Einführung in die Entscheidungstheorie 9783486820041, 9783486477412


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Table of contents :
Einleitung
E.1 Orientierung
E.2 Einige einfache Beispiele für Entscheidungsprobleme
E.3 Die gemeinsame abstrakte Struktur
1. Ihr grundlegendes Entscheidungsproblem
1.1 Vorbemerkung
1.2 Die Darstellung Ihres Problems
1.3 Neue Varianten Ihres Problems
2. Analyse Ihres grundlegenden Entscheidungsproblems
2.1 Die Daten Ihres Problems
2.2 Der Gewinnerwartungswert (GEW)
2.3 Analyse der eo-Alternative
2.4 Das Entscheidungsfluß-Diagramm
2.5 Die Zuordnung von Wahrscheinlichkeiten an Zufallsverzweigungen
2.6 Die Roll-back-Analyse
2.7 Der Erwartungswert vollständiger Informationen
2.8 Zusammenfassung und Verallgemeinerung
2.9 Beispiel
2.10 Anhang
3. Unsichere Auszahlungen und systematische Meßfehler
3.1 Einführung
3.2 Unsichere Auszahlungen und Stichprobenkosten
3.3 Der Wert von Informationen über die Auszahlungen
3.4 Stichprobenergebnisse mit Bias
3.5 Beispiel
4. Nutzentheorie
4.1 Einführung
4.2 Die Rolle der Sicherheitsäquivalente bei der Untersuchung von Entscheidungsfluß-Diagrammen
4.3 Lotterien mit Basis-Lotterielosen als Gewinnen
4.4 Substituierbarkeit
4.5 Die Substitution von BRLT’s
4.6 Die monetäre π-Indifferenzfunktion
4.7 Analyse unseres grundlegenden Entscheidungsproblems für einen Nicht-GEW‘er
4.8 Transitivität
4.9 Kritik der Verhaltensannahmen
4.10 Die Maximierung des Erwartungsnutzens
4.11 Kauf- und Verkaufspreise
4.12 Abnehmende Risikoscheu
4.13 Nicht risikoscheues Verhalten
4.14 Risikokontrolle durch Portefeuille-Analyse
4.15 Übungsaufgabe
4.16 Die Daten für das Beispiel aus Abschnitt 4.2
5. Subjektive Wahrscheinlichkeit
5.1 Einleitung
5.2 Objektive Unbestimmtheit
5.3 Die Normierung der subjektiven Wahrscheinlichkeit
5.4 Eine Konsistenzeigenschaft für die subjektive Wahrscheinlichkeit
5.5 Die Additivität des subjektiven P*-Maßes
5.6 Die Analyse des eo-Zweiges
5.7 Die Reduktion einer allgemeinen Lotterie
5.8 Die Revision der subjektiven Wahrscheinlichkeiten
5.9 Zusammenfassung
6. Die Normalform der Entscheidungsanalyse
6.1 Einleitung
6.2 Strategien
6.3 Randomisierte Strategien
6.4 Auswahl einer Strategie aus der Effizienz-Menge bei gegebenem P (θ1)
6.5 Modifikationen für einen Nicht-GW‘er
6.6 Indifferenzkurven-Analyse
6.7 Das Substitutionsprinzip für Strategien
6.8 Auswahl der Gewichte
6.9 Verallgemeinerungen
6.10 Auf der Suche nach objektiven Verfahren
6.11 Übungsaufgabe
7 Über den Wert von Stichproben
7.1 Einleitung
7.2 Lohnt es sich für $ 5,00 den wahren Anteil von p zu erfahren?
7.3 Eine subjektive Wahrscheinlichkeitsverteilung für einen ungewissen Anteil
7.4 Lohnt es sich für $ 5,00 den wahren Anteil von p zu erfahren?
7.5 Sollten Sie Stichproben durchführen, um Informationen über p zu erhalten? Beginn der Analyse
7.6 Revision Ihrer apriori-Verteilung von p im Lichte der Stichprobe
7.7 Sollten Sie Stichproben durchführen, um Informationen über p zu erhalten?
7.8 Verallgemeinerungen
7.9 Übungsaufgaben
Anhang: Aripori- aposteriori-Analyse für einen Populationsanteil p
8. Risikostreuung und Gruppenentscheidungen
Teil 1: Risikostreuung
8.1 Einführung in Teil 1
8.2 Ein einfaches Beispiel der Risikostreuung
8.3 Formulierung eines allgemeineren Problems der Risikostreuung
8.4 Pareto-Optimalität
8.5 Die Auswahl eines Pareto-optimalen Punktes
8.6 Auswahl von Lotterien, wenn Aufteilen erlaubt ist
8.7 Auswahl mit Aufteilen bei exponentiellen Nutzenfunktionen
8.8 Ein Beispiel für die Nichtexistenz einer Gruppen-Nutzenfunktion
8.9 Analyse eines Entscheidungsbaumes mit Risikostreuung
Teil 2: Gruppenentscheidungen
8.10 Einführung in Teil 2
8.11 Die Kombination von subjektiven apriori- und aposteriori-Wahrscheinlichkeiten
8.12 Das Problem der Expertenkommission
8.13 Das Gruppenentscheidungsproblem
9. Die Kunst der Implementation und eine allgemeine Kritik
9.1 Einführung
9.2 Wann wird aus einem Baum ein Dickicht?
9.3 Das Entscheidungsproblem mit mehreren Eigenschaften
9.4 Das Schätzen von mehreren ungewissen Größen
9.5 Der Beginn einer Entscheidungsanalyse
9.6 Das Für und Wieder der Entscheidungsanalyse
9.7 Eine letzte Bemerkung
10. Ausblick
10.1 Abriß der Geschichte der subjektiven Wahrscheinlichkeiten
10.2 Ein Überblick über die Statistik
10.3 Spieltheorie und Entscheidungstheorie
10.4 Operations Research, Systemanalyse und Entscheidungsanalyse
Register
Daten Ihres grundlegenden Problems
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Einführung in die Entscheidungstheorie
 9783486820041, 9783486477412

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Bisher erschienen: Karl H. BORCH, Wirtschaftliches Verhalten bei Unsicherheit Morton D. DAVIS, Spieltheorie für Nichtmathematiker Richard C. JEFFREY, Logik der Entscheidungen Norman MALCOLM, Ludwig Wittgenstein Oskar MORGENSTERN, Spieltheorie und Wirtschaftswissenschaft Ernest NAGEL - James R. NEWMAN, Der Gödelsche Beweis John VON NEUMANN, Die Rechenmaschine und das Gehirn Hubert SCHLEICHERT, Elemente der physikalischen Semantik Erwin SCHRÖDINGER, Was ist ein Naturgesetz? Herman WEYL, Philosophie der Mathematik u. Naturwissenschaft Dean E. WOOLDRIDGE, Mechanik der Gehirnvorgänge Dean E. WOOLDRIDGE, Mechanik der Lebensvorgänge

Howard Raiffa

Einführung in die Entscheidungstheorie Mit 134 Abbildungen und 37 Tabellen

R. Oldenbourg Verlag München Wien 1973

Titel der Originalausgabe: Howard Raiffa, Decision Analysis. Introductory Lectures on Choices under Uncertainty ©

1968 by Addison-Wesley Publishing Company, Reading, Massachusetts

Deutsche Übersetzung von Dr. Armin Mucha

©

1973 R. Oldenbourg München

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege sowie der Speicherung und Auswertung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Werden mit schriftlicher Einwilligung des Verlags einzelne Vervielfältigungsstucke fur gewerbliche Zwecke hergestellt, ist an den Verlag die nach § 5 4 Abs. 2 UG zu zahlende Vergütung zu entrichten, über deren Höhe der Verlag Auskunft gibt. ISBN 3 - 4 8 6 - 4 7 7 4 1 - 2

Druck: Oberbayerisches Volksblatt GmbH, Rosenhelm Umschlagentwurf: Günter Mittermeier, München

Inhaltsverzeichnis Einleitung

9

E.l E.2 E.3

Orientierung Einige einfache Beispiele für Entscheidungsprobleme . Die gemeinsame abstrakte Struktur

9 10 13

1.

Ihr grundlegendes Entscheidungsproblem

15

1.1 1.2 1.3

Vorbemerkung Die Darstellung Ihres Problems Neue Varianten Ihres Problems

15 15 17

2.

Analyse Ihres grundlegenden Entscheidungsproblems .

22

Die Daten Ihres Problems Der Gewinnerwartungswert (GEW) Analyse der e0-Alternative Das Entscheidungsfluß-Diagramm Die Zuordnung von Wahrscheinlichkeiten an Zufallsverzweigungen 2.6 Die Roll-back-Analyse 2.7 Der Erwartungswert vollständiger Informationen . . 2.8 Zusammenfassung und Verallgemeinerung . . . . 2.9 Beispiel 2.10 Anhang

22 23 25 25

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

3.

3.1 3.2 3.3 3.4 3.5

Unsichere Auszahlungen und systematische Meßfehler

Einführung Unsichere Auszahlungen und Stichprobenkosten . Der Wert von Informationen über die Auszahlungen Stichprobenergebnisse mit Bias Beispiel

30 39 45 51 53 54 59

.

59 60 62 63 70

6

Inhaltsverzeichnis

4.

Nutzentheorie

71

4.1 4.2

71

4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13 4.14 4.15 4.16

Einführung Die Rolle der Sicherheitsäquivalente bei der Untersuchung von Entscheidungsfluß-Diagrammen. . . . Lotterien mit Basis-Lotterielosen als Gewinnen . . . Substituierbarkeit Die Substitution von BRLT's Die monetäre π-Indifferenzfunktion Analyse unseres grundlegenden Entscheidungsproblems für einen Nicht-GEW'er Transitivität Kritik der Verhaltensannahmen Die Maximierung des Erwartungsnutzens Kauf-und Verkaufspreise Abnehmende Risikoscheu Nicht risikoscheues Verhalten Risikokontrolle durch Portefeuille-Analyse . . . . Übungsaufgabe Die Daten für das Beispiel aus Abschnitt 4.2 . . . .

92 96 102 108 112 115 117 120 124 125

5.

Subjektive Wahrscheinlichkeit

128

5.1 5.2 5.3 5.4

128 129 133

5.5 5.6 5.7 5.8 5.9

Einleitung Objektive Unbestimmtheit Die Normierung der subjektiven Wahrscheinlichkeit Eine Konsistenzeigenschaft für die subjektive Wahrscheinlichkeit Die Additivität des subjektiven P*-Maßes Die Analyse des eQ-Zweiges Die Reduktion einer allgemeinen Lotterie Die Revision der subjektiven Wahrscheinlichkeiten . Zusammenfassung

6.

Die Normalform der Entscheidungsanalyse

6.1 6.2 6.3

Einleitung Strategien Randomisierte Strategien

4.3 4.4 4.5 4.6 4.7

. . . .

.

.

73 77 82 83 87

136 141 143 148 152 155 157

157 161 165

Inhaltsverzeichnis

6.4

7

Auswahl einer Strategie aus der Effizienz-Menge bei gegebenem Ρ ( θ 1 )

167

6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11

Modifikationen für einen Nicht-GW'er Indifferenzkurven-Analyse Das Substitutionsprinzip für Strategien Auswahl der Gewichte Verallgemeinerungen Auf der Suche nach objektiven Verfahren Übungsaufgabe

171 174 176 182 184 187 189

7

Über den Wert von Stichproben

190

7.1 7.2

Einleitung Lohnt es sich für $ 5,00 den wahren Anteil von ρ zu erfahren? 7.3 Eine subjektive Wahrscheinlichkeitsverteilung für einen ungewissen Anteil 7.4 Lohnt es sich für $ 5,00 den wahren Anteil von ρ zu erfahren? 7.5 Sollten Sie Stichproben durchführen, um Informationen über ρ zu erhalten? Beginn der Analyse 7.6 Revision Ihrer apriori-Verteilung von ρ im Lichte der Stichprobe 7.7 Sollten Sie Stichproben durchführen, um Informationen über ρ zu erhalten? 7.8 Verallgemeinerungen 7.9 Übungsaufgaben Anhang: Aripori- aposteriori-Analyse für einen Populationsanteil ρ . 8.

Risikostreuung und Gruppenentscheidungen . . . .

Teil 1: Risikostreuung 8.1 Einführung in Teü 1 8.2 Ein einfaches Beispiel der Risikostreuung 8.3 Formulierung eines allgemeineren Problems . der Risiko Streuung 8.4 Pareto-Optimalität 8.5 Die Auswahl eines Pareto-optimalen P u n k t e s . . . .

190 192 195 203 208 210 211 215 218 219 226 226 229 236 239 244

8

8.6 8.7 8.8 8.9

Inhaltsverzeichnis

Auswahl von Lotterien, wenn Aufteilen erlaubt ist. Auswahl mit Aufteilen bei exponentiellen Nutzenfunktionen Ein Beispiel für die Nichtexistenz einer Gruppen-Nutzenfunktion Analyse eines Entscheidungsbaumes mit Risikostreuung

.

249 250 254 260

Teil 2: Gruppenentscheidungen

265

8.10 Einfuhrung in Teil 2 8.11 Die Kombination von subjektiven apriori- und aposteriori-Wahrscheinlichkeiten 8.12 Das Problem der Expertenkommission 8.13 Das Gruppenentscheidungsproblem

265

9.

9.1 9.2 9.3

265 274 282

Die Kunst der Implementation und eine allgemeine Kritik

288

9.4 9.5 9.6 9.7

Einführung 288 Wann wird aus einem Baum ein Dickicht? . . . . 290 Das Entscheidungsproblem mit mehreren Eigenschaften 296 Das Schätzen von mehreren ungewissen Größen. . . 308 Der Beginn einer Entscheidungsanalyse 314 Das Für und Wieder der Entscheidungsanalyse . . . 322 Eine letzte Bemerkung 327

10.

Ausblick

328

10.1 Abriß der Geschichte der subjektiven Wahrscheinlichkeiten 10.2 Ein Überblick über die Statistik 10.3 Spieltheorie und Entscheidungstheorie 10.4 Operations Research, Systemanalyse und Entscheidungsanalyse Register Daten Ihres grundlegenden Problems

328 333 345 352 356 Dritte

Umschlagseite

Ε. Einleitung Ε.1

Orientierung

Ich werde Ihnen zunächst an einigen Beispielen Situationen erläutern, in denen Entscheidungen ohne vollständige Information getroffen werden müssen. Dann werde ich darlegen, daß allen diesen Entscheidungsproblemen unter Ungewißheit eine gemeinsame abstrakte Struktur zugrunde liegt. Kapitel 1 bringt ein Beispiel dieser abstrakten Struktur, das wir als grundlegendes Entscheidungsproblem bezeichnen und in dem Sie, der Leser, die Rolle des Entscheidenden spielen werden. Zu Beginn ist dieses Problem so formuliert, daß praktisch alle Entscheidungsanalytiker mit den Ratschlägen, die ich Ihnen bei der Analyse des Problemes geben werde, einverstanden wären. In den folgenden Kapiteln werde ich in dieses Entscheidungsproblem einige Komplikationen einfuhren, die Ihnen zeigen, daß Sie immer feinere Methoden benötigen, je komplizierter das Problem wird. Einige der eingeführten Methoden sind kontrovers, aber Sie werden feststellen, daß die Beseitigung dieser Kontroversen sowohl pragmatische als auch philosophische Implikationen hat. Namhafte Statistiker, Wahrscheinlichkeitstheoretiker und Entscheidungsanalytiker sind über die philosophischen Grundlagen der Entscheidungsanalyse verschiedener Ansicht und damit natürlich auch über die Ratschläge, die sie einem Praktiker in einer spezifischen Situation geben würden. Ich möchte gleich zu Beginn sagen, daß ich zu den sogenannten Bayesianern* gehöre und auch in diesem *

Reverend Thomas Bayes, schlug in '„An Essay toward Solving a Problem in the Doctrine of Chance", Philosophical Transactions of the Royal Society, 1763, vor, daß auf bloßen Ahnungen beruhende Wahrscheinlichkeiten mit Hilfe des „Satzes von Bayes" mit Wahrscheinlichkeiten kombiniert werden sollen, die auf relativen Häufigkeiten beruhen.

10

Ε. Einleitung

Buch eine Plattform sehe, meine Vorstellungen vorzutragen. Es gibt einige Schandflecken in unserer Theorie und wir sind auch nicht unverwundbar, aber wir sind wütend darüber, wenn wir aus falschen Gründen angegriffen werden. Ich hoffe, daß dieses Buch einige philosophische Ergebnisse deutlich macht, über die man bei allem Respekt unterschiedlicher Meinung sein kann, und daß durch dieses Buch diese Ergebnisse etwas realistischer gesehen werden. Es soll auch dazu dienen, deutlich zu machen, mit welchem Recht ein Bayesianer seine Ratschläge anbieten kann. Vereinfacht ausgedrückt, möchten die Bayesianer oder die Anhänger des Subjektivismus das intuitive Urteil, das intuitive Gefühl direkt in die formale Analyse eines Entscheidungsproblems mit einbeziehen. Die Nicht-Bayesianer oder Objektivisten hingegen sind der Ansicht, daß diese subjektiven Aspekte bei der formalen Analyse unberücksichtigt bleiben sollen und daß sie — wenn überhaupt — nur zur Schließung der Lücken zwischen der realen Welt und den objektiven Ergebnissen aus einem formalen Modell benutzt werden sollten. Diese Gegenüberstellung ist zugegebenermaßen eine sehr grobe Vereinfachung, aber sie sollte ausreichen, um Ihnen die grundlegenden Unterschiede der philosophischen Ausgangspositionen deutlich zu machen.

E.2

Einige einfache Beispiele für Entscheidungsprobleme

Ein Ölbohrproblem: Ein ölspekulant muß sich entscheiden, ob er an einem bestimmten Ort bohren will oder nicht, bevor seine Option erlischt. Er ist sich über eine Reihe von Dingen im Unklaren: Die Bohrkosten, die Größe der öl- oder Gasvorkommen, die Förderkosten usw. Er verfügt über objektive Aufzeichnungen von ähnlichen und anderen Bohrungen in diesem gleichen Becken und er hat die Besonderheiten dieses Geschäfts bereits mit seinem Geologen, seinem Geophysiker und mit seinem Grundstücksagenten durchgesprochen. Führt er seismische Sondierungen durch, so kann er weitere relevante Informationen (aber keine vollständige Information) über

E.2 Einige einfache Beispiel für Entscheidungsprobleme

11

die zugrundeliegende geophysikalische Struktur erhalten. Diese Information jedoch ist sehr teuer, und sein Problem besteht nun darin, zu entscheiden, ob er diese Informationen kauft, bevor er die Entscheidung „bohren oder nicht bohren" fällt. Einführung eines neuen Medikaments: D e r P r ä s i d e n t e i n e r p h a r m a -

zeutischen Firma muß sich entscheiden, ob er ein neuentwickeltes Medikament gegen Hautallergien auf den Markt bringen will oder nicht. Er ist sich über viele Dinge unklar: Den Anteil der Patienten, die geheilt werden; den Anteil der Patienten, bei denen schädliche Nebenwirkungen auftreten; die Nachfrage nach dem Medikament bei einem gegebenen Preis und unter Zugrundelegung eines bestimmten Heilerfolges usw. Er verfügt über die wissenschaftlichen Berichte seiner Techniker, die Beurteilung seiner Marketing-Gruppe und die Ergebnisse eines an Häftlingen durchgeführten Experimentes. Er kann weitere Informationen über die Rate der Heilerfolge und der Nebeneffekte erhalten, wenn er klinische Tests durchführt. Solche Tests jedoch sind kostspielig und kosten Zeit. Soll er solche Tests durchführen? Wenn ja, wie lange? Natürlich ist er in seinen Entscheidungen nicht ganz frei, denn er muß die Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes beachten. Die Einführung eines neuen Produktes. E i n g r o ß e s c h e m i s c h e s U n t e r -

nehmen hat die Entwicklung eines neuen langanhaltenden Hausanstriches erfolgreich abgeschlossen. Ihre Manager müssen entscheiden, ob sie dieses Produkt selbst produzieren sollen und wenn ja, welche Größe die zu bauende Fabrik haben sollte, oder ob sie ihre Patente und ihr technisches Knowhow an eine Firma verkaufen oder vermieten sollten, die sich ausschließlich mit der Herstellung und Verteilung solcher Farben beschäftigt. Die Hauptquellen ihrer Unsicherheit liegen in dem Marktanteil, den sie bei einem bestimmten Preis und bei bestimmten Werbeausgaben erreichen werden, falls sie selbst produzieren, und in der Zeitspanne, nach der ein Mitbewerber ein ähnliches Produkt einführt. Die Manager können einige Informationen über ihre zukünftige Marktstellung erhalten, wenn sie eine Umfrage bei den Farbenherstellern durchführen. Diese Information muß jedoch sehr sorgfältig überprüft werden, da die anderen Hersteller

12

Ε. Einleitung

möglicherweise nicht das tun, was sie sagen. Wie soll die Gesellschaft vorgehen? Die Behandlung einer Krankheit. Ein Arzt weiß nicht, o b die Hals-

schmerzen seines Patienten durch Streptokokken oder durch Viren verursacht wurden. Wenn er wüßte, daß es Streptokokken sind, dann würde er Penicillin verschreiben, während er bei der Verursachung durch Viren Ruhe, Gurgeln und Aspirin verschreiben würde. Wird die notwendige Penicillin-Behandlung nicht durchgeführt, so kann dies zu schweren Krankheiten wie Nierenentzündung oder rheumatischen Herzbeschwerden führen. Wird jedoch eine Penicillin-Behandlung durchgeführt, obwohl diese nicht erforderlich ist, so kann dies eine Penicillin-Reaktion hervorrufen, die 2 bis 7 Tage lang starke Schmerzen mit sich bringt und in ganz seltenen Fällen sogar zum Tode führen kann. Deshalb macht der Arzt einen Abstrich, der das Vorhandensein von Streptokokken anzeigt. Dieser Test ist jedoch unvollkommen, da (1) die Bakterien bereits abgestorben sein können, bevor sie auf den Nährboden gebracht werden und da (2) das Vorhandensein von Streptokokken nicht notwendigerweise bedeutet, daß diese Streptokokken diese Halsschmerzen verursacht haben. Der Arzt muß zwischen einer der folgenden Möglichkeiten auswählen: 1. Keinen Abstrich machen, die Infektion als Virusinfektion behandeln; 2. keinen Abstrich machen, eine Penicillin-Spritze verschreiben; 3. keinen Abstrich machen, Penicillin-Tabletten für 10 Tage verschreiben; 4. einen Abstrich machen, Spritze oder Tabletten nur verschreiben, wenn notwendig; 5. einen Abstrich machen und Tabletten verschreiben und dann mit den Tabletten fortfahren, wenn das Ergebnis positiv ist und die Tabletten absetzen, falls das Ergebnis negativ ist.

Was soll der Arzt tun?

E.3 Die gemeinsame abstrakte Struktur

13

Regierungsinvestition in F & E: Ein Regierungsvertreter muß entscheiden, ob in ein 10-Jahres-F & Ε-Programm zur Entwicklung „schneller Brüter"-Reaktoren investiert werden soll. Die gegenwärtig bekannten Vorräte an billigem Uran reichen nur für die nächsten 8 Jahre, falls der Bedarf an nuklearer Energie wie erwartet ansteigt. Werden keine neuen Vorkommen billigen Urans entdeckt, so werden die Elektrizitätskosten der konventionellen Kernkraftwerke stark ansteigen. Der Brüter-Reaktor stellt eine künstliche Quelle spaltbaren Materials dar, da er mehr spaltbares Material erzeugt, als er verbraucht. Damit wird unsere Abhängigkeit von den natürlichen Erzen verringert. Die Benutzung des Brüter-Reaktors würde uns erlauben, die Elektrizitätskosten auf dem gegenwärtigen niedrigen Stand zu halten, selbst wenn die billigen Erze knapp werden. Die private Industrie hat verschiedene Neuerungen für die Konstruktion solcher Reaktoren vorgeschlagen, die unterschiedliche wärmeübertragende Stoffe benützen. Der Regierungsvertreter ist sich jedoch im unklaren, ob ein schneller Reaktor gebaut werden kann, der zugleich sicher und wirtschaftlich ist. Die Regierung muß entscheiden, ob sie ein reich ausgestattetes Forschungsprogramm mit der Möglichkeit eines Stopps, falls neue BilligErz-Vorkommen entdeckt werden, in Gang bringen will, oder ob sie ein bescheidenes F & Ε-Programm, das zu einem späteren Termin fertig sern wird, in Gang bringen will, wobei die letztere Möglichkeit dann sinnvoll ist, wenn die Entdeckung weiterer Erz-Vorkommen erhofft werden kann. Sie muß sich also entscheiden, ob sie ihre Forschungsmittel konzentrieren oder auf mehrere Projekte verteilen will, bis über die einzelnen Projekte genauere Erfolgsergebnisse vorliegen.

E.3.

Die gemeinsame abstrakte Struktur

In diesem Buch werden wir darüber diskutieren, wie ein Entscheidender eine überlegte, vernünftige, logische Analyse seines Problems durchführen kann. Eine Analyse, die ihm sagt, wie er sich am besten in einer ungewissen Umgebung verhält. In jedem der obigen Beispiele habe ich angenommen, daß der Entscheidende unter verschiedenen

14

Ε. Einleitung

möglichen Aktionen eine Aktion auswählen muß und daß die Konsequenz einer jeden Aktion von einem unvorhersehbaren Ereignis oder „dem Zustand der Welt" abhängt. Weiterhin nahm ich an, daß der Entscheidende bereits einige Informationen über die Ungewißheiten seines Problems besitzt und daß er deshalb diese Ungewißheiten schon etwas einschätzen kann. Außerdem nahm ich an, daß der Entscheidende gegen eine gewisse Gebühr weitere Informationen erhalten kann, die sich auf diese Ungewißheiten beziehen. Schließlich nehmen wir an, daß der Entscheidende eine Strategie wählen möchte, die 1. mit seinen Grundpräferenzen fur die Konsequenzen und 2. mit seinem Grundurteil über die unbekannten Zustände oder Ereignisse logisch konsistent ist.

1. Ihr grundlegendes Entscheidungsproblem 1.1.

Vorbemerkung

Viele Jahre lang habe ich Diskussionen über die Grundlagen der Wahrscheinlichkeit, über Statistik und Entscheidungstheorie gefuhrt. Ich habe dabei festgestellt, daß die meisten Gesprächspartner so argumentieren, als seien sie passive Beobachter, deren persönliche Interessen durch die Entscheidung nicht berührt werden. Sie tun so, als ob jemand anderer, ein nicht allzu intelligenter, weitgehend unbekannter Mensch der Entscheidende (decision maker) sei. Es scheint jedoch zwecklos, sich allzu früh mit den psychologischen Eigenheiten fremder Menschen abzugeben. Konzentrieren wir uns zunächst einmal darauf, was Sie, verehrter Leser, in einer bestimmten Situation tun würden! Beschäftigen wir uns daher mit einem konkreten Entscheidungsproblem unter Ungewißheit, wobei Sie die Rolle des Entscheidenden zu spielen haben und wobei Sie selbst eine Wahl treffen sollen.

1.2.

Die Darstellung Ihres Problems

Stellen Sie sich eine Gesamtheit von 1000 Urnen vor, von denen jede entweder das Etikett „0 j " („Theta Eins") oder das Etikett „0 2 " („Theta Zwei") trägt. Jede Urne enthält rote und blaue Kugeln. Die jeweilige Anzahl der Kugeln hängt vom Urnentyp ab. Wir legen fest: θ ι -Urnen enthalten 6 blaue und 4 rote Kugeln; θ 2 -Urnen enthalten 1 blaue und 9 rote Kugeln. Der Besitzer der 1000 Urnen (wir nennen ihn den Versuchsleiter) wählt nun zufällig eine dieser Urnen; mit „zufällig" meinen wir, daß

16

1. Ihr grundlegendes Entscheidungsproblem

jede Urne die gleiche Chance hat, gewählt zu werden. Der Versuchsleiter stellt die gewählte Urne vor Ihnen auf, entfernt jedoch vorher das Etikett, welches das einzige äußere Unterscheidungsmerkmal der Urnen ist. Da die Urne undurchsichtig ist und Sie ihren Inhalt nicht sehen können, können Sie nicht feststellen, um was für eine Urne es sich handelt. — Wenn tatsächlich eine θ t -Urne vor Ihnen steht, dann wollen wir kurz sagen, „der wahre Zustand ist θ t " . Analog werden wir uns bei den θ 2 -Urnen ausdrücken. Ich bitte Sie nun zu raten, was für eine Urne vor Ihnen steht. Wenn Sie richtig raten, gewinnen Sie Geld, wenn Sie falsch raten, dann verlieren Sie Geld. Sie haben also drei Möglichkeiten, sich zu verhalten, und zwar: «ι: Sagen, vor Ihnen stehe eine Θι-Ürne, a2 '• Sagen, vor Ihnen stehe eine 92-Ume, a3: Sich weigern, dieses Spiel zu spielen. Wenn Sie a 3 wählen, dann erhalten Sie nichts und brauchen auch nichts zu zahlen. Bei αχ und a2 sind hingegen folgende Auszahlungen vorgesehen: $ 40 Gewinn, wenn der wahre Zustand θ ι ist; $ 20 Verlust, wenn der wahre Zustand θ2 ist; $100 Gewinn, wenn der wahre Zustand θ 2 ist; $ 5 Verlust, wenn der wahre Zustand ist. Sie werden sich nun fragen, "Von wem gewinne ich eigentlich das Geld und an wen verliere ich es? " Es ist nicht ganz leicht, hier wirklichkeitsnahe Annahmen zu machen; vor allem aber sollen Sie nicht davon ausgehen, daß der Versuchsleiter etwa Ihr Gegner sei. Wir wollen annehmen, der Versuchsleiter sei ein Wissenschaftler, dem aus einer Stiftung genügend Geld zur Verfügung steht, um menschliches Entscheidungsverhalten zu studieren. Ihm kann es also gleichgültig sein, ob Sie gewinnen oder verlieren; er versucht Sie nicht zu überlisten, er spielt auch kein kompetitives Spiel gegen Sie. Im Gegenteil, er versucht möglichst neutral zu sein. Kümmern Sie sich daher bitte nur um Ihre eigenen Finanzen und machen Sie sich keine Sorgen über die Stiftung oder über die Tatsache, daß andere verlieren, wenn Sie gewinnen. Seien Sie möglichst egoistisch und verges-

1.3. Neue Varianten Ihres Problems

17

sen Sie nicht, daß es um Ihr eigenes Geld und nicht etwa das Geld von irgendjemand geht. Bedenken Sie auch, daß einige Ratschläge, die Sie in diesem Buch erhalten werden, nicht von jedermann für „gut" gehalten werden. Wir wollen nun annehmen, daß Sie sich zusätzliche Informationen beschaffen können, bevor Sie unter αχ, a 2 und a-A auswählen. Sie dürfen, wenn Sie wollen, gegen Gebühr eines der folgenden Experimente durchführen: eι:

Gegen eine Gebühr von $ 8,— dürfen Sie eine Kugel aus der nichtidentifizierten Urne ziehen, die vor Ihnen steht.

e2:

Gegen eine Gebühr von $ 12,- dürfen Sie zwei Kugeln aus dieser Urne ziehen.

e3:

Gegen eine Gebühr von $ 9,— dürfen Sie zunächst eine Kugel aus der Urne ziehen und dann (nachdem Sie also diese Kugel gesehen haben) entscheiden, ob Sie nun gegen eine weitere Gebühr von $ 4,50 eine zweite Kugel ziehen wollen. Dabei können Sie (ohne Gebühr) wählen, ob Sie die erste gezogene Kugel in die Urne zurücklegen wollen, bevor Sie zum zweiten Mal ziehen.

Schließlich steht Ihnen noch erne weitere wichtige Information zur Verfügung: Von den 1000 Urnen, aus denen der Versuchsleiter eine Urne zufällig ausgewählt hat, sind 800 vom Typ θχ und 200 vom Typ 02. Die Einzelheiten des Problems, das Ihnen nun gestellt ist, wollen wir (Sie und ich) im 2. Kapitel gründlich untersuchen. Dort werden wir auch in einer Tabelle die Daten Ihres Problems zusammenfassen.

1.3.

Neue Varianten Ihres Problems

Beginnend im 3. Kapitel, werden wir Schritt für Schritt Komplikationen in Ihr Entscheidungsproblem einfuhren. Im ersten Teil des 3. Kapitels wird angenommen, daß einige der Auszahlungen nicht

18

1. Ihr grundlegendes Entscheidungsproblem

mit Gewißheit, sondern nur „ungefähr" bekannt sind; dabei wird allerdings vorausgesetzt, daß die nur „ungefähr" bekannten Auszahlungen sich durch Wahrscheinlichkeitsverteilungen beschreiben lassen. Sie werden in diesem Kapitel zu entscheiden haben, wieviel Sie dafür zu zahlen bereit sind, daß Sie Genaueres über diese Auszahlungen erfahren. Im zweiten Teil des 3. Kapitels wird das Problem des Bias behandelt. In Ihrem Entscheidungsproblem handelt es sich dabei um vorübergehenden Farbblindheit. Wenn Sie dann und wann rot für blau oder blau für rot halten: was fur ein Stichprobenplan ist dann optimal? Wie verzerrt diese Farbblindheit die Stichprobenergebnisse? Wie stark darf diese Verzerrung sein, daß es sich überhaupt noch lohnt, Stichproben zu machen? Das 4. Kapitel geht davon aus, daß Sie, der Entscheidende, risikoscheu sind; Sie würden z.B. eine Wette mit einer 50 : 50-Chance für einen Gewinn oder einen Verlust von $ 100,— ablehnen. Obwohl alle Wahrscheinlichkeiten klar und objektiv sind, wollen Sie, so nehmen wir an, nicht auf der Grundlage von Erwartungswerten wetten. In diesem Kapitel erfahren Sie auch, wie Sie die moderne Nutzentheorie bei Ihrer Entscheidung anwenden können. Sie brauchen, wenn Sie nicht wollen, die hier gegebenen Ratschläge nicht befolgen; Sie müssen jedoch wissen, daß Sie immer irgendeine Entscheidung treffen. Auch wenn Sie sich weigern, das erwähnte Spiel zu spielen und somit „nichts entscheiden", wählen Sie eine Aktion mit einer festgelegten Auszahlung und bestimmten Konsequenzen. Im übrigen sind Sie der Entscheidende. Sie können also selbstverständlich tun, was Sie wollen, insbesondere jeden Rat allein aus dem Grund ablehnen, daß er für Sie „irgendwie" unbefriedigend ist. Im 4. Kapitel wird auch untersucht, wie nicht-monetäre Auszahlungen berücksichtigt werden können. Im 5. Kapitel werden die Wahrscheinlichkeiten nach und nach „verschwommener". Zunächst ist die Verteilung der 0 r und θ 2 -Urnen (800 : 200) nicht mehr mit Gewißheit bekannt. Die Verteilung kann auch 700 : 300 und 900 : 100 sein und jede dieser Verteilungen ist

1.3. Neue Varianten Ihres Problems

19

gleichwahrscheinlich. Ändert dies etwas am Ergebnis der Untersuchung? Danach betrachten wir den Fall, wo Ihnen das Verhältnis von θχ und 0 2 nicht zahlenmäßig angegeben wird, sondern wo Sie nur einen kurzen Blick auf die 1000 Urnen mit ihren Etiketten werfen dürfen, so daß eine systematische Zählung nicht möglich ist. Sollen Sie nun diese vage Information weiterverarbeiten oder sollen Sie sich Ihre subjektive Schätzung aus dem Kopf schlagen und sich allein daran halten, was Ihnen objektiv und genau bekannt ist? Wir werden untersuchen, ob Sie subjektive Wahrscheinlichkeiten behandeln sollen, als seien es objektive Wahrscheinlichkeiten. Ich werde versuchen zu begründen, daß Sie dies tun sollten. - Wir werden auch untersuchen, was Sie für eine exakte Bestimmung der Wahrscheinlichkeiten (Zählung der 0i und der 0 2 ) zahlen sollten, wenn Sie bereits die oben erwähnte vage Information besitzen. Im 6. Kapitel werden wir eine andere Methode zur Behandlung des Problems aus Kapitel 5 zeigen. Anstatt schon zu Beginn der Untersuchung die (umstrittenen) subjektiven Wahrscheinlichkeiten einzuführen, wollen wir sehen, wie weit wir mit einer objektiven Untersuchung kommen. Am Ende des 6. Kapitels werde ich versuchen, Sie davon zu überzeugen, daß Sie Ihre Gefühle in Form einer subjektiven Wahrscheinlichkeitsverteilung bei der Lösung Ihres Problems anwenden sollten. (Insgesamt werden also im 5. und 6. Kapitel zwei Versuche gemacht, Ihnen die Verwendung subjektiver Wahrscheinlichkeiten nahezulegen). Wir sollten übrigens bei diesen Überlegungen nie vergessen, worum es wirklich geht: Selbstverständlich geht es nicht um das hier erfundene spezielle Entscheidungsproblem, vielmehr geht es um die ganze Klasse realer Probleme, aus der diese allegorische Abstraktion genommen wurde. Soll bei der Lösung der wirklich vorkommenden Probleme mit subjektiven Wahrscheinlichkeiten gerechnet werden oder nicht? Darum geht es, und die Auseinandersetzung darüber bewegt sowohl Theoretiker als auch Praktiker. Im 7. Kapitel wird unterstellt, daß Sie eine vage Information über den Anteil der Öi-Urnen besitzen. Die Frage ist, ob Sie $ 5 , - für eine genaue Zählung aufwenden sollen. Sie haben aber auch die Möglichkeit, eine Zufallsstichprobe zum Preis von $ 0,05 pro Urne durch-

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1. Ihr grundlegendes Entscheidungsproblem

zuführen. Es leuchtet ein, daß eine solche Stichprobe Ihnen ein genaueres Urteil über den Anteil der Θι-Urnen ermöglicht. Sollen Sie also eine Stichprobe entnehmen? Wie groß soll diese gegebenenfalls sein? Probleme wie jenes, das im 7. Kapitel behandelt wird, sind von großer Bedeutung für die Praxis. Beispielsweise mag ein Entscheidender daran interessiert sein, wie groß der Anteil ρ von Individuen mit einer bestimmten Eigenschaft in einer Population ist: Von Herzpatienten mit einem bestimmten Symptom, von Studenten, die auf eine bestimmte Lehrmethode besser ansprechen als auf eine andere, von möglichen Kunden, die ein bestimmtes Gut zu einem bestimmten Preis kaufen würden usw. Kapitel 7 enthält einen Dialog, der zeigen soll, wie ein Entscheidender seine subjektive Schätzung über einen nicht genau bekannten Anteil ρ präzisieren kann und wie seine subjektive Schätzung durch Stichprobeninformation modifiziert werden sollte. Das 8. Kapitel befaßt sich mit dem Problem der Risikostreuung (risk sharing) und mit einigen Aspekten von Gruppenentscheidungen. Nehmen Sie etwa an, daß Sie das ausschließliche Recht auf ein Projekt besitzen, das im Prinzip Ihrem erfundenen Entscheidungsproblem gleicht, jedoch tausendmal größer ist. Beispielsweise müssen Sie nicht $ 8,—, sondern $ 8 . 0 0 0 , - bezahlen, um eine einzige Kugel, der Urne zu entnehmen usw. Sie haben zwar nicht genug Geld, um dieses Projekt allein durchzuführen, doch handelt es sich, wie Sie meinen, um ein gutes Projekt. Sollen Sie sich das benötigte Kapital ausborgen, sollen Sie das Risiko mit einem Partner teilen oder sollen Sie eine Gesellschaft gründen und deren Aktien verkaufen? Was passiert, wenn Ihre neugewonnenen Geschäftsfreunde ein unterschiedliches Risikoverhalten zeigen und über die Wahrscheinlichkeiten der Zufallsereignisse anderer Meinung sind als Sie? Soll „das Verhalten nach außen" einer derartigen Gruppe denselben Kriterien vernünftigen Verhaltens genügen, die wir für ein Individuum vorgeschlagen haben? Das 9. Kapitel geht davon aus, daß die wirklichen Probleme nur selten dem einfachen hier behandelten Schema entsprechen. Ich versuche hier, einige Mißverständnisse zu beseitigen, die sich vielleicht

1.3. Neue Varianten Ihres Problems

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aus der Einfachheit des erfundenen Problems ergeben haben. Das 9. Kapitel befaßt sich deshalb mit der Anwendung der hier dargelegten Theorie, mit den Umstellungen, Anpassungen und Erweiterungen, die man - manchmal nur zur Probe - vornehmen muß, um der Komplexität realer Probleme gerecht zu werden. Zusammenfassend werden die Vorteile, die Grenzen und die Gefahren systematischer Analysen von Entscheidungsproblemen aufgezeigt. Das 10. und letzte Kapitel holt weiter aus. Es beginnt mit einer historischen Darstellung der verschiedenen Wahrscheinlichkeitsbegriffe, behandelt einige hier relevante Probleme der Statistik und zeigt die Querverbindungen, die zwischen Entscheidungstheorie und Spieltheorie, Systemanalyse und Unternehmensforschung bestehen. Dieses Kapitel bietet auch noch eine kurze Einführung in die Literatur. Zum Abschluß dieses 1. Kapitels möchte ich noch ein Wort zur Verteidigung meines hypothetischen und vielleicht etwas wirklichkeitsfremden Urnenmodells sagen. Ich hätte ja auch wirklichkeitsnähere Probleme, etwa aus dem Bereich der Lagerhaltung, der medizinischen Diagnostik, der Marktforschung oder der Personalbewertung vorbringen können. Wirklichkeitsnahe Probleme sind jedoch kompliziert, und zwar so kompliziert, daß man sie ohne eingehende Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht lösen kann. Die Wahrscheinlichkeitsberechnungen, die wir für das hier benutzte Urnenmodell benötigen, sind ziemlich einfach und leicht zu verstehen; wir können uns daher ausschließlich auf die zentralen, umstrittenen Grundprobleme konzentrieren, statt uns mit komplizierten, ohnehin nicht umstrittenen Einzelheiten der Wahrscheinlichkeitsrechnung abzugeben. Im übrigen hat diese Darstellung noch einen erheblichen Vorteil: Es wird sich zeigen, daß viele der wirklichen Probleme eine sehr ähnliche Struktur haben wie unser einfaches, abstraktes Urnenmodell, sobald man sie einmal mathematisch formuliert.

2. Analyse Ihres grundlegenden Entscheidungsproblems 2.1.

Die Daten Ihres Problems*

Kehren wir n u n zu I h r e m grundlegenden Problem zurück, das n o c h nicht d u r c h zusätzliche A n n a h m e n kompliziert ist. Die D a t e n u n d die Auszahlungen sind in Tabelle 2.1 zusammengefaßt. (Die Bedeut u n g der letzten Zeile von Tabelle 2.1 wird später erklärt). „ Z u s t a n d 0χ " u n d „ Z u s t a n d 0 2 " b e d e u t e n , wie schon erwähnt, daß die zufällig gewählte Urne v o m T y p θχ bzw. v o m T y p Ö2 ist. Wenn m a n a n n i m m t , die Urnen seien durchsichtig, so d a ß Sie den Inhalt der auf d e m Tisch stehenden Urne sehen k ö n n e n , so b e d e u t e n „Zustand θι" u n d „ Z u s t a n d θ2", daß Sie sehen, was in Abbildung 2.1 (a) bzw. Abbildung 2.1 (b) dargestellt ist. Tabelle 2.1 Auszahlungen fur alle Zustand-Aktion-Paare Aktion

Zustandswahrscheinlichkeit

a\

a2

40 -20

-5

0

θ2

100

0

0,80 0,20

GEW

28

16

0

1,00 (gesamt)

Zustand 01

a3

Die Urne auf d e m Tisch, deren Inhalt u n b e k a n n t ist, w u r d e , wie schon e r w ä h n t , aus 1 0 0 0 Urnen zufällig ausgewählt. V o n diesen Diese Daten sind, da sie fortwählend benötigt werden, zusammenfassend auf der hinteren Innenseite des Umschlags dargestellt.

2.2. Der Gewinnerwartungswert (GEW)

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1000 Urnen waren 800 vom Typ θχ und 200 vom Typ ö 2 . Der Urnentyp beeinflußt natürlich Ihre Auszahlungen. Sie können folgende Experimente durchführen: e0: e1: e2: es:

keine Beobachtung, Kosten $ 0,0; eine einzige Beobachtung, Kosten $ 8,—; zwei Beobachtungen, Kosten $ 12,—; eine einzige Beobachtung zum Preis von $ 9,—, wobei Sie anschließend die Wahl haben, ob Sie noch eine weitere Beobachtung zum Preis von $ 4,50 machen wollen; dabei dürfen Sie nach Belieben die erste gezogene Kugel zurücklegen oder auch nicht. (Der Index „s" steht für „sequentiell").

Schließlich sei noch einmal an die Bezeichnungen für Aktionen erinnert: α ι: a2: a3:

2.2.

Sagen, vor Ihnen stehe eine θ ι -Urne; Sagen, vor Ihnen stehe eine θ 2 -Urne; Sich weigern, dieses Spiel zu spielen.

Der Gewinnerwartungswert (GEW)

Ihr grundlegendes Entscheidungsproblem können Sie unter anderem auch durch lösen. Viele Menschen mögen sich weigern, dieses

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2. Analyse Ihres grundlegenden Entscheidungsproblems

Spiel zu spielen, weil die Möglichkeit besteht, zumindest $ 5 , - zu verlieren, und weil die möglichen Gewinne ein solches Risiko nicht rechtfertigen. Eine solche Einstellung ist durchaus nicht unvernünftig. Es gibt viele Menschen, die nicht einmal $ 10,— dafür bezahlen wollen, daß sie mit einer Wahrscheinlichkeit von je 0,5 entweder $ 1 0 0 , - oder $ 0 gewinnen. Anderen Menschen mag ein solches Spiel jedoch $ 4 9 , - oder gar $ 5 0 , - wert sein, und schließlich mögen manche dafür sogar $ 52,— bezahlen, entweder weil sie gewillt sind, für den „Reiz des Spieles" extra zu bezahlen, oder weil sie mit den $ 52,—, die sie derzeit besitzen, nicht viel anfangen können, mit $ 100,— andererseits sehr viel anfangen könnten. Man kann vernünftigerweise nicht erwarten, daß alle Menschen sich bei Glücksspielen gleich verhalten, selbst dann nicht, wenn die Daten so klar und eindeutig sind wie in Ihrem Entscheidungsproblem. In diesem Kapitel untersuchen wir Ihr grundlegendes Entscheidungsproblem vom Standpunkt eines sogenannten „GEW'ers". Ein solches Individuum richtet sich bei seinen Aktionen nach dem Gewinnerwartungswert (GEW) dieser Aktionen — zumindest solange die Einsätze nicht allzu hoch sind. Beispielsweise ist der GEW eines Spieles mit den gleichwahrscheinlichen (d.h. die Wahrscheinlichkeit ist jeweils 0,5) Auszahlungen von $ 0,00 und $ 1 0 0 , - gleich 0,5·$ 0 + 0 , 5 · $ 1 0 0 , - = $ 5 0 , - . Allgemein erhält man den GEW eines Spieles mit mehreren möglichen Auszahlungen, indem man jede Auszahlung mit deren Wahrscheinlichkeit multipliziert und diese Produkte addiert. So fuhrt z.B. ohne Experiment die Aktion a\ zu einer Auszahlung voji $ 40,—, falls 0i wahr ist (dafür besteht die Wahrscheinlichkeit 0,8), und zu einer Auszahlung von - $ 2 0 , - , falls 02 wahr ist (dafür besteht die Wahrscheinlichkeit 0,2). Daher beträgt der GEW der Aktion a\. 0,8·$ 4 0 , - + 0,2· ( - $ 2 0 , - ) = $ 28. In diesem Kapitel werden wir annehmen, daß Sie ein GEW-Maximierer oder kurz: ein GEW'er sind. Selbst wenn Sie in Wirklichkeit — wie viele Menschen - kein GEW'er sein sollten, lohnt es sich, einmal von dieser Annahme auszugehen, bevor wir uns in den nächsten Kapiteln mit dem schwierigen Problem der Nicht-GEW'er befassen.

2.4. Das Entscheidungsfluß-Diagramm

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Entscheidungsproblemen unter Risiko und unter Ungewißheit ordnet man oft ein sogenanntes „Sicherheits-Äquivalent" (SÄ) zu. Für einen GEW'er ist beispielsweise das SÄ des oben beschriebenen Verhaltens αχ gleich $ 2 8 , - . Das bedeutet, daß ein GEW'er die Möglichkeit, ein solches Spiel zu spielen, zu keinem geringeren Preis als $ 28,—Jedoch zu jedem höheren Preis verkaufen würde. Hingegen mag ein Nicht-GEW'er diesem Spiel ein SÄ von $ 30,—, $ 15,-, $ 1 0 , - oder auch von $ 0 zuordnen.

2.3.

Analyse der e0 -Alternative

Den ersten beiden Zeilen von Tabelle 2.1 können Sie die GEW's von «i, a2 und