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German Pages 27 [56] Year 2022
Hamburgischcs Museum für Völkerkunde
Einführung in die
Abteilung Indonesien
(Geschiente, Lebensraum, Umwelt und BevölKerunö)
Von
Prof. Dr. Paul Hambruch Abteilnngsvorsteher
Hamburg Friedcrichsen, de Gruyter S Co. m. b. H. 1931
Verzeichnis der Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde in Hamburg I.
T h i l e n i u s , G., Die Bedeutung der Meeresströmungen für die Besiedelung Melanesiens. 21 Seiten und 5 Abb. im Text. 1906. — Vergriffen. H a m b r u c h , P., Die Anthropologie von Kaniet. 47 Seiten, 67 Abb. im Text und 5 Tafeln. 1906. — Vergriffen. M ü l l e r , W., Beiträge zur Kraniologie der Neu-Britannier. 116 Seiten, 1 Abb. im Text und 2 Tafeln. 1906. — Vergriffen.
II. 1. H a m b l u c h , P., Wuvulu und Aua (Maty- und DurourInseln) auf Grund der Sammlung F. E. Hellwig aus den Jahren 1902 bis 1904. 156 Seiten mit 88. Abb. im Text und 32 Tafeln. 1908. M. 20.—. 2. H a g e n , K., Die Ornamentik von Wuvulu und Aua auf Grund der Sammlung des Museums. 21 Seiten, 21 Abb. im Text und 36 Abb. auf 5 Tafeln, 1908. — Vergriffen III. x. D e m a n d t , E.: Die Fischerei der Samoaner. Eine Zusammenstellung der bekanntesten Methoden des Fanges der Seetiere bei den Eingeborenen. Im Anhang: Die Samoanischen und zoologischen Namen der Seetiere. 142 Seiten. 24 Abb. im Text und 7 Lichtdrucktafeln. 1913. M. 15.—. IV.
S e i d e n s t ü c k e r , K., Süd-buddhistische Studien. I. Die Buddha-Legende in den Skulpturen des Ananda-Tempels zu Pagan. 114 Seiten, 11 Textfiguren, 40 lichtdrucktafeln und 1 Plan von Pagan. 1916. ' M. 20.—.
V.
R i b b a c h , S. H., Vier Bilder des Pasmasambhava und seiner Gefolgschaft. 53 Seiten, 69 Abb. im Text und 5 Lichtdrucktafeln. 1917. — Vergriffen.
Einführung in die Abteilung Indonesien
Hamburgisches Museum für Völkerkunde
Einführung in die
Abteilung Indonesien (Geschichte, Lebensraum,
Umwelt und Bevölkerung)
Von
Prof. Dr. Paul Hambruch Abteilungsvorsteher
Hamburg Friederichsen, de Gruyter & Co. m. b. H. 1931
A l l g e m e i n e s . Indonesien (Malaiischer Archipel, Malaiasien, Inselindien, Insulinde) liegt zu beiden Seiten des Äquators zwischen 10° ndl. und 10° sdl. Breite. Nur die Philippinen reichen weiter nordwärts bis 18° N. Von der Größe dieses bezüglich der Ausdehnung der festen Landmassen größten Inselgebietes der Erde erhält man eine rechte Vorstellung, wenn man europäische Maßstäbe heranzieht. Sumatras Nordspitze läge in Mittel-Irland, Java würde von Mittel-Italien bis nach Serbien und mit den kleinen Sunda-Inseln bis weit in Kleinasien hineinreichen, Timor das Schwarze Meer im Osten begrenzen, Borneo zur Hauptsache Polen ausfüllen, und die Philippinen sich von Moskau bis in die unwirtliche Halbinsel Kanin erstrecken. Das feste Land Niederländisch-Ost-Indiens beansprucht eine Fläche von 1897 000 qkm, das der Philippinen, Suluund Palawan-Inseln 297000 qkm. Zählt man die Inseln unter 100 qkm nicht mit, vermöchte man in Niederländisch-Ostindien etwa 350 Eilande benennen. Das größte unter allen ist die drittgrößte Insel der Erde überhaupt: Borneo (etwa Skandinavien); der Größe nach folgen: Sumatra (etwa Deutsches Reich ohne Nordbayern), Philippinen (etwa Rumänien), Celebes (etwa Deutsches Reich ohne Preußen), Java und Madura (etwa Lettland und Litauen). Die Philippinen bilden wohl den 5
zersplittertsten Inselkörper der Erde. Hier zählt man an die 400 Eilande über 100 qkm und über 3000, deren Fläche darunter bleibt. J a v a ist unter allen am dichtesten besiedelt, doppelt so dicht wie Deutschland; in einigen Gegenden kommen über 600 Menschen auf den Quadratkilometer. G e s c h i c h t e . Wann dem alten Europa die erste Kenntnis dieser Inselwelt wurde, steht dahin. Gegen 200 v. Chr. begann der große Uberseehandel nach Ostasien im bequemen Geleit der richtig erkannten Monsune quer über den Indischen Ozean. Adana, das Aden von heute, war im Beginn der römischen Kaiserzeit ein wichtiger Stützpunkt der römischen Flotte. Damals mögen manche Erzeugnisse der malaiischen Inselwelt, die auch den Zwischenhandel nach Hinterindien und Neu-Guinea vermittelte, nach Europa gelangt sein. Auf den Karten erscheint allerdings Inselindien erst um 150 n Chr. und zwar auf der Erdkarte des Claudius P t o l e m ä u s . Sie zeigt im Südosten Sumatra, Java (Jabadiu), Bandjermassin (Cattigära) auf Borneo und Singapore (Sabana). Von den Menschen und Ländern erfahren wir soviel wie nichts. Nur die Überlieferungen und die Denkmäler der Völker bringen einiges Licht in das Dunkel ihrer Geschichte. So erfahren wir, daß um 300 n. Chr. ein streitbares und kunstsinniges Volk aus Hinterindien in Süd-Sumatra einfiel. Um 400 zeugen Inschriften von der Begründung eines Wischnu-Hindu-Reiches in Westjava, und um dieselbe Zeit begründen aus Hinterindien erschienene Hindu das mächtige Reich von Kutei. Die ersten chinesischen Berichte erzählen 460 n. Chr. von einer Insel zwischen Cam6
b o d j a u n d J a v a . San bo tsai n e n n e n sie das Reich K a n d a l i , das Reich des Crivijaya v o n P a l e m b a n g , d e m H i n d u - M a l a i e n s t a a t auf S u m a t r a . E s w a r ein mächtiges Reich, das zeitweise bis Südvorderindien, ü b e r J a v a bis n a c h Südsiam sich erstreckte. Gewaltige B a u t e n u n d die E i n f ü h r u n g vieler neuer K u l t u r g ü t e r , z u m a l auf J a v a , erzählen n o c h h e u t e v o n der Größe des Reiches. U m 900 verfällt das Reich. J a v a n i s c h e , u m das J a h r 1000 indische F ü r s t e n aus T a n j o r e t r e t e n das E r b e a n ; das L a n d k r ä f t i g t sich u n d v e r t r e i b t u m 1100 die indischen u n d j a v a n i s c h e n F ü r s t e n . Seit 1377 h a t J a v a d a n n wieder den u n b e s t r i t t e n e n V o r r a n g i m Inselgebietei (Kaiserreich M a d j a p a h i t , d a n n M a t a r a m , die heutige „Yorstenlande." 1292 h a t t e Marco Polo als erster A b e n d l ä n d e r K u n d e v o n den Malaien g e b r a c h t . I m 14. J a h r h u n d e r t wird ihnen der I s l a m aufgezwungen, der gleichzeitig b e d e u t s a m e Ä n d e r u n g e n i m kulturellen u n d w i r t s c h a f t l i c h e n L e b e n zur Folge h a t t e . A b e r erst 1509 e r ö f f n e t e n portugiesische Schiffe den unm i t t e l b a r e n V e r k e h r zwischen E u r o p a u n d den damals b e s t e h e n d e n malaiischen Reichen. V o n Malakka aus e r f o r s c h t e n sie J a v a , S u m a t r a , die Molukken u n d setzten sich 1521 in Tidore fest. N u n gelang es ihnen in k u r z e r Zeit, m i t allen Teilen des Archipels in Beziehungen zu t r e t e n u n d besonders den H a n d e l m i t Spezereien — d a r u m w a r es i h n e n h a u p t s ä c h l i c h zu t u n — zu monopolisieren. Sie m a c h t e n sich b a l d v e r h a ß t . U m wenig 100 J a h r e s p ä t e r h a t t e n sie m i t A u s n a h m e v o n T i m o r , das sie h e u t e noch zur H ä l f t e besitzen, ihren g e s a m t e n Inselbesitz a n ihre Nachfolger, die Niederländer,
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verloren. Infolge des Verbotes Philipps II. an die abgefallenen Niederländer, die Häfen Spaniens, Portugals und seiner Kolonien zu besuchen, wodurch ihnen der einträgliche Handel mit Spezereien unmöglich gemacht werden sollte, rafften sich diese auf und entsandten mehrfach Flotten nach Indonesien. Kolonialgesellschaften wurden gegründet, die sich 1602 in der „Geoctroyierende Ost-Indische Compagnie" zusammenfanden, welche die Portugiesen nahezu gänzlich aus Inselindien vertrieb, die Heimat aber einer glänzenden Ära entgegenführte, den Niederlanden ihr mächtiges Ostkolonialreich schuf. L e b e n s r a u m u n d U m w e l t . Indonesien gehört den Tropen an. Ewiger Sommer herrscht hier, der den Zeitbegriff auslöscht; Wintertage sind unbekannt, damit entfällt die Vorsorge für Zeiten der Not; wo diese aber fehlt, mangelt es an Energie. So leben die Menschen im Banne der Gegenwart, in den Tag hinein und selten die Zukunft bedenkend. Wunderbar sind die Smaragdinseln, „Inseln der Vulkane, des Urwalds", wo die Kultur einen immerwährenden zähen Kampf gegen die unersättliche Tropenflora führt, die alles zu ersticken droht, was nicht selbst rücksichtslos wuchert und das Schwächere vernichtet. Gleichmäßige grüne Hügelketten täuschen überall liebliche, friedliche Landschaften vor, denen man es nicht ansieht, daß fieberschwangere Dünste sie erfüllen und in ihren Dickichten wilde, reißende Tiere und gefährliches Gewürm bereiten Unterschlupf finden. Dräuend recken über 200 Vulkane ihre Häupter empor und verkündigen, daß Insulinde ein unruhiges, ein 8
Erdbebengebiet ist. Hat auch ein allgemeines Absterben der Vnlkanriesen eingesetzt, in ihrem Todesröcheln verstehen sie es doch, dann und wann die ganze Welt in Schrecken zu versetzen. Niemals gelang es ihnen, die Menschen zu vertreiben, die liebenswürdigen Menschen, die sich in ihrem prächtigen, aus dem 17. Jahrhundert stammenden Heldenroman Hang Tuwah am besten selber kennzeichnen: „Die fünf Helden saßen in der Laube. Sie schmausten Früchte und spielten mit Blumen und Kränzen. Da ertönten die mannigfachsten Weisen. Man sang, man gab Sprüche zum besten. Es waren Lieder voll-herausfordernden Mutes. Und auch Heldenmären erzählten sie. So freuten sie sich in lachender Lust." Indonesien war einst als festes Land die Wanderstraße, auf der Menschen, Tiere und Pflanzen zwischen Australien und Asien hinüberwechselten. Als dieses feste Land im Diluvium zusammenbrach, entstanden die meisten heutigen Inselgruppen, welche ob der dadurch bedingten Isolierung vordem eingewanderte Organismen zum Teil zu besonderen Arten und Gattungen entwickelten und für sich einzelne natürliche Landschaften bilden. Das gleichmäßige Tropenklima entwickelt einen überaus üppigen Pflanzenwuchs, darunter seltsame phantastische und gefährlich giftige Blütenpflanzen und Bäume. Der feuchte Westen birgt andere Pflanzen als der trockene Osten und die Landschaften im Regenschatten. Im Regengebiet die gewaltigen, dichten, ewig nassen Wälder, im Osten Buschwälder, lichtere und weite Savannen mit scharfem über 1 % m hohem Alang-alang-Gras. Den 9
gewaltigsten E i n d r u c k h i n t e r l ä ß t der Regenwald, der W a l d der ewigen D ä m m e r u n g , der grünen Mauer, die n a h e z u allenthalben d e m Menschen ein E i n d r i n g e n v e r w e h r t , i h n v o r Verfolgern s c h ü t z t u n d der Tierwelt sicheren U n t e r s c h l u p f b i e t e t . A m Meeresgestade die Dschungeln der Mangroven, i m Urwalde selbst bis K i r c h t u r m h ö h e a u f s t r e b e n d e B a u m r i e s e n , verschlungen u n d u n t e r e i n a n d e r verwachsen d u r c h ein undurchdringliches Gewirr v o n Schlingpflanzen, F a r n e n , Schmarotzern. Hier die gigantischen F e i g e n b ä u m e , die B a n i a n e n , die W a r i n g i - B ä u m e , den E i n g e b o r e n e n der Sitz ihrer Geister, d o r t E i c h e n m i t f r e m d a n m u t e n d e m L a u b , hallenartige Teakholzwälder, d a schlanke, gewaltige, mannesdicke bis 60 m h o h e gefällig sich b e u g e n d e B a m b u s s e , P a l m e n in vielerlei A r t e n , N i p a p a l m e , Zuckerpalme, F ä c h e r p a l m e , Betelp a l m e , Sagopalme, K o k o s p a l m e usw., nicht zu vergessen der stacheligen, kriechenden R o t a n g p a l m e u n d B a n a n e , deren H e i m a t eben Indonesien ist. Auf den h o h e n Bergen herrscht eine der unseren v e r w a n d t e , in den h ö c h s t e n Gebirgen eine ausgesprochen alpine Flora. D u r c h den Menschen w u r d e n , v o n etlichen oben g e n a n n t e n N u t z - u n d N a h r u n g s p a l m e n abgesehen, vor allem die K u l t u r p f l a n z e n e i n g e f ü h r t : Reis, Zuckerrohr, Tee, Kaffee, T a b a k , Olpalme usw. Nirgendwo f i n d e t m a n Wildlinge. Selbst der Reis, der überall als K u l t u r p f l a n z e v e r b r e i t e t wurde, h a t sich nirgends d a u e r n d eingebürgert, w ä h r e n d die j a v a n i s c h e Hirse, die vor der E i n f ü h r u n g des Reisbaus als K u l t u r p f l a n z e geh e g t w u r d e , als einheimisches Gewächs a n f ü r sie geeigneten S t ä t t e n a u c h wildwachsend zu f i n d e n ist.
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Die Tierwelt verrät ihre Herkunft aus der asiatischen und der australischen Region. Die Isolierung der einzelnen Inseln hat sie allerdings in zum Teil eigenartiger Weise sich entwickeln lassen. Die Säugetiere haben mehr asiatischen Charakter. Affen sind von Sumatra bis nach Celebes und Timor hin verbreitet. Der Waldmensch, Orang Utang, kommt nur noch auf Sumatra und Borneo vor, den Gibbon trifft man auf Sumatra und Java. Tiger, Elefant, Büffel und Nashorn sind allein in WestIndonesien verbreitet. Der mit gewaltigen Hauern bewehrte Hirscheber durchstreift die Wälder auf Celebes, Sulu und Buru. Dagegen ist der malaiische Bär in seinem Vorkommen auf Sumatra und Borneo beschränkt. Hirsche und Antilopen gesellen -sich hinzu. Die Hufe der angriffslustigen Bantang, der wilden Buckelrinder, donnern durch die Wälder Javas und Borneos, während der mächtige phlegmatische Wasserbüffel, der Karbau, die Sumpfgebiete bevorzugt. Sie erfüllen neben den leichteren Höckerochsen und Zebus die Berufspflichten unseres Rindes. Im Osten spürt man mehr den Einfluß der australischen Region. Charakteristisch sind für diese Gebiete die kleinen Beuteltiere, der zierliche opossumartige Baumbär. Vögel, Reptilien, Amphibien, Fische, Insekten usw. spiegeln in der gleichen Weise die Einflüsse der beiden Tierreiche wieder: Pfau, Argusfasan, Drongowürger, Nashornvogel im Westen, Kasuar, Kakadu, Kronentaube, Paradiesvogel auf den Molukken, Ceram und Ost-Celebes. In der Luft schwirren Mengen zierlicher Libellen, riesige Mückenvölker, die Peiniger der Tropen, große Schmetterlinge flattern über die Büsche, im Grase 11
verursachen musikliebende Grillen und Heuschrecken heillosen Lärm, im selben Grase, das die mächtige Pythonschlange und viele giftige N a t t e r n birgt. Eng ist das Verhältnis der braunen Menschen zur Tierwelt; seinen Niederschlag fand es in den unendlich vielen Tiergeschichten, unter denen das H i k a y a t Plandok Djinaka eine hervorragende Stellung einnimmt. Es ist der „Malaiische Reineke Fuchs". Der niedliche schlaue Zwerghirsch Plandok spielt darin die Hauptrolle. E r nimmt darin die gleiche Stellung ein wie unser Reineke Fuchs. Allen großen Herren spielt er Streiche, bis er selbst dem winzigen Einsiedlerkrebs unterliegt. B e v ö l k e r u n g . Es ist schwer, den Menschen Indonesiens gerecht zu werden, finden wir hier doch eine solche Reichhaltigkeit sich abwechselnder Typen, Verschiedenheiten im äußeren Aussehen, im Geistesleben, im Kulturzustand, daß es nahezu unmöglich erscheint, alle Völker und Völkchen zu beschreiben, ganz abgesehen von den Vertretern landfremder Völker aus Asien: Chinesen, Japaner, Inder, Araber, aus der Südsee: Papuas und aus Europa bzw. Amerika: Weiße. Wir werden uns begnügen müssen, die Vielheit der mehr oder minder als eingesessen zu betrachtenden Bewohner Indonesiens in vier bzw. fünf große ethnische Gruppen einzuordnen, die im Äußeren, geistig und zahlenmäßig einander recht unähnlich sind. Nicht allein Pflanzen und Tiere spiegeln den erdgeschichtlichen Werdegang Insulindes wieder, auch die Menschen; was die Südsee, was Australien in weit, weit zurückliegenden Zeiten bevölkerte, dürfte seinen Weg über Indonesien genommen haben, 12
dessen Westen den asiatischen Völkern näher steht als der Osten, dessen Bewohner den Australiern und dunkelfarbenen Bewohnern Neuguineas und der Südsee sich nähern. Indonesien ist die Heimat fossiler und lebender Anthropoiden (Pithecanthropus erectus, Orang Utang, Gibbon); andere Funde auf J a v a , diluviale Schädel eines durchaus australischen Typus legen es nahe, daß diese Insel vielleicht einmal von einer Bevölkerung besiedelt war, welche den heutigen Bewohnern Australiens nicht fernsteht. Vielleicht entstanden und entwickelten sich hier die ersten Menschen! Selten wohl trifft man wieder eine solche Völkervermischung an wie in Indonesien. Dieses Völkergemisch zu entwirren, ist eins der schwierigsten Probleme, das nur mit der Festigung unserer heute noch lückenhaften Kenntnisse von den Völkern Indonesiens und des benachbarten asiatischen Festlandes zu lösen ist. Als vier ethnische Hauptgruppen sind zu unterscheiden: 1. Als die älteste erkennbare Bevölkerung sind die dunkelfarbenen, kraushaarigen kurzköpfigen, kleinen, nahezu zwerghaften Negritos anzusehen, deren Resten wir auf den Andamanen, in den Semang auf Malakka, in den Mamanua und Aeta auf den Philippinen begegnen. 2. Primitive Menschen wie die Negritos sind auch die IndoAustronesier. Es sind ebenfalls kleine, doch hellbraune, langköpfige Menschen mit gekräuselten oder gewellten Haaren und glatten Nasen. Die Nias-, Engano-, Mentawei-Leute, die Kubu in SüdostSumatra, die Badui und Tenggeresen auf J a v a , die Ulu-Ajer-Dayaker auf Borneo und die Toala auf Celebes zählen zu ihnen. Hierher sind ebenfalls die 13
Mon-Khmer-Völker Hinterindiens, die NikobarenLeute und die Senoi der Malakka-Halbinsel zu rechnen. 3. Die Proto- oder Prä-Malaien sind hellbraune, j a gelbhäutige, kurzköpf ige, schlichthaarige Menschen, die an die Südmongolen erinnern. Dayaker auf Borneo, Toradja auf Celebes, Alfuren auf den Molukken, Bataker auf Sumatra sind deren Vertreter. Als eine Untergruppe sind vielleicht die Nord-Indonesier abzuspalten; z. B. die Tagbanua auf Palawan, Manobo auf Mindanao, Bontok auf Luzon. 4. Die Malaien. Ihr Hauptsitz scheint Sumatra zu sein; von hier aus unternahmen etliche Stämme weite Wanderungen und überschwemmten das nahegelegene Festland und den Archipel, wo sie sich namentlich in den Küstengebieten festsetzten und große Reiche gründeten. Die Bewohner von Java, von Bali, Buginesen, Makassaren, die Bisaya und Tagalog auf den Philippinen sind ihres Blutes. Diese Gliederung schließt den Hauptteil der Menschen Indonesiens ein, ohne sämtliche zu erfassen. Die Bewohner von Flores, Timor und den weiter östlich liegenden Inseln, die Austro-Indonesier erinnern durch die Beimengungen von Papuablut an die Melanesier der Südsee; die Tobu Tihu von Wetar ähneln z. T. den Papuas (mal. papuwa = kraushaarig) Neuguineas, z. T. den Australiern und besitzen nur geringe indonesische Blutbeimischungen, wie ebenfalls die Stämme der Aru- und KaiInseln. Zahllose Wanderungen, wo, da Rassen und Völkergruppen wechselten, nur das Wandern blieb, haben dies bunte Völkergemisch entstehen lassen. 14
Wir dürfen uns vorstellen, daß Südasien und Indonesien lange, lange Zeit von einer einheitlichen Bevölkerung bewohnt gewesen ist, die den Negritos — den „kleinen Negern", mit denen sie im übrigen gar nichts zu tun haben — nahestanden. In Vorderindien erschienen die Drawidas, aus Zentral-Asien und Hinterindien kamen die gelbhäutigen Malaien. Drawidas und Malaien vermischten sich mit den Indo-Austronesiern und Negritos und bildeten so die Völkerelemente, die wir heute im Archipel antreffen. Tibeter wanderten aus dem Nordwesten, Chinesen aus Central-Asien nach Südchina ab, Indogermanen kamen aus Nordwesten, Mongolen-TurkVölker zogen nach Süden und Südosten; immer wieder erfolgte aus Mittelasien ein neuer Druck, der sich zumal nach Südosten auswirkte, und so in Südostasien und in Indonesien das Yölkerdurcheinander zuwege brachte. Vorderindien, Hinterindien, China, Japan und die Inseln machen zusammen etwa 10% der bewohnten Erdoberfläche aus, doch wohnt nahezu die Hälfte der Gesamtmenschheit auf diesem Raum. Wenn Gebirge das Ausweichen verhinderten, flössen die Uberschüsse leichter nach Süden und Südosten, nach Indonesien und weiter in die Südsee ab; ist es dann ein Wunder, daß Indonesiens Menschen so stark durcheinander gewürfelt sind? Selten findet man einmal auf einem verhältnismäßig so engem Räume derartig viele Stufen der Kultur nebeneinander wie in Indonesien; von der niedrigsten der Negrito-Bevölkerung, der Sammler, Jäger, Fischer, der streifendenHorden, den z. T. seßhaft gewordenen und Hackbau betreibenden Indo-Austronesiern, den vorgeschritteneren Prä15
Malaien, und der durch indische, chinesische, islamische und christliche Einflüsse geförderten Kultur der Malaien. Vor allem ermöglichen die Philippinen ein ausgezeichnetes Studium der Entwicklung der menschlichen Zivilisation, das leider gerade hier noch nicht in Angriff genommen wurde. Eine Kulturschicht läßt sich nach der anderen von der nächstfolgenden ablösen, von der Hochkultur zum Urstande der Menschheit hinab. — Am nachhaltigsten hat der indische Einfluß gewirkt. Religiöse Vorstellungen (Brahmaismus, Buddhismus), Landbau (Einführung der Reiskultur, Bewässerung, Pflugbau), Fertigkeiten (Baumwollerzeugung, Trittwebstuhl, Bronzeguß, Bildhauerei, Steinbauten u. a.), Schrift (so der Bataker, Lampong-Malaien, Javanen, Buginesen, Tagalog, Mangyan u. a.) gehen auf Hindueinflüsse zurück, die sich seit um 400 n. Chr. im Archipel geltend machten; mit Ausnahme der Einführung des Seidenbaues, für den sich allerdings ob der großen Feuchtigkeit Insulindes nur wenige Gebiete eignen, gibt es keine ins Gewicht fallende Einrichtung, Wissenschaft, religiöse Vorstellung, die sich mit untrüglicher Gewißheit auf chinesische Einflüsse zurückführen ließe. Anders ist es um die Einwirkung der islamischen und besonders der westischen Kultur bestellt; mit Feuer und Schwert wurde im 14. Jahrhundert dem Islam im Archipel Eingang verschafft; die südwestlichen Philippinen und Ternate bilden seine östlichen Ausläufer. Malaien waren auch hier die Träger der neuen Kultur, nachdem sie zum Islam übergegangen waren, der ihnen die arabische Schrift brachte, der aber auch zugleich die durch den indischen Ein16
fluß, der am längsten angehalten hatte, geweckten und hoch entwickelten künstlerischen Fertigkeiten verkümmern ließ. Daß die Bildhauerkunst seitdem verschwand, die an den Bauwerken auf dem DjiengPlateau Javas (Borobudur, Prambanam) höchste Vervollkommnung erreichte, dürfte wohl die Wirkung des Islams sein, der ja alle bildlichen Darstellungen der menschlichen und tierischen Gestalt verbietet. Um das Jahr 1000 hat die Hindukultur in Indonesien, auf Java sich am stärksten ausgewirkt; dann erlosch sie rasch, um später noch einmal in Ost-Java eine zweite Blüte zu treiben, die vor dem Islam verdorrte. Auf Bali und Lombok wurde sie zu neuem Leben geweckt und hat sich bis heute dort ungeschwächt erhalten. Borobudur, das Kleinod asiatischer Baukunst, erhebt sich 30 m hoch auf einem 46 m hohen Hügel als Verkörperung der buddhistischen Glaubenslehre. Als die grüne Fahne des Propheten sich über ganz Java entfaltete, als das gelbe Bettlergewand des kahl geschorenen Buddhapriesters den turbanbedeckten Nachkommen Mohammeds weichen mußte, deckten die Gläubigen ihr Heiligtum mit allem, was in der Umgebung aufzubringen war, zu, um es vor den fanatischen moslemischen Bilderstürmern zu bewahren. Ein Zufall ließ 1835 einen Deutschen die Spitze der Hauptdagoba von Borobudur entdecken. In der Folge wurde das ganze Gebilde ausgegraben; und heute liegt die graue Masse des Bauwerks restauriert, renoviert, wie eine breite mächtige Festung vor uns. Auf einer Fläche, die viermal so groß wie die des Kölner Domes ist, erheben sich in regelmäßigen Abständen acht Terrassen, die Indonesien
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unteren fünf zwanzigeckig, die übrigen drei kreisrund. Die eckigen Terrassen sind mit 2000 Steinreliefs geschmückt, welche das Leben Buddhas verh e r r l i c h e n d e runden Terrassen sind mit 72 glockenförmigen, durchbrochenen Stupas geziert und bergen jede ein Buddhabildnis. Als Krönung des Ganzen erhebt sich in der Mitte die vollkommen geschlossene Hauptdagoba, ein 4 m hohes Buddhabildnis einschließend. Nicht weit von Borobudur entfernt liegt das stolze gopuraähnliche brahminische Bauwerk Prambanam. Von Reis- und Zuckerfeldern umgeben, erheben sich die Ruinen von acht großen pyramidenförmigen Tempeln, die Grabstätten der Herrscher des alten Kaiserreiches Madjapahit. Sie waren ursprünglich von drei Mauern umgeben; zwischen der zweiten und dritten Mauer finden sich die Uberreste von 157 Tempelchen. Brahma, Wischnu, Schiva werden hier verherrlicht; die naivlustigen Steinfriese der Haupttempel stellen das brahminische Götterleben und das indische Epos Ramayama dar, die Geschichte des Affen Hanuman und des bösen Wali. Beide Anlagen sind etwa 1100 Jahre alt. Borobudur mag etwas älter als Prambanam sein. Borobudur war die Kultstätte, Prambanam die Totenstadt der Fürsten und Großen des buddhistischen Reiches. Die Darstellung der Hindugottheiten ist nichts Unerhörtes, wenn man bedenkt, daß diese alten Götter bei den Buddhisten des nördlichen Indiens, von denen Buddhas Lehre nach J a v a gebracht wurde, als Vorläufer Buddhas göttliche Verehrung genossen. Als die Europäer in Indonesien erschienen, sahen sie ihre Notwendigkeiten und Ziele allein in der Ausnutzung der Ein18
geborenen wie sie ihren egoistischen Interessen entsprachen; nur das Christentum trat als neues Kulturelement auf. Erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, als ein neues Agens in die wirtschaftliche Entwicklung des Archipels eingriff, mit dem Kapital das europäische Unternehmertum einzog, bequemte man sich, auch wieder allein aus egoistischen Gründen, die Eingeborenen zu heben und zu fördern. Europäische Kultur wurde ihnen in Schulen und höheren Lehranstalten gebracht, die Eingeborenen in die Industrialisierung ihres Heimatlandes eingespannt und damit dem europäischen Maschinenzeitalter mit seinen Licht- und Schattenseiten Eingang in Indonesien verschafft. Eine ausführliche Schilderung der vielen indonesischen Völkerschaften verbietet sich hier. Eine Skizze des ältesten Volkes, der Negritos, und des um die Kulturentwicklung bedeutsamsten Volkes, der Malaien, mag für alle sprechen. Ein kurzer Abriß über die religiösen Vorstellungen und gesellschaftlichen Verhältnisse wird das bunte Durcheinander Indonesiens zum anderen widerspiegeln. Die Negritos vertreten die altertümlichste Rasse des Archipels, den sie vor langen Zeiten vielleicht ganz besiedelt hatten, bis andere Völkerschaften über sie hinfluteten, sie zurückdrängten, bzw. in sich aufgehen ließen, neue Völkerschaften bildend. Verhältnismäßig rein haben sie sich auf den abgelegenen A n d a m a n e n , als S e m a n g auf der Malakka-Halbinsel und in einer Zahl von 30—40000 Individuen auf den Philippinen erhalten; kleine Reste scheinen auch auf Java, Borneo und auf Neuguinea vorhanden zu sein. Ob sie mit den Negrillos, den Pygmäen Zentral-Afrikas 2*
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in Beziehung stehen, ist heute eine noch offene Frage. Manches spricht dafür, vieles dagegen. Der Negrito ist schwarz wie der afrikanische Neger und besitzt dickes, wolliges Haar auf seinem Rundkopfe. Die Nase ist breit, die Lippen sind aufgeworfen. Es sind kleine Menschen, die fast stets unter 1% m Körpergröße bleiben. Nur die Andamanenleute haben in ihrer Absonderung ihre ursprüngliche Sprache bewahrt, die sich bislang allerdings in keine der bis heute bekannt gewordenen menschlichen Sprachen eingliedern läßt; die Semang und die Pbilippinennegritos haben völlig die Sprachen der Nachbarvölker übernommen, wie sie denn auch ihre Eigenkultur — wieder mit Ausnahme der Andamanenleute — nahezu völlig einbüßten. Jedenfalls fällt es heute schwer, Gegenstände der materiellen Kultur als negritoeigen anzusprechen. Es sind Jäger, Sammler und Fischervölker, deren ungestörte Kultur auf den Andamanen wohl am besten ihre Ursprünglichkeit zeigt, während sie bei den vom Meere abgedrängten Semang und Pbilippinennegritos z. B. Mamanua, Batak usw. in ihrer Gesamtheit mit dem Tagalognamen: A é t a gekennzeichnet sind, von der angestammten Kultur vieles einbüßten und das meiste von ihren fremdstämmigen Nachbarvölkern annahmen. In kleinen Familienverbänden ziehen sie unstet innerhalb bestimmt begrenzter Gebiete umher; nur wenige sind seßhaft geworden und damit zum Feldbau übergegangen. Stein- und Muschelwerkzeuge spielen eine untergeordnete Rolle; Holz und Bambus kennzeichnet ihre materielle Kultur; Bogen und Grabstock ihre Wirtschaftsstufe. Klei20
dung und Schmuck sind mit Ausnahme der Andamanenleute spärlich; Windschirm und Höhlen sind ihre ursprünglichen Unterkunftsstätten, doch hat die Eigenkultur der Andamanenleute bereits zu dem Bau von Oval- und Kugeldachhütten größeren Ausmaßes geführt; bei den Philippinennegritos ahmt man die Wohngelegenheiten der Nachbarvölker nach, ohne diese Vorbilder weiter zu entwickeln. In ihren gesellschaftlichen Zuständen, über welche nur wenig bekannt geworden ist, scheinen sie sich an die Einrichtungen der A-Melanesier anzulehnen, das gilt auch von ihren religiösen Verhältnissen (vgl. Einführung in die Abt. Südsee). Ein völkerspsychologisch interessantes, aber noch wenig untersuchtes Problem ist die Aufhellung der Gründe und Ursachen, weshalb die kulturelle Entwicklungskapazität der Negritos, die auf den Andamanen in gerader Linie aufwärts, der Umwelt Rechnung tragend, führt, bei den Semang und Philippinennegritos zum Stillstand kam, trotz der Nachbarschaft höher zivilisierter Völker, mit denen sie nur in einer Sozialsymbiose leben. Die M a l a i e n gehören der großen mongolischen Völkerfamilie an. Woher sie kamen, steht heute noch nicht fest, ebensowenig der Zeitpunkt ihrer Einwanderung. Orang melayu „Schwärmer, Auswanderer" nennen sie sich. Auf dem Seewege, als koloniale Siedler, zogen sie in den Archipel ein, der nach ihnen seinen Namen trägt. Sumatra gilt als der Vorort. An der Ostküste sind sie gelandet und weit ins Innere eingedrungen. Von hier aus unternahmen sie späterhin ihre Fahrten, die über den ganzen Archipel und darüber hinaus führten, als 21
koloniale Eroberer, friedlich als Kaufleute oder als schreckengebietende Krieger. Unter allen Rassen der älteren Geschichte haben die Malaien es zur weitesten Verbreitung gebracht. Ein typisches Küsten- und Seevolk entwickelte es mit einer ausgezeichneten Schiffbaukunst, einer vorzüglichen Nautik, die beide sie zu ihren weiten Fahrten befähigten. Nordwärts gerichtete Fahrten führten sie über die Philippinen nach Formosa, Südchina und über die Riukiu-Inseln nach Südjapan. Dem japanischen Volke ist ein beträchtlicher Zuschuß malaiischen Blutes geworden. Eine andere Wanderung führte nach Osten in die Südsee, die unter malaiischen Einflüssen besiedelt wurde; nordwärts sind die Wanderfahrten bis an die Nordwestküste Nordamerikas zu verfolgen, wie F r i e d e r i c i kürzlich bewies. Auf den westwärts gerichteten Fahrten wurden Ceylon und Indien erreicht, weiter Afrika; an der Ostküste Afrikas ist der malaiische Einfluß nicht mehr erweisbar, um so mehr aber auf Madagaskar, wo im Herrenvolk der Howa das Malaientum sich am reinsten gegen die Bantuneger erhalten hat. Von Madagaskar bis zur Osterinsel der Südsee herrscht mit vielen Dialekten eine Sprache, die malaiische. E s sind mittelgroße Menschen mit wohlgestalteten Körperformen, zierlichen Händen und Füßen, gelblich-brauner Hautfarbe und straffen schwarzen Haaren; Regelmäßigkeit zeichnet ihre Gesichtszüge a u s ; die Nase ist fein und gerade, wenn auch die abgeplatteten Stumpfnäschen nicht fehlen, die Lippen sind nicht aufgeworfen, die etwas hervorstehenden Backenknochen, die gelegentlich auftretende Mongolenfalte, hinter der große dunkle 22
Augen hervorblitzen, verraten die mongolische Verwandtschaft. Geistig sind sie rege und anpassungsfähig. Klangvoll und weich tönt ihre Sprache, die sich in zahllose Mundarten auflöst, von denen die der Minangkabau auf Sumatra die reinste sein soll. Eine nicht unbedeutende Literatur ist in ihr niedergeschrieben: Geschichte, Philosophie und Volkspoesie. In ihren Sagen und Märchen wird ihre Denkweise offenkundig, ihre Gemütsverfassung, ihre guten Seiten: Liebe, Mitleid, Freundschaft, Hingabe; ihre Schattenseiten: Haß, Eifersucht, Tücke, Grausamkeit. Lebendig ist der Natursinn. Rein phantastischen, mythischen Gestalten steht man fremd gegenüber. Wo man ihnen begegnet, sind sie ein Kennzeichen für fremde, übernommene Einflüsse, meist indischer Herkunft. Überwiegend sind sie Anhänger des Islams und Träger desselben, wenn auch die weniger Kultivierten noch immer daneben dem alten Ahnen- und Geisterglauben anhängen. Die Tracht besteht zur Hauptsache aus dem Sarong, der lang auf die Füße herabfallend getragen wird. Aus Baumwolle oder Seide (von China eingeführt) wird er in den prächtigsten Mustern, gelegentlich in schwierigster Technik wie beim Ikat (Teilfärbung der einzelnen Webfäden, die nachmals zu Mustern geordnet werden) gewebt oder das fertige Gewebe fein gebatikt (Färb- und Abdruckverfahren am Stoff mit Wachs). Im Gürtel, der über den Hüften den Kleiderrock, den Sarong, zusammenhält, steckt der Kris, das Kurzschwert. Der Oberkörper wird von einer Armeljacke bedeckt, die hinten kaum bis zum Kreuz hinabreicht, vorn aber in zwei spitze Zipfel ausläuft, die auf die Knie 23
herabhängen. Das Kopftuch, wenn nicht ein Turban, wird so gebunden, daß die Stirn in der Mitte hochhinauf freibleibt. Die Frauen tragen den Sarong fest um die Taille geschlungen, ferner ein Busentuch, das etwa nach Art eines schottischen Plaids geknüpft wird und darüber ein Jäckchen. Die ärmeren Malaien, die Kulis, sind oft nur mit einem Lendentuch bekleidet, während die Kinder zumeist unbekleidet umherlaufen. Der Gesamteindruck, den man vom Malaien empfängt, ist ein recht günstiger. Zwei Eigenschaften geben zu diesem Urteil Veranlassung: die wohltuende Reinlichkeit der Menschen, dann ihrer Behausungen, sowie ihre respektvolle und zugleich freundliche Art, den Fremden und einander zu begegnen. — Fleiß zeichnet sie aus und große Genügsamkeit, überwiegend sind es Bauern, an den Küsten vortreffliche Seeleute und allenthalben gewiegte Kaufleute. Reis, Kaffee, Tabak, Tee, Zuckerrohr, Kakao, Chininbäume, Kapok, Damarharz u. a. wird von ihnen auf eigenen Pflanzungen gebaut oder eingesammelt. Sie sind willige Pflanzungsarbeiter der europäischen Unternehmungen und fortgebildet, zuverlässige Beamte. Kokospalmen, Bananen liefern seit alters her mit Reis die Hauptbestandteile der täglichen Ernährung; der Wasserbüffel ist ihr wichtigstes Haus- und Zugtier. Aus der mit schlanken Kokospalmen und breitblätterigen Bananenstauden bestandenen Landschaft lugen hier und da die Bambushütten des malaiischen Dorfes, des Kampong, hervor. Schon aus weiter Ferne sind sie in der Regel an den 30—50 Fuß hohen Bambusbüschen zu erkennen, welche gleich riesigen Ge24
treidegarben fast jedes Dorf im Kreise umschließen. Die zahlreichen Gruppen solcher Bäume, die von hochgelegenen P u n k t e n wie dunkelgrüne Inseln aus den hellen terrassierten Reisfeldern oder den langweiligen Zuckerrohrpflanzungen auftauchen, bezeichnen ebenso viele Dörfer. Wie der Reis das Hauptnahrungsmittel, liefert der Bambus das wesentliche Arbeitsmaterial. Die Pfahlbauhütten sind, von den bunten Plankenhäusern oder den Steinpalästen der Vornehmen abgesehen, nahezu ganz aus Bambus gebaut; nur das Dach ist mit Palmenblättern gedeckt; seinen scharfkantigen First zieren gekreuzte Bambusstangen. Betelgenuß (sirih) ist seit altersher in Indonesien heimisch und h a t noch nirgends dem Tabak das Feld geräumt. Auf hoher Stufe steht das Kunsthandwerk, namentlich dort, wo europäische Wären nicht den Markt überschwemmen. Malerei, Holzschnitzerei; Waffenschmiedekunst, Bronze- u n d Kupferarbeiten, Juwelierkönnen, nicht zuletzt die in den Händen der Frauen liegende Textilkunst, Flechterei und Weberei, haben wundervolle Leistungen aufzuzeigen. Nach außen herrschen f ü r die Eingeborenen noch ihre angestammten Fürsten, wenn sie schon nur Beamte der niederländischen bzw. britischen Verwaltung sind und dafür bezahlt werden. Der Kampong ist die kleinste politische Einheit. Die ehemals so starken Staaten der Malaien auf Sumat r a , J a v a , Bali, Borneo u. a. haben ihre politische Bedeutung eingebüßt. Als „ S u l t a n a t e " h a t m a n einen großen Teil von ihnen bestehen lassen und läßt sie von dem „älteren Bruder", einem dem Fürsten beigegebenen europäischen Beamten beherrschen. 25
Die religiösen Vorstellungen der Indonesier wurzeln tief im Animismus. Die GottesvorStellung spielt keine nennenswerte Rolle. Hier wiederholt sich dasselbe Schauspiel wie z. B. bei den Zulus Afrikas, die von ihrem Hauptgott Unkulunkulu aussagen, er wohne zu hoch, um ihre Bitten und Wünsche hören zu können, deshalb wenden sie sich mit ihren Anliegen an andere, ihnen näherstehende Gottheiten. Begreiflicherweise kann daher auch von einem Kulte der Hauptgottheit keine Rede sein. Wohl verehrt man Götter, aber weder in Tempeln noch an heiligen Stätten. Man sieht wohl an öffentlichen Plätzen Gebäude, die wie Tempel aussehen; diese dienen aber meist der Ahnenverehrung. Man betet auch nie zu den Göttern allein, sondern ruft sie nur in Verbindung mit den Ahnen und den Geistern an, und zwar meistens an zweiter oder letzter Stelle. Im Kult nehmen allerdings menschliche Medien, die in eine Art Verzückung geraten, eine hervorragende Stellung ein; sie verkünden nie den Willen der Gottheiten, sondern sind allein Vermittler im Verkehr zwischen Verstorbenen und deren Nachkommen. Auch der Zauberer, der selten zu fehlen pflegt, hat mit einem eigentlichen Gottesdienst nichts zu tun; er pflegt die Beziehungen zu den Naturgeistern und Ahnenseelen und macht sich diese Beziehungen für seine gute oder böse Magie nutzbar. Trotzdem zeigen sich, wenn auch nur kümmerliche, versprengte Bruchstücke eines hohen religiösen Bewußtseins; es gibt sprichwörtliche Ausdrücke wie: von Gott hängt alles ab, Gott ist gnädig usw.; nur üben die Vorstellungen keinen irgendwie nennenswerten praktischen Einfluß aus. 26
Dagegen begegnet man auf Schritt und Tritt der Furcht vor einer Schädigung durch böse Dämonen und Geister, deren Huld es zu erkaufen gilt. Dazu bedarf es der Hilfe des Priesters, der deshalb einen maßgebenden Einfluß besitzt. Das für Naturvölker so entscheidende soziale Moment ist ebenfalls von weitreichender Bedeutung. Mächtige Häuptlinge, denen gleichsam eine gesteigerte seelische Kraft innewohnt, werden besonders verehrt, so daß dadurch ihre ohnehin fast souveräne Willkür nicht wenig gesteigert wird. Eine zentrale Stellung nimmt die Ahnenverehrung ein, bei der abermals mehr Furcht im Spiel ist als Pietät. E s ist außerordentlich wichtig, eine zahlreiche Nachkommenschaft zu hinterlassen; Kinderlose nehmen vielfach denselben Rang ein wie Sklaven; Krankheiten, Mißwuchs, anderweitiges Unglück entsteht lediglich infolge Vernachlässigung der Vorfahren, die sich auf diese Weise rächen. Solange eine Familie sich fortpflanzt, ist sie unsterblich, stirbt eine Familie aus, dann verfallen auch deren Ahnen der Auflösung. Tote und Lebende bilden eine Familie; zählt diese keine Glieder mehr auf Erden, dann verlieren die Verstorbenen ihre Existenzbedingungen; sie verlöschen wie ein Licht; männliche Nachkommenschaft ist daher von allergrößter Wichtigkeit. Mit der Ahnenverehrung steht auch die Kopfjägerei, zumal Borneos und der Molukken im engsten Zusammenhang. Glaubt doch der Eingeborene, daß jeder, den er tötet, zum Sklaven seines Besiegers im Jenseits, die Seele des Erschlagenen zum Schutzgeist und Helfer des „Mörders" und seines Dorfes wird. 27
Obwohl die Großreligionen, Brahmaismus, Buddhismus, Islam und Christentum eine große Ausbreitung in Indonesien gewonnen haben, bekennen sich ihre Anhänger doch nur rein äußerlich zu diesem Glauben; im Grunde haben doch die alten animistischen Vorstellungen die Oberhand behalten und leben in den neuen Religionen fort. Die wichtigsten der animistischen Glaubensformen bestehen teils im hinduistischen, teils mohammedanischen Gewände, als Beispiele mögen die sieben Opfermahlzeiten bei Ackerbau, Geburt, Heirat, Tod usw., die nur infolge der Gebete eines mohammedanischen Geistlichen an hinduistische oder mohammedanische Heilige und Gottheiten gerichtet, für die Teilnehmer als mohammedanische Zeremonien gelten. Trotz der rituellen mohammedanischen Gebete verehrt der Javane die unsichtbaren Geister der Luft, der Berge, der Wälder und Gewässer, die Geister der Abgestorbenen und besitzt ein großes Vertrauen zu Vorzeichen, Glück und Unglück bringenden Tagen und Zauberei. Stätten, die als Wohnsitze der Geister angesehen werden, z. B . die gewaltigen Waringi (BanianenBäume), sind langka, pemali d. i. verboten (vgl. Tabu in der Südsee); hier hält man Opfermahle, verbrennt Weihrauch, trägt man Amulette. Daneben opfert man den Vorfahren und verehrten Persönlichkeiten in bestimmten Abständen. Von dem Glauben, daß Seelen Verstorbener zeitlich in den Leib bestimmter besonders veranlagter Personen einkehren können und sich mittels dieser offenbaren, findet man bei den Javanen noch Spuren. Mittels ngelmu (vgl. mana in der Südsee)
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versteht man die Geister zu beschwören und zu Werkzeugen eigener Wünsche und Begierden zu machen. Selten findet man so grundverschiedene, oft entgegengesetzte Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens wie gerade in Indonesien. So begegnen wir auf Sumatra dem Stamme der Kubus, die in recht primitiven gesellschaftlichen Organisationen zusammenleben oder dem Sammler- und Jägervolke der Punans in Zentral-Borneo; beide hier herausgegriffenen Stämme leben in unmittelbarer Nachbarschaft von Völkerschaften, die dem Landbau obliegen, obschon in einer Form, die fast einem Raubbau nahekommt, denn sie bebauen eine Zeitlang den gerodeten Busch, um nach Verarmung des Bodens an anderer Stelle neue Stücke zu roden und anzubauen. Andererseits gibt es dann wieder in dem Gebiete wie z. B. Sumatra, Java, Bali, Völker, deren Landbau technisch weit fortgeschritten ist und dann allemal mit einer hoch entwickelten gesellschaftlichen Organisation verbunden ist. Sieht man sich die oben genannten Stämme an, so kann man eigentlich bei keinem von einem Wanderoder Nomadenstamme sprechen, alle sitzen mehr oder weniger fest auf ihrer Scholle. Doch findet sich bei diesen Stämmen eine Organisation, die nicht auf Grund eines gemeinsamen Zusammenlebens aufgebaut wurde, sondern sich auf eine gemeinsame Abkunft gründet. Die Besitzergreifung eines Landstückes oder größeren Gebietes geschieht hier nicht durch einzelne Personen, sondern stets durch Familiengruppen, die einzeln unter einem Familienoberhaupt als Führer stehen. Solche Familien29
gruppen sind gemeint, wenn man in Indonesien schlechthin von Stämmen spricht. Sie haben die verschiedenste Größe. Die Stämme tun sich meist zu Verbänden zusammen und schaffen sich für ihren Verkehr untereinander ihre besonderen Richtlinien und Gesetze. Ausschlaggebend sind die Heiratssysteme. Da unterscheidet man zwei. Wird die Frau aus demselben Stamme und dem gleichen Familienverband genommen, so spricht man von E n d o g a m i e , muß sie aber einem fremden, einem anderen Stamm oder Sippe angehören, redet man von E x o g a m i e . I m Archipel findet sich überwiegend Exogamie; Endogamie ist vornehmlich bei den Dayakstämmen Borneos zuhause. Solch ein Stamm, die Bahau, besteht aus dem Familienoberhaupt mit seiner Familie, den pnjin, den Freien und den dipen, den Sklaven, den Kriegsgefangenen, Stammfremden, die als gemeinsames Eigentum des Stammes gelten, nicht verkauft werden dürfen und sämtliche Arbeiten zu leisten haben. Solch ein Dayakklan oder Stamm wohnt für gewöhnlich in einem sehr langen, auf hohen Pfählen errichteten Hause, das 600 bis 800 Menschen beherbergen kann. Selten haben die einzelnen Kleinfamilien ein Eigenhaus. Herrscht bei den Dayak das parentale Verwandtschaftssystem, wo Vater und Mutter derselben Sippe angehören, hat man in der Exogamie zwei Verwandtschaftssysteme zu sondern: folgt das Kind der väterlichen Familie, spricht man von P a t r i a r c h a t , folgt es der mütterlichen Linie, spricht man von M a t r i a r c h a t . Auf Sumatra begegnet man zwei Völkerstämmen, die einander unmittelbar benachbart sind und die 30
typischen Einrichtungen des Patriarchats bzw. Matriarchats besitzen. Die Bataker hegen das erste, die Malaien der Padang'schen Hochlande in Minangkabau das zweite. Das Volk der Bataker ist in mehrere gens (Klan mit "Vaterfolge) gegliedert, die marga oder merga, die wiederum in die marga namora-mora, Mitglieder der herrschenden Sippe, einschließlich des Oberhauptes, die marga bajobajo, die Mitglieder der übrigen Sippen und die marga der Fremden, Angehörige anderer Batakstämme oder Kriegsgefangene zerfallen. Die marga namoramora ist die marga der Alteingesessenen. Da die Jünglinge der beiden marga kein Mädchen aus der gleichen marga heiraten dürfen, heiraten beide marga untereinander, selten wird aus der marga der Fremden die Frau erworben. Die Frau wird gekauft, da ihre marga infolge der Heirat ein wirtschaftlich wichtiges Mitglied verliert. Sie scheidet damit aus ihrer marga aus und t r i t t in die des Mannes ein, wie auch die von ihr geborenen Kinder der väterlichen marga angehören. Nur die Söhne sind erbberechtigt, da die Töchter später durch Kauf aus der marga ausscheiden. Die Witwe wird vom Bruder des Verstorbenen geehelicht; eine kinderlose Witwe kann in die eigene marga zurückkehren, falls die frühere Kaufsumme zurückgezahlt wird. Bei dieser Einstellung der Bataker ist es nicht weiter verwunderlich, wenn die Frau keine hohe und geachtete Stellung einnimmt. Sie ist rechtlos; der Mann kann über sie verfügen; alle Arbeiten ruhen auf ihr; nur die schwersten Landbauarbeiten nimmt der Mann ihr ab. Ein Sprichtwort sagt: Wohl dem Manne, der heiratet; er ist geborgen! 31
mit dem Sinn, er hat jemanden, der bis an sein Lebensende für ihn sorgen kann. Umgekehrt liegen die Verhältnisse bei dem Nachbarvolke der Minangkabau-Malaien. Die politische Organisation ist hier auf das Engste mit den ehegesetzlichen Einrichtungen verbunden, die der Frau eine hohe Stellung sicherte: dem Matriarchat in Verbindung mit der Exogamie. Der Dorfsprengel wird mit dem einheimischen Namen nagari bezeichnet; er umfaßt nicht allein das Hauptdorf, kota, den Mittelpunkt der Siedlung, sondern dazu sämtliche Liegenschaften, bearbeitetes und ungerodetes Land, kleine Siedelungen usw. In dem Hauptdorf fällt die eigenartige Form und Bauweise der Häuser auf; einmal die abwegige Form eines Satteldaches, das in 2, 4, 6 Hörner ausläuft, dann das zur Breite des Hauses übertriebene Längenverhältnis; es wird durch die Anzahl der Familien bedingt, welche 70—80 Menschen stark, wie bei den Batakern, ein solches Haus bewohnen. Die Insassen eines solchen Hauses betrachten sich als eine Familie. Sie leiten mütterlicherseits ihre Herkunft von einer gemeinsamen Stammutter ab. Die engere Familie besteht aus der Mutter und ihren Kindern; rechtlich hat der Vater gar keinen Anteil daran. Eine Frau tritt bei ihrer Heirat nicht aus ihrer Sippe, suku, sie verläßt nach der Heirat nicht einmal das mütterliche Haus; mit ihrer wachsenden Familie wird ihr ein Teil des mütterlichen Hauses eingeräumt, oft in Form eines neuen Ausbaus. Da die Väter nicht zur suku ihrer Frau gehören, auch nicht in dieselbe eintreten können, so wohnen sie nicht im Hause ihrer Frau, sondern leben in den Häusern 32
der suku's, denen sie entstammen. Es gibt daher bei den Minangkabau-Malaien keine festgesetzte Ehegemeinschaft aller Güter, besonders nicht des Hauses und der Wohnung. Jede suku ist gegliedert. Die Gemeinschaft der einzelnen Mutter mit ihren Kindern ist die Kleinfamilie, samandai, deren mehrere blutsverwandte Mütter sich zu einer Großfamilie, djurai, zusammenschließen, an deren Spitze als Familienoberhaupt der Bruder oder Oheim der Familienmutter als m a m a k t r i t t ; er ü b t die Befehlsgewalt im Hause über die Hausgemeinschaft aus, weist jedem seine Arbeit zu, verteilt die Ernteanteile, verwaltet den Familienbesitz, das k a r t a pusaka. Diese Unterfamilien schließen sich zu den Geschlechtern zusammen, d e n s a b u w a h paroei (ein Leib barg alle), an deren Spitze das älteste männliche Mitglied der unmittelbar von der Stammm u t t e r in gerader Linie abgeleiteten Familie als p u t j u k (höchste Spitze des Bambustriebes) der Führer der Sippe ist. Zum mindesten 4 Sippen suku, bilden eine nagari. Bei den vier Oberhäuptern der vier vornehmsten suku r u h t die Herrschgewalt in dem malaiischen Dorfstaat. Bevor ein Gesetz in dem Dorfstaate rechtskräftig wird, muß eine Beratung, mupakat, stattfinden, in denen Einstimmigkeit, sapakat, erzielt werden m u ß ; die vier p u t j u k haben sich dabei mit sämtlichen m a m a k zu beraten; bei diesen ruht die Exekution der gemeinsam beratenen Beschlüsse. I n der gleichen "Weise werden die Angelegenheiten geordnet, die nur eine suku oder djurai angehen. Für diese Versammlungen steht den Beteiligten in jedem Dorfe ein besonders prächtiges Gebäude, das balai, zur Verfügung. Diese Indonesien
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politische und soziale Organisation, die sich auf der Stammesverwandtschaft gründet, hat auf J a v a und Madura einer Organisation Platz gemacht, die sich auf einer Gemeinschaft als Rechtsgemeinschaft adat, an gemeinsamen Grund und Boden aufbaut ; der Begriff der Stammesverwandtschaft ist in der Auffassung und dem Zusammenschluß einer territorialen Gemeinschaft untergegangen. Was diese, der Dorfverband, die desa, bedeutet, liegt darin ausgedrückt, wie er sich verwaltet: das Dorfoberhaupt wird in öffentlicher Wahl von allen Wahlberechtigten g e w ä h l t . Stimmenmehrheit entscheidet. Er hat für die Einrichtung, die Geldmittel, das Eigentum, die Liegenschaften und Besitzungen der Gemeinde Sorge zu tragen und diese nach außen hin zu vertreten. Etliche Männer sind dem Desahaupt beigegeben als Hilfsbeamte. Die desa selbst fühlt sich als eine große Familie. Das Aussäen der Reiskörner auf die Felder, das Pflügen der Felder, die Ernten, Hausbau, Hochzeit, gottesdienstliche Feiern usw. werden gemeinsam von der Gemeinde begangen; einer hilft dem anderen, des einen Freude ist des anderen Freude, des einen Leid des anderen Leid. Wo Malaien oder Hindu als Eroberer siedelten, bildeten sich vielfach absolutistische Reiche heraus, die z. T. heute noch als sogenannte „Sultanate" ein Schattendasein führen.
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Malaiische Volksdichtung. Pantuns. Pantuns sind malaiische Volkslieder. Keinem Geringeren als C h a m i s s o danken wir die erste deutsche Abhandlung über diese Vierzeiler, von denen die erste und dritte, zweite und vierte sich reimen; in denen die beiden ersten Zeilen das Bild zeichnen, das der Empfindung gerecht wird, die der Dichter in den beiden letzten Zeilen ausdrücken möchte. Einige Tausend Pantuns sind bekannt und leben unter den Eingeborenen fort, die unermüdlich neue hinzu dichten. Als hauptsächlicher Inhalt beschäftigt sie das Thema: die Liebe. Kinderlied. Ich bin noch nicht geschickt im Springen, Doch spring' ich, was ich springen kann; Ich bin noch nicht geschickt im Singen, Doch sing' ich, was ich singen kann.
Sag, Vom Sag' Vom 3*
Woher die Liebe kommt. woher mag die grüne Taube kommen? Feld fliegt sie hinab zum reifen Reis. an, woher mag wohl die Liebe kommen? Auge sie ins Herz zu dringen weiß.
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Der Der Das Und
Verlorene Liebe. Fluß, der schon so tief, steigt Regen oberhalb läßt noch nicht Herz, das schon verliebt, liebt ist noch von der früheren Liebe
immer mehr; nach. immer mehr, schwach.
Liebe und Armut. Ich hab' den Fisch am Feuer nur geröstet, Gern schmort' ich ihn, jedoch der Safran fehlt. Ich darf nur nach der Leute Töchter blicken, Gern werd' ich um sie frei'n, doch fehlt das Geld. Liebe macht blind. Ein junger Affe sitzt im schatt'gen Baume Und steigt zum Bade in den Sumpf hinein. Gräßlich und häßlich scheint sie andern Menschen, In meinen Augen ist sie hold und fein. Aufrichtigkeit. Hell scheint der Mond, hell glänzt er überm Sumpf; Die junge Krähe fällt ins Reisfeld ein. — Wenn du an meinen Worten zweifelst, Schatz, Spalt mir die Brust, sieh mir ins Herz hinein! Vorsicht. Seidene Stoffe, brokatene Stoffe, Kannst du wohl weben, doch kein Papier, Heimlich verstohlen ist unsere Liebe, Lächle drum nicht, begegnest du mir. Behutsam Damit sie Behutsam E s darf j a
grab mir die Schlingpflanze aus, nicht welkt an den Schüssen. sei unsere Liebe und schlau, die Mutter nichts wissen! 36
Für die Lampe genügt schon ein Tröpfchen ö l , Komm, t u ihn nur gleich in das Glas. O ruf mich nicht laut und erzähl' nichts davon, Ich stürbe, erführe m a n was. Der Liebe Mut — Aus Baumwollfäden wird das Zeug gewebt, Von allen Farben wird das Muster strotzen. — Das Schiff aus Wachs, die Segel aus Papier, So wag' ieh es, dem Feuermeer zu trotzen. — und Schiffbruch. Die meisten haben besten Reis geerntet, Doch ich allein h a b ' schlechten nur geschnitten. Die meisten leiden Schiffbruch auf dem Meere, Schiffbruch im Herzen habe ich gelitten. Mein Messer hab' im Walde ich verloren, Für's Taubenbauer war's mein Schnitzgerät. Schiffbruch auf See: m a n k a n n zur Not noch schöpfen, Schiffbruch im Herzen: und die Welt vergeht! Ein kleiner Streit. Ist die Nadel dir zerbrochen, Heb sie nicht im Kasten auf. Ward ein falsches Wort gesprochen, Heb' es nicht im Herzen auf! Der Philosoph. Was nützt's daß tausend Matten ich verwende, Der Wind den Regen doch hindurch noch treibt. Was nützt es, daß ich Tausende verschwende, Ich h a b ' auch Sorgen, bleib' ich unbeweibt! (Nach H a n s O v e r b e c k ) 37
Die
Schöpfungsgeschichte
der
Wie die N a t u r g l ä u b i g e n sie
Javaner. erzählen.
Als R i d j a l u '1 G h a h i b den H i m m e l , Sonne, Mond u n d die E r d e erschaffen h a t t e , beschloß er, nachd e m er in g e r a u m e r Zeit alle V o r b e r e i t u n g e n get r o f f e n h a t t e , a u c h f ü r Lebewesen auf der E r d e zu sorgen; so wollte er d e n n Menschen schaffen. E r n a h m ein wenig L e h m u n d k n e t e t e d a r a u s eine menschliche Gestalt. D a r a u f rief er einen der v o n i h m erschaffenen Geister, u m der Gestalt L e b e n zu geben, u n d setzte i h n in das H a u p t des Wesens. Die L e h m f o r m w a r jedenfalls zu schwer, d e n n der Geist k o n n t e sie nicht t r a g e n ; sie fiel hin u n d zers c h m e t t e r t e auf d e m B o d e n in t a u s e n d S t ü c k e ; u n d d a die F o r m d u r c h den Geist bereits beseelt gewesen w a r , so b e s a ß j e d e Scherbe Leben. Sie verb r e i t e t e n sich ü b e r die E r d e u n d w u r d e n zu den scheusäligen bösen Geistern, denen die Menschen h e r n a c h den N a m e n Teufel gaben. D e r Schöpfer b e d a c h t e sich u n d m e r k t e , d a ß er d e m v o n i h m gebildeten W e s e n keine L e b e n s k r a f t gegeben h a t t e , die doch nötig w a r , d a m i t es als ordentlicher Mensch wirken k o n n t e ; u n d so f o r m t e er ein neues Gebilde aus L e h m , das w a r besser als das e r s t e ; er gab i h m das A n s e h e n eines Mannes u n d die K r a f t der Dreieinigkeit, n ä m l i c h : das l e l e m b u t a n u n d das a d j i , d. i. das L e b e n u n d das G e m ü t ; die j u n i u n d die p e r w a t e k , d. i. den Willen u n d d e n C h a r a k t e r ; den s u k m a u n d den jiwa, d. i. den Geist u n d die Seele. Als er d e m W e s e n diese E i g e n s c h a f t e n verliehen h a t t e , w u r d e es lebendig, u n d der Mensch w a r erschaffen.
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Der Schöpfer verfiel n u n wieder in N a c h d e n k e n u n d m e i n t e : „ S o h a b e ich also den M a n n erschaffen, doch v e r m a g er allein nicht die E r d e zu bevölkern. I c h will i h m also eine D j o d o , eine Gemahlin geben, d a m i t er sich ihres Besitzes e r f r e u t . " U n d als n u n der Schöpfer ein Gebilde schaffen wollte, das zur F r a u w e r d e n sollte, da m e r k t e er, d a ß all der Stoff bei der Bildung des ersten mißglückten Wesens a u f g e b r a u c h t w o r d e n war. Doch w u ß t e der Schöpfer sich n a c h ernstlichem Nachd e n k e n zu helfen u n d d e m Manne eine schöne G a t t i n zu erschaffen. E r n a h m die R u n d u n g des Mondes, das W i n d e n der Schlange, das U m a r m e n der Schlingpflanzen, das Z i t t e r n des Grases, die Schlankheit der Gerte, den D u f t der B l u m e n , die Leichtigkeit u n d Beweglichkeit der B l ä t t e r , den Blick des Rehs, die F r e u n d lichkeit u n d Fröhlichkeit des Sonnenstrahls, die Geschwindigkeit des Windes, die T r ä n e n der Wolken, die Z a r t h e i t der F l a u m f e d e r n , die Schreckhaftigkeit eines Vogels, die Süßigkeit des Honigs, die Eitelkeit des P f a u s , die Schlankheit der Schwalbe, die Schönheit des D e m a n t e n s u n d das Girren der Turtelt a u b e . Alle diese Eigenheiten m e n g t e er durcheinander u n d bildete d a r a u s ein weibliches Wesen, d e m er a u c h die v o r h i n schon g e n a n n t e n Eigens c h a f t e n verlieh. U n d als es L e b e n geworden, d a ü b e r t r a f es alle Schöpfungen a n A n m u t , Liebreiz u n d Schönheit. Der Schöpfer gab das W e s e n d e m Manne z u m Weibe, d a m i t n u n m e h r die E r d e bevölkert werde. N a c h einigen T a g e n k a m der M a n n zu R i d j a l u ' l G h a h i b u n d s a g t e : „ H e r r , die F r a u , die I h r m i r 39
gabt, vergiftet mir das Leben. Sie schwatzt, ohne aufzuhalten, sie nimmt meine ganze Zeit in Anspruch, sie klagt bei den geringsten Anlässen und ist alleweil krank". Da nahm der Schöpfer die Frau wieder zu sich, um den Gatten zu schlagen. Schon nach einer Woche kam der Mann wieder und sagte: „Herr, ich bin einsam, seither Ihr mir die Frau fortnahmt. Sie tanzte und sang bei mir. Ich muß immerfort daran denken, wie lieblich sie mich ansehen und liebkosen konnte, wie schön sie mit mir spielte und bei mir Schutz suchte". Da gab der Schöpfer ihm die Frau zurück. Kaum waren drei Tage vergangen, war der Mann wieder beim Schöpfer, um Klage zu führen. „Herr," sagte er, „ich verstehe es einfach nicht; und wenn ich darüber nachdenke, dann fühle ich, daß die Frau mir mehr Arger als Freude macht. Bitte, befreie mich von ihr." Aber der Schöpfer sprach zu ihm: „Tu nur dein Bestes. Damit du im Einverständnis mit deiner Frau lebst und du sie leiden kannst, soll sie dir gehorsam sein." Doch der Mann antwortete hoffnungslos: „Ich kann nicht mit ihr zusammenleben." „Kannst du denn ohne sie leben" ? fragte der Schöpfer. Da ließ der Mann bekümmert das Haupt auf die Brust sinken und sagte: „Weh' mir! Ich kann nicht mit ihr, aber auch nicht ohne sie leben".
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Keang-Njamo (Märchen aus Borneo). Es war einmal ein Stück Baumbast, KeangNjamo, wie es die Leute gern klopfen und zum Kleiden ihrer Blöße verwenden. Das h a t t e n sie auf ein Gestell, nahe dem Feuer, zum Trocknen hingelegt. Es lag dort lange, niemand achtete es, es wurde trocken, es wurde h a r t . Da dachte es so bei sich: „Eigentlich ist es doch arg, daß ich hier so müßig liegen m u ß u n d niemandem nützen kann. Arbeiten oder anderes k a n n ich nicht. Ich will zum lieben Gott gehen u n d ihn bitten, ob er nicht aus mir vielleicht einen Menschen machen kann, dann bin ich doch zu etwas nütze u n d k a n n arbeiten". Sogleich f ü h r t e Keang-Njamo sein Vorhaben aus u n d ging zum lieben Gott. Als der liebe Gott Keang-Njamo kommen sah, sagte er: „Nun, Keang-Njamo, warum kommst du hierher? Was möchtest d u ? " — „Ach", antwortete das Stückchen Baumbast, „ich muß immerfort nutzlos auf einem Gestell herumliegen, ich möchte gern ein Mensch sein, damit ich arbeiten k a n n " . — „Deine Bitte wird dir erfüllt", sagte der liebe Gott, „gehe heim!" — Und alsobald wurde aus KeangNjamo, dem Stückchen Baumbast, Keang-Njamo, der Mensch. Hocherfreut kehrte er nach Hause zurück, konnte arbeiten u n d sich nähren wie die anderen Menschen. Nach u n d nach merkte Keang-Njamo, daß die dauernde Sorge u m seinen Unterhalt und die Arbeit ihn doch rechtschaffen müde machten. So meinte er schließlich: „Auf die Dauer halte ich es mit der Arbeit doch nicht aus; ja, wenn ich reich wäre, dann würde ich wohl zufrieden sein. Ich 41
werde zum lieben Gott gehen." Sprach's, tat's und ging zum lieben Gott. „Nun was gibt es denn, Keang-Njamo ? Wo fehlt es ? " fragte der liebe Gott. „ A c h " , erwiderte Keang-Njamo, „ d u erfülltest mir meine Bitte und machtest mich zum Menschen. Doch nun muß ich arbeiten, das gefallt mir gar nicht mehr; ich kann es nicht länger aushalten und habe gar keine Lust mehr dazu." — „Was möchtest du denn ? " fragte der liebe Gott. „Ich möchte so reich sein, daß ich nicht mehr zu arbeiten brauchte, dann wäre ich zufrieden und glücklich". Der liebe Gott erfüllte ihm den Wunsch. Keang-Njamo wurde reich und immer reicher; er hatte Geld, Überfluß an den schönsten Sachen; viele Menschen standen in seinem Dienste, und viele Sklaven hörten auf seine Befehle. Das befriedigte ihn zunächst; allmählich jedoch regte sich wieder der Neid, und er begehrte neue Dinge. Sein Reichtum öffnete ihm alle Wege, er genoß Ehren, und die Menschen verehrten ihn; aber wie sein Ansehen wuchs, nahm auch sein Stolz zu, er begehrte nach höherem Ansehen und größerer Macht. Solche Gedanken und vielerlei Pläne ließen den KeangNjamo nicht zur Ruhe und zum Frieden kommen; sie scheuchten ihm den Schlaf von den Augen. Da meinte er, alles würde sich ändern und er erst wahrhaft glücklich sein, wenn er König würde; dann gäbe es niemand, dem er gehorchen müßte, und gäbe es niemand, den er zu beneiden hätte. Gedacht, getan. Er begab sich wieder zum lieben Gott, um ihm seine Wünsche vorzutragen. Der liebe Gott hörte seine Wünsche zum dritten Male geduldig an und erfüllte seine Bitte. E s dauerte 42
nicht lange, und Keang-Njamo wurde zum König gewählt. Nun war auch dieser Herzenswunsch in Erfüllung gegangen. E s wuchs sein Reichtum, seine Macht, seine Weisheit; sein Reich breitete sich weiter und weiter a u s ; überall stand er in hohem Ansehen und genoß vielerlei Ehren. Endlich schien er zufrieden und vollauf glücklich zu sein. Leider schien es nur so. Denn tief im Herzen saß ihm ein Stachel. Es gab noch ein Wesen, das höher und angesehener war als er, nämlich der liebe Gott. Den Gedanken konnte Keang-Njamo nicht vertreiben; er freute sich seines Glückes nicht mehr, und der Neid ließ ihm keine Ruhe bei Tag und bei Nacht. Lange sann er hin und her, was er wohl machen sollte; bis er sich schließlich wieder und zum vierten Male zum lieben Gott aufmachte. Der liebe Gott war ganz verwundert und fragte: „Warum kommst du nochmals, was fehlt dir n o c h ? " Darauf antwortete Keang-Njamo: „Sieh', zuerst war ich ein Stückchen Baumbast, dann machtest du mich zum Menschen, du machtest mich reich und machtest mich endlich zum König. Aber noch immer fehlt mir etwas; ich kann noch nicht zufrieden sein." — „Was fehlt dir d e n n ? " fragte der liebe Gott. „ J a " , meinte Keang-Njamo, „ich möchte doch werden so wie du, ich möchte der liebe Gott sein, dann wäre ich gleich zufrieden." Als der liebe Gott diese Worte hören mußte, ergrimmte er im Zorn. Er fluchte dem Keang-Njamo und sprach: „Ursprünglich warst du Baumbast, jetzt werde wieder Baumbast." 43
Keang-Njamo kehrte nach Hause zurück. H a r t u n d eingetrocknet, als Baumbast, lag er wieder auf dem Gestell, nahe dem Feuer, im Rauche. W i e B o r o - B u d u r e n t s t a n d (Sage aus Java). Als Buddha allein verehrt wurde, herrschte eben in dieser Djamanbudo, der buddhistischen Zeit, im mittleren Teile J a v a s ein mächtiger Fürst. Dewa Kasuma wurde er genannt und war der Sohn eines hohen Priesters. Einstmals h a t t e er einen Höfling schwer gekränkt. Der wußte vor Zorn nicht aus, nicht ein, und fast berstend vor W u t u n d Ingrimm sann er nur nach Mitteln, u m furchtbare Rache zu nehmen u n d den Beleidiger aufs empfindlichste zu treffen. N u n h a t t e Dewa Kusuma ein einziges Kind, ein Mägdlein. Schön und hold, war es des Vaters Augapfel, das Glück seines Lebens. Eines Tages war das Kind verschwunden. Uberall wurde es gesucht. Tausende von Dienern m u ß t e sich aufmachen, u m es zu suchen, nach ihm zu fragen u n d es wieder zum Vater zu bringen. Das ganze Reich wurde in eine gewaltige Erregung versetzt; jeder bemühte sich, den Dienern zu helfen, u m den armen Vater sein Töchterlein wieder herbeizuschaffen — doch alle Mühen, aller Eifer waren vergebens. Nirgendwo entdeckte m a n auch nur die winzigste Spur des verlorenen Kindes. So etwas war noch nicht erlebt worden; noch niemals war ein Kind so geheimnisvoll verschwunden. Tiefes Dunkel lagerte darüber, und ein so eigenartiger gespensterhafter Schleier wundersamen Verborgenseins war darüber ausgebreitet, daß auch die kühnsten und tapfersten Leute zu 44
zagen begannen, wenn sie davon reden hörten; und die Mütter schlössen ihre Kinder ängstlich im Hause ein und getrauten sich nicht mehr, sie draußen spielen zu lassen. Der arme Vater war untröstlich; niemand vermochte ihm Hoffnungen zu erwecken. So verließ er denn'seinen Palast, sein Reich und durchstreifte das ganze Land, ganz J a v a , um sein Kind zu suchen. E r wollte nicht eher ruhen, nicht eher wieder rasten, nicht mit Weinen, nicht mit Klagen einhalten, bis er die Tochter wiedergefunden, sie wieder an sein Herz gedrückt hatte. Jahre vergingen. Eines Tages begegnete der Einsame auf seinen Irrfahrten einem blühenden, jungen Mädchen von überirdischer, reizender vollendeter Schönheit. E s war sein verlorenes Kind I Doch der "Vater erkannte die Tochter, die Tochter den Vater nicht wieder. Leidenschaft und Begierde überkamen und überwältigten den Einsamen. Er konnte die Schöne nicht vergessen, und so bewarb er sich um ihre Hand. Sie nahm seinen Antrag entgegen, und sie wurden Mann und Weib. Sie wußten nicht voneinander, und aus der blutschänderischen Ehe wurde ein Kind geboren. Da war die Rachgier des Beleidigten vollends befriedigt, und voll Freude darüber eilte er zum König und offenbarte das furchtbare Geheimnis, enthüllte er die unselige Tat. Dewa Kusuma war wie vom Donner gerührt. Voll Angst beschied er die Priester zu sich und fragte sie, wie er dem Zorn und der Rache der Götter entgehen, wie er sie versöhnen könnte. Die Priester 45
erklärten, daß es für ein solches Verbrechen, auch wo es in Unschuld begangen wäre, keine Verzeihung gäbe. Zur Strafe müßte der König samt Mutter und Kind zwischen vier Mauern eingeschlossen werden, um den Rest ihres Lebens in Buße, Reue und Gebet hinzubringen. „Gibt es denn nichts, was die Strafe zu mildern, was sie aufzuheben vermag ? " — „ J a , eine Rettung, ein Mittel ist noch möglich. Falls Ihr zu Ehren Buddhas innerhalb zehn Tagen einen Tempel erbaut, dessen Entwurf wir Euch vorlegen werden, und ihn mit all' den Bildnissen Buddhas, den Wandelgängen, den Glocken und vielem anderen mehr erbaut, dann kann Euch Verzeihung, kann Euch die Strafe erlassen werden. Doch muß alles vollkommen sein, nicht das Geringste darf fehlen, sonst ist alle Mühe vergebens gewesen." Mit allen Künstlern und Arbeitern ging Dewa Kusuma sogleich ans Werk. Wäre einem Fürsten J a v a s etwas unmöglich gewesen ? Boro-Budur wurde in zehn Tagen erbaut. Die Frist war noch nicht abgelaufen, da prangte hoch oben auf dem Hügel der neue Tempel zu Ehren Buddhas mit seinen vielen Standbildern, Bildplatten, Dagoben und Glocken. Dewa Kusuma war sehr zufrieden. Stolz auf die geleistete Riesenarbeit und voller Freude ob der winkenden Verzeihung führte er die Priester und Würdenträger durch die Wandelgänge. Aber was ist das ? Warum erblaßt der König, weshalb erbeben ihm die Glieder, warum weichen alle vor Entsetzen vor ihm zurück? 46
E s fehlt ein Bild! Wie ist dies nur möglich ? — Sein unversöhnlicher Feind, der Kinderräuber, hatte auch dies offenbar beiseite geschafft. Nun kahn nichts mehr den unglücklichen Fürsten retten. Wohl ist Boro-Budur vollendet, jedem Beschauer ist das Bauwerk eine Augenweide — aber das eine Bild fehlt und somit war der Befehl der Priester nicht erfüllt worden. Im prächtigen Tempel von Mendut, der unweit Boro-Budur gelegen ist, wurde Dewa Kusuma mit Weib und Kind eingemauert. In den drei gewaltigen, acht Fuß hohen Bildnissen will der Volksglaube ihre versteinerten Ebenbilder erkennen. (Aus H a m b r u c h : Malaiische Märchen.)
Literatur. 0 . B a u m a n n , Der Tropenspiegel. Zürich 1925. L. C o u p e r u s , Unter J a v a s Tropensonne. Berlin 1926. H. v. F o l l e r , Unter J a v a s Sonne. Leipzig 1926. P. H a m b r u c h , Malaiische Märchen. Jena 1921. — Indonesien in G e r b i n g : Das Erdbild der Gegenwart Bd. II. Leipzig 1928. W. Y o l z , Im Dämmer des Rimba. Breslau 1921.
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S Ü D S E E A R B E I T E N GEWERBE- U N D KUNSTFLEISS, T A U S C H M I T T E L U N D „ G E L D " DER E I N G E B O R E N E N A U F G R U N D L A G E DER ROHSTOFFE U N D DER G E O G R A P H I S C H E N V E R B R E I T U N G von
O. FINSCH (Abhandlungen des Hamburgischen Kolonial-Instituts Bd. X I V ) 4°. 605 Seiten mit 30 teils mehrfarbigen Tafeln. RM. 40.—
DIE M A R I N D-AN IM VON HOLLÄNDISCHSÜD-NEUGUINEA von
P. WIRZ 2 BÄNDE (Abhandlungen aus dem Gebiet der Auslandskunde Bd. 10 u. 16) 1.Band: 4°. 191 Seiten, 43 Tafeln und 7 Abb. im Text. RM. 25 — 2. Band : 4°. 139 Seiten, 28 Tfln., 1 Karte u. 7 Abb. im Text. RM. 30.—
F R I E D E R I C H S E N , DE G R U Y T E R & C O . M. B. H., HAMBURG 1
VI. H a g e n , K., Altertümer von Benin im Hamburgischen Museum für Völkerkunde. 90 S., 46 Figuren im Text und 10 Tafeln. 1918. — Vergriffen. V I I . A n t ze, G., Brasiliensammlung Vollmer aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 19 S., 10 Abb. im Text und 6 Lichtdrucktafeln. 1922. M. 4.50. V I I I . H a m b r u c h , P., Denkwürdigkeiten von Arii Taimai. E . 168 Seiten, 7 Stammtafeln, 7 Tafeln und 1 Karte. 1923. M. 15.—. I X . R e c h e , O., Das abia-Glücksspiel der Jaunde und die Darstellungen auf den Spielmarken. 15 Seiten, 1 Abb. im Text und 1 1 Lichtdrucktafeln. 1924. M. 3.—. X . V a t t e r , E., Der australische Totemismus. Mit 3 Kartenskizzen im Text und einer Karte. 1925. M. 12.—. X I . D a n z e l , Th.-W., Codex Hammaburgensis, eine neuentdeckte altmexikanische Bilderhandschrift des Hamburgischen Museums für Völkerkunde. Mit 7 Tafeln und 41 Abb. im Text. 1926. M. 6.—. X I I . B a u m h a u e r , F r . , Forschungen über die Hausformen in Georgien. Mit 6 Tafeln und 16 Abb. im Text. 1928. M. 12.— X I I I . F e s t s c h r i f t zum f ü n f z i g j ä h r i g e n B e s t e h e n des H a m b u r g i s c h e n M u s e u m s f ü r V ö l k e r k u n d e . 267 Seiten, 8 Tafeln u. 88 Abb. im Text. 1928. M. 18.—. X I V . L e h n er, St., Geister- und Seelenglaube der Bukaua und anderer Eingeborenenstämme im Huongolf Nordost-Neuguineas. 44 Seiten. 1930. M. 3.—. X V . A n t z e , G., Metallarbeiten aus dem nördlichen Peru. 63 Seiten, 13 Tafeln und 135 Abb. im Text. 1930. M. 12.—. X V I . A r n i n g , E d . , Ethnographische Notizen aus Hawaii 1883/86. 85 Seiten, 14 Tafeln. 1 9 3 1 . M. 10.—.
I—XIII Selbstverlag des Museums für Völkerkunde, XIV—XVI Kommissions-Verlag von Frlederlchsen, de Gruyter & Co. m. b. H., Hamburg 1 .
Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung und Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft
Ergebnisse der Südsee-Expedition 1908—1910 Herausgegeben von Prof. G. T h i 1 e n i u s
Direktor des Hamburgischen Museums für Völkerkunde.
Bisher sind erschienen:
I. A l l g e m e i n e s : Plan der Expedition von Prof. Dr. T h i l e n i u s . — Tagebuch der Expedition .von F. E. H e l l w i g . — Nautik und Meteorologie während der Reise in Melanesien von F e r d i n a n d H e f e i e . — Die Untersuchung der gesammelten Gesteinsproben von R. H e r z e n b e r g . — Nsmensverzelchnls. 4°, etwa 500 Selten mit 18 Karten Im Text, 3 Karten am SctjluQ und 31 Lichtdrucktafeln. 1928. M. 60.— II. Ethnographie: A. Melanesien. Band l : Der Kaiserin-Augusta-Fluß von Dr. O t t o R e c h e . 4°, X und 488 S. mit 475 Abb. tm Text, 88 Lichtdrucktafeln und I Karte. 1913. Geheftet M. S o l l . Ethnographie < B. Mlkroneslen. Band l : N a u r u von Dr. P a u l H a n i b r u c h . 1. H a l b b a n d 4°, XI -jnd 458 S. mit 108 Abb- Im Text 19 Lichtdrucktafeln und 1 Karte. 1914. M. 30.— 2. H a l b b a n d 4«, V I I I und 314 S. mit 338 Abb. im Text und 8 Lichtdrucktafeln. 1915. M. 24.—
Band 2: Y a p von Dr. W i l h e l m M ü l l e r (Wismar) f .
I. H a l b b a n d 4°, XI und 380 S. mit 332 Abb. Im Text, 70 Lichtdrucktafeln und 1 Karte. 1917. M. 40.— II H a l b b a n d 4°. XI und 430 S. 1918. M. 50.—
Band 3: P a t a u v o n Dr. A u g u s t i n K r i m e r .
I. T e i l b a n d 4°, XVI und 252 S. mit 48 Abb. Im Text, 2 farbigen M. 24.— und 11 Lichtdrucktafeln und 3 Karten. 1917. II. T e 11 b a n d 4 367 S. mit 4 farbigen und 16 Llchtdrucktafeln, 57 Abb. Im Tex nebst 50 Dorfplänen und 11 Ahnentafeln. 1919. t Vergriffen. I I I . T e i l b a n d 4«, 362 S. mit 227 Abb. Im Text und 21 Lichtdrucktafeln. 1926. M. 50.— IV T e i l b a n d 4», XVI und 376 Seiten mit 6 Abb. Im Text und 127 Zeichnungen von Eingeborenen. 1929. M. 55.— V. T e i l b a n d (Schluß» 4°, X I I I und 176 Selten mit 20 Abb., 15 Lichtdrucktafeln ( 2 mehrfarbig) und 35 Doppeltafeln (2 mehrfarbig) 1929. M. 55.—
Band 4: Kusae von Dr. E. S a r f e r t .
I. H a l b band 4», XXVI u. 298 S. mit 159 Abb. Im Text, 1 farbigen u. 44 schwarzen Tafeln u. 3 Karten. 1919. VergriffenII. H a l b b a n d 4°, XVI und 247 S. mit 14 Abb. Im Text. 1920. Vergriffen. Band 7 : Ponape Von Dr. P. H a m b r u c h . I. Teilband Im Druck.
Band 12: Luangiua und Nukumanu von Dr. E. S a r f e r t und Dr. H. D a m m .
I. H a l b b a n d 4°, XXVIII u. 244 S.
mit 306 Abb. im Text u. 41 Lichtdrucktafeln. 1929. M. 6 0 — I I . H a l b b a n d im Druck Bei Abnahme der ges. Ergebn. tritt eine Ermäßigung v. 2 0 % des Ladenpreises ein.
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