellen Moderne dialogfähig. Die Ansprüche der Sittlichkeit sind allgemein zu reflektieren … Religionsunterricht ist also auch jenen zumindest als Ethikunterricht zuzumuten, die nicht an etwas Bestimmtes glauben oder zu keiner Religionsgemeinschaft gehören“ (Ladenthin 2014, S. 54).

5. Konsequenzen 5.1 Begegnungsmöglichkeiten

Grundsätzlich müssen Lehrende im Bereich des Islam, des Judentums (insbesondere auch im Bereich der Antisemitismusprävention; vgl. Schwendemann 2022 + 2022c), der orientalischen Formen des Christentums und im Umgang mit interkultureller Vielheit fortgebildet werden. Zudem müssen Unterrichtsformen erprobt werden, die die vorgestellte pädagogische Gastfreundschaft sowohl didaktisch als auch methodisch umsetzen, dazu gehören vor allem Begegnungs- und Erlebnisformen zwischen christlichen und muslimischen Schülerinnen und Schüler. Religionslehrpersonen können entscheidend zur interkulturellen Sensibilisierung in den Schulen als Beitrag zur Schulentwicklung beitragen, das beginnt bei der Raumgestaltung und geht hin bis zum Schulkantinenessen, zu gemeinsamen Feiern, Schulfesten und anderen Begegnungsmöglichkeiten. Religionslehrpersonen sind aufgrund ihrer Vernetzung zu kirchlichen (zu jüdischen und muslimischen) Gemeinden, Institutionen, Werken auch in der Lage, die Schule im jeweiligen Quartier stärker zu vernetzen und über Kirchengemeinden und andere nichtchristliche Gemeinden weitere Begegnungsmöglichkeiten, z.B. in Form interreligiöser Jugendarbeit, zu schaffen.

5.2 Menschenrechtliche Perspektiven auf den Religionsunterricht 5.2.1 Menschenrechtliche Perspektiven

Neben interreligiösen und religionssensiblen Kompetenzen werden in Zukunft vor allem von den Religionslehrpersonen auch menschenrechtliche Kompetenzen (vgl. Schwendemann 2017b; Harbeck-Pingel & Schwendemann

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2022) erwartet, weil die inhaltlichen Kompetenzen der sieben Erschließungsdimensionen auch menschenrechtliche Dimensionen umfassen. Menschenrechte und die entsprechende Perspektive im Religionsunterricht gehören u.E. zusammen, auch wenn sich nicht direkt ein Zusammenhang zwischen den Menschenrechten und theologischer Begründung derselben herstellen lässt (vgl. Huber & Tödt 1977; Huber 1989; 1994; 1995). Angesichts der derzeitigen unübersichtlichen gesellschaftlichen Situation einer Einwanderungsgesellschaft, ist es notwendig, im evangelischen Religionsunterricht so etwas wie eine menschenrechtliche Basisorientierung zu entwickeln, sodass der Religionsunterricht auch für Konfessionslose und religiös anders Orientierte attraktiv wird. Im gemeinsamen Ausgangspunkt der Menschenrechte würde es zu einem anderen Lernsetting kommen, das im Rahmen des evangelischen Bildungsplans ungewohnt sein dürfte, aber gleichzeitig auch neue Lernchancen bereithält. Unter historischen Aspekten lässt sich zwar auch die biblische Begründung der Menschenrechte bei der AEMR (= Allgemeine Erklärung der Menschenrechte) 1948 nachweisen, sie sind aber nicht in den Basistext der Präambel eingetragen, was jedoch nicht bedeutet, dass sie dem Sinn nach dort nicht auftauchen. Trotzdem bleiben religiöse Zugänge und Begründungen zu den Menschenrechten als Selbstvergewisserungsstrategien der Religionsgemeinschaften wichtig, oder wie es Heiner Bielefeldt ausdrückt: „Dennoch sind die Begründungsfragen nicht uninteressant, sie sind relevant, wenn sozusagen auch Motivationsquellen für menschenrechtliches Engagement erschlossen werden sollen. Also sind auch religiöse, kulturelle, philosophische Begründungen nach wie vor interessant, aber sie sind nicht die Ebene, auf der man einen Konsens organisieren kann“ (Bielefeldt 2009, S. 1). Ebenso sei z.B. auch der Begriff der Menschenwürde ein ähnlicher Platzhalter (Bielefeldt 2009, S. 1); darin wird zumindest deutlich, dass ich dem Anderen als Mitglied der Menschheit Anerkennung schulde, unabhängig von dessen religiöser Verortung, was aber gleichzeitig religiöses Basisprinzip in einer interreligiösen Gesellschaft darstellt; Menschenrechte sind zwar auf Konsens hin konzipiert, gleichzeitig spiegeln sie aber nicht den theoretischen, praktischen oder vollzogenen Stand heutiger Diskussion wider (vgl. Bielefeldt 2009, S. 2). Menschenwürde wäre in diesem Zusammenhang so etwas wie die „Prämisse normativen Handelns überhaupt, als Anspruch, den Menschen als Subjekt von Verantwortung zu achten“ (Bielefeldt 2009, S. 2), d.h., das ist nicht als eine ontologische Wirklichkeit zu verstehen, sondern eher als eine Art apriorischer Zuschreibung bzw. Anerkennung. Kant schreibt in seinem Werk Zum ewigen Frieden über diese apriorische Zumutung auf der Ebene einer Gesellschaft:

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„Er (d.h. der Staat, SWE) ist eine Gesellschaft von Menschen, über die niemand anders, als er selbst, zu gebieten und zu disponieren hat. Ihn aber, der selbst als Stamm seine eigene Wurzel hatte, als Pfropfreis einem andern Staate einzuverleiben, heißt seine Existenz, als einer moralischen Person, aufheben, und aus der letzteren eine Sache machen, und widerspricht also der Idee des ursprünglichen Vertrags, ohne die sich kein Recht über ein Volk denken läßt“ (Bielefeldt 2009, S. 2). Menschenrechte sind aber in der Perspektive Kants auf so etwas wie Intersubjektivität hin angelegt: Die Menschenrechte „gehen aus Intersubjektivität hervor und sollen sie prägen in eine bestimmte Struktur hinein, nämlich von Freiheit und Gleichheit. Jedes Menschenrecht ist überhaupt nur intersubjektiv denkbar. Nehmen wir mal einen fairen Prozess an auf der Grundlage des Habeas Corpus-Rechts. Da gibt es das Recht auf frei gewählten Kontakt, den Anwalt eigener Wahl, ganz praktisch. Es geht immer um die Kommunikation. Meinungsfreiheit – das ist kein individuelles Recht in dem Sinne, dass der Mensch einer Monade gleich individueller Rechtsträger wäre, sondern das Recht einer Gemeinschaft Sprechender und Hörender. Es geht um Interaktion und darum, dass die Interaktion allerdings für jeden ermöglicht wird“ (Bielefeld 2009, S. 4). Auch beim Thema Religionsfreiheit geht es nie um den individuellen Glauben, sondern immer um eine Vergemeinschaftsform von Glauben, um den kommunikativen Akt von Glauben (Bielefeldt 2009, S. 4). Das bedeutet, dass die Menschenrechte in ihrer niedergelegten Form jeder Gemeinschaft, auch religiösen Gemeinschaft, oder jedem Staatswesen voraus liegen und dieses mit einem unbedingten Anspruch konfrontieren. Menschenrechte seien also so etwas wie ein Gegenentwurf zum Partikularismus (vgl. Bielefeldt 2009, S. 8). Wenn wir auf die gegenwärtigen Fluchtphänomene (vgl. Harbeck-Pingel & Schwendemann 2022) schauen, dann sind hier in elementarer Weise wesentliche Menschenrechte tangiert. Nach der Genfer Konvention gilt das Non-Refoulment, nämlich Geflüchtete nicht wieder in eine Situation zurückzuschicken, in der ihnen Folter oder die Gefahr für Leib und Leben oder andere Menschenrechtsverletzungen drohen (vgl. Bielefeldt 2009, S. 9). „Keine Abschiebung in eine Foltersituation. Dieses Non-Refoulement, dieser Kern von einem Recht, Rechte zu haben, wird nun faktisch dadurch unterlaufen, dass man den Grenzschutz immer weiter nach vorne verlagert und das Gebot restriktiv interpretiert; es wird nun gerade nicht mit nach vor-

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ne verlagert. Wir haben hier also einen Zwischenbereich, wo man wirklich sagen muss, wir haben hier im Sinne des Rechtsschutzes ein systematisch aufgebautes Loch“ (Bielefeldt 2009, S. 10). Deswegen würde Kant in Bezug auf diese Situation auch sagen, dass der Frieden und auch Menschlichkeit aktiv gestiftet werden müssen, weil sie sich nicht von selbst ergeben (Kant 2015, S. 205) und dass diese Stiftung tatsächlich auch einer religiösen Gemeinschaft als Pflicht aufgetragen bleibt. Kant spricht in seinem Text von Hospitalität, was die Wirtbarkeit, d.h. Besuchsrecht, letztlich meint. Es geht um das Recht des Fremden, „seiner Ankunft auf dem Boden eines andern wegen, von diesem nicht feindselig behandelt zu werden. Dieser kann ihn abweisen, wenn es ohne seinen Untergang geschehen kann; so lange er aber auf seinem Platz sich friedlich verhält, ihm nicht feindlich begegnen. Es ist kein Gastrecht, worauf dieser Anspruch machen kann (wozu ein besonderer wohltätiger Vertrag erfordert werden würde, ihn auf eine gewisse Zeit zum Hausgenossen zu machen), sondern ein Besuchsrecht, welches allen Menschen zusteht, sich zur Gesellschaft anzubieten, vermöge des Rechts des gemeinschaftlichen Besitzes der Oberfläche der Erde, auf der, als Kugelfläche, sie sich nicht ins Unendliche zerstreuen können, sondern endlich sich doch neben einander dulden zu müssen, ursprünglich aber niemand an einem Orte der Erde zu sein mehr Recht hat, als der andere. – Unbewohnbare Teile dieser Oberfläche, das Meer und die Sandwüsten, trennen diese Gemeinschaft, doch so, daß das Schiff, oder das Kamel (das Schiff der Wüste) es möglich machen, über diese herrenlose Gegenden sich einander zu nähern, und das Recht der Oberfläche, welches der Menschengattung gemeinschaftlich zukommt, zu einem möglichen Verkehr zu benutzen“ (Kant 2015, S. 214). Und weiter heißt es bei Kant: „Die wahre Politik kann also keinen Schritt tun, ohne vorher der Moral gehuldigt zu haben, und ob zwar Politik für sich selbst eine schwere Kunst ist, so ist doch Vereinigung derselben mit der Moral gar keine Kunst; denn diese haut den Knoten entzwei, den jene nicht aufzulösen vermag, sobald beide einander widerstreiten. – Das Recht dem Menschen muß heilig gehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so große Aufopferung kosten. Man kann hier nicht halbieren, und das Mittelding eines pragmatisch-bedingten Rechts (zwischen Recht und Nutzen) aussinnen, sondern alle Politik muß ihre Knie vor dem erstern beugen, kann aber dafür hoffen, ob zwar langsam, zu der Stufe zu gelangen, wo sie beharrlich glänzen wird“ (Kant 2015, S. 243).

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5.2.2 Bestandsaufnahme

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Die Menschlichkeit im Umgang mit dem Anderen, dem Fremden, ist also nach Kant und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zu lernen und gehört in den Kontext religiöser Lernprozesse unmittelbar hinein und damit sind wir im Unterricht als Beziehungsgeschehen angekommen. Die Frage ergibt sich sofort: Wo kann man den angemessenen Umgang mit fremden Menschen, fremden Kulturen, Religionen usw. lernen? Wo ist im schulischen Kontext überhaupt religiöse und ethische Orientierung verankert? In den meisten Schulgesetzen gehört eine diesbezügliche Orientierung zu den Grundaufgaben der Schule überhaupt, unabhängig vom Religionsunterricht. Auch wenn die vorfindlichen Formulierungen etwas altertümlich klingen, ist doch die Richtung erkennbar, achtsam mit Menschen anderer Herkunft umzugehen, was in der neueren Inklusionsdiskussion bislang vernachlässigt worden ist, aber jetzt umso drängender werden wird. Wenn man von der Voraussetzung ausgeht (vgl. zum Nachfolgenden Schwendemann 2010), dass Religion als eine Möglichkeit besteht, sich Welt zu erschließen, dann geht es in religiöser Bildungsarbeit zuallererst um die Beziehung und die Frage des menschlichen Selbstverständnisses zwischen Endlichkeit und Freiheit; allgemeine Bildung ohne Religion wäre fragmentarisch und ungebildete Religion setzte sich einem Ideologieverdacht aus, denn die Selbsttätigkeit des Menschen wäre alles andere als selbstbestimmt, was bedeutet, dass Religion und Bildung nicht miteinander identisch sind, sondern sich zueinander komplementär verhalten. Peter Biehl und Karl Ernst Nipkow haben darauf hingewiesen, dass eine sich Bildungsprozessen öffnende Religion sich ändert und dynamisiert und sich für Umbildungsprozesse freigibt, ohne ihr Proprium, das wäre in diesem Fall die eigene Religionszugehörigkeit und die persönlich-subjektive Religiosität, zu verraten (Biehl & Nipkow 2005, S. 55). Das müsste das Ziel des Religionsunterrichts sein, hier weiterführende Kompetenzen bei der jeweiligen Lerngruppe, die in sich bereits heterogen sein dürfte, aufzubauen. Vergleichbar zwischen Religion und Bildungs(-prozess) ist das beiden Vorausliegende: Der Bildung liegt das Personsein voraus und dem christlichen Glauben das Handeln des Heiligen Geistes. Die Folgen des Unverfügbaren sind Bildsamkeit des Menschen und Gottvertrauen. Glauben als Vertrauen lässt sich auf kategoriale Bildung ein und bietet eine Interpretation dieses Vorganges und lässt sich gleichzeitig in den Formen kategorialer Bildung verstehen und ist deswegen keine Frage der Bildung an sich. Glaube in postmoderner Zeit ist jedoch bildungskritisch und befragt Bildungsprozesse danach, ob die Freiheitstraditionen auch zur Sprache und damit zu sich selbst kommen (vgl. Korsch 1994, S. 213). Bernhard Dressler hat diese Dialektik sehr schön beschrieben:

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„Wenn Bildung der Prozess ist, in dem der Mensch sich selbst überschreitet, so setzt Bildung Glauben im Sinne von Vertrauen voraus und setzt solches Vertrauen im Falle des Gelingens frei. Allerdings: Vertrauen wird auf diese Weise keineswegs zum Gegenstand einer Willensentscheidung oder eines Kalküls. Man kann sich zum Glauben so wenig entschließen wie zur Liebe“ (Dressler 2006, S. 126).

5.2.3 Religion als Möglichkeit der Lebensdeutung

Religion ist eine Form der Lebensdeutung und Glauben die vertrauensvolle Gewissheit, von Gott bedingungslos gehalten zu sein. Christliche Religion ist als „kultureller Zeichenkosmos“ zu verstehen, d.h. das Medium, in dem „der Glaube sich als Gottvertrauen artikulieren und reflektieren kann“ (Dressler 2006, S. 128). Bildung ist dann das Mittel zur Schulung von religiöser Wahrnehmungsfähigkeit. Glauben wird zwar nicht durch Bildung „erzeugt“, benötigt aber Bildung, weil sich in ihr symbolische Kommunikationsprozesse vollziehen, ohne die Glauben sich nicht vermitteln kann (vgl. Ochel 2001, S. 44ff). Glauben im Gewand der Religion hilft, die Welt zu verstehen und Wirklichkeit zu deuten; aber genau die Reflexion auf diese Eigenart ist konstitutiv für religiöse Bildung im Gesamtkontext allgemeiner Bildung: „Religion als Lebensdeutung im Horizont des Unbedingten macht das Endliche fürs Unendliche transparent. … Nicht zwei Wirklichkeiten werden damit postuliert, wohl aber die Notwendigkeit einer mehrdimensionalen Betrachtung der einen Wirklichkeit“ (Dressler 2006, S. 135). Christlicher Glaube und christliche Religion tragen in ihrem Kern die Erinnerung an das Christusereignis und die Deutung des Ereignisses in sich; religiöse Bildung erschließt sich zuerst in deutenden Narrationen. Deutende Narrationen setzen sich aber dem Risiko des Missverstehens einerseits aus und andererseits provozieren sie zur Toleranz, sich zu dem verhalten zu müssen, was überraschend und zugleich fremd ist. In besagter EKD-Denkschrift geht es durchaus um die Perspektive des lernenden Subjekts: „Hier wird der „Perspektivenwechsel“ hin zu Kindern und Jugendlichen thematisiert und zugleich betont, dass Schule oft der einzige Ort ist, an dem eine Auseinandersetzung mit religiösen und kirchlichen Themen stattfindet“ (Schreiner & Möller 2015, S. 1). Pluralitätsfähigkeit wird als das eigentliche Bildungsziel einer Schule, die auf multikulturelle Gesellschaften vorbereitet, gesehen. Im evangelischen Religionsunterricht haben wir es einerseits mit Pluralismus aus Prinzip (vgl. Herms 1995, S. 467–485) und mit dem Konvivenzkonzept (vgl. Sundermeier 1995) zu tun. Wahrzunehmen ist einmal die Pluralität der verschiedenen religiösen Einstellungen der Lernenden und ihrer Zugehörigkeiten und der so verbundenen Wahrheits-

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ansprüche und zum anderen geht es um eine spezifische Form der Toleranz, nämlich andere Wahrheitsansprüche zuzulassen und in der Lerngruppe eine eigene Gruppenidentität herzustellen, die es ermöglicht, miteinander im Religionsunterricht zu lernen und zu leben. Hier kann es keine übergeordnete Wahrheit geben, sondern Wahrheiten müssen kommuniziert und aufeinander bezogen werden; zudem kann Wahrheit nicht exklusiv sein. Einerseits muss die Unverfügbarkeit des Fremden, Anderen als Freiheit geachtet werden, andererseits zielt Bildung darauf, die Befähigung zur Freiheit anzustreben. Theologisch geht es in diesem Bildungsprozess aber immer auch um Modelle des Wahrheitsanspruchs in exklusiver, inklusiver oder pluralistischer Art und Weise (vgl. Hilger et al. 2003). Exklusiv bedeutet hier, dass es religiöse oder sogar theologische Wahrheit nur in einer Religion geben kann. Der inklusive Ansatz, z.B. im Christentum, geht ebenfalls vom Heil in Christus aus, an dem Angehörige anderer Religionen partizipieren können, wenn auch in anonymer Weise. Der pluralismusfähige Ansatz zielt auf eine gleichberechtigte, nicht abgestufte Verständigung zwischen den Religionen (Hilger et al. 2003, S. 436). Jemand, der diese Kompetenz im Umgang mit anderen Welteinstellungen nicht erworben hat, wird schnell Opfer einer vereinfachenden Weltsicht. Patchworkidentitäten suggerieren, dass man die nötigen Kompetenzen im Umgang mit Pluralität bereits erworben habe und dass die Optionen, die man für sich selbst getroffen hat, schon deswegen richtig seien, weil sie auf einer individuellen Wahl beruhen. Aus vorgegebenen religiösen Bausteinen wird eine eigene Art der Sinnfindung und Sinnantwort zusammengestellt. Aber auch hier finden Kommunikation und Begegnung kaum wirklich statt. In jüngster Zeit hat sich aber ein interkulturelles Verständnis von Wahrheit etabliert, das den relationalen und dialogischen Charakter von Wahrheit betont und konsequenterweise in den pluralismusfähigen theologischen Ansatz hineingehört (vgl. Hilger et al. 2003, S. 437 [Anm. 22]). Sich dialogisch auf die Suche nach Wahrheit zu begeben, bedeutet nicht, eigene Einsichten und Erkenntnisse aufzugeben, sondern gegenüber anderen Wahrheitsansprüchen aufgeschlossen zu sein (vgl. Knitter 1995). Wenn jedoch dieser Ansatz damit verwechselt wird, dass die Suche nach Wahrheit relativiert wird, dann kommt die Beziehung zu Gott dabei zu kurz. Es geht immer um den Menschen, um den Einzelnen, der einem anderen Menschen oder anderen Menschen und Gott begegnet. Begegnung ist nur möglich, wenn man um sich selbst und um die Fremdheit des anderen weiß. Sie kann sich nur ereignen, wenn das Geheimnis des anderen bewahrt bleibt, aber man sich begegnen will, ohne jeden Aspekt von Nutzbarmachung. Nur Personen können am Leben anderer teilnehmen und teilhaben, wie Martin Buber zu sagen pflegt.

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Interkulturelles und interreligiöses Lernen als Möglichkeit, Begegnung zu eröffnen, tun hier also Not, weil die Muster von innen und außen, draußen und drinnen, fremd und nicht fremd, mit denen andere Lebensformen auf Distanz gehalten werden könnten, nicht mehr hinreichend funktionieren, sondern die Erfahrung des Fremden zur Alltagserfahrung geworden ist. Er ist der Ambivalente, der gewohnte Muster Infragestellende, der Unentscheidbare. Der Andere entzieht sich dem Totalitätsanspruch des Uniformen. Begegnung mit dem Fremden als Anderem meint dann eine eigenartige Beziehung, welche die Andersheit des anderen zulässt und die Selbstidentität des herrschen wollenden Subjekts verlässt (vgl. Loycke 1992). Ich bin dem Anderen verpflichtet, wenn ich ihn als Anderen zulasse, ich schulde ihm sein Anderssein (vgl. Buber 1963, S. 984). Hier erhebt sich eine unterrichtliche Schwierigkeit: Wie geht man mit den Differenzen um? Werden diese erst festgelegt, um sie dann unterrichtlich bearbeiten zu können (vgl. Schreiner & Möller 2015, S. 2) oder bedeutet Pluralismusfähigkeit Festlegung auf Unterschiede auf Kosten von Gemeinsamkeiten (Schreiner & Möller 2015, S. 2)? Im Buber-Zitat, dem Anderen verpflichtet zu sein, geht es gerade nicht um die Festlegung des Anderen auf seine Anderheit, sondern um die Begegnung, die riskant sein kann, weil ich mich als ganzer Mensch auf den anderen einlassen muss. In dieser Linie bedeutet Pluralitätskompetenz dann so viel wie Entdecken von Gemeinsamkeiten, die jenseits des Religiösen liegen können, und gerade nicht die Festlegung auf die Differenz. Zu fordern gegenüber der EKD-Denkschrift wäre also zuerst einmal nicht die Differenzsensibilisierung, sondern die Gemeinschafts- und Gemeinsinnsensibilisierung. Sog. Religiöse Kompetenz im Religionsunterricht hätte dann verschiedene Dimensionen: Wissen bereitzustellen, das verschiedene Perspektiven zulässt und verbunden ist mit kontextueller Deutungsfähigkeit von religiösen und weltanschaulichen Orientierungen (Schreiner & Möller 2015, S. 2). Grundlegende Voraussetzungen hierzu sind allerdings kognitive und emotionale Empathiefähigkeit, Anerkennung des Anderen in Form des Respekts und Offenheit bezüglich der Lernprozesse. Im christlichen Glauben wird diese Einstellung theologisch in den Sakramenten Taufe und Abendmahl grundgelegt. In der Taufe geht es um die Eröffnung eines vielschichtigen Zugangs zur Religion und zur christlichen Religiosität, die auf die vom Heiligen Geist vermittelte, aber individuell gestaltete Glaubensäußerung antwortet. Im Abendmahl wird grundsätzlich geistliche und geistig-körperliche Gemeinschaft erfahrbar – auch hier geht die Vielschichtigkeit und Mehrperspektivität des christlichen Glaubens dem Sakrament voraus – die Taufe und das Abendmahl sind nur innerhalb der evangelischen Rechtfertigungs- und Heiligungsverständnisse als Basis der erwähnten Gemeinschaftssensibilisierung verstehbar.

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Das, was unmittelbar zur Konstitution des christlichen Glaubens gehört, ist also ein Pluralismus aus Glauben – die Vielfalt des Glaubens ist aus christlicher Sicht geradezu notwendig, wird aber nicht vom Universalitätsanspruch des Glaubens berührt. Die Einsicht in die Bedingungen der eigenen Glaubensgewissheit ist insofern Bedingung der Möglichkeit der Anerkennung der Glaubensgewissheit des Anderen; beide Einsichten und Glaubensgewissheiten unterliegen jedoch der Kritik der Wahrheit der Christusbotschaft. Pluralismus im Christentum ist also im Wesen von Kirche als Glaubens- und Lerngemeinschaft begründet; Glaubende sind zu einer Gemeinschaft verbunden, in der die eigene Identität nicht aufgehoben, sondern begründet ist. Ein derartiges Konzept verschränkt radikale Pluralität mit dem Konzept gegenseitiger Wertschätzung, Wahrnehmung von Gemeinschaft und Wertschätzung von Differenz (vgl. Kimmerle 1987; Lyotard 2005; Irigaray & Rajewsky 1991). Die Brücke für den interreligiösen Dialog könnte sein, sich hier zu sensibilisieren und so Anteil am Leben des Anderen zu bekommen: „Sensibilisierung kann als anteilnehmende und anteilgebende Wahrnehmung verstanden werden“ (Boschki 2003, S. 336). Im unterrichtlichen Bereich oder auch im Bereich der Erwachsenenbildung geht es bei den Lehrenden um die Kompetenz und theologische Qualifikation, Lebensäußerungen von Kindern und Jugendlichen oder auch Erwachsenen wahrzunehmen und theologisch zu verstehen (vgl. Boschki 2003, S. 336). Die Lebensgeschichte von Menschen ist immer zuerst eine Beziehungsgeschichte, die aus Erfahrungen und vor allem Beziehungserfahrungen besteht (vgl. Boschki 2003, S. 338): Boschki führt weiter aus: …. „ohne Erfahrung gibt es keine umfassende und ganzheitliche religiöse Bildung, allenfalls eine einseitig kognitiv orientierte Vermittlung religiösen Wissens“ (Boschki 2003, S. 339). Erfahrung wird deshalb hier in einem religionspädagogischen Kontext als Reflexionsbegriff verwendet, d.h. als verarbeitende Aneignung (vgl. Boschki 2003, S. 340; Mieth 1998, S. 16). Bei den Jugendlichen und vielleicht auch bei Erwachsenen geht es, wenn die Sprache auf Religion bzw. Religiosität kommt, um eine Sehnsucht nach erfüllter, heilvoller Beziehung (vgl. Boschki 2003, S. 341) und eine Sehnsucht nach dem ganz Anderen, dem Überraschenden, dem Heiligen, und Heilenden. Grundsätzlich geht es um die Erfahrung von Schlüsselerfahrungen, die immer Beziehungserfahrungen (vgl. Boschki 2003, S. 342) sind.

5.2.4 Menschenrechte und religiöse Bildung

Wenn wir von Religion sprechen, meinen wir zuerst eine soziologische Kategorie der Zugehörigkeit und verstehen unter Religion ein Zeichensystem, dem ich mich zugehörig fühle und diese Zugehörigkeit mit vielen anderen

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Menschen teile, so z.B. in der sozialen Form einer Religionsgemeinschaft. Erworben bzw. gelernt wird also im Bereich der Religion der grundlegende Prozess der Enkulturation, d.h. die Personwerdung innerhalb von Kultur und Gesellschaft. Enkulturation ist die Bezeichnung für Lernprozesse des Individuums, die den Menschen kulturell handlungsfähig machen sollen (Kron et al. 2013, S. 37; vgl. auch Kron et al. 2014) und auch für die „strukturelle Herausbildung einer Grundpersönlichkeit“, d.h. also für den Personalisationsprozess eines Individuums. Pädagogisch bedeutsam ist die Enkulturation als „Prozess aktiver und die Entwicklung stimulierender Lebensleistungen eines jeden Menschen.“ (Kron et al. 2013, S. 39) Die Sozialisation hingegen ist die Gesamtheit aller sozialen Prozesse, „in denen der einzelne Mensch zum Mitglied einer Kultur und Gesellschaft wird“ (Kron et al. 2013, S. 40). Religiosität hingegen bedeutet dann eher so etwas wie die subjektive Füllung dieser Zugehörigkeit und wäre in dieser Unterscheidung eher wie eine anthropologische Kategorie (vgl. Joas 2013, S. 121ff) zu sehen. Friedrich Schleiermacher, der große protestantische Theologe und Begründer eines religionspädagogischen Modells, sah in der soziologischen Kategorie der Religion hingegen eine Basiskategorie des Menschen überhaupt, was ihn vom Tier unterscheidbar mache.

5.2.5 Interreligiöse Bildung

Das bedeutet, dass der Dialog im Sinne Bubers zu einer inhaltlichen und formalen Bestimmung auch von schulischer Bildung im Religionsunterricht wird (vgl. Brandstätter 1999, S. 25; Berger 1997). Diese Form des Dialogs führt in das Zwischen, das Buber als Raum zwischen Ich und Du bezeichnet – Dialog hat dann mit Begegnung, Verständigung und Selbstreflexion zu tun. In einer pluralen Lerngemeinschaft bedeutet das: „Begegnung und Dialog führen uns hinein in die Unterscheidung von Identität und Differenz. In der Begegnung werden wir mit (mit, Hinzufügung Schwendemann) dem/r Anderen, dem/r Fremden konfrontiert“ (Brandstätter 1999, S. 26). Angewandt auf biblische Texte im evangelischen Religionsunterricht ist dann die Einsicht wichtig, dass die Bibel ein dialogisches Buch par Excellence ist und dass darin die Gottesbeziehung des Menschen als Gespräch und Begegnung beschrieben ist (Brandstätter 1999, S. 29). Dann geht es in jedem Lernprozess, dem die Bibel zugrunde liegt, um Erziehung und Bildung im Antlitz Gottes, dem man sich nicht entziehen kann und Dialog kann dann als Teilnahme und Mitleiden Gottes beschrieben werden (Brandstätter 1999, S. 30):

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„Das Antlitz des Anderen ersucht mich und gebietet mir gleichzeitig, ihm zu dienen. Im schutzlosen Antlitz des/der Anderen ist Schutzlosigkeit erkennbar und völlig Fremdheit ...“ (Brandstätter 1999, S. 30 und Lévinas 1983, S. 211ff). Die durch den Lehrenden begleitete heterogene Lerngemeinschaft des Religionsunterrichts wäre zugleich auch eine paradoxe Gemeinschaft, weil sie als Gemeinschaft von Fremden sich in dem Maß als Gemeinschaft akzeptieren müsste, wie sich ihre Mitglieder als Fremde erkennen und vor allem anerkennen (Brandstätter 1999, S. 32 und Lévinas 1983, S. 213; Honneth et al. 2015). Als Modell dieses Religionsunterrichts im Kontext der Vielheit nehmen wir das von Franz Rosenzweig gegründete Frankfurter Lehrhaus, das ein Modell lebensbegleitenden Lernens darstellte (vgl. Adunka & Brandstätter 1999). Das Lehrhaus wurde 1920 gegründet, mit dem Ziel, eine Basis zum intellektuellen Austausch zwischen Juden/Jüdinnen und Christen/Christinnen und ein Forum der Identifikationsangebote für assimilierte Juden/Jüdinnen in der Weimarer Zeit zu finden, die sich von den religiösen Wurzeln des Judentums entfernt hatten (vgl. Adunka 1999, S. 11). Hintergrunderfahrung, diese erwachsenenpädagogische Institution aufzubauen, waren Erfahrungen im ersten Weltkrieg, die Rosenzweig in seinem Stern der Erlösung (1921 / 2011) verarbeitete; in seinem Eröffnungsvortrag „Neues Lernen“ beschrieb Rosenzweig die grundsätzliche Entfremdungserfahrung des Menschen nach dem ersten Weltkrieg (vgl. Adunka 1999, S. 12); bis 1927 bestand das Lehrhaus in seiner von Rosenzweig gedachten Form, bis es dann von Martin Buber 1933/34 wiedergegründet wurde. Seine Geschichte in Deutschland endete vor dem zweiten Weltkrieg mit dem Wegzug und der Übersiedlung bzw. Flucht Bubers nach Jerusalem 1938. Das Lehrhaus sticht natürlich konzeptionell hervor und unterscheidet sich von der Volkshochschule ganz spezifisch: „Dieses ursprüngliche deutsche Lehrhaus war eine einzigartige Institution, deren Grundprinzip und freie, demokratische Struktur darin bestanden, daß die Lehrenden stets auch die Lernenden waren“ (Adunka 1999, S. 13). Nach dem zweiten Weltkrieg entstanden dann neue Lehrhäuser in der Schweiz, in England, in Amerika, in den Niederlanden, in Israel und auch wieder in Deutschland (vgl. dazu noch Sesterhenn & Bühler 1987; Goldschmidt 1955; Goldschmidt 1957; Licharz 1985; Marquardt & Stöhr 2009; Volkmann 2010). Für die evangelischen Akademien hat Brandstätter in überzeugender Weise nachgewiesen, dass das Frankfurter Modell Pate stand: „Seit damals

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[gemeint ist die Toragabe am Sinai, SWE] besteht die Möglichkeit, sich kein Bild zu machen, die Notwendigkeit, lesen und schreiben zu lernen“ (Brandstätter 1999, S. 20; vgl. auch Goldschmidt 1994, Band 3, S. 157f; Goldschmidt 2013; 1954; 1957). Ernst Simon beschrieb das Lehrhaus als „Suche nach einer neuen Beziehung zum Lernstoff im Sinne intensiver Bildung des Einzelnen in kleinen Arbeitsgruppen. Zweitens die Umkehrung der Lernrichtung im Sinne eines neuen Lehrer-Schüler-Verhältnisses und drittens in einer neuen Tonart ...“ (Brandstätter 1999, S. 23). Das Verhältnis zwischen den Lehrenden und den Lernenden ist anders als in der Schule symmetrisch! Christliche Lehrhaustraditionen, z.B. in den Niederlanden, wenden die Symmetrie zwischen Lehrenden und Lernenden auf Mt 28, 19 an: 19 Geht nun hin und macht alle Völker zu Jüngern: Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes (vgl. Lk 24,47; 10,5–6!; 8,11; 22,9; 24,14; 26,13). In Bezug auf das Frankfurter Lehrhaus von Rosenzweig wird das symme­ trische Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden so auf den Punkt gebracht: „Jeder Dozent war Meister seines eigenen Fachs, aber das waren die meisten Hörer ebenfalls, und erst im Austausch der verschiedenen Kenntnisse kam es zur echten Erkenntnis von Zusammenhängen und gegebenenfalls zur Begeisterung für das Judentum in all seinen Erscheinungen“ (Hallo 1999, S. 78). Das Lernen ist individuell gesehen auf die Selbstständigkeit des Lernenden bezogen, weil sie aber in ein dialogisches Gruppengeschehen einbezogen ist, wird der Lernvorgang auch auf das Leben selbst, auf die eigene Lebenserfahrung und die der anderen bezogen (vgl. Yaron 1999, 163; Zuidema 1999, S. 167). Die Funktion des Lernbegleitenden liegt also auf der Hand: Der Lernbegleitende soll den Lernenden beim Lernen begeistern, ermutigen, befähigen und letztlich begleiten. In Bezug auf die neue Perspektive im Religionsunterricht käme auf die Religionslehrpersonen noch hinzu, versöhnend und ausgleichend zu arbeiten.

5.2

Antisemitismus-Prävention

Von seinem Selbstverständnis her, gehen wir davon aus, dass der Religionsunterricht (gemeinsam mit dem Sozialkunde-, Ethik- und Gemeinschaftskundeunterricht) der geeignete schulische Ort ist, um gegen Fremden- und Islamfeindlichkeit und gegen Antisemitismus (Schwendemann 2022b) zu sensibilisieren und geeignete Präventionsstrategien zu entwickeln und ein

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zivilgesellschaftliches Engagement für eine demokratische Zivilgesellschaft zu entwickeln. Antisemitische Parolen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen; immer häufiger nehmen Tabubrüche in der deutschen Zivilgesellschaft zu, vor allem seit die AfD (Alternative für Deutschland) Bündnisse mit Pegida und anderen fremdenfeindlichen oder rassistischen Vereinigungen eingeht. Ein alarmierender Vorfall war der versuchte Überfall auf die Synagoge in Halle, bei dem zwei Menschen aus antisemitischen Motiven ermordet wurden (Oktober 2019). Im dritten Quartal des Jahres 2022 waren es bereits 306 gemeldete Straftaten mit antisemitischem Hintergrund (https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-919272). In der Geschichte des Antisemitismus (vgl. Bergmann 2004) lassen sich verschiedene Phasen mit unterschiedlichen Ausprägungen und Erscheinungsweisen unterscheiden (vgl. Benz 2006, S. 8ff). Zu unterscheiden sind primärer, sekundärer und sog. tertiärer Antisemitismus. Als primärer Antisemitismus lassen sich traditionelle Formen von Judenfeindlichkeit (im Mittelalter zum Beispiel Vorwürfe des Hostienfrevels usw.) bezeichnen. Der sekundäre Antisemitismus instrumentalisiert die Schoah gegen Menschen jüdischen Glaubens und gegen den Staat Israel und ist nach Adornos Lesart so etwas wie ein „Schuld- und Erinnerungsabwehr-Antisemitismus“ (Benz 2016, S. 142): „In letzter Konsequenz mündet dieser sekundäre Antisemitismus in die Leugnung des Holocaust“ (Benz 2016, S. 13). Die neueren Varianten des Antisemitismus sind der Antizionismus, der das Existenzrecht Israels als Staat bzw. als Zivilgesellschaft in Frage stellt. Der tertiäre Antisemitismus wird als die neue Form des islamischen Antisemitismus charakterisiert; gleichwohl ist dieser Begriff umstritten und unscharf (Aus Politik und Zeitgeschichte 2014, S. 28–30; Schwendemann 2022b). Es scheint, als diene diese Form des ›islamischen Antisemitismus‹ dem Erhalt fragiler Identitätskonstruktionen im Bereich jugendlicher Migrant:innen, wie Rausch und Schwendemann gezeigt haben (vgl. Rausch & Schwendemann 2011, S. 157–170). Antisemitismus lässt sich als Generalbegriff für jede Form psychischer, physischer, verbaler, sozialer Judenfeindschaft sehen: „Der Antisemitismus manifestiert sich in Wort, Schrift und Bild sowie in anderen Handlungsformen, er benutzt negative Stereotype und unterstellt negative Charakterzüge … [und] meint … die Gesamtheit judenfeindlicher Äußerungen, Tendenzen, Ressentiments, Haltungen und Handlungen unabhängig von ihren religiösen, rassistischen, sozialen oder sonstigen Motiven“ (Benz 2016, S. 14 ; Schwendemann 2022b). Nach der NS-Gewaltherrschaft muss der Antisemitismus in Deutschland als „gesellschaftliches Paradigma“ verstanden werden, das dann als Medium

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weiterer Vorurteile und rassistischer Einstellungen dient. Religiöser Antisemitismus aus dem christlichen Bereich wurde und wird von Unwissenheit über die jüdische Religion und Nichtverstehen genährt (vgl. Benz 2016, S. 18). Mittelalterliche „Ritualmordlegenden dienen der Stigmatisierung der Juden als Fremde. Dann sind teuflische Machenschaften wie Hostienfrevel und Ritualmord als sinnfällige Beweise der Andersartigkeit der Juden notwendig und nützlich“ (Benz 2016, S. 18). Der religiöse Antisemitismus hat eine ideologische Funktion, die ihren Ausgang in einem falsch verstandenen christlichen Absolutheitsanspruch nimmt (vgl. Boschki 2016). Theologisch weist der religiöse (christliche) Antisemitismus auf eine Leerstelle christlicher Identität hin, die sich exklusiv und nicht komplementär zum biblischen Verständnis zeigt. Trinitätstheologisch ist diese Konstruktion schwierig, da die Mutter Jesu eine Jüdin war und nicht eine beliebige junge Frau, die unkontextualisiert bleibt, was sich dann im Übergang von der Geschichte des historischen Jesus zur Christologie zeigt und dort ungeschichtlich wird. Der religiöse Antisemitismus hat sich in seiner Geschichte oft genug mit Sozialneid oder, noch schlimmer, mit nationalistischer Ideologie verbunden (vgl. Benz 2016, S. 31ff u. S. 89; Marcus 2011), vor allem im Nachgang zur Reformation und Gegenreformation. Im Nationalsozialismus wurde daraus bei den sog. Deutschen Christen eine Art rassistische deutsche Nationalreligion (vgl. Benz 2016, S. 43). Im deutschen Kaiserreich, vor allem während des Ersten Weltkrieges, war „eine große und zunehmend einflussreiche Zahl von Deutschen davon überzeugt, die Juden seien Drückeberger und hätten den Krieg vor allem zu unsauberen Geschäften benutzt“ (vgl. Benz 2016, S. 87). Deutlich wird in diesem Zitat die Tendenz im Kaiserreich und auch noch in der Weimarer Republik, den sog. primären Antisemitismus („Geschäftemacherei“ usw.) wiederzubeleben. Hier agierten ängstliche deklassierte Kleinbürger:innen, verletzter Nationalstolz usw. In der Weimarer Republik verband sich der rassistische Antisemitismus mit aggressiver Demokratiefeindlichkeit (auch angelegt in Verschwörungstheorien), wie es neuerdings wieder in Teilen der AfD (= Alternative für Deutschland) zu beobachten ist. Der sekundäre Antisemitismus entstand als Reaktion auf die Schoah und ist geprägt von einer Art moralischer Schuldumkehr; die Leugnung und Marginalisierung der Schoah und auch die sog. „Viktimisierung der Tätergeneration“ gehen einher (vgl. Benz 2016, S. 142). Den Entschädigungsbegehren der Holocaustopfer lägen materielle oder machtpolitische Motive zu Grunde. Pädagogisch lässt sich daraus der Schluss ziehen, nicht nur die Phänome-

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ne des Antisemitismus im Unterricht zu thematisieren, sondern genauso auch die Funktionen und Mechanismen des Antisemitismus aufzuklären.

5.4.1 Studien zu Antisemitismus und autoritärem Charakter von Horkheimer und Adorno

1944 hatte der von den Nazis geflohene Psychoanalytiker Ernst Simmel zu einem Psychiatrie Symposium über den Antisemitismus als soziale Krankheit nach San Francisco eingeladen. An diesem Kongress nahmen Theodor Wiesengrund Adorno, Bernhard Berliner, Otto Fenichel, Else FrenkelBrunswik, R. Nevitt Sanford, Max Horkheimer, Douglass W. Orr und Ernst Simmel teil, also eine Mischung kritischer Sozialwissenschaftler der Frankfurter Schule und amerikanischer Psychiater/innen. Für Adorno und Horkheimer war dieser Kongress Basis ihrer späteren „Studien zum autoritären Charakter“ und ihrer 1947 veröffentlichten philosophischen Studie „Dialektik der Aufklärung“ (vgl. Horkheimer et al. 1936/1968/1979). Horkheimer stellte in San Francisco die Frage: Wie soll man Maßnahmen gegen den Antisemitismus prüfen? Die beiden Frankfurter haben den rassistischen Antisemitismus nicht nur beschrieben und analysiert, sondern sich auch Gedanken zu seiner ökonomischen und gesellschaftlichen Funktion gemacht. In der „Dialektik der Aufklärung“ (Horkheimer & Adorno) von 1947 sind dann diese Gedanken komprimiert im Anhang als Elemente des Antisemitismus, wo die Frage gestellt wird, wie eine relativ zivilisierte Gesellschaft in die Barbarei zurückfallen und sämtliche Rationalität der Selbstvernichtung preisgegeben werden konnte. Bislang war menschliche Vernunft nach dem Kant’schen Diktum des Vernehmens geprägt, im Nationalsozialismus wird sie zur instrumentellen Vernunft im Dienst der Inhumanität. Horkheimer und Adorno konstatieren gesellschaftliches Kalkül, der Antisemitismus kanalisiere ökonomische und soziale Interessen eines ungebändigten Kapitalismus und sei an die Stelle mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Pogrome und Ritualmordlegenden getreten (vgl. Adorno 2004, S. 1407). Die gesellschaftliche Funktion ziele auf Totalität und Vernichtung: „Blindheit erfaßt alles, weil sie nichts begreift“ (vgl. Adorno 2004, S. 1407). Herrschaft verkleide sich in Produktion, so Adorno, die Arbeit erniedrige die zudem sozial Deklassierten und Ausgestoßenen (vgl. Adorno 2004, S. 1412). Zudem trage der rassistische, nationalsozialistische Antisemitismus pseudoreligiöse Züge: „Eher bezeugt der Eifer, mit dem der Antisemitismus seine religiöse Tradition verleugnet, daß sie ihm insgeheim nicht weniger tief innewohnt als dem Glaubenseifer früher einmal die profane Idiosynkrasie. Religion ward als Kulturgut eingegliedert, nicht aufgehoben. Das Bündnis von Aufklärung und

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Herrschaft hat dem Moment ihrer Wahrheit den Zugang zum Bewußtsein abgeschnitten und ihre verdinglichten Formen konserviert. Beides kommt zuletzt dem Faschismus zugute: Die unbeherrschte Sehnsucht wird als völkische Rebellion kanalisiert, die Nachfahren der evangelistischen Schwarmgeister werden nach dem Modell der Wagner’schen Gralsritter in Verschworene der Blutsgemeinschaft und Elitegarden verkehrt, die Religion als teils ins Gepränge von Massenkultur und Aufmärschen transponiert. Der fanatische Glaube, dessen Führer und Gefolgschaft sich rühmen, ist kein anderer als der verbissene, der früher die Verzweifelten bei der Stange hielt, nur sein Inhalt ist abhandengekommen. Von diesem lebt einzig noch der Haß [sic!] gegen die, welche den Glauben nicht teilen“ (Adorno 2004, S. 1417). Das Totalitäre und Gewalttätige im Antisemitismus macht den Fremden gleich, indem er ihn zum Fremden erklärt, was abgestoßen werden müsse, ja sogar vernichtet, um die Herrschaft des Totalen nicht infrage stellen zu müssen (vgl. Adorno 2004, S. 1437). Adorno schreibt hierzu süffisant: „Das ist das Geheimnis der Verdummung, die dem Antisemitismus zugutekommt. Wenn selbst innerhalb der Logik der Begriff dem Besonderen nur als ein bloß Äußerliches widerfährt, muß [sic!] erst recht in der Gesellschaft erzittern, was den Unterschied repräsentiert. Die Spielmarke wird aufgeklebt: jeder zu Freund oder Feind. Der Mangel an Rücksicht aufs Subjekt macht es der Verwaltung leicht. Man versetzt Volksgruppen in andere Breiten, schickt Individuen mit dem Stempel Jude in die Gaskammer“ (Adorno 2004, S. 1464). Falsche Verallgemeinerungen helfen dem Klischee. In den „Studien über Vorurteil und Charakter“ (Adorno & Horkeimer 1968) rückt die antisemitische Ideologie in die Rolle der Schuldabwehr, was dann später den Begriff des sekundären Antisemitismus mitprägte. In den Studien zum autoritären Charakter ging es um die sozialpsychologische Rekonstruktion der „Voraussetzungen des modernen totalitären Wahns und darüber hinaus des ethnischen und nationalistischen Vorurteils überhaupt“ (Adorno 2004, S. 7290; 2003, S. 360f). Der Zusammenhang eines pathologischen Charakters mit Hang zum Totalitären und der psychischen Disposition für Antisemitismus wurde in den Studien allfällig hergestellt. Sie wurden von dem Research Project on Social Discrimination angestoßen, einem Gemeinschaftsunternehmen des Instituts für Sozialforschung und der Berkeley Public Opinion Study Group: „Man kann von jetzt an mit Grund vom ‚autoritätsgebundenen Charakter’ und seinem Gegensatz: dem freien, nicht blind an Autorität gebundenen

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Menschen, reden; mit Grund, diese Unterscheidung nicht länger auf die Ebene der bloßen Redeweise verwiesen bleibt, vielmehr ihre Gültigkeit in der Realität dargetan ist“ (Adorno 2003, S. 361). Die Studien erklären die psychische Disposition von Individuen; die Ursachen menschenfeindlicher Gewalt liegen nach Adorno und Horkheimer aber in wirtschaftlichen und politischen Interessen: „So sprach Hitler von den paar isolierten Kameraden, die in München sich zusammengefunden hätten, um Deutschland zu retten, nur auf sich allein vertrauend. Der psychologische Sinn dieser und einiger anderer Tricks wird als Grund ihrer Wirksamkeit dargestellt. Man kann zum Beispiel sich selbst gleichsetzen mit dem großen kleinen Mann und doch zu ihm aufblicken: er befriedigt das Bedürfnis nach Nähe und Wärme und zugleich nach Bestätigung dessen, was man ohnehin ist, dann aber auch das Bedürfnis nach einer Idealgestalt, der man sich freudig unterwirft. Die Aufteilung der Welt in Schafe und Böcke zielt allemal auf die Eitelkeit ab. Die Guten werden als die vorgestellt, denen man selber gleicht, und das Schema erspart einem, als Guter sich erst zu bewähren, denn alles ist ja längst vorentschieden. Die Bösen aber liefern den Schein eines Rechtsgrundes dafür, daß man die eigenen sadistischen Instinkte, im Namen der gebührenden ›Strafe‹, auf die jeweils bezeichneten Opfer losläßt“ (Adorno 2003, S. 363). Als Ergebnis der „Studien zum autoritären Charakter“ (1968/2003) lässt sich festhalten: „Der totalitäre Charaktertyp erweist sich insgesamt als relativ starre, unveränderliche, immer wieder auftretende und überall gleiche Struktur, auch wenn die politischen Ideologien noch so verschieden sind; der nichtfaschistische Persönlichkeitstypus begreift nicht nur differenziertere Menschen unter sich, sondern gewährt auch weit größeren Möglichkeiten der Differenzierung und verschiedenen Arten von Menschen Raum“ (Adorno 2003, S.367). Das unmittelbare Erleben dieser Menschen ist geprägt von Nicht-Beziehung: „Die Fähigkeit, überhaupt lebendige Erfahrungen zu machen, ist ihnen weithin abhandengekommen. Um sie im Ernst zu verändern, wird es darum nicht genügen, sie zu belehren oder ihnen andere Überzeugungen beizubringen, sondern es gilt, bei ihnen durch tiefgehende erzieherische Prozesse die Fähigkeit zu bilden oder wiederherzustellen, ein spontanes und lebendiges Verhältnis zu Menschen und Dingen zu gewinnen. Während sie ‚veräußerlicht‘ sind in dem schon angedeuteten Sinne, daß sie alles Unannehmbare,

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Negative außerhalb der eigenen Person, meist in einem bloß Physischen oder dem übermächtigen Schicksal suchen, sind sie zugleich, ohne es zu ahnen, Gefangene ihres eigenen geschwächten Ichs, im tiefsten unfähig zu allem, was über das beschränkte eigene Interesse oder das ihrer Gruppe hinausgeht“ (Adorno 2003, S. 369; vgl. auch Adorno 2004, S. 17617ff). In den Studien wurde auch der Zusammenhang zwischen einem „militanten und exzessiven Nationalismus“ deutlich. Horkheimers und Adornos Untersuchungen in den 40er- bis 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts zielten also im Bereich der Pädagogik darauf, Persönlichkeitsbildung mit dem Ziel des freien Individuums zu fördern und Erziehung zum autoritätsgebundenen Charakter zu verhindern. Adorno schreibt hierzu: „Ich darf nur vielleicht an das erinnern, daß durch Unterdrückung, besonders durch heftige, brutale väterliche Autorität, sich sehr oft das konstituiert, was man psychoanalytisch den ödipalen Charakter nennt, das heißt: Menschen, die auf der einen Seite beherrscht sind von verdrängter Wut, aber auf der anderen Seite, eben weil sie sich nicht haben entwickeln können, wieder dazu tendieren, mit der sie unterdrückenden Autorität sich zu identifizieren und dadurch ihre unterdrückten und aggressiven Instinkte an anderen, und zwar im allgemeinen an Schwächeren, auszulassen […] Heute entscheidet in der Erziehung weniger die väterliche Brutalität so wie im Fall Hitlers, sondern eine bestimmte Art von Kälte und Beziehungslosigkeit, die die Kinder in ihrer frühen Kindheit erfahren“ (Adorno 2004, S. 17637). Die Aufgabe der Lehrenden ist, nicht stumm zu bleiben und mit dem Antisemitismus durch Nichtstun letztlich zu sympathisieren, sondern Einverständnis zu verweigern (vgl. Adorno 2004, S. 17647).

Unterrichtliches

Adorno meinte einmal, der Antisemitismus sei ein „Gerücht über die Juden“ (Adorno 2004, S. 1856). Gerüchte müssen aber weder wahrheitsfähig sein, noch sind sie der Wahrheit bedürftig, was bedeutet, dass derjenige, der sich antisemitisch äußert, sich eine pseudokognitive Argumentationsstruktur gibt, um den Diskurs um die Wahrheit zu täuschen und damit letztlich auch die Diskurs­partner:innen. Fatalerweise wirkt sich der Antisemitismus auf diese Weise als Pseudoweltbild aus und verstärkt als kultureller Gruppencode schon vorhandene Ressentiments oder befördert sie. In den von uns im Freiburger Forschungsprojekt (vgl. Salzborn 2014). „Geschichte und Erinnerung“ (ab 1999/Evangelische Hochschule Freiburg) geführten Interviews taucht diese Tendenz in der Weise auf, dass die Einmaligkeit

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nationalsozialistischer Verbrechen bzw. des Holocaust relativiert und in die Geschichte von Kriegsverbrechen eingereiht und zumindest von einigen befragten Lernenden in eine ferne Vergangenheit geschoben wird, die nichts mehr mit der Gegenwart zu tun hat. Das Phänomen Antisemitismus ist vielschichtig und derart komplex, dass in unserem Zusammenhang des Unterrichtens nur einige Blitzlichter möglich sind. Der von uns festgestellte Antisemitismus hat im Unterschied zu ausgeprägten stereotypen Formen in den Interviews von „Geschichte und Erinnerung“2 eine viel diffusere Gestalt und stellt gleichsam so etwas wie ein Gerücht über das Judentum oder jüdisches Wesen, das anthropologisch nicht existiert, dar. Der in den Interviews mit Lernenden feststellbare Antisemitismus hat eine amöbenhafte, fast imaginäre Gestalt, was aber u.E. zur Erscheinung des Antisemitismus selbst gehört. In den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts taucht der Begriff Antisemitismus als Talmi-Begriff bzw. pseudowissenschaftlicher Begriff auf; er konnte schon damals kaum judenfeindliche Gesinnung und Haltung überdecken und war in judenfeindlichen, bürgerlichen Kreisen zur Bestimmung der eigenen politischen Position üblich (vgl. Greive 1983/1995). Erst sehr viel später wurde der Begriff – entgegen seiner ursprünglichen Intention und Verwendung – zum Sammelbegriff für alle Formen von Judenfeindschaft (vgl. Diner 1998, Sp. 556f; Thierfelder 1998, Sp. 569–571). Die Sammelbezeichnung Antisemitismus eignet sich zwar als Oberbegriff der wissenschaftlichen Diskussion, nicht jedoch, um Details zu erfassen oder der Dynamik des Irrationalen und des Menschenverachtenden in antisemitischer Gesinnung, Haltung und Handlung gewahr zu werden. Hier sind jene psychischen Vorgänge und Stimmungen gemeint, die Stephan Marks zwischen Scham (Marks 2015) und Faszination ansiedelt und die als Konglomerat oder untergründige Bewegung im Unterricht anzutreffen und deshalb schwer zu isolieren sind. Zudem verbindet sich eine entsprechende Haltung mit Emotionen wie Hass, Enttäuschung, Frustration, Demütigung, Scham, Feindschaft, Lieblosigkeit usw., die sich in der Regel nicht von antisemitischer Ideologie herleiten, sondern andere Ursachen haben. Antisemitische Einstellung und Vorstufen dazu, mit genannten Emotionen verbunden, werden genau in dem Moment aktiviert, in dem ein Kontakt zum Beispiel 2 Folgende Beispiele aus einer Interviewreihe des Projektes Geschichte und Erinnerung mögen den latenten Antisemitismus illustrieren: „die ganze große Wirtschaftskrise hat also sehr viele Menschen ins Unglück stürzte, also sie verloren alles dadurch. Äh, und das schob man ja auch den Juden in die Schuhe. Man sagte, ja, das ist ja alles in, das kommt ja alles von USA. Kam’s ja auch. Und die in den USA, ja wer sitzt da? Wem gehören die ganzen Banken? Juden!“ oder etwas verdeckter: „Das muss aber schon im Ersten Weltkrieg gewesen sein, nehme ich an, er hat er, ne Konservenfabrik ham die da aufgemacht zusammen und haben da ganz groß verdient. Also er war jedenfalls ein äh vielfacher Millionär“.

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zur nationalsozialistischen Ideologie in Form von Medien, Bildern, Musik, Texten aus Geschichtsbüchern, Erzählungen aus dem Familienkreis usw. hergestellt wird, was wiederum zu Abwehrreaktionen führt, die die vorhandene psychische Dynamik aufnehmen und im ungünstigsten Fall verstärken. Gleichzeitig ist eine Entkopplung von anderen Emotionen, die positiv besetzt sind, zu beobachten. In den Interviews ist zudem zu beobachten, dass der Antisemitismus in pseudokognitive Argumentationsstrukturen eintritt oder sich mit solchen umgibt, dass es fast unmöglich scheint, in unterrichtlichen Lernprozessen kognitiv dagegen zu halten; ein Mittel, zu dem viele Lehrende in ihrer Not greifen – die Schere zwischen Lehrenden und Lernenden geht auseinander: Die einen verstummen und resignieren, und die anderen verhärten sich gegen Lernerfahrungen. In der Kombination mit entsprechenden emotionalen Einstellungen und entwicklungspsychologischen Krisen bei Jugendlichen baut sich ein fast undurchdringliches Gewebe auf, das in seiner Konsistenz und Dichte aber von Lernenden gelernt wird. Lernprodukte tauchen dann in anderen Unterrichtseinheiten als verdeckte rassistische Einstellungen wieder auf und wirken dort als frei flottierende, irrationale Ängste oder sogar als Phobien. Bei der von uns untersuchten Schülerpopulation im Alter von 15 bis 17 Jahren dienen diese schwer zu durchschauenden „Argumentationsmuster“ möglicherweise aber zur Bewältigung von entwicklungspsychologisch bedingten Identitätskrisen und zum Erhalt von Selbstwertkonzepten bzw. -vorstellungen, so dass auch die Chance wiederum besteht, sofern die psychosozialen Mechanismen im Unterricht geklärt werden können, zu unterrichten und über Lernprozesse positive Selbstwertkonzepte bei Jugendlichen aufzubauen, ohne dass antisemitische und rassistische Stereotypen bemüht werden. Wie auch außerhalb der Schule stellt sich der schulische Antisemitismus als hochkomplexes Gebilde aus anthropogenen, sozialen, psychischen und psychosozialen Lernleistungen dar, die sich im schulischen System durchaus auch als Widerstand gegen das System selbst oder gegen bestimmte Formen des Unterrichts oder gegen bestimmte Lehrerpersönlichkeiten charakterisieren ließen. Dieser Antisemitismus hat dann natürlich eine völlig andere Erscheinungsform als der „harte, sprachlich ausformulierte“ Antisemitismus in den Interviews der Täter:innen und Mitläufer:innen bzw. derjenigen, die den Nationalsozialismus bejaht haben. Der rassistische Antisemitismus der NS-Ideologie, der in manchen Interviews von Geschichte und Erinnerung rekonstruierbar ist, lässt sich in den Schüler:inneninterviews kaum finden. Wahrnehmbar sind aber das oben beschriebene Konglomerat und auch die zum Teil völlige Unkenntnis der eigenen Geschichte, der Geschichte des Christentums, der Kultur und Geschichte des Judentums usw. Sofern kein Kontakt mit jüdischen und auch christlichen Gemeinden und in ihnen

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lebenden Menschen stattgefunden hat, bleiben sowohl Christentum als auch Judentum merkwürdig abstrakte Gebilde. Das wiederum wirkt sich so aus, dass Juden in der Zeit des Nationalsozialismus nur unter der Kategorie Opfer gesehen werden; zugleich aber stirbt im Unterricht, der ausschließlich kognitive Informationen über Nationalsozialismus usw. weitergibt und die emotionale Grundstimmung nicht wahrnimmt, die emotionale Identifikation mit den Opfern, und den Opfern wird nicht nur ihre Biografie, sondern auch ihr menschliches Antlitz geraubt. In jugendlichen Entwicklungskrisen werden zudem so gelernte „Opfer- und Distanzierungsstrategien“ aktiviert, wodurch ein Kreislauf entsteht, der sich durchaus lern- und unterrichtshemmend auswirken kann. Religionswissenschaftlich und religionspädagogisch bedeutsam in diesem Mechanismus ist die Verbindung zwischen fehlender Selbstwerteinstellung bei Jugendlichen und Fremdenhass und Identitätsbildung, denn das Fremde an jüdischer Kultur ist zugleich das Nahe der eigenen Identität und des Verwobenseins in die jüdisch-christliche Tradition, die selbst im Deutschunterricht vielerorts zur fremden Kultur geworden ist. Das Nicht-Biblische ist zugleich das Firmenschild der Peer-Group-Identität und Klebstoff der jugendlichen Patchwork-Identität (Deutsche Shell 2000/1, S. 157–180). Das Fremde ist das zutiefst Bedrohliche und Angsterweckende. So sind die Pseudoargumentation und die Pseudologik des Antisemitismus zugleich das Konstruktionswerkzeug eigener, aber beschädigter und verletzter Identität. Das antisemitische Muster „sind doch Menschen wie wir“ ist als echtes Lernhindernis in Unterrichtsprozessen zu verstehen, weil es die Bedrohlichkeit des Fremden nicht wahrnimmt, die Angst vor dem Fremden nicht ausspricht und so tut, als sei man tolerant und belastbar. Kostproben dieses postmodernen Antisemitismus sind fast täglich in den Medien vorhanden, besonders hervorgetreten in der sogenannten Friedman-MöllemannDiskussion im Sommer 2002.3 Das Argumentationsmuster dieses postmodernen Antisemitismus ist aber leicht durchschaubar, was ihn nicht ungefährlicher macht; im Gegenteil, das Muster lässt sich übertragen auf völlig andere Sachzusammenhänge: Zuzug von nichteuropäischen Ausländern nach Deutschland, gesellschaftliche Gleichberechtigung in steuerlicher und finanzieller Hinsicht von homosexuellen Paaren usw. Bei näherem Hinsehen zeigen sich in dieser Spielart des Antisemitismus durchaus die alten, modernen, zum Teil aber auch die vormodernen, Beurteilungs- und Wertemuster, die in der Regel darin gipfeln, dass jüdische Kult- und Ritualordnungen von 3 Artikel Vl. 1 Jürgen Möllemanns Jsrael-Flugblatt, von Matthias N. Lorenz, in: Torben Fischer/Matthias N. Lorenz (Hg.) (20153): Lexikon der Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Debatten und Diskussionsgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Bielefeld: Transcript, S. 385–387.

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der jeweiligen, herrschenden Religion ausgegrenzt und eingeebnet werden und sei es in einer säkularen Form der Beschwichtigung durch eine Civil Religion oder einer anderen mehrheitlich akzeptierten Religionsgemeinschaft. Auch Einebnung und Laissez-faire gehören zu den Mitteln von Ausgrenzung. Die christlich-mittelalterlichen Vorurteile und Ängste gegen die jüdische Bevölkerungsminderheit schlugen oft genug in reale Verfolgungen und Grausamkeiten um, deren Legitimation über Zerrbilder, Klischees, Vorurteile, Spielen mit der Angst usw. erfolgte. Dieselben christlichen Vorurteile hätten unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen umschlagen und sich gegen das Christentum selbst richten können. Das nachmittelalterliche, moderne christliche Bild jüdischer Kultur und Religion hat sich aber unter Aufnahme antiker Vorbilder eher noch verstärkt und dazu beigetragen, noch weniger das Gemeinsame zwischen beiden Religionsgemeinschaften zu sehen. Je weniger das Gemeinsame gesehen wurde, desto stärker waren die Verzerrungen des Bildes des Judentums innerhalb christlich geprägter Gesellschaften (ein Beispiel hierfür ist das Buch ‚Wesen des Christentums‘ von Adolf von Harnack, Anfang des 20. Jahrhunderts). Der christliche Antisemitismus hat eine lange Tradition, denn schon in der Konstantinischen Wende im 4. Jahrhundert n.Chr. wird die christliche Judenfeindschaft zum Beispiel in administrativen Maßnahmen deutlich; ein Ende zumindest eingeschränkter Toleranz wurde mit Beginn der Kreuzzüge und vor allem der spanischen Reconquista ab 1492 erreicht. Die Folgen sind bis heute an den Wurzeln der Gesellschaft wahrnehmbar, denn politische Identität wurde oft genug durch Auslöschen der islamischen und jüdischen Kultur Europas erreicht.

6

Unterricht

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Didaktik und Methodik

Neben seinem Buch „Grundwissen Pädagogik“ (zusammen mit Eiko Jürgens und Jutta Standop 2013) „Pädagogik“ ist das Buch Grundwissen Didaktik (2008) das zweite wichtige Grundlagenwerk Friedrich W. Krons, der sich selbst der Denk- und Forschungstradition der Phänomenologie im Spannungsfeld von Geistes- und Sozialwissenschaften zuordnet und auf den wir uns in diesem Kapitel beziehen wollen. Vom Griechischen didáskein oder didaskalía (lehren) abgeleitet, versteht man unter Didaktik die Wissenschaft vom Unterricht oder das Professionswissen des Unterrichts und der lernförderlichen Arrangements in unterschiedlichen Lernkontexten wie Schule, Erwachsenenbildung, Elementarpädagogik, außerschulische Jugendarbeit, berufliche Weiterbildung. Kron betont in dieser Zusammenstellung, die Didaktik entwickle ihren Fokus zumeist auf Lehr- und Lernprozesse und auf die Bedingungen dieser Prozesse. Die Kernfragen (W-Fragen: Was? Warum? Weshalb? Wann? Wozu?) der Didaktik zielen auf Inhalte (Kron 2013, S. 29):

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– Herausarbeitung der grundlegenden Inhalte und Begriffe des zu vermittelnden Faches, – Ermittlung der Lernziele, – wissenschaftliche Überprüfung derselben, – historische und vergleichende wissenschaftliche Arbeiten auf den vorgenannten Gebieten, – Diskussion und Begründung der Bildungsrelevanz der betreffenden kulturellen Inhalte, – begründende und begründete Auswahl derselben, – Entwurf von Curricula, Teilcurricula, Unterrichtssequenzen, – Erforschung und Darstellung fach- und Kulturgut angemessener Vermittlungsverfahren, inklusive Medien, – Erarbeitung von Evaluationsverfahren, – Kooperative Forschung mit den anderen didaktischen Teildisziplinen, mit der Didaktik und Pädagogik sowie mit deren Nachbardisziplinen. Krons Kernfragen der Didaktik wurzeln auf den Überlegungen von Hilbert Meyer und lassen sich in Bezug setzen zu der von Jan Amos Comenius (1985; 2018) zu Beginn des 17. Jahrhunderts formulierten wissenschaftlich begründeten Didaktik, die er in seinem Werk Magna Didactica manifestiert hat (1683; 1992). Während Hilbert Meyer Didaktik als die Theorie des Lehrens und Lernens definiert (1987) sieht Kron in der Didaktik eine Teildisziplin der Pädagogik. Entsprechend nimmt Kron in seinem Werk (2008, S. 17) Bezug auf die Kompetenz-Teilbereiche der „Standards für die Lehrerbildung“ der Kultusministerkonferenz (KMK). Dabei gibt er einige der gängigen Didaktik-Definitionen wieder: „Die Didaktik ist eine wissenschaftliche Disziplin der Pädagogik […]; sie gehört zur Allgemeinen Pädagogik“ (Klingberg 1972, S. 41). „Allgemeine Didaktik wird als Teildisziplin der Erziehungswissenschaft aufgefaßt“ (Peterssen 1983, S. 26). „Die geisteswissenschaftliche Didaktik ist eine Teildisziplin der sogenannten geisteswissenschaftlichen Pädagogik, nämlich jene Disziplin, die auf das Problem des Unterrichts gerichtet ist“ (Klafki 1985, S. 34). „Die Setzung lautet, dass Didaktik eine Teildisziplin der Erziehungswissenschaft ist“ (Jank & Meyer 2002, S. 29). Kron betont in dieser Zusammenstellung, die Didaktik entwickle ihren Fokus zumeist auf Lehr- und Lernprozesse und auf die Bedingungen dieser

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Prozesse. Dabei wird klar, dass die Didaktik in einem Komplex von Nachbardisziplinen wie Philosophie, Theologie, Anthropologie, Humanwissenschaften, Medizin usw. steht. Um diese Komplexität in Lehr- und Lernprozessen zu reduzieren, nimmt man Darstellungen wie das Didaktische Dreieck (Lehrende, Lernende, Sache), oder das Didaktische Viereck (Lehrende/Lernende, Sache/Thema, Methoden, Sozialformen des Lehrens und Lernens), oder das Didaktische Siebeneck (vgl. Rausch; Howoldt & Schwendemann 2013) (Lehrende, Lernende, Sache, Medien und Sozialformen des Lehrens und Lernens, Lernumgebung und Medien) zu Hilfe. Für den Bereich der schulischen Didaktik sind zwei Didaktikdimensionen wichtig: – die Fachdidaktik der jeweiligen Unterrichtsfächer – die Schulartendidaktik „[Die] Schulartendidaktik befasst sich mit den Lehr- und Lernprozessen sowie deren Bedingungszusammenhängen in spezifischen Schularten, z.B. der Grundschule – Grundschuldidaktik, des Gymnasiums – Gymnasialdidaktik, der Sonderschule – Sonderschuldidaktik“ (Kron 2008, S. 27). Die Fachdidaktik beruht zum einen auf den Bemühungen der Fachwissenschaften und der Nachbardisziplinen und zum anderen versucht sie, kulturelle Inhalte fachlich zu organisieren und zu vermitteln. Aufschlussreich sind Krons Ausführungen zur Etymologie und Begriffsbedeutung des Wortes Didaktik, die er auf sechs Grundbedeutungen zurückführt (Kron 2008, S. 33): 1. Die Tätigkeit, zu lehren bzw. zu unterrichten und zu unterweisen; 2. die Personen, die diese Tätigkeit durchführen, also die Lehrer bzw. Lehrerinnen einschließlich ihrer Qualifikation, nämlich zum Lehren geeignet bzw. ausgebildet zu sein; 3. die Inhalte, die gelehrt werden bzw. die zum Lehren geeignet und wichtig erscheinen, inklusive der Umstellung, dass diese auch gewusst, mithin gelernt werden sollen; 4. die Lehrmittel, also die Methoden und Medien der Vermittlung; 5. die Schule und die Klasse als die umbauten und sozialen Räume, in welchen das Lehren organisiert und durchgeführt wird, und 6. das Lernen, die Haupttätigkeit der Lernenden (vgl. Kron 2008). Entsprechend wird folgende Annahme zugrundegelegt: Didaktik sei auch die Wissenschaft vom Lehren und Lernen, Unterricht, der Bildungsinhalte und gelte als Theorie der Steuerung von Lernprozessen; neuerdings tritt neben diese Liste nach Wolfgang Klafki auch noch das Verständnis, Didaktik sei auch die Anwendung psychologischer Lehr- und Lerntheorien.

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Kron fasst die Komplexität dieser vielschichtigen wissenschaftstheoretischen Bestimmungen so zusammen, dass für ihn die Didaktik vor allem eine Handlungswissenschaft sei (vgl. Kron 2008, S.  37), die alle anderen Dimensionen umfasse und in umfassende Enkulturationsaufgaben münde. Didaktik könne also auch als Enkulturationswissenschaft gefasst werden: „Damit wird die Bedeutung des gesellschaftlichen, interaktiven und individuellen Vermittlungsprozesses kultureller und sozialer Inhalte ins Zentrum von Forschung, Theoriebildung und Praxis gerückt“ (Kron 2008, S. 43). Didaktik, so Kron, unterstütze auf diese Art und Weise Identität und Persönlichkeitsbildung des Individuums bzw. das Lernen von Kultur (Kron 2008, S.  44) in den entsprechenden gesellschaftlichen Institutionen und Organisationen. „Lehr- und Lernprozesse sind also soziale und kulturelle Lehr- und Lernprozesse zugleich, auch wenn in didaktischer Absicht die kulturelle Dimension in ihrer Inhaltlichkeit und Zielstellung sowie in der Frage nach ihrer Vermittlung und den einzusetzenden Medien in den Vordergrund gerückt wird“ (Kron 2008, S. 49). Der Theoriegehalt didaktischer Theorien lässt sich unterscheiden in drei Dimensionen nach Alltagstheorien, Handlungstheorien und Gegenstandstheorien, die beim Verstehen und Erklären unterstützend oder innerhalb der Qualitätssicherung wirken können oder in vielfältiger Weise nutzbar sind. Ziel ist, jeweils ein didaktisches Modell zu entwickeln, das entweder Anlass zu empirischer Forschung gibt oder auf den Unterricht zurückwirkt oder Interessenzusammenhänge als Lebenszusammenhänge klärt. In diesem Sinn wirkt Didaktik ungemein kritisch und befreiend, wenn sie hilft, die selbstreflexiven Kompetenzen, z.B. von Lehrenden aber auch Lernenden, auszuweiten. Wolfgang Klafki stellt der Didaktik die Leittheorie Bildung voran, wonach beide Dimensionen von Bildung (formale und materiale Bildung) sich zueinander komplementär verhalten. Sinnvoll sei exemplarisches Lehren und Lernen, was zum Begriff der kategorialen Bildung führt. Kategoriale Bildung realisiere sich als „doppelseitige“ Erschließung der Individuen (vgl. Kron 2008, S. 73). Damit meint Klafki Folgendes: „Diese doppelseitige Erschließung geschieht als Sichtbarwerden von allgemeinen, kategorial erhellenden Inhalten auf der objektiven Seite und als Aufgehen allgemeiner Einsichten, Erlebnisse, Erfahrungen auf der Seite des Subjekts. Anders formuliert: Das Sichtbarwerden von ‚allgemeinen Inhalten’, von kategorialen Prinzipien im paradigmatischen ‚Stoff’, also auf der Seite

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der ‚Wirklichkeit’, ist nichts anderes als das Gewinnen von ‚Kategorien’ auf der Seite des Subjekts“ (Klafki 1974, S. 43). Klafki formuliert auf der Grundlage dieses Ansatzes sieben wesentliche Kategorien der Bildung (das Fundamentale, das Exemplarische, das Typische, das Klassische, das Repräsentative, die einfachen Zweckformen und die einfachen ästhetischen Formen) (vgl. Klafki 1985, S. 91ff; Kron 2008, S. 74). In Auseinandersetzung mit dem Klafkischen Ansatz entstanden in den letzten dreißig Jahren verschiedene Konzepte und Modelle von Didaktik bzw. konkrete Handlungsanweisungen zur Planung von Unterricht. Leitbegriff dabei blieb immer der Klafkische Begriff von Bildung „als Befähigung zu vernünftiger Selbstbestimmung“, die die Emanzipation von Fremdbestimmung voraussetzt oder einschließt, als Befähigung zur Autonomie, zur Freiheit eigenen Denkens und eigener moralischer Entscheidung verstanden (vgl. Klafki 1991, S. 19). Georg Wagensommer nimmt den Gedanken Klafkis zur Selbstbestimmung und Autonomie auf und schreibt: „Für Klafki drängt sich nun die Frage auf, wo hier der Anspruch von Kindern und Jugendlichen zur Bewältigung ihres individuellen Lebens, zur Entfaltung ihrer individuellen Möglichkeiten, zur Anerkennung ihres Rechtes auf Selbstbestimmung verankert ist. Diese Fragen wiederum sind zutiefst verbunden mit dem Eigenständigkeitsgedanken der Pädagogik, der zurückgeht auf Comenius und Rousseau, und der Herausbildung der Überzeugung, dass es eine spezifisch pädagogische Aufgabe und Verantwortung gibt. Diese liegt in der ‚... Anerkennung des Eigenrechtes und des eigenen Wertes des jungen Menschen als sich entwickelnder Person und der Aufgabe, jedem einzelnen jungen Menschen zur optimalen Entfaltung seiner individuellen Möglichkeiten zu verhelfen, zu seiner Mündigkeit und zu seiner Selbstbestimmung“ (Wagensommer 2004, S. 64; vgl. Klafki 1989, S. 26f). Bildungsprozesse werden unter dieser Maßgabe multiperspektivisch, um menschheitliche Schlüsselprobleme anzugehen. Entscheidend in Klafkis Neuansatz ist der jeweilige Begründungszusammenhang eines Themas, einer Unterrichtsstunde (Gegenwartsbedeutung, Zukunftsbedeutung, Exemplarische Bedeutung); die thematische Struktur (erschließt sich über Lernziele); die Zugänglichkeit und Elementarisierung/Darstellbarkeit; die Erweisbarkeit; die methodische Strukturierung. Dieses Konzept ist jüngst von Klafki als Sinndimensionen des Unterrichts weiterentwickelt worden (vgl. Klafki 2007, S. 165–192). Zum Umkreis des Bildungsansatzes in der Didaktik gehören weitere Modelle. Neben ‚Bildung‘ als Leitbegriff existieren weitere

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Basisbegriffe (Lernen, Interaktion, System, Kommunikation), unter denen didaktische Modelle gefasst werden können. Eines davon ist das sogenannte Berliner Modell, das nach Paul Heimann an der Situation der Lehrer/ innen (also lerntheoretisch strukturiert) ansetzt und das der Analyse und Planung von Unterricht in seinen vielfältigen Bedeutungs- und Bedingungszusammenhängen dient (vgl. Heimann 1975; 1965). Das Verfahren wird Faktoren- oder auch Strukturanalyse genannt, weil Entscheidungsfelder wie Lehrintentionen, Inhalte, Methoden und Medien und Bedingungsfelder wie anthropogene und soziogene, kulturelle Bedingungen eine Rolle spielen. Das Berliner Modell wurde dann von Wolfgang Schulz als „Hamburger Modell“ (vgl. Schulz 1980, S. 49–87) weiterentwickelt, das gesellschaftskritisch wirken konnte: „Im Unterschied zu Heimann bezieht Schulz viel konsequenter anthropologische und gesellschaftskritische Momente in seinen Theorie-Entwurf mit ein, der dadurch einen stark normativen Charakter erhält. Insbesondere das Strukturmoment der Emanzipation als Zielkategorie ist hier zu nennen“ (Kron 2008, S. 100). Die lernzielorientierte Modellbildung (Lernziel als nachgeordneter Leitbegriff) nach Bernhard und Christine Möller (1966) fokussiert gegenüber dem Bildungsansatz die präzise Zielformulierung der Lernprozesse (vgl. Kron 2008, S. 103). Das Modell sieht die Schritte Lernplanung, Lernorganisation und Lernkontrolle vor. Um das leisten zu können, ist es wichtig, sich Rechenschaft über die Lernziele zu geben. Unter einem Lernziel verstehen wir Folgendes: Ein Lernziel ist „dann eindeutig beschrieben, wenn darin angegeben wird, was der Lernende tun soll (eindeutige Endverhaltensbeschreibung), woran und unter welchen situativen Bedingungen er dies tun soll (Angabe der näheren Bedingungen des situativen Rahmens), und woran das richtige Verhalten oder Produkt erkannt werden kann (Angabe des Beurteilungsmaßstabes, der Grenze für das noch annehmbare Verhalten)“ (Kron 2008, S. 106). Auf dem weltanschaulichen Hintergrund basiert das lernorganisatorische Modell auf einer emanzipatorischen Zielvorstellung (Emanzipation als zweiter wichtiger Begriff) nach Manfred Bönsch: „[Er] sieht das emanzipatorische Ziel im mikrosozialen Zusammenhang der Schulklasse primär darin, die Lernenden handlungsfähig zu machen. Der emanzipatorische Gehalt dieser Handlungsfähigkeit liegt darin, dass sie in

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der Lage sind, nicht nur das, was sie lernen, sondern auch die soziale Seite, nämlich das, wie sie lernen, in den Blick zu bekommen. Dabei geht es nicht nur um ihre eigene Situation, sondern auch um die der Mitschülerinnen und Mitschüler. Das Bedenken eines größeren Zusammenhangs kann dann vom gesellschaftskritischen Anspruch her als jener Weg verstanden werden, auf dem Lernenden neben ihrem fachlichen und sozialen auch ihr gesellschaftliches Bewusstsein entwickeln“ (Kron 2008, S. 113). Die dritte Linie innerhalb der didaktischen Leitbegriffe erschließt sich über den Begriff Interaktion (Rudolf Biermann; Doris Bosch; Walter Popp; Horst Rumpf; Karl-Heinz Flechsig; Hans Dieter Haller; Rainer Winkel), der in der Sozialisationsforschung eine wesentliche Rolle spielt. Erkenntnisleitend ist dabei das Konzept des symbolischen Interaktionismus, der davon ausgeht, dass sich pädagogisches Handeln über Interaktionen erfassen lässt, denen soziale Beziehungen zugrunde liegen, die sich über Symbole erschließen lassen (vgl. Kron 2008, S.  115). Personen handeln und kommunizieren aufgrund von Bedeutungen. Deswegen kann sich Didaktik auch als Handlungswissenschaft verstehen, die voraussetzt, dass Lehr- und Lernprozesse durch symbolisch vermittelte Interaktionen strukturiert sind (vgl. Kron 2008, S. 121). Wichtig ist jedoch die didaktische Funktion innerhalb von Lehr- und Lernprozessen. Weiter sind symmetrische Beziehungen im Unterricht zwischen den Interagierenden notwendig, um Herrschaftswissen zu minimieren. Der vierte Leitbegriff ist System (Felix von Cube; Eckard König; Wilhelm H. Peterssen; Annette Scheunpflug), der erst in den letzten Jahren Einzug in die didaktische Modellbildung gefunden hat, wobei Unterricht als offenes soziales System angesehen wird: „Die systemische Auffassung geht von der strukturellen und funktionalen Annahme aus, dass das Handeln eines Menschen als gegenseitige Beeinflussung aller Subjekte und Objekte in einem lebendigen sozialen System, z.B. Familie, zu verstehen ist“ (Kron 2008, S. 138). Der fünfte Leitbegriff Konstruktion nimmt systemisch-konstruktivistische Ansätze auf (z.B. Kersten Reich), die selbst auf den Spuren von Jean Piaget; Hans Aebli; George A. Kelly; Lawrence Kohlberg wandeln. Kron definiert hierbei ‚Konstruktion‘ wie folgt: „In diesen Forschungen, und Theoriebildungen wird die Entwicklung des Denkens als Genese kognitiver Strukturen beschrieben. Dieser intraindividuelle Prozess, in dem sich die kognitiven Strukturen bilden, wird als Konstruktion bezeichnet; das Produkt als Konstrukt. Ein Konstrukt kann als die

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kognitive Repräsentation von Welt bzw. Wirklichkeit angesehen werden; die Konstruktion als Prozess der kognitiven bzw. erkenntnismäßigen Bearbeitung bzw. Transformation von Welt“ (Kron 2008, S. 152). Wichtig in Bezug auf Unterricht ist dabei, dass die Akteure und Akteurinnen des Unterrichts auf beiden Seiten (Lehrende und Lernende) in den Blick rücken und damit als aktiv Handelnde verstanden werden können. Im Ansatz von Kersten Reich bedeutet Konstruktion (vgl. Reich 2000), „dass Menschen ihre Wirklichkeit entdecken und zur Darstellung bringen, d.h. konstituieren“ (Kron 2008, S. 154).

6.2

Didaktische Analyse

Die praktische Wirkung des bildungstheoretischen Modells der Didaktik besteht darin, dass es den neuhumanistischen Bildungsbegriff didaktisch auslegt und ihn damit für die Analyse von Unterricht brauchbar macht. Dies geschieht dadurch, dass Wolfgang Klafki vom Lehrenden verlangt, jeden Unterrichtsinhalt, den er/sie in bildender Absicht in den Unterricht einbringt, nach fünf Dimensionen zu analysieren. Nur wenn ein Inhalt dieser Analyse standhält, ist ein entsprechender Unterricht bildungstheoretisch gerechtfertigt. Die fünf Dimensionen lauten nach Klafki (1958, S. 450–471): Exemplarische Bedeutung Welchen größeren bzw. allgemeinen Sinn- oder Sachzusammenhang vertritt oder erschließt dieser Inhalt für die Lernenden? Gegenwartsbedeutung

Welche Bedeutung hat der betreffende Inhalt bereits im geistigen Leben der Lernenden meiner Klasse, welche Bedeutung sollte er – vom pädagogischen Gesichtspunkt aus gesehen – darin haben?

Struktur des Inhalts

Welches ist die Struktur des (durch die Fragen 1, 2 und 3 in die spezifisch pädagogische Sicht gerückten) Inhalts?

Zugänglichkeit

Welches sind die besonderen Ereignisse, Situationen, Versuche, in oder an denen die Struktur des jeweiligen Inhalts den Kindern dieser Bildungsstufe/ dieser Klasse interessant, fragwürdig, begreiflich, anschaulich, eben zugänglich werden kann?

Zukunftsbedeutung

Worin liegt die Bedeutung des Themas für die Zukunft der Lernenden?

Unterricht

137

Exemplarisch nennen wir Inhalte und Themen, die nicht nur für sich stehen, sondern andere Inhalte oder Themenbereiche aufschließen. Exem­ plarische Inhalte weisen über sich hinaus, verleihen einem Lernfeld Struktur und tragen dazu bei, im Kopf der Lernenden Ordnung zu schaffen. In einer modernen Wissenschaftssprache gesprochen: Das Elementare verweist auf die Basic Concepts, die grundlegenden Begriffe, eines Lernfeldes. Um diese grundlegenden Begriffe herum kann späteres Wissen auf einer höheren Komplexitätsstufe angeordnet werden. Die Dimensionen der Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung machen ein besonderes Spannungsverhältnis deutlich, in dem alles Lehren steht, das auf Bildung zielt: Ein Mensch kann nur durch einen Inhalt gebildet werden, zu dem er einen Bezug „hier und jetzt“ hat bzw. zu dem es einen solchen Bezug herstellen kann. Gleichzeitig aber soll dieser Inhalt ein Kind auch auf eine – noch nicht bekannte – Zukunft vorbereiten. Erst wenn ein Unterrichtsinhalt in diesen drei pädagogischen Dimensionen betrachtet wurde, hat nach Klafki die klassische Sachanalyse, die Analyse der Struktur des Inhalts, ihre Berechtigung. Aus dem Blickwinkel von Bildung stehen die pädagogischen Aspekte im Unterricht nicht neben den Sachgesichtspunkten, vielmehr leiten sie die Sachfragen an. Klafki bildet hier also eine Rangfolge. Die didaktische Planung steht zuerst und ist nicht nur Wegweiser für den Inhalt, sondern auch für die Methode der Vermittlung (vgl. Wagensommer 2004). Als letzte Dimension wird die Zugänglichkeit bedacht. Hier geht es um das pragmatische Geschäft des Lehrenden. Wie gelingt es ihm, einen Unterrichtsinhalt so anschaulich und fassbar zu machen, dass er in den Fragehorizont und das Frageverständnis von Lernenden passt? a) Grundsätzliche Fragen, die zu beantworten sind: • Welche Kompetenzen erwerben die Lernenden, wenn sie sich auf das besondere Unterrichtsthema einlassen? (Dimensionen, Themenfelder, Standards, Kompetenzen) • Inwiefern lassen sich mit dem besonderen Unterrichtsthema Beiträge zur Verwirklichung allgemeiner Lehr- und Lernziele, wie z.B. Selbstbestimmung des Lernenden, verfolgen? • Ist das jeweilige Unterrichtsthema und in welcher Weise geeignet, gesellschaftliche und soziale Schlüsselprobleme aufzunehmen? • Welche elementaren Strukturen bietet das Thema selbst an? • Bildungsplanbezug: Der Unterrichtsgegenstand soll eine von den 7 Lehrplandimensionen des Bildungsplanes für Evangelische Religion im Land Baden-Württemberg von 2004/2016 aufnehmen und konkretisieren. Dies gilt auch für Unterrichtsinhalte, die im Bildungsplan

138 Unterricht

b)

c) d)

e)

nicht ausdrücklich erwähnt sind und auch für die freien Themen des Unterrichts. Die Kompetenzen und Standards im neuen Bildungsplan der Grundschule und der Sekundarstufe sind zu reflektieren und zu analysieren. Lehr- und Lernintentionen müssen nach ihrer inhaltlichen Seite und nach ihrer verbalen Seite definiert und beschrieben werden: Die Sache als Unterrichsthema und Unterrichtsgegenstand wird bearbeitet. Leitfrage: Mit welcher Absicht und mit welchem Ziel (didaktische Intention) wurde dieser Unterrichtsgegenstand vom Lehrenden ausgewählt (vgl. Meyer 1987, S. 90)? 1. Was haben oder sollten die Lernenden nach dieser Stunde gelernt haben? 2. Worin liegt die bildende Bedeutung des Themas und worin liegt die Bedeutung des ausgewählten Inhalts im Bildungsgesamtzusammenhang? (Bildungsstandards beachten!) 3. Geklärt werden muss die Frage: Welchen größeren Sinn- und Sachzusammenhang erschließt der gewählte Inhalt und wofür ist dieses Thema exemplarisch? 4. Erweitert der Unterrichtsgegenstand das Verständnis der Welt für den Schüler, die Schülerin und hat der Unterrichtsgegenstand existenzielle und lebensdienliche Dimensionen für die Lernenden in deren Lebenszusammenhang (Stichworte: Individualisierung der Lebensstile, Pluralisierung der Lebenswelten)? 5. Sind die unterschiedlichen Lernzieltaxonomien und Lernbereiche berücksichtigt und in welcher Weise kann das Lernergebnis evaluiert werden? Die gewählten Methoden sollen auf Stimmigkeit überprüft werden: Welches Lehrverfahren entspricht am besten der Eigenart der Sache und der Auffassungsweise der Lernenden auf dieser Schulstufe? Eine Methodenreflexion in Bezug auf Thema, Klasse, Sozialform des Unterrichts ist anzustellen: Welche Voraussetzungen für das Ergreifen und Erfassen der Sache bringen die Lernenden im Hinblick auf ihre Entwicklungslage, soziokulturelle, individuelle Situation sowie im Hinblick auf ihren bisher in Umwelt und Schule erworbenen Erfahrungszusammenhang und Wissenskontext mit? Welche Methoden sind unter diesen Bedingungen überhaupt zulässig und sinnvoll? (vgl. Hilbert Meyer: Leitfaden Unterrichtsvorbereitung 2012). Die Beziehung zwischen Einzelstunde und Gesamtunterrichtseinheit muss reflektiert werden: Die Einordnung der Unterrichtsstunde in den Gesamtplan sollte stimmig und Abweichungen begründet sein.

Unterricht

139

f) Reflexion der Sozialformen: Sind alle möglichen Sozial- und Aktionsformen von Unterricht wirklich ausgeschöpft? (Gruppe, Dreiergruppe, Einzelarbeit, Gruppenpuzzle, Kreis, frontal, usw.) g) Reflexion der Leitmedien (Bild, Film, Text, Arbeitsblätter, Tafelanschrieb, Spiele): Dies ist ein wichtiger Teilaspekt des Unterrichtens. Medien sind so etwas wie gefrorene Kommunikationsangebote, die im Interaktionszusammenhang des Unterrichts kommunikativ „aufgetaut“ werden müssen. Leitfragen: • Welche Unterrichtsmittel werden gebraucht? • Wie und wo sollen diese Mittel und Medien mit welchem Aufwand beschafft oder hergestellt werden? • Steht der Aufwand im Verhältnis zu den Intentionen? • Wie und wo im Unterricht sollen die gewählten Medien eingesetzt werden? • Ist die Eigendynamik des gewählten Mediums beachtet worden? h) Stundenverlauf mit Reflexion der einleitenden und abschließenden Unterrichtsphasen wie Motivation, Reorganisation und Transfer: • Wie gliedere ich den Unterricht der einzelnen Stunde in sinnvolle Abschnitte? • Sind die Teilziele unter Beachtung der Eigenart der Sache sowie der Lernstufen und Schritte des Aneignungsprozesses wahrgenommen? • Sind die Arbeitsschritte sinnvoll gestaltet? • Ist die Überleitung zum nächsten Lernschritt für die Lernenden nachvollziehbar? • Sind die Überleitungen zwischen den einzelnen Lernphasen durchdacht oder schleichen sich statt weiterführender Impulse hohle Lehrerfloskeln ein? • Motivation: Wie bringe ich die Lernenden in eine echte Lernsituation und bringe die Sache in einen Fragehorizont? Oder wie initiiert die Lerngruppe einen sinnvollen Einstieg? • Wie entfalte ich oder die Lerngruppe schrittweise das Problem und führe bzw. führt die Gruppe zur Auseinandersetzung mit der Sache? • Wie wird das Problem vertieft, erweitert, naiv gelöst? • Wo liegen ernsthafte Lösungen bereit? • Wie werden Arbeitsgedächtnisse/Lernergebnisse gespeichert, bewahrt, gefestigt, gestaltet und eingeordnet? • Wie werden Transfermöglichkeiten bedacht und eingeübt? i) Mögliche Evaluation der Intentionen und Ergebnisse: • Wie überprüfe ich als Lehrender, ob die Lernenden etwas und was gelernt haben?

140 Unterricht

6.3

Elementarisierung

Der Kompetenzaufbau bei Lernenden ist eine zentrale Aufgabe der Lehrenden; diese Aufgabe wird unterstützt durch das sogenannte Elementarisierungsprinzip: „Elementarisierung bezeichnet ein religionsdidaktisches, offenes Modell für die Vorbereitung und Gestaltung von RU, das eine Konzentration auf pädagogisch elementare – von den Inhalten ebenso wie von der Zielgruppe her grundlegend bedeutsame und für sie zugängliche – Lernvollzüge unterstützen soll“ (Heil 2015). Elementarisierung zielt also auf ein grundlegendes Verstehen religiöser Inhalte (vgl. Baumann 2015, S. 2 pdf), religiöser Ausdrucksformen (vgl. Tillich 1964, S. 37–42) und Wahrheiten. Das religionspädagogische Interesse an Elementarisierung reicht bis in die Reformationszeit (Luther: Vorrede zur deutschen Messe 1526, WA 19, 72–80; auch in Nipkow & Schweitzer 1991, 69–74; Melanchthon: Kinderkatechismus 1527/1528; Jung 1998), zu Jan Amos Comenius (2018), Pestalozzi (2006; Klafki 1969), Schleiermacher u.a.). Das hermeneutische Interesse galt zuerst Bibeltexten, die nach Baldermanns (1996) aber auch Nipkows (2002, S. 451–456) Reflexionen, grundsätzliche existenziell betreffende menschliche Erfahrungen beinhalten (Tillich 1970) und Lernende berühren. Diese elementaren Erfahrungen lassen sich unterrichtlich erschließen (vgl. Baumann 2015, S. 2) und mit wesentlichen kinder- und jugendtheologischen Fragestellungen verbinden; selbstverständlich richtet sich der unterrichtliche Fokus auf religiöse Wahrheiten, die sich allerdings als absolute Kategorie verschließen und sich nur in dialogischer Kommunikation zeit- und situationsbedingt erschließen lassen (vgl. Baumann 2015, S. 3). Helmut Hanisch und andere weiten den Elementarisierungsansatz auf systematisch-theologische, kirchengeschichtliche und ethische Fragestellungen im Religionsunterricht aus (vgl. Gramzow & Hanisch 2015; Hanisch & Gramzow 2008; Gramzow 2008; Hanisch 2007; Hanisch 2004; Hanisch 2000; Hanisch 1995; Riegel 2010). Ingo Baldermann arbeitete zeitlebens an den elementaren Zugangsmöglichkeiten zur Bibel und erkannte in biblischen Texten nicht nur elementare anthropologische Fragen, sondern auch elementare didaktische Strukturen, die sich an den Formen und Gattungen und am Sitz im Leben biblischer Texte festmachen lassen (vgl. Schökel & Baldermann 2013; Baldermann 2014; 2013a; Baldermann 2013b; 2011; 2009a; 2009b; 2005; 2002; 1993; 1991; 1983; Baldermann & Berg 2016; Baldermann & Gresser 2003). Baldermann schlug zudem Lern- und Arbeitsformen vor, die dem Verste-

Unterricht

141

hensprozess zugutekommen sollten (kreatives Gestalten von Bibeltexten, narrative Übungen, Inszenierungen, aktionale musische Umsetzungen (vgl. Baumann 2015, S. 2 pdf). Kinder- und jugendtheologisch sind dabei immer die großen Fragen von Kindern und Jugendlichen im Vordergrund (vgl. Oberthür 1995, S. 11–29). Godwin Lämmermann erweiterte den Blick auf Elementarisierung (2001, S. 382–388) und integrierte in sein Konzept die lebenswelt­lichen Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen. Nipkow und Schweitzer fassten die bisherigen Elementarisierungsansätze zusammen und haben sie im sog. Tübinger Modell der Elementarisierung systematisiert (Schweitzer 2011; 2012; 2013; 2018). Im Tübinger Modell steht zuerst die Frage nach einem qualitativ guten Religionsunterricht im Vordergrund; Lernenden sollte eine „lebensbezogene Begegnung zwischen Inhalten oder Themen“ ermöglicht werden (Baumann 2015, S. 4 pdf). Nipkow und Schweitzer (2011, S. 14–29) entwickelten fünf Erschließungsdimensionen der Elementarisierung, die sich sowohl für die Unterrichtsplanung als auch für die Analyse von gehaltenem Unterricht oder gedruckten Unterrichtsmaterialien eignen, aber auch einen gendersensiblen, religionssensiblen oder interreligiösen Unterricht strukturieren helfen (vgl. Baumann 2015, S. 4). Die fünf Erschließungsdimensionen sind: – Elementare Strukturen in der Sache/im Inhalt entdecken: Hier geht es um den sachlichen Gehalt. – Elementare Erfahrungen der Lernenden aus ihrer Lebenswelt wahr- und im Unterricht aufnehmen, d.h. elementare Erfahrungen werden z.B. an biblischen, philosophischen, theologischen, liturgischen Texten verdeutlicht (vgl. Baumann 2015, S. 4): – „Nachhaltig aber geht es um die elementaren Erfahrungen der Lernenden und ihre lebensweltlichen Zusammenhänge, von denen her sie einem Inhalt begegnen beziehungsweise auf den hin er ausgelegt werden kann“ (Baumann 2015, S. 4). – Elementare Zugänge der Lernenden entdecken und mit ihren Deutungen verbinden, die sich lebensweltlich und entwicklungspsychologisch ergeben. Lehrende müssen vor allem in der Lage sein, Äußerungen der Lernenden im Unterricht religiös bzw. theologisch deuten zu können (vgl. Baumann 2015, S. 4). – Elementare Wahrheiten: „Das Elementare erscheint im existenziellen Bezug eines Themas oder Inhalts, Elementarisierung als Vergewisserungsproblem im Gespräch über Fragen nach gewiss machender Wahrheit. Damit wird nicht unterstellt, dass Wahrheit in eindeutiger, objektiver Tradition unabhängig von ihrer persönlichen Erfahrung festzumachen ist, oder dass der Wahrheitsstreit zwischen verschiedenen Religionen von einer dritten, scheinbar objektiven Warte aus zu entscheiden sei“ (Bau-

142 Unterricht

mann 2015, S. 4). Der Zugang zu diesen Wahrheiten kann nach unserem dialogorientierten Ansatz nur über kommunikative Annäherungen geschehen. – Elementare Lernformen zu finden ist Aufgabe der didaktischen Kreativität des Lehrenden (vgl. Baumann 2015, S. 4): – „Lehrerinnen und Lehrer müssen eigens befähigt werden, dies in einem Unterricht zur Geltung zu bringen, der offen ist für die Lernenden als Subjekte mit ihren Zugangsweisen und Ausdrucksmöglichkeiten“ (Baumann 2015, S. 6). Im interreligiösen Gespräch bzw. im Religionsunterricht, z.B. in den beruf­ lichen Schulen, wird der Elementarisierungsansatz deswegen relevant, weil hier das Setting der Lernsituation entscheidend für den Beziehungs- und Gemeinschaftsaufbau einer vielfältigen Lerngruppe ist. Einerseits müssen Inhalte in interreligiösen Begegnungen reduziert werden, die aber auch nicht unangemessen verwischt werden dürfen, andererseits sollen aber gerade die lebensweltlichen Zugänge und Perspektiven der Lernenden zu Wort kommen (vgl. Simojoki 2012, S. 368–372; Baumann 2015, S. 7).

7

In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung

Das A und O des Unterrichtens ist eine durchdachte, zielführende Unterrichtsvorbereitung, die ein professionelles Lehren und Lernen in der Klasse ermöglicht. Die Vernachlässigung der Vorbereitung ist eine der häufigsten (Lehrer:in-)Störungsquellen im Unterricht. Bevor die konkrete Unterrichtsvorbereitung beginnt, müssen die ersten beiden grundlegenden Schritte gegangen werden. Sie erfordern insbesondere beim erstem Mal viel Zeit, die jedoch notwendig und wichtig sind, um die Erwartungen an den Religionsunterricht – von Landes- und Schulseite zu kennen. Zu einem späteren Zeitpunkt dienen sie dazu, den eigenen Unterricht zu prüfen und neue Wege des Unterrichtens zu entdecken.

7.1

Bildungsplan lesen

Nur wer den aktuellen Bildungsplan kennt und gelesen hat, kennt die Erwartungen, die an die Lehrperson gestellt werden und die Kompetenzen und Ziele, die im Unterricht erreicht und gefördert werden sollen. In Kapitel 3 finden sich ausführliche Informationen zum Bildungsplan und dessen Kompetenzorientierung.

144

7.2

In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung

Schulcurriculum lesen

Der Bildungsplan für Baden-Württemberg ist immer auf zwei Jahre angelegt. Das heißt: Er fasst zusammen, welche Kompetenzen im Verlauf der Klassen 1/2, 3/4, 5/6 usw. erreicht werden müssen. Es ist Aufgabe der einzelnen Schulen und Lehrpersonen, die Themen sinnvoll auf die beiden Jahre zu verteilen. Hierzu erstellt jede Schule ein eigenes Schulcurriculum. Das Schulcurriculum enthält zum Teil auch Themen, die für das Schulkonzept, die Stadt/Gemeinde/Region oder das Lehrerkollegium wichtig sind. Dies ist möglich, weil der Bildungsplan sogenannte Verfügungsstunden bereithält, die mit schulspezifischen Themen gefüllt werden können – oder mit Themen, die sich Lernende aus gegebenen Anlässen heraus wünschen. Neben der Lektüre des Bildungsplanes ist somit die Lektüre des Schulcurriculums der zweite wichtige Schritt in der Unterrichtsvorbereitung.

7.3

Stoffverteilungsplan für das Schuljahr erstellen

Ist das Schulcurriculum gelesen, müssen die Themen für das Schuljahr sinnvoll verteilt werden. Dies geschieht am Anfang des Schuljahres mit der Erstellung eines Stoffverteilungsplanes. Dieser Plan stellt sicher, dass die Zeit, die einem im Schuljahr bleibt, ausreicht, um alle Themen zu behandeln und dass die Lehrperson weiß, wie viele Stunden für ein Thema zur Verfügung stehen. Es gibt Schulen, die aufgrund der besseren Vergleichbarkeit für alle Religionsklassen einer Stufe den gleichen Stoffverteilungsplan haben und auch die gleichen Tests/Kompetenznachweise mit den Lernenden schreiben. In diesem Fall muss der Stoffverteilungsplan mit seinen inhaltlichen Erwartungen in der Fachkonferenz des Faches Religion erstellt werden. Des Weiteren gibt es Schulen, die das Einreichen eines Stoffverteilungsplanes für das Schuljahr in einer bestimmten Form erwarten. Dies ist bei Beginn der Lehrtätigkeit an einer neuen Schule zu erfragen und gegebenenfalls zu liefern. Bei der Erstellung eines (individuellen) Stoffverteilungsplanes ist folgendes Vorgehen zu empfehlen: 1. Tabelle erstellen und alle Daten eintragen: Es wird eine dreispaltige Tabelle erstellt. In die erste Spalte werden (jeweils in eine Zeile) alle Unterrichtstage – mit Datum – eines Jahres eingetragen. Dabei ist auf (bewegliche) Ferientage, Feiertage, bekannte Projektwochen, traditionelle Ausflugstage usw. zu achten. 2. Kirchenjahresfeste eintragen: Die zweite Spalte dient der Nennung des Themas für das entsprechende Datum. Es ist ratsam, zunächst zu überle-

In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung

145

gen, rund um welche Daten die Kirchenjahresfeste liegen, zu planen wie viel Zeit für diese Feste investiert werden soll und diese Zeiten einzutragen. 3. Andere Themen verteilen: Sind die Kirchenjahresfeste eingetragen, werden die übrigen Themen aus dem Schulcurriculum verteilt. Bei der Verteilung können folgende Leitgedanken sinnvoll sein: a. Welche Themen passen gut in welche Jahreszeit? b. Gibt es Themen, die aufeinander aufbauen? Z.B. in der Grundschule ist es sinnvoll, bei den alttestamentlichen Geschichten darauf zu achten, dass sie in der chronologischen Reihenfolge unterrichtet werden. c. Wo sind Lücken zwischen zwei kirchlichen Festen, in die ein Thema genau passt, sodass ein Thema nicht durch Ferien oder Feste unterbrochen werden muss? 4. Unterrichtsideen sammeln: Die dritte Spalte ist für inhaltliche Gedanken, spontane Ideen, Kompetenzen und Ziele gedacht. In wieweit sie gefüllt wird, hängt von der Zeit ab, die eine Lehrperson in den Stoffverteilungsplan investieren kann und will. Je mehr Vorarbeit bereits bei der Erstellung des Stoffverteilungsplanes geleistet wird, desto weniger Arbeit ist die konkrete Unterrichtsvorbereitung. 5. Erweiterung der dritten Spalte: Wenn die Zeit ausreicht, ist es zielführend, die dritte Spalte zu erweitern: Es ist sinnvoll, zu jedem Thema (Achtung: Nicht zu jeder einzelnen Stunde!) zu definieren, unter welche inhaltsbezogene Kompetenz das Thema gestellt werden soll. Auf diese Weise ergibt sich ein guter Überblick, ob alle sieben Bereiche der inhaltsbezogenen Kompetenzen berücksichtigt wurden (Mensch/Welt und Verantwortung/Bibel/Gott/Jesus Christus/Kirche und Kirchen/Religionen). Wird dieser Schritt nicht mit der Erstellung des Bildungsplanes erledigt, muss er in einem späteren Schritt gegangen werden – dort ist es jedoch schwieriger, den Überblick über das Schuljahr zu behalten.

7.4

Thema erarbeiten, Mindmap und Brainstorming

Ist der Stoffverteilungsplan geschrieben, geht es sofort um die Vorbereitung und Erarbeitung der inneren Logik einer Themeneinheit, die mit einer Ideensammlung beginnt. Die Ideensammlung erstreckt sich über das ganze Thema, nicht nur über eine Stunde und kann in Form einer Mindmap verfasst werden. Folgendes sollte dabei beachtet werden: – In das Thema einarbeiten: Bevor mit der Mindmap begonnen werden kann, muss sich die Lehrperson gegebenenfalls in das Thema des Unterrichtes einarbeiten. Guter Unterricht kann nur auf einer soliden in-

146









In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung

haltlichen Wissensbasis vorbereitet werden. Die Lehrperson muss den Lernenden im Wissen um ein Thema weit voraus sein; zudem kann ein Thema nur sinnvoll und zielführend geplant sein, wenn sich die Lehrperson im Vorfeld mit der gesamten Thematik auseinandergesetzt hat. Während der Einarbeitung kann bereits mit der Mindmap/der Ideensammlung begonnen werden. Verben verwenden: Unterrichtsideen auf der Mindmap werden immer in Verbindung mit einem Verb formuliert. Dies erleichtert in einem späteren Schritt das Formulieren der prozessbezogenen Kompetenzen und das Bedienen der fünf Lernzieldimensionen. Also zum Beispiel „Laternen basteln“ anstatt nur „Laternen“ notieren. Arbeitshilfen (mit kritischem Blick) zu Rate ziehen: Arbeitshilfen für den Religionsunterricht können als Ideen-Fundgrube dienen und häufig können Methoden und Anregungen sehr gut übernommen werden. Wichtig bei der Lektüre von Arbeitshilfen ist der kritische Blick und die immer mitschwingende Frage: Passt die Methode/Idee zu mir und zu meiner Klasse – und ist sie inhaltlich sinnvoll und richtig? Vergleich mit dem Bildungsplan: Als letzter Schritt müssen die Ideen auf der Mindmap mit den inhaltsbezogenen Teilkompetenzen und den Denkanstößen, die sich ebenfalls im Bildungsplan finden, verglichen werden. Gegebenenfalls müssen Ideen ergänzt werden, um eine Vollständigkeit zu gewährleisten. Markieren von Ideen: Vor dem nächsten Schritt werden in der Mindmap Ideen markiert, die der Lehrperson besonders wichtig sind und die nötige Abwechslung in Hinblick auf Prozess- und Inhaltskompetenzen und Lernzieldimensionen versprechen.

7.5

Formulieren von prozess- und inhaltsbezogenen Kompetenzen

In diesem Schritt werden die prozess- und inhaltsbezogenen Kompetenzen formuliert, die die gesamte Themeneinheit umrahmen. Das Formblatt „Erschließungsdimensionen, Kompetenzen und Stoffverteilungsplan“ gibt hierzu den Rahmen vor (siehe S. 71ff). Eine zielführende inhaltliche Vorbereitung der konkreten Einzelstunden und deren Überblick ist nur möglich, wenn im Vorfeld die Kompetenzen formuliert wurden. Sie geben den Rahmen und das Ziel vor, das die Lehrperson erreichen möchte. Die allgemeinen Formulierungen des Bildungsplanes zu den Kompetenzen können als Hilfe für die eigenen Formulierungen dienen. Sie müssen auf das Thema hin konkretisiert werden.

In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung

7.6

147

Konkrete Planung der Unterrichtseinheit

Sind die Kompetenzen für eine Themeneinheit formuliert, werden konkrete Inhalte und alle Stundenziele für die gesamte Einheit definiert und formuliert. Dies geschieht mit Hilfe von Formblatt „Verlaufsplanung/Stoffverteilung einer Unterrichtseinheit“ (S. 71ff). Auf der Grundlage formulierter Kompetenzen (siehe Schritt 5) werden aufeinander aufbauende Stundenziele formuliert, die die Kompetenzen bedienen. Wenn der Unterricht in Einzelstunden stattfindet, muss für jede Einzelstunde ein Stundenziel formuliert werden, findet der Unterricht in Doppelstunden statt, so wird für diese Einheit ein Ziel formuliert. Die dritte Spalte dient dem Festhalten und Zuordnen von Ideen aus der Mindmap. Auch diese müssen dem Ziel dienend ausgewählt werden. Sie erleichtern später das konkrete Vorbereiten einer Stunde und helfen dabei, einen roten Faden durch die Einheit zu führen.

7.7

Unterrichtsschema ausfüllen: Konkrete Teil-Ziele der ersten Stunde und Lernzieldimensionen

Mit dem siebten Schritt beginnt die konkrete Stundenvorbereitung und das Ausfüllen des Unterrichtsschemas, das zur Vorbereitung jeder einzelnen Stunde dient. Hierzu wird Formblatt „Unterrichtsschema und Vorbereitung einer Stunde“ verwendet. Als Erstes wird das Stundenziel aus der Verlaufsplanung/Stoffverteilung in das Unterrichtsschema übertragen. Es ist das Bindeglied zwischen diesen beiden Schritten. Bevor Methoden und Ideen zu einer motivierenden, das Stundenziel erreichenden Stunde zusammengesetzt werden, müssen die Lernziele der Stunde formuliert werden. Sie orientieren sich am Stundenziel. Die Teilziele sind konkret und überprüfbar. Sie sind das Erste, was in das Unterrichtsschema eingetragen wird und leiten die inhaltlichen und methodischen Gedanken der Vorbereitung. Die Formulierung der Lernziele umfasst zum einen das Lernziel selbst, das immer mit der Formulierung „Die S:S können …“ beginnt. Zweitens gehört zu jedem Lernziel die Formulierung einer Lernzielüberprüfung. Dahinter verbirgt sich die Frage: Woran erkennt die Lehrperson, dass ein Ziel innerhalb der Stunde tatsächlich erreicht wurde? Lernende bringen sehr unterschiedliche Leistungsniveaus mit in den Unterricht. Jedem Lernenden muss es möglich sein, dem Unterricht zu folgen, ohne über- oder unterfordert zu sein. Aus diesem Grund müssen für jede

148

In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung

Stunde unterschiedliche Niveaus bedient werden, die sich in der Formulierung der Lernziele widerspiegeln. Bei der Formulierung von Lernzielen auf den drei Niveaus kann die Liste möglicher Operatoren hilfreich sein (s. Kapitel 4.6). Beispiele zur Formulierung von Lernzielen auf unterschiedlichen Niveaus finden sich darüber hinaus im Beispiel-Unterrichtsschema (siehe S. 152ff).

7.7.1 Niveaukonkretisierungen/Graduierungsstufen

Lernende bringen sehr unterschiedliche Leistungsniveaus mit in den Unterricht. Jedem Lernenden muss es möglich sein, dem Unterricht zu folgen, ohne über- oder unterfordert zu sein. Aus diesem Grund müssen für jede Stunde Niveaus formuliert und bedient werden. Informationen zu den Niveaukonkretisierungen/Graduierungsstufen finden sich in Kapitel 4.

7.8

Unterrichtsschema ausfüllen: Der konkrete Stundenverlauf

Erst, wenn alle sieben vorangehenden Schritte durchgeführt sind, beginnt die konkrete Stundenvorbereitung. Orientiert am Stundenziel, an den Kompetenzen und den konkreten Teilzielen, wird die Stunde geplant. Als Hilfsmittel dient dazu das Unterrichtsschema auf Seite 156. Die folgenden Hinweise zu den einzelnen Spalten helfen beim Ausfüllen des Schemas.

Zeit

Von wann bis wann dauert der Unterrichtsschritt? An dieser Stelle werden die geplanten Uhrzeiten eingetragen; ergänzend kann die Dauer eingetragen werden. Anhand der eingetragenen Uhrzeit kann jederzeit nachvollzogen werden, ob der Stundenverlauf noch im Zeitplan ist. Wird in dieser Spalte lediglich die Dauer notiert, ist dieses Nachvollziehen nicht möglich.

Unterrichtsphasen

Eine gut vorbereitete Unterrichtsstunde beginnt mit der Begrüßung zu „fließen“ und bleibt dann ohne Unterbrechung in einem motivierenden wertschätzenden Fluss bis zur Verabschiedung. Dabei durchläuft sie mehrere Phasen. Klassisch sind die Phasen folgendermaßen angeordnet: 1. Begrüßung 2. Ritual (z.B. Gebet, Assistenten losen, Erzählrunde/Morgenkreis (Gib Auskunft über deine Gefühle, dein Befinden, deine Emotion u.a.m., Lied ...) 3. Einstieg: Die Einstiegsphase dient dem Einstieg in das Thema und muss in jedem Fall motivieren und die Vorfreude auf die Stunde wecken. Je nach Thema gestaltet sich die Phase unterschiedlich. Sie kann das Kom-

In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung

149

mende vorbereiten und/oder eine (kreative) Wiederholung der letzten Stunde sein (in Form von Reproduktion oder Reorganisation), um daran anknüpfen zu können. 4. Überleitungen: Um die einzelnen Unterrichtsphasen funktional miteinander zu verbinden bieten sich Überleitungen als Hilfe an. Überleitungen in die Verlaufsplanung der Unterrichtsvorbereitung einzuplanen, ist besonders für junge Lehrpersonen eine Hilfe. Sie ist meist eine verbalisierte thematische Verbindung zwischen zwei Unterrichtsphasen. Funktional wird eine Überleitung dann, wenn sie nicht als Auftrag sondern als Information verpackt zur nächsten Unterrichtsphase überleitet. Gelingende Überleitungen sind die hohe Kunst des Unterrichtens. 5. Erarbeitungsphase: Die Erarbeitungsphase ist die Zeit im Unterricht, die grundsätzlich eine hohe Aktivität der Schüler und Schülerinnen einfordert. Es kommt zu ersten Ergebnissen, die der Erreichung der formulierten Unterrichtsziele dienen. 6. Ergebnissicherung I: Das Ergebnis der Arbeitsphase wird allen Schülern und Schülerinnen zugänglich gemacht. Ob Präsentation, Tafelanschrieb oder mündlicher Vortrag, wichtig ist, Ergebnisse werden gewürdigt. 7. Vertiefungsphase: Das neu Erarbeitete wird vertieft – etwa durch eine Erweiterung des Themas, zusätzliche Inputs oder Fragen aus dem Unterricht. Das vorher Erarbeitete ist Grundlage für einen erweiterten (vertieften) Wissensaufbau. 8. Ergebnissicherung II: Diese Phase folgt dem Grundsatz, dass alles Erarbeitete einer Sicherung bedarf. Nur so kann darauf aufbauend weiter gearbeitet werden. Die Ergebnissicherung wirkt wie ein Bremsklotz – sie verhindert ein Zurück hinter das bereits Gelernte. 9. Transfer: In dieser Phase geht es um die Frage: „Was hat das Unterrichtsthema mit MIR, meinem Leben und der Gegenwart zu tun?“ Das Gelernte wird auf das eigene Leben übertragen. Der Transfer ist auch eine Vergewisserung darüber, was gelernt wurde und schließt den Bogen zurück zur Kernfrage des Unterrichtsthemas. 10. Schluss: Rituale sind wie zu Beginn einer Unterrichtsstunde auch für den Abschluss eine sehr gute Form für einen bewussten Ausstieg aus dem Unterrichtsthema. Hier ist die Gelegenheit, Hinweise auf einen Ausblick zu geben oder noch offene Fragen zu beantworten. Der Schluss bereitet den Einstieg in die nächste Stunde. Wenn es dem Unterrichtsziel dient, können manche Phasen auch in anderer Reihenfolge stehen oder einzelne Phasen extrem verkürzt/verlängert oder weggelassen werden – dies sind die didaktischen Entscheidungen einer professionellen Lehrperson.

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In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung

Lehrende-Lernende-Interaktion

In dieser Spalte wird formuliert, was im Unterricht konkret geschieht; der genaue inhaltliche Stundenablauf muss deutlich werden: – Was wird gemacht? – Gesprächsimpulse und Fragen werden ausformuliert (das Ausformulieren hilft, in der Hektik einer Stunde die richtige Formulierung zu finden und W-Fragen an der falschen Stelle zu vermeiden). – Überleitungen werden formuliert, um sie im richtigen Moment parat zu haben. – Spielregeln werden notiert. Für die Spalte gilt: So viel wie nötig und so übersichtlich wie möglich. Die Spalte soll im Unterrichtsgeschehen Orientierung bieten – diese ist nur bei einer übersichtlichen Formatierung und Strukturierung möglich. Es kann in der Spalte auf ausführliche zusätzliche Dokumente verwiesen werden. In der Lehrprobe ist wichtig, dass alle Regeln, Erklärungen und Abläufe irgendwo zu finden sind. Dies kann aber auch durch Verweise geschehen und muss nicht alles in diese Spalte.

Sozialformen

Die Sozialform gibt an, wo sich die Lernenden für einen Unterrichtsschritt aufhalten und wie sie geordnet sind. Es gibt sechs Sozialformen: Frontalunterricht, Gruppenarbeit, Partnerarbeit, Einzelarbeit, Kreis, Kinositz (= alle sitzen im Halbkreis in zwei Reihen hintereinander, ggf. gestuft; die Lehrperson steht vor dem Halbkreis). Die Sozialform muss in einer Unterrichtsstunde mehrfach wechseln. Wie oft ein Wechsel notwendig ist, hängt von den Methoden, vom Alter, von der Lage der Stunde im Stundenplan und der Konzentrationsfähigkeit der Klasse ab.

Didaktisch-methodischer Kommentar und Lerndimensionen

Methoden sind Inszenierungstechniken für den Unterricht. Es gibt hunderte Unterrichtsmethoden. Sie helfen der Lehrperson dabei, den Unterricht spannend, interessant, informativ und kurzweilig zu gestalten und mit den Lernenden die gesetzten Ziele zu erreichen. Beispiele für Methoden sind: singen, basteln, erzählen, spielen, Schreibgespräch, Quiz … Des Weiteren dienen unterschiedliche Methoden dazu, die je verschiedenen Lernwege der Lernenden zu bedienen. Lernende haben ihre eigenen, individuellen Zugänge zu den Lerngegenständen. Die fünf Lerndimensionen sprechen unterschiedliche Lernwege an und fördern verschiedene Persön-

In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung

151

lichkeitsbereiche der Lernenden. Sie müssen im Verlauf eines Schuljahres in ähnlicher Ausprägung bedient werden. Jede Stunde muss mindestens drei Lerndimensionen in ihren Methoden berücksichtigen. Es gibt viele Methoden, die mehreren Lerndimensionen zuzuordnen sind. In diesem Fall können entweder beide Lerndimensionen notiert werden, oder die Lehrperson trifft eine Entscheidung und gewichtet eine Dimension mehr. Welche Dimension von einer Methode bedient wird, ist häufig am Verb erkennbar, das die Methode beschreibt. Kognitive Lerndimension: Diese Dimension umfasst den kognitiven Bereich, der sich um das Wissen und Können dreht. Verben, die auf die kognitive Dimension hinweisen sind „wiedergeben, erklären, benennen“. Methoden, die die kognitive Lerndimension bedienen sind z.B. Abfragen, Quizspiele, Lückentexte usw. Affektive Lerndimension: Diese Dimension umfasst das emotionale Erleben. Verben, die auf die affektive Lerndimension hinweisen, sind z.B. „singen, sich in die Lage von … versetzen, Theater spielen, fühlen, hören, riechen, tasten“. Sozial-kommunikative Lerndimension: Diese Dimension umfasst den sozialen Umgang miteinander und die Gesprächskultur. Verben, die auf diese Dimension hinweisen, sind z.B. „erzählen, helfen, zuhören, ein Problem lösen, miteinander spielen, beraten“. Instrumentell-operative Lerndimension: Diese Dimension umfasst alles, was mit den Händen getan wird und ein materielles Ergebnis bringt. Verben, die auf die instrumentell-operative Dimension hinweisen sind z.B. „basteln, puzzeln, schneiden, falten, kleben, bauen, malen, gestalten“. Psychomotorische Lerndimension: Diese Dimension umfasst alles, was den Geist und die Seele bewegt und das Innerste berührt. Sie ist eng mit der affektiven Dimension verwoben, geht aber tiefer und entzieht sich unserer Überprüfbarkeit. Sie kann bedient werden durch Gebete, Lieder, Theaterspiel, Geschichten etc. Überprüfbar ist lediglich der affektive Teil dieser Dimension – es sei denn, Lernende berichten freiwillig über ein psychomotorisches Erlebnis. Im Unterrichtsschema einer Stunde werden die in der Stunde gewählten Methoden im Hinblick auf die von ihnen bediente(n) Lerndimension(en) beschrieben und reflektiert.

152

In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung

BEISPIEL

Formblatt: Erschließungsdimensionen und Kompetenzen zur Vorbereitung einer UNTERRICHTSEINHEIT

Dieses Formblatt ist im Vorfeld jeder UnterrichtsEINHEIT auszufüllen und und dem/der Mentor:in abzugeben. Es bezieht sich auf alle Stunden einer Einheit/eines Themas. Kerngegenstand/Thema: Klasse: Erschließungsdimension(en) (= Standards inhaltsbezogener Kompetenzen): Prozesskompetenzen werden aus dem Bildungsplan übernommen und auf das Thema angepasst

Wahrnehmen und Darstellen

Deuten

Urteilen

Kommunizieren und Dialogfähig-Sein

Gestalten und Handeln

Inhaltliche Kompetenzen/Ziel der Einheit

Inhaltliche Kompetenzen/ unterrichtliche Teilkompetenzen werden aus dem Bildungsplan übernommen und auf das Thema angepasst Ausdifferenzierung der Ziele der Unterrichtseinheit

In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung

153

BEISPIEL

Formblatt: Erschließungsdimensionen und Kompetenzen zur Vorbereitung einer UNTERRICHTSEINHEIT

Dieses Formblatt ist im Vorfeld jeder UnterrichtsEINHEIT auszufüllen und und dem/der Mentor:in abzugeben. Es bezieht sich auf alle Stunden einer Einheit/eines Themas. Kerngegenstand/Thema: Noah, Gen 6,5–9,17 Klasse: 1/2 Erschließungsdimension(en) (= Standards inhaltsbezogener Kompetenzen): Mensch; Bezüge zu: Welt und Verantwortung, Gott Prozesskompetenzen werden aus dem Bildungsplan übernommen und auf das Thema angepasst

Inhaltliche Kompetenzen/ Ziel der Einheit

Wahrnehmen und Darstellen Die SuS können … …Gott in der Geschichte von Noah als menschenfreundlichen Gott wahrnehmen und beschreiben. Deuten Die SuS können … … die Geschichte von Noah inhaltlich wiedergeben und deuten. … die Symbole „Taube” und „Regenbogen“ deuten und erläutern. Urteilen Die SuS können … … aus menschlichen Erfahrungen von Schuld und Verfehlung gegenüber der von Gott geschenkten Schöpfung religiöse und ethische Fragen entwickeln. … aus genannten Erfahrungen Antwortund Handlungsmöglichkeiten für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung finden, miteinander vergleichen und auf der Basis der biblischchristlichen Überlieferung reflektieren. Kommunizieren und Dialogfähig-Sein Die SuS können … … eigene Gedanken, Gefühle und Sichtweisen in Bezug auf das Verhalten der Menschen zur Zeit Noahs ausdrücken und zu denen anderer Kinder in der Lerngruppe in Beziehung setzen. … sich in die Gedanken, Gefühle, Sichtund Verhaltensweisen Noahs und der Menschen seiner Zeit hineinversetzen. Gestalten und Handeln Die SuS können … … sich gestaltend-kreativ mit der Geschichte von Noah und dem eigenen Gesegnet-Sein auseinandersetzen.

Die SuS können die Geschichte von Noah wiedergeben, deuten und deren Botschaft auf ihre eigene Lebenswelt übertragen.

Inhaltliche Kompetenzen/ unterrichtliche Teilkompetenzen werden aus dem Bildungsplan übernommen und auf das Thema angepasst Ausdifferenzierung der Ziele der Unterrichtseinheit Die SuS können … 3.1.1 Mensch (4) … an der Geschichte von Noah aufzeigen, dass Gott die Menschen liebt, annimmt und begleitet. (5) … anhand der Geschichte von Noah Gottes Versprechen, dass er trotz ihrer Verfehlungen zu den Menschen steht, zum Ausdruck bringen. 3.1.2 Welt und Verantwortung (1) … die Gefährdung der Welt durch menschliches Fehlverhalten zur Zeit Noahs beschreiben und mit ihren Erfahrungen in der eigenen Lebenswelt vergleichen. (5) … an Beispielen einen verantwortungsvollen Umgang mit der von Gott geschenkten Schöpfung aufzeigen. 3.1.3 Bibel (1) … die Geschichte von Noah nacherzählen. (3) … die Erfahrungen Noahs mit Gott zu eigenen Erfahrungen und Fragen in Beziehung setzen.

154

In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung

BEISPIEL

Formblatt: Verlaufsplan/Stoffverteilungsplan zur Vorbereitung einer UNTERRICHTSEINHEIT Dieses Formblatt ist NACH dem Formblatt Erschließungsdimensionen und Kompetenzen im Vorfeld jeder UnterrichtsEINHEIT auszufüllen und dem/der Mentor:in abzugeben. Unterrichtseinheit: Noah, Gen 6,5–9,17 Klasse: 1/2 Schule: Schule an der Kirche, Relihausen Datum und Uhrzeit der (Doppel)stunde

Stundenziel Inhaltlich-methodische wird in jedes Unterrichts- Gedanken/Ideen schema übertragen (aus Mindmap)

In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung

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BEISPIEL

Formblatt: Verlaufsplan/Stoffverteilungsplan zur Vorbereitung einer UNTERRICHTSEINHEIT Dieses Formblatt ist NACH dem Formblatt Erschließungsdimensionen und Kompetenzen im Vorfeld jeder UnterrichtsEINHEIT auszufüllen und dem/der Mentor:in abzugeben. Unterrichtseinheit: Noah, Gen 6,5–9,17 Klasse: 1/2 Schule: Schule an der Kirche, Relihausen Datum und Uhrzeit der (Doppel)stunde 20.03.2023 Doppelstunde 11.30 – 13.00 Uhr

27.03.2023 Doppelstunde 11.30 – 13.00 Uhr

03.04.2023 Doppelstunde 11.30 – 13.00 Uhr

Stundenziel wird in jedes Unterrichtsschema übertragen Die SuS können die Geschichte von Noah bis zum Bau der Arche wiedergeben und deren Botschaft auf ihre eigene Lebenswelt übertragen. Die SuS können die Geschichte von Noahs Rettung wiedergeben und anhand der Geschichte beschreiben, wie Gott trotz ihrer Verfehlungen an der Menschheit festhält. Die SuS können Gottes Zusage an Noah wiedergeben und als Zusage beschreiben, die allen Menschen gilt.

Inhaltlich-methodische Gedanken/Ideen (aus Mindmap) – Geschichte Teil 1 aus Taubenperspektive – Arche basteln (ohne Tiere) – Geschichte Teil 2 aus Taubenperspektive – Symbol Taube – Tiere für Arche basteln

– Segenstanz – Symbol Regenbogen – Sich selbst zeichnen, ausschneiden und in die Arche setzen.

Mentor:in: Stundenziel:

Zeit

Unterrichtsphase

Lernende-Lehrende-Interaktion

Lernziele mit Niveaukonkretisierung und Lernzielüberprüfung:

Unterrichtsthema /Unterrichtssequenz:

Unterrichtsvorbereitung RU Name: Schülerinnen:

Klasse/Schule:

Sozialform

Zeit:

Didaktisch-methodischer Kom- Materialimentar / Lerndimension en/Medien

Schüler:

Dieses Schema ist vor jeder Stunde auszufüllen und der BetreuungsLehrperson im Vorfeld vorzulegen.

BEISPIEL Formblatt: Unterrichtsschema zur Vorbereitung einer Stunde

156 In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung

Name: Prakti Kantin

Klasse/Schule: Klasse 2, Schule an der Kirche, Relihausen Schülerinnen: 10 Schüler: 12 11.30–13.00

Zeit

Stundenziel: Die SuS können die Geschichte von Noah bis zum Bau der Arche wiedergeben und deren Botschaft auf ihre eigene Lebenswelt übertragen.

Mentor*in: Rosa Reli

LZ4: Die SuS können Perspektiven entwickeln, wie menschliches Verhalten gestaltet sein muss, um allen Menschen ein gutes (Zusammen-) Leben zu ermöglichen. (Niveau E) Lernzielüberprüfung: Das Lernziel ist erreicht, wenn die SuS der Taube im Gespräch Vorschläge machen, wie Menschen sich verhalten sollen, die die Taube dann an Noah weitergeben kann.

LZ3: Die SuS können das Verhalten der Menschen zur Zeit Noahs mit dem Verhalten der Menschen heute vergleichen und an Beispielen herausarbeiten, dass sich Menschen auch heute selbstzerstörerisch und umweltschädigend verhalten. (Niveau M) Lernzielüberprüfung: Das Lernziel ist erreicht, wenn die SuS der Taube im Gespräch Beispiele für entsprechendes Verhalten der Menschen heute nennen.

LZ2: Die SuS können das Verhalten der Menschen zur Zeit Noahs bewerten sowie dessen Sorgen über dieses Verhalten erläutern. (Niveau M) Lernzielüberprüfung: Das Lernziel ist erreicht, wenn die SuS im Gespräch mit der Taube Kritik am Verhalten der Menschen zur Zeit Noahs formulieren und Verständnis für die Sorge Noahs signalisieren.

LZ1: Die SuS können die Geschichte von Noah bis zum Bau der Arche wiedergeben. (Niveau G) Lernzielüberprüfung: Das Lernziel ist erreicht, wenn die SuS aufmerksam zugehört haben und in der kommenden Stunde die Geschichte bis zu diesem Punkt nacherzählen können.

Lernziele mit Niveaukonkretisierung und Lernzielüberprüfung:

Unterrichtsthema /Unterrichtssequenz: Noah

Unterrichtsvorbereitung RU Montag, 20.03.2023

Dieses Schema ist vor jeder Stunde auszufüllen und der BetreuungsLehrperson im Vorfeld vorzulegen.

BEISPIEL Formblatt: Unterrichtsschema zur Vorbereitung einer Stunde

In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung 157

Unterrichtsphase

Begrüßung und Auslosen eines Reliassistenten (der Name eines Kindes wird aus einer Losbox gezogen; das Kind ist für diese Doppelstunde der/die Realassistent*in; um den Namen wird ein kleines Ratespiel gemacht) Die Kinder lernen und singen das Lied „Unter Gottes Regenbogen”.

Lernende-Lehrende-Interaktion/Impulse

Frontal

Frontal

Sozialform

11.45 Überleitung

„Gemeinsam wollen wir uns im Stuhlkreis zusammensetzen, wie Noah, seine Familie und die Tiere und uns unter den Schutz Gottes begeben.“ 11.48 Einstieg Den SuS wird ganz besonderer Besuch angekündigt. Stuhlkreis Motivations- Wichtige Hinweise für die SuS: phase – Der Besuch ist die verkleidete Lehrperson – es wird ein großer Spaß, wenn sich alle auf das Spiel einlassen, und sich vorstellen, dass der Besuch „echt” ist. – Wenn die Lehrperson dreimal auf den Tisch klopft, sollen die SuS die Augen schließen; wenn die Lehrperson zu sprechen beginnt, dürfen die Augen wieder geöffnet werden – dann ist der Besuch da (Fantasie „anknipsen“). 11.51 ErarbeiDie SuS bekommen „Besuch“ von der Taube (Klopfritual). Stuhlkreis tungsphase Die Taube erzählt eine Zeitreisegeschichte. Die Geschichte wird zwei Mal durch einen Gesprächsimpuls der Taube unterInklusive: brochen. Vertiefung Außerdem werden die Kinder im Verlauf der Geschichte durch das Taubenflugspiel aktiviert. Gesprächsimpulse der Taube: – Impuls 1: (nachdem die Taube durch die Städte zur Zeit Noahs flog und das Leben dort beobachtete) „Ich konnte es kaum fassen, dass die Menschen damals das Leben so böse zerstörten. Ich frage mich, ob es das in eurer Zeit auch noch gibt oder ob sich die Menschen geändert haben. Bitte erzählt mir, wie es heute bei euch ist.“ – Impuls 2: (nachdem die Taube von ihrem Treffen mit Noah berichtet hat): „Ich habe gehört, wie Noah vor sich hingeredet hat und ganz verzweifelt nach Ideen suchte, wie er das Leben um ihn herum besser machen könnte.

11.35 Einstieg

11.30 Begrüßung Ritual

Zeit

Die SuS kommen mit der Taube ins Gespräch über das zerstörerische Leben der Menschen zur Zeit Noahs. Sie verstehen Noahs Sorgen über die Menschen. (sozial-kommunikative Lerndimension; kognitive Lerndimension)

Die SuS begegnen der Taube aus der Arche und lassen sich von der Geschichte des Archebaus aus der Perspektive der Taube berühren. (affektive Lerndimension)

Verkleidung für die Taube Erzählkerze Streichhölzer/ Feuerzeug

Die SuS stimmen sich durch Gitarre, das Lied auf die folgende Liederbuch Geschichte von Noah ein. (psychomotorische Lerndimension, affektive Lerndimension)

Didaktisch-methodischer Kom- Materiamentar/Lerndimension lien/ Medien Glas mit Losen

158 In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung

12.56 Abschlussritual/Verabschiedung 13.00

12.52 Überleitung

12.30 Ergebnissicherung

12.25 Ritual 12.27 Überleitung

Stundenende

„Wir werden an unseren Archen in der nächsten Stunde weiterarbeiten und wie Noah, ein Haus Gottes entstehen lassen. Lasst uns zum Schluss Gott mit dem Vaterunser danken.“ Gebetritual mit Klangzeichen: Vaterunser mit Bewegungen Verabschiedung der SuS

Stehkreis

Einzelarbeit

– Ich habe mir überlegt, ich erzähle ihm vielleicht bei unserem nächsten Treffen von euren Ideen, was die Menschen tun könnten, damit das Leben funktioniert. Bitte erzählt mir eure Ideen dazu.“ Taubenflugspiel: Immer, wenn die Taube von einem Ort zum anderen fliegt und davon berichtet, lädt sie die Kinder zu ihrem Lieblingsflugspiel ein. Die Spielregeln sind wie „Pferderennen“, es wird jedoch – anstatt auf die Schenkel zu klopfen und zu trampeln – mit zusammengelegten Händen „geflogen“. Befehle für das „Taubenflugspiel“: – über einen Baum (aufstehen) – unter einer Brücke hindurch (ganz nach unten bücken) – Rechtskurve (nach rechts beugen) – Linkskurve (nach links beugen) – Gegenverkehr (Hände auf Kopf legen und sich ganz klein machen) – leckere Insekten (nach ihnen schnappen) Die Geschichte endet mit dem Bau der Arche. Blinzelritual zur Rückkehr auf die Plätze. „Noah hat eine Arche gebaut, ein Schiff. Es steht als Symbol für den NeuanFrontal fang, für Sicherheit und dass wir uns auf Gott verlassen können. Lasst uns auch eine Arche bauen, um zu zeigen: wir vertrauen auf Gott.“ Die SuS basteln eine Arche aus Papptellern (noch ohne Tiere und sonstige EinzelarAusstattung). beit Die SuS basteln eine Arche und setzen sich dadurch mit der gehörten Erzählung handelnd auseinander. (instrumentell-operative Lerndimension)

Klangschale

Pappteller, Ersatzschere, Ersatzkleber

Beispielarche

In acht Schritten zur Unterrichtsvorbereitung 159

8

Die Lehrprobe

Die Lehrprobe ist der abschließende Prüfungsteil jedes Schulpraktikums. Sie besteht aus einer benoteten schriftlichen Ausarbeitung und einem benoteten Unterrichtsbesuch mit anschließendem reflektierenden Gespräch. Die beiden Teilnoten werden miteinander verrechnet.

8.1

Ablauf des Schulpraktikums/Checkliste bis zur Prüfung

Jedes Schulpraktikum hat folgenden Verlauf: 1. In engem Kontakt mit den Verantwortlichen an der Evangelischen Hochschule oder einer anderen Lehrer:inbildungsstätte (Pädagogische Hochschulen, Lehrer:innenseminare, Universitäten u.a.) suchen Sie einen Praktikumsplatz. 2. Unter Anleitung Ihrer Mentorin, Ihres Mentors hospitieren Sie zunächst und beginnen dann selbst zu unterrichten. 3. Beginnen Sie sofort nach Beginn des Praktikums mit dem Verfassen des ersten Teils der schriftlichen Ausarbeitung der Lehrprobe (dieser muss bereits zum Unterrichtsbesuch fertiggestellt sein). 4. Sie bekommen eine/n Prüfenden der Evangelischen Hochschule zugeteilt. Vereinbaren Sie mit dem/der Prüfer:in und Ihrer/m Mentor:in ei-

Die Lehrprobe

161

nen Termin für den ersten Unterrichtsbesuch. Dieser ist unbewertet und dient der Beratung. 5. Sowohl nach dem Besuch als auch nach der Lehrprobe findet ein Gespräch statt, an dem optimalerweise auch der/die Mentor:in teilnimmt. Bitte denken Sie daran, einen Raum zu reservieren! 6. Reichen Sie dem/der Prüfenden und dem/der Mentor:in spätestens zwei Tage VOR dem ersten Besuch folgende Dinge ein (per Mail): Die Ausarbeitung des ersten Teils der Lehrprobe; das ausgefüllte Unterrichtsschema/Formblatt (Unterrichtsschema zur Vorbereitung einer Stunde) zur Stunde, den Treffpunkt und Ihre Telefonnummer (für den Fall kurzfristiger Verhinderungen/Verspätungen). 7. Bringen Sie das Schema ausgedruckt für den/die Prüfende und für den/ die Mentor:in zur Stunde mit. 8. Unterrichtsbesuch mit anschließendem beratenden Gespräch und der Vereinbarung des Lehrprobentermins. 9. Weiterführung des Praktikums. 10. Reichen Sie drei Tage vor der praktischen Durchführung der Prüfungsstunde den fertig ausgearbeiteten schriftlichen Entwurf der Lehrprobe ein – mit BEIDEN Teilen. Der erste Teil darf ggf. überarbeitet sein. Soweit nicht anders abgesprochen, muss die Ausarbeitung ausgedruckt und mit den notwendigen Formblättern des Prüfungsamtes versehen bei Prüfer:in und Mentor:in abgegeben werden. 11. Die Lehrprobe verläuft wie der beratende Besuch, allerdings steht am Ende die Benotung der Stunde.

8.2

Teil EINS der schriftlichen Ausarbeitung (einzureichen zum Unterrichtsbesuch)

Umfang: 15–20 Seiten Der folgende Teil muss (per Mail) zwei Tage vor dem ersten Unterrichtsbesuch bei dem/der Prüfenden eingereicht sein. Der Teil dient dazu, sich mit der Schule und der Klasse vertraut zu machen. Er kann ggf. für die endgültige Gesamt-Ausarbeitung noch einmal überarbeitet werden. Der Teil besteht aus (unten finden Sie ausführliche Erklärungen, was zu jedem Punkt erwartet wird): • Informationen zur Schule (Erklärung s.u.) • Informationen zum Religionsunterricht (Erklärung s.u.) • Informationen zum Umfeld der Schule (Erklärung s.u.) • Informationen zur Klasse (Erklärung s.u.) • Entwicklungspsychologische Einordnung der Klasse (Erklärung s.u.)

162

Die Lehrprobe

Informationen zur Schule

Informieren Sie sich über die Schule. Sie finden viele Informationen in der Regel auf der Homepage der Schule. Wenn Sie über die Homepage nicht weiterkommen, sprechen Sie mit Rektor:in und Kolleg:innen: • Wie kam die Schule zu Ihrem Namen? (Wer/Was steckt hinter dem Namen? Ist der Name mit dem Schulkonzept verbunden? Gibt es also z.B. in einem „Bonhoeffer-Gymnasium“ besondere Veranstaltungen zu Dietrich Bonhoeffer o.Ä.?) • Leitbild und/oder pädagogisches Konzept der Schule (Inzwischen hat [fast] jede Schule ein Leitbild/pädagogisches Konzept; hierin ist festgehalten, nach welchen Prinzipien die Schule arbeitet und welche Punkte sie einzigartig machen; z.B. „Bewegte Schule“ – eine Schule in der Bewegung/Sport eine besondere Bedeutung hat, in den Pausen Sportgeräte zur Verfügung stehen, eine Extrasportstunde eingerichtet wurde usw.; Konzept und Leitbild erhalten Sie in der Regel im Rektorat oder finden es auf der Homepage). • Zusammensetzung des Kollegiums/Anzahl Schüler und Schülerinnen/Anzahl der Klassen • Besondere Projekte der Schule/Vernetzung mit dem Gemeinwesen (Arbeitet die Schule mit Vereinen vor Ort zusammen? Gibt es Gottesdienste mit der Kirchengemeinde? Wird die Schule evtl. nach Schulschluss als Musikschule o.Ä verwendet?) • Ggf. Feedbackkultur und schulweit geltende Regeln (Viele Schulen haben inzwischen Regeln, die für ALLE Klassen gelten, meist beziehen sie sich auf den Verhaltensbereich (z.B. Trainingsraumkonzept, einheitliche „Ampelregelungen“ ...). Gibt es solche Regeln, haben auch Sie als Praktikant:in sich daran zu halten. • Schulsozialarbeit (Gibt es eine/n Schulsozialarbeiter:in an der Schule? Was sind dessen/ihre Aufgaben? In welchen Fällen kann er/sie zu Rate gezogen werden?)

Informationen zum Religionsunterricht

• Religionslehrpersonen (Anstellung, Konfession, externe Fachpersonen …) • Zusammenarbeit im Religionsunterricht, Fächerverbünde in denen das Fach Religion vernetzt ist (z.B. KoKo (Konfessionell-kooperativer Religionsunterricht), Absprachen über Themen (wird z.B. in einem anderen Fach über das Mittelalter gesprochen, während in Religion das Thema „Elisabeth von Thüringen“ behandelt wird usw.); gemeinsam vorbereitete Gottesdienste oder Angebote an Projekttagen …)

Die Lehrprobe

163

• Schulcurriculum Religion (Welche Themen werden in der unterrichteten Klasse behandelt?) • Vernetzung mit Kirchengemeinden vor Ort (Wird z.B. die Kirche besucht oder ein Ausflug auf den Friedhof gemacht? Gemeinsam gestaltete Gottesdienste; Einladungen zu Kinderangeboten …)

Informationen zum Umfeld der Schule

Beschreiben Sie das Umfeld der Schule; fassen Sie sich kurz. Es ist z.B. nicht notwendig, sämtliche Vereine eines Ortes genau zu beschreiben. Informationen finden Sie auf der Homepage der Stadt/des Dorfes, in der Presse – oder aus Gesprächen: • Der Schulsprengel: Besonderheiten in der Zusammensetzung der Quartiersbewohner, soziologische Aspekte wie hoher Bestand an Sozialwohnungen, gute oder schwache Infrastruktur, hohe Durchmischung oder Segregation und Gentrifizierung usw. • Vernetzung: Wie weit öffnet sich die Schule? Welche Kooperationen hat die Schule ins Quartier, in den Schulsprengel? Wie ist die Zusammenarbeit mit sozialen Einrichtungen, den Kirchengemeinden? ... • Spielplätze und Möglichkeiten für Jugendliche sich zu treffen (Wo halten sich Kinder und Jugendliche in ihrer freien Zeit auf? Wo treffen sie sich?)

Informationen zur Klasse

• Der Klassenraum (Größe, Ausstattung, Sitzordnung, haben die S:S eigene Fächer?) • Rauminfrastruktur für den Religionsunterricht (Schulhof, Aula, Gruppenräume, Flure, Bibliothek … – für manche Methoden im Religionsunterricht bedarf es anderer Möglichkeiten als das Klassenzimmer. Prüfen Sie, welche Orte genutzt werden können und welche Bedingungen (Belegungspläne, Information an das Rektorat usw.) erfüllt sein müssen, damit Sie die Orte nutzen können) • Zusammensetzung der Klasse (Jungen/Mädchen/Diverse, verschiedene Klassen, Alter, Nationalitäten, Inklusionskinder, Hochbegabte, Entwicklungsverzögerte …) • Sprachniveau (sprechen alle Kinder deutsch und verstehen es auch?) • Leistungsniveau (welche Niveaustufen lassen sich erkennen und wie ist die quantitative Verteilung?) • Störendes Verhalten (beobachten Sie störendes Verhalten der Klasse und einzelner S:S, z.B. unerlaubte verbale Äußerungen, ständige Bewegung, Interaktionen mit den Nebensitzer:innen, das Spiel mit Gegenständen …; versuchen Sie die Ursachen der Störungen heraus-

164

Die Lehrprobe

zufinden; hilfreich in diesem Zusammenhang ist Kapitel 2 in diesem Buch „Rollen, Rollenverständnis, Beziehungen“) • Wo verbringen die Schüler und Schülerinnen ihre freie Zeit? Wo machen sie ihre Hausaufgaben? • Wie (und ggf. woher) kommen die S:S morgens zur Schule? (Haben sie eine Busfahrt hinter sich? Wie lang? Fahrrad? Roller? Zu Fuß? Mit dem Auto? Straßenbahn? Wann müssen die Schüler und Schülerinnen morgens aus dem Haus?) • Sonstige Auffälligkeiten (gibt es Wichtiges, das bisher keinen Platz gefunden hat? Notieren Sie es ggf. unter diesem Punkt.)

Entwicklungspsychologische Einordnung der Klasse

Um erfolgreich zu unterrichten, ist es zwingend notwendig, den Entwicklungsstand einer Klasse zu kennen. Es macht an dieser Stelle KEINEN Sinn, einfach die Theorie einer gängigen Entwicklungspsychologie darzulegen. Es braucht einen klaren Bezug zur Klasse. Nutzen Sie beim Herstellen der Bezüge zwischen Entwicklungspsychologie und Klasse die Beobachtungen aus Ihren ersten Kapiteln: • Setzen Sie sich mit einer der gängigen Entwicklungspsychologischen Theorien auseinander (z.B. Erik Erikson, Rolf Oerter & Leo Montada; Andreas Krapp & Bernd Weidenmann; Uri Bronfenbrenner & Dieter Baacke; Helmut Fend; Jean Piaget; Lawrence Kohlberg; Heinz Streib). • Ordnen Sie die von Ihnen unterrichtete Klasse in ihrem Entwicklungsstand der Theorie zu. Begründen Sie Ihre Zuordnung. Selbstverständlich können Sie die Schüler:innen einer Klasse auch unterschiedlichen Entwicklungsständen zuordnen. • Welche Folgerungen für Ihren Unterricht, bzw. Ihre Unterrichtsvorbereitung, ziehen Sie aus den Erkenntnissen? Worauf müssen Sie besonders achten, wenn Sie den Unterricht für Ihre Klasse vorbereiten? (Z.B. wie lang dürfen Konzentrationsphasen maximal sein; welches Sprachniveau dürfen Sie verwenden; brauchen einzelne S:S spezielles Material, brauchen S:S Extra-Materialien, gibt es Methoden die voraussichtlich besonders gut oder gar nicht funktionieren …?)

8.3

Teil ZWEI der schriftlichen Ausarbeitung (einzureichen zur Lehrprobe)

Umfang: 15–20 Seiten Reichen Sie den zweiten Teil zusammen mit Teil 1 als Gesamtwerk in ausgedruckter Form drei Tage vor der Prüfung bei den Prüfenden und den Betreuenden ein.

Die Lehrprobe

165

Der zweite Teil enthält folgende Kapitel (nähere Erklärungen siehe unten): – Sachanalyse des unterrichteten Themas (Erklärung s.u.) – Elementarisierung/Didaktische Analyse (Erklärung s.u.) – Die acht Schritte der Unterrichtsvorbereitung (Erklärung s.u.) – Reflexion des Stundenverlaufes (Erklärung s.u.) – Alternativen (Erklärung s.u.) – Situation der/des Unterrichtenden in der Klasse (Erklärung s.u.) – Literatur (Erklärung s.u.) – Anhang (Erklärung s.u.)

Sachanalyse des unterrichteten Themas

Um didaktische Entscheidungen treffen und ein Thema passend elementarisieren zu können, ist es zunächst zwingend notwendig, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Lesen Sie sich intensiv in das Thema ein. Beziehen Sie die schriftliche Sachanalyse in diesem Kapitel bitte sehr konkret und zielgerichtet auf den Inhalt der einzelnen Lehrprobenstunde. Ordnen Sie Ihr Thema einem der Punkte A)–E) zu und gehen Sie dann entsprechend der Beschreibung vor:

8.3.1 Bibelorientierte Arbeit

In der bibelorientierten Arbeit ist eine Kurzexegese vom jeweiligen Leittext anzufertigen. Hierzu sind zwei alternative Kommentierungen zu verwenden. Wichtig ist die begründete didaktische Entscheidung, die getroffen wird. Aus der Bibelauslegung soll klar werden, was von dem Text in die Lernendensituation übertragen und dort gelernt werden soll und was in den Bildungsstandards erwartet wird. Die Exegese soll knapp, aber seriös und präzise sein. Alle anerkannten wissenschaftlichen Verfahren der Bibelauslegung sind hier zugelassen. Die Exegese des biblischen Textes darf nicht den Charakter und den Umfang einer exegetisch-wissenschaftlichen Hausarbeit haben, sondern soll die Ergebnisse begründen und knapp wiedergeben. Wenn z.B. die UE (= Unterrichtseinheit) „Jesus geht einen anderen Weg“ behandelt werden soll, in der Heilungsgeschichten und Gleichnisse Jesu vorgestellt werden, dann sind z.B. zwei alternative Wunderauslegungen/ Wunderkonzeptionen oder Gleichnistheorien zu reflektieren. Es werden zu den Bibelstellen keine ausführlichen Exegesen erwartet, jedoch eine präzise wissenschaftlich-exegetische Stellungnahme, die Alternativen und konkurrierende Entwürfe bearbeitet und durchleuchtet hat.

8.3.2 Themenorientierte Einheit

In einer themenorientierten Einheit (z.B. Schöpfung und Umweltschutz) kommt es auf eine präzise Darstellung der Sache bzw. des Themas an, was

166

Die Lehrprobe

in einem zweiten Schritt theologisch oder ethisch (z.B. nach dem Verfahren zur ethischen Urteilsbegründung von Heinz Eduard Tödt) reflektiert und entschieden werden muss.

8.3.3 Systematisch-theologisch orientierte Einheit

In einer systematisch-theologisch orientierten Einheit (z.B. für und wider Todesstrafe) sollen zwei bis drei gängige theologische Entwürfe zum Thema dargestellt, ausgewertet, reflektiert und erörtert werden. Gleiches ist natürlich bei systematischen oder problemorientierten Einheiten zu sagen: Hier sind es vielleicht konkurrierende Christologien, Anthropologien, Religionsverständnisse, Ethikansätze usw. Studierende sollen in diesem Abschnitt unter Beweis stellen, dass mit theologischer und religionspädagogischer Literatur und Theoriebildung wissenschaftlich und pädagogisch verantwortungsvoll umgegangen werden kann und dass theologische Entscheidungen plausibel werden und religionspädagogisch umgesetzt werden können. Am Ende dieses Schritts muss die Sachstruktur des Inhalts oder Themas so weit erhellt sein, dass Inhalt/Thema überhaupt zureichend unterrichtet werden kann.

8.3.4 Psychologisch usw. orientierte Einheit

In einer psychologisch usw. orientierten Einheit muss die jeweilige Sache unter Berücksichtigung aktueller psychologischer oder pädagogischer Theoriebildung vorgestellt werden.

8.3.5 Gruppenpädagogisch-kommunikationsorientierte Einheit

In einer gruppenpädagogisch-kommunikationsorientierten Einheit muss z.B. das Gruppenproblem (z.B. „Insider – Outsider“) beschrieben und der entsprechende pädagogische Ansatz geklärt werden. Auch hier sind die didaktischen Entscheidungen vom Inhalt her zu begründen.

Elementarisierung/Didaktische Analyse (nach Klafki)

Entscheiden Sie sich ENTWEDER für die Elementarisierungstheorie ODER für die Didaktische Analyse nach Klafki und führen Sie diese durch. Elementarisieren Sie Ihr erschlossenes Thema mit Hilfe der fünf Erschließungsdimensionen (vergleiche Kapitel 6; hier finden Sie die Erklärung zu den einzelnen Punkten): – Elementare Strukturen – Elementare Erfahrungen – Elementare Zugänge – Elementare Wahrheiten – Elementare Lernformen

Die Lehrprobe

167

Reflektieren und prüfen Sie ihr Thema mit Hilfe der fünf Dimensionen der Didaktischen Analyse nach Klafki. Sie finden die Dimensionen und die zugehörige Erklärung in dieser Arbeitshilfe in Kapitel 6.

Acht Schritte der Unterrichtsvorbereitung

Wenden Sie sich nun den acht Schritten der Unterrichtsvorbereitung zu (siehe hierzu Kapitel 7). Beziehen Sie die acht Schritte der Unterrichtsvorbereitung auf Ihre Prüfungseinheit (und nicht auf ein gesamtes Schuljahr): – Verorten Sie das Thema im Bildungsplan – Achtung: Brainstorming und Ideensuche müssen Sie NICHT dokumentieren. In der Ausarbeitung der Lehrprobe interessiert an dieser Stelle nur das Ergebnis. – Wenn Sie sich das Thema erarbeitet, es elementarisiert und Umsetzungsideen gesammelt haben, beginnen Sie bei Schritt 5 (Formulieren der Kompetenzen). – Bearbeiten und dokumentieren Sie die Schritte fünf bis acht (inklusive aller geforderten Formblätter) in Ihrer Arbeit. Genaue Arbeits-/Vorgehensanweisungen finden Sie in oben genanntem Kapitel. – Prüfen Sie, ob Ihre Ausarbeitung folgende Formblätter enthält: Stoffverteilungsplan für die unterrichtete Einheit/Erschließungsdimensionen und Kompetenzen/Unterrichtsschema zur Vorbereitung einer Stunde.

Reflexion des Stundenverlaufes

Ziel dieses Kapitels ist das Darlegen der Überlegungen hinter Ihrer nun fertigen Stunde. Bitte beschreiben Sie den Ablauf Ihrer Stunde noch einmal detailliert und reflektieren/begründen dabei: • die Wahl Ihrer Methoden (warum haben Sie sich an der jeweiligen Stelle für diese Methode entschieden?) • die Wahl der Sozialformen • die Wahl der Rituale • die Wahl der Medien Vergessen Sie nicht zu beschreiben/erklären, wie Sie von einer Unterrichtsphase in die nächste überleiten! Am Ende dieses Kapitels muss dem/der Prüfer:in klar sein, WIE die Stunde genau verläuft und WARUM Sie die einzelnen Schritte so geplant haben.

Alternativen

Prüfen Sie Ihre Stunde auf „kritische Punkte“ an denen die Wahrscheinlichkeit besonders groß ist, dass etwas misslingt oder durch äußere Umstände nicht möglich ist (z.B. Ausfall der Technik, fehlendes Material, verletztes Kind). Greifen Sie mindestens drei mögliche Probleme/Störungen auf und

168

Die Lehrprobe

beschreiben Sie, wie Sie alternativ (spontan und mit den vorhandenen Mitteln) agieren können.

Situation der/des Lehrenden

Beschreiben Sie (aus Ihrer Sicht), ob es Ihnen gelingt, die Rolle als Lehrkraft auszufüllen. Nennen Sie Dinge, die Ihnen leicht fallen und Punkte an denen Sie aus Ihrer Sicht noch arbeiten müssen.

Literatur

Wissenschaftliches Literaturverzeichnis: – Nachname, Vorname (Hg.) falls Herausgeberschaft (Jahr): Titel. Untertitel. Auflage (wenn nicht 1. Aufl.). Erscheinungsort: Verlag. Vornamen sind auszuschreiben und nach der bibliografischen Nennung erfolgt ein Punkt. Internetquellen entweder alphabetisch einfügen oder gesondert aufführen. Die Internetquellen müssen wissenschaftlich ausgewiesen und nach den gängigen Regeln zitiert sein: http …, [Abrufdatum und Uhrzeit]. – wissenschaftliches Medienverzeichnis. – wissenschaftliche Zitation von Internetquellen.

Anhang

Im Anhang sind alle verwendeten Arbeitsblätter, Liedblätter, Bastelbögen, Geschichten usw. eingeordnet und einsehbar.

9

Reformatorisch-protestantische Grundzüge der Bildung

9.1

Einführung

Der Reformation zuerst und im weiteren Verlauf dem Einfluss der Bildungsbemühungen der Aufklärung und einer sich zunehmend merkantilistisch ausrichteten Politik der Staaten Europas in mehr als 120 Jahren verdanken wir unser heutiges Schulsystem und das sich darin institutionalisierte Bildungshandeln. Kritisch würdigt Henning Schluss die Rolle Martin Luthers für das heutige Bildungssystem und räumt mit einem mehr hagiographischen denn pädagogisch-historiographischen begründeten Bild des Reformators und seiner Rolle für die Bildung auf (vgl. Schluss 2011, S. 8). Es brauchte den Bruch mit dem alten System, das einem zweifelhaften Erziehungsstil huldigte und ein retrospektives Bildungsverständnis für die Ewigkeit zementieren wollte. Insofern war Luthers kritischer Zugang und seine Wirkung auf das bisherige Bildungssystem, Henning Schluss folgend, eine Notwendigkeit, um eine Neubestimmung von Schule vornehmen zu können (vgl. Schluss 2011, S. 11). Inwieweit die reformpädagogische Schulbewegung darauf rekurriert und welchen Einfluss die Reformation noch heute auf die Diskussion um die gute Schule hat, lässt durchaus unterschiedliche Positionen der Bewertung zu. Zuschreibungen, wonach Martin Luther und Philipp Melanchthon für eine Schule für alle einstanden, Schule zu einer kommunalen Aufgabe machte und Unterricht und Erziehung eine reziproke Beziehung in der Schule zuwies,

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skizzieren ein Verständnis von Schule, das in der Reformschulbewegung und in zeitaktuellen Bezügen zentrale Bedeutung hatten und haben. Dass bereits bei Martin Luther und auch Philipp Melanchthon dem Kind das Kindsein zugestanden und darauf ausgerichtet Lernen und Unterrichten einen subjektorientierten Grundtenor zugesprochen bekamen, unterstreicht die Annahme, dass sowohl die Reformpädagogik als auch die heutigen Schulentwicklungsprozesse in der Reformation ihre Begründung finden. Bildungshandeln in unseren Schulen findet auch noch heute weitgehend vor dem Hintergrund christlich-kultureller Begründungslinien statt. Ankerpunkte für das pädagogische Handeln sind das Verständnis des Menschseins und menschlicher Bildsamkeit, wie es Johann Friedrich Herbart im 19. Jahrhundert formulierte und Schluss als „Theorie der Bildsamkeit“ in den Kontext einer Diskussion um die Bedeutung der Reformation für die Schule heute erneut unterstreicht. Zusammengenommen skizzieren das Menschenbild und die Bildsamkeit in christlich-anthropologischen und pädagogisch-theologischen Bezügen Leitgedanken, eine auch die Reformpädagogik beeinflussende Theorie des Erziehungs- und Bildungshandelns. Die Frage nach der Bedeutung der Reformation, bzw. der Reformpädagogik, für den heutigen Evangelischen Religionsunterricht, provoziert in einer ersten Reaktion ein tautologisches Kreisen, das verkennt, dass Unterricht erst dann gelingen kann, wenn Inhalte des Lernens mit den Strukturen der Schule und der Schulkultur zu einer Schulgemeinschaft zusammenfinden. Der Religionsunterricht kann hier eine Lenkungsfunktion übernehmen, indem über ihn zentrale Inhalte des christlich begründeten Menschenbildes und den sich daraus abzuleitenden Eckpfeilern für ein Bildungsverständnis in evangelischer Perspektive in der Schule Einzug hält.

9.2

Bildungshandeln im Spiegel des christlich begründeten Menschenbildes

9.2.1 Christliches Menschenbild

Von den Betrachtungen zum christlichen Menschenbild ausgehend, soll ein konsensuelles Bild darüber erarbeitet werden, was als das christliches Verständnis vom Menschen verstanden werden soll. Der Terminus „christliche Verständnis“ soll darauf hinweisen, dass keine Festlegung auf ein bestimmtes generell gültiges Menschenbild erfolgt. Die Grundlinien des christlichen Verständnisses des Menschen, in der Bezugnahme auf ein Bildungsverständnis in christlicher Perspektive, skizzieren ein Verständnis des Menschen, wie es sich an Schulen entsprechend in seinem Facettenreichtum wiederfinden lässt. In der Schule orientiert sich

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pädagogisches Handeln häufig an einem impliziten oder expliziten Menschenbild (vgl. Liebau 2004, S. 123). Zur Orientierung brauchen die Akteure/Akteurinnen in der Schule eine Orientierung, die über Grundlinien des christlichen Menschenbildes gewährleistet werden kann. Es war Martin Luther, der dem christlichen Menschenbild eine andere Zuschreibung gab und damit bisher vermittelte Vorstellungen darüber konterkarierte. Ausgehend von einer dogmatischen Vorstellung, die Imago Dei sei korrumpiert und der Mensch müsse in der Hoffnung auf einen gnädigen Gott, eine Wiedergutmachung leisten, leitete Luther eine Kehrtwende ein. Luther vertrat einen radikalen Standpunkt: Der Mensch habe seine Gottebenbildlichkeit verloren und sei somit ein Sünder (peccator), jedoch könne er sich im Vertrauen auf die Gnade Gottes (sola gratia) und seinen Glauben (sola fide) darauf verlassen, dass Gott ihm seine Gerechtigkeit zuspricht (vgl. auch Harbeck-Pingel & Schwendemann 2017). Härle sieht im Rechtfertigungsglauben als ein Erbe der Reformation eine Befreiung des Menschen vom Zwang zur Selbstinszenierung und einer egozentrischen Lebensgestaltung und findet darin jene Offenheit für andere und anderes begründet, die dazu befähigt und ermutigt, mit dem Scheitern und mit der Erfahrung eigener und fremder Grenzen und Krisen umgehen zu können (vgl. Härle 2004, S. 77). Das macht den Menschen zugleich einzigartig, wie das durch die Imago Dei a priori zum Ausdruck gebracht wird. Der Mensch ist mit Karl Barth „im Bilde“ und „nach dem Bild geschaffen“ und die Imago Dei ist ihm in einer „analogia relationalis“ gegeben. Daraus erwächst eine unabdingbare Wertschätzung „des menschlichen Individuums in seiner unvergleichlichen Einzigartigkeit“ (Pirner 2008, S. 94). Dem wiederum folgt, dass dem Einzelnen durch eine ihm gegebene Bildsamkeit auch jene Freiheit zugesprochen werden muss, Bildung als Teil seines individuellen Entwicklungsprozesses zu deuten und der Mensch sich selbst darin bestärken kann und soll, nach umfänglicher Erkenntnis zu streben. Nicht die Erkenntnis, sondern der Umstand des danach Strebens bedingt „Ein-gebildet-Werden“. Die sich darauf gründende voraussetzungsfreie Zuschreibung menschlichen Daseins, wirkt unmittelbar auf das Bildungsverständnis in evangelischer Perspektive. Die Begründung von Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit folgt der gleichen Argumentation wie die Begründung eines individuellen, menschenrechtlichen Anspruches auf Bildungsangebote. Wie schon bei Martin Luther, so zeigt sich auch in der Reformpädagogik, dass es anstehende oder herbeigeführte gesellschaftliche Veränderungsprozesse sind, die im Bereich der Bildung und Erziehung gleichfalls nach Reformen verlangen.

172

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Zusammengenommen lassen sich Grundzüge in Luthers Bildungs- und Erziehungsverständnis herausschälen, die wiederkehrend bei Comenius, Rousseau, Pestalozzi oder auch bei Klafki vorkommen.

9.2.2 Bildung und Erziehung in evangelischer Perspektive

Der Akzent von Bildungs- und Erziehungsprozessen in christlicher Perspektive liegt demnach in der Bildung der einzelnen Person (vgl. EKD 2003, S. 71) und aus einer solchen Akzentuierung folgt, dass der zu bildende Mensch nicht als Objekt, sondern als Subjekt des Bildungsgeschehens angesprochen ist. Wilfried Härle folgert daraus für ein Bildungsverständnis, dass Bildung so lange menschengemäß ist, als sie offen ist für das Ziel der Selbstbildung, in der „ein Mensch sich zu seiner Bestimmung hin formen lässt“ (Härle 2004, S. 74). Zum christlichen Verständnis des Menschen gehört seine Bildungsfähigkeit und Bildung ist dabei als Beitrag des individuellen menschlichen Entwicklungsprozesses zu verstehen. Ziel muss es sein, dass sich Schüler und Schülerinnen Orientierungswissen aneignen, und dadurch zu einer eigenständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung befähigt werden (vgl. Härle 2004, S. 74). Eine zentrale Bestimmung des Menschen liegt also in seiner Freiheit. Zur Freiheit ist der Mensch kraft seines Verstandes, seiner Vernunft und seiner Begabungen bestimmt.1 Nach Manfred Pirner gehört die Freiheit des Menschen zu seiner theologisch-anthropologischen Bestimmung und ist ein zentrales Ziel neuzeitlicher Pädagogik (vgl. Pirner 2008, S. 93). Bildungshandeln muss sowohl die Einzigartigkeit als auch die Dimension der Freiheit achten und fördern, indem die Entwicklung individueller Fähigkeiten und Begabungen jedes einzelnen Lernenden bestmöglich angesprochen werden, um ihn in der Entfaltung seiner Persönlichkeit zu unterstützen. Dabei ist mit Pirner jede Gabe und Begabung eines Menschen immer auch in ihrer Bedeutung für andere und für die Gemeinschaft zu sehen und zu fördern. Insofern ist Bildung in christlicher Perspektive nicht ausschließlich auf den Einzelnen zu beschränken und in seinen Zielen daran ausrichtend zu idealisieren, vielmehr ist Bildung um ihre soziale Dimension „Bildung der anderen und Aufbau der Gemeinschaft“ zu erweitern (Pirner 2008, S. 95) mit in den Blick zu nehmen und zu stärken. Ein christliches Verständnis des Menschen, hier vor allem des Lernenden, berücksichtigt die Vielfalt mensch1 Die Freiheit ist als eine von Gott gegebene Freiheit zu verstehen und als Gnadengabe und damit auf die Abhängigkeit des Menschen von Gott verweisend zu verstehen. Würde der Mensch herausgelöst aus seiner Beziehung zu Gott gesehen werden, fehlt ihm jene Instanz auf die in seinem Handeln Bezug nehmen und dessen Verantwortlichkeit prüfen könnte.

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licher Eigenschaften und Persönlichkeitsprofile und setzt eine ganzheitliche Sicht auf den Menschen voraus, um diese Vielfalt erkennen, respektieren und ernst nehmen zu können (vgl. Pirner 2008, S. 96). Ein auf Ganzheitlichkeit ausgerichtetes christliches Verständnis des Menschen weiß um die vielfältigen Dimensionen, die einen Menschen ausmachen. Schulen, die sich zum christlichen Menschenbild und zum christlichen Bildungsverständnis bekennen, treten deshalb gegen eine einseitige Förderung menschlicher Dimensionen zugunsten einer funktional ausgerichteten Entwicklung und Förderung von Fähigkeiten und Begabungen ein. Sie stehen auch für ein christliches Verständnis des Menschen ein, das die Unvollkommenheit des Menschen als eines seiner konstitutiven Merkmale respektiert und um die Möglichkeit seines Scheiterns, seines Verfehlens und seiner Unzulänglichkeit wissen. Festzuhalten ist, dass es zum Wesen des Menschen gehört, dass er fehlbar und seine Biografie von Brüchen, Krisen und Schicksalsschlägen gezeichnet ist und er daran nach christlichem Verständnis reifen und neue Lebenseinsichten gewinnen kann (vgl. Rausch 2010, S. 91). Entsprechend ist es Aufgabe der Schule, Lernende darin zu bestärken, auch in jedem Scheitern und Versagen Lern- und Entwicklungschancen zu sehen und sie darin zu unterstützen, diese produktiv zu verarbeiten und im Sinn von Copingstrategien für ihre Persönlichkeitsentwicklung zu nutzen (vgl. Pirner 2008, S. 98). Zusammenfassend lassen sich mit Härle Spezifika des christlichen Verständnisses des Menschen an folgenden Konsequenzen in Bezug auf Bildung aufzeigen (vgl. Härle 2004, S. 80): – Ein solches Verständnis verortet den Menschen in einem weiten Horizont und begrenzt ihn damit zugleich auf das Maß des Menschlichen. – Es motiviert dazu, groß vom Menschen zu denken, ohne in Hybris zu verfallen. – Es zeigt, dass der Mensch mehr ist und zu mehr bestimmt ist, als er selbst aus sich – oder aus anderen – machen kann. – Es macht den Wert keines Menschen abhängig von der Leistung, die er erbringt. – Es leitet an zum achtungsvollen Umgang miteinander, d.h. zum Respekt vor der Würde jedes Menschen – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion, Alter etc. – Es sensibilisiert für die Unterscheidung zwischen der unantastbaren menschlichen Würde und der gleichwohl bestehenden Möglichkeit, durch menschliches Versagen diese Würde zu gefährden. – Es ermutigt zum Entdecken, Entwickeln und Fördern eigener und fremder Begabungen und weckt so Freude an Leistung und am Gelingen von Lebensentwürfen.

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Derlei Grundlinien des christlichen Menschenbildes haben Konsequenzen für das Bildungshandeln in der Schule: Sich zu bilden muss Schülern und Schülerinnen individualisiert möglich sein und sowohl die Inhalte als auch die Wahl der Vermittlung und Aneignung müssen der jeweiligen individuellen Bestimmung entsprechend, dienlich sein. Konkreter gefasst, ist unter Bildung in christlich-reformatorischen Bezügen ein über die schulische Allgemeinbildung hinausreichender Anspruch zu begründen, was über das von Wolfgang Klafki vertretene Verständnis einer Allgemeinbildung hinaus geht (vgl. Klafki 1993, S. 54)2, indem es über einen Gegenwartsbezug hinaus Bildung als einen Prozess versteht, der „Bildung in einem ethischen und religiösen Horizont durch Schlüsselthemen zu fassen sucht und Schülerinnen und Schülern Lebenskompetenz vermittelt. Friedrich Schweitzer folgend, hat Bildung das Ziel, „die Schülerinnen und Schüler auf die Zukunft und auf deren Herausforderungen“ (Schweitzer 1999, S. 123) vorzubereiten. Als Herausforderungen für die Zukunft lassen sich hier explizit die Themenfelder Leben in der Demokratie, Frieden und die Erneuerung von Werten anführen. Als Schlüsselthemen lassen sich hierunter u.a. Demokratie als Lebensform, ökologische Verantwortung in der Industriegesellschaft, Dialog mit Menschen anderer Religionen und eine gerechte Verteilung der Güter in der einen Welt subsumieren (vgl. Schweitzer 1999, S. 125). Wenn man sich auf ein solches Bildungsverständnis beruft, bezieht man Position und wird mit Nipkow „zum Anwalt für die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen als individuelle und selbständige Personen, die in Freiheit und Selbstverantwortung ihren Weg finden sollen“ (Nipkow 1990, S. 20).

9.2.3 Ganzheitliches Verständnis von Bildung

Unberücksichtigt bleibt der Aspekt des lebenslangen Lernens. An dieser Stelle sei an Jan Amos Comenius erinnert, der den Aspekt des lebenslangen Lernens theologisch begründete und lebenslanges Lernen für jeden Menschen verpflichtend gemacht, sich zu bilden und anderen Bildung zukommen zu lassen. Das ganzheitliche Verständnis von Bildung, das von einem lebenslangen und alle Lebenslagen umgreifenden Prozess ausgeht, ist von besonderer Bedeutung. Bildung muss alle Menschen zu allen Zeiten ihres Lebens ansprechen und allen muss der Zugang zu Bildungsangeboten auf alle mögliche Weise gewährleistet sein. Im Sinne eines comenianischen Verständnisses ist es als eine Christenpflicht anzusehen, jedem Menschen Bil2 Mit Klafki muss Allgemeinbildung als Bildung in den grundlegenden Dimensionen verstanden werden, als Bildung der kognitiven Möglichkeiten, der handwerklich-technischen Produktivität, der Ausbildung zwischenmenschlicher Beziehungsmöglichkeiten, der ästhetischen Wahrnehmungs-, Gestaltungs- und Urteilsfähigkeit und der ethischen und politischen Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten.

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dung zugänglich zu machen, besonders denen, die ihr überdurchschnittlich fern sind. Denn das Milieu der Armut wirkt selbstreferenziell auf Menschen dieser Gesellschaftsgruppe. Denn gerade jene inneren Kompetenzen, die zur eigenverantwortlichen und sinnhaften Lebensgestaltung befähigen, die letztlich die Lebensautonomie stärken würden, fehlen im sozialen Umfeld der Menschen, die von der Teilhabe ausgegrenzt sind und als bildungsfern bezeichnet werden. Lebenslanges Lernen, Integration von Randgruppen, individuelle Förderung, Pluralität, global denken – lokal handeln, das sind Leitbegriffe des Konzepts der Civil Community Education. Auf dem Hintergrund der PISA-Ergebnisse, einer Neugestaltung des Schulsystems u.a. durch Ganztagesschulmodelle, verdient Civil Community Education eine noch stärkere Beachtung im bildungs- und sozialpolitischen Engagement der Kirchen. Ein derartiges Engagement ist aber nicht auf konzeptionelle Überlegungen zu beschränken, sondern schließt strukturelle und organisationale Veränderungen innerhalb institutioneller Bildungseinrichtungen ein. Comenius vertrat in seiner Schultheorie einen sinnstiftenden Unterricht und den Erwerb von sinnhaftem Wissen (vgl. Winkel 1997, S. 70–84). Voraussetzung dafür ist eine Lebensweltorientierung, die den Wissenserwerb begleitet und durch lebenslagenorientierte Bildungsangebote ihren individuellen und personalen Charakter bekommt. Lebensweltorientierung setzt eine „Öffnung von Schule“ voraus. Lebensweltbezug und Interdisziplinarität sind neben Formen eines längeren gemeinsamen Lernens, einer Binnendifferenzierung oder alternativen Formen der Leistungsbewertung Voraussetzung dafür, dass die durch PISA angemahnten Veränderungsprozesse zugunsten einer Minderung des Einflusses der sozialen Herkunft auf die Bildungsbiografie von Schülerinnen und Schüler gelingen können. Im Vordergrund steht dann nicht die Gleichheit aller, sondern die Gleichwertigkeit unterschiedlicher Begabungen über das Bildungsminimum hinaus, mit dem Ziel, mehr Bildungsgerechtigkeit anzubahnen. Mit der Denkschrift „Gerechte Teilhabe“ stellt die Evangelische Kirche von Deutschland (EKD) die Frage nach Gerechtigkeit. Gerechte Teilhabe meint eine „umfassende Beteiligung aller an Bildung und Ausbildung sowie an den wirtschaftlichen, sozialen und solidarischen Prozessen der Gesellschaft“ (EKD 2008, S. 12). Und die EKD Denkschrift weist den Weg, indem darin das bundesdeutsche Bildungssystem hinterfragt wird, indem sowohl die Forderung aufgestellt wird, Kinder von bildungsfernen Schichten in besonderer Weise zu fördern, als auch, dass die „Kultur des drei- und mehrgliedrigen Schulsystems in Deutschland diskutiert“ werden müsse, mit dem Ziel, ein armutsverringerndes Bildungssystem zu entwickeln (vgl. EKD 2008, S. 66).

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Reformatorisch-protestantische Grundzüge der Bildung

Grundlegungen dazu finden sich u.a. in Comenius pädagogischer Utopie, die nachfolgend vorgestellt und gleichsam in Beziehung zu den sich später ausbildenden reformpädagogischen Positionen gestellt werden muss.

9.3

Comenius’ pädagogische Utopie als bildungspolitische Revolution

Das grundlegendste und weitreichendste utopische Gedankengut des tschechischen Theologen und Pansophisten Johann Amos Comenius gipfelte in der Idee einer globalen Weltordnung, die durch die Instanzen eines Weltfriedensgerichts (dicasterium pacis), einer Weltorganisation der Wissenschaften (collegium lucis) und einem Konzil aller Religionen (concilium oecumenicum) geschaffen werden soll (vgl. Seibt 1972). Ziel dieser politischen Utopie war der Weltstaat aller Menschen guten Willens. Dieses Ziel wollte Comenius durch die Ausbildung einer Pansophie, einer All-Weisheit, erreichen, „in der sich die Quintessenzen aller Wissenschaften und Künste, aller Philosophie und Theologie vereinen“ (Scheuerl & Schöer 1981, S. 163) und die Menschheit in eine andauernde Zeit des Friedens führen. In seiner, Jahrhunderte verschollenen und erst seit 1966 zugänglichen, Hauptschrift Allgemeine Beratung über die Verbesserung der menschlichen Dinge (Consultatio Catholica = CC, 1657–1670), die Comenius als Grundlagentext für die Arbeit seiner drei Weltkonzilien begriff, entfaltete der Reformer sieben universale Dimensionen der Pansophie. Der Pampaedia, der All-Erziehung, kam hierbei die zentrale Stelle im Werk zu. Ihre Leitformel lautet, dass „allen alles allseitig gelehrt werden solle“ (ut omnes omnia omnino doceantur) (CC 1966). In heutiger Lesart lassen sich Comenius´ Grundsätze eines protestantisch verorteten Bildungshandelns so lesen: „Omnes“ – alle Menschen, egal welcher Herkunft, sozialen Standes und Geschlechtes, ohne Unterschied bekommen die gleiche Förderung und haben den gleichen Anspruch auf Bildung. „Omnia“ – nicht die Anhäufung von Faktenwissen und „Vielwisserei“ steht im Vordergrund, vielmehr sollten wichtige Tatsachen und Ereignisse in lebensweltlichen Bezügen gelehrt und erklärt werden. „Omnino“ – alles „allseitig“ mit Blick aufs Wesentliche, ganzheitlich, von Grund auf und spontan lernen, sind wichtige didaktische Grundsätze. Der Mensch in seiner Ganzheitlichkeit aber auch Vielfalt und Individualität ist in seinen kognitiven Fähigkeiten und seinen vielfältigen Sinneswahrnehmungen und praktischen Fertigkeiten angesprochen. Comenius skizziert das christliche Menschenbild, wie es einem heutigen Bildungsverständnis in evangelischer Perspektive zugrunde gelegt ist. Dem

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Menschen ist durch die Imago Dei seine Einzigartigkeit a priori zugesprochen. Der Topos der Gottebenbildlichkeit weist zugleich auf die Unverfügbarkeit der Person hin. Bildung bildet den Menschen. Nach evangelischem Verständnis steht im Zentrum jeglicher Bildung das Individuum in der Vielfalt seiner Bezüge zu Gott, zu sich selbst, zu den Mitmenschen, zu den Mitkreaturen, zur Gesellschaft, zur Welt. Der Mensch ist Subjekt innerhalb eines und auch seines eigenen Bildungsprozesses. Ziel ist also die Selbstbildung und es gilt, ihn in seiner Subjektwerdung zu begleiten und die Entfaltung seiner Persönlichkeit zu unterstützen. Unvollkommenheit und Fehlbarkeit sind weitere konstitutive Merkmale des christlichen Menschenbildes. Die Lebenslinien eines jeden Menschen sind individuell und auch von Brüchen und von Scheitern gezeichnet. In der Unvollkommenheit kommt zum Ausdruck, dass es den idealen Menschen nicht geben kann. Menschsein geht nicht auf in alltäglichen Zweckzusammenhängen, sondern ist um Gottes und um seiner selbst willen begründet. Und darin liegt seine Würde begründet. Comenius forderte nach einer Allgemeinbildung, Selbstständigkeit und Chancengleichheit für alle und nach einer gewaltfreien, freundlichen Schule und Erziehung. Diese Vorstellungen sind bis heute gültig geblieben. Ebenso gültig geblieben sind seine Erziehungsziele, die Erziehung des Menschen zur Menschlichkeit und die dadurch entstehende Weltverbesserung. Comenius ist eine Art Bindeglied zwischen der Renaissance, der Reformation und der Aufklärung: einerseits in der theologischen Tradition stehend, anderseits die Vernunft eines jeden Menschen, die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit betonend.

9.3.1 Die Reformpädagogik als Ergebnis eines Transformationsprozesses

Die Reformpädagogik greift in vielfacherweise die theologisch-anthropologisch begründeten Leitlinien eines protestantisch begründeten Bildungsverständnisses auf. Und es verwundert nicht, wenn Ulf Preuss-Lausitz feststellt, „ohne die reformpädagogische Auffassung von den Persönlichkeitsrechten der Kinder, von ihrer Kreativität, der Ganzheitlichkeit der Lernbedürfnisse, der Vielfältigkeit der Entwicklungspotentiale und dem Bedürfnis nach sozialem Austausch von Geburt an kann es kein modernes Bildungsverständnis geben“ (1993, S. 20). Zentral für die reformpädagogischen Strömungen war, dass sie die Aufgabe der Erziehung auf eine bessere Zukunft hin ausgerichtet haben. Erziehung

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diente als Vorgriff auf eine bessere Welt. In diesem utopisch anmutenden Erziehungskontinuum trat Bildung als Aufgabe der Erwachsenen zurück, sie sollte „vom Kinde ausgehen“, so formulierte es Ellen Key in ihrem Buch „Das Jahrhundert des Kindes“ und „die erste Erziehung muss darauf hinzielen, die Individualität des Kindes zu stärken“ (Key 1992, S. 172). Eine didaktisch geleitete Interpretation dazu lässt sich in Maria Montessoris Konzept der Selbstbildung erkennen. Umsetzung dieses Postulats finden wir in der Erziehungskonzeption Maria Montessoris, in ihrem Konzept der Selbstbildung: „Meister seiner selbst zu sein“ (Montessori 1968, S. 23). lässt sich gleichsetzen mit dem Begriff Freiheit. Und Freiheit ist im Sinne Montessoris die Voraussetzung dafür, dass das Kind seiner eigenen individuellen Entwicklung innerhalb eines didaktisch gerahmten Entwicklungsfeldes nachgehen kann. Schnittstellen zu reformatorischen Grundzügen sind insbesondere mit Begriffen wie Selbstfindung, Selbstverwirklichung und lebenslanges Lernen erkennbar. Auch Célestin Freinet greift „vom Kinde ausgehen“ auf (vgl. Freinet 1980) und trägt in die Schule den Geist der Demokratie, indem er Klassenräte und Schulversammlungen einführt und schulisches Lernen als vom Lernenden selbstbestimmt versteht. Konsequent setzt der Daltonplan von Helen Parkhurst (vgl. Parkhurst 1922) das Postulat der Zeit „vom Kinde aus“ um. Weg vom Lehren und hin zum Lernen, besser zum Selbstlernen. Sie baut mit dem Daltonplan auf das kooperative gemeinsame Lernen, das einen Selbstbildungsprozess verfolgt und das bisherige Verständnis von Schule umkehrt und anstelle von didaktischen Lehrplanungen eine Didaktik der Aneignung stärkt. Die klassischen Reformpädagogiken (vgl. Göhlich 1997, S. 12) verstehen sich als Antwort auf überholte Pauk- und Dressuranstalten und stellten das Individuum in die Mitte aller pädagogisch-didaktischen Überlegungen des Bildungshandelns. Ob Montessori, Freinet, Reichwein, Neill, Lietz, Geheeb oder Wynecken, allen Reformer:innen gemeinsam ist der Wunsch, die inneren Kräfte des Kindes zu dessen natürlicher und individueller Entfaltung zu bringen. Gleichsam soll das Kind als autonom und Herr:in seines eigenen Bildungsprozesses werden. Diese Orientierung ist nicht neu. Auch Comenius in seiner „Großen Didaktik“, Rousseau in seiner Utopie „Émile oder Über die Erziehung“ oder auch Pestalozzi in „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt“, sind darüber im Einvernehmen, dass gelingende (Selbst-)Bildung einer Freiheit, also Selbstbestimmtheit des Individuums, bedarf.

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Übersicht reformpädagogischer Vertreter:innen Name Johann A. Comenius Jean-J. Rousseau

Johann H. Pestalozzi Friedrich Fröbel

Janusz Korczak

Maria Montessori

Célestin Freinet

Alexander S. Neill

Peter Petersen

Lebensdaten Reformpädagogische Impulse 1592 bis 1670 allgemeine Schulpflicht für Jungen und Mädchen; Lernen durch Handeln, Hauptwerk: Orbis sensularium pictus 1712 bis 1778 Betonung der Individualität im humanen Miteinander, Bedeutung von Erfahrungslernen und lebenspraktischer Lerninhalten, Hauptwerk: Emile oder über die Erziehung 1746 bis 1827 Forderung nach ganzheitlicher Volksbildung, demokratische Erziehung und Lernen mit „Kopf, Herz und Hand“ Hauptwerk: Wie Gertrud ihre Kinder lehrt 1782 bis 1852 Begründer des Kindergartens, stärkt die frühe Kindheit als Bildungsphase Hauptwerke: Die Menschenerziehung, Mutter- und Koselieder 1878 bis 1942 Verfasser des ersten Werkes über Kinderrechte, Kinder sollen an Entscheidungsprozessen in der Gesellschaft beteiligt werden („Kinderrepublik“); Hauptwerke: Das Recht des Kindes auf Achtung, Die Regeln des Lebens, Fröhliche Pädagogik sowie zahlreiche Kinderbücher 1870 bis 1952 Forderte pädagogische Einrichtungen für Kinder mit Behinderungen, Freiarbeit und offenen Unterricht, Lernen erfolgt selbstbestimmt und geht vom Kind aus. Hauptwerke: Die Selbsterziehung des Kindes, Über die Bildung des Menschen 1896 bis 1966 freie Persönlichkeitsentfaltung, kindliche Selbstverantwortung im Lernen, soziale Kooperation Hauptwerk: Pädagogische Werke 1883 bis 1973 Gründer der demokratischen Schule Summerhill (Großbritannien), Unterrichtsteilnahme ist keine Pflicht, Hauptwerke: Erziehung in Summerhill. Das Prinzip Summerhill 1894 bis 1952 Führte die akademische Ausbildung der Volksschullehrer ein und gründete mit der Jena-Plan-Schule eine wissenschaftliche Versuchsschule, Hauptwerke: Die Neueuropäische Erziehungsbewegung, Führungslehre des Unterrichts, der große Jena-Plan (3 Bände), allgemeine Erziehungswissenschaft (3 Bände)

Eigene Darstellung in Anlehnung an Eichelberger & Wilhelm (2016)

9.4

Allgemeinbildung als zeitgemäße Rezeption eines evangelischen Bildungsverständnisses

Wolfang Klafki greift Comenius´ Konzept des „omnes, omnia, omnino“ auf, schärft seinen Begriff der „Kategorialen Bildung“ hin zu Allgemeinbildung und gibt ihm eine politische Dimension. Er folgt Comenius insofern, als er die politische Utopie als Voraussetzung für Veränderungen ansieht und diese Veränderungen sich in einer Erziehungsutopie der Allgemeinbildung niederschlagen muss, sie dabei aufeinander bezogen sind. Bildung ist für Klafki jetzt Allgemeinbildung in einem dreifachen Sinn:

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1. Allgemein im Sinn: für alle Vor dem Hintergrund, dass Schule sozial hoch selektiv wirkt, d.h. Kinder bildungsferner Schichten oder Kinder mit nicht konventionellen Lebensläufen werden benachteiligt und Kinder bildungsnaher Schichten bevorteilt. – Das widerspricht dem Demokratiegebot unserer Gesellschaft. Klafki steht hier für eine Bildung mit gleicher Chancenverteilung ein. 2. Allgemein im Sinn: allseitig Klafki fordert die vielseitige Interessen- und Kompetenzentwicklung für den Unterricht ein, was zu einer Erweiterung des Lernbegriffes führt: – Lernen ist nicht mehr nur ergebnisorientiert; kognitives, soziales und emotionales Lernen sind eingeschlossen. – Lernen beschränkt sich nicht mehr ausschließlich auf den klassischen Bildungskanon. Unterricht greift sowohl vergangene und gegenwärtige Kultur auf und nimmt die zukünftige vorweg. 3. Allgemein im Sinn: durch das Allgemeine Klafki interpretiert zu Recht das „Omnino“ bei Comenius, das theozentrisch ausgerichtet war „und für das heutige Verständnis so nicht mehr uneingeschränkt akzeptiert wird, als die Auseinandersetzung mit „epochaltypischen Schlüsselproblemen unserer kulturellen, gesellschaftlichen, politischen, individuellen Existenz“ (Klafki 1995, S. 12). Das geschieht anhand der Friedensfrage, der Umweltfrage, der Frage nach gesellschaftlich produzierter Ungleichheit, der Frage nach der Interkulturalität, der Frage nach neuen Medien und der Frage nach der Ich-Du-Beziehung. Klafkis Bildungsverständnis reicht weiter, gerade deshalb, weil es Bildung über formale Bildungsvermittlung hinaus breiter deutet und wie er über die Bestimmung von Schlüsselproblemen eines „durch das Allgemeine“ begründeten Bildungshandeln zum Ausdruck bringt, als „geschichtlich vermitteltes Bewusstsein von zentralen Problemen der Gegenwart und – soweit vorhersehbar – der Zukunft zu gewinnen, Einsicht in die Mitverantwortlichkeit aller angesichts solcher Probleme und Bereitschaft, an ihrer Bewältigung mitzuwirken. Abkürzend kann man von der Konzen­ tration auf epochaltypische Schlüsselprobleme unserer Gegenwart und der vermutlichen Zukunft sprechen“ (Klafki 1996, S. 56).

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Es sind die Schlüsselprobleme, die nach Klafkis Verständnis nicht unbegrenzt erweiterbar sind und die alle in die Mitverantwortung nehmen und sie in ihrer Bereitschaft zur Bewältigung ansprechen sollen. Klafki beschränkt sich also nicht ausdrücklich auf eine Lebensphase und einen Bildungsort. Ein Blick auf die von Wolfgang Klafki kategorisierten fünf Schlüsselprobleme Frieden – Umwelt – gesellschaftliche Ungleichheit – Kommunikationsmedien – Ich-Du-Beziehung macht deutlich, weshalb eine zeitliche und örtliche Beschränkung der Aufarbeitung und Bewältigung nicht gelingen kann. Es sind Problemfelder, die ebenso außerhalb schulischer Lernstrukturen die Lebenslinien von Schülerinnen und Schülern, aber auch die von Erwachsenen kreuzen und deshalb nicht ausschließlich formaler Bildungshoheit zuschreibbar sind. Vielmehr lässt sich daraus ein Appell zu Gunsten einer Allgemeinbildung oder im Sinne von Thomas Rauschenbach einer Stärkung von Alltagsbildung oder non-formale und informelle Bildung herleiten.

9.4.1 Alltagsbildung als die andere Seite der Bildung

Diesem Deutungsszenario, das an dieser Stelle noch utopische Züge aufweist, stellen wir erhellend Thomas Rauschenbachs Alltagsbildung als Schlüsselproblembewältigung oder wie er es umschreibt: Alltagsbildung als bildungspolitische Revolution der Wissensgesellschaft zur Seite. Thomas Rauschenbach weist zu Recht darauf hin, dass im Bewusstsein angekommen ist, dass es jenseits der schulisch-formalen Bildung auch noch eine andere Seite der Bildung gibt (vgl. Otto & Rauschenbach 2008) und wie sie die programmatische Formel „Bildung ist mehr als Schule“ (BMFSFJ 2005, S. 49) auch bereits andeutet. Wenngleich also angedeutet ist, dass es neben der Schule noch andere bildungsrelevante Orte gibt, werden ihnen vernachlässigbare Eigenschaften beigemessen – etwa in dem Sinne von allem, was es so noch neben Schule gibt – womit nonformale und informelle Bildungsorte und Bildungsprozesse in ihrer Bedeutung für lebenslanges Lernen und eine für gelingende Bildungsbiografie des Einzelnen u.E. marginalisiert werden. Ein kritischer Blick auf die PISA-Studien verdeutlicht in diesem Zusammenhang zweierlei: 1. die Übermacht der Schule: Denn, obwohl nicht die Schule im internationalen Vergleich steht, sondern die 15-jährigen Schülerinnen und Schüler mit ihrem aktuellen Kompetenzstatus, werden die PISA-Studien selbstverständlich als Schulvergleichstest bezeichnet. 2. das System Schule stützt sich in seiner gegenwärtigen Verfasstheit stillschweigend auf ein Begleit- und Unterstützungssystem von dritter Seite: Familie, Kindergarten und Kindertagesstätten, außerschulische Akteure und Akteurinnen insbesondere aus dem Kreis der Sozialen Dienste.

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Gerade dieser außerschulische Bereich ist es, der zunehmend instabil und brüchig wird und die Folgen dieser Instabilität wirken unmittelbar in die Schule hinein. Funktionieren diese Bildungswelten vor und nach der Schule nicht mehr, kann sich die Schule nicht mehr auf ihre „Ko-Produzenten“ verlassen, ist die Funktionsfähigkeit der Schule in Frage gestellt. Und gerade das erleben wir seit etwa 12 Jahren. Vielleicht, so ist an dieser Stelle zu fragen, sind es nicht die schulischen Rahmenbedingungen und Strukturen, die die Bildungsungerechtigkeit und Chancenungleichheit und damit die ohnehin schon vorhandene Selektionsfunktion der Schule noch verstärken, sondern das brüchige Konstrukt der Alltagsbildung, das im Wesentlichen drei sich zueinander interdependent verhaltende Dimensionen aufweist: 1. Andere Bildungsorte für nonformales und informelles Lern- und Bildungssetting, z.B. Familie, Kindertagesstätten oder die offene Kinderund Jugendarbeit sind zu stärken. 2. Es sind andere Modalitäten des Kompetenzerwerbes aufzuspüren, die jenseits standardisierter Lehr-Lernprozesse stehen. Insbesondere Lernen durch Versuch und Irrtum, Erfahrungs- und Handlungslernen sind zu stärken. 3. Andere Bildungsinhalte, die außerhalb schulischer Curricula stehen und zusätzlich zu den „Soft-Skill“-Themen wie Verantwortungsbereitschaft, Teamfähigkeit, Selbstständigkeit etc. das Kompetenzprofil des Einzelnen um Kenntnisse und Fähigkeiten erweitern, die nicht schulisch vermittelt werden und mitunter sehr individuell und speziell sind, z.B. den verantwortlichen Umgang mit Nutztieren (Landwirtschaft), Übernahme von Haushaltsarbeiten (Kochen, Einkaufen), aktiven Artenschutz durch Gewässerhege (Fischen), Wetterkunde und besondere Fähigkeiten in den Mannschaftssportarten wie Fußball, Basketball und Handball, müssen erschlossen und eingeübt werden. Es geht, um auf ein evangelisches Bildungsverständnis zurückzukommen, darum, a) mehr Bildungsgerechtigkeit zu gewährleisten, also jedem die Chance zu eröffnen, sich zu bilden, indem jeder zu jeder Zeit Zugang zu Bildungsangeboten erhält auch außerhalb der Schulbiografie; b) mehr und alternative Bildungsinhalte als gleichwertig zu formalen Bildungsangeboten anzuerkennen; c) mehr individualisiertes Lernen anzubieten und die zweite Chance garantiert wird, die Lernen und das Sich-Bilden jenseits des ersten formalen Bildungsganges konsensfähig und gleichwertig gegenüber den klassischen Bildungsabschlüssen machen. In einer neuen Verhältnisbestimmung von formaler Bildung und Alltagsbildung, zwischen Schule und außerschulischen Bildungsorten, zwischen schulischen und lebensweltlich orientierten Inhalten und eines partizipa-

Reformatorisch-protestantische Grundzüge der Bildung

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tiven und ausgewogenen Miteinanders sieht Rauschenbach eine (zweite) bildungspolitische Revolution der Wissensgesellschaft begründet. Alltagsbildung wird dabei selbst zum Schlüsselproblem der Zukunft, weil sich aufgrund mangelnder Standardisierung soziale Ungleichheiten leichter reproduzieren lassen und soziale Differenz dadurch erzeugt werden würde. Kinder lernen je nach sozialem Background wie selbstverständlich Dinge, wie sie in ihrem Alltag vorkommen und anderen Kindern bleiben diese lebensweltlichen Bildungsimpulse verwehrt, weil sie in ihrer Lebenswirklichkeit nicht vorkommen. Greifen hier öffentliche non-formale und informelle Bildungsangebote, ist die mögliche Gefahr wachsender sozialer Diskrepanz, die durch die Alltagsbildung ihre Verstärkung erfahren würde, gebannt.

9.4.2 Resümee

Als Konsequenzen daraus leiten sich neue Legitimationspfade für lebenslanges Lernen, Ganztagesbildung und frühkindliche Förderung ab, die jenseits eines ökonomisch-utilitaristischen Anspruchsdenkens begründet sind und der Spur eines christlich begründeten Bildungsverständnisses vor dem Hintergrund des christlichen Menschenbildes folgen. In diesem Zusammenhang ist das Einstehen für Bildungsgerechtigkeit als das Wesen diakonischer Kirche zu sehen. Die Aufgabe einer diakonischen Kirche bestünde nach Comenius darin, sich für einen gerechten Zugang zu einer guten Bildung und Ausbildung einzusetzen, um so zu mehr Teilhabegerechtigkeit innerhalb der Gesellschaft beizutragen. Teilhabegerechtigkeit in dieser Weise vermindere das Armutsrisiko – Nichtteilhabe an gesellschaftlichen und ökonomischen Ressourcen fördere dagegen das Armutsrisiko. Ein derartiges kirchliches Engagement gründet auf dem Selbstverständnis der Gleichwertigkeit jedes Einzelnen gegenüber seinen Mitmenschen, wie es dem christlichen Verständnis des Menschseins zugrunde liegt, und widerspricht dem gesellschaftlichen und bildungspolitischen Denken von „Gleichsein“. Denn es geht nicht darum, dass jeder die gleiche Chance, die gleiche Bildung angeboten bekommt. Vielmehr müssen die individuelle Begabung, die Vielfalt und Verschiedenartigkeit bei gleichzeitiger Unverfügbarkeit der Person berücksichtigt und durch entsprechende Bildungsangebote angesprochen werden (vgl. EKD 2003, S. 28ff). Das evangelische Bildungsverständnis folgt konzeptionell dem Prinzip „Bildung als Lebensbegleitung“ (EKD 2003, S. 62) und bringt damit einerseits ein umfassendes Verständnis von Bildungshandeln zum Ausdruck, das – über ein Bildungsminimum hinaus und entgegen materialistischutilitaristischer Zweckdefinitionen – die Einzigartigkeit und damit die Vielfalt menschlicher Existenz und deren Lebenslinien bejaht und gleichzeitig ein an den Lebenslagen des Einzelnen orientiertes Bildungshandeln anstrebt.

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Reflexionsaufgaben zu den einzelnen Kapiteln

Kapitel 1

1. Wie lässt sich das Proprium des Religionsunterrichts benennen? 2. Welche Aufgaben und Ziele verfolgt der Religionsunterricht an öffentlichen und privaten Schulen? 3. Skizzieren Sie Ihr Verständnis von Bildung in Bezug auf die Aufgaben religiöser Bildung als Teil der Allgemeinbildung.

Kapitel 2

1. Wie lässt sich die Rolle der Religionslehrperson in Abgrenzung zu den Lehrkräften anderer Unterrichtsfächer beschreiben? 2. Diskutieren Sie an einem Beispiel aus Ihrer schulischen Praxis die Alleinstellungsmerkmale von Religionslehrpersonen.

Kapitel 3

1. Vergleichen Sie den Lehrplan aus 1994 mit den Bildungsplänen von 2004/2016 und stellen Sie die Unterschiede in Aufbau, Zielsetzung und Spielräumen in der Umsetzung heraus. 2. Definieren Sie den Begriff „Prozesskompetenz“, „inhaltsbezogene Kompetenz“.

Kapitel 4

1. Wählen Sie eine Dimension (inhaltliche Kompetenz) aus dem Bildungsplan Evangelische Religion und formulieren Sie an einem selbst gewählten inhaltlichen Beispiel Kompetenzen, Niveaukonkretisierungen, theologische Zuordnungen und theologische Zielvorgaben. 2. Erarbeiten Sie sich innerhalb einer Unterrichtseinheit eine Einstiegsstunde und eine Schlussstunde.

Kapitel 5

1. Erarbeiten Sie sich eine Unterrichtseinheit in der Grundschule. 2. Erarbeiten Sie sich die thematisch vergleichbare Unterrichtseinheit in der Sekundarstufe I innerhalb eines selbst gewählten Schultyps.

Kapitel 6

1. Wählen Sie ein publiziertes Unterrichtsbeispiel und erstellen Sie dazu eine didaktische Analyse und eine kritische Rezension. 2. Beschreiben Sie das Beziehungsverhältnis von Didaktik und Methodik des Religionsunterrichts (zur Methodik siehe Teil II).

Reflexionsaufgaben zu den einzelnen Kapiteln

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Kapitel 7

1. Recherchieren Sie verschiedene Definitionen von Kompetenzen innerhalb der aktuellen Diskussion und stellen Sie Ihre Ergebnisse in Beziehung zu den im Bildungsplan Evangelische Religion angeführten Kompetenzen. 2. Definieren Sie den Begriff „religiöse Kompetenz“.

Kapitel 8

1. Welche Schlussfolgerungen können Sie aus einer entwicklungspsychologischen Betrachtung der zu unterrichtenden Klasse für Ihre Unterrichtsvorbereitung ziehen? 2. Heben Sie den Unterschied zwischen der Elementarisierung und einer didaktischen Analyse nach KLAVKI hervor.

Kapitel 9

1. Wie lässt sich an zentralen Begriffen ein evangelisches Bildungsverständnis zusammenfassend beschreiben? 2. An welchen Stellen korrespondieren COMENIUS‘ mit seinem Konzept „omnes, omnia, omnino“ mit dem von KLAVKIs „kategorialer Bildung“ miteinander? 3. Welche Schlussfolgerungen fordert das Verständnis der Alltagsbildung bei OTTO & RAUSCHENBACH für Lehrpersonen und im Bildungsbereich Tätige ein?

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Religionspädagogische Schlüsselbegriffe

Allgemeinbildung

Wolfgang Klafki greift das Konzept des omnes, omnia, omnio von Jan Amos Comenius auf und gibt diesem eine politische Bedeutung. Im Sinne einer kritisch-konstruktivistischen Wissenschaft schärft er seinen Begriff der Bildung zu dem der Allgemeinbildung. Bildung ist für Klafki Allgemeinbildung in dreifacher Hinsicht: 1. Allgemein im Sinn: für alle Bildung mit gleicher Chancenverteilung – Gebot unserer demokratischen Gesellschaft. Klafki reagiert auf die Situation der 70er Jahre, wonach die Schule sozial selektiv wirkt und u.a. Kinder bildungsferner Schichten benachteiligt, und erlangt mit dieser Forderung seit PISA wiederholt Aktualität. 2. Allgemein im Sinn: allseitig Klafki fordert eine vielseitige Interessen- und Kompetenzentwicklung. Der Lernbegriff erfährt dadurch bei Klafki eine Erweiterung: – kognitives, soziales und emotionales Lernen ist nicht mehr nur ergebnisund produktorientiert, sondern auch prozessorientiert zu sehen, – die Begrenzung auf einen klassischen Bildungskanon wird aufgehoben und um moderne, an der Aktualität der Zeit und dem Interesse der Kinder und Jugendlichen orientierte Themenvielfalt, ergänzt. 3. Allgemein im Sinn: durch das Allgemeine Klafki versteht didaktisch unter dem Allgemeinen „epochaltypische Schlüsselprobleme unserer kulturellen, gesellschaftlichen, politischen, individuellen Existenz“, die anhand der Friedensfrage, der Umweltfrage, der Frage nach gesellschaftlich produzierter Ungleichheit, der Frage nach der Interkulturalität, der Frage nach neuen Medien und der Frage nach der Ich-DuBeziehung im Unterricht behandelt werden.

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Allgemeinbildung im Sinne kritisch-konstruktiver Didaktik (nach Klafki) Fähigkeit zur Selbstbestimmung

Fähigkeit zur Mitbestimmung

Fähigkeit zur Solidarität

Beziehung

Die Bedeutung der Lehrer-Schüler-Beziehung für die Schulleistungen wird divers diskutiert. Während etwa die Hattie-Studie (Reinhardt 2013; Börner 2013; Hattie 2009) die Lernleistung als Funktion der Einstellung des Kindes zu betrachtet, geben Eltern und Schüler/Schülerinnen an, die Beziehung zwischen Lehrperson und Lernenden sei entscheidend für den schulischen Erfolg (vgl. S. 141). Untersuchungen von Moore & Schaub aus 2013 bestätigen den positiven Einfluss eines emotional positiv gestalteten Lehrer-Schüler-Verhältnisses auf den Schulerfolg des Lernenden. Eine pädagogische Beziehung zeichnet sich dadurch aus, dass die individuellen Wünsche und Interessen des Lernenden dahin gehend genutzt und gefördert werden, mehr Freude am Lernen zu gewinnen und damit den Lernerfolg wesentlich zu verbessern. Kurt Singer hat noch einen weiteren und sehr wichtigen Aspekt zur LehrerSchüler-Beziehung eingebracht – die Achtsamkeit. Mit Lernenden in achtsamer Beziehung sein – und mit sich selbst. Unter diesem Titel führt Singer für eine gelingende Lehrer-Schüler-Beziehung in der unterrichtlichen Praxis 21 Aspekte an, die als zentrale Botschaft die Wechselwirkung von Lehrerethos und förderlicher Beziehung zum Lernenden vorne anstellen. So appelliert Kurt Singer an Lehrende, sie sollen für Anerkennung bei den Lernenden sorgen, eine angstfreie Lernatmosphäre sicherstellen aber auch für Entschleunigung in Lernprozessen sorgen oder sich gar eine Selbstverpflichtung auferlegen, in der sie versprechen, sich für die körperliche und seelische Unversehrtheit jedes Kindes und Jugendlichen einzusetzen. Folgt man Singers Ausführungen weiter, so wird deutlich, eine gelingende Beziehung gründet auf einem ständigen Sich-Fragen: bin ich authentisch, handle ich so, wie ich es möchte, gehe ich mit mir als Lehrer/Lehrerin sorgsam um, bin ich in jeder Situation Fürsprecher/Fürsprecherin der Belange der Lernenden und habe ich stets die erforderlichen fachlichen Kompetenzen, um meinen Unterricht schüler- aber auch sachgerecht planen und durchführen zu können (prof-kurt-singer.de).

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Bildung

Religionspädagogische Schlüsselbegriffe

Bildung ist mehr als die Vermittlung von Kulturtechniken und schulisch aufbereitetem Faktenwissen. Bildung ist mehr und dieses Mehr wird besonders dann deutlich, wenn Bildung in einer Perspektive betrachtet wird, wie das Härle in seinen Ausführungen zu einem Bildungsverständnis in evangelischer Perspektive anschaulich grundlegt (vgl. Rausch 2010, S. 74–104) und wie es von weiteren Autoren mit unterschiedlichen Zugängen entfaltet und konkretisiert wird. Demnach ist unter Bildung in christlich-reformatorischen Bezügen ein über die schulische Allgemeinbildung hinausreichender Anspruch zu begründen und geht über das von Wolfgang Klafki vertretene Verständnis einer Allgemeinbildung hinaus (vgl. Klafki 1993, S. 54), indem es über einen Gegenwartsbezug hinaus Bildung als einen Prozess versteht, der „Bildung in einem ethischen und religiösen Horizont durch Schlüsselthemen zu fassen sucht und Schülern Lebenskompetenz vermittelt“. Friedrich Schweitzer folgend, hat Bildung das Ziel, die „Lernenden auf die Zukunft und auf deren Herausforderungen“ (Schweitzer 1999, S. 123) vorzubereiten (vgl. mit Bezug auf Schweitzer auch Schwendemann 2013). Als Herausforderungen für die Zukunft lassen sich hier explizit die Themenfelder Leben in der Demokratie, Frieden und die Erneuerung von Werten anführen. Als Schlüsselthemen lassen sich hierunter u.a. Demokratie als Lebensform, ökologische Verantwortung in der Industriegesellschaft, Dialog mit Menschen anderer Religionen und eine gerechte Verteilung der Güter in der einen Welt subsumieren (vgl. Schweitzer 1999, S. 125). Peter Biehl weist in diesem Zusammenhang auf die Verdrängung des Bildungsbegriffs in schulischen Kontexten hin. An die Stelle eines Bildungsbegriffs traten in der Vergangenheit andere Leitbegriffe wie Erziehung, Lernen, Sozialisation, Wissenschaftsorientierung oder Identität (vgl. Biehl & Nipkow 2005, S. 9). Infolgedessen wurde Lernen instrumentalisiert, was sich auf „die Ziele und Inhalte sowie die Verlaufsformen religiöser Lernprozesse nachteilig auswirkte“ (Biehl & Nipkow 2005, S. 9). Wer sich jedoch eines erweiterten Verständnisses von Bildung bedient, hat das Subjekt vor Augen und stellt den Menschen in den Mittelpunkt eines Entwicklungsprozesses und nicht Lerninhalte und deren erfolgreiche Rezeption. Wenn man sich auf ein solches Bildungsverständnis beruft, bezieht man Position und wird mit Karl Ernst Nipkow „zum Anwalt für die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen als individuelle und selbstständige Personen, die in Freiheit und Selbstverantwortung ihren Weg finden sollen“ (Nipkow 1990, S. 20). Entsprechend muss Bildungshandeln darauf ausgerichtet sein, die Einzelnen dazu zu befähigen, ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes und der nachwachsenden Generation gegenüber verantwortbares Leben gestalten zu können. Dazu ist es erforderlich, dass „unser Wissen und Können gleichursprünglich

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mit einer Ethik intersubjektiver Kreativität verbunden wird“ (Biehl & Nipkow 2005, S. 21). Eine solche Ethik begründet sich aus einem verantwortlichen pädagogischen Handeln, das ein Leben in Freiheit ermöglichen will und sich um dessen Vorbedingungen mitverantwortlich weiß. Einem solchen Verständnis folgt die Bereitschaft, die gesellschaft­lichen Bedingungen so zu ändern, dass eine Realisierung von Freiheit möglich ist (vgl. Biehl & Nipkow 2005, S. 23).

Bildungsstandard

Bildungsstandards sind Vorgaben, die definieren, welche fachlichen, personalen, sozialen und methodischen Kompetenzen die Lernenden bis zum Ende einer bestimmten Klassenstufe erreicht haben müssen. Sie werden überwiegend für jeweils zwei Jahrgangsstufen ausgewiesen. Bildungsstandards sind durch die Kultusministerkonferenz (KMK) bundesweit einheitlich festgelegt worden.

Didaktik

Didaktik = die Kunst des Lehrens und Lernens bzw. deren Theorie, so eine kurz gefasste Definition von Didaktik. Es lassen sich grundsätzlich drei Modelle der heutigen Allgemeinen Didaktik benennen. Wolfgang Klafki (u.a. 1963, 1991) etwa vertritt die Auffassung, dass Bildung nur als Allgemeinbildung gedacht werden kann, und unterscheidet zwischen formalen und materialen Aspekten – Selbstbestimmung und Solidarität sowie Schlüssel­pro­blemen der Gegenwart und der Zukunft. Wenngleich der Versuch, elementare und kategoriale Bildungsinhalte zu benennen und diese zu vermitteln, sehr bedeutsam und die Frage nach Schlüsselproblemen didaktisch sinnvoll ist, findet die Schülerperspektive kaum oder gar keine Berücksichtigung. Die Per­ spektive der Lehrenden vertritt hier nicht zwingend die Neugierde der Kinder und Jugendlichen. Die Berliner Schule mit Paul Heimann, Gunther Otto und Wolfgang Schulz (Heimann; Otto & Schulz 1965) haben die Kritik an Klafkis Modell aufgegriffen und eine lehr-lerntheoretische Didaktik formuliert. Neben den Fragen nach dem Bildungswert von Schlüssel­problemen wenden sie sich Fachdidaktischen Überlegungen zu, wie Unterricht gestaltet sein muss. Eine Herausforderung hier ist sicher der Umstand, dass die Lernenden Unterrichten anders wahrnehmen als Lehrende (vgl. Meyer & Jensen 2000). Unterricht, so die Forderung von Hilbert Meyer oder Herbert Gudjons, braucht Handlungsorientierung. Entsprechend vertreten Meyer, Gudjons oder auch Bastian eine handlungsorientierte Didaktik, die ihren Niederschlag im Projekt­unterricht findet. Handlungsorientiert lernen heißt mit Kopf, Herz und Hand zu lernen (vgl. Meyer 1987). John Dewey hat eine über die oben genannten didaktischen Modelle hinausreichende These formuliert „He [the student] must learn by experience“.

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Lernende müssen ihre eigenen Erfahrungen mit dem Lerngegenstand machen können. Entsprechend ist es wichtig, die Lernumwelt zu gestalten. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass Lehrende Lernprozesse gestalten können, Bildungsprozesse jedoch sind in der Hand der lernenden Subjekte.

Enkulturation

Das Erlernen der kulturellen Lebensweise ist als ein basaler Prozess zum Erwerb charakteristischer Lebensformen zu verstehen, die den Menschen vom Tier unterscheidet. Zentral ist dabei der Spracherwerb. Enkulturation meint aber mehr. Es ist einerseits der grundlegende Prozess der gesellschaftlichen Emanzipation und das Erlernen der für die jeweilige Gesellschaft charakteristischen kulturellen Lebensformen. Sie gewährleistet den Fortbestand der Kultur in der Generationenfolge. Andererseits steht eine gelungene Enkulturation auch für kulturelle Produktivität und Kreativität und reicht folglich über das bloße Bewahren tradierter kultureller Rekonstruktionen hinaus. Enkulturation ist folglich Teil gesellschaftlicher Wandlungsprozesse und bedingt die Neuschaffung kultureller Gebilde (vgl. Raithel; Dollinger & Hörmann 2009, S. 59).

Kompetenzen

Seit den Bildungsplänen 2004 werden in Baden-Württemberg anstelle der Unterrichtsinhalte die Kompetenzen ausgewiesen, die Kinder und Jugend­liche erwerben sollen. So steht nicht länger im Vordergrund, was der Lehrende unterrichtet, sondern was der Lernende lernt. Der Kompetenzbegriff des Bildungsplans 2016 umfasst prozess- und inhaltsbezogene Kompetenzen. Franz E. Weinert (2001) hat in einem Gutachten für die OECD verschiedene Definitionsmöglichkeiten aufgezeigt. Weinert folgend, sind Kompetenzen „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, S. 27f). Individuelle Kompetenz umfasst also netzartig zueinander stehend und wirkende Aspekte wie Wissen und Können, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Erfahrung, Verstehen oder auch Motivation. Kompetenz wird als Disposition verstanden, die eine Person befähigt, konkrete Anforderungssituationen eines bestimmten Typs zu bewältigen (vgl. Klieme et al. 2003, S. 72f). Kompetenz äußert sich in der Performanz, also einer tatsächlich erbrachten Leistung. Diese Auffassung von Kompetenz spiegelt sich u.a. in der PISA-Studie als auch den in den letzten Jahren entwickelten KMK-Bildungsstandards wider.

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Lernen

In einem weiter gefassten Verständnis ist Lernen der Erwerb neuer und/ oder die Änderung bestehender Verhaltensweisen als Folge von Erfahrung und Übung. Dabei darf das veränderte Verhalten nicht zufällig zustande kommen und muss, den Augenblick überdauernd, relativ stabil sein. Lernen selbst ist ein Prozess, der nicht beobachtbar ist. Beobachtbar sind die Ursachen, die diesen Prozess ausgelöst haben und die neue bzw. geänderte Verhaltensweise als Ergebnis des Lernvorganges.

Menschenbild

Die Frage nach dem Menschenbild wird an dieser Stelle in einem christlichen Verständnis erörtert. Dabei sind zwei Überlegungen leitend: Erstens lässt sich, mit Wilfried Härle gesprochen, eine Bestimmung dessen, was mit christlichem Menschenbild gemeint ist, nicht allein biblisch begründen, sondern bedarf auch einer bildungstheoretischen Reflexion (vgl. Härle 2005, S. 75). Die biblische Botschaft ist im Kontext lebensweltlicher Bezüge zu reflektieren, und erst dadurch lassen sich Grundlinien eines christlichen Verständnisses des Menschen nachzeichnen (vgl. Härle 2005, S. 75). Zweitens weist der Terminus „christliches Verständnis“ darauf hin, dass keine Festlegung auf ein bestimmtes Menschenbild erfolgen kann. Mit Manfred Pirner folgt diese Einsicht zentralen Aspekten eines christlichen Verständnisses vom Menschen, wonach der Mensch mehr ist als von ihm wahrgenommen und über ihn gesagt werden kann, er seine Würde und Zukunft von Gott her bekommt und der Überzeugung folgt, wonach jeder Mensch „als von Gott geliebtes und herausgehobenes Geschöpf (Ebenbild Gottes) einen nicht einholbaren Mehrwert [Herv. i. Org.]“ (Pirner 2008, S. 92) hat. Die Anthropologie (anthropos, griechisch: der Mensch) beschäftigt sich dagegen mit der organischen und psychischen Eigenart des Menschen und seiner besonderen Stellung in Natur und Geschichte. Lange Zeit herrschte die Auffassung, dass der Mensch sich prinzipiell vom Tier unterscheide, d.h. eine Art „höheres Wesen“ sei, dessen Eigenschaften und Wirken man in der Geschichte als übernatürlich zu erklären versuchte. Erst Darwin relativierte Mitte des 19. Jahrhunderts diese Vorstellung über die Erkenntnis, dass ihn mit dem Tier eine gemeinsame biologische Basis verbindet.

Niveaustufen

Die Niveaustufen weisen unterschiedliche Grade der Durchdringung im Hinblick auf eine Kompetenz aus. Dies kann sich in der Quantität oder Komplexität zu vermittelnder Unterrichtsinhalte, Fertigkeiten oder Fähigkeiten ausdrücken. In den Niveaukonkretisierungen sollen das jeweilige Niveau

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Religionspädagogische Schlüsselbegriffe

und die Durchdringungstiefe eines Bildungsstandards bei der Behandlung im Unterricht verdeutlicht werden.

Sozialisation

Sozialisation umschreibt all jene Prozesse, die ein Individuum zu einem gesellschaftsfähigen Mitglied einer Gemeinschaft werden lassen. Das Individuum steht in einer Wechselbeziehung zu seiner jeweiligen Lebenswelt. Einerseits meint Sozialisation also die Vergesellschaftung des Menschen im Sinne einer Übernahme und Internalisierung soziokultureller Werte und Verhaltensweisen, andererseits ist dadurch auch die individuelle Auseinandersetzung des Individuums mit den Angeboten und den Einwirkungen seiner Gesellschaft gemeint.

Unterricht

Unterricht ist das Ergebnis von Unterrichten. Die Lernenden nehmen Unterricht anders wahr als Lehrende. Unterrichten ist ein komplexer Vorgang. Lehrkräfte müssen insbesondere drei Anforderungsbereiche in ihrer Unterrichtsplanung berücksichtigen: Kognitive Aktivierung und motivationale Aktivierung sprechen die individuellen Lernprozesse der Lernenden an, die Steuerung der Interaktion wird durch ein Klassenmanagement bedient. Was Unterricht meint, dazu existieren eine Fülle von Definitionen (vgl. Wiater 1997, S. 85). Unterricht ist hinsichtlich seiner Abläufe und Strukturen einerseits situativ, andererseits komplex, individuell und offen. Werner Wiater folgend, ist „Unterricht [ist] ein Interaktionsgeschehen, bei dem Kinder und Jugendliche (Schülerinnen, Schüler) unter Anleitung professioneller Erwachsener (Lehrerinnen, Lehrer) in einem planmäßig initiierten und unterstützten Lernprozess in eigens dazu errichteten Institutionen (Schulen) zum Zwecke ihrer Sozialisation, Qualifikation und Personalisation ausgewählte Inhalte der Kultur aufnehmen und weiterentwickeln.“ (Wiater 1997, S. 86). Hilbert Meyer hat zehn Merkmale guten Unterrichts benannt. Weiterhin lässt sich Unterricht entlang von Unterrichtsmethoden und Unterrichtsprinzipien definieren. Es folgen Unterrichtsplanung (z.B. Klafkis Perspektivmodell, Berliner Modell als Metadidaktisches Modell zur Verlaufsplanung) und Unterrichtstheorien (Herbart oder Montessori). Prozesse des Lehrens und Lernens sind Kern von Unterricht. Unterricht vollzieht sich in einem Beziehungsgeflecht, dem didaktischen Dreieck, zwischen Lehrperson, Lernenden und Lerngegenstand. Der Begriff „Unterricht“ wird in der Didaktik vielfältig beschrieben, definiert und umschrieben. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie den Charakter und die Zielsetzung von Unterricht benennen.

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Mit Schröder zielt Unterricht darauf ab, die „individuelle Entfaltung und soziale Einordnung des Schülers durch Lehren und Lernen zu fördern“ (2002, S. 75). Unterricht wird dabei als eine geplante Veranstaltung, meist im Rahmen von Schule, verstanden, deren Aufgabe es ist, Schülern fachliche und soziale Kompetenzen zu vermitteln (vgl. auch Wiechmann 2006, S. 21)

Unterrichtsphasen (Stufen der Artikulation)

Die Unterrichtsphasen bilden den methodischen Grundrhythmus des Unterrichts ab. Die einzelnen Stufen bzw. Phasen des Unterrichts verdeutlichen den organisatorischen Verlauf des geplanten Unterrichts. Die Phasen des Unterrichts werden mit den Schüler-Lehrer-Interaktionen wie auch den Unterrichtsmethoden verknüpft und geben so einem geplanten Unterrichtsverlauf Struktur. Die Grundfigur der Unterrichtsphase ist ein Dreischritt, wie ihn das Staatliche Studienseminar Simmern (2011) unten aufgeführt. 1. Hinführung, Einstieg, Einstimmung, Motivation – Quelle und Motor für die Stunde – wiederholend, anknüpfend – anschaulich – (re)aktivierend – problematisierend – betroffen machend – gefühls- und erlebnisweckend, einstimmend – vorbereitend, mit der Sache konfrontierend – zielgerichtet, informierend – vorbereitend – motivierend Diese Phase soll das Thema erschließen, indem sie den Schüler:innen das Stundenziel und den Weg dorthin transparent macht. Gestaltungsmöglichkeiten: – etwas vorspielen – Hausaufgaben besprechen (verhindert jedoch oft einen Interesse weckenden Einstieg) – Vorwissen/Schülererfahrungen abfragen – eine provokante These aufstellen – über den Stundenverlauf informieren – visueller Einstieg (Bild, Dia, Karikatur) – auditiver Einstieg (Tonträger, vorgetragener Text, Lied) – audio-visueller Einstieg (Film[ausschnitt]) – Mitbringen von Gegenständen

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Religionspädagogische Schlüsselbegriffe

– Versuch (im naturwissenschaftlichen Unterricht) – Aufstellen einer These/Behauptung – Unterrichtsgespräch über ein zur Stunde hinführendes Thema usw. 2. Neudurchnahme, Erarbeitung, Durchführung – erarbeitend, durchdringend – informierend – planend, Weg(e) der Bearbeitung strukturierend – durchführend – Anschauungsformen und Handlungsebenen variierend – rhythmisierend – Arbeits- und Lösungshilfen anbietend – differenzierend – kooperierend, Aktions- und Sozialformen variierend – Medieneinsatz (Tafelbild) bedenkend Einzelergebnisse vortragend und systematisierend Diese Phase dient dem Erwerb von Kompetenzen, bringt das Lernen voran. Gestaltungsmöglichkeiten: – Schülerexperimente – etwas in Kleingruppen/Plenum diskutieren oder erarbeiten – Fragen schriftlich beantworten – einen Text lesen – Diagramm/Tabelle auswerten – etwas herstellen – Vortrag des Lehrenden – einen Filmausschnitt nach vorgegebenen Fragestellungen auswerten usw. 3. Verarbeitung, Anwendung, Übung, Transfer, Ausklang – wiederholend, festigend – zum Eingangsproblem zurückführend („Erlebniswirklichkeit“) – Arbeits- und Übungsanforderungen variierend – Kontrolle des Lernzuwachses (Rückmeldungen) ermöglichend – individualisierend, differenzierend – vertiefend, zusammenfassend, systematisierend, generalisierend, – transferierend – Planung der nächsten Schritte (Hausaufgaben) vorbereitend – entspannend Phase, in welcher der Lernzuwachs erkennbar und überprüfbar wird, indem man Schülern und Schülerinnen in geeigneter Weise die Gelegenheit gibt,

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die neu erworbenen Kompetenzen zu präsentieren und über ihren Lernweg zu reflektieren.

Grafik (Schwendemann, Rausch, Ziegler 2019)

Gestaltungsmöglichkeiten: – Arbeitsergebnisse präsentieren/zusammenführen (moderierte Präsentation) – Hausaufgaben stellen – Ergebnisse diskutieren, hinterfragen, verbinden – einen Basistext formulieren, der die entscheidenden Informationen enthält – erarbeitete Inhalte in ein strukturiertes Tafelbild übertragen – Erarbeitetes vormachen – Reflexion der Stunde – Ausblick auf die nächste Stunde usw.

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Religionspädagogische Schlüsselbegriffe

Übung Vom Bildungsplan zum fertigen Unterrichtsentwurf: Beispiel St. Martin/Conradschule 1. Lesen Sie das Ihnen zugeteilte Themenfeld und erstellen Sie dazu ein Mindmap. Notieren Sie alle Ideen, die Ihnen spontan zu dem Themenfeld einfallen. Arbeiten Sie mit Verben – das macht Ihnen später die Formulierung der Ziele einfacher (z.B. zum Thema St. Martin nicht schrei­ben „Laterne“, sondern „Laternen basteln“). (10 Minuten) 2. Ordnen Sie Ihr Themenfeld einer oder mehreren Dimensionen zu. Erweitern Sie Ihr Mindmap mit Ideen, die durch diesen Schritt entstehen. (15 Minuten) 3. Erstellen Sie einen stichwortartigen Stoffverteilungsplan. Wie viele Stunden setzen Sie für die gesamte Einheit an? Was ist das grobe Ziel jeder einzelnen Stunde? Sortieren Sie Stichworte des Mindmaps und ordnen Sie inhaltliche Stichworte einzelnen Stunden zu. (20 Minuten) 4. Nun beginnen Sie mit der Vorbereitung der ersten Stunde. Werfen Sie einen Blick in die von Ihnen gewählten Dimensionen und notieren Sie, welche Kompetenzen Sie in der ersten Stunde der Einheit fördern möchten. (5 Minuten) 5. Formulieren Sie ein Stundenziel. Was sollen die Lernenden am Ende der Stunde gelernt haben? Nennen Sie außerdem Dinge, die Ihnen zeigen, dass die Lernenden das Lernziel erreicht haben. (10 Minuten) 6. Bringen Sie nun Ihre inhaltlich-methodischen Ideen aus dem Mindmap, die Sie der ersten Stunde zugeordnet haben, in eine sinnvolle, dem Stundenziel förderliche Reihenfolge. Evtl. müssen Sie Elemente streichen oder neue Ideen hinzufügen. (15 Minuten) 7. Erstellen Sie eine Tabelle, in der Sie ausgewählten Kompetenzen, die Sie unterrichtlich fördern möchten, geeignete methodische Angebote gegenüberstellen. Achten Sie darauf, dass Sie die ausgewählten Kompetenzen während des gedachten Unterrichtsverlaufs durchgängig ansprechen und fördern und dabei eine angemessene methodische Vielfalt zur Anwendung bringen. 8. Füllen Sie das Raster zur Unterrichtsvorbereitung aus.

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Anhänge zur Dokumentation im Schulpraktikum

Die folgenden Fragen und Reflexionsaufgaben dienen zur persönlichen Dokumentation und Reflexion des Schulpraktikums. Es handelt sich hierbei NICHT um die Anforderungen für die Lehrprobe. Die genauen Inhalte/Fragen für die Lehrprobe finden Sie in Kapitel 8.

12.1 Anhang A Soziokulturelle, biografische und anthropogene Lernvoraussetzungen und -bedingungen Informationen über Schule Die Praktikanten und Praktikantinnen, Referendare und Referendarinnen und die Studierenden sollen sich in diesem Schritt ein umfassendes Bild über Schultyp, Schullage, Schulsituation usw. verschaffen. 1. Was für eine Schule (Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gemeinschaftsschule, Gesamtschule, Förderschule, Berufsschule, Gymnasium usw.) wird besucht? Größe der Schule/Lernendenzahlen/Klassenzahlen/Klassenstärke/Verteilung der Geschlechter? 2. Ort und soziale Vernetzung der Schule; Besonderheiten des Stadtteils o.ä. (Informationen gibt es auf Rathäusern und Kommunalverwaltungen usw.) 3. Zusammensetzung des Kollegiums/Art der Schulleitung? 4. Organisationsgrad (Klassen, Stundeneinteilung, Arbeitsgemeinschaften, Projekte, Partnerschaften, planmäßige und außerplanmäßige Aktivitäten)? 5. Welche Personen unterrichten/begleiten/betreuen die Lernenden? 6. Was hebt die Schulleitung an der Schule Besonderes hervor? Wird diese Information von anderen korrigiert? 7. Situation des Religionsunterrichtes an der Schule? Wer unterrichtet? Zusammenarbeit mit örtlicher Kirchengemeinde? 8. Zusammenarbeit der Schule mit anderen Institutionen, Vereinen, Bürgervereinigungen? 9. Soziales Umfeld der Schule 10. Sich mit Funktionsträgern und -trägerinnen der Schule (Schulleitung, Sekretariat, Hausmeister/in, usw.) bekannt machen.

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Anhänge zur Dokumentation im Schulpraktikum

12.2 Anhang B Informationen zur Klasse 1. Wie groß ist die Klasse? Wie ist die Genderzusammensetzung? Kinder/ Jugendliche/junge Erwachsene mit Flucht- und Migrationsgeschichte? 2. Religiöse und kulturelle Zusammensetzung der Klasse? 3. Sind Kinder behindert oder in irgendeiner anderen Art gehandicapt? 4. Lernsituation der Klasse/Lerntempo/Integrationsgrad/Kommunikationskultur/soziales Verhalten 5. Eigene Beobachtungen und Gespräche mit Klassenlehrer:in/Mentor:in über die Klasse 6. Klassenfahrten, Exkursionen, Gottesdienste, Projekte usw. wenn möglich miterleben, mitgestalten. 7. Raumeinteilung/Sitzordnung/Lernecken/Ausstattung 8. Lernmittel (für das Fach Evangelische Religion) 9. Elternarbeit/Kontakte mit Eltern

12.3 Anhang C Besonderheiten der Klasse 1. Freiarbeit/Lerntechniken 2. Wer unterrichtet in der Klasse? 3. Informationen zum familiären Hintergrund der Lernenden (Vorsicht: Informationen oft einseitig oder gefärbt) 4. Vorlieben/Abneigungen der Lernenden 5. Musik: Was für Musik und wie hören die Lernenden Musik? 6. Andere Sozialisationsfaktoren (Sport o.ä.) und von den Kindern genutzte Medien (Bücher, Handy, Comics, Bravo usw.)? 7. Treffpunkte der Kinder/Jugendlichen/jungen Erwachsenen in den Pausen und außerhalb der Schule? 8. Ausflüge 9. Besondere soziale Konstellationen 10. Anlage eines persönlichen Klassentagebuches

Anhänge zur Dokumentation im Schulpraktikum

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12.4 Anhang D Entwicklungspsychologische Erhebung 1. Sitzposition im Klassenzimmer beachten (an der Seite, gegenüber, von vorne usw.) Wer wird beobachtet? Lehrende/r oder Lernende/r? Aufgabe: Reflektieren Sie Ihre eigenen Wahrnehmungskriterien unter der Frage: Was beobachte ich selbst? 2. Beobachtung eines Individuums in bestimmten Unterrichtsphasen oder Zeiteinheiten. 3. Beobachtung einer unmittelbaren Gruppe (Vordersitzende/r, Ne­ben­ sitzende/r, Hintersitzende/r usw.) 4. Beobachtung motorischer Aktionen – Grobmotorische Aktionen: Sitzen, Bewegungen, Aufstehen, Sitzpositionen, Veränderungen, Vorlehnen, Zurücklehnen, Herumfummeln an sich oder anderen, Materialveränderungen, Spielen an Gegenständen, an sich selbst, an Kleidung – Feinmotorische Aktionen: Spielen, Umblättern, Zappeln – Nebenunterrichtliche Aktionen: a) Interaktionen/Kontaktaufnahmen; b) Einzelaktionen – Mimik und Gestik: Fratzenschneiden, Gähnen, Stöhnen, Lachen, Kichern, Weinen, Schreien, Schlafen – auffallende tickartige Bewegungen und Stereotypien 5. Wahrnehmung verbaler Aktionen – undifferenzierte Laute wie Stöhnen, Ächzen, Zischen, Laute, Zwischenrufe – Aktionen auf andere; Nebenunterricht mit Anlass; Nebenunterricht aus atmosphärischen Gründen – Nebenunterricht situativ; chronisch; spontane Einfälle – Reaktion des/der Lehrenden auf den Nebenunterricht: Verändert sich ein Verhaltensmuster? – Was sind die Lernkanäle der Lernenden? – Verbale Aktionen wie Gespräche/Kommunikation 6. Nähe und Distanz – Nähe und Distanzverhalten der Lehrenden beobachten: zu den Lernenden; räumliche Veränderungen; Körperberührung; tatsächliches Körperverhalten; Körpersprache der Lehrenden – Körpersprache der Lernenden – Lob und Tadel der Lehrenden in Bezug auf die Klasse – Lob und Tadel der Lernenden in Bezug auf den Lehrenden – Lob und Tadel der Lernenden untereinander

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Anhänge zur Dokumentation im Schulpraktikum

5 I. Beobachtung motorischer Aktionen Grobmotorische Aktionen: Sitzen Bewegungen Aufstehen Sitzpositionen Veränderungen Vorlehnen Zurücklehnen Herumfummeln an sich oder anderen, Materialveränderung Spielen an Gegenständen, an sich selbst, an Kleidung Feinmotorische Aktionen: Spielen Umblättern, Zappeln Nebenunterrichtliche Aktionen: a) Interaktionen/Kontaktaufnahmen b) Einzelaktionen Mimik und Gestik: Fratzenschneiden Gähnen Stöhnen Lachen, Kichern Weinen Schreien Schlafen auffallende tickartige Bewegungen und Stereotypien II. Wahrnehmung verbaler Aktionen undifferenzierte Laute wie Stöhnen, Ächzen, Zischen, Laute Zwischenrufe Aktionen auf andere; Nebenunterricht mit Anlass; Nebenunterricht aus atmosphärischen Gründen Nebenunterricht situativ; chronisch; spontane Einfälle

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Anhänge zur Dokumentation im Schulpraktikum

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Reaktion des/der Lehrenden auf den Nebenunterricht: Verändert sich ein Verhaltensmuster? Was sind die Lernkanäle der Lernenden? Verbale Aktionen wie Gespräche/Kommunikation

III. Nähe und Distanz Nähe und Distanzverhalten der Lehrenden beobachten: zu den Lernenden; räumliche Veränderungen; Körperberührung; tatsächliches Körperverhalten; Körpersprache der Lehrenden Körpersprache der Lernenden Lob und Tadel der Lehrenden in Bezug auf die Klasse Lob und Tadel der Lernenden in Bezug auf die Lehrenden Lob und Tadel der Lernenden untereinander

12.5 Anhang E Arbeitsblatt Reflexion des eigenen Religionsunterrichts Einstiegsfragen 1. Was hat mir an meiner Schulzeit gut gefallen, was weniger, was überhaupt nicht? 2. Was fällt mir zum eigenen, erlebten Religionsunterricht in der Schule ein? 3. Was möchte ich aus meiner eigenen schulischen Erfahrung an Gutem übernehmen? 4. Meine Visionen/Utopien/Träume von gutem Religionsunterricht: 5. Gibt es Dinge/Methoden/Aktionen/Inhalte usw., die ich völlig ablehne? 6. Was möchte ich im Schulpraktikum lernen und wo benötige ich Unterstützung usw.? 7. Was möchte ich im Schulpraktikum nicht lernen? 8. Finde ich den Gedanken, später vielleicht einmal Religionslehrer/Religionslehrerin zu sein, erschreckend? Wenn ja, warum? 9. Fallen mir pädagogische Vorbilder ein? 10. Was wäre für mich eine humane Schule?

202

Anhänge zur Dokumentation im Schulpraktikum

12.6 Reflexionsprotokoll zur gehaltenen Unterrichtsstunde Heute fand ich meinen Unterricht: Sehr gut, weil ....................................................................................................... ............................................................................................................................... Gut, weil .............................................................................................................. ............................................................................................................................... Zufrieden stellend, weil ...................................................................................... ............................................................................................................................... Nicht ausreichend, weil ...................................................................................... ............................................................................................................................... Welche theologischen und religionspädagogischen und sachlichen Probleme habe ich noch nicht bedacht? Was muss ich verbessern, korrigieren, neu planen? Welche Medien muss ich näher untersuchen? Stimmen die Sozialformen im Unterrichtsgeschehen? Welche Lernenden forderten mich besonders und warum? Was habe ich von den Lernenden gelernt?

12.7 Anhang F – Beispiel Stundenziele

Lernende kennen die Bedeutung von Freundschaften für sich und andere Menschen: Lernende kennen eine Freundschaftsgeschichte aus der Bibel und können die darin beschriebene Freundschaft nachempfinden. Geeignet ist dieser Entwurf für die Klassen 4–6.

Dimensionen der Unterrichtsstunde Dimension Mensch – inhaltliche Kompetenz Lernende kennen eine Geschichte über Freundschaft; Lernende können die Bedeutung, die Freundschaft für sie hat, reflektieren, ausdrücken und begründen; Lernende können über eigene und fremde freundschaftliche Beziehungen sprechen und Merkmale dieser Freundschaften benennen; Lernende nehmen sich und andere sowie verschiedene Vorstellungen und Wünsche wahr und arbeiten allein sowie zusammen mit anderen.

Anhänge zur Dokumentation im Schulpraktikum

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Dimension Bibel – inhaltliche Kompetenz Lernende kennen ausgewählte biblische Texte zum Thema Freundschaft; Lernende können biblische Geschichten als Beispiele für eine freundschaftliche, solidarische Beziehung zwischen Menschen nennen; Lernende können Merkmale freundschaftlicher Beziehungen aus der Bibel auf ihre eigenen Freundschaften übertragen. Dimension Welt und Verantwortung – inhaltliche Kompetenz Lernende wissen um ihre eigene Bedeutung gegenüber Personen ihres Freundeskreises.

Unterrichtshilfen Sokratischer Eid für Lehrende (Hartmut von Hentig) „So will ich’s mit jung und alt halten … So nämlich befiehlt es der Gott … Ob ihr mich freisprecht oder nicht, ich werde nicht anders handeln – und müsste ich noch so oft den Tod über mich ergehen lassen“( aus der „Apologie des Sokrates“). Als Lehrer/in und Erzieher/in verpflichte ich mich – die Eigenheit eines jeden Kindes zu achten und gegen jedermann zu verteidigen; – für seine körperliche und seelische Unversehrtheit einzustehen; – auf seine Regungen zu achten, ihm zuzuhören, es ernst zu nehmen; – zu allem, was ich seiner Person antue, seine Zustimmung zu suchen, wie ich es bei einem Erwachsenen täte; – das Gesetz seiner Entwicklung, soweit es erkennbar ist, zum Guten auszulegen und dem Kind zu ermöglichen, dieses Gesetz anzunehmen; – seine Anlagen herauszufordern und fördern; – seine Schwächen zu schützen, ihm bei der Überwindung von Angst und Schuld, Bosheit und Lüge, Zweifel und Misstrauen, Wehleidigkeit und Selbstsucht beizustehen, wo es das braucht; – seinen Willen nicht zu brechen – auch nicht, wo er unsinnig erscheint; ihm vielmehr dabei zu helfen, seinen Willen in die Herrschaft seiner Vernunft zu nehmen; – es also den mündigen Verstandesgebrauch zu lehren und die Kunst der Verständigung und des Verstehens; – es bereit zu machen, Verantwortung in der Gemeinschaft zu übernehmen; – es auf die Welt einzulassen, wie sie ist, ohne es der Welt zu unterwerfen, wie sie ist;

204

Anhänge zur Dokumentation im Schulpraktikum

– es erfahren zu lassen, was und wie das gemeinte gute Leben ist; – ihm eine Vision von der besseren Welt zu geben und Zuversicht, dass sie erreichbar ist; – es Wahrhaftigkeit zu lehren, nicht Wahrheit, denn „die ist bei Gott allein“. Damit verpflichte ich mich, – so gut ich kann, selber vorzuleben, wie man mit den Schwierigkeiten, den Anfechtungen und Chancen unserer Welt und mit den eigenen immer begrenzten Gaben, mit der eigenen immer gegebenen Schuld zurechtkommt; – nach meinen Kräften dafür zu sorgen, dass die kommende Generation eine Welt vorfindet, in der es sich zu leben lohnt und in der die ererbten Lasten und Schwierigkeiten nicht deren Ideen, Hoffnungen und Kräfte erdrücken. – meine Überzeugungen und Taten öffentlich zu begründen, mich der Kritik – insbesondere der Betroffenen und Sachkundigen – auszusetzen, meine Urteile gewissenhaft zu prüfen; – mich dann jedoch allen Personen und Verhältnissen zu widersetzen – dem Druck der öffentlichen Meinung, dem Verbandsinteresse, dem Beamtenstatus, der Dienstvorschrift –, wenn sie meine hier bekundeten Vorsätze behindern. – Ich bekräftige diese Verpflichtung durch die Bereitschaft, mich jederzeit an den in ihr enthaltenen Maßstäben messen zu lassen.“2

2 Hartmut von Hentig, zit. nach „Der neue Eid“, in: Die ZEIT Nr. 39, 19.9.1991. © beim Autor, ausführlich in: Ders. Die Schule neu denken, Weinheim 1993, S. 244ff.

Teil 2 Methoden

Hinführung Seine „Didactica Magna“ leitete Jan Amos Comenius mit der Forderung ein: „Erstes und letztes Ziel unserer Didaktik soll es sein, die Unterrichtsweise aufzuspüren und zu erkunden, bei welcher die Lehrer weniger zu lehren brauchen, die Schüler dennoch mehr lernen; in den Schulen weniger Lärm, Überdruss und unnütze Mühe herrsche, dafür mehr Freiheit, Vergnügen und wahrhafter Fortschritt; in der Christenheit weniger Finsternis, Verwirrung und Streit, dafür mehr Licht, Ordnung, Friede und Ruhe“ (comenius-stiftung. de). Jan Amos Comenius verdeutlichte damit, in heutigen Bezügen gelesen, zwei zentrale Aussagen zum Bereich der Methoden: Erstens sind Unterrichtsziele und -inhalte nur unter Gebrauch der richtigen Methoden zu erreichen und zu lehren – Unterrichtsmethoden sind integrales Element der Unterrichtsdidaktik. Zweitens entlasten Methoden das Lehrer:in-Schüler:in-Verhältnis insofern, als Lehrende weniger lehren müssen und Lernende als Subjekte ihres eigenen Lernprozesses sich mehr selbst erarbeiten und damit besser lernen können. Wir sprechen hier von einer höheren Effektivität und besseren Effizienz des schulischen Unterrichts. Die Herausforderung für den Religionsunterricht – und darin ist auch die Hauptintention dieses zweiten Teils der „Einführung“ mit begründet – ist es, Religion in ihrer Vielfalt sowie Religiosität und Glauben in ihrer jeweiligen Bezugnahme auf die lernenden Individuen zum Gegenstand unterrichtlicher Betrachtungen und Lernerfahrungen werden zu lassen. Nach dem Verständnis der Autorinnen und Autoren dieses Buches sind deswegen grundsätzlich ganzheitliche Methoden zu favorisieren, die die Studierenden und Praktikerinnen und Praktiker im besten Fall selbst erfahren durften. Das Dilemma des Religionsunterrichts ist darin begründet, dass sich Fragen zum christlichen Glauben einer unterrichtlichen Planung zunächst entziehen, aber natürlich mitbedacht werden müssen. Der intrinsische Anteil (verstanden als Glauben) entzieht sich jeglicher Planung und Beurteilung. Der extrinsische Anteil, der sich auf Kognitionen, Kompetenzen und Praxis bezieht, steht jedoch im Fokus unserer Didaktik. Hier muss die Lehrperson präzise und professionell arbeiten, um dem kompetenzorientierten Unterricht gerecht zu werden (vgl. Klieme 2003,  S.  68; Büttner; Dieterich & Roose 2015, S. 35ff). Die Reflexion der Methoden im Sinn einer Balance des didaktischen Siebenecks (siehe Teil 1: Didaktische Grundlagen) ist für jeden

208

Hinführung

Religionsunterricht elementar. Gleichzeitig ist auch zu beachten, dass eine hohe Methodenkompetenz keine Garantie dafür sein kann, dass Lernende einen bestmöglichen religiösen Lernprozess durchschreiten und auch ihren Glauben oder auch Nicht-Glauben reflektieren lernen. Der Religionsunterricht ist jener Ort schulischer Bildung, der Lernenden ermöglicht, sich als Zweifelnde und nach Antworten auf zentrale Fragen des Lebens und zur eigenen Person Suchende zu erleben und personale Bildung zu erwerben. Lernende sind als Subjekte im (Religions-)Unterricht wahrzunehmen und in ihren individuellen Bedürfnissen und Suchbewegungen bestmöglich anzusprechen. Nur so kann gelingen, was Comenius den Lehrenden mit auf den Weg gibt und den Lernenden als Versprechen in Aussicht stellt: sich selbst so weit als möglich zurückzunehmen und Lernprozesse nach individuellem Anspruch gedeihen zu lassen und schüler:inbezogene Ressourcen bestmöglich zur Entfaltung zu bringen. Nur so werden Lehrende den religionspädagogisch-didaktischen Erkenntnissen gerecht, Lernende als Subjekte ihrer eigenen Lebens- und Sinnentwürfe verstehen zu lernen und religiöse Lernprozesse als individuellen Aneignungsprozess des Weltverstehens und der Lebensbewältigung zuzulassen. Unterrichtliche Methoden im Religionsunterricht müssen geeignet sein, vielfältige Erfahrungen und Formen gelebten und überlieferten Glaubens sowie Glaubenserfahrungen den Lernenden zugänglich zu machen und eigene Erfahrungen im Umgang mit Religion, Glauben und Gemeinschaft zu ermöglichen. Jene Formen der Begleitung werden in diesem Teil vorgestellt, die nicht ausschließlich auf kognitive Modelle setzen, sondern die eine grundlegende religiöse Sozialisation intendieren, denn diese ist es, die den Religionsunterricht unter den sich verändernden Rahmenbedingungen erfolgreich werden lässt. Sowohl performative als auch traditionelle, entlang einer konstruktivistischen Didaktik gereifte und im Einzelfall neu interpretierte, Methoden stehen im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen.

1

Kommunikation in der Schule

Eine gute Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden muss sinnreich und für die Beteiligten bedeutsam sein. Sie zielt darauf, das Gegenüber weiterzubringen und dessen Gedanken anzuregen. Das gilt durchaus wechselweise! Eine solche Kommunikation ist eine hohe Kunst und muss geübt werden – niemandem, auch erfahrenen Lehrpersonen nicht, gelingt jede Kommunikation perfekt. Gute Kommunikation kann jedoch angestrebt werden. Die folgenden Tipps sollen dazu dienen, die eigene LehrendenLernenden-Kommunikation zu verbessern und zu reflektieren. Gelingende unterrichtliche Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden und der Lernenden untereinander ist wesentliche Voraussetzung für einen guten Unterricht; Kommunikation ist einfach beschrieben als Übermittlung einer Nachricht eines Senders zu einem Empfänger. Der Empfangende muss die Nachricht decodieren, d.h. entschlüsseln. Wenn das gelingt, kommt Kommunikation an ihr Ziel. Misslingt Kommunikation, dann ist die Nachricht selbst der Grund oder die Art und Weise, wie die Nachricht übermittelt und unter welchen Bedingungen sie gesendet bzw. empfangen wurde. Unterrichtliche Kommunikation kann gelingen oder scheitern, wofür es viele Ursachen gibt; zudem ist menschliche Kommunikation von Stimme, Emotion, Gestik u.a. begleitet, was alles vom Empfangenden entschlüsselt werden muss. Dazu kommen persönliche Filter, Erfahrungen, Gefühle und Werte, die das Entschlüsseln von Nachrichten erschweren oder erleichtern können (vgl. Stangl 2019). Kommunikative Störungen im Unterricht sind

210

Kommunikation in der Schule

tatsächlich Quelle von alltäglichen Konflikten, die nur gemeinsam von Lehrenden und Lernenden gelöst werden können. Grundvoraussetzung für gelingende unterrichtliche Kommunikation ist ein partnerschaftlicher Umgang miteinander, der beide Seiten befähigt, gemeinsame Gesprächsregeln zu entwickeln und auch zu vereinbaren, was die Arbeitszufriedenheit auf beiden Seiten unterstützt und die Lernenden motiviert, weil sie sich von den Lehrenden ernstgenommen und anerkannt fühlen. Gemeinsam entwickelte Kommunikationsregeln dienen dem achtsamen Umgang miteinander und unterstützen gelingende soziale Beziehungen in der jeweiligen Lerngruppe. Hilfreich sind Kommunikationsmodelle zum Beispiel aus der Themenzentrierten Interaktion nach Ruth C. Cohn oder auch das Kommunikationsmodell nach Schulz von Thun (weitere Tipps findet man bei Werner Stangl (2019). Folgende Grafik erläutert recht gut das sogenannte Kommunikationsquadrat nach Friedemann Schulz von Thun:

Grafik: Schulz von Thun

Das Schulz von Thun-Institut hat dazu folgende Erklärung veröffentlicht: „Das Kommunikationsquadrat ist das bekannteste Modell von Schulz von Thun und inzwischen auch über die Grenzen Deutschlands hinaus verbreitet. Bekannt geworden ist dieses Modell auch als ‚Vier-Ohren-Modell‘ oder ‚Nachrichtenquadrat‘. Wenn ich als Mensch etwas von mir gebe, bin ich auf vierfache Weise wirksam. Jede meiner Äußerungen enthält, ob ich will oder nicht, vier Botschaften gleichzeitig: – eine Sachinformation (worüber ich informiere) – blau – eine Selbstkundgabe (was ich von mir zu erkennen gebe) – grün, – einen Beziehungshinweis (was ich von dir halte und wie ich zu dir stehe) – gelb, – einen Appell (was ich bei dir erreichen möchte) – rot.“ Ausgehend von dieser Erkenntnis hat Schulz von Thun 1981 die vier Seiten einer Äußerung als Quadrat dargestellt. Die Äußerung entstammt dabei den vier Schnäbeln des Senders und trifft auf die „vier Ohren“ des Empfängers.

Kommunikation in der Schule 211

Sowohl Sender als auch Empfänger sind für die Qualität der Kommunikation verantwortlich, wobei die unmissverständliche Kommunikation der Idealfall ist und nicht die Regel.

Die vier Ebenen der Kommunikation

Auf der Sachebene des Gesprächs steht die Sachinformation im Vordergrund, hier geht es um Daten, Fakten und Sachverhalte. Dabei gelten drei Kriterien: – Wahr oder unwahr (zutreffend/nicht zutreffend)? – Relevant oder irrelevant (sind die aufgeführten Sachverhalte für das anstehende Thema von Belang/nicht von Belang)? – Hinlänglich oder unzureichend (sind die angeführten Sachhinweise für das Thema ausreichend, oder muss vieles andere zusätzlich bedacht werden)? Die Herausforderung für den Sender besteht auf der Sachebene darin, die Sachverhalte klar und verständlich auszudrücken. Der Empfänger kann auf dem Sachohr entsprechend der drei Kriterien reagieren. Für die Selbstkundgabe gilt: Wenn jemand etwas von sich gibt, gibt er auch etwas von sich. Jede Äußerung enthält gewollt oder unfreiwillig eine Kostprobe der Persönlichkeit – der Gefühle, Werte, Eigenarten und Bedürfnisse. Dies kann explizit („Ich-Botschaft“) oder implizit geschehen. Während der Sender mit dem Selbstkundgabe-Schnabel implizit oder explizit, bewusst oder unbewusst, Informationen über sich preisgibt, nimmt der Empfänger diese mit dem Selbstkundgabe-Ohr auf: Was ist das für einer? Wie ist er gestimmt? Was ist mit ihm? usw. Auf der Beziehungsseite gebe ich zu erkennen, wie ich zum Anderen stehe und was ich von ihm halte. Diese Beziehungshinweise werden durch Formulierung, Tonfall, Mimik und Gestik vermittelt. Der Sender transportiert diese Hinweise implizit oder explizit. Der Empfänger fühlt sich durch die auf dem Beziehungsohr eingehenden Informationen wertgeschätzt oder abgelehnt, missachtet oder geachtet, respektiert oder gedemütigt. Die Einflussnahme auf den Empfänger geschieht auf der Appellseite. Wenn jemand das Wort ergreift, möchte er in aller Regel etwas erreichen. Er äußert Wünsche, Appelle, Ratschläge oder Handlungsanweisungen. Die Appelle werden offen oder verdeckt gesandt. Mit dem Appell-Ohr fragt sich der Empfänger: „Was soll ich jetzt (nicht) machen, denken oder fühlen?“ © Schulz von Thun Institut, 2017. www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-kommunikationsquadrat

212

1.1

Kommunikation in der Schule

Unterrichtsgespräche

Die W-Frage/n

– W-Fragen (Wer, Was, Warum …) fragen nach kognitivem Wissen. Wenn das Unterrichtsmaterial die Abfrage kognitiven Wissens ist, dann sind W-Fragen angebracht! Z.B. auch bei Wissensspielen. – W-Fragen können Lernende hemmen, da die Lernenden mit ihnen die Angst, zu versagen/das Falsche zu sagen, verbinden. – W-Fragen begrenzen den Antworten-Radius und die Fantasie der Lernenden auf das „Richtige“.

Aufträge statt W-Fragen

Wenn man mit den Lernenden in ein Gespräch kommen, ihre Fantasie anregen, und ihre Gedanken erfahren möchte, dann fordere man sie auf, zu beschreiben, zu erklären usw., anstatt einengende Fragen zu stellen. Zum Beispiel: – Bitte beschreibe mir … – Erkläre mir … – Versetze dich in die Lage von … – Ihr dürft … einmal beraten. Ich bin gespannt, was euch einfällt. – Auch Satzanfänge, die in die Mitte gelegt werden, regen die Fantasie der Lernenden an und können in ein Gespräch führen. Z.B.: Ich bin traurig, wenn … Es gilt, den Auftrag motivierend und spannend zu machen, indem man interessant um die Aufgabe „herumredet“. Zum Beispiel: „Das ist ja schon ein ganz schön interessantes Ding, das da in der Mitte liegt. Schaut es euch mal ganz genau an. Macht Entdeckungen und erzählt den anderen davon.“

Ja/Nein-Fragen

– Fragen, die lediglich mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können, bringen kein Gespräch in Gang! – Ja-Nein-Fragen dürfen nur gestellt werden, wenn beide Antworten in Ordnung sind. Lernende haben ein sehr gutes Gespür dafür, wenn die Lehrperson eine bestimmte Antwort erwartet, und reagieren oft aus Trotz mit der unerwünschten Antwort. – Zumeist kann die Ja-Nein-Frage weggelassen und daraus ein schöner Arbeitsauftrag formuliert werden. Z.B. anstatt zu fragen „Könnt ihr mir den Gegenstand beschreiben?“ (Antwort: Ja oder Nein) besser: „Beschreibt mir den Gegenstand!“

Kommunikation in der Schule 213

Verschiedene Gesprächsdimensionen

– Äußere Dimension: Kinder und Jugendliche erzählen vom Urlaub, von ihren Erlebnissen, von Geschenken, … das Gespräch ist fröhlich-interessant: In diesem Fall geht es vor allem darum, dass alle Kinder und Jugendliche das Erzählte verstehen, niemand zu lange erzählt und die Redezeit möglichst gerecht verteilt wird. Notwendig sind Nachfragen und Interesse an dem, was die Kinder und Jugendliche erzählen – die Lehrperson soll einzelne Kinder und Jugendliche aber nicht zu lange erzählen lassen. Die ruhigeren Lernenden sollen ebenfalls zum Erzählen motiviert werden. – Innere Dimension: Lernende erzählen von Gefühlen, von schweren Dingen, die sie erlebt haben; sie vertrauen Ihnen und der Klasse etwas aus ihrem Innersten an. Solche Äußerungen bedürfen besonderer Wertschätzung. Signalisieren Sie Verständnis, spiegeln Sie die Gefühle, fragen Sie nach und: Schützen Sie das Kind und den Jugendlichen vor möglichen verbalen Übergriffen anderer!

Rede-Regeln

Eine einzige, einfache Regel – und doch so schwer umzusetzen: „Es spricht immer nur einer. Alle hören zu.“ Bestehen Sie konsequent auf der Einhaltung dieser Regel. Ein Gespräch lebt vom Zuhören und vom Sich-Einbringen. Achten Sie aber auch darauf, dass das Gespräch nicht zu lang wird. Nehmen Sie nonverbale Signale für Langeweile wahr (herumkramen, kippeln, Nebengespräche) und führen Sie das Gespräch zu einem Ende. Des Weiteren zu beachten ist die Regel: „Niemand wird für das, was er tut oder sagt, ausgelacht!“

Sonstige Tipps

– Für den Aufbau einer Beziehung Lehrperson-Lernende sind biografische Erzählungen hilfreich. Achten Sie auf den Schutz der Intimsphäre und schweifen Sie nicht vom Unterrichtsthema ab. – Melden sich zu viele Lernende, beenden Sie das Gespräch, spätestens wenn Unruhe entsteht. Während der sich anschließenden Arbeitsphase können Sie die Lernenden individuell an ihrem Arbeitsplatz ansprechen und zu Wort kommen lassen. – Lernende, die etwas Unpassendes erzählen, freundlich darauf hinweisen und unterbrechen. – Eine klare deutliche Aussprache und eine den Lernenden angepasste Sprache fördern das Gesprächs- und Klassenklima.

214

1.2

Kommunikation in der Schule

Einzelgespräche und Lob

– Sprechen Sie mit einzelnen Lernenden bei Einzelarbeiten (Förderung der Beziehungsebene). – Loben Sie gezielt – der/die Lernende soll wissen, was er/sie genau gut gemacht hat. Loben Sie nur, wenn es etwas zu loben gibt. Motivieren Sie Kinder und Jugendlichen, Dinge besser/schöner zu machen. Aber Vorsicht: Auch Leistungsschwache haben das Recht auf ein Lob für Dinge, die für sie eine gute Leistung sind. – Sprechen Sie eine den Lernenden angemessene Sprache!

1.3

Nonverbale Kommunikation

Egal, was Sie tun – Sie kommunizieren mit ihren Lernenden. Nutzen Sie diese Tatsache bewusst! – Schenken Sie Ihren Lernenden ein aufmunterndes/motivierendes Lächeln und/oder verteilen Sie disziplinierende Blicke. – Bewegen Sie sich bewusst durch den Raum. – Sprechen Sie durch Gesten. – Zeigen Sie durch Ihre Körperhaltung, dass Sie die Lehrperson sind. – Achten Sie darauf, dass sich Ihre verbalen und nonverbalen Botschaften nicht widersprechen. Es irritiert die Lernenden beispielsweise, wenn Sie verbal Ruhe einfordern/schimpfen, nonverbal aber große Unsicherheit ausstrahlen.

1.4

Anregungen zu Gesprächsmethoden in der Grundschule

– Redestock/-symbol: Ein Symbol, das deutlich macht: „Nur wer dieses Symbol in der Hand hat, darf sprechen!“ ist für Lernende häufig hilfreich, um sich an die Rederegeln zu erinnern und diese zu trainieren. Des Weiteren hat ein Redesymbol, das durch die Runde gegeben wird, den Vorteil, dass jede/r einmal die Möglichkeit und das Recht hat zu sprechen, ohne sich melden zu müssen. – Gespräche über das Medium „Handpuppe“: Handpuppen können als „Eisbrecher:in“ dienen und für ein positives Gesprächsklima sorgen. Es gibt Lernende (in der Grundschule), die leichter mit einer Handpuppe in Kontakt treten als mit einem erwachsenen Menschen. – Gespräche mit Personen aus einer Geschichte (Verkleidung): Eine Verkleidung hat ähnliche Effekte wie eine Handpuppe. Lernende werden

Kommunikation in der Schule 215

zum Gespräch angeregt, und die Phantasie der Lernenden wird gefördert. Oft fällt es leichter, ein Gespräch aus einer Rolle heraus mit den Schülerinnen und Schülern zu führen, als auf die Metaebene zu gehen und zu sagen „Stell dir vor, du bist …“ – Feedback: Gegenseitiges Feedback und eine gute (gegenseitige) Feedbackkultur fördern sowohl die Beziehungsebene als auch die Classroommanagementebene. Eine Grundkompetenz von Lehrenden ist das sog. Classroommanagement, d.h., den Unterricht mehr oder weniger störungsfrei zu gestalten. Dazu gehören didaktische, kommunikative, ästhetische Kompetenzen, um Störungsquellen zu identifizieren und die richtige Methode auszuwählen, mit der Störung angemessen umzugehen. Alle in der Lerngruppe müssen beschäftigt sein, gleichzeitig muss die Lehrperson sich aber auch auf einzelne Lernende konzentrieren können. Eine Kompetenz dabei ist auch die Wahrnehmungsfähigkeit des Lehrenden, mehrperspektivisch Konflikte wahrzunehmen und anzugehen. Dazu gehören dann aber auch anthropogene und soziogene Kenntnisse über die Lernenden und ihre Milieus oder Kenntnisse der Peer-Gruppierungen in der Gesamtlerngruppe. Zum Classroommanagement gehören aber auch Klarheit und Strukturiertheit der Lehrperson und die klare Anordnung der Inhalte sowie die Befähigung, über differenzierte Lernschritte den Kompetenzaufbau bei den Lernenden zu befördern. Alfred Holzbrecher von der Pädagogischen Hochschule Freiburg hat einen sehr guten und anschaulichen Reader über die verschiedenen Dimensionen des Classroommanagements ins Internet gestellt: https://www.ph-freiburg. de. – Des Weiteren wirkt sich Classroommanagement positiv auf die sozialen und personalen Kompetenzen der Lernenden aus.

2

Erzählen im Religionsunterricht

Erzählen ist eine der wichtigsten, wenn nicht sogar die wichtigste Methode im Religionsunterricht. Gut erzählte Geschichten faszinieren Kinder, aber auch Jugendliche und Erwachsene; sie lassen den Religionsunterricht zum Lieblingsfach werden, erweitern das biblische Grundwissen, helfen Lernenden, sich mit biblischen Figuren (oder anderen Handelnden in der Geschichte) zu identifizieren und für ihr Leben zu lernen. Geschichten regen die Fantasie der Lernenden an und schaffen Setting und Raum für Unterrichtsgespräche, die die Lebenswelt der Lernenden berühren. Die Kunst des Erzählens zu erlernen ist somit eine der wichtigsten Aufgaben für angehende Religionspädagog:innen. Im Folgenden finden sich einige Tipps und Hinweise zum guten Erzählen von Geschichten. Sie helfen, Geschichten zu erschließen und die Erzählung vorzubereiten. Sie ersetzen nicht das Üben des Erzählens. Viele sehr gute Tipps, Methoden und Hinweise, die über dieses Buch hinausgehen und stetig ergänzt werden, finden sich im Internet unter: www.allesumdiekinderkirche.de.

Erzählen im Religionsunterricht

2.1

217

Die Vorbereitung

Eine Geschichte muss vor dem Erzählen vom Erzählenden „inhaliert“ worden und so gut vorbereitet sein, dass die Geschichte vor dem inneren Auge der/des Erzählenden als Film abläuft, dass der/die Erzählende sich in jede handelnde Figur hineinversetzen kann und den Ablauf genau kennt. Besonders für biblische Geschichten, die im geschriebenen Wort sehr knapp gehalten sind, gilt: Sie müssen zunächst erschlossen werden. Hilfreich sind hier die Entdeckungsfragen des bekannten POZZEK-Schlüssels und des von den Autoren und Autorinnen verwendeten HAZONE©Schlüssels. POZZEK: Dabei steht jeder Buchstabe für einen Schlüssel, der den/die Erzählende an die Geschichte heranführt: P = Personen: Wer? 
Welche Personen kommen vor und welche Rolle spielen sie? Wen würde ich noch erwarten, wird aber nicht erwähnt? 
Was wissen wir über Person x? Was macht x hier, was nicht? Was wird berichtet, was aber nicht? Warum handelt eine Person, wie sie handelt? O = Ort: Wo? 
Was weiß ich über Ort y? Wo liegt der Ort? Wie sieht es dort aus, oder wie stelle ich mir vor, dass es dort aussieht? Bibellexikahilfen, historisch korrekte Ortsbeschreibungen zu berichten und Details einzuflechten, die von den Zuhörenden geliebt und gemerkt werden. Z = Zeit: Wann spielt das Geschehen? Tageszeit, Jahrhundert, Jahreszeit, Lebensalter?
In welchem Zusammenhang steht die Geschichte? (Was steht davor, was danach?) Z = Zusammenhang: Welche Zusammenhänge gibt es in der Geschichte? Warum spricht wer mit wem? Was ist vor der Geschichte passiert, was geschieht im Anschluss? Wie kommt es zu dem Geschehen? E = Ereignisse: Wie ist die Abfolge der Ereignisse? Wie ist die Reihenfolge der Handlung?
Wenn ich die Geschichte mit Bildern zu erzählen hätte, welche Bilder würde ich brauchen? – Wer sich solche Bilder selbst im Kopf zurechtlegt, muss nur noch erzählen, was er/sie ohnehin schon vor seinem/ihrem inneren Auge sieht! In welche einzelnen Bilder kann der Textabschnitt also eingeteilt werden? K (1) = Kern: Worin liegt der Höhepunkt der Geschichte?
Worum geht es im Text?
Was sagt die Geschichte mir? Worin trifft sie meine Existenz?
Wo betrifft sie die Kinder bzw. die Zuhörenden? Was soll durch diese Geschichte den Kindern für deren Leben deutlich werden? K (2) = Kommentar: In vielen biblischen Geschichten gibt es „Kommentare“. Man hat das Gefühl, hier kommentiert ein Außenstehender das Geschehen. Durch das Entdecken von Kommentaren öffnen sich oft neue Perspektiven und ggf. verschiebt sich der Kern.

218

Erzählen im Religionsunterricht

K (3) = Kritik: Gibt es Punkte, die aus der Sicht der Gegenwart an der Geschichte zu kritisieren sind? Wie gehe ich damit um? So wie der POZZEK-Schlüssel ein Schlüssel in die Geschichte und zu deren Handlung ist, ist der HAZONE-Schlüssel ein Schlüssel zu den Menschen. Er hilft, sich in die Menschen, deren Gefühle und Gedanken hineinzuversetzen, indem er den Blick auf die menschlichen Sinne lenkt. Das Schmecken, Sehen, Riechen der Protagonisten und Protagonistinnen in der Geschichte muss so lebendig erzählt werden, dass den Zuhörenden das Wasser im Mund zusammenläuft, sie das Rauschen der Wellen hören … HAZONE steht für: H = A = Z = O = N = E =

Hand (tasten) Augen (sehen) Zunge (schmecken) Ohren (hören) Nase (riechen) Emotion (fühlen)

Wurden die Geschichte und die Menschen erschlossen, muss das Folgende bedacht werden: • Ist der Kern der Geschichte so herausgearbeitet, dass er die Lebenswelt der Lernenden berührt? Falls nein: Wie kann ich die Geschichte so erzählen, dass sie für sie relevant und spannend ist? Wo kann ich an deren Lebenswelt anknüpfen? • Welche Begriffe sind für Lernende unverständlich? Sie müssen entweder im Erzählakt oder im Vorfeld geklärt werden! • Entspricht meine Vorstellung über das Umfeld der Geschichte der Wahrheit? Welche Bräuche und Sitten gab es in der Zeit damals? In einem Bibellexikon (z.B. Calwer Bibellexikon) oder WiBiLex (wissenschaftliches Bibellexikon) oder auch WiReLex (wissenschaftliches Religionspädagogisches Lexikon) finden sich hierzu wichtige Informa­ tionen.

2.2

Der Akt des Erzählens

Wichtig für eine gelingende Erzählung, ist die eigene Begeisterung für die zu erzählende Geschichte. Nur wenn die Lehrperson selbst begeistert ist, und begeistert erzählt, sind auch die Lernenden begeistert. Darüber hinaus

Erzählen im Religionsunterricht 219

gibt es einige Tipps und Tricks, die beim Erzählen beachtet werden müssen, damit Spannung entsteht und die Lernenden (samt Erzählendem) in der Geschichte „leben“: 1. Blickkontakt zu den Lernenden halten: Jede/r Lernende muss das Gefühl haben, gesehen und beachtet zu werden. Er/sie fühlt sich auf diese Weise persönlich angesprochen, Störungen wird vorgebeugt und es ist möglich, den Kindern Interesse, Unverständnis … von den Augen abzulesen. So können beispielsweise Begriffserklärungen spontan in den Verlauf einer Geschichte integriert, Reaktionen der Lernenden aufgenommen und Spannung bis zum richtigen Moment gehalten werden. 2. Gestik und Mimik: Eine Geschichte lebt nicht nur von den erzählten Worten, sondern auch von der Gestik und Mimik des/der Erzählenden. Imitieren Sie Gesten der Personen in der Geschichte, untermalen Sie Gefühle mit Mimik und Gestik … Am besten üben Sie vor einem Spiegel, oder erzählen Sie Ihre Geschichte Freunden/Freundinnen und lassen sich Rückmeldung geben! Besondere Vorsicht ist bei der Mimik geboten: Lächeln Sie nur, wenn es die Geschichte erlaubt! Und schauen Sie nur dann grimmig, wenn es in der Geschichte gerade grimmig zugeht. Kinder, Jugendliche (und Erwachsene) lassen sich schnell von einer unstimmigen Mimik irritieren – gleichzeitig achtet man selbst meist nur wenig auf die eigene Mimik, wenn man mit dem Erzählen beschäftigt ist. 3. Der Anfang einer Geschichte: Der Anfang ist das Wesentliche! Formulieren Sie sich einen guten, spannenden Satz für den Beginn der Geschichte und steigen Sie sofort in den Erzählakt ein (z.B. „Es knackte. Samuel drehte sich langsam und aufgeregt um …“)! Auf keinen Fall lange Vorreden – dadurch entstehen Unruhe und Langeweile. Achten Sie außerdem darauf, dass Sie nicht versehentlich wichtige Informationen der Geschichte vorwegnehmen (z.B. „Ich erzähle euch nun, wie Mose von seiner Mutter in ein Schilfkörbchen gelegt wird.“), Sie verraten so möglicherweise wichtige Pointen und zerstören den Spannungsbogen der Geschichte. 4. Den Spannungsbogen richtig spannen: Jede Geschichte braucht einen klaren roten Faden, der im ersten Teil der Geschichte Spannung aufbaut, zum Höhepunkt kommt und dann zügig im letzten Viertel zu einem Ende gebracht wird. Spannung entsteht: – durch Ereignisse und Handlungen! 
Es muss etwas passieren. – durch kurze Sätze: Es blitzt. Der Donner! – Er fällt zu Boden … – durch aneinanderreihen von Verben: Er geht, rennt, bleibt plötzlich stehen, rennt weiter … – indem man mit den Worten spielt, sie entsprechend ausspricht und betont:
Winnnd, sssäussseln, brrrummen …

220

Erzählen im Religionsunterricht

– durch Ausschmücken von Details, denn dadurch wird die Geschichte so plastisch, dass man beginnt, mit und in der Geschichte zu leben. – durch Gefühle und die Identifikation mit eben diesen Gefühlen – ich erlebe die Geschichte mit – ZATONE-Schlüssel. – durch das Vermeiden von Unterbrechungen, um zu erklären, was gemeint ist. Wenn Worte unklar sind, muss die Erklärung in die Geschichte eingebaut werden – ansonsten bricht der Spannungsbogen. – durch die Streckung der Handlung in einer Erzählung – aber mit Bedacht.
Ein Negativ-Beispiel: Mose trat vor den Pharao und sagte …
Besser: „Mose trat langsam vor den Pharao. Er hatte dabei die gesamte Zeit den Kopf gesenkt. Langsam sah er auf …“ – durch Pausen, denn Pausen erzählen mit, sie steigern die Spannung und bringen Ruhe. 
Oft fehlt die Zeit, zu verweilen, zu riechen, zu hören, zu staunen … – Zeitlupen schaffen Spannung, steigern Aufmerksamkeit – Handlungsphasen in der Erzählung strecken: Kleine Pausen im Erzählfluss verstärken die Effekte. 5. Wörtliche Rede: Auch der Einsatz von wörtlicher Rede bringt Spannung. Indirekte Rede lässt die Figuren einer Geschichte passiv und tot wirken. Geben Sie ihnen jedoch eine Stimme und lassen Sie sie miteinander sprechen, wird die Geschichte spannend. Überlegen Sie sich im Vorfeld eine eigene Stimme für jede der handelnden Personen. Überlegen Sie auch, welche Ausdrucksweise eine Person wohl wählt – drückt sich jemand eher vornehm aus, weil er aus gutem Hause stammt, oder stammt jemand aus einer Bauernfamilie und flucht auch mal kräftig? Außerdem: Lassen Sie die Gedanken der Personen in der Geschichte hörbar werden! Erzählen Sie, was den Menschen durch den Kopf geht! 6. Mit der Stimme spielen: Spielen Sie mit ihrer Stimme! Erzählen Sie mal laut, mal leise, mal langsam, mal schnell, stocken Sie, reißen Sie Augen und Mund auf und machen Sie eine Pause, schreien Sie plötzlich auf, betonen Sie bestimmte Worte, machen Sie Geräusche … – all das macht eine Geschichte lebendig und spannend! 7. Erzählende Präsenz, Perfekt oder Plusquamperfekt: In der Regel neigen Erzählende automatisch dazu, Geschichten in der Vergangenheitsform zu erzählen („Miriam schlich der Tochter des Pharaos hinterher …“). Noch fesselnder für Kinder sind jedoch Geschichten, die im Präsens erzählt werden („Vorsichtig schleicht Miriam der Tochter des Pharaos hinterher. „Jetzt bloß kein Geräusch machen …“ denkt sie …). Sie werden feststellen: auch wenn es am Anfang ungewohnt ist, fällt es im

Erzählen im Religionsunterricht 221

Präsens leichter, sich in die Details der Geschichte hineinzuversetzen und sie auszumalen. 8. Die Erzähldauer: Wie lange eine Geschichte dauern darf, hängt stark von den Zuhörenden ab. Lernen Sie Ihre Lernenden kennen und probieren Sie aus, wie lange deren Konzentrationsspanne ist. Das kann zwischen fünf Minuten und einer halben Stunde liegen! Achten Sie beim Erzählen auf Ihre Schülerinnen und Schüler und richten Sie sich nach deren Bedürfnissen. Dehnen Sie die Geschichte bei großer Aufmerksamkeit sinnvoll aus und kürzen Sie, wenn Sie merken, die Kinder bzw. die Zuhörenden können nicht mehr zuhören.

2.3

Die Erzähl-Umgebung

Das Umfeld für eine Erzählung muss stimmen! Sind die Lernenden von Äußerem abgelenkt, kann eine Erzählung noch so gut sein: Sie wird nicht oder nur halb so gut, wie es möglich wäre, gelingen! Deshalb beachten Sie: • Die richtige Sozialform für eine Erzählung ist der Kreis oder der Halbkreis! Hier haben Sie direkten Kontakt zu den Lernenden, ohne dass ein Tisch sie räumlich und emotional trennt! • Jede/r Lernende muss freie Sicht zu Ihnen (und umgekehrt) haben. Sie müssen jeder/jedem in die Augen schauen können. • Der Raum sollte das Erzählen ermöglichen und nicht verhindern. 
Eine beschriebene Tafel o.ä. kann ablenken. • Die Lernenden sollten nie Fensterblick haben – dort geschieht zu viel Spannendes (Eichhörnchen, Schnee, Hausmeister/Hausmeisterin …) • Hinter dem Erzähler/der Erzählerin sitzt niemand!

2.4

Erzählen lernen – so gelingt es

Erzählen kann jeder und jede! Viele tun es unbewusst: Sie erzählen vom Ausflug, dem Urlaub, von zu Hause, … Wo ich etwas erlebt habe, fällt das Erzählen leicht! Also muss ich selbst die biblischen Geschichten für mich nach-erleben! Erzählen kann man lernen – vorausgesetzt, ich will es, ich probiere es aus, ich fange einfach mal an und übe, übe, übe! • Erzählen lernen braucht Zeit! Nur nicht müde werden! • Guten Erzähler/innen aufmerksam zuhören. Wie macht der/die das? Wie erreicht er/sie Spannung, …? • Sich von anderen anschließend korrigieren lassen. • Die Theorie in der Praxis anwenden! Üben in der Praxis!

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Erzählen im Religionsunterricht

• Überlegen (bei mir und bei anderen): Was war gut, was weniger, warum? • Gut vorbereiten! Gerne auch mit einer Stichwortliste in der Hand erzählen – das mindert die Angst davor steckenzubleiben. Befreit von dieser Angst können die meisten besser und leichter erzählen. • Sich selbst einmal eine Geschichte erzählen – von vorne bis zum Schluss! (Tonbandaufnahme oder Aufnahme mit dem Smartphone) • Erzählen hat mit mir, einer Geschichte und mit meinem Gegenüber zu tun! Nur was mich an der Geschichte begeistert, kann ich begeisternd weitererzählen! Meine Person wirkt beim Erzählen mit!

2.5

Erzählmethoden

Eine Geschichte kann einfach erzählt, mit einer Methode unterstützt, inszeniert oder einfach anschaulich gemacht werden, indem entsprechende Methoden angewandt werden. Exemplarisch sollen an dieser Stelle aus den unzähligen Möglichkeiten einige benannt werden, die sich im Schulalltag besonders bewährt haben.

2.5.1 Erzählkerze

Die Erzählkerze ist ein Ritual-Gegenstand. Es sollte sich bei dieser Kerze um eine schöne, große Kerze handeln, die immer beim Erzählen einer Geschichte brennt. Während die Erzählkerze brennt, gelten folgende Regeln: – Die Kerze brennt während der Geschichte (nicht unter Brandmelder stellen, sondern alternativ LED-Kerzen benutzen). – Alle sind ruhig. Es wird weder gesprochen noch werden sonstige Geräusche verursacht. – Fragen dürfen erst gestellt werden, wenn die Geschichte vorbei und die Kerze ausgepustet ist. Die Lehrperson hat während des Erzählens Augenkontakt zu allen Schülern und Schülerinnen. Hält sich ein Lernender nicht an die vereinbarten Regeln, wird die Kerze ausgepustet und die Regeln noch einmal besprochen. Werden die Regeln daraufhin wieder nicht eingehalten, wird die Kerze ein weiteres Mal ausgepustet und der Unterricht ohne Geschichte fortgeführt. Da Schülerinnen und Schüler eine gut erzählte Geschichte als ein Geschenk erleben, werden sie sich das nächste Mal anstrengen oder untereinander für Ordnung sorgen. Ist der Unterricht ohne Geschichte nicht weiterführbar, schreiben die Lernenden einen Teil der Geschichte von der Tafel ab. Nach einer Weile folgt ein Gespräch mit der Klasse. Den Lernenden wird erklärt, dass Erzählen nur ohne

Erzählen im Religionsunterricht 223

Ablenkung möglich ist und ihnen wird angeboten, einen weiteren Erzählanlauf zu versuchen. In der Regel funktioniert es nun deutlich besser – immer vorausgesetzt, die Geschichte ist gut vorbereitet und wird gut erzählt.

2.5.2 Gestaltete Mitte

Eine schöne, zur Geschichte passend gestaltete Mitte fixiert den Blick der Lernenden und bündelt die Aufmerksamkeit. Möglichkeiten: Erzählkerze, Tücher, Egli-Figuren, Steine, Symbole und vieles mehr. Es kann mit der Mitte gearbeitet werden, indem sie der Geschichte angepasst wird, Dinge hinzukommen oder weggenommen werden. Es muss jedoch vermieden werden, die Geschichte unpassend zu unterbrechen, um die Mitte umzugestalten, da dies die Lernenden aus ihrer Konzentration auf die Geschichte herausreißt. Eine schöne Möglichkeit ist zum Beispiel, eine Szene zu Beginn der Geschichte als Mitte zu gestalten. Nach der Geschichte wird die Mitte entsprechend umgestaltet, dass sie das Ende der Geschichte abbildet. Dabei müssen keine „echten“ Figuren verwendet werden, sondern Personen können abstrahiert werden: Große Steine sind zum Beispiel Erwachsene, kleine Steine Kinder.

2.5.3 Handpuppen

Handpuppen – können Medium zur Vermittlung von Erzählinhalten sein. Die o.g. Erzählregeln gelten auch hier. – sollen nicht biblische Geschichten erzählen. Lola oder Rabe Rudi stehen nicht für Personen aus biblischen Geschichten. – können zum Dialog zwischen Erzählendem und Zuhörern anregen, indem Sie die Handpuppe nachfragen oder Wahrheiten aussprechen lassen … – können eine Alltagsgeschichte erzählen und in Bezug zur biblischen Erzählung stellen. Wenn Sie als Lehrperson mit einer Handpuppe arbeiten, geben Sie der Puppe eine Persönlichkeit, einen Namen, Hobbies, damit sie aus ihrem Leben erzählen kann. Außerdem braucht eine Handpuppe eine eigene Stimme. Machen Sie sich vor dem Einsatz mit Ihrer Handpuppe vertraut! Spielen Sie mit ihr, unterhalten Sie sich mit ihr – sie wird Ihnen automatisch einiges über sich erzählen. Dann gilt: – Nur Sie spielen mit der Handpuppe, denn nur Sie sind die Handpuppe. Wenn Sie jedem Ihrer Lernenden erlauben, mit der Handpuppe zu spielen, hat sie viele verschiedene Persönlichkeiten. Das sollte vermieden werden! Das heißt nicht, dass die Handpuppe nicht auf dem Schoß eines Kindes sitzen oder auf den Arm genommen werden darf – die Hand hineinstecken dürfen aber nur SIE!

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Erzählen im Religionsunterricht

– Achten Sie darauf, dass Ihre Handpuppe nur dann den Mund bewegt, wenn sie spricht, und den Mund dann geschlossen hat, wenn sie schweigt – das macht sie lebendig und authentisch. – Wenn Sie sich eine neue Handpuppe zulegen: Kaufen Sie sich eine, die Sie anspricht und am besten den Mund bewegen kann, da sie sich häufig mit den Lernenden ‚unterhalten’ wird.

2.5.4 Erzählstraße

Ein großer Koffer, eine Tasche oder ein Sack wird mit zum Geschichtenverlauf passenden Gegenständen gefüllt, die während des Erzählens herausgeholt und in die Mitte gelegt werden. Die Gegenstände sollten in Form einer Straße gelegt werden, da so der Geschichtenverlauf von den Zuhörenden anhand der Symbole gut nachvollzogen und wiederholt werden kann. Dabei ist wichtig … – dass die Gegenstände sofort gefunden werden – nicht ewig in der Tasche wühlen, das zerstört den Spannungsbogen; – dass der Erzählende weiß, wann welcher Gegenstand dran kommt; – dass kein Zuhörender in den Koffer schauen kann; – dass die Gegenstände nicht so abstrakt, anderweitig attraktiv oder lächerlich sind, dass sie mehr Aufmerksamkeit bekommen als die Geschichte selbst. Die Gegenstände können zur Überprüfung des Gelernten eingesetzt werden, indem die Lehrperson im Anschluss an die Geschichte durcheinander gebracht und von den Lernenden sortiert werden müssen. Des Weiteren können sie den Einstieg in die nächste Stunde darstellen.

2.5.5 Erzählzelt

Ist ausreichend Platz im Klassenzimmer vorhanden, kann ein Erzählzelt aufgestellt werden, in dem Geschichten erzählt werden. Für das Erzählzelt gilt … – es muss ausreichend und bequem Platz für alle Schülerinnen und Schüler bieten; – es darf ausschließlich zum Geschichtenerzählen und Geschichtenlesen betreten werden; – im Zelt darf nicht gesprochen werden (außer erzählen); – es muss ruhig und langsam betreten werden. Ein Erzählzelt kann auch gezielt für einzelne Einheiten eingesetzt werden. Besonders eignen sich hierzu Einheiten, in denen es um Zelte/Nomaden geht – wie beispielsweise Abraham und Sara.

Erzählen im Religionsunterricht 225

2.5.6 Briefe

Briefe haben etwas Geheimnisvolles und wecken das Interesse der Lernenden. Kommen Briefe in Geschichten vor, können diese geschrieben, adressiert und mitgebracht werden. Im Laufe der Geschichte dürfen die Lernenden die Briefe öffnen und vorlesen. Sie müssen so in die Geschichte integriert werden, dass es keinen Bruch gibt. Geeignet für diese Methode sind z.B. Geschichten von Martin Luther (Post vom Papst usw.). Aber auch in viele andere Geschichten lassen sich Briefe „einbauen“. Wichtig ist, dass sie auf einem für die Lernenden verständlichen Niveau formuliert sind.

2.5.7 Fotos

Fotos von Orten, an denen eine Geschichte spielt, lassen sich sehr gut einsetzen, um den Lernenden eine Vorstellung zu geben, wie es am Ort des Geschehens aussieht. Sie ersetzen jedoch nicht das Ausmalen des Ortes während der Erzählung. Eine mögliche Methode ist, den Lernenden vor der Geschichte Fotos zur stummen Betrachtung zu geben, anschließend die Geschichte zu erzählen und nach der Geschichte die Fotos der Geschichte zuordnen zu lassen. Für den Einsatz von Bildern gibt es viele Möglichkeiten. Er erfordert jedoch sehr viel Reflexion. Es ist beispielsweise nicht zu empfehlen, einfach Bilder aus einer Kinderbibel zu kopieren oder zu zeigen, da auf diese Weise die Fantasie der Schülerinnen und Schüler auf die Fantasie des Kinderbibel­ illustrators festgelegt wird.

2.5.8 Verkleidung – Theater

Verkleidung kann beim Geschichtenerzählen in unterschiedlicher Form eingesetzt werden. Zwei Möglichkeiten sind: – Eine Geschichte aus der Perspektive einer bestimmten Person zu erzählen und sich dazu zu verkleiden, gehört zu den Königsdisziplinen des Erzählens und ermöglicht es gleichzeitig, mit den Lernenden (aus der Rolle heraus) ins Gespräch zu kommen, um Gehörtes zu vertiefen, Verständnis zu wecken, Parallelen zur Lebenswelt der Lernenden zu finden usw. Allerdings gibt es auch einige „Stolperfallen“. Lernende wollen ernst genommen werden. Aus diesem Grund führt die oft beliebte Methode den Lernenden zu erzählen „Wir erwarten einen Gast. Ich gehe ihn mal holen“ (dann vor die Tür gehen und verkleidet zurückkehren) häufig zu dem Problem, dass die Lernenden sagen: „Du hast aber die Uhr von unserem Lehrer an!“ „Du bist gar nicht Martin Luther, weil du die gleichen Schuhe wie unsere Lehrerin trägst!“ ... Diesen Fragen liegt der Wunsch der Lernenden zugrunde, zu beweisen, dass sie die Lehrperson durchschaut haben.

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Erzählen im Religionsunterricht

Eine bewährte Umgangsform mit solcherlei Problemen (die es zum Teil auch bei Handpuppen gibt, hier gilt der gleiche „Trick“): Die Lernenden werden ernst und ihnen die „Luft aus den Segeln“ genommen, indem im Vorfeld erklärt wird: „Ich werde mich jetzt gleich verkleiden und so tun, als wäre ich jemand anderes. Ich weiß, dass ihr mich immer noch erkennt. ABER ich bitte euch: spielt mit! Tut einfach so, als wäre ich jemand anderes. Ich weiß, dass ihr das könnt – so viel Fantasie wie ihr habt! Wenn ihr mitspielt, werdet ihr merken: das macht richtig Spaß!“ Damit wissen die Lernenden: die Lehrperson nimmt uns ernst und sie wurden mit einer Sache angesprochen, die sie in der Regel lieben: das Spielen! Kein Lernender möchte ein Spielverderber sein. Wer das langwierige „Vor-die-Tür-zum-Umziehen-gehen“ vermeiden möchte, kann mit folgendem Ritual sogar mehrfach in einer Geschichte die Rolle wechseln (wenn es die Geschichte erlaubt): Die Lernenden werden gebeten, auf ein Klopfsignal die Augen zu schließen und sie erst wieder zu öffnen, wenn ein weiteres Klopfsignal ertönt. In dieser Zeit geschieht die Verwandlung. Um „Spicken“ vorzubeugen, wird den Lernenden erklärt: „Wenn ihr spickt, könnt ihr zuschauen, wie ich mich verkleide. Es macht aber mehr Spaß, wenn ihr mitspielt, die Augen wirklich zu macht und euch vorstellt, jetzt ist jemand anderes da.“ – spickt dann ein Kind trotzdem, wird das einfach ignoriert. Ist dieses Ritual erst einmal eingeführt, wissen die Lernenden sofort: Klopfen heißt Augen schließen und Rollen wechseln – ohne Worte kann somit mitten in der Geschichte ein (sinnvoller!) Rollenwechsel vollzogen werden. – Zur Inszenierung einer Unterhaltung zwischen zwei Menschen, kann eine einfache Requisite wie ein Hut, eine Tasche, ein Stock … verwendet werden. Je nachdem, wer von den beiden spricht, wird der Hut auf- oder abgesetzt. Dies ist auch mit noch mehr Charakteren möglich. Dies erfordert jedoch Übung und hohe Konzentration, um nicht durcheinander zu geraten und um nicht den Eindruck von Chaos zu erwecken.

2.6

Biblische Geschichten für Jugendliche erzählen (Lea Hirschbach)

Das Erzählen ist eine Grundform der Kommunikation (vgl. Baldermann 2001, S. 435). Beim Zuhören erzählter Geschichten werden Körper, Seele und Geist als Ganzes gefordert (vgl. Melcher 2008,  S.  12f). Die Methoden des Erzählens und Zuhörens sind nicht zu ersetzen, denn Menschen werden durch sie darin unterstützt, Sprache zu erwerben, Erfahrungen zu bewältigen, den Dialog der Generationen intakt, das kollektive Gedächtnis

Erzählen im Religionsunterricht

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wach zu halten, mit der Fantasie zu spielen und Begebenheiten zu erinnern (vgl. Baldermann 2001, S. 435). Geschichten machen es möglich, Durchlebtes noch einmal zu erleben (vgl. Baldermann 1989,  S.  98). Eine lange Tradition haben die biblischen Erzählungen, und das Erzählen wird sogar als die Grundform der Evangelien-Überlieferung verstanden (vgl. Schröer 1982,  S.  227). Immer wieder neu müssen die Geschichten der Bibel (vgl. Berg 1993,  S.  183), welche von Erlebnissen zwischen Gott und Mensch sowie zwischen den Menschen untereinander berichten (vgl. SchneiderFlume 2004, S. 13f), erzählt werden. Es wird den Menschen in und durch die biblischen Geschichten die Möglichkeit gegeben, sich über die Existenz und deren Sinn Gedanken zu machen. In ihnen werden menschliche Fragen aufgenommen und sie können so die Reflexion des eigenen Lebens fördern. Unsere Gefühle, Hoffnungen und Ängste werden in den Geschichten widergespiegelt (vgl. Tschirch 1997, S. 14–18), jedoch sind uns die Geschichten nur durch unsere eingeschränkte menschliche Auslegung zugänglich (vgl. Härle 20073, S. 128). Das Erzählen ist demnach ein Akt der Auslegung (vgl. Tschirch 1997,  S.  27f), und es ist die Aufgabe des Erzählers und der Erzählerin, die Geschichten den Zuhörern bzw. Zuhörerinnen zugänglich zu machen (vgl. Härle 20073,  S.  128ff). Relevant und nicht veraltet sind die Inhalte deshalb, weil die biblischen Geschichten nicht wie Märchen über fiktive Hoffnungen berichten, sondern echte Lebens- und Leidenserfahrungen beschreiben. Ihre Glaubwürdigkeit und Autorität erhalten sie durch eine glaubwürdige Menschlichkeit, nicht durch übermenschliche Interaktionen. Für die Zuhörer:innen werden biblische Geschichten nur dann relevant, wenn sie authentisch erzählt werden (vgl. Baldermann 1989, S. 100f): „Die Autorität der Hoffnung, die wir erzählend vermitteln, hängt ab von der menschlichen Authentizität des Erzählten; nur in authentischen Geschichten wird sie auch als verlässlich (sic!) erscheinen, als eine Hoffnung, die das Engagement lohnt“ (Baldermann 1989, S. 101). Beim Zuhören der biblischen Geschichten wird der ganze Mensch angesprochen: Körper, Seele und Geist. Darum ist die Erzählung eine wichtige Methode der Weitergabe biblischer Texte (vgl. Kumlehn 2013, S. 54f). In der Tradition der Erzählung von biblischen Geschichten gibt es unterschiedliche Sichtweisen auf deren mündliche Weitergabe. Wie Geschichten erzählt werden, hat Einfluss darauf, ob Jugendliche diese als für ihr Leben Sinn gebend oder irrelevant empfinden (vgl. Niehl 2007, S. 171–174). Im Folgenden sollen drei verschiedene Konzepte der Erzählung von biblischen Texten dargestellt werden. Hiermit wird nur ein Ausschnitt der bestehenden Diskussion über das „Wie“ der Erzählung von biblischen Geschichten aufgegriffen.

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Erzählen im Religionsunterricht

Zwischen den Autoren (und möglicherweise auch Autorinnen) der Bibel und den heutigen Rezipierenden liegen ein historischer Graben, völlig verschiedene Weltzugänge und auch Weltbilder; die Erfahrungen, die Zugänge zu Texten, die elementaren Wahrheiten, sind für heutige Lernende wesentlich unterschieden. Die Beschäftigung mit biblischen Texten gehört zu den wesentlichen Aufgaben eines subjekt- und kompetenzorientierten Unterrichts, angeleitet von einer professionellen Lehrperson: Die primäre Frage an Bibeltexte heutzutage liegt in ihrer Relevanz für heutige Lebensverhältnisse und der zukünftigen existenzialen Relevanz (vgl. Steinkühler 2019, Art. Bibeldidaktik, diskursiv, in: www.WiReLex.de). Die Kompetenzorientierung heftet sich an den Erwerb biblischen Sachwissens, die Ausbildung religiöser-hermeneutischer-diskursiver Kompetenz, die an der existenziellen Auseinandersetzung mit biblischen Texten auszubildende Persönlichkeitsbildung und ist verbunden mit Selbst- und Sozialkompetenz (Steinkühler 2019). In theologischer Perspektive kommt die dialogische Anredefunktion der Texte hinzu, von der Lehrende im Religionsunterricht ausgehen sollten – die biblischen Texte werden rezeptionsästhetisch zum lebendigen Wort Gottes (Steinkühler 2019). Jedoch erst in der gemeinsamen Kommunikation in der Lerngruppe wird die Bibel sowohl zur Anrede (siehe die Ausführungen zu Martin Buber im ersten Teil des Buches) und auch zum Impuls für die Persönlichkeitsbildung. Erst in einem heterogenen Setting der Lerngruppe entstehen jedoch Lernmöglichkeiten für die Lernenden, denn die Texte müssen auf ihren kommunikativen Wahrheitsgehalt geprüft werden, was nur im Wahrnehmen anderer Perspektiven und Zulassen anderer Zugänge möglich ist. Steinkühler (2019) bringt es auf den Punkt: „Schülerinnen und Schüler in einem evangelischen Religionsunterricht 2017 vertreten das gesamte Spektrum von Haltungen zur Bibel, die auch in der Öffentlichkeit angetroffen werden: Quelle des Glaubens, historische Quelle, literarische Quelle, wahr oder unwahr, innen und außen. Bibeldidaktisch ist hier das dialogische Aneignen und die dialogische Auseinandersetzung mit den Texten zu empfehlen“ (Berger 2011, S. 47).

Das Erzählkonzept von Dietrich Steinwede

Das erste zu beschreibende Konzept wurde erarbeitet von Dietrich Steinwede. Dieses Konzept der Erzählung folgt den sprachlichen Strukturen der Bibel. Durch eine sachliche Entfaltung des Textes führt die auf die zeitgeschichtlich und die soziale Umwelt bezogene Anspielung des Bibeltextes jene Erzählung aus. Dies tut sie ohne vorherige Wort- und Sacherklärung. Mit kurzen, aneinandergereihten Hauptsätzen, Wiederholungen und

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reflektierter Wortwahl wird die biblische Geschichte möglichst texttreu erzählt. Durch jene exakte Vorbereitung der sprachlichen Qualität der zu erzählenden Geschichte ist die vorgestellte Art der Erzählung jedoch weitgehend vom spontanen Vorgang des Erzählens entfernt (vgl. Baldermann 2001, S. 438). Steinwede möchte die Identität des biblischen Textes wahren und darauf hinweisen, dass der Text auch nach über 2000 Jahren im Wesentlichen über seine Sprache wirkt. Mit Hilfe einer texttreuen Weitergabe kann seiner Meinung nach die biblische Botschaft verbindlich weitergegeben werden. Die Struktur des Textes ist zu wahren, was jedoch nicht auf jeden einzelnen Wortlaut bezogen ist, sondern sprachliche und sachliche Grundbestandteile der Überlieferung schützen soll. Sprachliche Veränderungen sind nur mit großem Bedacht zu integrieren. Akzentverlagerungen oder inhaltliche Transpositionen sollen nicht vorgenommen werden, da der Text für Steinwede über Jahrhunderte hinaus selbstmächtig ist. Für das Erzählen bedeutet dies, dass es die Aufgabe des Erzählers oder der Erzählerin ist, mit wenigen Worten bildhafte Wirkungen bei den Zuhörern und Zuhörerinnen zu erzielen. Besonders ist auf den Erhalt von Sprachform, Duktus und der Atmosphäre der biblischen Überlieferung zu achten. Ein Beispiel für sein Konzept der Erzählung ist Folgendes: „Jesus kommt nach Jericho. Er geht wieder hinaus aus der Stadt mit den Jüngern, mit vielen Menschen. Da: Ein Blinder sitzt am Wege, ein Bettler: Sohn des Timäus. Der hört, wie die Leute sagen: Dort kommt Jesus aus Nazareth. Da schreit er los: Jesus! Jesus! Habe Erbarmen! Rette mich! Der Blinde hat etwas bemerkt. Er ‚sieht’ etwas. Darum schreit er: Jesus! Jesus! Rette mich! Die vielen aber, die mit Jesus kommen, die wollen nicht, dass er schreit: Schweig, du Bettler“ (Melcher 2008, S. 320)!

Das Erzählkonzept von Walter Neidhart

Das zweite zu beschreibende Konzept wurde von Walter Neidhart entwickelt. Für ihn ist die Fantasiearbeit ein essenzieller Bestandteil der Erzählungen von biblischen Geschichten. Seiner Meinung nach soll die Fantasie den biblischen Text ergänzen. Die sachgemäßen Inhalte der Erzählung werden hierbei über die Integration der Leitgedanken biblischer Geschichten gewährleistet (vgl. Baldermann 2001, S. 437f). Der/die Erzählende ist „gebunden an den theologischen Gehalt, die Aussageabsicht, aber frei in der Wahl der erzählerischen Mittel u. Bilder“ (Baldermann 2001, S. 438). Relevant für die Art der Erzählung sind die Einsichten der historisch-kritischen Methode. In Rahmenerzählungen werden jene Einsichten über die Ursprungssituationen der Texte, Informationen zur damaligen Umwelt und die Entstehung der Bücher, vermittelt. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse soll der Erzählende von

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Erzählen im Religionsunterricht

der Bindung an die biblischen Wortlaute befreit werden (vgl. Baldermann 2001, S. 438). Neidhart selbst äußert sich, wie folgt, zu seinem Konzept der Erzählung: „Meine Erzählung soll nicht am Glaubensverständnis der Priesterschrift oder des Lukas, sondern an meinem Glaubensverständnis orientiert sein. Sie ist darum nicht am Kriterium zu messen, ob sie die Meinung des biblischen Erzählers richtig wiedergibt. Nur jenes Kriterium gilt, ob ich selber verantworten kann, was durch meine Geschichte beim Hörer ausgelöst wird“ (Neidhart zitiert nach Schröer 1982, S. 230). Ein Beispiel seines Erzählkonzeptes sieht folgendermaßen aus: „Bartimäus, der Sohn des Timäus, war bei Meister Matthias in der Lehre. Er wollte Teppichknüpfer werden. Der Meister war berühmt für seine Kunstfertigkeit. Der farbige Teppich in der Synagoge von Jericho, der den Schrein mit den Gesetzesrollen überdeckt, stammt von ihm. […] Im dritten Lehrjahr durfte [Bartimäus] bereits eine selbstständige Arbeit übernehmen […] Doch Bartimäus musste die Aufgabe unterbrechen. Er hatte eine Augenentzündung bekommen. […] Bartimäus stellte mit Schrecken fest, dass er nicht mehr sehen konnte. […] Ich weiß nicht, wie lange er schon als Bettler gelebt hatte bis zu dem Tag, als ein gesprächiger Wanderer ihm von Jesus erzählte, dem neuen Propheten aus Nazareth […] Von da an bekam die Hoffnung bei Bartimäus Oberhand. Vielleicht wird Jesus mich heilen“ (Melcher 2008, S. 321)!

Das Erzählkonzept von Ingo Baldermann

In den Seminaren, die Ingo Baldermann zum Erzählen biblischer Geschichten gehalten hat, erlebte er, nach eigenen Angaben, eine oft veränderte Erzählweise der Geschichten durch die Seminarteilnehmenden. Immer wieder wurde von der, wie er sie nennt, „einfachen“ Erzählweise abgewichen. Durch Verfremdungen, veränderte Perspektiven, gezeigte Bilder oder mimische Entfaltung, wurde versucht, die Geschichten attraktiver zu gestalten. Diese Versuche setzen jedoch voraus, dass der Erzählende davon ausgeht, die biblischen Geschichten seien in ihrer reinen Form nicht mehr attraktiv. Baldermann ist hier anderer Ansicht (vgl. Baldermann 1989, S. 96f): „Sollen uns die biblischen Geschichten helfen, uns besser zu verstehen und zu verständigen, dann müssen die Gestalten und ihre Handlungen wiedererkennbar sein und nicht in irgendeiner Verkleidung auf uns zukommen“ (Baldermann 1989, S. 96).

Erzählen im Religionsunterricht 231

Die Veränderung der Rahmenhandlung mit fiktiven Details und Vorgängen, wie dies u.a. Gerd Theißen oder Walter Neidhart in ihren Erzählbüchern zur Bibel anwenden, stellt Baldermann in Frage. Eine Rahmenerzählung müsse zum Kern und Wesentlichen der Geschichte hinführen. Hinzugefügte Rahmenbedingungen sollten Identifikation ermöglichen, nicht aber die biblische Geschichte in eine fiktive Abenteuerhandlung verändern. Nach Baldermann bewirken fiktive Rahmenhandlungen nur, dass die biblische Geschichte in historische Ferne rückt und kein Zugang zur direkten Identifikation, sondern bestenfalls für die abstrakte Reflexion ermöglicht wird. Er schlägt eine andere Erzählweise der biblischen Geschichten vor: eine Erzählweise, welche die Geschichte nicht fiktiv erweitert und dennoch die Aktualität betont. Um seinen Erzählstil zu erklären, verwendet er eine Beispielgeschichte. Hierbei stellt die Erzählerin eine Begebenheit ihrer Alltagswelt der biblischen Geschichte von der Frau, die Jesu Füße wäscht und einsalbt (vgl. EKD 2010, Lk 7,36–7,50), voran (vgl. Baldermann 1989, S. 96–104): „Chun-Sun Kim-Lee erzählte von ihrer Sonntagsschularbeit in Seoul, von einem kleinen Mädchen, das ihr dort auffiel, weil es besonders ernst war, zuweilen nicht so ordentlich angezogen wie die anderen, mehrfach zu spät kam, manchmal offenbar auch mit leerem Magen. Sie ging ihm nach und fand die Mutter in einer Straße, die „Die Straße der verworfenen Frauen“ heißt. Die Prostitution ist für viele dort der letzte Ausweg, sich selbst und die Kinder vor dem Hunger zu bewahren. Sie erzählt mit nur wenigen Sätzen von dem Eindruck des Besuchs, von dem schrecklichen Leben dieser Frauen, und schließt dann die neutestamentliche Geschichte von der Frau an, die Jesus sucht und ihn am Tisch eines Pharisäers findet“ (Baldermann 1989, S. 104). Mit dieser Geschichte schlägt die Erzählerin eine Brücke zwischen den Zuhörenden und der Frau in der Bibel. Der starke Eindruck, der dieser Geschichte beiwohnte, hing an der Authentizität des Rahmens. Durch die vorerzählte Geschichte konnte ein Bezug zur Gegenwart stattfinden und eine Identifikation ermöglicht werden. Der Rahmen aktualisiert die biblische Geschichte und nimmt ihr nicht die Offenheit zur Identifikation. Selbstkritisch merkt Baldermann jedoch an, dass diese Art und Weise der Erzählung auch Erfahrungen und Gedanken in andere Richtungen verschließen könne. Eine Geschichte so zu aktualisieren, birgt die Gefahr, dass eine Erfahrung im aktuellen Bezug eröffnet wird, dieser Bezug jedoch den Zugang zu anderem Erleben verschließt:

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Erzählen im Religionsunterricht

„Die Aktualisierung der Geschichte ist ohne Gefahr, wenn ihre ursprüngliche Gestalt zugleich präsent ist; wenn sich die Geschichte so eingeprägt hat, höre ich die Aktualisierung als eine Bereicherung meines Verstehens“ (Baldermann 1989, S. 105). Für Baldermann ist das Erzählen immer eine Gratwanderung zwischen den eigenen Erfahrungen, Hoffnungen und Wünschen, welche der/die Erzählende mit der Geschichte verbindet, und der Gefahr, diese eigensinnig wiederzugeben und somit Text und Inhalt mit eigenen Gedanken und Ansichten zu überdecken. Doch die biblischen Geschichten haben die Erfahrungen von vielen Menschen integriert und zeigen sich auch heute offen für die Einbeziehung des individuellen Erlebens. Nach Baldermann fordern die Geschichten, ein sich Einlassen, womit sich das eigene Leben verändern kann (vgl. Baldermann 1996, S. 102ff). Für ihn gilt die Grundregel: „Die Geschichte muß in all unseren Performanzen mit sich identisch und wieder­erkennbar bleiben, denn nur so vermitteln wir unseren Kindern die Kompetenz, mit Hilfe dieser Geschichten auch ihre eigenen Erfahrungen zu entschlüsseln und in größere Zusammenhänge einzuordnen“ (Baldermann 1996, S. 104). Eine lebendige Nacherzählung von Geschichten ermöglicht, dass die Erzählwelt der Bibel und die Erzählwelten der Jugendlichen miteinander ins Gespräch kommen (vgl. Niehl 2007, S. 174): „Und dann kann die Begegnung mit den fremden Erzählwelten dazu einladen, die eigene Identität, die eigenen Wahrnehmungs- und Deutungsmuster zu überprüfen und zu erweitern. [D]arin liegt der Wert der Erzählung“ (Niehl 2007, S. 174).

Die Relevanz biblischer Geschichten für Jugendliche

Warum sind biblische Geschichten nur dann relevant für Jugendliche, wenn sie mit den altersspezifischen Entwicklungsaufgaben übereinstimmen und die alltäglichen Themen der Jugendlichen aufgreifen? Jeder Mensch strebt, nach Charlotte Bühler, über verschiedene Lebensphasen und -stufen ein Stadium der Vollkommenheit bzw. des reifen Erwachsenenseins an (vgl. Fend 2000, S. 45f): „Der menschliche Lebenslauf, die menschliche Entwicklung folgt – so ihre Grundannahme – einer inneren Gesetzmäßigkeit. Jede Lebensphase hat dabei ihren Sinn und Schwerpunkt im Lebensganzen“ (Fend 2000, S. 46).

Erzählen im Religionsunterricht 233

Die Erfüllung der durch die Gesellschaft oder körperlich bedingten Aufgaben ist Ziel des Lebenslaufes und des eigenen Verhaltens. Jene Erwartungen können Jugendliche nicht ignorieren. Entwicklung ist von Jugendlichen gewollt und/oder wird von ihnen gefordert (vgl. Hurrelmann & Quenzel 2013, S. 28f). Darum sind sie auf der Suche nach Bewältigungsstrategien, auch Coping genannt, um diesen altersspezifischen Entwicklungsaufgaben gerecht zu werden. Die Bewältigungsstrategien können in drei verschiedene Faktoren unterteilt werden: in aktive Strategien, bei welchen die Jugendlichen problemgerichtet und rational handeln, in internale Strategien, anhand derer Jugendliche an ihren eigenen inneren Einstellungen arbeiten, und in die Strategie des Rückzuges, welcher eher eine Vermeidung der Problembewältigung darstellt (vgl. Fend 2000, S. 217). Eine mehr und mehr tragende Rolle in der Unterstützung des Prozesses zur Entwicklung der Persönlichkeit und der Bewältigung von altersspezifischen Aufgaben bei Jugendlichen übernehmen die Sozialisationsinstanzen wie u.a. die Freizeitanbietenden (vgl. Hurrelmann & Quenzel 2013, S. 25). In diesen Bereichen der Freizeitaktivitäten ist es Jugendlichen möglich, ihre Bewältigungsstrategien zu erproben und aufzubauen. Die Gruppenkonstellation eröffnet den Raum, Formen der Ablehnung, Anerkennung oder Bestrafung für das eigene Handeln und die Bewältigungsstrategien zu testen. Durch diese Interaktionen wird es den Jugendlichen ermöglicht, normenkonforme Verhaltensweisen zu erproben, ihre eigenen Werte zu hinterfragen und diese zu festigen. Eine Freizeitaktivität ist sodann interessant für Jugendliche, wenn sie ihnen Bewältigungsstrategien aufzeigt und einen Raum eröffnet, diese zu testen (vgl. Hurrelmann & Quenzel 2013,  S.  188f). Das Erzählen von biblischen Geschichten in einer Gruppe kann diese Räume eröffnen. Die biblischen Geschichten können helfen, die eigene Lebenswelt von Jugendlichen zu deuten und zu gestalten. Sie bieten Möglichkeiten, bei denen Jugendliche ihre Ängste, Empathie, Leidenserfahrungen, Hoffnungen, Sehnsüchte und ihre eigene Identitätssuche durchspielen können (vgl. Langhorst 2013, S. 608). Auf der Suche nach Bewältigungsstrategien orientieren sich Jugendliche zudem an für sie besonderen Personen. Sie suchen bei diesen Personen Modelle zur Nachahmung von Lebensorganisationen und attraktiven Verhaltensmustern. Gruppenleitungen haben einen möglichen Modellcharakter (vgl. Fend 2000, S. 464). Aber auch die biblischen Geschichten und ihre Charaktere können Modelle zum Umgang zwischen Mensch und Mensch sowie Gott und Mensch bereitstellen. Durch die Rezeption biblischer Geschichten von Zuhörer:innen findet Identifikation mit den biblischen Figuren statt. Sie sind Rollenvorlagen, was wiederum bedeutet (vgl. Gennerich 2012,  S.  228), dass die „Übernahme biblischer Rollen […] das Erlebnisfeld

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Erzählen im Religionsunterricht

[strukturiert] und […] damit auch neue Sichtweisen des Selbst [eröffnet]“ (Gennerich 2012, S. 228). Nach Neidhart führt dies zu einer Ich-Stärkung und Ich-Erweiterung, da die in der Erzählung aufgezeigten Identifikationsmöglichkeiten für die Zuhörenden als Entwicklungsoption konkret werden können (vgl. Gennerich 2012, S. 228). Warum stimmen biblische Geschichten mit den altersspezifischen Entwicklungsaufgaben von Jugendlichen überein und wie kann das Erzählen von biblischen Geschichten Jugendliche bei der Bewältigung ihrer altersspezifischen Entwicklungsaufgaben unterstützen? Beim Hören einer biblischen Geschichte sind die Zuhörenden dabei, das Gehörte in einen verstehbaren Zusammenhang zu ordnen. Manche Unklarheiten und Widersprüche werden dabei sogar übergangen. Die Sinnkonstruktionen der Zuhörenden bestimmen die Geschichte, die erzählt wird, mit. Der erste Versuch der Zuhörenden ist es, die Geschichte in ihr Wissen, ihre Emotionen, die Lebenswelt und das Selbstbild einzuordnen. Wenn dieser Vorgang nicht gelingt und die Geschichte sich von den bisherigen Erfahrungen und Strategien unterscheidet, kommt es zu einer kognitiven Auseinandersetzung mit dem Gehörten. Das Wahrgenommene ist nicht stringent übereinstimmend mit den bisherigen Denkmustern. Diese Tatsache ist lernstimulierend, da die Zuhörenden dadurch ihre eigenen Denkmuster und ihren Leitfaden für das eigene Verhalten revidieren, indem sie die Irritation aufzulösen versuchen und Neuzuordnungen vornehmen. Es bilden sich neue Sinnzuschreibungen aus und es konstituieren sich neue Bewältigungsstrategien entlang altersspezifischer Entwicklungsaufgaben (vgl. Niehl 2006, S. 57–65). Beim Hören einer Erzählung finden mehrere Identifikationsprozesse der Zuhörenden statt. Identifizieren sich die Zuhörenden mit einer oder mehreren Personen der Erzählung, nehmen diese ganz intensiv an der Handlung der Erzählung teil. Des Weiteren können die Charaktere der Erzählung zum Spiegel werden. Die Person in der Geschichte reflektiert die Gefühle und Erlebnisse, und die Jugendlichen finden sich selbst in der Gestalt wieder. Dadurch kann das eigene Selbst reflektiert werden, man lernt sich besser zu verstehen und entdeckt neue Handlungsmöglichkeiten. Die individuellen Probleme, wie die Aufgaben der Entwicklung, die zu bewältigen sind, können in der Erzählung identifiziert und überprüft, es können aber auch die bisherigen Wachstumsschritte anhand von Charakteren der Erzählung entdeckt und wertgeschätzt werden (vgl. Niehl 2006, S. 57–65). Neben dieser Spiegelung ist es Jugendlichen möglich, durch die Gestalten der Erzählung, sozusagen in die Zukunft zu blicken. Es werden ein oder mehrere Lebensmodelle dargestellt und die Jugendlichen können daran er-

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kennen, wie auch ihr Leben weiter gestaltet werden könnte und welche Lebenskonzepte für einen persönlich lohnenswert sein könnten. Während des Zuhörens einer Erzählung beginnen die Zuhörenden zudem, Personen der Erzählung mit Personen aus ihrem Leben zu verbinden. Sie entdecken nicht nur sich, sondern auch ihre Umwelt in der Erzählung wieder. Dadurch entsteht die Möglichkeit, die eigene Lebenswelt durchzuspielen, neue Wege oder noch verborgene Konflikte, Aufgaben oder Probleme zu entdecken und ggf. zu bewältigen. Die bisherigen Verhaltensmuster können dadurch in Bewegung kommen (vgl. Niehl 2006, S. 57–65). Ein weiterer Aspekt beim Hören einer Geschichte ist, dass es den Zuhörenden möglich wird, ihnen unbekannten Erzählfiguren Empathie entgegen zu bringen. Sie haben die Möglichkeit, sich in andere Menschen hineinzudenken, lernen deren Gefühle kennen und beginnen, den anderen und sein Handeln zu verstehen. Jedoch müssen diese Identifikationen nicht immer auftreten und den Jugendlichen muss die Möglichkeit offen bleiben, die gehörte Geschichte für irrelevant zu erachten. Das ist dennoch eine Form des Lernens und muss respektiert und anerkannt werden (vgl. Niehl 2006, S. 57–65). Jugendliche können in der Bewältigung ihrer altersspezifischen Entwicklungsaufgaben durch das Erzählen von biblischen Geschichten und durch die Förderung ihrer Ressourcen unterstützt werden. Die Unterstützung dieser Aspekte durch das Erzählen von biblischen Geschichten würde somit die Jugendlichen in der Bewältigung ihrer altersspezifischen Entwicklungsaufgaben unterstützen und damit Relevanz für diese bekommen. Wie bereits oben erwähnt, sind die Ressourcen, welche den Vorgang der Bewältigung unterstützen, folgende: soziokognitive Kompetenzen, emotionale Kompetenzen, soziale Stützsysteme und Erfolge (vgl. Fend 2000, S. 213–214). Die Ressource der soziokognitiven Kompetenz, also die Fähigkeit zur Urteilsbildung und Analyse verschiedener zu bewältigender Aufgaben (vgl. Fend 2000,  S.  213f), wird u.a. darin gestärkt, dass Jugendliche sich beim Hören von biblischen Geschichten selbst ein Urteil bilden und die Geschichte sowie ihre Gestalten analysieren müssen. Durch die Analyse kann es zu einem Wechselspiel der eigenen Deutungsmuster mit der Erzählwelt kommen (vgl. Niehl 2006, S. 65). Viele Geschichten und ihre Deutungsmuster der Welt zu kennen, bietet einen vielfältigen Zugang zu einer umfassenderen Wahrnehmung der individuellen Erfahrungen Jugendlicher (vgl. Gennerich 2012b, S. 228). Die emotionale Kompetenz, besonders das eigene Vertrauen in sich selbst und die persönlichen Fähigkeiten (vgl. Fend 2000, S. 213), wird u.a. in der Übertragung der Erzählung auf die individuelle Lebenswelt gestärkt. Die Jugendlichen können, wie oben beschrieben, ihr eigenes Lebenskonzept sowie ihr Bild von sich durch die Gestalten und

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Erzählen im Religionsunterricht

die Abläufe der Erzählung spiegeln und somit die individuelle Persönlichkeit überdenken, aber auch Anerkennung und gelungene Aspekte ihres bisherigen Lebens entdecken und wertschätzen (vgl. Niehl 2006, S.  60f). Hierbei wird die Ressource des Erfolges gefördert (vgl. Niehl 2006, S. 60ff; vgl. Fend 2000, S. 213). Das Selbstverständnis eines jeden Menschen ist narrativ strukturiert. Durch Geschichten und ihre Figuren kann jeder Mensch verschiedene und komplexe Identitätsvorstellungen betrachten und beurteilen. Biblische Geschichten bieten dabei einen Rahmen, um verschiedenste Emotionen durchzuspielen. Gerade Emotionen, die sehr belastend sind und im Alltag nur selten angesprochen werden, greifen Geschichten auf. Jugendlichen, welche so empfinden, können diese Geschichten eine Stütze sein. Es muss nicht selbst erzählt werden, was in einem vorgeht, sondern jeder kann das Erlebte mithilfe der Geschichte zuerst für sich überdenken (vgl. Gennerich 2012b, S. 228f). In biblischen Geschichten können Selbstbeobachtung und Selbsterkenntnis erfolgen. Es findet eine Diagnose der Ist-Soll-Abweichungen statt, und die in der Geschichte dargestellten Deutungsmuster können bei Jugendlichen Selbstkorrekturen und Wachstumsprozesse ermöglichen. Auch wahrgenommene Selbstdiskrepanzen zwischen dem, wie man sich sieht, und dem, wie man wirklich ist, können am Beispiel der biblischen Geschichten realisiert und überdacht werden. Besonders interessant ist hierbei, dass die Bibel in ihren Geschichten Möglichkeiten aufweist, Selbstdiskrepanzen nicht allein aus eigener Kraft, sondern mit Hilfe des heilsamen Handelns Gottes zu überwinden. In diesem Fall kann das eigene Selbstbild des Jugendlichen auch dann positiv ausfallen, wenn das individuelle Handeln zur Veränderung der eigenen Verhaltensmuster nicht erfolgreich war (vgl. Gennerich 2012c, S. 137). Darüber hinaus ermöglicht das Hören einer Geschichte, sich in die Gefühlswelt einer anderen Person hineinzuversetzen, und stärkt somit die emotionale Kompetenz (vgl. Niehl 2006, S. 61f). Die letzte zu stärkende Ressource ist die der sozialen Stützsysteme (vgl. Fend 2000, S. 213). Diese Ressource wird besonders durch den Kontext Gruppe gestärkt.

Relevanz biblischer Geschichten für Jugendliche – Zusammenschau

In der Adoleszenz werden biblische Geschichten überwiegend als weltfremd wahrgenommen (vgl. Gennerich 2012b, S. 226). Dennoch benötigen Jugendliche Geschichten (vgl. Langenhorst 2013, S. 608). Im Verlauf der Jugendphase werden Jugendliche mit verschiedensten altersspezifischen Entwicklungsaufgaben konfrontiert (vgl. Hurrelmann & Quenzel 2013, S. 28). Fend formuliert für diese Phase acht relevante Entwicklungsaufgaben. Neben dem Aufbau neuer Beziehungen, der Weiterentwicklung der Identität, dem Ablösen vom Elternhaus, der Annahme des eigenen Körpers und der

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Entwicklung eigener Werte gehört auch das Aufbauen eines ethischen Systems zu den formulierten Entwicklungsaufgaben. Jeder Zeit und an jedem Ort werden diese Entwicklungsaufgaben mit unterschiedlichen Menschen aufgenommen und bewältigt. Wie Fend definiert, gibt es zur Bewältigung der altersspezifischen Entwicklungsaufgaben vier verschiedene Ressourcen, welche gestärkt werden können und die durch diese Stärkung die Bewältigung der Herausforderungen für Jugendliche erleichtern. Fend gliedert diese in: soziokognitive und emotionale Kompetenzen, soziale Stützsysteme und Erfolge (vgl. Fend 2000, S. 210–215). Zu bedenken ist, dass Jugendliche sich weiterentwickeln wollen bzw. die Gesellschaft dies von ihnen fordert (vgl. Hurrelmann & Quenzel 2013, S. 28f). Sie sind darum auf der Suche nach Bewältigungsstrategien, Lösungsmöglichkeiten und Deutungsmodellen ihrer Situation (vgl. Fend 2000, S. 217). Gesucht werden jene nicht nur innerhalb der Familie, sondern auch in den Freizeitaktivitäten, wie z.B. der Jugendgruppe einer Gemeinde (vgl. Hurrelmann & Quenzel 2013, S. 25). Die Freizeitaktivität und ihre Inhalte sind sodann relevant, wenn sie den Jugendlichen die Möglichkeit eröffnen, neue Bewältigungsstrategien und Deutungsmuster zu entdecken und bereits angeeignete zu erproben (vgl. Hurrelmann & Quenzel 2013, S. 188f). Im Hören der biblischen Geschichten können Jugendliche die Charaktere der Geschichte als Modellcharaktere ihrer eigenen Deutungsmuster und Bewältigungsstrategien wahrnehmen. Hierbei kann Identifikation mit jenen Charakteren stattfinden. Dass Jugendliche ihre eigenen Problemstellungen in denen der biblischen Gestalten entdecken und dadurch eine Erweiterung ihrer Handlungsoptionen gefördert wird, ist eine Folge der Identifikation mit den biblischen Charakteren. Wird die individuelle Lebenssituation in den biblischen Geschichten wiedergefunden, findet eine Übereinstimmung der Geschichtsinhalte mit den altersspezifischen Entwicklungsaufgaben statt und jene Tatsache bedingt die Relevanz der biblischen Geschichten für Jugendliche (vgl. Gennerich 2012b, S. 228). Die Charaktere der Geschichte werden zum Spiegel des eigenen Lebens und der eigenen Entwicklung. So können die Entwicklungsaufgaben und deren individuelle Bewältigung mit Hilfe der Geschichten überdacht oder verändert werden (vgl. Niehl 2006, S. 57–65). Neben der Übereinstimmung mancher Inhalte biblischer Geschichten mit den Lebenssituationen von Jugendlichen bieten gelungen erzählte biblische Geschichten die Möglichkeit, die Ressourcen der Jugendlichen zur Bewältigung ihrer altersspezifischen Entwicklungsaufgaben zu stärken. Unter anderem wird die soziale Kompetenz dadurch gestärkt, dass sich Jugendliche beim Hören einer Geschichte in die Gestalten dieser hineinversetzen müssen (vgl. Niehl 2006, S. 57–65). Des Weiteren kann die Gruppe Räume zum Verändern und Austesten der Bewältigungsstrategien öffnen (vgl. Langhorst

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Erzählen im Religionsunterricht

2013, S. 608). Neben der Diskussion gegenseitiger Verantwortungsübernahme, Beziehungsgestaltung zu Gleichaltrigen (vgl. Ostermann & Weingardt 2013, S. 358–362) und dem Umsetzen von Kommunikations- und Kooperationskompetenzen (vgl. Fend 2000, S. 213) unterstützt der Kontext Gruppe die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben und die Förderung der Ressourcen u.a. auch durch das dortige Erleben von Anerkennung (vgl. Ostermann & Weingardt 2013, S. 362–363). Die Relevanz der biblischen Geschichten durch die Übereinstimmung der Geschichtsinhalte mit den Lebenssituationen der Jugendlichen sowie die Ressourcenstärkung zur Bewältigung der altersspezifischen Entwicklungsaufgaben, also die Wirkung der Geschichte, wird jedoch nur dann erreicht, wenn die biblischen Geschichten verantwortungsvoll erzählt werden (vgl. Schmidt 2008,  S.  162ff). Dazu gehören die richtige Vorbereitung, die Auswahl, die Durchführung sowie die weiterführende Vertiefung der Geschichte innerhalb der Gruppe.

Erzählung zu Zachäus (von Franziska Grausam) (Anforderungsniveau

Grundschule) „Das hier ist Zachäus. Zachäus sitzt wie jeden Tag an seinem Stadttor in Jericho und sammelt die Zölle ein von den Menschen, die in die Stadt wollen. Die Stadt gehört nämlich den Römern. Und die verlangen von jedem, der auf dem Markt in Jericho Waren verkaufen möchte, Zoll. Dafür bestimmen sie jeden Tag aufs Neue, wie viele Münzen bezahlt werden müssen. Zachäus ist einer von den Zöllnern, die immer am Stadttor sitzen und die Zölle für die Römer verlangen. Aber Zachäus ist nicht einfach ein normaler Zöllner … Er ist Oberzöllner! Das heißt, dass er alle Zollstationen in ganz Jericho von den Römern gepachtet hat. Es kommt also niemand in die Stadt, um Waren zu verkaufen, ohne dass er/sie bei einer der Zollstationen von Zachäus vorbeikommt. Zachäus ist nicht so beliebt bei den Menschen. Er verlangt nämlich immer mehr Zoll, als die Römer verlangen würden und bereichert sich damit. Jeden Tag verlangt er anstatt zum Beispiel 2 Münzen, 5 Münzen. Zachäus ist deshalb ganz schön reich. Und kann sich alles kaufen, was er möchte. Die anderen Menschen sind deshalb aber nicht so freundlich zu ihm. Heute sitzt Zachäus wieder, wie jeden anderen Tag auch, an seinem Stadttor. Aber irgendwas, irgendwas ist heute anders. Es kommen sooo viele Menschen, ganz ganz viele Menschen. Alle wollen in die Stadt, ganz plötzlich viel mehr als sonst. Zachäus wundert sich: ‚Was wollen die denn alle hier?? Und warum sind die alle so aufgeregt?‘ Dann hört Zachäus mal genau hin, was die ganzen Menschen reden.

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‚Der Jesus, der Jesus ist in der Stadt. In unserer Stadt!! In Jericho! Schnell, kommt, beeilt euch, wir müssen schnell zu Jesus!‘ Als Zachäus das hört, denkt er: ‚Den Jesus, den möcht ich auch sehen! Ich muss mich unbedingt auch auf den Weg in die Straße machen, in der Jesus ist.‘ Also geht Zachäus weg von seiner Zollstation und beeilt sich, und geht ganz schnell in die Straße, von der alle geredet haben. Zachäus kommt in der Straße an, und dann waren da schon soooo viele Menschen. Alle standen da und haben Jesus zugehört. Und Zachäus, der steht ganz hinten. Zachäus denkt sich: ‚Oh Mann, wäre ich doch nur schon früher losgegangen. Jetzt steh ich hier hinter diesen ganzen Menschen. Wie soll ich da nur jemals Jesus sehen können.‘ Und Zachäus reckt und streckt sich, versucht über die Leute drüber zu schauen, um Jesus zu sehen. Aber das alles bringt nichts. Er ist einfach zu klein und steht viel zu weit hinten. Dann denkt sich Zachäus: ‚Komm, ich frag einfach die anderen, ob die mich vorbei lassen können ... wenn ich weiter vorne stehe, kann ich Jesus bestimmt sehen‘. Zachäus fragt die Menschen: ‚He du, darf ich mal vor, damit ich den Jesus auch sehen kann? Ich bin nicht so groß wie du und sehe hier hinten gar nichts.‘ Aber keiner von den Leuten will den Zachäus vorlassen. Alle sagen: ‚Dich? Dich lass ich doch nicht vor. Du verlangst immer so viele Münzen von mir. Du ziehst mir mein ganzes Geld aus der Tasche! Dich lass ich sicher nicht vor.‘ Die Menschen mögen Zachäus einfach nicht, weil er immer so viel Geld von ihnen verlangt. Zachäus kann das ja auch verstehen, das war ja auch doof von ihm. Aber jetzt, jetzt würde er so gerne Jesus sehen und niemand lässt ihn vor. Und dann schaut sich Zachäus um und denkt sich: ‚Wie schaff ich das denn jetzt? Ich kann an den ganzen Menschen ja auch nicht vorbeilaufen, die stehen ja die ganze Straße voll!‘ Zachäus schaut sich um und dann entdeckt er einen Maulbeerbaum. Und der ist gar nicht so weit weg von ihm. Mit viel Glück kann er sich durch die Menschenmenge zwängen, hin zu dem Maulbeerbaum. Ein Maulbeerbaum ist ein Baum mit einem ganz kurzen dicken Stamm und vielen ausladenden Ästen. Zachäus denkt sich: ‚Der Baum ist perfekt! Auf den kann ich gut hochklettern, dann bin ich viel höher als die ganzen Menschen und von oben sehe ich bestimmt den Jesus.‘

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Erzählen im Religionsunterricht

Zachäus zwängt sich durch die Menschenmenge bis hin zu dem Maulbeerbaum und klettert auf ihn. Und Zachäus sitzt oben in dem Baum, der hat ganz ganz viele Blätter, sodass Zachäus von unten kaum zu sehen ist. Und da sitzt Zachäus in dem Maulbeerbaum, und endlich kann er den Jesus sehen und hören, er sieht, was der da vorne macht und kann über alle Menschen einfach drüber schauen. Aber plötzlich, plötzlich fängt Jesus an, sich zu bewegen! Jesus läuft los, hin in Richtung Zachäus. Und Zachäus wundert sich: ‚Wo will denn der Jesus jetzt plötzlich hin ... gerade jetzt, wo ich ihn endlich sehen und hören kann.‘ Jesus bewegt sich immer mehr in Richtung Zachäus und läuft an den anderen Menschen vorbei. So langsam bekommt Zachäus fast bisschen Angst: ‚Warum kommt Jesus hier her, was will der von mir? Mag der mich vielleicht auch nicht und will mir auch einen fiesen Spruch reindrücken, wie alle anderen?’ Zachäus wird ganz nervös, desto näher Jesus kommt. Und plötzlich, plötzlich bleibt Jesus direkt unter dem Baum, in dem Zachäus sitzt, stehen. Und Jesus sagt: ‚Zachäus, komm da mal ganz ganz schnell runter von dem Maulbeerbaum! Heute will ich mit dir nach Hause gehen und mit dir zu Abend essen!‘ Und Zachäus ist voll erschrocken: ‚Was? Der Jesus hat mich angesprochen? Mich? Und woher weiß der meinen Namen? – Aber, warte mal, hat Jesus grade echt gesagt, er will mit mir nach Hause kommen? Mit mir? Es will doch nie jemand mit mir nach Hause kommen! Und jetzt? Jetzt auch noch Jesus?‘ Zachäus freut sich riesig und klettert ganz, ganz schnell den Baum runter. Und Zachäus kommt unten an und geht mit Jesus zu sich nach Hause. Und die beiden sind bei Zachäus zu Hause, essen zusammen zu Abend. Zachäus hat was ganz, ganz Leckeres für die beiden gekocht. Und sie verbringen einen richtig schönen Abend zusammen. Die Menschen in der Stadt, die haben das alles mitbekommen. Die finden das gar nicht toll, dass Jesus gerade mit Zachäus mitgeht. Sie sagen: ‚Was will denn der Jesus bei dem Zachäus, bei dem Sünder, bei dem, den wir alle nicht mögen, und der uns unser ganzes Geld aus der Tasche zieht? Der, der so reich ist und keine Rücksicht auf uns nimmt.‘ Die Menschen ärgern sich sehr: ‚Der Jesus sollte eher zu uns kommen, wir sind nett, wir sind eine Gemeinschaft. Nicht zu Zachäus.‘ Gegen später am Abend gehen Zachäus und Jesus wieder zurück auf die Straße. Zachäus hört, dass die anderen sich alle ärgern, dass Jesus nicht zu ihnen, sondern zu Zachäus mitgekommen ist. Aber Zachäus ignoriert das. Denn in Zachäus hat sich was verändert. Durch die Begegnung mit Jesus

Erzählen im Religionsunterricht 241

hat Zachäus eingesehen, dass das, was er gemacht hat, falsch war. Und er beschließt, sich zu ändern. Und Zachäus sagt zu den Leuten: ‚Ich muss mich bei euch entschuldigen. Das war echt doof, was ich gemacht hab, dass ich immer so viel mehr Zoll von euch verlangt hab! Ich möchte alles, was ich euch zu viel weggenommen hab, alles, was ich mehr verlangt hab als die Römer wollten, das möchte ich euch vierfach zurückgeben. Und alles, was von meinem Reichtum dann noch übrig ist, möchte ich den Armen spenden.‘ Die Menschen wundern sich: ‚Was ist denn jetzt plötzlich los? Seit wann ist der Zachäus denn so nett zu uns? Und so hilfsbereit? Und plötzlich will er uns unser Geld zurückgeben? Und nicht nur das, er will es uns gleich vierfach zurückgeben!‘ Jesus sieht sich das mit an, und findet es ganz toll, dass Zachäus einsieht, dass das, was er gemacht hat, falsch war und dass er sich ändern möchte. Dass er seinen Reichtum abgeben möchte, weil er ihn nicht mehr braucht. Und Jesus sagt zu Zachäus: ‚Zachäus das ist so gut, was du vorhast! Ich möchte, dass du, deine ganze Familie, dein Haus, deine Tiere und alles was du hast, dass es denen gut geht. Dass sie Heil erfahren, dass sie gesund sind und dass ihnen nichts Schlechtes passiert.‘ So hat das Treffen mit Jesus Zachäus verändert. Er hat seine schlechten Taten eingesehen, sich entschuldigt, und den Menschen alles, was er ihnen weggenommen hat, und noch mehr, zurückgegeben. Zachäus war plötzlich ein anderer Mensch.“

Bilder © Franziska Grausam

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Bilder © Franziska Grausam

Erzählen im Religionsunterricht

3

Singen und Basteln im Religionsunterricht

3.1

Singen im Religionsunterricht

Vor allem Grundschüler:innen singen gerne und mit Begeisterung – vorausgesetzt, sie werden gut angeleitet und die Liedauswahl entspricht dem Alter und den Klassenvoraussetzungen. Die Grundfrage ist immer: Welches Ziel verfolge ich als Lehrperson mit dem Lied? Hier ein paar praktische Tipps rund um das Singen im Religionsunterricht: – Eine Gitarrenbegleitung ist sehr gut – aber es kann auch ohne Begleit­ instrument gesungen werden! Wenn Gitarre gespielt wird, ist darauf zu achten, dass die Klasse trotzdem im Blick bleibt! Während des Singens können Lernende, die beginnen, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen, mit einem Blick fixiert werden. Dies reicht gewöhnlich aus, sie zum Mitsingen zu motivieren. – Lernenden ein neues Lied lehren 1. Liedauswahl: Das Lied muss der Altersstufe entsprechen und zum Thema oder der Jahreszeit passen. Welches didaktische Ziel verfolge ich als Lehrperson mit dem Lied? Missionarische Lieder haben im Religionsunterricht nichts zu suchen! 2. Die Lernenden den Text vorlesen lassen. Können die Kinder noch nicht lesen, muss der Text so einfach sein, dass er schnell auswendig gelernt werden kann. In diesem Fall liest die Lehrperson den Text vor.

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Singen und Basteln im Religionsunterricht

3. Unbekannte Begriffe im Text klären. 4. Bei langen Liedern mit Refrain den Lernenden zunächst den Refrain vermitteln – so haben sie nach jeder Strophe die Freude darüber (auch wenn sie bei den Strophen nicht optimal mithalten konnten), wieder kräftig singen zu können. 5. Darauf achten, dass die Lernenden wissen, wann sie singen müssen. Dies fällt Lernenden besonders schwer, wenn es Wiederholungen gibt. Hierauf müssen die Lernenden hingewiesen werden. Kanon: Ein Kanon muss zunächst gut und einstimmig geübt werden, um sich dann schrittweise dem Singen mit mehreren Stimmen zu nähern. 1. Schritt: Die Klasse singt allein, ohne Lehrperson; 2. Schritt: Die Klasse singt eine, die Lehrperson die zweite Stimme; 3. Schritt: Die Klasse in 2 Gruppen aufteilen, bei der schwächeren Gruppe singt die Lehrperson mit usw. Bewegungslieder: Bewegungslieder fördern das Rhythmusgefühl, die Koordination und die Konzentration auf den Text. Ist das Bewegungslied altersgemäß, sind die Lernenden begeistert. Bei älteren Lernenden ist es ratsam, auf Klatschrhythmen in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden umzustellen. Tricks: Wollen die Lernenden beim Singen nicht so recht in Gang kommen, gibt es einige Tricks, die häufig funktionieren: 1. Die Lernenden werden aufgefordert so laut (aber ohne zu brüllen) zu singen, dass die Lehrperson im Nachbarzimmer es hört. Nach der Stunde wird diese befragt, ob sie es gehört und wie es ihr gefallen hat. Funktioniert auch, wenn die Lernenden aufgefordert werden, so laut, kräftig und schön zu singen, dass sich die Spaziergänger oder Nachbarn draußen wundern. 2. Die Strophen innerhalb der Lerngruppe aufteilen, der Refrain wird gemeinsam gesungen. Schaffen es die Gruppen gleich laut und gleich schön zu singen (ohne zu brüllen)? 3. Vor jeder Strophe wird die Lautstärke angegeben, in der gesungen werden soll. Das gelingt gut entlang einer Skala: 1 bedeutet ganz leise, 5 ganz laut – die Klasse muss dies umsetzen. 4. Bei Liedern, die sehr häufig gesungen werden, die Klasse herausfordern und den Versuch starten, auswendig zu singen. Der Einsatz von Rhythmusinstrumenten bringt Abwechslung ins Singen. Aber Vorsicht: Instrumente erst nach klaren Instruktionen ausgeben, ansonsten bricht Chaos aus. Lieber weniger Instrumente, dafür mit wechselnden Spielenden, da die Begleitung sonst lauter als der Gesang zu werden droht.

Singen und Basteln im Religionsunterricht 245

Liederbuchtipp für Kinder: Andreas Ebert (Hg.): Das Kinderliedergesangbuch, Claudius Verlag, München 1999 (Das Standardwerk – hier finden sich Lieder zu jedem Anlass, dazu schöne Texte und Gebete).

3.2

Basteln im Religionsunterricht

Es gibt tausend verschiedene Möglichkeiten, im Religionsunterricht zu basteln. Am Anfang steht auch hier wieder die Frage nach dem Ziel der Bastelarbeit und deren Verortung in der Themeneinheit. Des Weiteren gilt natürlich auch hier, dass die Bastelarbeit dem Alter der Lernenden angepasst sein muss. Bei jeder Bastelarbeit kommt es im Detail auf etwas anderes an. Deshalb an dieser Stelle nur einige Tipps, die für alle Bastelarbeiten gelten. – Die Aufgabenstellung/Arbeitsanweisung muss klar und eindeutig sein. Bei komplizierten Basteleien ist es gut, den Lernenden eine schriftliche Anleitung zu geben. – Material muss in ausreichender Menge vorhanden sein (Scheren, Linkshänderscheren, Klebstoff, Schablonen, Tonpapier usw.). Dazu gehören auch Dinge wie Malunterlagen oder Malerkittel! – Um Chaos zu vermeiden, muss die Bastelarbeit soweit vorbereitet sein, dass gleich von allen begonnen werden kann und nicht erst noch große Bögen Tonpapier zerschnitten werden müssen o.ä. – Die Lernenden müssen eine klare Zeitvorgabe bekommen. Die Lehrperson entscheidet, inwieweit unvollständige Bastelarbeiten im Unterricht oder zuhause fertiggestellt werden können. – Die Lehrperson muss Vorsorge treffen, um Lernende zu beschäftigen, die schneller fertig sind als andere. Dies kann entweder durch einen gestaffelten Bastelauftrag geschehen, d.h., es gibt eine Basisaufgabe, die von allen erledigt wird, und die „Kür“ für die routinierteren Bastlerinnen und Bastler. Die Lehrperson hält mit Blick auf einen zieldifferenten Unterricht Zusatzaufgaben, besser noch schüler:ingerechte Aufgaben für die unterschiedlichen Niveaus bereit. Kleinere Bastelarbeiten können auch in eine Kooperationsaufgabe verpackt werden. Die Aufgabe lautet dann beispielsweise: Die Klasse muss in der Unterrichtsstunde das Puzzle ausgeschnitten, zusammengesetzt und ins Heft geklebt haben. Wer fertig ist, bekommt den Auftrag, anderen dabei zu helfen. Dabei darf nur geflüstert werden. Jedes Mal, wenn laut gesprochen wird, kommt ein Strich an die Tafel. Gelingt es der Klasse, diese Aufgabe

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Singen und Basteln im Religionsunterricht

zu erfüllen und am Ende der Stunde weniger als 10 Striche an der Tafel zu haben, startet die nächste Religionsstunde mit einem Wunschspiel. – Wird eine Bastelarbeit in einer Stunde nicht fertig, brauchen die Lernenden klare Anweisungen, was mit den begonnenen Basteleien zu geschehen hat. Wichtig dabei: Auf jedes Einzelteil muss der Name geschrieben werden! – Nicht vergessen: Zeit zum Aufräumen einplanen! – Ein Hinweis zum Schluss: Eine Bastelarbeit kann zu einem „Bedeutungsträger“ werden, anhand dessen sich die Lernenden an eine bestimmte Sache erinnern. Allein durch die eigene Herstellung identifizieren sich die Lernenden mit einer Bastelei, sind stolz darauf. Je mehr der Sinn und das Ziel einer Arbeit den Kindern plausibel sind und deutlich gemacht werden, und je mehr die Bastelarbeit nach der Herstellung im Unterricht Anwendung findet, um so mehr verbinden die Lernenden Gelerntes miteinander und können erworbenes Wissen situativ leichter abrufen.

Kreatives Arbeiten mit Knete

Knete ist – nicht nur für Kinder – ein Material mit hohem Aufforderungscharakter. Es ermöglicht einfache kreative Methoden zu jedem Thema und ist eine echte Alternative zum Methodenklassiker „Bilder malen“. Einige Ideen der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Knete: – Als Einstieg in ein Thema Begriffe verteilen und kneten lassen; die Lernenden erraten die Kunstwerke der anderen und bringen sie später in Bezug zum Thema. – Szenen aus biblischen Geschichten kneten und die restliche Gruppe raten lassen. Alternativ: Die Szenen in der Gruppe verteilen und die gesamte Geschichte in ihrer Reihenfolge kneten und aufstellen. – Ein anfänglich gemeinsam gestaltetes Gesamtbild zu einem Thema/ einer Geschichte (z.B. auf einem Brett oder Tablett) jede Stunde betrachten und entsprechend dem Fortgang der Geschichte ergänzen/ verändern. – Träume/Vorstellungen kneten lassen: „Meine Traumkirche“, „Mein Bild von Gott“, „Meine Himmelsvorstellung“ … – Buchstaben kneten, um einem Kunstwerk einen Titel zu geben. – Fotos der Kunstwerke anfertigen und für Postkarten, Arbeitsblätter, PPT-Präsentationen, Fotostory … verwenden. Beim Fotografieren bitte auf den Hintergrund achten, damit die Szene gut erkennbar ist. – Aus vielen einzelnen Fotos einen Slowmotion-Clip anfertigen.

Singen und Basteln im Religionsunterricht

247

Umgang mit Knete – Beim Kneten auf eine gute Unterlage achten, um Knete-Schmierfilme auf Tischen und Heften zu vermeiden. – Fertige Kunstwerke nicht in der Sonne lagern! – Beim Auseinanderbau von Kunstwerken auf Farbtrennung achten und ein Behältnis für untrennbare Farbmischungen bereitstellen. – Knete von Zeit zu Zeit ersetzen. – Den Lernenden im Vorfeld deutlich machen, was mit dem Kunstwerk geschieht: darf es mitgenommen werden, wird es fotografiert, wird es nach seiner Verwendung einfach wieder aufgelöst … – Nur Mut beim selbstbewussten Einsatz von Knete in Sekundarstufe I und II! In der Regel gibt es zu Beginn einige Kommentare wie „Ich habe Knete zuletzt im Kindergarten angefasst!“ – sobald das Kneten losgeht, sind alle Lernenden begeistert bei der Sache und die Ergebnisse sind beeindruckend. Bei älteren Lernenden kann die Motivation gesteigert werden, indem sie darauf hingewiesen werden, dass aus Fotografien der Kunstwerke Postkarten o.ä. erstellt werden.

Medien/Materialien

Medien sind „Vermittler“, die den Lernenden den Lernstoff vermitteln. Beispielsweise ein Film, eine Folie, ein Arbeitsblatt ... Das wichtigste Medium einer Lehrperson ist der eigene Körper! (der muss aber nicht extra in dieser Spalte vermerkt werden). Der Unterschied zum Material besteht darin, dass Medien einen tatsächlichen Inhalt vermitteln, Materialien sind Hilfsmittel, die den Medien dienen. Im Unterrichtsschema ist für jeden Unterrichtsschritt eine vollständige Liste aller benötigten Medien und Materialien zu führen. Auf diese Weise ist vor Unterrichtsbeginn auf einen Blick feststellbar, ob alles, was für einen reibungslosen Ablauf der Stunde benötigt wird, vorhanden und am richtigen Ort ist. Erstellen eines Lapbooks (in Zusammenarbeit mit Henrike Stahlhut): Was sind Lapbooks? Lapbooks werden in Deutschland auch als Mini- oder Klappbücher bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine Art Portfolio zu einem festgelegten Thema. In einem aufklappbaren Umschlag befinden sich in einem Lapbook die verschiedensten Arten von eingeklebten oder eingehefteten Innenteilen, wie z.B. Leporelloelemente, Taschen, Klappen, Fächer oder Kreisscheiben, die das Hauptthema näher erläutern. So finden viele Informationen auf kleinstem Raum Platz. Meist steht der Inhalt der Klappbücher in einem gewissen Rahmen fest. Die Lernenden müssen das Thema so aufbereiten, dass die wichtigsten Punkte in abstrahierter Form abgebildet werden.

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Singen und Basteln im Religionsunterricht

Der Umschlag: Viele Lapbooks werden in einem DIN A4-Format gestaltet. Das erlaubt es auch, z.B. komplette Arbeitsblätter einzukleben. Im Grunde ist aber jedes Format möglich, egal ob quadratisch, rechteckig oder rund. Manche Lapbooks öffnen sich wie ein Buch, andere wie ein zweiflügliges Tor oder haben oben, unten und an den Seiten Klappen. Zusätzliche Klappen bzw. Seiten im Innern erweitern die Grundfläche des Minibuchs. Damit das Buch geschlossen bleibt, können Verschlüsse aus Papierlaschen zum Ineinanderschieben gebastelt oder selbstklebende Klettbänder verwendet werden. Das Innenleben: Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Anregungen lassen sich beispielsweise im Internet (Pinterest, YouTube etc.) finden. Zusätzlich gibt es zahlreiche Lehrmaterialien und Bücher zum Basteln von Lapbooks. Vorlagen mit Bastel- und Faltanleitungen zum Ausdrucken lassen sich unter anderem finden auf: – zaubereinmaleins.de – homeschoolshare.com Präsentation des Lapbooks: Den Abschluss der Arbeit an einem Lapbook stellt häufig die Präsentation der Ergebnisse dar. Weil die Schüler:innen in der Regel ziemlich stolz auf das Resultat ihrer Arbeit sind, haben die allermeisten an der Vorstellung Spaß. Während sie das Lapbook präsentieren, wiederholen sie nochmals den Lernstoff und verinnerlichen ihn. Außerdem können die Lernenden die Lapbooks ihrer Mitlernenden präsentieren. So befassen sie sich nochmals mit den Inhalten, die ja in jedem Buch etwas anders und mit unterschiedlichen Schwerpunkten wiedergegeben werden. Wenn die Lapbooks von der Lehrperson eingesammelt werden, empfiehlt sich ein Bewertungsbogen.

Singen und Basteln im Religionsunterricht 249

Bewertungsbogen für dein Lapbook Name: _____________________________________ Klasse: __________ Thema: ___________________________________________________ __ Arbeitsweise Du hast selbstständig und konzentriert gearbeitet.

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Du hast die vorgegebenen Elemente bearbeitet und eingeklebt.

1

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Du hast inhaltlich richtig gearbeitet.

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Du hast eigene Ideen eingebracht.

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Du hast detailliert ausgeschnitten und gestaltet.

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Du hast korrekt beschriftet/ergänzt.

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Deine Minibücher sind übersichtlich angeordnet.

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Dein Deckblatt ist passend gestaltet.

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Inhalt 5

Gestaltung

Gesamtbewertung: ______ / 40 Punkte Das möchte ich dir noch sagen: ____________________________________________________________ ____________________________________________________________ ____________________________________________________________ Bewertung: 1–5 = „weniger gut“ bis „sehr gut“

250

3.3

Singen und Basteln im Religionsunterricht

Arbeit mit Stabpuppen (Doreen Wössner)

3.3.1 Geschichten mit Stabfiguren erzählen „Der barmherzige Samariter“ (Lk 10,25–37) Das Figurentheater mit zweidimensionalen Stabfiguren Die Methode des Figurenspiels ermöglicht, die Inhalte einer (biblischen) Geschichte zu einem anschaulichen Erlebnis für Lernende zu machen. Im Unterschied zu einem gängigen Unterrichtsgespräch oder einer reinen Erzählung, macht das Spielen mit Stabfiguren das Geschehen der Geschichte für die Lernenden greifbarer und fördert somit das konzen­ trierte Zuhören. Beim Spielen mit zweidimensionalen Stabfiguren werden, wie der Name schon sagt, handtellergroße Flachfiguren an Stäben von oben geführt und auf einer kleinen Bühne mit Kulissenbildern bewegt. Die Lernenden werden dazu angeregt, sich kognitiv und affektiv mit der Rolle der Figur auseinanderzusetzen und sich mit ihr zu identifizieren. Dadurch kann die Geschichte für die Lernenden zu einem ganz besonderen Erlebnis werden.

Methodische Hinweise Spiel mit Stabfiguren Beim Stabfigurentheater ist zu beachten, dass die Figuren viel bewegt werden (schnell gehen, langsam gehen, ruckartig bewegen, drehen, springen …). Ansprechend ist es, wenn für die einzelnen Figuren je eine bestimmte Bewegungsart entwickelt wird. Die Figuren sollten dabei deutlich auf- und abtreten und nicht auf einmal auf der Spielfläche erscheinen und wieder verschwinden. Die Stabfiguren müssen aufgrund ihrer Zweidimensionalität immer parallel zum Bühnenbild geführt werden, da sie nur in ihrer Flächigkeit erkannt werden. Um den Blick und die Aufmerksamkeit des Publikums auf die gerade agierende Figur zu lenken, ist es wichtig, dass die Spielenden ihren Blick gleichsam auf die Figuren ausrichten, sowohl beim Sprechen als auch während der Bewegungen oder inszenierten Geräuschen. Wird hingegen eine Textpassage gelesen, so richten die Spielenden ihren Blick ins Publikum, um Kontakt mit diesem aufzunehmen und auch mögliche Störungen beachten zu können. Nicht zu unterschätzen ist die noch größere Wirkung des Figurentheaters durch die Veränderung der Stimme der Spielenden, indem für jede Stabfigur eine eigene Stimme und Sprechart entwickelt wird.

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Herstellung von Stabfiguren Die Methode des Stabfigurentheaters eignet sich gut für den Religionsunterricht, da die zweidimensionalen Figuren relativ unkompliziert gebastelt werden können. Die Figuren können frei gezeichnet oder anhand von speziellen Kopiervorlagen hergestellt werden. Materialien für die Herstellung von Stabfiguren – weißes Papier (DIN A4, 170 g/m²) – Schere – Ausmalfarben – Holzstäbe, ca. 300 mm lang, ca. 2 mm dick, ca. 5 mm breit – (Alles-)Kleber – evtl. Büroklammern Arbeitsschritte für die Herstellung von Stabfiguren – Vor- und Rückansicht der Figur auf das weiße Papier zeichnen oder Figur-Vorlage kopieren, sodass zwei Figurenhälften entstehen. – Beide Figurenhälften anmalen. – Beide Figurenhälften ausschneiden. – Die Holzleiste auf die weiße Innenseite einer Figurenhälfte kleben. (Achtung: Den Stab so weit wie möglich auf die Figur kleben, um einen größeren Halt zu erzeugen.) – Beide Figurenhälften deckungsgleich aufeinander kleben und zusammendrücken. – Ca. 15 Minuten warten, bis der Klebstoff getrocknet ist. (Tipp: Um eine Verschiebung der beiden Figurenhälften während des Trocknens zu vermeiden, können diese mit Büroklammern fixiert werden.) – Überstehende Ränder an der Figur mit der Schere nachschneiden. – Die Ränder der Figuren bei Bedarf mit einem schwarzen Filzstift nachfahren (ergibt eine schärfere Kontur). Tipp: Einfache Stabfiguren können auch von den Lernenden selbst hergestellt werden. Dies motiviert, die erzählte Geschichte mit den eigenen Stabfiguren wiederholt darzustellen und zu vertiefen. Hinweise für die Herstellung der Kulisse Am einfachsten kann eine kleine Bühne mit einer Tischplatte gebaut werden, auf welcher die von oben geführten Stabfiguren zwischen der aufgestellten Kulisse agieren. Mit Tüchern und Naturmaterialien kann eine SpielLandschaft entworfen werden. Es können auch Kopier-Vorlagen vergrößert kopiert, auf einen Karton oder Pappe geklebt und ausgeschnitten werden.

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Singen und Basteln im Religionsunterricht

3.3.2 Unterrichtsentwurf „Der barmherzige Samariter“

(Doreen Wössner) Im Folgenden wird ein Unterrichtsentwurf zum Thema „Der barmherzige Samariter“ eines Religionsunterrichts in einer ersten Klasse vorgestellt. Lernziel der Unterrichtsstunde ist, dass die Lernenden anhand der Geschichte des barmherzigen Samariters lernen, was barmherziges Handeln bedeuten kann. Sie werden ermutigt zu versuchen, diese sozial-karitative Dimension der Nächstenliebe in ihren Alltag einzubringen. Aufgrund mehrerer agierender Personen in der Geschichte und der besonderen Landschaft, in der sie spielt, eignet sich diese Geschichte, um ein eindrückliches Stabfigurenschauspiel zu entwickeln. Das Wahrnehmen und Verstehen von Perspektivenwechseln setzt bei den Lernenden eine herausfordernde, kognitive Leistung voraus. Es ist daher sinnvoll, die Geschichte so zu formulieren, dass die Gefühle einer agierenden Person besonders hervorgehoben werden, um bei dieser den Identifikationsprozess der Lernenden zu intensivieren. Material und Kulisse Tisch, 1 schwarzes Tuch (Boden), 1 grünes Tuch (Wiese), 3 braune Tücher (Weg), große Steine (Felsen), kleine Kieselsteine (Weg), Jerusalemer Stadtmauer (aus Karton), Gasthaus (aus Karton), sonstige Kulisse (Schafe, Schafhütte, Brunnen, … ), Stabfiguren (Markus, verletzter Markus, Levit, Priester, Samariter, Gastwirt, Esel, 2 Räuber), Geldsäcke (an der Stabfigur „Markus“ befestigt) Tipp: Bei älteren Lernenden kann die Identität von Levit und Priester in der Erzählung näher erläutert werden. Der barmherzige Samariter Erzählperson: Das ist die Stadtmauer von Jerusalem. In der Stadt Jerusalem war heute jede Menge los. Viele Menschen arbeiteten auf dem Marktplatz in der großen Hitze – es war sehr anstrengend. Auch für Markus. (Stabfigur „Markus“ von rechts einführen) Das hier, das ist Markus. Markus ist Händler von Beruf und auch er war heute auf dem Marktplatz in Jerusalem und hat dort gearbeitet. Markus geht an der Stadtmauer entlang. Stolz schwingt Markus mit seinem Geldsäckchen. Er denkt sich: Markus: Puh, war das heute ein anstrengender Tag … Aber ein sehr erfolgreicher Tag! Ja, viel Geld habe ich heute verdient, mein ganzes Geldsäckchen ist voll. Dieses Geld dürfte die nächsten Tage für mich und meine Familie reichen. Oh! Stimmt ja, meine Familie, die wartet schon auf mich. Ich

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Erzählperson:

Markus:

Erzählperson:

Markus:

Erzählperson:

Räuber 1: Räuber 2: Räuber 1: Erzählperson:

sollte schnell nach Hause gehen. (Stöhnt) Puh, da habe ich aber einen langen, weiten Weg vor mir. 27 km sind es bis nach Jericho! Ja, Markus hat wirklich einen weiten und sehr schwierigen Weg vor sich. Es ist der Weg zwischen Jerusalem und Jericho. 27 km ist er lang. Markus läuft langsam los. Er atmet tief durch. Puh, dieser Weg ist so anstrengend. Diese Steine und hohen Wurzeln haben mich schon ein paar Mal zu Fall gebracht. Ich gehe diesen Weg überhaupt nicht gerne. (Stabfigur „Markus“ versucht langsam und stockend über die Steine zu laufen) Markus wundert sich. Heute ist der Weg sehr verlassen, und lange Zeit begegnet ihm kein Mensch. Immer wieder hält er an und dreht sich um. (Stabfigur „Markus“ immer wieder ruckartig drehen) Also, irgendwie ist mir heute gar nicht so wohl. Ich habe mitbekommen, dass auf diesem Weg anscheinend auch Räuber unterwegs sind, die den Menschen das Geld und die Kleider abnehmen. (Stabfigur „Markus“ schnell drehen) Huch, habe ich mein Geldsäckchen noch? Puh, ja, sehr gut. Es wird doch hoffentlich alles gut gehen. Markus ist erschöpft. Er beschließt, eine Pause zu machen. Er lehnt sich an eine Felswand (Stabfigur „Markus“ an einem Stein anlehnen und loslassen) und denkt an verschiedene Dinge: an die Gespräche, die er heute in der Stadt führte, an den unfreundlichen Zöllner, an die heiße Sonne. Markus ist so in Gedanken vertieft, dass er gar nicht merkt, dass er nicht mehr alleine auf dem Weg ist und sich gerade in einer extrem gefährlichen Situation befindet. (Stabfiguren „Räuber“ von der Mitte einführen) Zwei dunkle Gestalten schleichen sich langsam von hinten an. Sie sehen Markus. (flüstert) Hey, hast du auch dieses Geldsäckchen von diesem Mann gesehen? (flüstert) Oh ja, das holen wir uns! Ja, los! Du da lang, ich da lang! (Stabfiguren „Räuber“ langsam zum Stein führen) Es sind zwei böse Räuber, die Markus überfallen wollen und sich langsam von hinten an ihn heranschleichen. Markus ist so erschöpft, dass er die Geräusche der Räuber nicht bemerkt. (Pause) Doch auf einmal: Dusch! (Stabfiguren „Räu-

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Singen und Basteln im Religionsunterricht

ber“ werfen Stabfigur „Markus“ um) Markus bekommt mit einer Keule einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf. Er fällt um. Er sieht auf einmal gar nichts mehr, alles wird schwarz. Die Räuber schlagen noch ein paar Mal brutal auf Markus ein und rufen sich gegenseitig zu: Räuber 1: Hau noch einmal drauf, dass er sich ja nicht wehrt! Räuber 2: Ha, da haben wir das Geld! Räuber 1: Los, zieh ihm auch noch die Kleider aus, die sind auch wertvoll! Räuber 2: Oh ja, und jetzt lass uns schnell verschwinden! (Alle 3 Stabfiguren langsam wegziehen und die Stabfigur „verletzter Markus“ an den Stein lehnen). Erzählperson: Die Räuber laufen mitsamt dem Geld und den Kleidern von Markus weg und lassen Markus einfach am Straßenrand liegen. Markus blutet am Kopf, an den Beinen und Händen. Er hat fürchterliche Schmerzen. Vor seinen Augen sieht er viele kleine schwarze Punkte. Markus: (flüsternd, stotternd) Wwwas ist pppassiert – wwo bin ich? Erzählperson: Er fühlt sich ganz schwach und kann sich kaum noch bewegen. Lange liegt er so da. Nichts passiert. (Pause) Niemand kommt den Weg entlang und sieht Markus in seiner großen Not. Nichts rührt sich. Das einzige, was zu hören ist, ist das laute Stöhnen von Markus. (Stabfigur „verletzter Markus“ leicht bewegen und dabei stöhnen). Markus ist verzweifelt. Er braucht Hilfe, er hat solche Schmerzen. Markus: (schluchzt) Sieht mich denn hier niemand? Ich brauche Hilfe! Hilfe, ich habe Schmerzen, helft mir doch, helft mir doch! Erzählperson: Da! Tatsächlich – da kommt auf einmal ein Mann den Weg entlang (Stabfigur „Priester“ von rechts einführen). Auch er hat heute in Jerusalem gearbeitet und wandert sehr langsam den Weg nach Jericho hinauf. Er scheint sehr vertieft zu sein und schaut nur vor sich hin. Als er sich endlich Markus nähert, da … (Pause) läuft er einfach … (Stabfigur „Priester“ langsam an Stabfigur „verletzter Markus“ vorbeiführen) an ihm vorbei. Hat er Markus gar nicht gesehen? Hat er die große Not von Markus nicht erkannt? Hm, er läuft in Gedanken vertieft weiter. (Stabfigur „Priester“ verschwinden lassen). Doch da! Da kommt noch einmal ein Mann. (Stabfigur „Levit“ von rechts einführen/schnell laufen) Oh, der hat es aber eilig! Der Mann läuft so schnell es nur geht

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Levit:

Erzählperson:

Samariter: Erzählperson: Samariter: Erzählperson: Samariter: Erzählperson:

Samariter: Erzählperson: Gastwirt:

den schweren Weg herauf. Als er an Markus vorbeirauscht, bleibt er kurz stehen und dreht sich. (stottert) Oh, ein Verletzter … soll ich … aber ich … es wird sicher jemand anderes kommen, der ihm helfen kann … ich habe keine Zeit. (Stabfigur „Levit“ schnell verschwinden lassen). Und schon ist der Mann nicht mehr zu sehen. Markus kommt so langsam wieder zu sich. Er versucht, sich leicht zu drehen. (Stabfigur „verletzter Markus“ drehen). Doch da durchfährt ihn ein starker Schmerz. „Aaah!“ ruft er laut. Er schafft es einfach nicht alleine. Und da kommt noch einmal ein Mann. (Stabfigur „Samariter“ und „Esel“ einführen). Er hat einen großen schönen Esel dabei. Es ist ein Mann aus … (Pause) Samarien – Oh, ein Samariter. Markus und der Samariter sind Feinde. Die können sich überhaupt nicht leiden. Als der Samariter versucht, sich mit seinem Esel den schmalen, steinigen Weg entlang zu kämpfen, sieht er auf einmal Markus am Straßenrand liegen. Er wird immer langsamer. Nanu, liegt da etwa jemand? Oh, er blutet ja! Der Mann muss ja schon Ewigkeiten hier liegen! Schnell steigt der Samariter vom Esel und eilt zu Markus. Er rührt Markus an. Hallo, hallo! Kannst du mich hören? Markus bekommt ein leises „Hmm“ heraus. Auf einmal geht alles ganz schnell. Halte durch, ich werde dir deine Wunden verbinden, damit du nicht noch mehr Blut verlierst. Oh nein, dir geht es ja gar nicht gut, warte ich helfe dir! Der Samariter hat großes Mitleid mit dem Verletzten und nimmt sich viel Zeit, ihm zu helfen. Mit aller Kraft hebt der Samariter Markus auf seinen Esel und geht mit ihm weiter. (Stabfiguren dementsprechend zusammenführen). Der Samariter stützt Markus den weiteren Weg nach Jericho, bis sie endlich an einem Gasthaus ankommen. Der Samariter klopft an die Tür. (ruft) Bitte machen Sie auf, ich brauche ein Zimmer! Ich habe einen Verletzten gefunden, er muss dringend gepflegt werden! Der Gastwirt kommt heraus. (Stabfigur „Gastwirt“ aus dem Gasthaus einführen). Was ist los?

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Singen und Basteln im Religionsunterricht

Samariter: Schnell, ich muss dem Verletzen helfen! Gastwirt: Kommt schnell herein, ich habe noch ein Zimmer frei! Erzählperson: Die beiden dürfen in das Gasthaus hinein und der Samariter sorgt weiterhin für Markus. (Stabfiguren im Gasthaus verschwinden lassen). Nach einer Weile kommt der Samariter heraus und gibt dem Gastwirt Geld. Samariter: Sorge weiter gut für den Verletzten. Hier bekommst du Geld von mir. Wenn es mehr kostet, dann bezahle ich es, wenn ich zurückkomme. (Stabfigur „Samariter“ und Stabfigur „Esel“ verschwinden lassen). Erzählperson: Eine Nacht vergeht. Markus geht es langsam wieder besser. Die Schmerzen lassen nach, und er fühlt sich wieder besser. Doch er ist immer noch verwundert, wie wunderbar ihm dieser Samariter geholfen hat. (Stabfigur „Markus“ einführen). Markus: (begeistert) Wow, also dieser Samariter! – Wie der sich um mich gekümmert hat, obwohl ich eigentlich sein Feind bin. Er hat mir in meiner Not geholfen, obwohl er mich eigentlich gar nicht leiden kann. Er hat gezeigt, was es heißt, barmherzig zu handeln. Ja, auch ich möchte in Zukunft barmherzig handeln und anderen in ihrer Not helfen! Erzählperson: Und endlich konnte Markus zurück zu seiner Familie. (Stabfigur Markus verschwinden lassen).

Bild 1: Stabfigurenspiel (© Doreen Wössner)

Singen und Basteln im Religionsunterricht

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Bild 2: Tafelbilder (© Doreen Wössner)

Unterrichtsimpuls: Was bedeutet Barmherzigkeit? Um mit den Lernenden die Bedeutung des Barmherzigkeitsbegriffes herauszufinden, wird zusätzlich zur biblischen Geschichte „Der barmherzige Samariter“, in welcher barmherziges Handeln bereits dargestellt wurde, ein Transfer geleistet. Dazu wird eine Handpuppe eingesetzt, welche den Lernenden bereits durch vorherige Unterrichtsstunden bekannt ist. Die Handpuppe Quaki hat sich mit ihrem Freund Brummel gestritten und sie mag ihn jetzt überhaupt nicht mehr leiden und möchte nie mehr mit ihm spielen. Ihr Freund hat sich nun aber verletzt und braucht Hilfe. Quaki erzählt, dass sie an ihrem Freund vorbeigegangen ist, sie aber nun herausfinden möchte, wie sie barmherzig handeln könnte. Verschiedene Handlungsmöglichkeiten werden an der Tafel aufgeführt. Die Aufgabe der Lernenden ist es, Quaki zu helfen, barmherzig zu handeln. Sie wählen ein Bild und befestigen es neben Brummel. Ob die richtigen Bilder gewählt wurden, wird überprüft, indem die zwei zusammengefügten Bilder umgedreht werden. Haben die Lernenden eine barmherzige Handlungsmöglichkeit für Quaki ausgesucht, ist das Barmherzigkeitssymbol vollständig. Unterrichtsimpuls: Umsetzung des barmherzigen Handelns Ist das Rätsel der Barmherzigkeit durch das Auswählen einer barmherzigen Handlungsmöglichkeit für Quaki gelöst, öffnet sich eine zu Beginn des Unterrichts eingeführte verschlossene Schatztruhe, in welcher sich Medaillen mit einem Symbol der Barmherzigkeit befinden. Die Lernenden sollen dem Lernziel entsprechend dazu angeregt werden, barmherziges Handeln als sozial-karitative Dimension der Nächstenliebe annäherungsweise in ihrem Alltag umzusetzen. Dazu wird den Lernenden eine „BarmherzigkeitsMedaille“ ausgehändigt. Diese soll jeden in den nächsten Wochen an ein barmherziges Verhalten erinnern. Von ihren Erlebnissen können die Kinder in den folgenden Religionsstunden berichten.

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Singen und Basteln im Religionsunterricht

Bei der Durchführung dieses Themas sollte beachtet werden, dass barmherzig handeln nicht als moralisierende Forderung vorgestellt werden darf, da dies zu einer Überforderung einzelner Lernender führen könnte. Das Lernziel besteht vielmehr darin, die Lernenden zu sensibilisieren und anzuregen, barmherziges Handeln zu erproben. Anhand entsprechender didaktischer Entscheidungen soll die Unterrichtseinheit die Lernenden affektiv ansprechen und ihnen eine Hilfestellung geben, den Barmherzigkeitsbegriff kognitiv zu erschließen.

Bild 3: Barmherzigkeitsmedaille (© Doreen Wössner)

4

Spielen im Religionsunterricht

4.1

Vorbemerkung

Woran erinnern Sie sich, wenn Sie an Schule und Unterricht denken? Was verbinden Sie mit Ihren Erinnerungen an Spiele in der Schule, aber auch anderswo? Die meisten Menschen erinnern sich gern an Spiele zurück und erleben zum großen Teil auch heute noch, wie Spiele Spannung, Spaß und Begeisterung wecken können. Diese Begeisterung können wir uns gezielt im Religionsunterricht zu Nutze machen, indem wir Spiele gezielt und passend für unsere Zwecke einsetzen. Wir erreichen damit eine Situation, in der die Lernenden zum Teil vor lauter Eifer und Freude gar nicht merken, dass sie nebenbei noch etwas lernen. Häufig ist es so, dass es genügt, einige spielerische Elemente (also keine ganzen Spiele) in eine Einheit oder eine Stunde zu integrieren, um die begeisternde Wirkung zu erzielen. Spiele können in den unterschiedlichsten Formen und zum Erreichen der unterschiedlichsten Ziele im Unterricht eingesetzt werden. Im Folgenden möchten wir diese Vielfalt anhand der Ziele aufzeigen. Sie finden also in den folgenden großen Überschriften die Ziele, die mit den darunter stehenden Spielideen/-beispielen verfolgt werden. Die meisten Spiele sind einfach umzusetzen und lassen sich auf alle Altersstufen und Themen übertragen. Einige sind hauptsächlich zum Einsatz in der Grundschule geeignet.

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4.2

Spielen im Religionsunterricht

Spiele zur Wiederholung

Die wohl bekannteste Form des Einsatzes von Spielen sind Quiz- und Ratespiele zur Wiederholung des Stoffes, zum Beispiel vor einer Klassenarbeit, aber auch zwischendurch, um das Gelernte zu festigen. Wichtig ist, dass dabei wirklich alle die Fragen und Antworten mitbekommen und nicht nur Lernende, denen die Frage gestellt worden ist. Dies ist bei jeglichen Spielen, die in Mannschaften stattfinden, mit einem kleinen Trick leicht erreichbar: Die Frage wird nur ein einziges Mal an die Mannschaft gestellt, die an der Reihe ist. Diese bekommt eine kleine Bedenkzeit, nicht zu lange, nach der die Antwort gegeben werden muss. Kann die Gruppe die Frage nicht beantworten oder ist die Antwort falsch, so wird die Frage an die nächste Gruppe weitergegeben. Die Frage wird allerdings nicht wiederholt und es gibt keine neue Bedenkzeit. Die Antwort muss sofort kommen! Andernfalls wird die Frage an die übernächste Gruppe weitergegeben. Auf diese Weise erreicht man auf einfache Weise das Zuhören und Mitdenken aller Lernenden (spätestens, nachdem die erste Frage weitergegeben wurde und die zweite Mannschaft aufgrund ihrer Unaufmerksamkeit die Punkte verliert …). Je nach Klasse kann es sinnvoll sein, die Lernenden mit dem folgenden kleinen Trick dazu zu motivieren, den Stoff effizient und zügig zu wiederholen: Den Lernenden wird angekündigt, dass demnächst ein Wiederholungsspiel ansteht (man kann auch einen Preis ankündigen – das sollte jedoch nicht die Regel werden, da Lernende dann irgendwann ihre Motivation an den Preis und nicht an den Spaß am Spiel knüpfen), bei dem es um den Stoff der vergangenen Einheit geht. Großzügigerweise bekommen die Lernenden noch fünf bis zehn Minuten vor Spielbeginn Zeit, um ihr Heft noch einmal durchzuschauen und um sich möglichst viel zu merken. In der Regel wirkt diese Aufforderung als große Motivation, den Stoff auf das Spiel hin effizient zu wiederholen.

Der große Preis und Variationen

„Der große Preis“ ist ein Spiel, das vermutlich bekannt sein dürfte. Für diejenigen, die es nicht kennen, sei es hier kurz erklärt: – Ein Thema wird in verschiedene Bereiche eingeteilt (z.B. Thema „Eine Welt“ in die Bereiche: Kinderarbeit – Armut – das Land – Gesellschaft – usw.) zu jedem Bereich überlegt man sich Fragen unterschiedlicher Schwierigkeit. Den Fragen werden Punkte zugeordnet (20: leicht; 40: etwas schwerer; usw. bis 100: sehr schwer). Das Fragen und die Punkte­ zuordnung übernimmt der Spielleiter, die Spielleiterin. – Die Spielenden werden in Teams eingeteilt.

Spielen im Religionsunterricht

261

– Den Teams wird eine Tabelle in folgender Form präsentiert. Die Tabelle kann entweder an die Tafel oder auf ein großes Plakat gezeichnet oder per Tageslichtprojektor projiziert werden. Die Verwendung einer Folie (evtl. zusätzlich in einer Hülle) hat den Vorteil, dass sie immer wieder neu verwendet werden kann. Bereich 1

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– Das Team, das an der Reihe ist, sucht sich einen Bereich und eine Punktzahl aus, bekommt die entsprechende Frage gestellt und muss diese beantworten. Ist die Antwort richtig, erhält dieses Team die Punkte und das nächste Team ist an der Reihe. Ist die Antwort falsch, wird die Frage weitergegeben (s.o.). Wichtig: Weitergegebene Fragen sind zusätzliche Möglichkeiten, Punkte zu verdienen. Sie ändern nichts an der Reihenfolge, in der sich die Teams Bereiche und Punkte auswählen! – Risikofragen: Wer möchte, kann in das Spiel sogenannte Risikofragen einbauen. Hierzu werden einige Fragen auf dem Plan des Spielleitenden als Risikofragen gekennzeichnet. Tippt ein Team auf eine solche Frage, so muss/darf es, bevor die Frage gestellt wird, Punkte setzen. Das heißt, das Team setzt eine bestimmte Punktzahl auf die Frage – jedoch maximal so viele Punkte, wie es bereits besitzt. Gelingt es dem Team anschließend, die Frage richtig zu beantworten, erhält es die gesetzte Punktzahl zusätzlich. Antwortet das Team falsch, verliert es die gesetzten Punkte. Beim Weitergeben oder wenn das Team Risiko ablehnt oder keine Punkte besitzt, zählt die Frage nur so viel wie ursprünglich ausgezeichnet. – Action in das Spiel: Zur Auflockerung des Spiels können unter die Fragen Aktions-Aufgaben gemischt werden, d.h. Begriffe zeichnen, erklären, pantomimisch darstellen … Erwischt ein Team eine solche Frage, so kommt ein Teammitglied nach vorn, bekommt den Begriff genannt und präsentiert ihn entsprechend. Es sind 30 Sekunden (bei schwierigen Begriffen auch eine Minute) Zeit. Errät das Team den Begriff in dieser Zeit, bekommt es die Punkte. Rät es falsch, darf das nächste Team einen Tipp abgeben. Es gibt jedoch keine neue Spielzeit! Es ist ebenso möglich, die Aktions-Aufgaben als eigene Kategorie zu nutzen. In diesem Fall wissen die Spielenden ungefähr, was auf sie zukommt, wenn sie eine Frage wählen.

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Spielen im Religionsunterricht

– Wissens- und Glücksgewinner:innen: Oft dauert ein Spiel die ganze Stunde. Wird in Teams gespielt und eine Gruppe hinkt eindeutig hinterher, so ist das für diese Gruppe häufig sehr demotivierend. Mit einem kleinen Trick kann die Motivation aufrechterhalten werden. Vor oder während des Spieles wird erklärt, dass es einen Wissens- und einen Glücksgewinn geben wird. Am Ende des Spieles darf jedes Team einmal würfeln. Die erreichten Punkte werden mit der Augenzahl multipliziert. Wer auf diese Weise die meisten Punkte hat, erhält den Glückspreis. Das kann auch die Gruppe mit den wenigsten Wissenspunkten sein. Variation 1 – Rechenaufgaben Die Grundzüge dieser Variante sind denen des Spiels „Der Große Preis“ gleich. Nur gibt es keine Tabelle, sondern an die Tafel wird Folgendes geschrieben: 10: 0 0 0 0 0 0 … 20: 0 0 0 0 … 30: 0 0 0 0 0 0 … 40: 0 0 0 … usw. … Die erste Frage der Lernenden wird sein, was denn diese Rechenaufgaben seien – und schon ist die Konzentration nach vorne gerichtet, denn alle wundern sich. In Wirklichkeit geben die Zahlen die Punktzahlen an und hinter jedem Kreis (0) verbirgt sich eine Frage. Die Lernenden wählen, aus welchem Schwierigkeitsgrad sie eine Frage möchten. Die Frage wird gestellt und anschließend ein Kreis der entsprechenden Kategorie abgekreuzt. Diese Spielvariante erspart einem das Einteilen des Themas in verschiedene Kategorien, und es ist egal, wie viele Fragen einem zu den einzelnen Schwierigkeitsgraden einfallen – man zeichnet einfach entsprechend viele Kreise.

Das variable Spielfeld

Dieses Spiel ist das erste Mal relativ aufwändig in der Vorbereitung, hat aber einen hohen Aufforderungscharakter und kann anschließend auf viele andere Altersstufen und Themen leicht übertragen werden. Grundidee des Spieles ist: Es gibt ein Spielfeld in der Mitte des Zimmers, das aus einzelnen Kärtchen besteht (ein Feld besteht aus einem Kärtchen). Das hat den Vorteil, dass Spielfeldkarten nach Belieben ein- und aussortiert werden können, je nachdem, wie das Spiel sein soll und wer die momentane Zielgruppe ist. Die Spielenden bilden Teams zu viert oder fünft. Jedes Team hat eine Spielfigur und bewegt sich durch Würfeln über das Spielfeld. Das Team tut, zu was das Feld auffordert, auf dem es landet. (Die Aufgabe-/ Frage-Weitergeben-Regel gilt hier natürlich auch!).

Spielen im Religionsunterricht

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Zudem wird ein Stapel mit Frage- und Aufgabenkarten zum entsprechenden Thema benötigt. Dieser muss für jedes Thema, für das das Spiel eingesetzt wird, neu erstellt werden. Für richtig beantwortete Fragen oder gelöste Aufgaben gibt es Punkte. Wer die meisten Punkte hat, gewinnt. Hier einige Ideen für die Spielfeldkarten entsprechend den Karten (beliebig erweiterbar): – Wissen: Wer hier drauf kommt, zieht eine Karte vom entsprechenden Stapel und tut, was dort verlangt wird. Aufgaben können sich zum Beispiel im Bereich Tabu/Pantomime/Montagsmaler bewegen. – Minus-/Plus-Karten: Eine bestimmte Anzahl Felder vor- oder zurückgehen und tun, was dort verlangt wird. – Heft-Bonus: Wer hier landet, erhält eine kleine Karte mit der Aufschrift „Heft-Bonus“. Diese Karte kann gegen „Einmal-im-Heft-nach-einer-Antwort-suchen“ eingetauscht werden. Die Zeit, die zum Beantworten der Frage vorgesehen ist, ändert sich dadurch nicht! – Spielfeldkarten tauschen: Spielfeldkarten werden entsprechend der angegebenen Anzahl ausgetauscht. Am einfachsten geht das, indem die Spielenden die angegebene Spielfeldkartenzahl zunächst vom Tisch sammeln und anschließend wieder auf die Lücken verteilen. Karten auf denen eine Figur sitzt, dürfen nicht ausgetauscht werden. – Kartenstapel mischen: Der Fragekartenstapel wird gemischt. Alle Fragen, die bereits an der Reihe waren, werden wieder in den Stapel gemischt. Dies führt zu einer zusätzlichen Motivation aufzupassen, da die Lernenden wissen, Fragen können ein zweites Mal an die Reihe kommen. – Bonuspunkte, Minuspunkte: Wer hier landet, erhält entsprechend der angegebenen Zahl Punktabzug oder Bonuspunkte.

Rückseitenpunkte

Es werden Fragen auf unterschiedlichstem Schwierigkeitsniveau auf Kärtchen geschrieben. Jeder Frage wird eine Punktzahl zwischen 1 und 10 entsprechend ihrer Schwierigkeit zugeordnet. Die Punktzahl wird auf die Rückseite der jeweiligen Karte geschrieben. Die Klasse wird in Teams aufgeteilt. Die Karten werden gemischt, in drei Stapel aufgeteilt und mit der Punktzahl nach oben auf einen Tisch gelegt. Dem Team, das an der Reihe ist, werden die drei oben liegenden Punktzahlen vorgelesen. Das Team entscheidet sich anhand der Punktzahl für eine Frage. Beantwortet es die Frage richtig, bekommt es die angegebenen Punkte. Ist die Antwort falsch, wird die Frage weitergegeben.

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Spielen im Religionsunterricht

Lernende gegen Lehrpersonen – die drei Ziele …

Ein Spielfeld wird per Dokumentenkamera bzw. Computer oder Beamer projiziert. Eine Figur steht auf dem Startfeld (als Schatten sichtbar). Ein/e Lernende/r der Klasse bekommt ein Redesymbol in die Hand. Die Lehrperson stellt der Klasse eine Frage. Die Klasse muss sich innerhalb von 30 Sekunden (je nachdem auch eine Minute) auf eine Antwort einigen. Der/die Lernende mit dem Redesymbol muss die Antwort geben. Ist die Antwort richtig, wird die Figur um ein Feld nach vorn gerückt, ist sie falsch, zwei Felder nach hinten. Erreicht die Figur auf diese Weise das erste Ziel, erhalten die Schülerinnen und Schüler am Ende einen klitzekleinen Preis. Erreicht die Figur Ziel zwei, wird der Preis etwas größer, und beim Erreichen des Endzieles noch etwas größer. Die Lehrperson vereinbart im Vorfeld mit der Klasse, was die Klasse tun muss, wenn die Figur am Ende der Stunde im negativen Bereich ist (auf einem weinenden Gesicht). Nach der ersten Frage wird das Redesymbol weitergegeben und die nächste Frage gestellt. Die Teilziele auf dem Spielplan dienen zur Motivation der Lernenden, da das Endziel am Anfang schier unerreichbar erscheint.

Alle auf einmal …

Dies ist eine sehr einfache Form des Wiederholungsspiels, für das lediglich einige Wiederholungsfragen mit einer klar definierten Antwort benötigt werden. Es werden Teams eingeteilt. Jedes Team erhält ein Blatt Papier und nimmt sich einen Stift. Es werden Fragen gestellt. Nun haben die Teams etwas Zeit (je nach Länge der erwarteten Antwort zwischen einer halben und zwei Minuten), um die Antwort aufzuschreiben. Ist die Zeit um, kommt aus jedem Team eine Person mit der Antwort nach vorne. Jedes Team, die die richtige Antwort aufgeschrieben hat, bekommt einen Punkt.

Eigene Fragen finden …

Ein Spiel beinahe ohne Vorbereitungsaufwand …, aber mit recht großer Effizienz. Jede/r Lernende erhält einige kleine Zettel (DIN A6) und die Aufgabe, anhand des Heftes den Stoff der vergangenen Einheit zu wiederholen. Dabei sollen Fragen zum Thema erfunden und auf die Zettel geschrieben werden. Wichtig ist, dass auch die Antwort dazu geschrieben werden muss (über die Antwort klärt sich gerade bei jüngeren Lernenden häufig, was mit der Frage gemeint ist). Nach einiger Zeit werden alle Fragen eingesammelt, Teams gebildet und ein einfaches Fragespiel mit den Fragen der Lernenden gespielt, indem die Teams der Reihe nach die von der Klasse selbst formulierten Fragen gestellt bekommen. Natürlich werden diese bei falscher Antwort weitergegeben.

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Eigene Fragen für „Experten“ …

Dieses Spiel braucht mehr als eine Stunde Zeit, kann aber problemlos unterbrochen und wieder aufgenommen werden. Es ist anspruchsvoller als eigene Fragen finden, verspricht aber eine noch höhere Effizienz und Spielmotivation. Die Klasse wird in Teams aufgeteilt. Jedes Team geht den Stoff der vergangenen Einheit mit Hilfe der Hefte durch und formuliert zehn in ihren Augen schwere Fragen, von denen es glaubt, dass die anderen Teams sie nicht auswendig beantworten können. Die Fragen und Antworten werden aufgeschrieben. Nach 20 Minuten beginnt das Spiel (es ist nicht schlimm, wenn ein Team noch keine 10 Fragen hat): – Je eine Gruppe hat die „Spielleitung“. Sie wählt eine ihrer Fragen aus. Aus jeder anderen Gruppe kommt eine Person an die Tafel (oder nimmt einen Zettel) und stellt sich so, dass er/sie etwas anschreiben kann, ohne dass die anderen an der Tafel etwas sehen. – Das Team, das die Spielleitung hat, stellt die Frage. Die Lernenden an der Tafel schreiben die Antwort an. Sie erhalten dabei keine Unterstützung ihrer Gruppe, sondern müssen die Antwort allein wissen. Sind sie fertig, gilt folgende Wertung: Für eine richtige Antwort bekommt die entsprechende Gruppe einen Punkt. Für eine falsche Antwort bekommt die Spielleitungsgruppe einen Punkt. Die Punkte können auch halb-halb verteilt werden, wenn die Antwort einigermaßen richtig ist. Kann die Spielleitungsgruppe ihre eigene Frage nicht oder nur falsch beantworten, bekommen alle anderen Gruppen einen Punkt. Gruppen, die die Antwort vorsagen, bekommen einen Punkt abgezogen. Punktabzug kann auch verteilt werden, wenn bestimmte Gruppen dauernd schwätzen und stören oder Personen an der Tafel auslachen. – Anschließend geht die Spielleitung an das nächste Team usw. – Jeder aus einem Team muss mal an die Tafel. – Bei Spiel-Ende muss jede Gruppe gleich oft die Spielleitung gehabt haben, da es als Spielleitung möglich ist, mehr Punkte zu erhalten als Spielende. – Wichtig: Dieses Spiel ist nur in Klassen spielbar, in denen gewährleistet werden kann, dass einzelne Lernende nicht ausgelacht werden, wenn sie eine falsche Antwort an die Tafel schreiben! Evtl. kann es die Situation entschärfen, wenn nicht mit der Tafel, sondern mit einzelnen Zetteln gearbeitet wird, auf die die Lernenden ihre Antwort schreiben.

Die 36 Fragen …

Das folgende Spiel ist zur Wiederholung von bereits behandeltem Stoff oder zur Erschließung eines neuen Textes geeignet und sollte frühestens in der dritten, besser erst in der vierten Klasse verwendet werden.

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Spielen im Religionsunterricht

Zur Vorbereitung werden die Karten erstellt und so ausgeschnitten, dass die beiden gleichen Zahlen zusammenbleiben. Hier ein Beispiel:

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– Die Lernenden werden in Kleingruppen (auch Paare oder Einzelpersonen sind möglich) aufgeteilt. – Jede Kleingruppe erhält gleich viele der Karten und einen Text, der erschlossen werden soll, oder die Lernenden nehmen ihr Heft, wenn das Spiel zur Wiederholung eingesetzt wird. – Die Lernenden überlegen sich nun Fragen zum Text. Sie schneiden ihre Zahlenkarten auseinander und schreiben auf die Rückseite der einen Kartenhälfte die Frage und auf die andere Hälfte mit der gleichen Nummer die Antwort auf diese Frage. – Hat eine Gruppe alle Kärtchen mit Fragen und Antworten beschriftet, erhält sie ein weißes Blatt, auf das sie von oben nach unten fortlaufend die Nummern 1 bis 36 schreibt. Hinter die Nummern, die sich auf ihren Kärtchen befindet, darf sie gleich die eigenen Antworten schreiben. Anschließend werden die Frage- und Antwortkärtchen getrennt nach vorne gebracht. – Die Lehrperson legt alle Fragekärtchen mit der Nummer nach oben auf einen Tisch. Sind alle Gruppen fertig und liegen alle Fragen auf dem Tisch, haben die Gruppen auf ein Startsignal hin zehn Minuten Zeit. – Immer eine Person aus der Gruppe darf nach vorne kommen, sich eine Fragekarte nehmen und mit ihrer Gruppe versuchen, die Antwort zu finden und hinter die entsprechende Zahl auf ihrem Blatt zu schreiben. – Ist die Antwort geschrieben oder kann die Gruppe die Frage nicht beantworten, kommt wieder eine Person nach vorne und tauscht die Fragekarte gegen eine neue. – Nach zehn Minuten stoppt das Spiel. Die Blätter mit den Antworten werden unter den Gruppen getauscht, die Lehrperson liest mit Hilfe der Antwortkarten alle Antworten vor, die Lernenden korrigieren (Vorsicht: es kann vorkommen, dass Lernende eine falsche Antwort auf die Karte schreiben. Es zählt natürlich die richtige Antwort. Die betreffende Gruppe ist bereits dadurch „bestraft“, dass sie ihre falsche Antwort auch auf ihr Blatt geschrieben hat.) – Die Gruppe mit den meisten richtigen Antworten hat gewonnen.

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Hinweis: Es kann sein, dass Fragen sehr unklar oder doppeldeutig formuliert worden sind. Anhand der Antwort kann kontrolliert werden, wie die Frage gemeint ist. Es sollten jedoch alle Antworten, die auf diese Frage gegeben werden können, gelten, da es sonst verständlicherweise zu Unzufriedenheit in der Klasse kommt.

Spielfelder aller Art …

Lernende der dritten und vierten Klasse sind bereits gut in der Lage, in Kleingruppen ein Spiel unter sich zu spielen. Der Aufwand, für eine Klasse mehrere Spielsätze zu basteln, um ein solches Arbeiten zu ermöglichen, lohnt sich, da solche Spiele eine große Attraktivität besitzen und jedes Jahr wieder neu verwendet werden können. Das Spiel basiert auf sehr einfachen Regeln: – Jede Gruppe erhält einen Spielplan, einen Satz Frage-, Aktions- und Ereigniskarten, eine Stoppuhr und einen Würfel. Als Spielfigur soll sich jede/r Mitspielende selbst etwas suchen (Radiergummi, Spitzer, Stiftdeckel) – Jede Gruppe erhält einen Spielplan mit verschiedenfarbigen Feldern. – Regeln könnten dann beispielsweise so aussehen: Alle Figuren werden auf Start gesetzt. Ein Mitspielender beginnt, würfelt und zieht die entsprechende Augenzahl. Er tut, wozu ihn das Feld auffordert. Graue Felder: Es passiert nichts. Rote Felder – Aktionsfelder: Der Mitspielende, der auf einem roten Feld landet, zieht eine Aktionskarte und präsentiert die Aufgabe der Gruppe. Es ist eine Minute Zeit. Gelingt es der Gruppe, den Begriff zu erraten, so bekommen der Präsentierer und der Rater je einen Punkt. Blaue Felder: Der rechte Nachbar/die rechte Nachbarin zieht eine Wissenskarte und stellt die Frage. Kann der Mitspielende die Frage beantworten, erhält er entsprechend Punkte. Es ist wichtig, dass der Nachbar/die Nachbarin zieht, da die Antwort ja auf der Fragekarte steht. Gelbe Felder – Ereignisfelder: Wer auf einem gelben Feld landet, zieht eine Ereigniskarte. Ereigniskarten dürfen behalten werden und können zu der Aktion eingesetzt werden, die darauf beschrieben ist. Für die Punkteverteilung gibt es verschiedene Möglichkeiten: – Es gibt für jede Antwort die gleiche Punktzahl; die Lernenden schreiben diese in ihrer Gruppe auf. – Die Punktzahl für die einzelnen Fragen und Aktionskarten sind auf den Karten definiert. – Ein Mitspielender, der eine Frage beantwortet hat, bekommt die Fragekarte. Bei Aktions-Karten erhält der Mitspielende die Aktionskarte.

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Wer den Begriff erraten hat, darf eine zusätzliche Ereigniskarte ziehen. Gewonnen hat, wer am Ende die meisten Karten besitzt. Natürlich funktioniert auch der Klassiker: Wer zuerst im Ziel ist, hat gewonnen. In diesem Fall gibt es keine Punkte, sondern bei richtiger Antwort dürfen die Mitspielenden nach vorn ziehen, bei falscher Antwort geht es rückwärts. Wichtig bei der Gestaltung der Wissensfragen ist, dass die Antwort mit auf der Karte steht, damit die Lernenden die Richtigkeit selbst überprüfen können.

4.3

Spiele zur Festigung des Gelernten

Häufig stehen am Ende einer Stunde oder am Anfang der folgenden Stunde eine Wiederholung und damit eine Festigung des Gelernten. Diese Wiederholung kann immer wieder auch in spielerischer Form stattfinden. Es bieten sich dazu die klassischen Spielformen „Montagsmaler“ (ein Begriff wird gezeichnet und von den anderen erraten), „Tabu“ (ein Begriff wird erklärt und von den anderen erraten) oder Pantomime (ein Begriff wird ohne jeden Laut vorgespielt und von den anderen erraten) an. Nach dem Erraten des Begriffes wird kurz wiederholt, was dieser mit dem Thema zu tun hat. Häufig stellt sich bei diesen Spielen das Problem, dass viele gleichzeitig raten und in dem allgemeinen Tumult die richtige Antwort untergeht oder es unklar ist, wer sie zuerst gegeben hat. Dieses Problem kann mit verschiedenen kleinen Tricks behoben werden, die gleichzeitig die Attraktivität der Spiele noch heben. Den drei folgenden Spielen ist gemeinsam, dass die Mitspielenden Teams bilden und immer ein Teamabgeordneter aktiv ist. Die anderen stehen jeweils als Beratende in seiner Nähe. Ihnen ist es erlaubt, ihren jeweils Mitspielenden zu beraten. Wichtig ist, dass die Mannschafsabgeordneten nach jeder oder jeder zweiten Runde wechseln und jeder an die Reihe kommt.

Der Schwamm

Die Teamabgeordneten sitzen um einen frei stehenden Tisch, in dessen Mitte ein Schwamm liegt. Ob der Schwamm nass oder trocken ist, liegt im Ermessen des Spielleitenden. An warmen Sommertagen bietet es sich an, einen vor Wasser triefenden Schwamm zu nehmen. Eine Frage wird gestellt, oder jemand zeichnet, spielt, erklärt etwas. Wer die Antwort weiß, schlägt seine Hand auf den Schwamm. Es können dort mehrere Hände übereinander liegen. Liegt eine Hand, wird gestoppt. Andere Hände dürfen noch

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darauf gelegt werden, solange die Antwort noch nicht genannt wurde. Die Person, deren Hand als unterste liegt, gibt die Antwort. Ist die Antwort richtig, bekommt die Gruppe zwei Punkte. Ist die Antwort falsch, wird ein Punkt abgezogen (das Abziehen verhindert, dass einer der Mitspielenden einfach so die Hand auf den Schwamm schlagen, um ein es „einfach mal zu versuchen“). Ist die Antwort falsch und es liegt eine weitere Hand auf der untersten Hand, so darf nun der, zu dem diese Hand gehört, mit seiner Antwort sein Glück versuchen usw..

Bälle im Papierkorb

Eine Linie wird abgeklebt (Tesakrepp), die nicht übertreten werden darf. Etwa drei bis fünf Meter entfernt steht ein leerer Papierkorb. Jedes Team hat einen Ball; ein Teamabgeordneter steht an der Linie. Die Bälle müssen so groß sein, dass sie nicht nebeneinander im Papierkorb liegen können, sondern nur übereinander. Außerdem braucht jeder Ball eine Markierung, um ihn dem zugehörigen Team zuordnen zu können. Dazu genügt ein aufgeklebtes Tesakrepp-Zeichen. Weiß ein Team eine Antwort, wirft ihr Abgeordneter/ihre Abgeordnete von der Markierung aus auf den Papierkorb. Wirft er/sie daneben, holt er/sie den Ball und wirft erneut. Werfen die Abgeordneten verschiedener Teams gleichzeitig, so wird gewartet, bis jeder seinen Ball im Eimer platziert hat. Anschließend geben die Teams ihre Antworten. Das Team, deren Ball als unterster liegt, beginnt, bei falscher Antwort folgt das Team mit dem zweituntersten Ball, usw. Das Schöne an diesem Spiel ist, dass es nicht nur auf kognitive Fähigkeiten ankommt, sondern auch das Wurfgeschick eine Rolle spielt, sodass sich häufig auch kognitiv schwächere Lernende Anerkennung in der Gruppe erwerben können. Die Punktezählung erfolgt wie beim vorangegangen erklärten Spiel. Ist der Papierkorb, auf den geworfen wird, sehr leicht, neigt er zum Umfallen. Dies kann verhindert werden, indem er mit Stühlen gestützt wird und direkt an einer Wand steht. Es kann auch ein schwerer Gegenstand auf den Boden des Papierkorbes gelegt werden, um ein schnelles Umfallen zu vermeiden.

Der Stuhl

Dieses Spiel ist ein recht wildes Spiel. Es muss im Vorhinein gut überlegt werden, ob die Durchführung mit einer bestimmten Klasse ohne Schwierigkeiten möglich ist oder nicht. Wieder ist eine Linie abgeklebt, an der je ein Teamabgeordneter/eine Teamabgeordnete steht. In etwa fünf bis zehn Metern Entfernung steht ein Stuhl. Der Weg von der Linie zum Stuhl muss frei sein, alle Hindernisse und Gefahren müssen aus dem Weg geräumt werden. Wichtig: Der/die Spielleitende steht hinter dem einzelnen Stuhl

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und sichert diesen durch Festhalten gegen Umfallen und Verrutschen. Die Aufgabe wird gestellt. Wer die Antwort weiß, läuft los und setzt sich auf den Stuhl. Wer zuerst sitzt, darf die Antwort geben. Ist die Antwort falsch, gibt es einen Minuspunkt und das Team des Spielenden ist aus dem Spiel. Die anderen spielen weiter, bis jemand die richtige Antwort nennt oder alle ausgeschieden sind.

4.4

Spielerisches Umrahmen einer Einheit

Es lohnt sich, immer wieder darüber nachzudenken, ob die zu einer Einheit gehörenden Stunden in irgendeiner Weise miteinander verbunden werden können. Das können Großspiele sein, die sich um eine ganze Einheit ziehen, oder einzelne kleine Elemente, die die Stunden einer Einheit miteinander verbinden.

Der Weg

Ein Weg, der immer länger wird und sich gabelt, passt symbolisch immer dann, wenn Menschen unterwegs sind. Weggabelungen stehen für Entscheidungen. Besonders geeignet ist das Symbol Weg für Einheiten mit Jesusgeschichten, in denen sich Jesus entgegen der geltenden Norm entscheidet. Eine für Lernende attraktive Form des Weges ist die folgende Idee: Ein rechteckiges Stück Pappe, auf das eine Weggabelung gezeichnet ist, liegt in der Mitte. Ein Weg führt nach links, einer nach rechts. Wir begleiten einen Menschen (eine Figur auf dem Weg) auf dem Weg, den Jesus einst gegangen ist. Auf beiden Seiten liegt ein Briefumschlag. Eine Geschichte wird erzählt bis kurz vor dem Punkt, an dem Jesus eine unübliche Entscheidung trifft (z.B. die Geschichte von Maria und Martha wird erzählt bis zu dem Punkt, an dem Martha Jesus bittet, Maria zu sagen, sie solle auch etwas arbeiten). Die Lernenden bekommen zwei Alternativen zur Geschichtenfortsetzung genannt (1. Jesus fordert Maria auf, Martha zu helfen, dann könnten später beide seinen Geschichten lauschen oder 2. Jesus erklärt Martha, dass es in Ordnung ist, was Maria da tut). Zu jeder Alternative wird eine Richtung angegeben. Die Lernenden müssen sich auf eine Richtung einigen. Den Umschlag auf dieser Seite dürfen sie öffnen. Auf der richtigen Seite finden sie ein Gratulationskärtchen und evtl. die folgenden Arbeitsblätter oder auch mal eine kleine Belohnung. Auf der falschen Seite gibt es je eine kleine Aufgabe (Liegestütze, Gedicht aufsagen, usw.), nach deren Erledigung sie umkehren und den richtigen Weg gehen dürfen. Es wird jedes Mal der gesamte bereits gegangene Weg in die Mitte gelegt, sodass dieser immer länger wird.

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Im Downloadbereich finden Sie ein stilisiertes Beispiel, um das Ganze klarer zu machen. Natürlich sollten die Wegteile farbig und schön gestaltet sein. Auf dem Beispiel sieht man gut die Sackgassen des falschen Weges und den durchgängigen Weg. Er kann beliebig weit fortgeführt werden.

Punkte sammeln, verbindende Rahmengeschichten

Warum nicht mal ein großes, in eine Geschichte verpacktes Spiel spielen, das sich durch eine ganze Einheit zieht und diese begleitet? Einheiten zu einem solchen Vorhaben müssen jedoch gut ausgewählt sein. Am besten eignen sich Einheiten, in denen es nicht um eine Geschichte geht. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Lernenden die beiden Geschichten miteinander in Verbindung bringen und der eigentliche Lerninhalt in den Köpfen der Spielenden verwaschen und verfälscht wird. Zwei Möglichkeiten für eine solche verbindende Geschichte, bzw. ein solches Spiel, möchten wir hier kurz skizzieren. Der Vielfalt eigener Ideen sind dabei keine Grenzen gesetzt. – Eine sehr einfaches Spiel, das jedoch je nach Klassensituation (gutes Abwägen erforderlich) zusätzlich zum Inhalt der Einheit das Klassenklima positiv beeinflussen kann, ist die folgende Idee: Zu Beginn der Einheit tritt eine Person auf (evtl. Verkleidung), die erzählt, dass sie einen Schatz versteckt hätte. Dieser Schatz ist für Leute gedacht, denen es gelingt, sich für die nächsten Stunden besonders freundlich und sozial zu verhalten. Zu Beginn jeder Stunde erhalten die Lernenden 20 Punkte (Kreise an die Tafel zeichnen). Es werden gemeinsam Regeln definiert oder vorgegeben, an die sich die Klasse zu halten hat (keine Schimpfworte, kein Diskriminieren anderer Lernender, Mitarbeit, Mitdenken). Bei Verstoß gegen die Regeln gibt es Punktabzug. Am Ende der Einheit muss eine bestimmte Gesamt-Punktzahl erreicht sein, um eine Schatzkarte zu bekommen, anhand derer die Lernenden eine kleine Belohnung finden können. Vorsicht ist geboten, wenn es in einer Klasse Lernende gibt, die immer stören. Sie haben meist sowieso schon eine Außenseiterrolle, und es entsteht leicht die Gefahr, dass sie noch weiter in diese gedrängt werden. Hier gilt es abzuwägen und zu überlegen, wie das Spiel so gestaltet werden kann, dass es für alle förderlich ist. Evtl. können für besonders auffällige Lernende irgendwelche Sonderregelungen eingeführt werden, die vor den anderen Lernenden dann aber gut begründet werden müssen. – Forschende in der Schöpfung: Schöpfungseinheiten, in denen es insbesondere auch darum geht, Schöpfung zu erfahren und/oder um den Umgang mit der Natur, bieten sich an für eine Forschungsgeschichte. Die Lernenden schlüpfen in die Rolle von Forschenden, die den Auftrag

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haben, möglichst viel über die Schöpfung zu erfahren und zu erforschen. In jeder Stunde gibt es dann kleine Forschungsaufgaben (Rätsel, Aufgaben, Dinge zum Tasten, Riechen, Fühlen usw.), die die Lernenden lösen müssen. Am Ende der Stunde werden die Lernenden für ihre Leistungen mit Forschungstalern in der Gesamtgruppe belohnt. Natürlich wird in der Bezahlung auch das gute Zusammenarbeiten als Forscherteam berücksichtigt … Am Ende können sich die Lernenden für ihre verdienten Reli-Taler ein gemeinsames Reli-Schöpfungs-Fest kaufen (Tipp: Auch die Zeit für das Fest kostet Taler. Auf diese Weise wird deutlich, dass auch Zeit ihren Wert hat.).

Durchgängige Gegenstände

Es ist vor jeder Einheit eine Überlegung wert, ob es spielerische Elemente gibt, die eine Einheit begleiten und damit für die Lernenden attraktiver machen können. Dies kann eine Handpuppe sein, ein Erzählzelt (z.B. beim Thema Abraham), ein bestimmtes Spiel-Lied oder ein normales Spiel, eine auf bestimmte Weise gestaltete Mitte. Für Lernende ist ein gut gewähltes verbindendes Element sehr attraktiv. Es verspricht Abwechslung und Spaß und bietet den Lernenden einen Grund, sich auf die nächste Stunde zu freuen.

Spiele als Motivation

Immer wieder gibt es Lernende, die vor jeder Stunde fragen: „Spielen wir heute was? Bitte, bitte!“ Dieser Sachverhalt zeigt deutlich den Stellenwert von Spielen bei Lernenden. Spiele sind attraktiv, machen Spaß, versprechen Abwechslung und eine Verschnaufpause im Schulalltag. Damit sind Spiele aller Art bestens als Motivation einsetzbar – für gute Klassenleistung, die Bearbeitung von Zusatzaufgaben, für soziales Verhalten oder einfach als Belohnung fürs Mitmachen in den letzten Wochen, als Spielstunde vor den Ferien oder nach einer Arbeit. In besonders unruhigen Klassen (natürlich auch in jeder anderen) sorgt der folgende Trick häufig für ein schnelleres Ruhigwerden: Der Klasse wird erklärt, dass sehr viel Zeit, die sinnvoll verwendet werden könnte, dafür aufgewendet werden muss, dass die Lehrperson für Ruhe sorgen muss. Es folgt das Angebot: In jeder Stunde stehen fünf Minuten für Spiele zur Verfügung. Diese fünf Minuten können in jeder Stunde gesammelt und auf einem Zeitkonto gutgeschrieben werden, bis eine ganze Stunde oder zumindest ein großer Teil zusammengesammelt ist. Ist genug Zeit gesammelt, wird gespielt – und zwar am besten eine Mischung aus Spielen, die sich die Lernenden wünschen, und neuen Spielen, die der/die Lehrende einbringt.

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Ist diese Regel klar, bringt die Lehrperson in jede Stunde eine Stoppuhr mit. Jedes Mal, wenn die Klasse laut wird und für Ruhe gesorgt werden muss, stellt sich der/die Lehrende demonstrativ mit der Stoppuhr hin und weist die Lernenden darauf hin, dass ihre fünf Minuten sich gerade verringern. In der Regel geht es dann recht schnell, bis die Klasse zur Ruhe gekommen ist. Natürlich wird nur die Zeit auf dem Konto gutgeschrieben, die von der Klasse tatsächlich „gespart“ wurde.

Spiele zur Auflockerung

Spiele als Auflockerung dienen der Unterbrechung von Unterrichtsroutinen: Schön ist es, wenn es gelingt, ein Spiel auszuwählen, das in irgendeiner Weise mit dem Thema in Verbindung steht. Hier können auch bekannte Spiele abgewandelt werden (z.B. Reise nach Jerusalem abgewandelt in Reise nach Jericho; oder Obstkorb mit den Namen der Geschichte, die gerade an der Reihe ist). In diesem Fall steht nicht der Lerninhalt, sondern die Auflockerung im Vordergrund. Ein Themenbezug erleichtert es den Lernenden, lediglich im Anschluss an das Spiel wieder in das Thema einzusteigen. Gibt es keinen Themenbezug ist es sinnvoll, ein „Spiel-Signal“ (Gong, Klang …) zu vereinbaren, bei dem die Spielphase beginnt und endet. Viele Ideen für kurze Spiele mit wenig Vorbereitungsaufwand finden sich in dem Buch von Almuth Bartl (Viele klitzekleine Spielideen zur Auflockerung des Schulalltags, Auer-Verlag 1997).

Soziale und gruppendynamische Ziele von Spielen

Spiele sind niemals sinnlos. Viele Spiele, die zwar für die Vermittlung von Inhalten ungeeignet sind, eignen sich zum Erreichen von sozialen und gruppendynamischen Zielen. Allerdings müssen sie auf diese Ziele hin geplant und gezielt durchgeführt werden. Im Anschluss darf eine Reflexion des Erlebten mit der Gruppe nicht fehlen. Eine Reflexion erhöht den Lerneffekt enorm, da hier viele Lernprozesse erst in Gang gesetzt werden. Es ist im Rahmen dieses Buches nicht möglich, auf diese weitreichende Thematik näher einzugehen. Es lohnt sich jedoch, sich damit zu befassen.

Tipps zur Planung und Gestaltung von Spielen

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass sich für viele Themen und Bereiche in allen Altersstufen Spiele anbieten. Wir halten es für sinnvoll, eine positive Grundhaltung gegenüber Spielen im Unterricht einzunehmen und an jede Unterrichtsvorbereitung mit der Grundsatzfrage: „Gibt es Spiele, die sich für diese Stunde anbieten?“ heranzugehen. Natürlich ist dies nicht für jede Stunde der Fall. Dies wäre auch nicht sinnvoll. Spiele sollten etwas Beson-

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deres bleiben, sonst steigt die Erwartung der Lernenden ins Unerfüllbare, und die Bereitschaft für „normalen“ Unterricht sinkt. Gute Ideen kommen meist völlig unerwartet auf dem Fahrrad, in der Bäckerei, im Gespräch mit Freunden und Freundinnen. Deshalb ist es sinnvoll, bereits lange vor der Durchführung einer Stunde den Gedanken an ein mögliches Spiel im Kopf zu haben. Am Abend vorher, an dem noch hundert andere Sachen erledigt werden müssen, bleiben die guten Ideen meist aus, oder es fehlt die Zeit, diese umzusetzen. Die folgenden Fragen können als Inspiration bzw. Ideenanstoß für das Entwerfen eigener Spiele im Unterricht sein. – Was ist das Lernziel der Unterrichtsstunde? – Bietet sich zu diesem Ziel direkt ein Spiel an? – Spielen bestimmte Sinne eine Rolle in der Geschichte? (Einsatz von Sinnesspielen) – Gibt es auffällige Bewegungsformen, spannende Handlungen, Dinge die uns fremd sind? – Lässt sich daraus ein Spiel kreieren oder gibt es bereits ein passendes? – Gibt es eine unerwartete Wendung? Wenn ja: Wie kann ich diese nutzen, um die Stunde spannender zu machen? – Welche Eigenschaften haben die Lernenden, die sich die Lehrperson unabhängig vom Thema – zu Nutze machen kann? – Welche Spielform war schon lange nicht mehr dran? – Was braucht die Klasse gerade an gruppendynamischen oder motivierenden Impulsen?

4.5

Tipps zur Durchführung von Spielen im Unterricht

Eine wichtige Komponente des Spielens im Unterricht ist die Durchführung und Anleitung der Spiele. Das beste Spiel verliert seinen Reiz, wenn es schlecht angeleitet wird – häufig entstehen dann Enttäuschungsgefühle bei den Lernenden, Streit oder schlechte Laune. Das muss nicht sein! Im Folgenden finden Sie einige Tipps, bei deren Beachtung viele Gefahrenquellen beim Spielen wegfallen. – Die Zielgruppe im Blick haben! Nicht jedes Spiel und nicht jede Idee ist mit jeder Klasse umsetzbar. Denken Sie beim Planen an Ihre Zielgruppe und die Ihnen zur Verfügung stehenden räumlichen und materiellen Möglichkeiten, und überlegen Sie sich genau, wie das geplante Spiel verlaufen wird und welche Probleme sich ergeben werden. Erscheinen die erwarteten Probleme zu groß oder unvermeidbar, sollten Sie lieber auf das Spiel verzichten.

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– Es sollten immer alle Lernenden beschäftigt werden! Leerlaufphasen verleiten zum Stören und hindern die Lernenden daran, sich voll und ganz mit dem Spiel zu identifizieren. Es kann sein, dass bestimmte Spiele, die richtig gut sind, aufgrund der zu großen Zahl der Lernenden einfach nicht möglich sind. Können die Lernenden dann nicht in Kleingruppen spielen, ist es besser, auf dieses Spiel zu verzichten! Häufig bieten sich auch Zusatzregeln oder kleine Regeländerungen an, die das Spiel auf die Klassengröße anpassen. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Manchmal können Lernende, die gerade nichts zu tun haben, auch mit Beobachtungsaufgaben beschäftigt werden (besonders gut ist dies möglich bei Theaterspielen). – Spiele klar und deutlich erklären. Vor Spielbeginn rückfragen, ob alle das Spiel verstanden haben. Am besten einen Lernenden die Regeln wiederholen lassen. Sind die Spielregeln unklar, kommt es schnell zu Diskussionen oder zu Rückfragen, was den Spielverlauf stört. Merkt die Lehrperson nach Spielbeginn, dass die Regeln unklar sind, sollte die Lehrperson das Spiel sofort unterbrechen und eine weitere Erklärungsrunde durchführen. – Achtung beim Mannschaften-Bilden: Außenseiter und Außenseiterinnen dürfen hierbei nicht noch weiter in ihre Außenseiterrolle gedrängt werden! Das Bilden der Teams stellt häufig ein Problem dar, da jeder Lernende gern mit seinen/ihren Freunden/Freundinnen zusammen in ein Team möchte, manche Lernende aber in keinem Team erwünscht ist. Das führt dazu, dass Außenseiter in ihrer Rolle bestärkt werden und häufig völlig unterschiedlich starke Teams entstehen. In vielen Klassen reicht es, den Lernenden einmal die Ungerechtigkeit der offenen Teambildung zu erklären und an deren Gerechtigkeitsempfinden zu appellieren, um die ewigen Diskussionen darum, wer gern mit wem in ein Team möchte, zu unterbinden. Es bleiben verschiedene Möglichkeiten der Teambildung: die klassischen Teameinteilungsspiele/-methoden (z.B. Almuth Bartl, Viele klitzekleine Spielideen zur Auflockerung des Schulalltags, Auer Verlag 1997). Das Vorgeben der Teams (diese Methode kann auch für gruppendynamische Ziele gut eingesetzt werden, muss aber gut überlegt und evtl. anschließend reflektiert werden). Wählen: Einige Lernende wählen sich der Reihe nach ihr Team (sollte nicht zu oft eingesetzt werden, da auch hier die Außenseiter in ihrer Rolle bestärkt werden können, da sie als letzte gewählt werden [es sei denn man lässt sie wählen]). Das eigenständige Einteilen der Lernenden in Gruppen: Und wieder kann es sinnvoll sein, die Lernenden die Gruppen doch selbst bilden zu lassen. Allerdings sollte man ihnen dann Vorgaben machen wie „bildet die Teams nicht nach Sympathie sondern es sollen

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gleichstarke Gruppen herauskommen“ oder: „Ihr habt zwei Minuten Zeit, danach sollten die Teams stehen und jeder zu einem Team gehören, andernfalls wird eingeteilt“. Insgesamt muss den Lernenden klar sein, dass es um Teameinteilungen keine Diskussion gibt, da man sonst jedes Mal mit den Wünschen der Lernenden zu kämpfen hat. Gefahrenquellen beseitigen! Insbesondere bei Spielen mit Bewegung muss darauf geachtet werden, dass keine Gefahrenquellen vorhanden sind (also Stolperfallen [z.B. Schultaschen, die herumliegen], Tafel o.ä., an der man sich den Kopf anschlagen kann …). Die Lernenden auf Gefahren, die nicht entfernt werden können, hinweisen. Spielfelder müssen schon einige Meter vor einer nicht zu entfernenden Gefahrenquelle enden. Grundsätzlich gilt: Je wilder das Spiel, desto mehr Vorsicht ist geboten! Die Lernenden müssen die Möglichkeit haben, das Spiel mitzuspielen! In vielen Klassen gibt es einzelne Schülerinnen und Schüler, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mitspielen wollen oder können. Meist erhalten diese sowieso schon eine Sonderrolle, die durch die Spiele nicht verstärkt werden sollte. Jede/r muss beim Spielen mitmachen können. Ist das nicht möglich, so muss das Spiel solange abgewandelt werden, bis ein Mitspielen aller möglich ist, oder es kann nicht gespielt werden. Das Spiel muss ein klares Ende haben! Ein Gong, der das Spiel beendet, lässt gute Stimmung schnell in Gereiztheit und Ärger umschlagen. Der Gong ist ein sehr unbefriedigendes Ende für ein Spiel. Nun ist es häufig schwer absehbar, wie lange ein Spiel dauern wird. Aus diesem Grund ist es unverzichtbar, in ein Spiel die Möglichkeit eines vorzeitigen Endes einzubauen. Ein vorzeitiges Ende muss den Lernenden rechtzeitig mitgeteilt werden, sodass sie sich darauf einstellen und – insbesondere bei Spielen mit einer gewissen Strategie – ihre Pläne ändern können. Ist absehbar, dass ein Spiel nicht während des Unterrichts zu Ende gespielt werden kann, sind die Lernenden vor Beginn darauf hinzuweisen. Das Spiel kann dann in der nächsten Stunde als Einstieg zu Ende gespielt werden. Der Gewinner muss eindeutig sein! Wenige Dinge sind schlimmer als ein unklarer Gewinner! Es muss von Vornherein klar sein, wer das Spiel wann und wie gewonnen hat. Andernfalls entsteht Frust und Ärger, was sich kontraproduktiv auswirkt. Bei Spielen, die nicht eindeutig gewertet werden können, wie z.B. Theateraufführungen, sollte auf das Gewinnen ganz verzichtet werden – hier bekommt jede/r Beifall! Preise sollte es nicht jedes Mal geben – das weckt zu hohe Erwartungen! Die Lernenden müssen sich auch am einfachen Gewinnen freuen können. Hin und

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wieder Preise zu verteilen, beschert den Lernenden eine Überraschung und viel Freude. Es kann auch manchmal gut sein, den Lernenden am Ende des Spieles zu erklären, dass Sie es sehr gut fanden, wie sich alle eingesetzt haben, und Sie den Preis deshalb unter allen Lernenden aufteilen.

4.6

Verschiedene Spielformen

Es gibt die unterschiedlichsten Spielformen. Um Langeweile vorzubeugen, ist es sinnvoll, zwischen den verschiedenen Spielformen zu wechseln. Zudem können die Spielformen auch als Anreiz dienen, ein Spiel zu einem Thema von einer bestimmten Spielform her zu entwickeln – das durchbricht den gewohnten Gedankengang und kann zu erstaunlichen Ergebnissen führen. Hier einige der üblichen Spielformen mit zum Teil kurzen Bemerkungen: – Jeder gegen jeden! – Kooperationsspiele (bei Kooperationsspielen kann die Motivation der Lernenden erhöht werden, indem eine Zeitvorgabe genannt wird, in der das Spiel zu einem bestimmten Ergebnis gebracht werden soll. Es spielen also alle gemeinsam gegen die Zeit.) – Alle gegen die Lehrperson (eine sehr motivierende Spielform, da die Lehrperson als Mitspieler:in auftritt und es einen hohen Anreiz für die Lernenden schafft, gegen die Lehrperson zu gewinnen.) – Teams; – Paare; – Brettspiele (Brettspiele zu bestimmten Themen zu entwickeln, ist sehr aufwändig, lohnt sich aber, da diese dann über viele Schuljahre verwendet werden können. Es müssen genügend viele Spiele zur Verfügung stehen, sodass in Kleingruppen gespielt werden kann.) Es gibt verschiedene Arten von Spielen. Sie bringen Abwechslung und können genau wie die Spielformen als Denk-Impuls für die Entwicklung neuer Spiele im Unterricht verwendet werden. Hier in Kürze einige der gängigsten Spielarten: – Quiz-Spiele – Kreisspiele – Sprech-Spiele – Pantomime – Puzzle – Theater-Spiele

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– – – – – –

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Sinnesspiele Kartenspiele Brettspiele Rennspiele Schatzsuche Malspiele

4.7

Der didaktische Ort des Spiels

Häufig fallen einem bekannte Kreis- und Gruppenspiele zu bestimmten Themen ein. Diese können durchaus im Religionsunterricht verwendet werden, müssen jedoch richtig verortet sein! Das heißt … – der richtige Zeitpunkt im Stundenverlauf muss gefunden werden; – der Bezug zum Thema muss klar sein! Dazu macht es Sinn, eine Geschichte rund um das Spiel zu erfinden, die mit dem Thema zusammenhängt, oder das Spiel direkt im Thema zu verorten; – es muss Überleitungen vom Vorangegangenen zum Spiel und/oder vom Spiel zum Nachfolgenden geben, damit die Lernenden den Sinn des Spieles begreifen und den Transfer vom Spiel zum Thema schaffen. Ansonsten ist das Spiel eine schöne Auflockerung, beginnt und endet jedoch mit einem Bruch; – Zwei Beispiele: 1. Das verlorene Schaf: Variante 1: Die Lernenden basteln Pappschafe, die sie mit Watte bekleben. Anschließend gehen die Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen zusammen. Einer versteckt sein Schaf, die anderen suchen es. Variante 2: Die Lehrperson geht vor die Tür. Sie ist Hirte. Es dürfen sich zwei bis drei vorher bestimmte Schülerinnen und Schüler im Klassenraum verstecken. Sie sind die verlorenen Schafe. Haben sie sich versteckt, beginnen die anderen Schafe (der Rest der Klasse) zu blöken, was das Zeichen zum Reinkommen ist. Die Lehrperson zählt die Schafe, stellt besorgt fest, dass welche fehlen, und sucht die Fehlenden. Wenn der Hirte das Schaf ruft, muss es ganz leise blöken. Variante 1 dient dem Festigen von bereits Gelerntem, Variante 2 kann als Einstieg, zum besseren Verstehen der Geschichte oder zur Festigung des Gelernten dienen. 2. Abrahams Nomadenleben: Nachts kommen wilde Tiere, die Abrahams Schafe und Ziegen reißen wollen. Deshalb braucht es Nachtwachen, die auf die Tiere achtgeben: Eine Nachtwache bekommt

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die Augen verbunden (es ist ja schließlich dunkel). Vor der Wache liegen ein paar Schafe (z.B. einfache Wattebäusche). Die anderen sitzen still um die Wache herum. Die Lehrperson deutet auf einzelne Mitspielende, die zum wilden Tier werden, sich anschleichen und versuchen, ein Schaf zu rauben. Wird ein wildes Tier vom Hirten berührt, muss es zurück an den Platz, von dem aus es losgeschlichen ist.

4.8

Methoden zum Sozialformenwechsel

Sozialformenwechsel sind wichtig, ihre Nebenwirkung sind oft Störungen durch Unruhe. Im Folgenden werden einige spielerische Methoden genannt, die diesen Wechsel erleichtern und dazu noch Spaß machen. Dem kreativen Verstand fallen bestimmt weitere Möglichkeiten ein. – Zublinzeln: Das Zublinzeln bringt häufig eine große Ruhe und Konzentration mit sich, da die Lehrperson selbst schweigt und automatisch Ruhe ausstrahlt. Mit dieser Methode kann die Klasse in jegliche Sozialform gebracht werden. Die Lehrperson fordert die Klasse auf, ganz leise zu sein. Dann blinzelt sie einzelnen Lernenden zu, die aufstehen und sich an die entsprechende Stelle bewegen. Sollte die Methode genutzt werden, um Kleingruppen zu bilden, zeigt die Lehrperson während des Blinzelns auf die Stelle, zu der sich die Gruppe bewegen soll. – Gesichtsmethode: Jeder der Lernenden zieht ein Kärtchen. Auf jedem Kärtchen ist ein Gesicht zu sehen, auf dem ein Gesichtsteil farbig ist (außer dem Mund – er ist auf keinem Kärtchen farbig). Die Lehrperson zeichnet nun ein Gesicht an die Tafel. Wenn die Nase gezeichnet wird, stehen alle Lernenden auf, auf deren Kärtchen die Nase farbig ist usw. Sie begeben sich entweder in eine gemeinsame Kleingruppe oder in den Kreis. Am Ende zeichnet die Lehrperson den Mund. Er kann lachen, wenn alles gut und ruhig geklappt hat, neutral sein, wenn es ganz gut war, und traurig, wenn es nicht geklappt hat. Bei einem traurigen Mund schließt sich ein Gespräch an, oder die Methode wird wiederholt. Haben die Lernenden fünf Mal hintereinander einen lachenden Mund gesammelt, bekommen sie ein Gummibärchen oder Ähnliches als Belohnung (Vorsicht bei Lebensmittelintoleranz bzw. religiösen Gründen). – Daumenmethode: Die Lernenden legen ihren Kopf auf den Tisch und strecken den Daumen einer Hand nach oben. Die Lehrperson geht umher und drückt vorsichtig auf die Daumen. Wessen Daumen gedrückt wurde, steht auf, nimmt leise seinen Stuhl und setzt sich in den Kreis (oder in die Ecke, auf die die Lehrperson weist).

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Spielen im Religionsunterricht

– Puzzleteilmethode: Die Lernenden legen den Kopf auf den Tisch und öffnen ihre Hand. Sobald sie etwas in die Hand gelegt bekommen (z.B. ein Puzzleteil), dürfen sie aufstehen und sich in den Kreis setzen. Im Kreis können die Teile dann zu einem passenden Bild zusammengesetzt werden o.ä. Damit bietet diese Methode sogar einen thematischen Anknüpfungspunkt. – Schlange: Die Lehrperson geht durch den Raum. Alle Lernende singen ein thematisch passendes Lied. Die Lehrperson tippt die Kinder nach und nach an. Wer angetippt ist, hängt sich hinten an die entstehende Schlange. Am Ende geht die Lehrperson an der Stelle, an der die Mitspielenden sitzen sollen, im Kreis. Die Schlange stoppt, alle drehen sich in die Mitte, gehen ggf. einen Schritt nach hinten und setzen sich. Bei Geschichten, in denen viel gewandert wird, kann dies thematisch passend geschehen, z.B. beim Thema Abraham zum Lied Abraham, Abraham, verlass dein Land und deinen Stamm … – Bestehende Gruppen: Die Klasse wird in Kleingruppen eingeteilt, die in der nächsten Zeit zusammenarbeiten sollen. Die Kleingruppen dürfen sich selbst einen Namen und ein Motto geben. Wird nun eine Gruppenarbeit gemacht, ist sofort klar, wer mit wem zusammenarbeitet. Wird in den Kreis gegangen, werden die Gruppen nacheinander aufgerufen und gehen in den Kreis. Bei Spielen und beim vorbildlichen Einhalten von Regeln können sich die Gruppen Punkte verdienen. Hat eine Gruppe eine bestimmte Punktezahl erreicht, gibt es eine kleine Belohnung: Plastikedelsteine, Murmeln, kleine Süßigkeit (Vorsicht bei Allergien bzw. Lebensmittelintoleranz, religiöse Gründe), die Klasse lässt sie hochleben, sie dürfen alle eine Stunde lang Kronen tragen und werden mit König/Königin angesprochen, sie dürfen sich ein Spiel wünschen oder, oder, oder …). Nach einer gewissen Zeit werden die Gruppen aufgelöst und neue Gruppen gebildet (oder ohne die festen Gruppen weitergearbeitet). Der spielerische Charakter muss erkennbar bleiben, damit kein zu starkes und die Gesamtgemeinschaft störendes Konkurrenzdenken aufkommt.

5

Theaterspiel im Religionsunterricht

5.1

Einleitung

Um sich in eine Situation hineinzuversetzen, bieten sich jegliche Formen von Theaterspielen an. Sie können zum Nachdenken anregen, Verständnis wecken, aber auch einfach zur Wiederholung oder Festigung des Gelernten eingesetzt werden. Wichtig beim Einsatz von Theaterspielen ist immer das Abwägen, ob so etwas mit einer Klasse möglich ist oder nicht. Die Bereitschaft, vor der Klasse etwas vorzuspielen, muss vorhanden sein, ansonsten sind Theaterspiele nur schwer einsetzbar. Es kann sein, dass es in Klassen Einzelne gibt, die sehr ungern Theater spielen oder sich sogar weigern. Hier kann es je nach Situation sinnvoll sein, den betreffenden Lernenden Alternativen zu bieten. Das heißt, man bietet ihnen an, entweder eine Theateraufführung zu planen oder eine Geschichte zu schreiben bzw. einen Comic zu zeichnen. Dies ist für ein motivierendes Klima in der Klasse meist förderlich. Hier nun einige mögliche Theaterspiel-Varianten: – Die Mitspielenden müssen sich zu einer alltäglichen Situation Gedanken machen und ein Theaterstück dazu erfinden. Z.B. zum Thema: Streit und Versöhnung. – Die Mitspielenden bekommen eine Geschichte nur bis zu einem bestimmten spannenden Punkt erzählt oder vorgelesen und müssen sich ein Ende ausdenken. – Die Lernenden spielen eine Geschichte nach.

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Theaterspiel im Religionsunterricht

– Die Lernenden spielen eine Geschichte nach, aber aus einer anderen Perspektive. Zum Beispiel spielen sie eine Mäusefamilie, die im Haus des Mose wohnt und beobachtet, wie dieser nach seiner Geburt versteckt wird und wie der Plan entsteht, ihn in einem Schilfkörbchen auf dem Nil schwimmen zu lassen. – Die Lernenden spielen eine Geschichte, während diese erzählt wird. Diese Variante ist vor allem für Grundschulkinder passend, die nicht lange still sitzen und zuhören können. Wichtig ist dabei, dass jeder eine Rolle bekommt. Lernende können auch Bäume oder Gebäude spielen! Es kann hilfreich sein, insbesondere unruhigen Kindern die Rolle von Bäumen oder Gebäuden zu geben auch mit dem Hinweis, dass sich diese Dinge nicht bewegen, sondern ganz still stehen und auch nicht sprechen. Das Gelingen soll dann wertschätzend zur Kenntnis genommen werden. – Bei den Älteren ist ein Stegreiftheater möglich. Das heißt, die Jugendlichen spielen spontan vor der Klasse. Sie bekommen eine Situation genannt, und jeder Spielende erhält eine Rolle. Die Charaktere treten dann spontan in Interaktion. Es ist auch möglich, den einzelnen Spielenden zusätzliche Informationen zu geben, die die anderen nicht kennen, aber auf deren Hintergrund sie handeln. Die Zuschauenden beobachten und bewerten die Situation. Am Ende werden die Hintergrundinformationen offengelegt und diskutiert.

5.2

Objekttheater

Eine besondere Form des Theaterspiels ist das Objekttheater. Bei dieser Form des Theaterspiels werden Gegenstände zum Leben erweckt, und die Lehrperson spielt mit den Lernenden eine Geschichte nach. Texte wurden nicht gesprochen. Die Geschichte wird lediglich mit Geräuschen untermalt. Am Beispiel der Bartimäusgeschichte soll die Methode verdeutlicht werden. Die Lernenden bekommen den Auftrag, genau zu beobachten, was geschieht, um im Anschluss die Geschichte nachzuerzählen oder auch nachzuspielen. Den Lernenden wird erklärt, dass die Becher (einfache verschiedenfarbige Plastikbecher ohne Henkel sind optimal), mit denen die Geschichte gespielt wird, die Personen in der Geschichte darstellen sollen. Um alle Lernenden in diese Phantasiewelt zu entführen, ist es hilfreich, einmal zu zeigen, wie so ein Becher-Mensch im Spiel eingesetzt werden kann. Dann geht es los. Einige Becher laufen mit der Öffnung nach unten herum. Jeder Becher hat einige Münzen (runde Pappstücke) auf sich liegen. Zwei Becher schubsen einen dritten Becher auf das Spielfeld. Der dritte Becher

Theaterspiel im Religionsunterricht

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ist mit einem Stück Stoff umwickelt. Um zu verdeutlichen, dass er blind ist, stößt er immer wieder irgendwo an – gerne auch an den Beinen der Lernenden. Die Freunde stellen eine kleine Schale vor ihn und lassen ihn stehen. Einige Becher kommen und werfen eine ihrer Münzen in die Schale. Ein Becher schleicht sich an und bedient sich – wird vom Blinden verfolgt, der dann wiederum zurückgebracht werden muss, da er seinen Platz nicht mehr findet. Das einzige notwendige Wort in dieser Geschichte ist das Wort „Jesus“. Der blinde Bartimäus ruft es, als er mitbekommt, dass Jesus durch die Straßen läuft. Die Lernenden haben große Freude daran, einer solchen Geschichte zuzuschauen, den Geräuschen zu lauschen und die Geschichte im Anschluss zu interpretieren. Allerdings müssen Sie sich als Lehrperson mit dieser Methode identifizieren können. Es darf Ihnen nicht peinlich sein, seltsame Geräusche vor der Klasse von sich zu geben – ansonsten wirkt die Methode aufgesetzt und peinlich und sollte lieber vermieden werden. Sind die Lernenden dazu in der Lage, kann auch der umgekehrte Weg gewählt werden: Eine Geschichte wird erzählt und die Lernenden setzen sie anschließend in ein Objekttheater um, das sie der Klasse vorspielen. Das Theater Radieschen setzt meisterhaft biblische Geschichten in verschiedene Formate des Objekttheaters um. Es finden sich sehr viele Videos bei YouTube, die sich lohnen anzusehen, um sich inspirieren zu lassen.

6

Bilddidaktik

Das Thema Bilddidaktik ist ein sehr komplexes Thema. An dieser Stelle können lediglich ein paar Tipps gegeben werden, deren Beachtung wichtig ist und die für das Arbeiten mit Bildern sensibilisieren sollen.

6.1

Grundlegende Hinweise zur Arbeit mit Bildern im Religionsunterricht

– Bilder sind Medien – sie sind nicht einfach nur Material! Durch die Auseinandersetzung mit Bildern geschieht etwas – die affektive und psychomotorische Lerndimension wird angeregt. Entsprechend muss mit einem Bild gearbeitet werden. Auf keinen Fall darf ein Bild (nur) kognitiv bearbeitet werden! – Bilder müssen wirken können. Zu viele Bilder auf einmal überfordern Lernende bzw. Bildbetrachtende. Lieber ein Bild, mit dem intensiv und methodisch durchdacht gearbeitet wird, als viele Bilder, die nur oberflächlich betrachtet werden. – Bilder nicht totfragen – die Frage „Was siehst du?“ blockiert jegliche Kommunikation, da es sich bei dieser Frage um eine kognitive Frage handelt, die bei Lernenden den Reflex auslöst, eine richtige Antwort

Bilddidaktik

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geben zu müssen. Richtig und falsch gibt es aber bei einer Bildbetrachtung nicht! Bilder müssen wirken – nicht mit einen Wortschwall zudecken! Den Lernenden Zeit geben, selbst auf Entdeckungsreise zu gehen und selbst zu interpretieren. Mit dem Bild arbeiten! Nicht nur anschauen, sondern etwas damit tun, damit die Lernenden es sich aneignen können. Die Fantasie der Lernenden anregen. Mit dem Bild in Kommunikation treten/Identifikationen schaffen. Den Lernenden Zeit geben! Bei der Betrachtung eines einzigen, gemeinsamen Bildes sicherstellen, dass alle es sehen können. Raum für Interpretationen der Lernenden geben! Fragen von den Lernenden zunächst an die anderen Lernenden geben, bevor von der Lehrperson eine Antwort gegeben wird. Gespräche offen halten und verdeutlichen, dass es bei Bildbetrachtungen/-interpretationen viele Antworten gibt und dass Antworten subjektiv sind – ein kognitives „richtig“ und „falsch“ existiert nicht!

6.2

Methoden für die Arbeit mit Bildern

– Das kleine Quadrat: In die Mitte eines DIN A3-Papiers, das eine Stärke von mindestens 120 g/m2 haben sollte, wird ein kleiner Rahmen von etwa 2x2 cm geschnitten. Die Lernenden bekommen ein solches Papier vor sich gelegt und schließen die Augen. Während die Lernenden die Augen geschlossen halten, legt die Lehrperson unter jedes Blatt ein Bild. Das Bild sollte so klein/groß sein, dass es nicht unter dem DIN A3 Papier herausschaut, wenn man das kleine Quadrat über das Bild schiebt. Hat jeder Lernende ein Bild unter dem Blatt, dürfen die Augen geöffnet werden. Ohne zu sprechen, erforscht nun jeder Lernende das Bild, indem er das kleine Quadrat über das Bild schiebt. Die Lernenden lassen nach einer gewissen Zeit das Quadrat an einer Stelle liegen, die ihnen besonders gut gefällt/die sie nicht verstehen/die sie abschreckt. Es schließt sich ein Unterrichtsgespräch über die Entdeckungen der Lernenden an. Es ist möglich, das Bild über eine Folie zu projizieren. Auch hier kann eines der großen Blätter darübergelegt werden. Die Lernenden können auf diese Weise der ganzen Klasse ihre Entdeckungen zeigen. Hinweis: Diese Methode eignet sich besonders gut für Bilder mit vielen kleinen Details! – Teilbilder projizieren: Das Bild wird auf Folie kopiert und abgedeckt. Beim Projizieren wird das Bild nach und nach aufgedeckt. Die Kinder

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Bilddidaktik

erzählen von ihren Entdeckungen. Ebenso kann die Folie als Puzzle zerschnitten und nach und nach zusammengesetzt werden (Vorsicht: Verrutschgefahr!!) Das fehlende Stück: Ein Teil des Bildes wird herauskopiert, sodass auf der Bildkopie ein weißer Fleck entsteht. Die Schüler:innen müssen überlegen, was an dieser Stelle passieren könnte, und die Stelle mit eigenen Vorstellungen füllen. Bevor das Original betrachtet wird, ist ein Gespräch über die Ideen der Lernenden unverzichtbar. Wichtig: Jede Idee hat ihre Berechtigung! Das Original ist nur eine Möglichkeit unter vielen, um das Bild zu vollenden! Es geht nicht darum, möglichst genau die Idee des Verfassers zu erraten! Das Puzzle: Das Bild wird in Puzzleteile zerschnitten. Jeder Lernende bekommt ein Teil, das genau zu betrachten ist. Jeder Lernende erzählt den anderen, von seinen/ihren Entdeckungen. Werden mehrere Puzzles verteilt, können sich auch Schülerinnen und Schüler mit dem gleichen Puzzleteil finden und überlegen, was sie über ihr Teil erzählen möchten. Später finden sich dann die Lernenden so zusammen, dass ein Gesamtbild zusammengesetzt werden kann. Forschungsaufträge: Die Lernenden bekommen in kleinen Gruppen Forschungsaufträge – jede Gruppe einen anderen. Beispielsweise suchen sie: Berufe, Arbeitsgeräte, Tiere, Männer, Frauen, Handlungen, Farben, Bewegungen, Formen, Gutes, Böses … Sie schreiben eine Liste oder markieren ihre Entdeckungen. Mit Hilfe einer Folie präsentieren die Lernenden ihre Funde. Je nach Arbeitsauftrag ist die Methode auch für Jugendliche problemlos verwendbar. Fernseherbild: Es wird eine Geschichte erzählt. Die Lernenden haben ein dazu passendes Bild vor sich (besonders gut eignen sich Wimmelbilder, beispielsweise solche, die Jesu Lebenswelt darstellen). Die Lernenden schauen auf ihr Bild und versuchen sich vorzustellen, dass die Figuren sich bewegen und handeln. Sie dürfen natürlich Leute hinzufantasieren. Im Anschluss dürfen die Lernenden erzählen, was sie gesehen haben. Wichtig ist bei dieser Methode, an die Fantasie der Lernenden zu appellieren und die Lernenden ernst zu nehmen, die befürchten, sich die Bewegungen der Figuren nicht vorstellen zu können. Beispiel für einen Arbeitsauftrag: „Das Bild soll jetzt in eurer Fantasie zu einem Fernseher werden. Ihr schaut nur auf das Bild, während ich erzähle, und ihr stellt euch vor, die Figuren bewegen sich passend zur Geschichte. Ich bin sehr gespannt, ob ihr das schafft. Wichtig dabei ist, dass es ganz ruhig ist, sonst ist es schwierig, sich zu konzentrieren. Wer es nicht schafft, sich vorzustellen, dass die Figuren sich bewegen, schaut sich trotzdem das Bild an und ist

Bilddidaktik









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ruhig. Ich bin gespannt, wem das gelingt und was ihr nachher zu erzählen habt!“ Identifikation mit Figuren im Bild: Sich in einzelne Figuren hineinversetzen und deren Gedanken aussprechen. Oder als Partner:inaufgabe: Ein Interview mit einer Figur im Bild führen, indem eine Person fragt, eine andere für die Person im Bild antwortet. Innerer Dialog: Mit dem Bild in einen inneren Dialog treten. Was spricht das Bild zu mir? Was erzählt mir das Bild? Dies ist vor allem mit älteren Lernenden möglich. Es kann sich dabei auch um ein abstraktes Gemälde handeln. Es braucht keine Figuren, um mit einem Bild in einen inneren Dialog zu treten. Das Bild und ich: Wenn ich eine der Personen auf dem Bild sein könnte, wäre ich gern … weil … oder: Sich selbst in das Bild hineinzeichnen, an einen Ort, der einem gefällt. In einem anschließenden Gespräch begründen die Lernenden ihre Wahl. Fantasiewanderung über das Bild: Gemeinsam wird ein Bild betrachtet (entweder groß projiziert oder jeder/jede mit einem Exemplar). Der Weg der Augen über das Bild wird von der Lehrperson gelenkt. Es wird den Schülerinnen und Schülern gesagt, wie ihre Augen wandern. Immer wieder wird auf unauffällige Kleinigkeiten hingewiesen, die sonst möglicherweise übersehen würden. Beispiel: „Beginne in der rechten Ecke mit deiner Wanderung. Siehst du den Vogel? Er hat die Flügel ausgebreitet und schaut auf das Mädchen, das einen Luftballon trägt.“ Bei älteren Jugendlichen ist es auch möglich, dass die Jugendlichen wechselweise die „Reiseleitung“ über das Bild übernehmen. Weitermalen: Ein Bild wird so kopiert, dass ein breiter weißer Rand stehen bleibt. Die Lernenden erweitern das Bild. Sie setzen an den Rändern an und malen das Bild weiter. Eine andere Möglichkeit besteht darin, ein buntes Bild schwarz-weiß zu kopieren und den Lernenden die Aufgabe zu geben, den Teilen eine Farbe zu geben. In einem anschließenden Gespräch erklären die Lernenden, was sie sich bei ihrer Farbenwahl gedacht haben. Wege der Bilderschließung: Ein praktischer Zugang zum Thema Kunst im Religionsunterricht findet sich bei Martin Sander-Gaiser unter: www.sander-gaiser.de.

7

Kirchenraumpädagogik

(Sarah Krebs)

Didaktisch-methodische Analyse der Planung der Unterrichtseinheit „Praktische Kirchenraumpädagogik“ am Beispiel der Maria Magdalena-Kirche in Freiburg

7.1

Lehr- und Lernintention

Erschließungsziel

Die Lernenden kennen sowohl den Außenbereich der Maria Magdalena-Kirche als auch die Ausstattung der Innenräume und können über das ökumenische Kirchengebäude Auskunft geben. Während der Erschließungsphase wird auf eine Art des Lehrens zurückgegriffen, die eine „Verwirklichung des ganzheitlichen Lernens darstellt“ (so der Begriff im Bildungsplan von 2004. Im Bildungsplan 2016 heißt es unter den Prozesskompetenzen (Wahrnehmungs- und Darstellungsfähigkeit) wie folgt: „Die Schüler und Schülerinnen können […] religiöse Phänomene und Fragestellungen in ihrem Lebensumfeld wahrnehmen und sie beschreiben […] 3. grundlegende religiöse Ausdrucksformen (Symbole, Riten, Mythen, Räume, Zeiten) wahrnehmen, sie in verschiedenen Kontexten wiedererkennen und sie einordnen 4. in ethischen Herausforderungen mögliche religiös bedeutsame Entscheidungssituationen identifizieren 5. die Rezeption religiöser Motive in Medien erkennen“ http://www.bildungsplaene-bw.de.

Kirchenraumpädagogik

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Das ganzheitliche Lernen der Lernenden vollzieht sich in Lernprozessen, die in handlungsorientierte, situations- und schüler:inorientierte Rahmenbedingungen eingebettet sind. Mit Hilfe dieser didaktisch-methodischen Grundsätze und einer Methoden- und Medienvielfalt können während der Lernphasen alle Sinne der Lernenden angesprochen werden, wodurch wiederum die individuellen Lernzugänge der Schüler:innen berücksichtigt werden können. Durch ganzheitliche Lernarrangements und durch die Kirchenraumerschließung im Team können „erste Schritte auf dem Weg zum persönlichen und verbindenden Glauben“ (Bildungsplan 2004, S. 22) eröffnet werden. Während ganzheitlich ausgerichteter Lernphasen können zusätzliche Impulse gegeben werden, die alle Sinne ansprechen und Orientierungshilfe im Lernprozess geben (vgl. Bildungsplan 2004, S. 22). Im Bildungsplan 2016 heißt es unter den inhaltlichen Kompetenzen (Kirche und Kirchen): „Die Schülerinnen und Schülerer entfalten (zum Beispiel Kirchenraum, Glaubenspraxis, Gottesdienst, Sakramente, Gemeindeleben vor Ort, Ökumene).“ Hier wird als Zugangsbeispiel der Kirchenraum genannt. Nachdem die Lehrintentionen während der Erschließung der Maria Magdalena-Kirche festgelegt sind, kann das Erschließungsziel mit Hilfe zahlreicher Teillernziele erreicht werden. Während der Kirchenerschließungsphase ist es wichtig, auf Lerntechniken, über die die Lernenden bereits verfügen, zurückzugreifen. Des Weiteren werden, bis auf die hermeneutische und ethische Kompetenz, alle im Bildungsplan aufgeführten Kompetenzen für das Fach Evangelische Religion in die Erschließungsphase integriert. Während der Erschließung kann es dann zu einer individuellen Förderung dieser Kompetenzen kommen, indem sie weiterentwickelt oder aber auch gefestigt werden. Somit hat während der Erschließungsphase nicht nur das übergeordnete Erschließungsziel, mit den darin enthaltenen Teillernzielen und deren Lernphasen einen hohen Stellenwert, sondern auch die Weiterentwicklung der religiösen Kompetenz und der Lerntechniken der Lernenden. Durch die Verzahnung und Verknüpfung von Lehr- und Lernintentionen und durch das bewusste Initiieren eines ganzheitlichen Lernarrangements können während der Kirchenerschließung nicht nur die Kompetenzen gefördert, sondern auch individuelle Haltungen entfaltet werden. Aus den Verknüpfungen der Lernendenkompetenzen, mit deren individueller Haltung, kann ein Lernzuwachs resultieren. Dieser Lernzuwachs kann sich einerseits auf der kognitiven Ebene vollziehen, andererseits kann er positive Auswirkungen auf die Persönlichkeitsfindung bzw. die Selbstfindung der Lernenden haben.

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7.2

Kirchenraumpädagogik

Didaktisch-methodische Analyse „Kirchenraumpädagogik in der Maria Magdalena-Kirche“

Materialien und Medien

Fünf Tütchen, vier Folienstücke, Dokumentenkamera/Laptop und Beamer, ein Fühlsäckchen, Farbarmbänder, Erschließungsbögen, Stationsbögen, Stifte, feste Unterlagen, Fotoapparat, Ball Hinweis: Sinnvoll ist, diesen Teil auf mehrere Lehrpersonen zu verteilen.

Einstiegs- und Eröffnungsphase

Bei dem themen- und spieleorientierten Unterrichtseinstieg steht das Suchen und Puzzeln im Mittelpunkt. Für diese Unterrichtsphase bereitet die Lehrperson im Vorfeld eine Folie vor, auf der die Südseite der Maria Magdalena-Kirche abgebildet ist. Diese Folie wird anschließend in vier Teile zerschnitten und dann in vier kleine Tütchen gelegt. Die Tütchen werden vor Unterrichtsbeginn unter je vier Tischen der Lernenden präpariert. Als Anschauungsmaterial dient ein fünftes Tütchen, mit dessen Hilfe der Lehrperson den Lernenden den ersten Arbeitsauftrag erklärt. Die Lernenden dürfen dann, sofern sich ein Tütchen unter ihrem Tisch befindet, mit dem Tütchen leise nach vorne zur Dokumentenkamera gehen und den Inhalt des Tütchens auspacken. Daran anschließend, dürfen die Lernenden in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit die Folienbildteile unter der Dokumentenkamera zusammenfügen. Während der Eröffnungsphase kann nicht nur die Neugierde der Lernenden geweckt werden, sondern es kann auch die personale, die soziale, kommunikative und methodische Kompetenz situations- und schüler:inorientiert gefördert werden.

Überleitungsphase

Nachdem die Lernenden das Gebäude der Maria Magdalena-Kirche erkannt haben, informiert die Lehrperson die Lernenden über den Ablauf der außerschulischen Unterrichtssequenz. Informationen zum Ablauf, zur Kirchengemeinde und zur Kirche, werden noch im Klassenzimmer gegeben. Dann sind während des Kirchenbesuchs ausschließlich Details wie Arbeitsaufträge und Hinweise zum Kirchenraumerschließungsbogen zu geben. Die Lernenden erhalten einen Stationslaufplan, auf dem der genaue zeitliche Ablauf festgehalten ist. Während dieser Unterrichtsphase wird hauptsächlich die kommunikative Kompetenz der Lernenden gefördert. Nachdem die Lernenden mit dem Ablauf der außerschulischen Unterrichtssequenz vertraut gemacht worden sind, erfolgt die Einteilung der Lernenden in zwei Gruppen. Die Gruppeneinteilung erfolgt nach einem Zufallsprin-

Kirchenraumpädagogik 291

zip, um in der Klasse Streitigkeiten bezüglich der Gruppenzugehörigkeit zu vermeiden, und um eine neue Gruppenkonstellation zu initiieren. Um die Gruppenzugehörigkeit festzulegen, kann die Lehrperson im Vorfeld ein Fühlsäckchen vorbereiten, in dem sich zum Beispiel entsprechend viele rote und grüne Pfeifenputzer befinden. Die Lernenden dürfen jeweils einen Pfeifenputzer ziehen, die gezogene Farbe verweist auf die Gruppenzugehörigkeit. Anschließend legen die Lernenden ihren Pfeifenputzer um ihr Handgelenk und tragen ihn somit als Farbarmbändchen. Für die Armbändchen eignen sich Pfeifenputzer besonders gut, da Pfeifenputzerarmbändchen im Gegensatz zu Perlenarmbändern geschlechterunspezifisch sind, und somit sowohl von Mädchen als auch von Jungen als auch von Diversen getragen werden können. Des Weiteren haben sie den Vorteil, dass sie von ihrer Größe her individuell zuschneidbar sind. Des Weiteren können die Farbarmbändchen bei den Lernenden das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit stärken, da identische Armbänder den Lernenden vermitteln können, dass sie während der Kirchenerschließung ein Team sind, das sich gegenseitig bei der Bearbeitung der Fragen und Aufgaben unterstützt. Die Gruppenleitenden tragen ebenfalls ein Farbarmbändchen sowie dazu farblich passende Kleidung. Die farblich passende Kleidung der Gruppenleitenden kann den Lernenden als Orientierungshilfe dienen. Falls ein Schüler/eine Schülerin seine/ihre Gruppe aus den Augen verlieren sollte oder sich nicht mehr sicher ist, ob er/sie bei der richtigen Gruppe den Erschließungsbogen bearbeitet, können die Farbarmbändchen und das auffallend rote bzw. grüne Outfit der Gruppenleitenden beim Wiederfinden der Gruppe Unterstützung leisten. Nachdem alle Lernenden im Besitz eines Farbarmbändchens sind und dieses um ihr Handgelenk tragen, gehen sie gemeinsam mit ihren Lehrpersonen zur Maria Magdalena Kirche. Dort versammeln sich beide Gruppen am Hauptportal der Kirche, um erste wichtige und grundlegende Informationen über die Kirche zu erhalten. In der Überleitungsphase können hauptsächlich die kommunikative-, personale- und soziale Kompetenz gestärkt werden. Nach dieser informativen Lernphase teilen sich die beiden Gruppen auf die südlich und östlich gelegene Kirchenseite auf, damit ein ungestörtes Erschließen der Kirche innerhalb der Gruppe erfolgen kann.

Erarbeitungsphase

Der Außenbereich der Maria Magdalena-Kirche wird gegen den Uhrzeigersinn erschlossen, da die nördlich gelegene Kirchenseite auf Grund der schrägen Neigung der Kirchenwand zuerst erschlossen werden soll. Die Neigung der Kirchenwände ist für die im Erschließungsbogen enthaltene Aufgabe 8 „Lehne dich mit deinem Rücken an die nördlich und anschließend an die westlich gelegene Kirchenwand. Achte dabei darauf, dass deine Fer-

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Kirchenraumpädagogik

sen die Kirchenwand berühren. Beschreibe anschließend den Unterschied“ von Bedeutung. Die Lernenden können nach der Erschließung beider Kirchenwände feststellen, dass ein Stehen an der westlich gelegenen Kirchenwand auf Grund ihres Neigungswinkels unmöglich ist. Dieses Aha-Erlebnis können die Lernenden umso intensiver nachvollziehen, nachdem sie realisieren, dass sie sich an der nördlich gelegenen Kirchenwand im Vergleich zur westlich gelegenen Kirchenwand ohne Probleme zurücklehnen können. An den Wänden der Maria Magdalena-Kirche sind Plakate angebracht, auf denen die Himmelsrichtungen ausgehend von der Kirche aufgezeigt sind, die den Gruppenleitenden und den Lernenden als Orientierungshilfe dienen können. Sobald die Lehrperson mit ihrer Gruppe an der jeweiligen Kirchenwand, an der ihr Stationslauf beginnt, angelangt sind, teilen sie den Lernenden einen Erschließungsbogen aus und besprechen diesen mit ihrer Gruppe, um aufkommende Fragen bereits vor der Kirchenerschließung klären zu können. Somit kann eine störungsfreie und effektive Erschließung gewährleistet werden. Die Erarbeitungsphase vollzieht sich nicht nur schüler:inorientiert, sondern auch handlungs- und situationsorientiert, wobei die personale, kommunikative und soziale Kompetenz gefördert und weiterentwickelt werden können.

Vorstellen des Erschließungsbogens

Die Erschließungsbögen, die die Lernenden innerhalb von 45 Minuten bearbeiten sollen, sprechen die manuellen und visuellen Fähigkeiten der Lernenden sowie „Kopf“ und „Herz“ an. Denn der Erschließungsbogen beinhaltet nicht nur Aufgaben, die die Ratio der Lernenden anspricht, wie zum Beispiel das Zählen von Fenstern und Türen, sondern schließt auch Aufgaben mit ein, bei denen die Lernenden ihre Empfindungen zum Ausdruck bringen dürfen. Auf Grund der Methodenvielfalt sprechen die zu bearbeitenden Aufgaben jeden Lerntyp an. Somit ist gewährleistet, dass keine Lernenden beim Bearbeiten der Aufgaben unter- oder überfordert wird, wodurch ein sich eventuell einstellendes Frustrationspotenzial vermindert werden kann.

Südlich gelegene Kirchenwand

Sobald die Lernenden auf der südlich gelegenen Kirchenwand angelangt sind, erklärt die Gruppenleitung den Lernenden die Bedeutung des im Boden eingekerbten Labyrinths. Das Labyrinth symbolisiert das Leben eines Menschen. Der Eingang des Labyrinths stellt den Beginn eines Lebensabschnittes oder eines Vorhabens in einem bestimmten Lebensabschnitt dar. Dem hingegen steht die Mitte des Labyrinths für das Ziel bzw. das Erreichen des Vorhabens innerhalb eines bestimmten Lebensabschnittes. Die Wege innerhalb des Labyrinths stehen für Erfolge, aber auch Hürden und Umwe-

Kirchenraumpädagogik 293

ge im Leben eines Menschen. Denn manche Wege eines Labyrinths können sehr verschlungen sein, und oftmals scheint es so, als seien die Wege endlos und unüberbrückbar. Doch auf einmal ist wieder Hoffnung in Sicht. Denn innerhalb der zuvor so endlos erscheinenden Wege werden plötzlich neue Perspektiven aufgezeigt. Das Ziel, das zuvor noch so unerreichbar wirkte, ist zum Greifen nah. Nachdem die Lernenden die Bedeutung des Labyrinths kennen, dürfen sie dessen Wege beschreiten. Während die Lernenden versuchen, das Ziel des Labyrinths zu erreichen, können sie die im Vorfeld erhaltenen Informationen über die Bedeutung des Labyrinths verinnerlichen und realisieren, dass nicht nur die Wege eines Labyrinths mal näher und mal weiter vom Ziel entfernt sein können, sondern auch die Wege des eigenen Lebens. Daran anschließend dürfen die Lernenden den Grundstein, der sich ebenfalls auf der südlich gelegenen Kirchenseite befindet, suchen. Auf dem Grundstein befindet sich das Datum des ersten Spatenstiches sowie ein Grundriss der Maria Magdalena-Kirche. Nachdem die Lernenden über die Abbildungen, die auf dem Grundstein zu erkennen sind, spekuliert haben, dürfen sie mit Hilfe des Grundrisses Vermutungen über ihren genauen Standort anstellen. Bei dieser Phase ist jedoch darauf zu achten, dass die Lehrenden den Lernenden im Vorfeld die Wörter „Grundstein“ und „Grundriss“ erklären, da diese die Bedeutung der Wörter oftmals noch nicht kennen. Während der Lernphase auf der südlich gelegenen Kirchenseite wurden hauptsächlich die kommunikative, soziale und personale Kompetenz gestärkt.

Östlich gelegene Kirchenwand

Eine weitere Aufgabe, die die östlich gelegene Kirchenwand betrifft, besteht darin, dass die Lernenden die Fenster zählen dürfen. Drei der 19 „Fenster“ sind jedoch nur fensterähnliche Öffnungen in der Betonmauer. Die Öffnungen besitzen zwar die Form eines Fensters, jedoch sind sie nicht mit Glasscheiben versehen. Denn hinter den drei Öffnungen der östlich gelegenen Kirchenwand befindet sich ein Balkon. Nachdem die Schülerinnen und Schüler zunächst über die Funktion der Öffnungen rätseln durften, werden sie daran anschließend von der Gruppenleitung über die Hintergründe der Fensteröffnungen aufgeklärt. Die Fensteröffnungen dienen hauptsächlich einem einheitlichen äußeren Erscheinungsbild des Kirchengebäudes.

Westlich gelegene Kirchenwand

Auf der westlich gelegenen Kirchenseite erklärt die Gruppenleitung den Lernenden die Bedeutung eines im Erdboden fixierten Steines. Der Stein wurde zu Ehren Maria Magdalenas angebracht und soll vor allem am 22. Juli, an ihrem Gedenktag, an die Ereignisse, die im Neuen Testament erzählt wer-

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Kirchenraumpädagogik

den, und die besondere Position, die Maria Magdalena darin einnimmt, erinnern. Am 22. Juli fällt durch eine kleine quadratische Öffnung auf der Westseite des Gebäudes um genau 12.00 Uhr ein faszinierendes Lichtband auf den am Boden fixierten Stein.

Zusatzinformationen und -aufgaben

Die Informationen und Aufgaben, die die Lernenden über den Erschließungsbogen hinaus erhalten, sind auf dem Bogen nicht aufgeführt, da die Lernenden auf Grund fehlender Hintergrundkenntnisse diese Informationen entweder nicht selbstständig erschließen können, oder aber das eigenständige Recherchieren bezüglich der jeweiligen Aufgabe für (Grundschul-) Lernende in einem außerschulischen Lernort zu komplex ist.

Ergebnissicherung

Während die Lernenden den Erschließungsbogen bearbeiten, fotografieren die Gruppenleitenden diese, um ihr Arbeiten festzuhalten. Die Fotos dienen als Einstiegsmaterial in die folgende Religionsdoppelstunde. Des Weiteren kann die Lehrperson gemeinsam mit den Lernenden im Unterricht ein Plakat entwickeln, das nach der Unterrichtseinheit in der Maria Magdalena Kirche oder im Klassenzimmer aufgestellt werden kann. So können die Eltern ihre Kinder auf den Fotos beim aktiven Erschließen der Kirche betrachten und nachvollziehen, welche Erlebnisse sie am ersten Erschließungstag hatten. Da nach der Unterrichtseinheit mit Hilfe der Fotos ein Plakat gestaltet werden kann, werden die Lernenden während der gesamten Unterrichtseinheit beim Bearbeiten der Erschließungsbögen fotografiert. Daher dienen die Fotos der Lernenden auch während der insgesamt drei Erschließungsdoppelstunden als Ergebnissicherung.

Vertiefungsphase und Ergebnissicherung

Nachdem die Lernenden mit ihren Gruppenleitenden die Maria Magdalena-Kirche einmal umrundet haben und die Aufgaben auf dem Erschließungsbogen bearbeitet sind, werden sie gemeinsam in ihr Religionszimmer zurückgehen, um die Religionsdoppelstunde mit einer Auswertung der Kirchenerschließung im Freien zu beenden. Da die aktive Kirchenerschließung im Freien hauptsächlich den Bereich Kopf und Herz anspricht, kann in der Abschlussrunde auf eine spielerische Methode zurückgegriffen werden, bei der sich die Lernenden einen Ball zuwerfen. Die Person, die den Ball fängt, äußert ihre Empfindungen, Gefühle und Gedanken während der Kirchenerschließung. Die Lehrperson protokolliert die Lernenden-Äußerungen mit, um anschließend ein ausführliches Lernenden-Feedback erstellen zu können, das wiederum einer Reflexion und Evaluation dienen kann. Nach der

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spielerischen Auswertung des Projektes dürfen die Lernenden die Aufgaben und Fragen auf ihrem Erschließungsbogen mit Hilfe drei verschiedener Smileys bewerten. Ein lächelnder Smiley J steht für eine Aufgabe, die den Lernenden Spaß und Freude bereitet hat, ein neutral schauender Smiley K veranschaulicht, dass die Aufgabe in Ordnung war, jedoch hätte interessanter sein können und ein traurig schauender Smiley L bewertet die Aufgabe als nicht ansprechend. Die Lernenden haben die Möglichkeit, einen der drei Smileys hinter die entsprechende Aufgabe zu zeichnen.

Abschlussphase

Nach der Bewertung des Erschließungsbogens dürfen alle Lernenden ihren, mit Smileys versehenen, Bogen abgeben. Anschließend versammeln sie sich in der Mitte des Klassenzimmers, um die Religionsdoppelstunde mit einem Segensspruch zu beenden. Das Durchführen von Ritualen im Unterricht kann vor allem unsicheren Lernenden erste Ängste nehmen, da kontinuierlich durchgeführte Rituale Sicherheit und einen vertrauten Rahmen bieten können. Des Weiteren können die Lernenden Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten und zu ihren Mitlernenden entwickeln, da sie realisieren, dass auch sie zur Klassengemeinschaft gehören und mit ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten den Unterricht mitgestalten können. Während dieser Phase kann vor allem die soziale und personale Kompetenz der Lernenden gefördert werden.

7.3

Didaktisch-methodische Analyse der zweiten Religionsdoppelstunde

Materialien und Medien

Dokumentenkamera/Laptop und Beamer, Farbarmbändchen, Kerzen, Feuerzeug, Klangschale, CD, CD-Player, Knete, Puzzle, Wasser, Gläser, Handtuch, Luftballon, Blätter, Scheren, Stifte, Erschließungsbögen, Stationsbögen, Fotoapparat, Ball

Eröffnungsphase

Auch für die Eröffnungsphase der folgenden Religionsdoppelstunde bietet sich ein schüler:in- und themenorientierter Unterrichtseinstieg an. Denn während der Eröffnungsphase kann die Lehrperson die Ereignisse der ersten Doppelstunde mit Hilfe der Fotos aufgreifen, um die Lernenden auf eine weitere Erschließung der Kirche vorzubereiten und einzustimmen. Um die Ereignisse der ersten Erschließungsdoppelstunde in die Eröffnungsphase effektiv integrieren zu können, kann die Lehrperson den Lernenden nach

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Kirchenraumpädagogik

der Begrüßung die Fotos, auf denen die Lernenden zu erkennen sind, unter der Dokumentenkamera (oder mittels eines anderen visuellen Mediums) zeigen. Um die Lernendenbeteiligungen während des Unterrichtes zu fördern, kann die Lehrperson einen Teil des Fotos zum Beispiel mit Hilfe eines Blattes verdecken. Durch das Verdecken einer bestimmten Fotohälfte, kann die Neugierde der Lernenden geweckt werden, da sie zunächst nicht erkennen können, welche Person sich auf dem Foto befindet. Nachdem sie die Person auf dem Foto identifizieren konnten, dürfen sie das ganze Foto betrachten. Hierbei können die soziale und die personale Kompetenz der Schüler:innen gefördert werden.

Überleitungsphase Nach dem themenorientierten Unterrichtseinstieg und eventuell aufkom-

menden Anmerkungen der Lernenden werden diese über den Verlauf der Religionsdoppelstunde und über die erste Erschließungsmethode in Kenntnis gesetzt, um anfängliche Unsicherheiten gleich zu Beginn zu minimieren bzw. ganz zu vermeiden und um aufkommende Fragen im Klassenzimmer klären zu können. Danach bilden die Lernenden wieder zwei Kirchenerschließungsgruppen und erhalten daran anschließend ihre Farbarmbändchen. Die Gruppenkonstellation bleibt während der gesamten Unterrichtseinheit auf Grund des bisher erarbeiteten Kenntnisstandes, den die Lernenden innerhalb ihrer Gruppe erzielen konnten, bestehen. Anschließend gehen sie mit ihren Gruppenleitenden zur Kirche. Sobald alle Lernenden auf der Nordseite der Kirche angelangt sind, trennen sich die beiden Gruppen voneinander, da sie von unterschiedlichen Seiten die ökumenische Kirche betreten werden. Gruppe Rot, gelangt durch den westlich gelegenen Seiteneingang in die katholische Kirche; Gruppe Grün betritt den evangelischen Kirchenraum durch den östlich gelegenen Seiteneingang. Während des Betretens der beiden Kirchenräume durch die westlich und östlich gelegenen Seiteneingänge können die Lernenden, da sie die Kirche nicht wie gewohnt durch das Hauptportal betreten, den jeweiligen Kirchenraum aus einer anderen Perspektive wahrnehmen und neue Eindrücke gewinnen. Während der Überleitungsphase kann die soziale, personale und kommunikative Kompetenz gestärkt werden.

Erarbeitungsphase

Während der Erarbeitungsphase werden die Lernenden weitgehend selbstständig arbeiten. Eine Ausnahme bilden die ersten 10–15 Minuten, in denen sie unter Anleitung der Gruppenleitung erste Erschließungsmethoden sowohl im evangelischen als auch im katholischen Gottesdienstraum gemeinsam ausprobieren dürfen. Nach den ersten Erschließungsme-

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thoden der Lehrenden erhalten die Lernenden einen Erschließungsbogen, den sie vor Beginn der Kirchenerschließung der Lernenden gemeinsam mit ihrer Gruppenleitung besprechen, um im Vorfeld bereits aufkommende Fragen klären zu können. Anschließend dürfen die Lernenden den Erschließungsbogen in Einzel- oder Partnerarbeit selbstständig bearbeiten. Gruppe Rot erhält einen Erschließungsbogen, der zu bearbeitende Methoden für den katholischen Gottesdienstraum, das Foyer und die Glockenstube enthält; Gruppe Grün bearbeitet einen auf den evangelischen Kirchenraum abgestimmten Erschließungsbogen. Die Erarbeitungsphase ist weitgehend selbstgesteuert. Daher nehmen die Lehrpersonen während dieser Kirchenerschließungsphase nur eine beratende Funktion ein. Des Weiteren informieren die Gruppenleitenden die Lernenden zehn Minuten vor Ende der Bearbeitungszeit über die verbleibende Zeit, damit alle Lernenden die Möglichkeit erhalten, ihre bereits begonnene Erschließungsmethode rechtzeitig zu beenden. Während der Erarbeitungsphase werden die personale, kommunikative, soziale und ästhetische Kompetenz gefördert.

Betreten der Gottesdiensträume und die Suche nach einem individuellen Lieblingsplatz Evangelischer und katholischer Gottesdienstraum Die Erkundung des evangelischen und katholischen Kirchenraums wird von zwei (!) Lehrpersonen zeitgleich durchgeführt. Die Gruppe wird entweder von Gruppenleitenden oder zwei Lehrpersonen angeleitet. Die Lernenden betreten den jeweiligen Gottesdienstraum einzeln erst nachdem der Name eines Lernenden gerufen worden ist. Beim Betreten des Raumes erhalten die Lernenden eine brennende Kerze, die sie auf den dafür vorgesehenen Platz stellen. Anschließend dürfen die Lernenden ihren individuellen Lieblingsplatz im Kirchenraum suchen und an diesem Platz liegend, sitzend oder stehend verweilen. Ziel dieser Erschließungsmethode ist es, den Lernenden die Möglichkeit zu eröffnen, den Kirchenraum auf sich wirken zu lassen. „Bei dieser Übung geht es [vor allem] um die körperliche Erfahrung des Raumes“ (Rupp u.a. 2008, S. 271). Nachdem alle Lernenden ihren individuellen Lieblingsplatz im Kirchenraum entdeckt haben, wird die Aufgabe durch das Schlagen einer Klangschale beendet. Das Schlagen der Klangschale hat den Vorteil, dass die Gruppenleitenden nicht durch den ganzen Kirchenraum rufen müssen, um die Lernenden zu versammeln. Während dieser Methode werden die personale und soziale Kompetenz gefördert.

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Kirchenraumpädagogik

Gerüche und Geräusche im Gottdienstraum Nachdem die Lernenden den jeweiligen Gottesdienstraum, durch das Suchen eines individuellen Lieblingsplatzes kennenlernen konnten, unterscheiden sich die daran anschließenden Erschließungsmethoden, die im evangelischen und im katholischen Gottesdienstraum angewendet werden. Die Lernenden, die den evangelischen Gottesdienstraum erschließen dürfen, nehmen nach der Begehung des Kirchenraumes und der Entdeckung ihres Lieblingsplatzes in Einzelarbeit die Gerüche und Geräusche innerhalb des Gottesdienstraumes wahr. Die Gerüche und Geräusche, die innerhalb des Kirchengebäudes zu vernehmen sind, sind vor allem im evangelischen Gottesdienstraum auf Grund seiner Raumgröße gut wahrnehmbar. Die Lernenden werden, da die Kirche vor allem aus Holz und Beton besteht, im evangelischen Kirchenraum den Holzgeruch sowie die knarrenden Geräusche des Holzes wahrnehmen. Die Methode „Gerüche und Geräusche innerhalb des evangelischen Gottdienstraumes wahrnehmen“ spricht vor allem den Geruchs- und den Gehörsinn an sowie die personale, soziale und kommunikative Kompetenz. Daran anschließend erhalten die Lernenden ihren Erschließungsbogen. Die Lernenden, die den Gottesdienstraum erschließen, versammeln sich zunächst um den Marienaltar und stellen ihre Kerzen auf dem Altar ab. Die Lehrperson erklärt ihnen kurz die Bedeutung des Marienaltars und der sich darauf befindenden Kerzen. Anschließend erhalten die Schülerinnen und Schüler ihren Erschließungsbogen. Auch bei den Lernenden, die den katholischen Gottesdienstraum erkunden, werden zunächst die personale, soziale und kommunikative Kompetenz gefördert. Evangelischer und katholischer Gottesdienstraum Vor dem Altar finden alle zusammen; jede/r stellt seinen/ihren Lieblingsplatz im Gottesdienstraum vor. Zu beachten ist während dieser kommunikativ orientierten Lernphase, dass niemand zu einer Begründung gezwungen oder die Wahl des Lieblingsplatzes in Frage gestellt wird, da diese auf dem individuellen Empfinden der Einzelnen basiert und durch eine negative Kritik an diesem Platz negative Assoziationen mit dem ganzen Kirchenraum hervorgerufen werden. Während dieser Phase können die personale, soziale und vor allem die kommunikative Kompetenz ausgebaut werden. Die Überleitungsphase, in der die Gruppenleitenden die Lernenden auf die selbstständige Kirchenerschließung mit Hilfe eines Erschließungsbogens vorbereiten, wird sowohl im evangelischen als auch im katholischen Gottesdienstraum identisch durchgeführt.

Kirchenraumpädagogik 299

Nach der Beendigung des ersten Wahrnehmens des Gottesdienstraumes unter Anleitung der Gruppenleitung teilt der/die Gruppenleitende seiner/ihrer Gruppe einen Erschließungsbogen aus, auf dem verschiedene Aufgaben, die sowohl Kopf, Herz und Hand als auch die verschiedenen Sinne der Lernenden ansprechen, aufgelistet sind. Die Lernenden dürfen individuell ausgewählte Aufgaben des Erschließungsbogens innerhalb von ca. 50 Minuten bearbeiten. Bevor sie den Erschließungsbogen bearbeiten, bespricht die Gruppenleitung mit ihrer Gruppe die Aufgaben des Erschließungsbogens, um aufkommende Fragen bereits im Vorfeld klären zu können und um ein störungsfreies und effektives Erschließen des evangelischen bzw. des katholischen Kirchenraumes der Kirche gewährleisten zu können. Des Weiteren verweist die Lehrperson auf die Stationsschilder, welche die Lehrperson sowohl im evangelischen als auch im katholischen Kirchenraum einen Tag vor der Kirchenerschließung angebracht hat. Auf den Schildern befinden sich Zahlen, die äquivalent zu den Aufgabennummern auf dem Erschließungsbogen entsprechen. Die Stationsschilder dienen den Lernenden als Orientierungshilfe, da sie ihnen den Platz zeigen, an dem die jeweilige Aufgabe des Erschießungsbogens zu bearbeiten ist. Auf Grund der kurzen Zeit, die den Lernenden zur Bearbeitung des Erschließungsbogens zur Verfügung steht, müssen sie nicht alle Aufgaben und Fragen bearbeiten. Den Lernenden ist es freigestellt, welche und wie viele Aufgaben sie innerhalb der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit im Gottesdienstraum bearbeiten können. Das selbstständige Arbeiten im Kirchenraum hat den Vorteil, dass die Lernenden nicht zwangsweise eine Aufgabe bearbeiten müssen, sondern die Kirche mit Methoden erschließen dürfen, die sie selbst auswählen können, was wiederum im Anschluss an die Kirchenerschließung mit positiven Assoziationen verbunden werden kann. Während der Kirchenraumerschließung kann die personale, kommunikative, soziale, methodische und ästhetische Kompetenz schüler-, handlungs- und situationsorientiert gefördert und weiterentwickelt werden. Methoden zur pädagogischen Erschließung des Kirchenraums Auf Grund der Vielfalt der Aufgaben und Fragen, die auf den Erschließungsbögen aufgeführt sind, können die Lernenden auf verschiedene Art und Weise den Kirchenraum wahrnehmen. Die auf dem Erschließungsbogen formulierten Aufgaben und Fragen sprechen sowohl Kopf, Herz und Hand als auch die verschiedenen Sinne wie Riechen, Hören, Sehen und Tasten an. Die Inhalte des Erschließungsbogens für den katholischen und evangelischen Gottesdienstraum sind größtenteils identisch. Die Aufgaben und Fragen variieren dann, wenn in der katholischen bzw. in der evangelischen Kirche weitere Räume vorhanden sind, in denen sich die Durchführung zusätzlicher Methoden zur Kirchenraumerschließung anbieten oder aber auch bei einer Unterschei-

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Kirchenraumpädagogik

dung des Kirchenrauminventars. Aufgaben und Fragen, die auf den Erschließungsbögen für den katholischen und den evangelischen Gottesdienstraum identisch sind, haben den Vorteil, dass die Lernenden im Anschluss der Unterrichtseinheit die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des evangelischen und des katholischen Gottesdienstraumes benennen können. Während der Kirchenraumerschließung können die soziale, kommunikative, methodische und personale Kompetenz weiterentwickelt und gestärkt werden. Empfindungen zum Ausdruck bringen Beim Bearbeiten der ersten Aufgabe des Erschließungsbogens können die Lernenden ihre Empfindungen gegenüber dem Gottesdienstraum zum Ausdruck bringen. Indem sie den Gottesdienstraum bewusst wahrnehmen, realisieren sie, welche Gefühle der Gottesdienstraum in ihnen auslöst. Der Raum kann auf die Lernenden unterschiedlich wirken. Dies kann zum einen durch den jeweiligen Standpunkt, an dem sich ein Lernender befindet, ausgelöst werden, zum anderen jedoch auch von der individuellen Wahrnehmung der Lernenden und ihren persönlichen Vorerfahrungen mit verschiedenen Kirchengebäuden bestimmt sein. Empfindungen und Gefühle können zum Beispiel durch die Größe des Gottesdienstraumes ausgelöst werden. Dieses könnte auf Grund seiner Größe auf die Lernenden erdrückend, klein, groß oder hoch wirken. Die vielen Fenster des evangelischen Gottesdienstraumes der Maria Magdalena-Kirche könnten zum Beispiel als freundlich und einladend empfunden werden. Demgegenüber könnte ein Raum, der mit weniger Fenstern ausgestattet ist, als unfreundlich, düster oder erdrückend wahrgenommen werden. Während dieser Übung kann das Wahrnehmungsvermögen mit Hilfe verschiedener Sinne wie Seh- oder Tastsinn der Lernenden gefördert werden. Des Weiteren kann die personale Kompetenz gestärkt werden. Vermessen und Zählen Lernende versuchen mit Schritten den Kirchenraum abzugehen und erstellen eine Raumskizze. Beim Zählen von Stühlen, Leuchtern, Glocken und den Altarfüßen können sie einen Vergleich mit dem katholischen bzw. evangelischen Gottesdienstrauminventar herstellen. Bei den Aufgaben Vermessen und Zählen werden vor allem der Seh- und Tastsinn, das rationale Denken und die personale, kommunikative sowie die soziale Kompetenz gefördert. Lieder kreieren, Lieder auswählen Die Erschließungsbögen enthalten auch Aufgaben, die die Kreativität und die Fantasie der Lernenden anregen können. Über das Vermessen des Gottesdienstraumes und das Zählen des Kirchenrauminventars hinaus können sie mit Hilfe von Gläsern und Flaschen eine Melodie, die einer Orgelmelodie

Kirchenraumpädagogik 301

ähnelt, kreieren. Des Weiteren können die Schülerinnen und Schüler auch ein zum Kirchenraum passendes Lied auswählen und vorspielen (CD-Player, Smartphone, Tablet). Die Methode „Lieder auswählen/kreieren“ kann die kommunikative, soziale, personale und ästhetische Kompetenz fördern. Kneten Die Lernenden erhalten die Möglichkeit, mit Knete einen individuell ausgewählten Gegenstand des Kircheninventars nachzuformen und zu modellieren. Hierbei kann die kommunikative, soziale, personale und ästhetische Kompetenz weiterentwickelt werden. Malen/Zeichnen Auch beim Zeichnen werden die Lernenden dazu angehalten, sich die Gegenstände im Kirchenraum genau anzuschauen. Sie haben die Möglichkeit, einen Gegenstand mit Buntstiften auf einem Schmuckblatt oder dem Kirchenerschließungsbogen zeichnerisch festzuhalten. Dabei ist es ihnen überlassen, ob sie den Gegenstand aus ihrem Gedächtnis frei nachmalen oder ob sie ihn lieber vor Ort abmalen wollen. Während dieser Phase kann die kommunikative, soziale, personale und ästhetische Kompetenz ausgebaut werden. Basteln Das im Foyer tiefer gelegene Taufbecken bietet den Lernenden viel Raum und Platz, um sich auszubreiten und zu basteln. Beim Taufbecken befinden sich daher im Vorfeld angefertigte Bastelvorlagen, aus denen die Lernenden eine Blume anfertigen können. Sie schreiben nach dem Ausschneiden der Blumenbastelvorlage ihren Namen in die Mitte der Blume. Anschließend falten sie die Blütenblätter nach innen. Nachdem alle Blütenblätter nach innen gefaltet wurden, dürfen die Lernenden die Blume in das Wasser des Taufbeckens legen. Sobald sich die Blume im Wasser befindet, können die Lernenden beobachten, wie sich die Blütenblätter der Blume langsam wieder öffnen und ihr Name zum Vorschein kommt. Während des Bastelns der Blume oder daran anschließend können sich die Lernenden über ihre individuellen Tauferlebnisse austauschen und diese anschließend auf ihrem Erschließungsbogen schriftlich festhalten. Die Aufgaben und Fragen, regen die Kreativität und Fantasie der Lernenden an und können des Weiteren auch noch Herz und Hand, Seh-, Tast-, Geruchs-, und Gehörsinn sowie die kommunikative, soziale, personale, und ästhetische Kompetenz fördern. Suchen und Puzzeln Die Aufgabe Suchen und Puzzeln findet nur im katholischen Gottesdienstraum statt. Um die Aufgabe zu bearbeiten, begeben sich die Lernenden

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Kirchenraumpädagogik

auf die Suche nach acht verschiedenen Puzzleteilen, die zusammengefügt ein Bild von Maria Magdalena ergeben. Während der Phase Suchen und Puzzeln nehmen die Lernenden den gesamten katholischen Gottesdienstraum aufmerksam und zugleich bewusst wahr. Anschließend dürfen sie die Puzzleteile zusammenfügen. Bei dieser Aufgabe werden Kopf und Hand, die Seh- und Tastsinne sowie die kommunikative, soziale und personale Kompetenz angesprochen. Kritik am Gottesdienstraum üben Nachdem die Lernenden die Gottesdiensträume der Maria Magdalena-Kirche wahrnehmen konnten, dürfen sie ihre individuelle positive, aber auch negative Kritik bezüglich des Gottesdienstraumes und des Inventars auf dem Erschließungsbogen festhalten. Dabei können sie ihre emotionalen Empfindungen nicht nur bewusst realisieren, sondern auch reflektieren und anschließend schriftlich festhalten. Die Methode Kritik am Gottesdienstraum üben kann das „Herz“ – das emotionale Empfinden, den Sehsinn sowie die personale und die kommunikative Kompetenz der Lernenden ansprechen. Vertiefungsphase und Ergebnissicherung Das Vorbereiten auf die Vertiefungsphase und die darauffolgende Abschlussphase gestaltet sich im katholischen und evangelischen Gottesdienstraum identisch, da die Lernenden als Gruppe gemeinsam zurück zur Schule gehen sollen, um dort die Religionsdoppelstunde mit einer Auswertung zu beenden. Nachdem die Lernenden die Innenräume der Kirche ca. 50 Minuten lang erschlossen haben, erklingt das sanfte und zugleich durchdringende Geräusch einer Klangschale. Es weist auf das Ende der Kirchenerschließung hin. Alle versammeln sich im Foyer. Nachdem alle Lernenden und die Lehrperson(en) im Foyer angelangt sind, verlassen sie gemeinsam die Kirche und gehen zurück zur Schule, um im Klassenzimmer die Unterrichtseinheit mit einer mündlichen und schriftlichen Auswertung zu beenden. Die Lernenden dürfen ihre Empfindungen, Gefühle und Gedanken sowie ihre schriftliche Auswertung der Doppelstunde wie am Unterrichtsende der ersten Kirchenerschließungsdoppelstunde zum Ausdruck und zur Kenntnis bringen. Hierbei kann wieder die personale, soziale und kommunikative Kompetenz gestärkt und gefördert werden. Abschlussphase Die Abschlussphase der Unterrichtseinheit erfolgt nach den Kriterien der bereits beschriebenen ersten Kirchenerschließungsdoppelstunde.

8

Stationen/Stationenlernen

8.1

Vorbemerkung

Beim Stationenlernen geht es darum, dass Lernende ihr Lernen selbst organisieren und selbstständig arbeiten. An diversen Stationen stehen ihnen Lernangebote zur Verfügung, die sie nach bestimmten Regeln bearbeiten.

8.2

Stationenlernen

Die Stationen sollen – möglichst abwechslungsreich gestaltet sein, verschiedene Sinne ansprechen und die Breite der Kompetenzen fördern; – so gestaltet sein, dass die Lernenden gut verstehen, was zu tun ist; – motivierend sein; – mit ansprechendem Material ausgestattet sein; – es ermöglichen, dass alle Lernenden gleichzeitig arbeiten, ohne sich zu drängen. Dies kann (bei wenigen Stationen) durch das Zur-VerfügungStellen von ausreichend Material geschehen, bei einer großen Zahl von Stationen können sich die Lernenden verteilen und abwechseln. Bei Lernenden in der Grundschule muss dies stärker von außen angeleitet werden, als das in der Sekundarstufe der Fall sein wird; – den gegebenen Örtlichkeiten und Möglichkeiten angepasst sein;

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Stationen/Stationenlernen

– in ihrem Ergebnis selbst überprüfbar sein, um zu vermeiden, dass die Lehrperson alle Ergebnisse kontrollieren muss. Ist eine Selbstüberprüfung nicht möglich, muss die Lehrperson einen geeigneten Weg für die Kontrolle finden. Die Stationen können – auch mal so aufgebaut sein, dass alle gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten (nacheinander) und z.B. ein gemeinsames Bild entsteht; – so aufgebaut sein, dass die Ergebnisse an der Station bleiben und von anderen Lernenden gelesen, angeschaut und kommentiert werden können; – jede Methode verwenden. Nur Mut! Internetrecherche, Mini-Umfragen, zeichnen, basteln, Reflexionsübungen, Meditatives, Hörbücher, Träume – alles ist möglich und die Lernenden lassen sich in der Regel gern darauf ein. Bei Bedenken können die Stationen als freiwilliges Angebot bestimmt werden und so gestaltet sein, dass sie in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit bearbeitet werden können; oder bestimmte Arbeitsformen von vornherein voraussetzen.

Laufzettel

Um den Lernenden und der Lehrperson einen Überblick über die Stationen und die bereits bearbeiteten Aufgaben zu geben, bedarf es eines Laufzettels mit einem kurzen, prägnanten Stationenüberblick. Mit Hilfe des Laufzettels können die Lernenden Stationen auswählen und bearbeiten. Ist eine Station erledigt, wird sie auf dem Laufzettel abgehakt – entweder von der Lehrperson oder von den Lernenden selbst, je nach Verantwortungsbewusstsein und Selbstständigkeit der Lernenden.

Zieldifferente Angebote

Bei Lernstraßen, die nur über maximal eine Stunde gehen und so gestaltet sind, dass jede Station in etwa gleich lang dauert, erfolgt der Stationenwechsel in regelmäßigen Abständen, auch wenn die Station nicht komplett bearbeitet wurde. Auf diese Weise gelingt es, möglichst alle Stationen bearbeiten zu lassen. Eine andere Möglichkeit, Lernenden einen noch gerechteren Aufbau der Stationen anzubieten, ist das Arbeiten mit Pflicht- und Kürstationen. Dabei sind die Pflichtstationen so gestaltet, dass sie von allen Lernenden gemeistert werden können und müssen. Die Kürstationen ermöglichen eine Binnendifferenzierung und werden den unterschiedlichen Leistungsniveaus der Lernenden gerecht. Haben die Lernenden alle Pflichtstationen erledigt, dürfen sie sich aus den Kürstationen jene aussuchen, die ihnen am besten gefallen hat.

Stationen/Stationenlernen 305

Lernkontrolle und Ergebnissicherung

Die Stationen sollten so gestaltet sein, dass eine Ergebnissicherung möglich ist. Erarbeitetes sollte in irgendeiner Form in Heft oder Ordner festgehalten werden. Erstreckt sich das Stationenlernen über mehrere Wochen, ist es sinnvoll, Stichtage zu vereinbaren, bis zu denen bestimmte Stationen bearbeitet sein müssen. An den Stichtagen erfolgt eine Lernkontrolle beispielsweise in Form eines Spieles oder Quiz. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Lernenden wirklich etwas lernen.

Leistungsbewertung

Insbesondere bei älteren Lernenden bedarf es am Ende eines längeren Stationenlernens einer Leistungsbewertung. Dies kann entweder in Form einer Klausur geschehen, oder das Stationenlernen ist darauf angelegt, dass bestimmte schriftliche Arbeiten abgegeben und bewertet werden.

Die Rolle der Lehrperson

Die Lehrperson ist präsent und für Fragen ansprechbar. Sie interessiert sich für die Arbeit der Lernenden, überlässt diesen aber die Gestaltung ihres Lernprozesses. Des Weiteren setzt die Lehrperson den Rahmen: Welche Zeitvorgaben gibt es? Welche Orte dürfen zur Bearbeitung der Stationen aufgesucht werden? Muss allein oder darf in Partnerarbeit gearbeitet werden? usw. Außerdem sorgt die Lehrperson für ausreichend Material und gute Lernbedingungen.

9

Fotografieren und Filmen im Religionsunterricht

9.1

Regeln für Aufnahmen von Personen

Das Fotografieren ist in Form von Selfies, Instagrambeiträgen, Snaps auf Snapchat und durch die Möglichkeiten, die moderne Smartphones bieten, im Alltag der Lernenden sehr präsent und beliebt. Es bietet sich an, diese bei Lernenden sehr beliebte Methode in reflektierter und verantwortungsbewusster Art und Weise für den Religionsunterricht zu nutzen. Mit Einführung der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 ist zunehmend Unsicherheit darüber entstanden, wie Lehrpersonen damit im schulischen Unterricht umgehen sollen. Die folgenden Ausführungen geben einen kompakten Einstieg, wenngleich die gesamte Komplexität und damit Rechtssicherheit an dieser Stelle nicht umfänglich wiedergegeben werden. Die DSGVO regelt die Verarbeitung personenbezogener Daten. Wer also mit einer Digitalkamera eine Aufnahme macht, auf dem ein Mensch in identifizierbarer Weise zu erkennen ist, muss grundsätzlich die neuen europäischen Bestimmungen zum Datenschutzrecht beachten. Neben dem Personenbezug ist dabei auch die automatisierte Verarbeitung der Daten notwendig, um die Regelungen der DSGVO zur Anwendung zu bringen. Es sind somit nicht alle Arten von Bildern erfasst. Sowohl bloße Landschaftsaufnahmen als auch rein analoge

Fotografieren und Filmen im Religionsunterricht

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Portraitaufnahmen sind mangels Anwendung der DSGVO kein Fall für das Datenschutzrecht. Digitale Fotoaufnahmen stellen personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dar. Die Verarbeitung solcher personenbezogenen Daten ist nur dann zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift das ausdrücklich erlaubt oder die betroffene Person eingewilligt hat. Eine gesetzliche Verpflichtung, sich in der Schule oder im Unterricht fotografieren zu lassen, besteht für die Lernenden und Lehrenden nicht. Das gilt unabhängig davon, ob alle Lernenden z.B. zu einem Klassenfoto zusammengerufen werden oder ob Aufnahmen im Rahmen eines Unterrichtsprojektes angefertigt werden. Bei Jugendlichen ab 14 Jahren ist neben der Einwilligung aller Erziehungsberechtigten auch die des Jugendlichen erforderlich. Nach den gesetzlichen Vorgaben von Art. 4 Nr. 11 und Art. 7 DSGVO muss die Einwilligung insbesondere freiwillig und informiert erteilt werden. Es empfiehlt sich, um den Nachweis darüber jederzeit erbringen zu können, eine schriftliche Einwilligung einzuholen. Nicht freiwillig wäre beispielsweise, wenn durch die Klasse ein starker Gruppenzwang ausgeübt werden würde oder der Eindruck vermittelt werden würde, dass ohne die Aufnahmen das Schulprojekt nicht zu dem erwarteten Abschluss gebracht werden kann. Die Informationspflicht fordert, dass die betroffenen Personen darüber in Kenntnis gesetzt werden, welchem Zweck die Aufnahmen dienen, wie, wo und wie lange sie gespeichert werden und wer darauf zugreifen kann. Die betroffenen Personen müssen stets darauf hingewiesen werden, dass sie eine erteilte Einwilligung jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen können. Eine gute und praxisorientierte Zusammenschau bietet der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in Baden-Württemberg unter „Fotografieren und Datenschutz – Kompakt und praxisorientiert“ an (baden-wuerttemberg.datenschutz.de). Im Religionsunterricht wird mit vielfältigen Methoden und Medien gearbeitet, um die religiöse Bildung der Schülerinnen und Schüler zu fördern.

Aufnahmen

Wer auf den Aufwand des Einholens von Einwilligungen verzichten möchte, hat die Möglichkeit, Aufnahmen ganz ohne Personen im Unterricht zu machen: – Symbole fotografieren, die zum Thema passen. – Knetbilder: In diesem Fall ist besonders auf den Hintergrund zu achten. Den Lernenden sollten große einfarbige Pappen zur Verfügung stehen,

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Fotografieren und Filmen im Religionsunterricht

die beim Fotografieren hinter das Kunstwerk gestellt werden und den Hintergrund (Klassenraum) verdecken. Auf die Papierbögen kann ggf. ein passender Hintergrund gezeichnet oder auch Buchstaben aus Knete geklebt werden. Zum Einsatz von Knete siehe auch Kapitel 3.2. Legobilder: An Stelle von Knete können Legomännchen und Legosteine verwendet werden. Legofiguren wirken auf Fotos besonders beeindruckend, da sie (im Vergleich zum Original) riesig erscheinen. Fotostory: Aus Knete- oder Legobildern können Fotostorys zu einem Thema produziert werden. Land-Art: Ein Thema, eine Szene mit Naturmaterialien darstellen, ab­ strakte Formen oder Mandalas legen oder ganz konkrete Szenen. Bäume fotografieren: Bäume mit ihren dicken oder dünnen, krummen oder geraden Ästen und Stämmen, mit ihren Verletzungen an der Rinde haben Geschichten zu erzählen und können symbolisch für verschiedene Lebenssituationen stehen. Die Lernenden fotografieren Bäume und erzählen Geschichten – oder bringen die Bilder mit einem biblischen Text in Verbindung. Kunstwerke mit Schere, Tesafilm und Wolle: Mit Schere, einer Rolle Tesa­film oder Krepp und einem Wollknäuel ein Kunstwerk zu einem Thema gestalten. Anschließend wird das Kunstwerk fotografiert. Stadtteilerforschung: Besondere Orte, Fragmente oder Plätze finden, die für ein religiöses Symbol stehen können. Schüler:inauftrag: „Fotografiert Orte in diesem Stadtteil, an denen sich Jesus aufhalten würde, wenn er heute unter uns wäre.“

Verarbeiten von Aufnahmen

Um aus der Methode des Fotografierens einen runden Unterricht zu machen, müssen die Aufnahmen zum Mittelpunkt der Unterrichtsstunde werden, z.B. durch eine Präsentation, ein Fotoalbum oder eine Fotostory, die die selbst gemachten Fotos ins Zentrum stellt.

Weitere Möglichkeiten sind:

– Eine zu den Fotos passende Musik auswählen, die während der Präsentation läuft, oder ein passendes Lied, das im Anschluss gemeinsam gesungen/gehört wird. – Eine Fotostory aus den Bildern machen. – Postkarten drucken und verschicken oder auf einem DIY-Markt (Do-ityourself-Markt) verkaufen. – Eine Collage aus selbst gemachten Bildern erstellen (digital oder manuell möglich). – Ein Ratespiel aus den Fotos machen.

Fotografieren und Filmen im Religionsunterricht 309

– Ein selbstgemachtes Puzzle produzieren. – Die Bilder mit einem Bildbearbeitungsprogramm bearbeiten/verfremden. – Ein Bilderbuch zu einer biblischen Geschichte gestalten. – Eine Ausstellung in einem Gemeindehaus, der Schule, einem Laden … vorbereiten und durchführen (mit den Fotos in Großformat). – Sprechszenen zu den einzelnen Fotos schreiben und während der Präsentation vortragen. – Eine Aufgabe für die zuschauenden Lernenden kreieren, die diese im Anschluss an die Präsentation erledigen (Arbeitsblatt, Quiz, passendes Standbild, Gesprächsimpulse, …).

Kamara statt Smartphone

Für das Fotografieren sollen Fotoapparate der Schule im Unterricht verwendet werden. Fotos auf privaten Handys gefährden den Datenschutz und entzieht sich der Kontrolle der Lehrperson. Bilder könnten ungewollt ins Netz gestellt werden. Werden Aufnahmen in soziale Netze gestellt, entstehen parallele Kommunikationswege, die nicht Teil der Unterrichtsplanung sind.

9.2

Filmdidaktik (Juliane Klopstein)

Ein Medium, das schon vor längerer Zeit Einzug in den Religionsunterricht gefunden hat, ist der Film. Es gibt verschiedene Filmgattungen (Dokumentarfilm, Werbefilm, Spielfilm etc.), wobei im Folgenden nur Bezug auf den Spielfilm genommen wird, da er eine eigene Dynamik hat. Gleiches lässt sich aber ebenso auf den Kurzfilm übertragen. Im Folgenden wird dargestellt, wie bei dem Einsatz von Spielfilmen im Religionsunterricht vorgegangen werden kann und welche Aspekte bei der Vorarbeit und Durchführung beachtet werden sollten. Die theoretische Darstellung der einzelnen Arbeitsschritte wird zur Verdeutlichung und Veranschaulichung durch Praxisbeispiele zu dem Film „Jesus liebt mich“ ergänzt. Arbeiten mit Filmen im Religionsunterricht: Eine Praxishilfe am Beispiel des Filmes „Jesus liebt mich“.

9.2.1 Das Verhältnis von Film und Religion

Der Mensch ist umgeben von einer Fülle von Medien. Dazu zählen die klassischen Massenmedien und die digitalen Medien, die hauptsächlich durch das Internet immer mehr Einfluss in die menschlichen Lebensbereiche nehmen (vgl. Feichtinger 2014, S. 10).

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Fotografieren und Filmen im Religionsunterricht

Mit den Medien einher geht die Vermittlung diverser Wirklichkeitsdarstellungen. Da die objektive und deutungsfreie Darstellung der Wirklichkeit unmöglich ist, handelt es sich bei allem „was wir erkennen … um (subjektive) Wirklichkeitswelten, die sich zusammensetzen aus ‚Weltbildern’“, in denen durch die Interpretation Weltanschauungen aufgehoben sind (Baacke u.a., 1995, S. 15). Auch die Theologie arbeitet mit der Annahme, dass die Wirklichkeit nicht eindeutig formuliert werden kann (vgl. Tillmans 1991, S. 68). Religion und Film sind somit nur Annäherungen an die Wirklichkeit und Teil unserer Kultur. Der Film als Mittel bildhafter Kommunikation macht mit seiner ästhetischen Darstellung die Wirklichkeitswahrnehmung vielschichtiger, aber er darf nicht als „Wirklichkeit aus zweiter Hand“ verstanden werden (Baacke u.a., 1995, S. 15). Es wird zwischen drei verschiedenen Beziehungen von Film und Religion differenziert. Die oberflächlichste Verbindung ist die von Film und Kirche. Dabei werden im Film äußerliche Klischees aufgezeigt, der Pfarrer/ die Pfarrerin wird beispielsweise zum Musterbild. Film und Religion gehen ein Stück weiter; religiöse Themen werden aufgegriffen, doch wird in den Monumentalfilmen eher ein kommerzielles Interesse gesehen (vgl. Schneider 1991, S. 23). Spiritualität im Film baut hingegen auf „der menschlichen Liebe und dem Mitgefühl zum Nächsten“ auf (Schneider 1991, S. 24). Bei Letzterem erfolgt die Gestaltung hauptsächlich durch die Konzentration der Mittel, d.h. auf einen minimalen Rahmen und bloße symbolische Andeutungen (vgl. Schneider 1991, S. 24). Schneider kommt nach Untersuchungen ausgewählter europäischer Filmemachern zu dem Ergebnis, dass das Verhältnis von Spiritualität und Film in den Gegenüberstellungen der Grundthemen Liebe und Mitleid, Kälte und Heuchelei zum Ausdruck kommt (vgl. Schneider 1991, S. 38). In der evangelischen wie auch der katholischen Filmarbeit ist das Verhältnis zur Filmbranche in der Vergangenheit sehr ‚durchwachsen’ gewesen. Das Grundproblem liegt u.a. in dem Verhältnis von Wort und Bild. Das Bild ist hauptsächliches Mittel des Filmes, wohingegen in der Kirche das Wort das Medium der Verkündigung ist und das Bilderverbot des Dekalogs weisend ist (vgl. Dannowski 1989, S. 20). Die angedeutete Komplexität zielt auf eine bewusste und reflektierte Auseinandersetzung mit dem Medium Film, in dem der christlichen Religion ein Platz zukommt und das integraler Bestandteil der Lebenswelt der Lernenden ist.

Fotografieren und Filmen im Religionsunterricht 311

9.2.2 Filmdidaktik und Medienpädagogik

Didaktik bezeichnet die Wissenschaft des Unterrichts (vgl. Howoldt u.a. 2014, S. 39). Die Filmdidaktik ist folglich die Lehre des Filmeinsatzes und der Handhabung von Filmen im Unterricht. Die Fülle von Medien und Inhalten rief in den vergangenen Jahrzehnten die Medienpädagogik hervor, die im schulischen und außerschulischen Kontext wirksam ist. Ziel der Medienpädagogik ist die Förderung der Medienkompetenz. Sie soll „den Nutzer befähigen, die neuen Möglichkeiten der Informationsverarbeitung souverän handhaben zu können“ (Baacke 1999, S. 31). Bei der Medienkompetenz handelt es sich um eine besondere Form der kommunikativen Kompetenz, die alle Akte der Wahrnehmung einschließt, sowie Handlungskompetenz im Sinne von Weltbemächtigung und -veränderung. Die auch als Ästhetisierung der sozialen Welt zu bezeichnende Entwicklung erfordert eine Förderung der Wahrnehmungskompetenz, „um die Beziehung zwischen realer und medialer Wirklichkeit einschätzen zu können“ (Baacke u.a. 1995, S. 20). Wahrnehmung meint in dem Zusammenhang nicht nur die bloße Sinneswahrnehmung, sondern die generelle Aneignung von Wirklichkeit. Es handelt sich dabei um einen Prozess, in den biografische, soziale und kulturelle Prägungen mit einfließen (vgl. Röll 1995, S. 164f). Für die kontrollierte Rezeption von Filmen definierte Jens Hildebrandt eine in die Medienkompetenz eingeordnete Filmkompetenz. Die Filmkompetenz zielt darauf ab, die filmischen Erzählungen zu verstehen, zu analysieren und zu deuten sowie filmische Stilmittel ebenso wie die filmische Dramaturgie wahrzunehmen und in ihrer Funktion und Wirkung zu erkennen. Außerdem beinhaltet sie das eigene Gestalten von Filmen und die bessere Kontrolle der eigenen Rezeption von Filmen (vgl. Feichtinger 2014, S. 17f). Filme eröffnen die Möglichkeit, die genannten Kompetenzen verstärkt zu fördern. Der Religionsunterricht wird u.a. damit seinem Auftrag gerecht, den Lernenden Raum zur Wahrnehmung und Reflexion zu liefern, sie bei der Auseinandersetzung mit Sinn- und Wertangeboten zu unterstützen und die Filme in einen Diskurs mit der biblisch-christlichen Tradition zu stellen.

9.3

Filmeinsatz im Religionsunterricht

Medien und eben auch der Film sind für die Lebenswirklichkeit der Lernenden elementar. Mit dem Einsatz von Medien werden sie in ihrer Wahrnehmungs- und Handlungskompetenz gefördert. Sie lernen, die Botschaften zu entschlüsseln und in den Diskurs mit ihren eigenen Anschauungen zu bringen. Ebenso wird die Kritik- und Entscheidungsfähigkeit gefördert. Außer-

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Fotografieren und Filmen im Religionsunterricht

dem setzt die Medienpädagogik beim konkreten Handeln der Lernenden an, da diese zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Medien und dem Ausschöpfen der eigenen Möglichkeiten befähigt werden. Filme können im Religionsunterricht vielfältig eingesetzt werden. Die positiven Effekte des Filmeinsatzes liegen u.a. in der Nähe zur Lebenswirklichkeit der Lernenden, der Anschaulichkeit, der multimedialen Dimension und der Emotionalität (vgl. Pfeiffer 2000, S. 85). Für den Filmeinsatz muss die Ansicht abgelegt werden, dass Filme im Unterricht der bloßen Unterhaltung dienen. Vielmehr sollten sie als bewusster Teil des Unterrichts vermittelt werden (vgl. Feichtinger 2014, S. 19). In Spielfilmen werden fundamentale menschliche Erfahrungen zum Ausdruck gebracht, wie Liebe, Angst, Gewalt, Tod, Trauer, Verlust, Schuld, die allesamt Themen der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit sind. Da Filme eine solche Bandbreite liefern und ein wichtiges Material für die Identitätsbildung und Sinnorientierung der Lernenden sind, sollten sie in den Religionsunterricht mit einbezogen werden. Denn gerade der Religionsunterricht setzt sich mit menschlichen Grunderfahrungen auseinander (vgl. Feichtinger 2014, S. 19). Dafür müssen die Filme „nicht automatisch mit Bibel oder Kirche zu tun“ haben (Feichtinger 2014, S. 19). So, wie zwischen drei verschiedenen Beziehungen von Film und Religion unterschieden werden kann (s.o.), eignen sich auch verschiedene Arten von Filmen für den Einsatz im Religionsunterricht. Bibelfilme, Filme über biblische oder kirchengeschichtliche Personen, haben explizit ein religionsspezifisches Thema. Die Elemente „werden hier aus ihrem ursprünglichen […] Kontext in einen neuen, von medialen Gesetzmäßigkeiten […] geprägten Kontext gestellt“ (Feichtinger 2014, S. 20f). Daneben gibt es Filme, die religiöse Themen, wie die Messiasvorstellung, Engel und Teufel, aufgreifen, aber in neue Zusammenhänge stellen und sie neu interpretieren. Die wohl größte Gruppe besteht aus Filmen, die menschliche Grunderfahrungen thematisieren und „zur Auseinandersetzung mit der Lebenswirklichkeit und zu christlichen Antworten“ auffordern (Feichtinger 2014, S. 21).

9.3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen

Bei einem Filmeinsatz im Unterricht müssen die rechtlichen Voraussetzungen bedacht werden. Zu berücksichtigen sind das Schul- und Unterrichtsgesetz, das Urheber- und Vorführrecht und der Jugendschutz. Nach dem Schulgesetz Baden-Württemberg müssen die Lehr- und Lernmittel mit den Erziehungszielen übereinstimmen, sich an den Bildungsplänen orientieren und angemessen didaktisch aufbereitet sein.

Fotografieren und Filmen im Religionsunterricht 313

Da es sich beim Urheberrecht um ein komplexes Thema handelt, wird im Folgenden nur auf die Vorführung von Filmen, nicht auf die Vervielfältigung und Verbreitung Bezug genommen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist § 15 Urhebergesetz (UrhG), das dem Urheber bei einer öffentlichen Wiedergabe ein ausschließliches Verwertungsrecht zuspricht. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen zur Filmvorführung im schulischen Kontext sind zurückzuführen auf die Interpretation des Wortes der Öffentlichkeit. Eine Öffentlichkeit ist nach § 15 Abs. 3 UrhG gegeben, wenn jener, der den Film verwertet, und jene, denen er zugänglich gemacht wird, „nicht allesamt durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden sind“ (Feichtinger 2014, S. 27–28). Filmvorführungen sind somit klassenübergreifend oder gesamtschulisch ausgeschlossen. Allgemein wird davon ausgegangen, dass eine solche Verbundenheit innerhalb der Klasse mitsamt der Lehrperson besteht. Somit dürfen Lehrpersonen gekaufte oder geliehene Filme in ihrer Klasse erlaubnis- und vergütungsfrei vorführen. Die Mediatheken und Ausleihstellen gehen von einem anderen Rechtsverständnis aus und verleihen die Filme mitsamt den Vorführrechten (vgl. Feichtinger 2014, S. 28). Einen Überblick über die Rechtslage in Bezug auf den Einsatz von Filmen und Musik liefert eine Tabelle der Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen, die unter folgender Internetadresse abzurufen ist: www.lehrerfortbildung-bw.de. Das Jugendschutzgesetz regelt in den Paragrafen 11 bis 15 die Zugänglichmachung von Medien. Filme müssen eine Kennzeichnung der Altersstufe vorweisen, ab der das Vorführen keine Beeinträchtigung oder Schädigung hervorruft. Zu beachten ist, dass die Filme aber nicht zwangsläufig für das angegebene Alter geeignet sind (vgl. Feichtinger 2014, S. 31). Die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien führt eine Liste mit den als jugendgefährdend eingestuften Medien. Hilfreich ist auch die jährlich aktualisierte epdSpielfilm - bzw. Kurzspielfilmliste (vgl. www.epd-film.de).

9.3.2 Vorüberlegungen und Filmauswahl

Folgende Ausführungen sollen eine Hilfestellung für den geplanten Einsatz von Filmen im Religionsunterricht sein. Je nach Ausgangssituation und Planungsstand der Stunde oder Unterichtseinheit kann die Reihenfolge der einzelnen Arbeitsschritte variieren. So kann es sein, dass die Filmwahl zuerst geschieht und davon das Thema und die Lernziele abgeleitet werden. Soll der Film aber nur ergänzend an einer Stelle zum Erreichen eines Teillernziels eingesetzt werden, dann sind bei der Auswahl eines Filmes mehrere Kriterien zu beachten. Die Filmwahl sollte unbedingt auf die Lernenden bezogen erfolgen. Auch wenn ein Film ab einer bestimmten Altersstufe als unbedenklich gilt, sind das Urteil der

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Fotografieren und Filmen im Religionsunterricht

Lehrperson und ihre Einschätzung der Klasse in die Überlegungen mit einzubeziehen. Hilfreich sind Empfehlungen und Medienbeurteilungen auf diversen Internetplattformen (mehr dazu in den Literaturangaben), doch sollte der Film vor seinem Einsatz im Unterricht selbstverständlich von der Lehrperson selbst gesehen und beurteilt worden sein. Die Filmauswahl geschieht ebenfalls unter inhaltlichen Kriterien. So wie ein Bezug zur Unterrichtsthematik erforderlich ist, sollte der Film einen Beitrag zum Erreichen der Lernziele liefern. Auch die Länge eines Filmes oder einzelner Filmausschnitte spielen in die Überlegungen mit hinein. Der Film „Jesus liebt mich“ ist geeignet wegen seiner Situationskomik und auch seinen Möglichkeiten, ernsthafte Themen für Schüler und Schülerinnen attraktiv zu machen. Der Film ist 2012 in die Kinos gekommen und seit 2013 auf DVD bzw. in Streamingdiensten erhältlich. Zudem hat der Film vielseitige Kritik hervorgerufen – sowohl in der allgemeinen Presse und Kinokritik als auch in christlichen Medien. Der Film und seine Wirklichkeitsdarstellung regen zur Auseinandersetzung und Rezeption an. Zudem bietet er zahlreiche Anknüpfungspunkte und eröffnet die unterschiedlichsten Themenfelder für die Weiterarbeit (Jesu Wiederkehr, Weltende, Darstellung von Kirche und biblischen Figuren, Wunder, Jesusdarstellung …).

9.3.3 Inhaltsangabe des Filmes „Jesus liebt mich“

Die Handlung des Filmes lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Marie verlässt ihren Freund Sven am Tag der Hochzeit. Ihren Vorsatz, nun etwas aus ihrem Leben zu machen und sich nicht direkt wieder zu verlieben, gibt sie schnell auf, als sie in der Fußgängerzone auf Jesus trifft. Vom ersten Moment an ist sie von ihm fasziniert, und die beiden lernen sich auf dem Nachhauseweg und bei einem Abendessen besser kennen. Jesus ist wegen des nahenden Weltendes auf die Erde gekommen und möchte in den verbleibenden Tagen die Menschen kennenlernen. Marie bleibt jedoch zuerst verborgen, dass es sich bei dem Mann um Jesus, den Messias, handelt. In einem besonderen Moment erkennt sie, dass es sich bei ihm nicht um einen gewöhnlichen Menschen handelt, und ihr wird klar, dass er Gottes Sohn sein könnte. Ihr Eindruck verstärkt sich, als er sie aus einem See vor dem Ertrinken rettet. Aufgrund dieser Erkenntnis und dem bevorstehenden Weltende sieht sich Marie in einer neuen Rolle und Verantwortung, der sie jedoch nicht gerecht wird. Die Zuneigung zu Jesus und die damit verbundene Angst, ihn am Tag des Weltendes zu verlieren, bringt Marie dazu, sich auf das Angebot des Satans einzulassen, der auf der Suche nach zwei Verrätern ist. Am Tag des Weltendes kommt es zu einem Zusammentreffen zwischen Satan und Jesus. Die finale Auseinandersetzung wird durch

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Gott unterbrochen, der nach einem Gespräch mit Marie das Weltende verschiebt. Marie wird klar, dass sie Jesus nicht für sich alleine beanspruchen kann. Am folgenden Tag ist Marie bereit, sich von Jesus zu verabschieden. Um diese Haupthandlung ranken sich weitere Nebenhandlungen.

9.3.4 Didaktische Frage

Ein Film wird im Zusammenhang eines bestimmten Themenfeldes eingesetzt und unter einer Fragestellung betrachtet. In der Vorarbeit sollte die Lehrperson klären, welches Thema der Film hat. Thema ist nicht gleich Handlung, sondern meint die übergeordnete Thematik, mit der sich der Film befasst. Neben einem Hauptthema klingen in einem Spielfilm aufgrund seiner Komplexität meist weitere Themen an. Die Themenfindung kann hilfreich für die Zielformulierung sein und Orientierung bieten für die Analyse einzelner Szenen. Thema des Filmes „Jesus liebt mich“ ist die Verantwortung. Jeder sollte sich seiner eigenen Verantwortung bewusst werden und diese wahrnehmen. Dabei geht es auch darum, zu überlegen, was für einen persönlich „gutes Leben“ heißt und dementsprechend zu handeln. Neben dem übergeordneten Thema, bietet der Film zahlreiche Anknüpfungspunkte für die religionspädagogische Arbeit. Mit seiner Hilfe lassen sich Aspekte wie die Jesusdarstellung oder die Vorstellung des Weltendes thematisieren. Mit dem Filmeinsatz verbunden ist eine didaktische Grundfrage, von der ausgehend der Film oder einzelne Szenen betrachtet werden. Von ihr lassen sich die Kompetenz- und Lernziele ableiten und ein Bezug zum Bildungsplan herstellen. Mit dem Film „Jesus liebt mich“ kann das Thema Hilfsbereitschaft im Kontext gesellschaftlichen Zusammenlebens thematisiert werden. Dabei geht es primär um die Frage der Handlungsoptionen. An mehreren Stellen im Film stellt sich die Frage, welche Handlungsoptionen sich im jeweiligen Moment für Jesus ergeben. Sein tatsächliches Handeln kann daraufhin genauer untersucht und beurteilt werden; war es erwartbar oder nicht, war es angebracht? Ausgehend von diesen Überlegungen kann ein Transfer zu der Lebenswelt der Lernenden hergestellt werden. Die jeweiligen Filmszenen werden in die Lebenswelt der Lernenden übertragen, indem diese vergleichbare und ähnliche gegenwärtige Alltagssituationen kreieren. Diese veranlassen zu der Frage, welche jeweiligen Handlungsoptionen sich für die Lernenden ergeben. Abschließend kann in einem Vergleich untersucht werden, in wie weit sich das Handeln Jesu von dem der Lernenden unterscheidet. Vorangestellt werden kann das Nachdenken über die eigenen persönlichen Vorstellungen von Jesus, da diese eng mit dessen zu erwartenden Handlungen verbunden sind.

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9.3.5 Bezug zum Bildungsplan

Das Fach „Evangelische Religionslehre“ ist ein ordentliches Lehrfach und hat ein eigenes Kapitel im Bildungsplan. Die Kompetenzen und Inhalte sind auf sieben Erschließungsdimensionen verteilt. Der Film bzw. das mit ihm behandelte Thema sollte in den Dimensionen verortet und somit seine Verwendung begründet werden können. Die Pläne sind jeweils auf zwei Jahre festgelegt und ihre Inhalte nehmen etwa zwei Drittel der zur Verfügung stehenden Zeit in Anspruch. In der verbleibenden freien Zeit können Projekte oder Wahlthemen durchgeführt werden (vgl. Howoldt u.a. 2014, S. 18f). Der Filmeinsatz sollte thematisch im Bildungsplan verortet oder innerhalb der Verfügungszeit bearbeitet werden. Der Film „Jesus liebt mich“ ist von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) ab 12 Jahren freigegeben. Diese Vorgabe muss bei der Verwendung des Filmes im schulischen Religionsunterricht beachtet werden. Somit kann der Film frühestens in der Klassenstufe 7 eingesetzt werden. Die oben dargestellte didaktische Grundfrage hat ihren Bezugspunkt im Bildungsplan der Klasse 8 an allgemeinbildenden Gymnasien in BadenWürttemberg. Verortet werden kann der Film in der Dimension Welt und Verantwortung. Im Bildungsplan 2016 heißt es in der inhaltlichen Kompetenz (Klasse 7/8) zu Welt und Verantwortung: „Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit Entscheidungskriterien und -instanzen für gerechtes Handeln auseinander. Die Schülerinnen und Schüler können Kriterien für gerechtes Handeln (zum Beispiel Thora, Goldene Regel, jedem nach seiner Leistung, jedem das Gleiche, jedem nach seinem Bedarf) an Beispielen (zum Beispiel Kleidung, Ernährung, Leistung, Besitz) überprüfen. (2) anhand von Fallbeispielen die Aufgabe des Gewissens analysieren (3) Ursachen von Konflikten analysieren und Perspektiven für konstruktive Lösungen aufzeigen“ (www.bildungsplaene-bw.de). Für die Klasse 9/10 schlägt der Bildungsplan 2016 ebenfalls unter Welt und Verantwortung Folgendes vor: Die Schülerinnen und Schüler können „unterschiedliche Deutungen der Wirklichkeit (zum Beispiel lebensweltlich, religiös, naturwissenschaftlich) anhand von Beispielen (zum Beispiel Tod und Sterben, Krankheit) darstellen“ (www.bildungsplaene-bw.de). Für die inhaltliche Kompetenz Klasse 7/8 „Jesus Christus“ werden folgende Kompetenzen formuliert: „Die Schülerinnen und Schüler stellen die Botschaft und Bedeutung Jesu Christi dar. Sie untersuchen verschiedene Sichtweisen auf Jesus“.

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Die Schülerinnen und Schüler können (1) Hoffnungsaspekte neutestamentlicher Wundererzählungen und Gleichnisse herausarbeiten (2) Begründungen christlicher Freiheit (zum Beispiel verlorener Sohn, Paulus, Luther) darstellen (3) die Darstellung Jesu im Koran mit biblischen Quellen vergleichen (zum Beispiel Geburtsgeschichte, Wunder, Verständnis als Prophet, Kreuzigung) (4) die Bedeutung Jesu Christi für evangelischen Glauben entfalten“ (www.bildungsplaene-bw.de). Für Klasse 9/10 (Jesus Christus): „Die Schülerinnen und Schüler erläutern Inhalte der Verkündigung Jesu Christi. Sie beschreiben die Bedeutung von Tod und Auferstehung Jesu Christi für den christlichen Glauben und vergleichen sie mit Reinkarnationsvorstellungen. Die Schülerinnen und Schüler können (1) Anstößigkeit und Aktualität der Bergpredigt erläutern (zum Beispiel neue Gerechtigkeit, Feindesliebe, Gewaltverzicht, Besitz, Stellung zur Thora) (2) die Bedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu Christi für christliche Hoffnung beschreiben (3) christliches Verständnis von Tod und Auferstehung mit anderen religiösen und philosophischen Vorstellungen vergleichen.“ (www.bildungsplaene-bw.de) Die Lernenden können außerdem zeigen, dass Hilfsbereitschaft zu einem besseren Zusammenleben beiträgt (vgl. Kultusministerium Baden-Württemberg, 2004, S. 29). Daran knüpft der Film inhaltlich an, da Jesus hilfsbereit handelt und sich die Frage nach anderen möglichen Handlungsoptionen stellt. Ebenso kann ein Transfer zu dem zwischenmenschlichen Handeln der Lernenden gezogen werden. Darüber hinaus ergeben sich für den Film, bzw. Teilszenen des Filmes, zahlreiche weitere Anknüpfungspunkte an die Dimensionen des evangelischen Religionsunterrichts.

9.3.6 Kompetenzen und Lernziele

Religionsunterricht als kompetenzorientierter Unterricht fördert die religiöse Kompetenz und in diesem Rahmen acht weitere Kompetenzen. Der Film als Medium kann gezielt zur Kompetenzförderung eingesetzt werden. Mit einem Filmeinsatz wird zwangsläufig die ästhetische Kompetenz gefördert, da es um das Wahrnehmen der im Film dargestellten Wirklichkeit geht. Je nach Fragestellung werden weitere der acht Kompetenzen angesprochen. Leitkompetenz für den Einsatz einzelner Filmszenen des Filmes „Jesus liebt mich“ ist die

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ethische Kompetenz, da im Mittelpunkt die Analyse von Handlungsoptionen und die Suche nach eigenen Handlungsmöglichkeiten steht. Ebenso wird die ästhetische Kompetenz gefördert, da die Auseinandersetzung primär durch das Medium Film, den die Lernenden wahrnehmen und auf seine Motive hin untersuchen sollen, geschieht. Je nach Wahl der konkreten Methoden im Unterrichtsablauf, werden schwerpunktmäßig noch weitere Kompetenzen, wie die personale oder kommunikative gefördert. Um den Lernerfolg überprüfen und der Einheit bzw. Stunde eine inhaltliche Struktur geben zu können, ist die Formulierung von Lernzielen notwendig. Das Lernziel muss im Unterricht selbst überprüfbar sein (vgl. Howoldt u.a. 2014, S. 51); die Lernziele so formuliert, dass sie je nach methodischen Überlegungen und Ausführungen erweitert und konkretisiert werden können. – Die Lernenden können ihre eigenen Vorstellungen von Jesus benennen. – Die Lernenden kennen die Ausgangssituationen, die in den Filmszenen dargestellt werden, und nennen mögliche Handlungsoptionen von Jesus. – Die Lernenden können Jesu tatsächliches Handeln wiedergeben. Sie bewerten und beurteilen Jesu Handeln und nehmen dabei Bezug auf ihre persönlichen Jesusvorstellungen. – Die Lernenden erkennen das Ziel von Jesu Handeln und können es benennen. – Die Lernenden beschreiben vergleichbare Situationen aus ihrem Alltag. – Sie können sich in die Situationen hineinversetzen und mögliche Handlungsoptionen nennen. – Die Lernenden erkennen, dass sich das Ziel ihres eigenen Handelns nicht von dem von Jesus unterscheidet, sondern nur in der Art, wie es erreicht wird.

9.3.7 Funktion und Einsatz des Filmes

Ein Film kann in allen Phasen des Lernprozesses eingesetzt werden: zur Motivation, Hinführung, Problematisierung, Informationsvermittlung, Wiederholung, Vertiefung, Veranschaulichung oder Zusammenfassung. Je nach Lernphase müssen Filsequenzen, deren Inhalte und Strukturen sowie der didaktische Ort passend gewählt werden (vgl. Pfeiffer 2000,  S.  86). Zu beachten sind auch die technischen Möglichkeiten. Diese sind wichtige Voraussetzungen für einen gelungenen Filmeinsatz und sollten unbedingt vorher geklärt werden. Erschließung Ein Film ist in erster Linie ein Kunstwerk. Auch wenn der Einsatz eines Filmes im Unterricht bestimmte Zwecke erfüllt, sollte er nicht rein zweckentfrem-

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det, sondern auch als ästhetisches Produkt gewürdigt werden. Um mit und anhand eines Filmes arbeiten und sein Potenzial für den Unterricht nutzen zu können, muss sich die Lehrperson vorab eingehend mit dem Film und einzelnen Filmszenen beschäftigt haben. Der Umfang und die Intensität der Erschließung sind abhängig von der Funktion und dem Einsatz des Filmes im Lernprozess. Die folgenden Ausführungen sind Hilfestellung und Anregung für die Erschließung eines Filmes. Die Filmanalyse, deren Zeitaufwand nicht zu unterschätzen ist und die in einem realistischen Verhältnis zur sonstigen Unterrichtsvorbereitung stehen sollte, gibt einen neuen Blick auf den Film und liefert bis dahin unbekannte Erkenntnisse. Neben der eigenen Auseinandersetzung mit dem Film gibt es zu vielen bekannteren Filmen bereits gutes Material. Subjektive Rezeption Beim ersten oder zweiten Ansehen eines Filmes oder einiger Filmszenen empfiehlt es sich, persönliche Eindrücke festzuhalten. Die spontane eigene Rezeption hält zur genauen Analyse an und ist ein wichtiger Ausgangspunkt für die Bearbeitung der Fragestellung (vgl. Faulstich 2013, S. 65f). Sie kann als Vergleich mit anderen Meinungen dienen und am Ende der Analyse herangezogen werden, um eine Erkenntniserweiterung aufzuzeigen. Auch die Lernenden können in einem ersten Schritt gebeten werden, ihre spontanen Eindrücke zu schildern. Handlungsphasen Um die Struktur eines Filmes genauer erfassen zu können, bietet es sich an, den Film in seine Handlungsphasen einzuteilen. Dies erleichtert zudem die Kontextanalyse der zwei ausgewählten Szenen an späterer Stelle. Viele Filme folgen bei ihrem Aufbau der „5-Akt-Struktur des klassischen aristotelischen Dramas“ (Faulstich 2013, S. 86). Mit der Exposition werden die Zuschauenden an die Geschichte herangeführt und mit den Figuren und der Situation vertraut gemacht. Sie dient dazu, dass die Figuren in ihrer Situation und ihrer Konstellation verstanden werden (vgl. Hickethier 2007, S. 117). Im folgenden Akt, der Steigerung der Handlung, verschärft sich der Konflikt, und mit neu auftretenden Problemen gewinnt das Geschehen an Komplexität. Für die Krise und den Umschwung ist das Hinzutreten einer weiteren Handlungspartei charakteristisch (vgl. Faulstich 2013, S. 86). Die folgende Rekonstruktion ist dadurch gekennzeichnet, dass „der Ausgang der Handlung […] bereits angekündigt oder absehbar“ ist (Faulstich 2013,  S.  86). Für manche Filme sind im Begleitmaterial bereits Kapitelunterteilungen zu finden.

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Szenenauswahl Wenn nicht der gesamte Film Gegenstand des Unterrichts ist, sollte, wenn nicht schon vorher geschehen, spätestens an dieser Stelle der Vorbereitung eine Szenenauswahl stattfinden. Dies geschieht in Anbetracht der formulierten Grundfrage und Lernziele. Je nach verfügbarem Zeitrahmen können mehrere Szenen thematisiert werden. Zu beachten ist, dass die Szenen im Unterricht losgelöst von ihrem Kontext gesehen werden. Ein Kriterium für die Auswahl ist, dass sie dennoch verständlich sind und gegebenenfalls nur eine kurze Erläuterung und Einführung durch die Lehrkraft erforderlich ist. Filmprotokoll und Szenenprotokoll Das Filmprotokoll hat seine Anfänge in der Zeit, als es technisch noch nicht möglich war, sich einen Film beliebig oft anzuschauen. Mit dem Protokoll sollten so viele Informationen wie möglich in schriftlicher Form festgehalten werden (vgl. Mikos 2008, S. 95). Eine ausführliche Protokollierung, die Handlung, Dialog, Geräusche und Kameraaktivität erfasst, bedarf wochenlanger Arbeit und rechtfertigt nicht den daraus gewonnenen Nutzen. Es ist aber hilfreich, ein reduziertes Protokoll, das beliebig viele Informationen enthält, zu erstellen. Die Einteilung geschieht nach Sinnabschnitten. Das Protokoll liefert einen Gesamtüberblick über den Film und dessen Aufbau und erleichtert es, einzelne Szenen in ihren Kontext einzuordnen. Außerdem gibt es einen Überblick über den gesamten Film. Den Lernenden ein Filmprotokoll auszuhändigen, ist je nach Vorhaben abzuwägen. Dieser Ausschnitt zeigt, wie eine sehr vereinfachte Form des Filmprotokolls aussehen könnte: Nr.

Zeit

Handlung

1

00:00:00

Vorspann

2

00:00:50

Intro

3

00:03:48

Tag der Hochzeit, Marie wird von ihrem Vater abgeholt

Eine ausführlichere Variante bietet mehr Informationen und gibt zusätzlich die beteiligten Personen und den Handlungsort an. Ein Szenenprotokoll kann erstellt werden, um die Analyse und Interpretation einzelner Szenen im nächsten Schritt zu erleichtern und eine intensivere Auseinandersetzung zu bewirken. Dieses kann filmtechnische Angaben enthalten oder auf die Dialoge und Handlungen der beteiligten Personen reduziert sein. Je nach Länge der Szene, kann sie nach groben Sinn­einheiten unterteilt werden.

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Analyse und Interpretation Um einen Einblick in die Analyse und Interpretation von Filmszenen zu geben, werden im Folgenden Beispiele zu Filmszenen des Filmes „Jesus liebt mich“ aufgeführt. Es handelt sich lediglich um Ausschnitte. Beispiel: Allgemeine Charakterisierung der Jesusfigur im Film „Jesus liebt mich“ (in Ausschnitten) Lernziel: Die Lernenden können ihre eigenen Vorstellungen von Jesus benennen. Besonderes Interesse gilt häufig dem ersten Auftreten einer Figur und der Art der damit verbundenen Charakterisierung: Pfarrer Gabriel hört ein Klopfen an seiner Tür, schaut mit Hilfe eines Spiegels heraus und erblickt Jesus. Jesu Aussehen hebt sich stark von seiner Umwelt ab. Er trägt ein bodenlanges, weißes, leuchtendes Gewand, das einen starken Kontrast zum dunklen Abend bildet. Seine Haare sind schulterlang; er trägt einen Bart. Im Dialog mit Gabriel wird seine ruhige Stimme hörbar, die seine friedvolle, aber bestimmte Art unterstreicht. Das helle Leuchten um Jesus herum verleiht ihm etwas Reines und Heiliges. Jesu Aussehen wird während seines zweiten Auftritts geändert. Mit kürzeren Haaren und gewöhnlicher Kleidung ist er seinem Umfeld optisch deutlich angepasster. Die Mimik und Gestik zeugen davon, dass die Umwelt Jesus stellenweise zu überfordern und zu irritieren scheint, z.B. die technischen Geräte oder das Verhalten von Personen. Doch darüber hinaus hat er einen sehr wachen und aufmerksamen Blick für seine Umwelt. Es liegt eine Besonderheit in der Begegnung mit Menschen, die er annimmt, denen er zuhört und die er tröstet. Sein Reden und Handeln sind von seinem Auftrag bestimmt und dem Wunsch, die Menschen kennenzulernen. An einigen Stellen handelt er anders, als erwartet wird, bzw. anders, als andere Menschen an seiner Stelle handeln würden. So geht er zu der am Boden liegenden Frau, singt vor dem Essen und teilt es mit dem Bettler und lässt sich nicht auf eine Prügelei mit Sven ein. Zudem tut er Übernatürliches, etwas, das von seinen Mitmenschen im Moment nicht erklärbar scheint, wie die Heilung der Frau, das Laufen auf dem Wasser und das Verwandeln des Wassers zu Wein. Im gesamten Film geht es um die menschliche und göttliche Erscheinungsweise Jesu. Sein erstes Auftreten zeigt seine göttliche Erscheinung, die an weiteren Stellen im Film immer wieder zum Vorschein kommt und thematisiert wird. Doch tritt auch ganz klar Jesu menschliche Seite hervor, es scheint, als würde er im Laufe des Filmes menschlicher. Vor allem in der Begegnung mit Marie lernt Jesus seine menschlichen Seiten kennen und gibt ihnen Raum. Und auch in der finalen Begegnung mit Satan handelt er als Mensch und präsentiert sich durch seine erhobene Stimme und die Gewaltbereitschaft anders als zuvor. Letztlich bleibt das Geheimnis um seine Person allerdings offen.

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Beispiel: Deeskalierendes Verhalten in Konfliktsituationen in der Szene des Aufeinandertreffens von Marie, Sven und Jesus (00:27:30–00:28:40). Lernziel 1: Die Lernenden kennen die Ausgangssituationen, die in den Filmszenen dargestellt werden, und nennen mögliche Handlungsoptionen von Jesus. Marie und Jesus stehen nach einem Restaurantbesuch draußen auf der Straße. Sie wollen sich gerade voneinander verabschieden, als Sven, Maries Ex-Verlobter, auftaucht und ihr Gespräch stört. Er wirkt angetrunken, beschimpft Marie und wirft ihr vor, die Hochzeit wegen eines anderen Mannes platzen gelassen zu haben. Marie versucht Sven zu beschwichtigen, er beschimpft sie weiter, woraufhin Jesus ihn beruhigen möchte. Mit der ersten Einstellung wird das Setting angedeutet. Marie schaut Jesus erwartungsvoll an und fühlt sich offensichtlich zu ihm hingezogen. Deutlich wird dies durch die Großaufnahme von Marie. Dazu ist die Stimme von Sven zu hören, bevor er überhaupt zu sehen ist. Von dessen Anwesenheit sind sowohl Marie als auch die Zuschauer überrascht. Die folgende amerikanische Einstellungsgröße von Sven gibt Aufschluss über deren Zustand. Seine Körperhaltung und -bewegungen lassen darauf schließen, dass er betrunken oder zumindest angetrunken ist. Diese Tatsache verschärft die sowieso schon spannungsvolle Konstellation, da Sven Maries Ex-Verlobter ist. Der Ausruf „Na, das war ja so klar“ stellt seine Deutung der Situation zwischen Jesus und Marie dar. Er unterstellt ihr somit, dass sie mit einem anderen Mann ein enges Verhältnis oder eine Beziehung hat. Maries Reaktion auf die unerwartete Störung wird mit der folgenden Großaufnahme sichtbar, die ihr ratloses Gesicht zeigt. Ihr aus dem Off hörbarer Gedanke „Scheiße“ lässt auf nahende Konflikte schließen. Sven nähert sich Marie, sodass er darauf bereits in der Nahaufnahme zu sehen ist. Dabei beschuldigt er Marie als „Flittchen“, was zeigt, wie gereizt und wütend er ist und dass er seinen Emotionen freien Lauf lässt. Der schnelle Wechsel zur nächsten Einstellung, noch während eine Person spricht, ist typisch für die gesamte Szene und taucht im Folgenden immer wieder auf. Die Nahaufnahme aller drei beteiligten Figuren ist mit 5 Sekunden vergleichsweise sehr lang. Sie gibt den Zuschauenden einen Überblick über die Gesprächssituation und die Beziehung der Figuren untereinander. So stehen sich Marie und Sven gegenüber, Jesus steht seitlich daneben. Mit seinem Wortbeitrag „Mein Freund, erhebe nicht deine Stimme gegen Marie“ versucht Jesus, Marie in Schutz zu nehmen, und ergreift Partei für sie. Svens Tippen auf Jesu Oberkörper und die bildliche Aufforderung an ihn, nicht weiter zu sprechen und sich nicht einzumischen, weisen Jesus zurecht und deuten zudem seine Aggressivität an. Bekräftigt wird der Eindruck durch die folgende Großaufnahme, in der Sven seinen Blick wie-

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der auf Marie richtet. Auch die erneute Großaufnahme Svens zeigt seine Verbitterung und Enttäuschung, der er zudem mit seiner Stimme Ausdruck verleiht. Das starke Gestikulieren in Richtung Marie steht wiederholt für seine Aggressivität und Wut. In der nächsten Nahaufnahme richten Sven und Jesus ihren Blick auf Marie und warten ihre Reaktion auf den Redefluss von Sven ab. Maries Reaktion bleibt jedoch aus bzw. beschränkt sich auf die Namensnennung „Sven“, wie bereits zuvor. An dieser Stelle, wie in den übrigen Großaufnahmen Maries, wird ihre Überforderung sichtbar. Mit der Aufforderung an Sven, nach Hause zu gehen, will sie die Situation lösen. Sven reagiert in dieser ebenfalls sehr langen Nahaufnahme jedoch mit weiteren Beschimpfungen. Lernziel 2: Die Lernenden können Jesu tatsächliches Handeln wiedergeben. Sie bewerten und beurteilen Jesu Handeln und nehmen dabei Bezug auf ihre persönlichen Jesusvorstellungen. Spielte sich die Szene bis zu dieser Stelle hauptsächlich zwischen Marie und Sven ab, tut sie das von nun an zwischen Sven und Jesus. Jesus, der während Maries Worten zwischen beiden hin und herschaut, greift aufgrund Svens wiederholten Beschimpfungen erneut ein und stößt auf grobe Ablehnung von Sven. Jesus wendet sich ihm zu, bewegt sich leicht auf ihn zu und spricht mit ruhiger Stimme „Mein Freund, beruhige …“. Er kann seinen Satz jedoch nicht zu Ende ausführen, da seine ruhige und friedvolle Art von Sven nicht erwidert wird. Mit lauter Stimme und deutlicher Betonung der einzelnen Wörter stellt Sven klar: „Ich bin nicht dein Freund“ und schlägt ihm mit der Faust ins Gesicht. Die Ausführung des Schlags ist ebenfalls in der Nahaufnahme zu sehen, um den Schlag und Maries Reaktion zeigen zu können, die aus entsetztem Zuschauen besteht. Durch die nahe Aufnahme wirkt der Schlag noch heftiger, da Jesus fast aus dem Bild verschwindet. In der folgenden Einstellung ist er jedoch erstmals in Großaufnahme zu sehen, um seine Reaktion zu beobachten. Doch anstatt Jesus, der sich aufrichtet und sein Gesicht betastet, sprechen oder handeln zu sehen, ertönt bereits Svens Stimme mit der Aufforderung „Na los“. Während Svens zweiter Aufforderung „Los“ ist Marie zu sehen, die aber ebenfalls passiv zuschaut, mit ihrem offenen Mund perplex wirkt und nicht eingreift. Sven ist hingegen sehr aktiv, wie die nächste Großaufnahme zeigt. Er blickt Jesus auffordernd an, fordert ihn mit dem Tippen auf seine Wange gestisch auf und macht sich bereit für eine Schlägerei, indem er seine Ärmel hochkrempelt. Alles Genannte zeigt, dass Sven Jesus deutlich erkennbar zu einer Schlägerei auffordert, was seinem Wortbeitrag nach zu urteilen eine männliche Konfliktlösung wäre. Jesus sieht etwas mitgenommen aus, wie in seiner folgenden Großaufnahme zu

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sehen ist. Er setzt an, etwas zu sagen. Während er spricht, liegt jedoch der Fokus auf Svens Reaktion. Jesus umschließt behutsam die kampfbereite Faust von Sven, wo dieser nur kurz hinschaut. Er lehnt die Gewalt ab und verleiht mit der Geste seinen Worten „Ich werde dich nicht schlagen“ Nachdruck. Dabei spricht er sehr ruhig und versucht so, auf Sven einzureden und ihn zu beruhigen. Der eindringliche Blick von Jesus zeigt die gegensätzliche emotionale Lage von ihm und Sven. Der Abschluss mit der erneuten Anrede „mein Freund“ bringt das Fass zum Überlaufen. Jesu Tun bewirkt genau das Gegenteil, da Sven mit Schwung ausholt und Jesus eine Kopfnuss verpasst. Die Bewegung aus dem Bild heraus und das Geräusch des Aufpralls verleihen der Situation eine erhöhte Dramatik. Jesus liegt scheinbar auf dem Boden, da Marie erschrocken ihren Blick nach unten wendet und Sven in Richtung des Bodens spricht und gestikuliert. Seine Gestik und das Dehnen der Worte durch Pausen über mehrere Einstellungen verleihen den Worten Nachdruck. Die Stimmlage ist fast ein Schreien, was deutlich macht, wie gereizt und wütend er auf Jesus reagiert. Die nächste Einstellung mit Blick auf Marie zeigt, wie sich die Konstellation der drei Figuren auflöst und Marie erstmals tätig wird, indem sie sich zu Jesus bewegt und eindeutig Partei ergreift. Ab diesem Zeitpunkt fällt die Spannung, da auf die durchgehend sehr kurzen Einstellungen von nur 1–1,5 Sekunden nun etwas längere folgen und die Musik mit dem zweiten Schlag aussetzt. Außerdem gibt es einen Wechsel zu anderen Einstellungsgrößen, die einen breiteren Bildausschnitt präsentieren. Die Szene endet damit, dass Jesus am Boden liegt, Marie neben ihm kniet und Sven sich von den beiden entfernt. Dabei lassen seine Worte verlauten, dass er Marie die Schuld an seinem Verhalten gibt. Lernziel 3: Die Lernenden erkennen das Ziel von Jesu Handeln und können es benennen. In dieser Szene ist das Ziel von Jesu Handeln, die Situation zu deeskalieren. Doch führt gerade sein Verhalten zur Eskalation von Svens Gefühlen und seiner Aggressivität. Diese Annahme lässt sich durch Ergebnisse aus der Analyse und einen genaueren Blick auf Jesu Verhalten begründen. Sven ist bereits durch den vorherigen Alkoholkonsum sehr emotional. Als er auf Marie zugeht und sie beleidigt und beschimpft, greift Jesus zum ersten Mal ein, indem er ihn anspricht, er solle nicht so mit Marie sprechen. Dabei hat er eine ruhige, aber bedachte Stimme. Die altmodische Formulierung hat zudem etwas Zurechtweisendes. Die Anrede „mein Freund“ schafft eine Nähe zu Sven, die zwischen ihnen nicht existiert. Diese erste Ansprache zeigt keine Wirkung bei Sven. Mit einer gegensätzlich flapsigen Bemerkung weist er Jesus zurecht und tippt dabei auf dessen Oberkörper, was seine Worte verstärkt. Marie scheint völlig ratlos und ihr einziger Versuch, auf

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Sven einzureden, führt zu weiteren Beschimpfungen. Damit wird deutlich, dass ein ruhiges Einreden auf Sven keinerlei Erfolg hat. Es kommt dazu, dass Jesus ein zweites Mal in das Gespräch eingreift, sodass der Konflikt von nun an zwischen ihm und Sven stattfindet. Jesus wendet sich Sven vollständig zu und spricht wieder mit einer ruhigen Stimme. Er kann seinen Satz jedoch nicht beenden, da Sven sich so stark provoziert fühlt, dass er ihm heftig ins Gesicht schlägt. Mit den Worten „Ich bin nicht dein Freund“ und der Betonung auf dem Wort Freund macht Sven unmissverständlich deutlich, wodurch er sich dermaßen provoziert fühlt. Svens mehrmalige Aufforderung zu einer Schlägerei geschieht über seine Worte, die Gestik und Mimik, die gleichzeitig seine Aggressivität und Gewaltbereitschaft bekräftigen. Demgegenüber steht Jesu Gewaltverzicht, dem er Ausdruck verleiht, indem er Svens Faust umschließt, ihm tief in die Augen sieht und sagt: „Ich werde dich nicht schlagen.“ Er beendet den Satz mit der erneuten Anrede „mein Freund“, worauf ein weiterer Schlag in anderer Form folgt. Mit der Betonung der Worte „Ich bin nicht dein Freund“ und der Verteilung über mehrere Einstellungen wird wiederholt unverkennbar klar, weshalb Sven so gereizt ist. Der Konflikt beruhigt sich daraufhin, da Jesus ergeben am Boden liegt. Die Aggression scheint ein Stück von Sven gewichen zu sein, da er in seinen letzten Einstellungen eher verbittert und enttäuscht über sich selbst wirkt, auch wenn er Marie die Schuld für sein Verhalten gibt. Jesus nimmt durch sein ruhiges Einreden auf Sven dessen Gewalt in Kauf und verneint selbst jegliche Gewalt ihm gegenüber, und zwar weder als Rache noch als Selbstschutz. Doch nicht nur diese Art und sein Verhalten haben Sven dermaßen provoziert, sondern auch die Anrede mit „mein Freund“, die eine unerwünschte Nähe schafft. Jesus scheint zwar einfühlsam auf Sven reagieren zu wollen, doch offensichtlich bemerkt er nicht den wesentlichen, provozierenden Punkt, sodass auch er es ist, der Sven unbewusst mehrmals provoziert. Durchführung Ist die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Film erfolgt, beginnt die konkrete Unterrichtsplanung. In Anbetracht der formulierten Ziele und der zu fördernden inhaltsbezogenen Kompetenz(en) und Prozesskompetenzen folgt an dieser Stelle der Schritt, der(n) Unterrichtsstunde(n) eine genaue Gestalt zu geben. Zur Darstellung der unterschiedlichen Anforderungsbereiche dient das Erstellen einer Niveaukonkretisierung. Um die Lernziele erreichen und überprüfen zu können und die gewählten Kompetenzen zu fördern, werden geeignete Impulse, Methoden und Sozialformen ausgewählt und alle Unterrichtsschritte unter Berücksichtigung der Lernphasen in ein Unterrichtsschema übertragen. Trotz der Komplexität einer ausführ-

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lichen Film- und Szenenanalyse gibt es vielfältige Möglichkeiten, mit den Lernenden gemeinsam einen Film oder einzelne Szenen zu erschließen und die Kernelemente zu Tage zu fördern. Beispielsweise können die Filmausschnitte in kleine Einheiten unterteilt und Schritt für Schritt angeschaut werden. Die Betrachtung kann durch Fragen und Impulse unterbrochen werden. Vorab können die Lernenden mit verschiedenen Beobachtungsaufgaben beauftragt werden (Aussehen/Handlungen der Figuren, Kameraaktivität, Geräusche etc.) oder unter einer bestimmten Fragestellung den Filmausschnitt anschauen. Die zahlreichen Methoden, die üblicherweise im Religionsunterricht Anwendung finden, sind vielfältig einsetzbar und können selbstverständlich auch bei der Arbeit mit Filmen zum Einsatz kommen.

9.3.8 Zusammenschau:

Tipps für einen erfolgreichen Einsatz von Filmen im Unterricht: – Das Arbeiten mit Filmen bereichert den evangelischen Religionsunterricht. – Rechtliche Rahmenbedingungen sind zu beachten (Urhebergesetz, Alter der Zielgruppe, Datenschutz). – Der Film braucht einen Bezug zur Unterrichtsthematik (Thema und didaktische Grundfrage formulieren). – Eine Verortung des Filmes und Themas im Bildungsplan ist notwendig. – Kompetenzen und Lernziele müssen formuliert werden. – Der Einsatz und die Funktion des Filmes im Lernprozess sind zu klären. – Die strukturelle und inhaltliche Erschließung des Filmes gelingt mit Methoden der Filmanalyse. – Die Unterrichtsstunde in Anbetracht der gewählten Kompetenzen und Ziele (Unterrichtsschema) und unter Berücksichtigung der verschiedenen Anforderungsbereiche (Niveaukonkretisierung) konkret gestalten. – Motiviert in die Unterrichtsstunde starten. Kontaktadressen für Unterrichtsfilme: – Landesmedienzentrum Baden-Württemberg (www.lmz-bw.de) – bzw. Kreismedienzentren – Epd-Film: www.epd-film.de – Katholisches Filmwerk: www.filmwerk.de/ – Tiemann, Manfred (2009): Filme für Religionsunterricht und Gemeinde, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen Die Schuldekanate, die religionspädagogischen Institute in Baden und Württemberg, die Kreismedienzentren und das Landesmedienzentrum verleihen DVDs, haben aber mittlerweile ein großes Angebot, das nach einer Registrierung zum Download bereitsteht.

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Arbeitshilfen Bundesverband Jugend und Film http://clubfilmothek.bjf.info/listeh.php Kino macht Schule http://www.kinomachtschule.at/filme/index.html RPI virtuell www.rpi-virutell.de RPI Loccum www.rpi-loccum.de Filmanalyse Faulstich, Werner (2013): Grundkurs Filmanalyse, 3. Auflage, Wilhelm Fink Verlag, Paderborn Hickethier, Knut (2007): Film- und Fernsehanalyse, 4. Auflage, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart Methodenvielfalt im RU Nutzen Sie den Bogen auf S. 342, um Ihre Methodenwahl zu reflektieren. Prüfen Sie, welche der genannten Methoden zum Einsatz kamen, und benennen Sie jeweils einen Gelingensfaktor zwischen null und zehn. Je höher der Faktor, desto besser ist Ihnen die Methode gelungen.

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Rituale

Rituale können im Religionsunterricht in unterschiedlichen Unterrichtsphasen zur Anwendung kommen. So kann beispielsweise der Unterrichtsbeginn durch ein Ritual markiert werden. Klassische Beispiele für Rituale zum Unterrichtseinstieg sind: – Lieder – Gebete – die Wahl eines „Relihelfers/einer Relihelferin“ oder „Reliassistenten/einer Reliassistentin“ – Erzählrituale, die den Lernenden die Möglichkeit geben, ihre Stimmung und die Themen, die sie aktuell bewegen, zu verbalisieren Darüber hinaus bietet es sich an, den Unterricht mit einem Ritual abzuschließen. Häufige Schlussrituale sind z.B.: – Gebet oder Segen – Lied – Rituale zur Reflexion der vergangenen Unterrichtsstunde Aber auch im Verlauf der Unterrichtsstunde lohnt es sich, Rituale im Religionsunterricht zu installieren und einzuüben. Sie dienen der Strukturierung und Vereinfachung des Unterrichtsablaufs. Beispiele für sol-

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che strukturierenden und vereinfachenden Rituale (= Classroomrituale) sind: – ritualisierte Formen des Sozialformwechsels (z.B. vom Plenum in den Stuhlkreis und zurück – s. auch 4.8 Methoden zum Sozialformenwechsel) – Rituale zum Austeilen von Arbeitsmaterialien – Rituale zur Gruppenbildung – Erzählrituale (z.B. Erzählkerze) – Rituale zur Belohnung Sind solche strukturierenden Rituale gut gewählt und eingeübt, erleichtern sie den Unterricht und beugen Störungen vor. Sie reduzieren den Redeanteil der Lehrperson, da nicht jeder Unterrichtsschritt neu erklärt werden muss, und geben einen Teil der Verantwortung für den reibungslosen Ablauf in die Hände der Lernenden. Wenn die Lernenden die eingeübten Rituale selbständig durchführen können, hat die Lehrperson zunehmend im Verlauf des Unterrichts den Kopf und die Hände frei, um sich auf den nächsten Unterrichtsschritt vorzubereiten. Achtung! Bereits die Begrüßung der Lerngruppe stellt ein erstes „Miniritual“ dar. Sie gibt den Lernenden das deutliche Signal, dass die Lehrperson im Unterrichtsraum angekommen ist und der Unterricht beginnt. Ebenso verhält es sich mit der Verabschiedung am Ende der Unterrichtsstunde. Sie signalisiert: Nun ist der Unterricht zu Ende, die Lernmaterialien dürfen eingepackt und der Unterrichtsraum verlassen werden. Es lohnt sich, beide „Minirituale“ bewusst zu gestalten und mit der Lerngruppe einzuüben. Durch sie wird gewährleistet, dass der Unterricht in ruhiger Atmosphäre beginnen und enden kann.

10.1 Der Sinn der Rituale Rituale im Religionsunterricht können unterschiedlichen Zwecken dienen. Sie können – den Beginn bzw. das Ende der Unterrichtsstunde erkennbar für die Lernenden markieren. – den Lernenden die Möglichkeit geben, zur Ruhe zu kommen, bzw. im Unterricht anzukommen. – den Lernenden Raum geben, von sich zu erzählen und ihr Befinden in Worte zu fassen und dadurch der Lehrperson zu ermöglichen, die Stimmung in der Lerngruppe zu ermitteln. – Übergänge im Unterrichtsverlauf strukturieren und vereinfachen.

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– die Lernenden motivieren und Lust auf den Religionsunterricht machen. – die Lernenden vertraut machen mit liturgischen Formen bzw. religiösen Ausdrucksformen. – den Lernenden ermöglichen, die vergangene Unterrichtsstunde zu reflektieren. – die Gemeinschaft innerhalb der Lerngruppe stärken. Kein Ritual erfüllt alle genannten Zwecke. Für die Wahl des „richtigen“ Rituals ist daher ein Blick auf die jeweilige Lerngruppe sowie die Rahmenbedingungen des Religionsunterrichts vonnöten.

10.2 Kriterien zur Wahl des „richtigen“ Rituals Ein Ritual, das in der einen Lerngruppe hervorragend funktioniert und seinen Zweck erfüllt, kann sich in einer anderen als ungeeignet erweisen. Es lohnt sich daher, im Laufe der Zeit einen persönlichen Fundus an verschiedenen Ritualen anzulegen, die dann der jeweiligen Lerngruppe und den je verschiedenen Rahmenbedingungen des Unterrichts angepasst eingesetzt werden können. Bei der Wahl eines geeigneten Rituals spielen verschiedene Kriterien eine Rolle, die bei der Auswahl bedacht werden müssen. Folgende Fragen zur Lerngruppe und zu den Rahmenbedingungen des Unterrichts können dabei bei der Wahl helfen. 1. Raum – Ist im Unterrichtsraum ausreichend Platz, um geeignete Rahmenbedingungen für das Ritual herzustellen? Nicht jede Schule bietet den Luxus großzügiger Klassenzimmer, in denen ohne großen Aufwand ein Stuhlkreis gebildet werden kann. In diesen Fällen ist, sofern ein Ausweichen in andere Räumlichkeiten nicht möglich ist, die folgende Frage zu stellen: – Ist der benötigte Aufwand, die Rahmenbedingungen herzustellen, dem Ertrag des Rituals für die Lerngruppe angemessen? Wenn die Umbaumaßnahmen, um im Klassenzimmer einen Stuhlkreis herzustellen und im Anschluss wieder aufzulösen, ebenso viel Zeit in Anspruch nehmen, wie das Ritual selbst, ist die Frage zu stellen, ob sich nicht eine geeignete Form findet, die auf den Stuhlkreis verzichten kann. 2. Zeit – Findet der Religionsunterricht einstündig oder in einer Doppelstunde statt?

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Eine Doppelstunde eröffnet eher den Raum für ausgedehntere Erzählrituale, während eine Einzelstunde kompaktere Formen erfordert. – Wie ist die Lage des Religionsunterrichts im Stundenplan der Lerngruppe? Ein Ritual zum Unterrichtsbeginn wird einen anderen Fokus haben, wenn der Religionsunterricht am Montagmorgen liegt, als wenn er freitags in den letzten beiden Stunden abgehalten wird. In diesem Fall ist zu überlegen, ob eine ausgedehnteres Abschlussritual passender ist. Auch ein Blick auf die umliegenden Unterrichtsstunden lohnt sich. Wenn die Lerngruppe aus dem Sportunterricht in den Religionsunterricht kommt, ist ein Ritual anders zu gestalten als im Anschluss an eine Doppelstunde Mathematik. 3. Lerngruppe – Wie viele Lernende umfasst die Lerngruppe? Manche Rituale, vor allem solche, die die Lernenden zum Erzählen auffordern, können sich in großen Lerngruppen in die Länge ziehen. Um die Geduld und Konzentration der Lernenden nicht über Gebühr zu strapazieren, lohnt es sich, über kompaktere Formen nachzudenken. – Wie verhält es sich mit der religiösen Sozialisation der Lerngruppe? Für Lerngruppen mit Kindern aus mehrheitlich kirchennahen Familien kann beispielsweise ein Gebetsritual sehr selbstverständlich und bereichernd sein. Lerngruppen mit einer Mehrheit von Kindern mit wenig religiöser Sozialisation können ein solches Ritual eher als befremdlich empfinden. Grundsätzlich stellt sich dann zunächst die Frage, ob ein Gebet für die Lerngruppe eine geeignete Ritualform darstellt und wie sie so gestaltet werden kann, dass auch Lernende mit wenig Zugang zum Gebet gut daran teilnehmen können. – Wie diszipliniert ist die Lerngruppe? In disziplinierten und ruhigen Lerngruppen ist es unproblematisch, auf meditative Ritualformen zurückzugreifen. Unruhige Lerngruppen sind möglicherweise schwerer in der Lage, sich auf solche Formen einzulassen. – Wie harmonisch ist die Lerngruppe? Wie gut kennen sich die Lernenden untereinander? In Lerngruppen, in denen ein Vertrauensverhältnis zwischen den Lernenden herrscht, können sich die Lernenden bei Erzählritualen öffnen und ihre Gedanken und Gefühle ohne Angst preisgeben. In konfliktbeladenen Lerngruppen oder auch solchen, die aus mehreren Parallelklassen zusammengesetzt sind, ist dieses Vertrauensverhältnis möglicherweise nicht vorhanden.

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– Welche Vorlieben bzw. Abneigungen hat die Lerngruppe? Manche Lerngruppen singen mit Begeisterung Lieder, andere sind enorm erzählfreudig. Ein Ritual ist umso motivierender, je mehr es den Vorlieben der Lernenden entgegenkommt. Es wird deutlich: So individuell die Rahmenbedingungen des Unterrichts und die Lernvoraussetzungen der Lerngruppe sind, so individuell müssen auch die Rituale gedacht und geplant werden.

10.3 Tipps zum Einsatz von Ritualen im Religionsunterricht Gestalten Sie das Ritual gemeinsam mit den Lernenden! Damit ein Ritual gelingt, ist es wichtig, dass die Lernenden sich mit dem Geschehen identifizieren können und seinen Sinn verstehen. Umso leichter wird es den Lernenden fallen, sich auf das Ritual einzulassen. In einer neuen Lerngruppe kann es lohnend sein, sich zu Beginn des Schuljahres die Zeit zu nehmen, um das gewählte Ritual gemeinsam zu erarbeiten. Auch das gemeinsame Gestalten der Elemente des Rituals (beispielsweise die dabei verwendete Kerze) erhöht die Identifikation mit dem Geschehen. Nehmen Sie sich Zeit, Rituale einzuüben! Neu eingeführte Rituale müssen zunächst über einen längeren Zeitraum eingeübt werden. Daher ist es wichtig, in den ersten Stunden ausreichend Raum dafür zu geben. Mit der Zeit werden die Abläufe des Rituals dann zur Selbstverständlichkeit. Wenn ein Ritual über einen längeren Zeitraum nicht reibungslos funktioniert, kann das ein Signal sein, dass es für die Lerngruppe falsch gewählt wurde. Bleiben Sie flexibel und verändern Sie Rituale bei Bedarf. Knüpfen Sie – wenn möglich – an bestehende Rituale an! Nicht immer muss das Rad neu erfunden werden! In vielen Klassen gibt es bereits bestehende Rituale (beispielsweise zum Sozialformwechsel oder zum Austeilen von Arbeitsmaterialien). Es lohnt sich, mit den Klassenlehrpersonen in Kontakt zu treten und sich darüber zu erkundigen. Gestalten Sie Rituale ästhetisch! Was für den gesamten Unterricht gilt, gilt auch für die Rituale: Die Mühe, die in die Vorbereitung des Materials investiert wird, zahlt sich aus! Eine liebevoll gestaltete Mitte, eine schöne Kerze oder hübsche Schmuck-

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steine verleihen dem Ritual eine sichtbare Wertigkeit, die sich auf das Empfinden der Lernenden überträgt. Nehmen Sie als Lehrperson am Ritual teil! Ob beim gemeinsamen Gebet oder beim Erzählkreis, die Lehrperson ist im Ritual nicht nur Beobachter. Gerade hier besteht die Chance, auch etwas von sich preiszugeben und den Lernenden so einen ganz persönlichen Zugang zur Lehrperson zu ermöglichen. Nutzen Sie die Möglichkeit der Beziehungsarbeit, indem Sie sich auf Augenhöhe mit den Lernenden begeben und als Teil der (Reli)Gemeinschaft zeigen. Bleiben Sie authentisch! Es gibt viele schöne Rituale – doch nicht jedes schöne Ritual passt zu jeder Lehrperson. Bleiben Sie authentisch bei der Wahl des Rituals. Eine Lehrperson, die selbst nicht gerne singt, wird die Lernenden schwer zum Singen motivieren können. Eine Lehrperson, die nicht gerne in einer Gruppe betet, wird ein Gebetsritual kaum überzeugend durchführen können. Sie müssen sich als Lehrperson wohlfühlen mit Ihrer Wahl, nur dann ist es möglich, die Lernenden zu begeistern. Die Teilnahme am Ritual ist grundsätzlich freiwillig! Immer wieder kann es passieren, dass Lernende aus unterschiedlichen Gründen nicht an einem Ritual teilnehmen wollen. Gut ist dann, das persönliche Gespräch mit dem betreffenden Kind/Jugendlichen zu suchen, um die Gründe für die Weigerung zu ermitteln und bestenfalls aus dem Weg zu räumen. Niemals jedoch sollten die Lernenden zur Teilnahme gezwungen werden. Laden Sie immer wieder ein, am Ritual teilzunehmen. Suchen Sie Möglichkeiten, das Ritual so zu gestalten, dass auch Lernende, die nicht aktiv daran teilnehmen wollen, selbstverständlich Teil der Gemeinschaft bleiben. Das wäre zum Beispiel beim Gebet der Fall, weil hier ein Teil der Persönlichkeit offengelegt werden müsste. Achten Sie auf Außenseiter! Manche Rituale können für Schülerinnen und Schüler, die in der Lerngruppe eine Außenseiterrolle einnehmen, problematisch sein. Beobachten Sie Ihre Lerngruppe genau, um solche Dynamiken frühzeitig zu erkennen. Überlegen Sie im Vorfeld, wie Sie betroffenen Schülerinnen und Schülern eine weitere Ausgrenzungserfahrung ersparen können. Achtung Pubertät! Bereits gegen Ende der Grundschulzeit, besonders aber in der frühen Sekundarstufe, ist zuweilen eine zunehmende Ablehnung der Lernenden zu

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beobachten, in allzu engen Kontakt mit dem anderen Geschlecht zu treten. Wählen Sie in dieser Entwicklungsphase passende Rituale! Arbeiten Sie mit Reimen und Bewegungen! Vor allem in der Grundschule, zuweilen aber auch noch in den unteren Klassenstufen der Sekundarstufe I, haben die Lernenden große Freude an Bewegungen, die Gebete oder Lieder begleiten. Darüber hinaus erleichtern passende Bewegungen vor allem den unteren Grundschulklassen das Memorieren von Texten (beispielsweise bei Liedern). Gereimte Gebete oder Segensverse werden ebenfalls leichter gemerkt. Vorsicht mit Kerzen! Erkundigen Sie sich im Vorfeld an jeder neuen Schule, ob die Verwendung von echten Kerzen in den Unterrichtsräumen erlaubt ist. Weichen Sie im Zweifelsfall auf LED-Kerzen aus. Wenn Sie echte Kerzen verwenden, behalten Sie diese im Unterricht sorgfältig im Blick! Rituale im Religionsunterricht müssen nicht „religiös“ sein! Je nach Lerngruppe und Rahmenbedingungen des Unterrichts erscheint ein Gebet, ein Segen oder ein Lied nicht geeignet, um den mit dem Ritual intendierten Zweck zu erreichen. Vielleicht braucht die Lerngruppe eher ein Spiel zu Beginn, um bereit zu sein für den Unterricht – oder eines zum Abschluss des Unterrichts am Freitag, als Belohnung für das in der Woche Geleistete. Auch solche Rituale haben im Religionsunterricht ihre Berechtigung.

10.4 Beispiele für Rituale Gebet mit Gegenständen

Dieses Gebetsritual eignet sich für Lerngruppen von der ersten Klasse bis hin zu den unteren Sekundarstufenklassen. Benötigte Materialien Kerze, Geschenk, Luftballon, Briefumschlag, größerer Stein, Herz, kleine Schmucksteine in der Anzahl der Lernenden Ablauf Kerze, Luftballon, Briefumschlag, Stein, Geschenk und Herz werden in die Mitte des Stuhlkreises gelegt.

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Mit dem Anzünden der Kerze beginnt das Ritual, sie ist das Signal, dass in der Lerngruppe bis zum Ende des Gebetes Ruhe einkehren soll. Im Anschluss erhält jeder(r) Lernende einen Schmuckstein. Nach einem Moment der Ruhe dürfen die Lernenden ihren Schmuckstein zu einem der in der Mitte liegenden Gegenstände legen. Das Geschenk steht dabei für Dank, der Briefumschlag für Bitte, der Stein für Klage und der Luftballon für Lob. Beim Ablegen des Steines dürfen die Lernenden äußern, wofür sie bitten, danken und loben beziehungsweise was sie Gott klagen möchten. Wenn einem Kind aus der Lerngruppe nichts einfallen sollte, kann der Stein zum Herz gelegt werden – denn auch wenn wir gerade nicht verbalisieren können, was in unserem Herzen ist, sind unsere Gedanken und Gefühle bei Gott aufgehoben und gehört. Wenn alle Lernenden und selbstverständlich auch die Lehrperson ihre Steine abgelegt haben, schließt das Gebet mit einem gemeinsamen Amen. Bei großen Lerngruppen kann die Regel eingeführt werden, dass in jeder Stunde eine bestimmte Anzahl an Lernenden ihr Gebetsanliegen äußern darf und alle anderen ihren Schmuckstein schweigend ablegen. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass sich das Ritual zu sehr in die Länge zieht. Achtung! In diesem Fall muss darauf geachtet werden, dass alle Lernenden im Laufe der Zeit einmal zum Zuge kommen, ihr Anliegen zu äußern! Je nach Lage des Religionsunterrichts im Stundenplan der Klasse eignet sich das Ritual sowohl zum Einstieg in die Unterrichtsstunde als auch, beispielsweise wenn der Unterricht freitags angesetzt ist, als Abschluss der Stunde. Auch wenn dieses Gebetsritual durch seine Form jeder und jedem Lernenden die Möglichkeit gibt, zu entscheiden, ob und wie er oder sie sich im Gebet äußern möchte, ist es auch hier wichtig, zum Gebet einzuladen und zu tolerieren, wenn ein Kind nicht daran teilnehmen möchte.

Stein und Feder

Ein sehr bekanntes Ritual zum Einstieg in den Religionsunterricht ist der Erzählkreis mit Steinen und Federn. Auch dieses Ritual eignet sich in allen Klassenstufen bis hin zur Sekundarstufe. Benötigte Materialien Kerze, Tuch, Steine und Federn in der Anzahl der Lernenden Ablauf In der Mitte des Stuhlkreises wird das Tuch ausgebreitet und darauf die Kerze platziert. Das Ritual beginnt mit dem Anzünden der Kerze. Im Anschluss werden die Steine und Federn im Kreis herumgegeben. Die Federn stehen für etwas Schönes, Leichtes, Fröhliches, das die Lernenden erlebt haben

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oder worauf sie sich freuen. Die Steine stehen im Gegensatz dazu für etwas Schweres, Trauriges oder Belastendes. Jede(r) Lernende sucht sich einen der beiden Gegenstände aus und darf ihn in die Mitte zur Kerze legen. Dabei darf sie/er äußern, welches Gefühl oder Erlebnis hinter dem gewählten Gegenstand steht. Den Abschluss des Rituals kann ein kurzes Gebet bilden, in dem das zuvor Genannte kurz aufgegriffen wird. Zu bedenken ist bei diesem Ritual, dass es sich vor allem bei großen und erzählfreudigen Klassen in die Länge ziehen und die Geduld und Konzen­ trationsfähigkeit der Lernenden strapazieren kann. Auch hier können daher Abmachungen getroffen werden, nach denen in jeder Stunde eine begrenzte Anzahl der Lernenden sich äußern dürfen, während die anderen ihren Gegenstand schweigend ablegen. Möglich ist auch die Regel: Wenn ein Kind etwas geäußert hat, dem sich andere Lernende inhaltlich anschließen, legen sie ihren Gegenstand umgehend ab und werden im Folgenden übersprungen.

Der Sonnenstrahl

Auch dieses Ritual eignet sich besonders gut für den Beginn des Unterrichts, kann aber auch zum Abschluss der Schulwoche eingesetzt werden. Es ist besonders geeignet für die unteren Grundschulklassen. Material wird dazu keines benötigt. Ablauf Die Lernenden sitzen in einem Stuhlkreis und halten sich an den Händen. Die Lehrperson beginnt mit den Worten „Ich schicke einen Sonnenstrahl an XY!“ Dann gibt sie einen Händedruck in eine Richtung des Stuhlkreises, der von den Lernenden weitergegeben wird, bis er das genannte Kind erreicht hat. Dieses Kind signalisiert das Ankommen des Händedrucks mit einem „Angekommen!“ Möglich ist dann, dass die Lehrperson oder auch die ganze Klasse das Kind willkommen heißen, indem gesagt wird: „Schön, dass du da bist, XY!“ Nun ist das Kind, das den Sonnenstrahl bekommen hat, an der Reihe und schickt einen Sonnenstrahl an das nächste Kind. Konzentrationsaufgabe für die Lerngruppe ist dabei, dass am Ende alle Kinder einen Sonnenstrahl bekommen haben müssen. Gerade in den frühen Grundschulklassen genießen es die Lernenden meist sehr, auf diese Weise wahrgenommen und persönlich begrüßt zu werden. Allerdings ist gerade bei diesem Ritual auch Vorsicht geboten. Lernende mit einer Außenseiterstellung können schnell in die Situation kommen, dass sie immer als letzte Person der Lerngruppe den Sonnenstrahl bekommen. Möglich ist hier, diesen Kindern bewusst häufiger den Sonnenstrahl zuerst zu schicken.

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Segenskarten

Ein kurzes Abschlussritual kann mit selbst gestalteten Segenskarten durchgeführt werden. Es eignet sich für alle Klassenstufen bis in die Sekundarstufe hinein, ausgenommen die erste Klasse, da die Fähigkeit zu lesen Voraussetzung zur Durchführung des Rituals ist. Benötigte Materialien Etwa acht bis zehn Postkarten mit geeigneten Motiven, auf deren Rückseite ein kurzer Segensspruch geschrieben ist, dazu eine Kerze und ein Tuch. Ablauf Da das Ritual sehr kurz ist, kann es in einem schnell zu bildenden Stehkreis durchgeführt werden. In der Mitte des Kreises findet die Kerze auf dem ausgebreiteten Tuch ihren Platz sowie die Segenskarten mit dem Bildmotiv nach oben. Das Ritual beginnt mit dem Anzünden der Kerze. Ein Kind darf daraufhin eine der Karten auswählen und den darauf gedruckten Segensspruch vorlesen. Das Ritual endet mit einem gemeinsam gesprochenen Amen. Im Anschluss daran besteht für die Lehrperson darüber hinaus die Möglichkeit, sich einzeln per Handschlag von den Lernenden zu verabschieden.

Der/die „Relihelfer:in“ oder „Reli-Assistent:in“

Die Wahl eines/einer „Relihelfer:in“ oder „Reliassistent:in“ ist vor allem in den Grundschulklassen, aber auch in den unteren Sekundarstufenklassen gut als Einstieg in den Unterricht geeignet. Benötigte Materialien Ein Glas, eine Schatzkiste oder eine schöne Box, Zettel mit den Namen aller Lernenden der Lerngruppe Ablauf Zu Beginn der Unterrichtsstunde zieht entweder ein Kind aus der Lerngruppe (beispielsweise der/die „Relihelfer:in“ der vergangenen Stunde) oder die Lehrperson einen Zettel aus dem gewählten Behältnis. Das Kind, dessen Name auf dem Zettel steht, ist für diese Unterrichtsstunde der/die neue „Relihelfer:in“. Dieser/diese hat im Laufe der Stunde zuvor mit der Lerngruppe festgelegte Aufgaben, wie beispielsweise das Anzünden der Kerze, das Austeilen der Arbeitsblätter, die Organisation des Stuhlkreises, das Vorlesen der Segenskarte am Schluss. Mit der Zeit werden diese Aufgaben zur Selbstverständlichkeit für die Lernenden und helfen dabei, den Unterricht reibungsloser und mit weniger Redeanteil der Lehrperson zu gestalten.

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Wichtig ist, darauf zu achten, dass jede/r Lernende im Laufe des Schuljahres die Möglichkeit hat, einmal zur/zum „Relihelfer:in“ zu werden. Möglich ist dazu, die bereits gezogenen Namenszettel in einer separaten Box aufzubewahren und wenn der letzte Zettel gezogen wurde, wieder gesammelt in das Behältnis zu geben, aus dem in der nächsten Stunde wieder ein Name gezogen wird.

Gebet

Grundsätzlich gilt: Das Gebet im Religionsunterricht ist keine Pflichtübung – weder für die Lernenden noch für die Lehrperson. Eine Lehrperson, die sich beim gemeinsamen Gebet mit der Lerngruppe wohl fühlt und hinter ihrem Tun stehen kann, wird ein solches Gebet authentisch und überzeugend vermitteln können. Es ist jedoch ebenso legitim, auf das Beten im Religionsunterricht zu verzichten, wenn sich die Lehrperson nicht damit identifizieren kann. Die Lernenden hingegen werden grundsätzlich zum Gebet eingeladen, niemals aber dazu verpflichtet. Bei jedem Gebet muss jeder und jedem Lernenden die Möglichkeit eröffnet werden, sich zurückzuziehen und rein beobachtend teilzunehmen. Wie bei jedem Ritual, ist auch beim Gebet zu fragen: Passt diese Form des Rituals zu den Lernenden. Dies kann nur individuell im Blick auf die Lerngruppe entschieden werden. Einer Gruppe mit Lernenden, die von Haus aus wenig religiöse Sozialisation mitbringen, kann das Beten zunächst fremd erscheinen. Das bedeutet jedoch nicht, dass in diesem Fall grundsätzlich auf das Gebet im Religionsunterricht verzichtet werden muss. Hier gilt es vielmehr die Haltung der Lernenden sensibel wahrzunehmen und eine geeignete Form des Gebets zu finden, in der auch Kinder heimisch werden können, die bisher noch nicht oder wenig mit dem Beten in Berührung gekommen sind. In der einschlägigen Kinderliteratur findet sich eine Fülle von Kindergebeten, auf die auch im Religionsunterricht zurückgegriffen werden kann. Entscheidend ist jedoch, sich an diesem Fundus nicht unreflektiert zu bedienen. Folgende Fragen können bei der Auswahl geeigneter Gebete hilfreich sein: – Welches Gottesbild wird in dem Gebet transportiert? Von Gott kann man wahre Wunder erwarten. Er kann sogar den Streit und den Krieg abschaffen. Die schlimmsten Waffen muss er nicht fürchten. Der Tag kommt bestimmt, an dem auch der Letzte merkt,

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dass niemand Gott besiegen kann. Bei Gott sind wir geborgen wie in einer Burg. (aus Psalm 46) In diesem Kindergebet wird das Bild des allmächtigen Gottes gezeichnet, den niemand besiegen kann. Zu fragen ist allerdings, ob das hier gezeichnete Bild der Realität der Kinder standhalten kann, die möglicherweise täglich anhaltenden Streit in den eigenen Familien erleben und für die Kriege auf der Welt zumindest medial stets präsent sind. Schnell kann schon im Grundschulalter die kritische Frage aufkommen: Wenn Gott das alles kann, warum tut er es dann nicht? Bestenfalls wird diese Frage laut geäußert und verlangt von der Lehrperson dann eine valide Auskunftsfähigkeit in altersangemessener Sprache. Schlimmstenfalls tragen die Lernenden solche Fragen mit sich, ohne sie zu verbalisieren, und statt dem im Gebet intendierten Vertrauen in Gott, entstehen Zweifel. Gott, du kennst mich und weißt alles über mich. Du begleitest jeden Schritt, den ich tue. Bei jeder Bewegung siehst du mich. Ob ich etwas tue oder ausruhe, du gibst auf mich Acht. Wenn ich rede oder denke, immer spreche ich mit dir. Von allen Seiten umgibst du mich. Ich bin nur ein kleiner Mensch in der großen Welt. Und doch interessierst du dich so sehr für mich. (Aus Psalm 139) Auch in diesem kindgerecht formulierten Auszug aus Psalm 139 verbirgt sich ein Gottesbild, das, so es unreflektiert bleibt, von Lernenden negativ empfunden werden kann. Es wird ein allgegenwärtiger Gott dargestellt, der jede Bewegung des Menschen sieht. Während der Psalmbetende die Gegenwart Gottes in jeder Situation positiv besetzt, kann diese Vorstellung bei Kindern auch einen bedrückenden Zug der totalen Überwachung annehmen. Ist das gewählte Gebet so gestaltet, dass sich alle Lernenden darin wiederfinden können? Herr, das hast du uns gegeben: Gesundheit und ein frohes Leben, zwei Augen, deine Welt zu sehn, ein Herz, dein Wort recht zu verstehn. Drum soll mein Mund dich ewig loben und preisen dich, den Schöpfer droben,

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zu rühmen deinen heiligen Namen für alle Zeit und ewig. Amen (Volksgut) Dieses zunächst fröhlich und positiv anmutende Gebet birgt ebenfalls die Gefahr in sich, der Realität der Lernenden nicht zu entsprechen. Auch wenn – wie zu hoffen ist – sich die Lernenden selbst guter Gesundheit erfreuen und keine psychischen Beeinträchtigungen zu tragen haben, finden sich in der Gruppe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Lernende, die in ihrem privaten Umfeld geliebte Menschen haben, die unter Krankheiten oder psychischen Belastungen leiden – denen Gesundheit und ein frohes Leben eben nicht gegeben ist. Es ist zu fragen, ob diese Lernenden offenen Herzens in das Schöpferlob einstimmen können. Sind die Begrifflichkeiten, die im Gebet verwendet werden, für Lernende verständlich? Bei jedem Schritt, bei jedem Tritt, geh du, mein lieber Engel, mit. Und wo ich geh und wo ich steh, sei du, mein Engel, in der Näh. In der Gefahr vor Sünd bewahr mich holder Engel immerdar. Neben der bei diesem Gebet zu stellenden Grundfrage, was Engel eigentlich sind und ob es legitim ist, zu ihnen zu beten, bedient sich dieses Gebet eines Begriffs, der für Lernende enorm negativ besetzt sein kann: dem Begriff der Sünde. Sünde als theologischer Begriff für einen radikalen Beziehungsbruch eignet sich schwer für Kindergebete, weil er in der heutigen Konnotation schwer verständlich und auch moralisierend interpretiert wird. Das, was inhaltlich gemeint ist, sollte im Gebet für Kinder verständlich umschrieben werden, ohne dass theologische Begriffe als fortdauerndes kulturelles Gedächtnis aktiviert werden und zu Missverständnissen führen und so Unterricht blockieren. Die hier genannten Beispiele führen zu zweierlei Notwendigkeiten im Umgang mit Gebeten im Religionsunterricht. Zum einen die Notwendigkeit, jedes Gebet vor seiner Verwendung gründlich dahingehend zu reflektieren, welches Gottesbild es transportiert und welche inhaltlichen Stolpersteine

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den Lernenden den Zugang dazu verwehren könnten. Wenn solche Stolpersteine sichtbar werden, ist es notwendig, das betreffende Gebet zumindest vor seiner Verwendung mit den Lernenden gemeinsam zu reflektieren.

Nonverbale Rituale

Ritualisierte nonverbale Signale schonen (!) die Stimme der Lehrenden und sorgen für einen ruhigen, klaren Unterrichtsverlauf. Dies können beispielsweise Gesten, Töne, Zeichen an der Tafel oder Ähnliches sein. Einige Beispiele: – Schilder an der Tafel signalisieren: Stillezeit, noch 3 Minuten Zeit zu arbeiten; Aufräumzeit, Flüsterzeit … – Eine an die Tafel gezeichnete Zeitlinie wird bei einer Gruppen- oder Einzelarbeit nach und nach weggewischt, sodass den SuS deutlich ist, wie viel Zeit noch bleibt. – Mit den SuS vereinbarte „Geheimzeichen“, die bestimmte Bedeutungen haben (z.B. Aufstellen zum Abschlussritual, Zeit zum Aufräumen, alles aus der Hand legen und aufstehen usw.) – Die Lehrperson klatscht einen Rhythmus, die SuS klatschen ihn nach – bis alle dabei sind. Im Anschluss muss Ruhe sein, sodass ganz entspannt eine Ansage gemacht werden kann.

Die unendliche Vielfalt der Rituale und Methoden

In diesem Kapitel können wir nur einen kleinen Ausschnitt an möglichen Ritualen darstellen. Das Gleiche gilt für Methoden. Wir empfehlen deshalb sowohl die Recherche nach weiterführender Literatur als auch die Suche im Internet. Mit den Suchbegriffen „Methoden“ „Methoden für Grundschule“ „Methoden für Sekundarstufe“ „Classroommanagement“, „Rituale für Kinder/Grundschule/Schule“ oder ähnlichen Begriffen, liefern bekannte Suchmaschinen eine große Vielfalt an Vorschlägen und Ideen. Beispiele für Kindergebete entnommen aus: Polster, Martin/Grosche, Erwin/Janssen, Rike (2020): Meine liebsten Kindergebete. Stuttgart: Gabriel in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH. Belohnung als Ritual ist kritisch zu sehen. Jesper Jul z.B. bezeichnet Belohnung als die postmoderne Variante von Strafen. Der Grundgedanke dahinter gründet auf den Behaviorismus zum Ende des 19. Jahrhunderts und der Idee des operanten Konditionierens. Belohnung kann zu Korrumpierungseffekten führen: Bleibt die Belohnung aus, bleibt die Leistung aus.

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Schule: Klasse: Stundenthema: Folgende Methoden habe ich eingesetzt Gespräch/Diskussion Erzählen einer Geschichte Inszenierung einer Gegebenheit, einer Geschichte … Musik (singen, Einsatz von Musik) Ansprache (aller) Sinne Kreatives Gestalten (basteln, werken, bauen, malen, Bodenbilder legen …) Spiele Spielerische Elemente Theater Einsatz von einem Bild/Bildern Lernstraße/Stationenlernen Arbeit mit einem Film Ritual(e) Gebet/Meditation Sonstiges: Sonstiges: * GF = Gelingungsfaktor 1–10

Datum: Uhrzeit:

GF* Das war gut:

Das geht besser:

11 Literatur Literatur Acland, Henry; Wenkert, Robert; Lortie (1976): Review of Schoolteacher: A Sociological Study. In: American Educational Research Journal 13 (2), S. 139. Online verfügbar unter urn:ISSN:0002-8312. Adam, Gottfried (1997): Religionslehrer. Beruf und Person. In: Gottfried Adam [Hg.]: Religionspädagogisches Kompendium. 5., neubearb. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 163–193. Adam, Gottfried [Hg.] (1997): Religionspädagogisches Kompendium. 5., neubearb. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Adam, Gottfried [Hg.] (2004): Kirche, Bildung, Demokratie. Die Wiener BarbaraSchadeberg-Vorlesungen. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann (Schule in evangelischer Trägerschaft). Adam, Konrad (2002): Die deutsche Bildungsmisere. PISA und die Folgen. Berlin: Propyläen. Online verfügbar unter http://www.gbv.de/dms/faz-rez/ F18200212031665907.pdf. Adl-Amini, Bijan; Künzli, Rudolf [Hg.] (1980): Didaktische Modelle in der Unterrichtsvorbereitung. Referate u. Arbeitspapiere. Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften; Seminar Unterrichtsvorbereitung; IPN-Seminar. Kiel: Institut für Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN-Arbeitsberichte, 38). Adl-Amini, Bijan; Künzli, Rudolf [Hg.] (1980): Seminar Unterrichtsvorbereitung: Referate u. Arbeitspapiere aus d. IPN-Seminar 17 Didakt. Modelle in d. Unterrichtsvorbereitung, Kiel, 19. – 23. März 1979/IPN, Inst. für d. Pädagogik d. Naturwiss. an d. Univ. Kiel. Universität Kiel. Kiel: Universität/IPN. Adorno, Theodor Wiesengrund et al. (1968): Studien über Autorität und Familie (1936): Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialforschung / [Max Horkheimer; Erich Fromm Herbert Marcuse u.a.], Paris; Der autoritäre Charakter Teil: Bd. 1. / [Von] Theodor Wiesengrund Adorno, Bruno Bettelheim, Else Frenkel-Brunswik [u.a.] Mit e. Vorw. von Max Horkheimer, Amsterdam: Klampen Verlag. Adorno, Theodor Wiesengrund (1972): Schuld und Abwehr. Eine qualitative Analyse zum „Gruppenexperiment“, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 9.2 (1972/2004), Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Adorno, Theodor Wiesengrund (2004 digitale Ausgabe): Gesammelte Schriften, Bd. 3: Dialektik der Aufklärung (2004): Vorrede. Digitale Bibliothek Bd. 97: Theodor Wiesengrund Adorno: Gesammelte Schriften, S. 1103 (vgl. GS 3, S. 17) (digitale Ausgabe). Aus Politik und Zeitgeschehen 64, S. 28–30. 7. Juli 2014. Adorno, Theodor Wiesengrund (2004): Vorurteil und Charakter, in: Gesammelte Schriften Bd. 9.2, S. 360f (digitale Ausgabe S. 7290). Siehe auch: Studies in Prejudice, edited by Max Horkheimer and Samuel Flowerman, sponsored by the American Jewish Committee, New York: Harper and Brothers (1950). Adorno, Theodor Wiesengrund (1986; 2004): Gesammelte Schriften. Bd. 20: Vermischte Schriften I/II: Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute. Digitale Bib-

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Literatur

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Edelgard Moers / Ulrike Itze / Brigitte Zeeh-Silva

Methoden im Religions- und Ethikunterricht

Ein Praxishandbuch 2019. 477 Seiten, Format: 16 x 24 cm, zahlreiche sw-Abbildungen, broschiert ISBN 978-3-7668-4420-0 200 Methoden für den Unterricht – praxisnah und detailliert. Der Einsatz vielfältiger Methoden hilft Lehrerinnen und Lehrern immer wieder unterschiedliche Lernwege für die Kinder zu eröffnen und sie für das Lernen zu begeistern. Durch eine abwechslungsreiche und methodisch angemessene Beschäftigung mit den Inhalten erweitern die Kinder ihre Kompetenzen. Sie werden befähigt und ermutigt, sich selbstständig neue Inhalte zu erschließen. Nachhaltiges Lernen wird gefördert. Die Methoden dieses Bandes bieten Schülerinnen und Schülern vielfältige Lernchancen, u.a.:  eigene Fragen und Bedürfnisse in den Unterricht einzubringen,  Erfahrungen in und mit der Lerngruppe zu sammeln,  Texte und Bilder auf vielfältige Weise zu erschließen,  Aussagen kreativ umzusetzen,  sich spielerisch mit Inhalten zu beschäftigen,  (Gottes-)Erfahrungen anderer Menschen nachzuspüren,  die eigene Persönlichkeit positiv zu stärken sowie  Arbeitsergebnisse zu dokumentieren und Gelerntes zu reflektieren. Dieses umfangreiche Methodenkompendium stellt eine wertvolle Hilfe für die Unterrichtsvorbereitung dar und ist eine Bereicherung für jede Lehrerbibliothek. Inhaltsverzeichnis und Leseprobe finden Sie unter: www.calwer.com

Norbert Brieden / Gerhard Büttner / Hans Mendl / Oliver Reis / Hanna Roose

Religionsunterricht beobachten Praktiken – Artefakte – Akteure In Zusammenarbeit mit dem Grünewald Verlag 2022. 272 Seiten, Format: 14 x 22 cm, broschiert, ISBN 978-3-7668-4571-9

Dieses Handbuch eröffnet neue und zum Teil überraschende Einblicke in den Unterricht. Wir sind es gewohnt, Unterricht normativ und intentional zu betrachten: Was will die Lehrkraft? Was erreicht sie? Wen erreicht sie nicht, wie kann sie ihre Wirkung verbessern? Das Handbuch möchte eine andere Perspektive erproben: Es beobachtet und beschreibt unterrichtliche Praktiken: Was passiert? Wie kommt, dass es geschieht? Wie sind Menschen und Dinge an dem beteiligt, was passiert? Akteure sind nicht mehr nur die Lehrkraft und die Schülerinnen und Schüler, sondern alles, was einen Unterschied bewirkt.

Gerhard Büttner

Elementarisierung im Religionsunterricht

Einführung in die Praxis 2019. 182 Seiten, Format: 16 x 24 cm broschiert ISBN 978-3-7668-4492-7 Was ist eigentlich der Kern meiner Religionsstunde? Worauf kommt es an? Das Buch zeigt, wie man auf diese elementaren Fragen des Unterrichtens Antworten finden kann. Anhand klassischer Themen wie „Sturmstillung“ oder „Mose“ werden die Prinzipien des bewährten Elementarisierungsansatzes bis in die Unterrichtspraxis hinein vorgestellt. Gleichnisse, Wundergeschichten, aber auch Themen wie Amos und Segen erweitern das Angebot unterrichtlicher Beispiele. Studierende und Referendar/innen werden dazu angeleitet, sich einem Unterrichtsgegenstand didaktisch angemessen anzunähern und diesen im Unterricht kompetent zu vermitteln. Erfahrenen Lehrkräften bietet das Buch Anregungen, um Themen, die ihnen besonders am Herz liegen, eigenständig zu erschließen und Lernangebote dafür zu entwickeln.

Inhaltsverzeichnis und Leseprobe finden Sie unter: www.calwer.com