Ein unbekanntes Rechtsgutachten von Felinus Sandeus über die Auslegung des Testaments des Juristen Johannes de Lignano: (Biblioteca Apostolica Vaticana, MS Vat. lat. 14094, fol. 88r–95v) [1 ed.] 9783428548057, 9783428148059

In der Arbeit wird ein in einer Sammelhandschrift der Vatikanbibliothek enthaltenes handschriftlich überliefertes Rechts

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Ein unbekanntes Rechtsgutachten von Felinus Sandeus über die Auslegung des Testaments des Juristen Johannes de Lignano: (Biblioteca Apostolica Vaticana, MS Vat. lat. 14094, fol. 88r–95v) [1 ed.]
 9783428548057, 9783428148059

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Schriften zur Rechtsgeschichte Band 173

Ein unbekanntes Rechtsgutachten von Felinus Sandeus über die Auslegung des Testaments des Juristen Johannes de Lignano (Biblioteca Apostolica Vaticana, MS Vat. lat. 14094, fol. 88r–95v)

Von

Thomas Brix

Duncker & Humblot · Berlin

THOMAS BRIX

Ein unbekanntes Rechtsgutachten von Felinus Sandeus über die Auslegung des Testaments des Juristen Johannes de Lignano

Schriften zur Rechtsgeschichte

Band 173

Ein unbekanntes Rechtsgutachten von Felinus Sandeus über die Auslegung des Testaments des Juristen Johannes de Lignano (Biblioteca Apostolica Vaticana, MS Vat. lat. 14094, fol. 88r–95v)

Von

Thomas Brix

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Leipzig hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 978-3-428-14805-9 (Print) ISBN 978-3-428-54805-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-84805-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie, besonders meinem Jakob

Vorwort Mein Dank gilt vornehmlich meinem akademischen Lehrer und Doktorvater, Herrn Prof. em. Dr. Gero R. Dolezalek. Ihm habe ich nicht nur das konkrete Thema meiner Doktorarbeit zu verdanken, welches seinen eigenen Forschungen in der Vatikanbibliothek entsprang, sondern auch meine Leidenschaft für Rechtsgeschichte ganz allgemein. Im Rahmen meiner Tätigkeit als studentische und später als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl meines Doktorvaters verstand er es, mir die Schönheit und Eleganz mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Handschriften nahezubringen und mich das Lesen dieser alten Schriften zu lehren. Ich wäre ohne seine Anleitung und Unterstützung kaum in der Lage gewesen, den Zugang insbesondere zu dem in meiner Arbeit transkribierten Handschriftenstück zu finden. Er hat mich immer wieder ermuntert – und, wo nötig, auch ermahnt. Somit ermöglichte Herr Prof. Dolezalek mit der Betreuung weit über rein fachliche Aspekte hinaus den Erfolg meiner Doktorarbeit. Weiterhin danke ich Herrn Prof. em. Dr. Bernd-Rüdiger Kern, der freundlicherweise die Zweitkorrektur meiner Arbeit übernahm. Auch er hat schon während meines Studiums meine Neugier für die geschichtlichen Zusammenhänge, die unser heutiges Rechtsverständnis bestimmen, geweckt und noch während meiner Zeit als Mitarbeiter an der Juristenfakultät mein Verständnis für Rechtsgeschichte weiter vertieft. Mein besonderer Dank gilt ebenso Herrn Prof. Dr. Ekkehard BeckerEberhard. An seinem Lehrstuhl hat er mir eine akademische Heimat gegeben und es mir – obwohl mein Dissertationsthema kaum Bezüge zu seinen sonstigen Forschungs- und Lehrgebieten aufweist – ermöglicht, meine Dok­ tor­arbeit im Rahmen meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl weiter zu verfolgen und fertigzustellen. Für die vielen Freiheiten, die er mir während dieser Zeit einräumte, danke ich ihm herzlich. Die vorliegende Arbeit wurde durch die Dr. Feldbausch-Stiftung Landau /  Pfalz als herausragende Dissertation des Jahres 2015 der Juristenfakultät der Universität Leipzig gewürdigt. Das Preisgeld unterstützte die Drucklegung. Schließlich danke ich meiner Familie und meinen Freunden. Die Unterstützung und der Rückhalt, die ich durch Euch erfahren durfte, haben mich immer wieder angetrieben und mir die Fertigstellung meiner Doktorarbeit ermöglicht. Celle, im Januar 2016

Thomas Brix

Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Der vorliegende Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Johannes de Lignano . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2. Testament des Johannes de Lignano . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3. Die konkrete Rechtsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4. Untergericht und Obergericht: Bologneser Untergericht und Sacra Rota Romana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 a) Das Bologneser Untergericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 b) Die Sacra Rota Romana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 aa) Rotaauditor Antonius Trivultius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 bb) Rotaauditor Johannes Staphileus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 cc) Geschichte der römischen Rota . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 dd) Rechtsprechungszuständigkeiten der Rota . . . . . . . . . . . . . . . 43 ee) Entscheidungsfindung an der Rota . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 ff) Die Rotaauditoren und ihr Hilfspersonal . . . . . . . . . . . . . . . . 47 III. Das vorliegende Rechtsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Allgemeine Beobachtungen über Consilia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Consilia im antiken römischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Consilia als Auswirkung der Podestà-Verfassung . . . . . . . . . . . . . 54 c) Gerichts- und Parteigutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 d) Aufbau von Consilia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Der Autor des vorliegenden Rechtsgutachtens – Felinus Sandeus . . 64 3. Weitere Gutachter im Rechtsstreit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lignano . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Autoren der gedruckten Consilia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 aa) Bartholomaeus Socinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 bb) Carolus Ruinus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 cc) Petrus Philippus Corneus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 dd) Johannes Crottus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Autoren der handschriftlich überlieferten Consilia . . . . . . . . . . . . 82 aa) Bulgarinus de Bulgarinis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 bb) Johannes Maria de Riminaldis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 cc) Angelus de Castro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 dd) Hieronymus de Zanetinis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 ee) Johannes Baptista de Lambertinis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

10 Inhaltsverzeichnis ff) Antonius Corsetus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 gg) Agamemnon Marescottius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 c) Autoren der handschriftlich überlieferten Advokatenschriftsätze  . 94 aa) Johannes Bartholomaeus Dossis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 bb) Melchior de Baldasinis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4. Zeitliche Einordnung des Rechtsstreits und des Gutachtens des Felinus Sandeus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 5. Spezielle Beobachtungen bei diesem Consilium . . . . . . . . . . . . . . . . 101 IV. Edition und Paraphrase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 B. Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Transkription des Consiliums, Vat. lat. 14094, fol. 88r–95v . . . . . . . . . 114 II. Paraphrase des Consiliums, Vat. lat. 14094, fol. 88r–95v . . . . . . . . . . . 136 C. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Stammbaum des Johannes de Lignano . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 II. Testament des Johannes de Lignano . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 III. Paraphrase des Testaments von Johannes de Lignano . . . . . . . . . . . . . . 228 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Sach- und Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

Abkürzungsverzeichnis Für Literaturnachweise erstellte Abkürzungen finden sich an der entsprechenden Stelle des Literaturverzeichnisses und werden daher hier nicht zusätzlich nachge­ wiesen. Auth. Coll. Authenticum collatio BAV Biblioteca Apostolica Vaticana Bd. Band cancell. cancellatum Clem. Constitutiones Clementis V. papae Cod. Codex Iustinianus D. Digesta Iustiniani Decr.Grat. Decretum Gratiani (C.=causa; qu.=quaestio; c.=canon) dt. deutsch f. / ff. folgende Fn. Fußnote fol. folio (auf Blatt) FS Festschrift Hrsg. Herausgeber Inst. Institutiones Iustiniani l. lex lat. lateinisch lib. liber MS manuscriptum n. Chr. nach Christi Geburt Nov. Novellae Constitutiones Iustiniani pr. principio r. recto (auf der Vorderseite) S. Seite scr. scriptum Sp. Spalte St. Sankt v. verso (auf der Rückseite) VI. Liber Sextum Decretalium Bonifacii VIII papae X. Decretales Gregorii IX papae

A. Einführung I. Einleitung Consilia waren seit der Zeit der Glossatoren nicht mehr aus dem Rechtsalltag in Europa wegzudenken. Sie boten nicht nur den zu dieser Zeit noch vielfach tätigen Laienrichtern eine Richtschnur für ihre Entscheidungen, sie waren auch in der Lehre an den Universitäten unverzichtbares Hilfsmittel, um die Studenten an die praktischen Auslegungsfragen des Ius Commune heranzuführen. Consilia waren damit eines der wichtigsten Mittel, um das Ius Commune, das ja zu großem Teil in über tausend Jahre alten Traditionen wurzelte, an die aktuellen Bedürfnisse der Menschen seit dem 12. Jahrhundert anzupassen.1 Ein solches Consilium soll Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein. Es handelt sich dabei um ein Gutachten in einem Erbrechtsstreit um die Wirksamkeit von Fideikommissvermächtnissen, die der hochberühmte Bologneser Jurist Johannes de Lignano (ca. 1320–1383) in seinem Testament vom 27.03.1376 errichtet hatte. Dieser Rechtsstreit wird in der Sekundärliteratur seit dem 16. Jahrhundert2 als bemerkenswert erwähnt – schließlich hatten die berühmtesten Rechtsgutachter ihrer Zeit zu diesem Fall Gutachten erteilt.3 Und tatsächlich sind gedruckte Gutachten einiger der berühmtesten Juristen ihrer Zeit zu diesem Fall vorhanden.4 Daneben hat mein verehrter Lehrer Gero Dolezalek aber noch eine Reihe weiterer Gutachten gefunden,

1  Zur Konsilienliteratur allgemein siehe Kisch, S. 11–36 (mit einer umfangreichen, wenngleich veralteten Literaturübersicht zu diesem Thema); Zu gedruckten Konsiliensammlungen allgemein siehe insbesondere Colli, Consilia und Colli, Libri consiliorum. Eine sehr umfangreiche Auflistung solcher Sammlungen findet man bei Stölzel, Bd. 2, S. 61–66 und bei Kisch, S. 38–86. 2  Nämlich bei Pancirolus (1637), lib. 3, S. 439 – zwar wurde die erste Druckausgabe in Venedig im Jahr 1637 erstellt, jedoch verstarb der Autor ausweislich der im Werk enthaltenen vita auctoris bereits 1599. Spätestens seit 1599 wird der Rechtsstreit um das Testament des Johannes de Lignano also in der Sekundärliteratur erwähnt. Und erneut bei Pancirolus (1721), lib. 3, S. 345. 3  So jedenfalls Fantuzzi, Bd. 5, S. 37, Fn. 21. 4  Nämlich, soweit ersichtlich, von Bartholomaeus Socinus, Carolus Ruinus, Johannes Crottus und von Petrus Philippus Corneus. Siehe dazu unten, A. III. 3. a).

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A. Einführung

die ungedruckt in einer Sammelhandschrift in der Vatikanbibliothek5 vorliegen.6 Unter den Autoren dieser weiteren vierzehn Gutachten ist wohl Felinus Sandeus (1444–1503) der berühmteste. Das handschriftlich überlieferte Gutachten7 von Felinus Sandeus ist Ausgangspunkt dieser Arbeit. Das Gutachten ist besonders bemerkenswert, weil es wegen seines Autors und Schreibers8 Felinus Sandeus als geradezu idealtypisch für Consilia dieser Zeit angesehen werden darf – war doch Felinus Sandeus neben seiner damaligen Stellung als Professor des kanonischen Rechts in Pisa (ab 14749) und neben seiner späteren Stellung als

5  Nämlich Vat. lat. 14094. Eine Übersicht zu den in dieser Handschrift enthaltenen Stücken wurde von Gero Dolezalek im Rahmen der Forschungsarbeiten zum „Catalogue of Canon and Roman Law Manuscripts in the Vatican Library“ erarbeitet. Dieser Katalog wurde von einer Forschergruppe um Stephan Kuttner erstellt. Die ersten beiden Bände wurden bereits in den Jahren 1986 und 1987 von Stephan Kuttner und Reinhard Elze veröffentlicht. Teile des noch unfertigen Bandes sind online unter http://www.uni-leipzig.de/~jurarom (27.06.2012) einsehbar. 6  Eine Inhaltsangabe für die gesamte Handschrift BAV, Vat. Lat. 14094 ist zudem vorgesehen für die Handschriftendatenbank des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt am Main. 7  Es finden sich in den vorhandenen Druckausgaben der Consilia von Felinus Sandeus keine Gutachten mit Bezug zu diesem Fall. Es darf daher angenommen werden, dass das vorliegend untersuchte Consilium das einzige von Felinus Sandeus überlieferte zu diesem Rechtsstreit ist. Durchgesehen wurden dafür die folgenden Druckausgaben: Consilia seu Responsa D. Felini Sandaei (Lyon, 1552) Consilia seu Responsa (Lyon, 1553) Consilia seu Responsa Domini Felini Sandei (Venedig, 1574) Index in Felini Sandaei Commentarios ad quinque Libros Decretalium, et Consilia (Lyon, 1574) Consilia et Iuridica Responsa Domini Felini Sandaei (Venedig, 1582) Consilia seu Responsa (Venedig, 1582) Consilia Felini Sandaei (Lyon, 1587) Consilia Felini Sandaei (Venedig, 1601). 8  Ausweislich der subscriptio unter dem Gutachten hat Felinus Sandeus dieses Gutachten selbst geschrieben (und nicht nur verfasst und abschreiben lassen) und gesiegelt. Das Originalsiegel von Felinus Sandeus findet sich auf fol. 95v der Handschrift. Sandeus, Consilium in der Handschrift Vat. lat. 14094, fol. 95v: […] Zur Beglaubigung dieser Sache habe ich diese mit eigener Hand geschriebenen [Ausführungen] auch unterschrieben und mein Siegel daran angebracht. Eine richtigere Begutachtung [durch einen anderen, klügeren, höher gelehrten Gutachter] bleibt immer vorbehalten. […] […] In cuius rei fide istis manu propria scriptis me etiam subscripsi et sigillum meum apposui – salvo semper consilio saniori. […] 9  Montorzi, S. 30.



II. Der vorliegende Fall15

Auditor der Sacra Rota Romana (1484 / 8710–150211) auch ein gefragter Rechtsgutachter. Als Grundlage für die weitere Bearbeitung dieses Stoffes war zuerst eine Edition des vorliegenden handschriftlichen Consiliums zu erstellen. Dieser Edition wurde eine Paraphrase des Textes zur Seite gestellt, die zugleich als Interpretation des Textes dient. Dabei wurden auch die zitierten Quellen des Ius Commune paraphrasiert. Um den Rechtsfall einordnen zu können, wurde der Arbeit zudem auch der Wortlaut des Testamentes von Johannes de Lignano einschließlich einer Paraphrase beigefügt. In der hier folgenden Arbeit soll anhand des Textes der typische Aufbau eines Rechtsgutachtens aus Italien im 15. Jahrhundert erläutert werden. Im Anschluss daran wird gezeigt, wie die Edition eines solchen Gutachtens zweckmäßig gestaltet werden kann, welche Schwierigkeiten es dabei zu bewältigen gilt und welche weitere Auswertungsarbeit sinnvoll angeschlossen werden kann. Ausgehend von einer Beschreibung des Falles, soweit sie möglich ist, wird daher das vorliegende Rechtsgutachten vor dem Hintergrund der unzähligen überlieferten Consilia eingeordnet und ausgewertet.

II. Der vorliegende Fall Im bearbeiteten Rechtsgutachten werden juristische Einzelfragen zu einem Rechtsstreit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lig­ nano erörtert. Dabei stritten Nachkommen der Söhne des einzigen legitimen Sohnes von Johannes de Lignano darum, ob der Erblasser weibliche Nachkommen ausdrücklich von der Erbfolge in die hinterlassenen Vermögensgegenstände ausgeschlossen habe oder nicht. 10  Zur Bestellung von Felinus Sandeus als Auditor findet sich ein Motuproprium bei Cerchiari, Bd. 3, S. 211; siehe auch Montorzi, S. 42. Hilling, N., AfkKR, 84 (1904), S. 96 und Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 212 gehen jedoch davon aus, dass es sich bei diesem Dokument nicht um das Motuproprium handelt, mit dem Felinus zum Auditor bestellt wurde. Vielmehr solle die Anstellung schon etwas früher erfolgt sein und das vorliegende Dokument nur die durch die Bestellung von Felinus begründete Überschreitung der festgesetzten Anzahl von Auditoren begründen (siehe dazu auch unten Fn. 230). Felinus Sandeus trat diese Stellung aber erst unter Papst Innocentius VIII. (1432– 1492) im Jahr 1487 an; siehe Cerchiari, Bd. 2, S. 71 und Arrighi, S. 24. 11  Hoberg, RQ, 48 (1953), S. 68.

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A. Einführung

Die Parteien12 des Rechtsstreits sind genau in einer Abstammungsskizze zu einem Parteischriftsatz bezeichnet, welcher weiter hinten in derselben vatikanischen Handschrift erhalten ist.13 Dieser Schriftsatz stammt von einem Advokaten, der mit dem Fall betraut war, als dieser vor dem Auditor Trivultius ([Johannes] Antonius Trivultius, gestorben 1522)14 der Sacra Rota Romana anhängig war. Da der Rechtsstreit dort als causa Bononiensis betitelt wird, ist anzunehmen, dass der Fall im erstinstanzlichen Verfahren vor einem Bologneser Gericht15 verhandelt wurde und erst anschließend an die Römische Rota16 als Berufungsinstanz gelangte. In der erwähnten Skizze steht der Name „Johannes de Lignano“ an oberster Stelle. Von ihm führen zwei Linien nach unten, nämlich 1. „A. filia, particulariter instituta in dotibus“ und 2. „Baptista“. Baptista war also einziger legitimer Sohn und Erbe des Johannes de Lig­ nano. Die Tochter Antonia hingegen wurde mit einer Mitgift abgefunden. Vom Sohn Baptista stammen wiederum zwei Linien, nämlich 12  Aus dem bearbeiteten Rechtsgutachten von Felinus Sandeus lassen sich die Streitparteien nicht bestimmen, da sie von Sandeus nicht genannt werden. In seinem Rechtsgutachten geht er nur auf die aufgeworfenen Rechtsfragen ein, trifft aber keine näheren Aussagen zu den Parteien des Rechtsstreits. 13  Vaticano, BAV, Vat. lat. 14094, fol. 480r–485v: Melchior de Baldasinis advocatus, Informatio iuris in causa Bononiensis heredatis, coram domino Trivultio. Zu Melchior de Baldasinis siehe unten, A. III. 3. c) bb). 14  Die Familie Trivultius war eine wohlhabende Familie, deren Sprösslinge vielfach höhere und höchste Stellungen in der Kirche und in der weltlichen Macht einnahmen; siehe nur Zedler, Bd. 45, Sp. 967–981. Wir finden bei Burchardus, Bd. 2, S. 470 Antonius de Trivultiis als Rotaauditor, der am 08.01.1505 bestellt worden sein soll. Dagegen finden wir bei Göller, AfkKR, 91 (1911), S. 43 Joannes Antonius de Trivultio, der am 03.08.1507 zum Auditor berufen worden sein soll. Zu beiden Namen existieren durchaus unterschiedliche Angaben in der Literatur. Es dürfte als eher unwahrscheinlich gelten, dass zwei Personen aus derselben Familie innerhalb so kurzer Zeit nacheinander zu Rotaauditoren bestellt worden sind. Es ist daher zu vermuten, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt. Zum Einzelnen siehe unten, A. II. 4. b) aa). 15  Dabei kann es sich jedoch nicht um die Rota Bononiensis gehandelt haben, da dieses Gericht erst im Jahr 1534 errichtet wurde; siehe Boris/Zio, S. 131. Der vorliegende Fall war aber in der ersten Instanz vermutlich um 1485 anhängig, wie später zu zeigen sein wird. 16  Dass der Fall zumindest zeitweise auch an der Sacra Rota Romana verhandelt worden ist, erfahren wir aus einem Rechtsgutachten des Advokaten Johannes Bartholomaeus Dossis (Vaticano, BAV, Vat. lat. 14094, fol. 406r–v, 417r–v). Dieser Rechtsgutachter gibt an, dass der Fall coram Sacra Rota Romana verhandelt wird. Zu Johannes Bartholomaeus Dossis siehe unten, A. III. 3. c) aa).



II. Der vorliegende Fall17

1. „Georgius“ (Enkel des Erblassers) – mit einer Linie nach unten zur Angabe „principalis actor Antonius Maria“ (Urenkel, Hauptkläger im Rechtsstreit) und 2. „Guilhermus“ (anderer Enkel des Erblassers) – mit zwei Linien nach unten: „Cornelia, Margarita – filie adversarie“ (zwei Urenkelinnen17, Beklagte im Rechtsstreit18). Gestritten wurde über die Frage, ob Cornelia und Margarita als weibliche Nachkommen des Lignano-Enkels Guglielmus diesem (ihrem Vater) als testamentarische Erbinnen nachfolgen dürfen, oder ob sie – weil nicht männlichen Geschlechts – von der Erbfolge aufgrund des Wortlauts des Testaments ihres Urgroßvaters ausgeschlossen seien. Diese Frage wurde deswegen so intensiv diskutiert, weil Johannes de Lignano in seinem Testament vom 27.03.137619 unter anderem angeordnet hatte, dass, wenn kein legitimer Sohn20 und keine männlichen legitimen Nachkommen eines legitimen Sohnes vorhanden wären, die hinterlassenen Vermögensgegenstände verwertet werden sollten, um ein Kolleg für arme Studenten einzurichten. Die Parteien diskutierten vor Gericht darüber, ob aus dieser Klausel zu entnehmen sei, dass Johannes de Lignano ganz generell sämtliche weiblichen Nachkommen ausschließen wollte, so dass also Cornelia und Marga­ rita die von Johannes de Lignano stammenden Vermögensgegenstände an ihren Cousin Antonius Maria hätten herausgeben müssen. 17  Ebenso Gianazza, S. 64a und Anhang, wonach es sich sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite um Urenkel von Johannes de Lignano und zugleich um Cousins bzw. Cousinen ersten Grades handelt. Giannaza beruft sich dabei auf einen Stammbaum, der sich in der Handschrift Biblioteca Universitaria di Bologna, Montefani N. 4207, Brief L befindet. Zum gleichen Ergebnis bezüglich der Verwandtschaftsverhältnisse der Streitparteien kommt Sutermeister, S. 47. Demgegenüber bezeichnet Pancirolus (1637), lib. 3, S. 439 = (1721), lib. 3, S. 345 Cornelia und Margarita als Ururenkelinnen von Johannes de Lignano, die damit Parteien im Rechtsstreit mit dem Sohn des Bruders ihres Großvaters, ihrem Großcousin also, seien. Holland, S. XVIII. erwähnt in dem von ihm aufgestellten Stammbaum die Enkelinnen schließlich gar nicht, obwohl auch er den Rechtsstreit als solchen zwischen Nachkommen des Baptista anspricht – S. XIX. 18  Pancirolus (1637), lib. 3, S. 439 = (1721), lib. 3, S. 345 benennt dieselben Streitparteien. 19  Für diese Arbeit wurde eine um einige Fehler bereinigte Fassung des Testaments anhand der Abschriften bei Bosdari, ADSPR, 29 (1901), S. 123–129 und Sutermeister, S. 77–79 aus der Testamentskopie aus dem Jahr 1437 erstellt, die sich im Archivio di Stato di Bologna, Studio Alidosi, Busta Instrumenti Nr. 54 findet. 20  Johannes de Lignano hinterließ drei Kinder, nämlich die legitime Tochter Antonia und den legitimen Sohn Baptista sowie den unehelichen Sohn Marco – Holland, S. XVIII; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 258 nennt diesen Sohn hingegen Marius.

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A. Einführung

Bisher ist nicht bekannt, wie denn dieser Rechtsstreit schließlich endete. Zwar könnte vielleicht irgendwo noch Schriftgut aus Familienarchiven von Nachkommen der Streitparteien gefunden werden, welches zu dieser Frage Auskunft gäbe. Auch könnte man die zahllosen erhaltenen Notariatsurkunden aus der Region Bologna aus der betreffenden Zeit durchsuchen, um vielleicht dort Eigentumsübertragungen der von Johannes de Lignano hinterlassenen Grundstücke zu finden. Solche sehr aufwendigen Forschungen müssen indes späteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Sie würden den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Um den Rechtsfragen näher zu kommen, die im Consilium des Felinus Sandeus diskutiert sind, soll zuerst der Erblasser näher beleuchtet werden (A.II.1.). Anschließend soll sein Testament, dessen Verfügungen hier im Streit stehen, erklärt werden (A.II.2.) und schließlich die beiden Gerichte, vor denen diese Rechtsfrage diskutiert wurde (A.II.4.). 1. Johannes de Lignano Johannes de Lignano21 wurde als Sohn des Grafen22 Jacobus de Oldrendis23 im Dorf Lignano24 in der Diözese Mailand25 um das Jahr 132026 geboren. Über seine Kindheit und die frühen Jahre ist nicht allzu viel bekannt. Er taucht jedoch im Jahr 1337 in Mailand auf.27 Er studierte in Bologna28 die freien Künste, Philosophie, Mathematik, Medizin und Astronomie.29 Später wandte er sich aber dem Studium der Rechte zu. So war er ein 21  Ausführliche biographische Informationen liefert uns schon Fantuzzi, Bd. 5, S. 28–48. Eine sehr ausführliche biographische Monographie zu Johannes de Lig­ nano ist die von Bosdari. Aus neuerer Zeit ist besonders die ausführliche Darstellung der Person von Johannes de Lignano bei D’Ilario zu nennen. Eine Übersicht zu den Schriften von Johannes de Lignano findet sich bei McCall, Traditio, 23 (1967), S. 415–437. 22  Mitglieder der Familie der Oldrendi nahmen in Legnano und in anderen Städten der Lombardei die Funktion des Signore wahr; siehe Bartocci, Autographa, S. 87. 23  Fantuzzi, Bd. 5, S. 28; Stelling-Michaud, DDC, Bd. 6, Sp. 111; Ermini, S. 7. Außerdem erwähnt Johannes de Lignano selbst am Anfang seines Testaments diese Herkunft und Verwandtschaftsverhältnisse. 24  Pancirolus (1637), lib. 3, S. 439 = (1721), lib. 3, S. 345; Fantuzzi, Bd. 5, S. 28. 25  So Johannes de Lignano in seinem Testament. 26  Stelling-Michaud, DDC, Bd. 6, Sp. 111; McCall, Speculum, 40 (1965), S. 484. 27  D’Ilario, S. 22; Bartocci, Autographa, S. 87. 28  Tatsächlich wird die Person des Johannes de Lignano erst im Jahr 1340 bei seinem Umzug von Legnano nach Bologna greifbar; siehe D’Ilario, S. 23. 29  Diplovatatius, Bd. 2, S. 294; Pancirolus (1637), lib. 3, S. 439 = (1721), lib. 3, S. 345; Stelling-Michaud, DDC, Bd. 6, Sp. 111; Bartocci, Autographa, S. 87.



II. Der vorliegende Fall19

Schüler des Paulus de Liazariis (gest. 1356)30 in Bologna.31 Ab 1350 wird er in den Quellen als doctor legum erwähnt.32 Er hielt in Bologna ab 1352 Vorlesungen über kanonisches Recht – nämlich über das Decretum Gratiani und ab 1353 auch über den Liber Sextus Decretalium.33 Spätestens ab 1353 trug er dann den Titel eines doctor utriusque iuris.34 Um 1360 hatte er in Bologna einen Lehrstuhl als Professor des kanonischen Rechts35 und seit dem Jahr 1360 eine Professur für bürgerliches Recht36 inne. Er heiratete am 29.06.1366 Novella37, eine Enkelin des Johannes Andreae (1270–1348)38, des hochberühmten Kirchenrechtlers aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts.39 Besonders sein großes Interesse an der Astronomie zeigt sich in verschiedenen Schriften, unter anderem in seinem Somnium; siehe Coopland, Nuovi studi medievali, 2 (1925), S. 67. 30  Zu Paulus de Liazariis siehe etwa Fantuzzi, Bd. 5, S. 64; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 246; Chabanne, DDC, Bd. 6, Sp. 1276; Murano, Autographa, S. 60–63. 31  Die entsprechenden Angaben bei Pancirolus (1637), lib. 3, S. 439 = (1721), lib. 3, S. 345 und Fantuzzi, Bd. 5, S. 28 und ihnen folgend Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 246 und 257 gehen auf einen Hinweis von Felinus Sandeus in seinem Kommentar zum Liber Extra (X.1.3.5) zurück. Sandeus erläutert im Rahmen seiner Kommentierung zum Titel de rescriptis verschiedene Meinungen, unter anderem auch die von Johannes de Lignano, der sich (laut Sandeus) bei seiner Meinung auf die Vorlesung von do. Pau. zu X.3.50.9 beruft – Sandeus, Bd. 1, fol. 79r. 32  Bosdari, ADSPR, 29 (1901), S. 89; Stelling-Michaud, DDC, Bd. 6, Sp. 111; Bartocci, Autographa, S. 88. 33  Holland, S. XI. Demgegenüber erwähnt ihn Coopland, Nuovi studi medievali, 2 (1925), S. 66 schon im Jahr 1351 als Dozent für kanonisches Recht. 34  Bosdari, ADSPR, 29 (1901), S. 11 und Holland, S. XI; Bartocci, Autographa, S. 88. Jedoch lässt er sich ab 1351 als Lizentiat beider Rechte nachweisen; siehe D’Ilario, S. 23. 35  Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 257 und Holland, S. XI. Thorau, LexMA, Bd. 5, Sp. 1977 nennt das Jahr 1360 für die Berufung zum Professor für römisches Recht und gibt an, dass Johannes de Lignano einige Jahre später die Professur für kanonisches Recht innegehabt habe. 36  Coopland, Nuovi studi medievali, 2 (1925), S. 66. 37  Über die in der Literatur etwas unklare Frage der Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Novella und Johannes Andreae siehe Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 211 und 248; Bartocci, Autographa, S. 87. 38  Zu Johannes Andreae siehe Pancirolus (1637), lib. 3, S. 428–432 = (1721), lib. 3, S. 335–339; Fantuzzi, Bd. 1, S. 246–256; Savigny, Bd. 6, S. 98–125; StellingMichaud, DDC, Bd. 6, Sp. 89–92; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 205–229; Bautz, BBKL, Bd. 1, Sp. 165; Zapp, LexMA, Bd. 5, Sp. 555; Murano, Autographa, S. 44–50. 39  Fantuzzi, Bd. 5, S. 29.

20

A. Einführung

Während dieser ganzen Zeit war Johannes de Lignano tief in die Geschicke der Stadt Bologna40 und der katholischen Kirche41 verwickelt. Überhaupt interessierte er sich sehr für die Politik seiner Zeit. Er äußerte sich ebenso zum Machtverhältnis zwischen Päpsten und der Monarchie42, wie auch zum Verhältnis der Städte der Romagna zu einander.43 Er wurde von allen Päpsten, die während seiner Lebenszeit regierten44, sehr geschätzt.45 Ganz besonders hervorzuheben ist aber, dass er sich nach Ausbruch des großen abendländischen Schismas 137846 sofort uneingeschränkt hinter den zuerst gewählten Papst Urbanus VI. stellte und in seinen Schriften47 diesen Papst wiederholt verteidigte.48 Dies trug ihm große Dankbarkeit seitens dieses Papstes ein.49 40  Bursellis, S. 55, 58  ff.; Bosdari, ADSPR, 29 (1901), S. 8 ff.; Ermini, S. 7; Stelling-Michaud, DDC, Bd. 6, Sp. 111. Eine sehr ausführliche Darstellung findet sich bei Bartocci, Autographa, S. 89. 41  Fantuzzi, Bd. 5, S. 29; Stelling-Michaud, DDC, Bd. 6, Sp. 111; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 257. 42  Schork/McCall, Stud. Renaiss., 19 (1972), S. 180. 43  Holland, S. XI. 44  Nämlich Benedictus XII. (Papst von 1334 bis 1342), Clemens VI. (Papst von 1342 bis 1352), Innocentius VI. (Papst von 1352 bis 1362), Urbanus V. (Papst von 1362–1370), Gregorius XI. (Papst von 1370–1378) und Urbanus VI. (Papst von 1378–1389). Zu Papst Benedictus XII.: Jacques Fournier (1285–1342) siehe Bautz, BBKL, Bd. 1, Sp. 486–487. Zu Papst Clemens VI.: Pierre Roger (ca. 1290–1352) siehe Bautz, BBKL, Bd. 1, Sp. 1053–1054. Zu Papst Innocentius  VI.: Stephan Aubert (1285/1292–1362) siehe Lohrmann, BBKL, Bd. 2, Sp. 1290–1291. Zu Papst Urbanus V.: Guillaume Grimoard (ca. 1310–1370) siehe Kreuzer, BBKL, Bd. 19, Sp. 1459–1461. Zu Papst Urbanus VI.: Bartolomeo Prignano (1318–1389) siehe Frenken, BBKL, Bd. 12, Sp. 925–928. 45  Holland, S. XI. Coopland, Nuovi studi medievali, 2 (1925), S. 66 erwähnt, dass Johannes de Lignano besonders bei Papst Urbanus V. in sehr hoher Gunst stand. Entsprechend äußert sich auch Mantua, S. 478. Diplovatatius, Bd. 2, S. 293 berichtet, dass Papst Urbanus V. Johannes de Lignano zum Kardinal erheben wollte, dass Johannes jedoch mit Verweis auf seine Forschungsarbeit dankend abgelehnt habe. 46  Zum großen abendländischen Schisma siehe Souchon und Rollo-Koster. 47  Nämlich insbesondere „Epistola ad Cardinalem de Luna“, „De Fletu ecclesiae“ und „Pro Urbano tractatus secundus“; siehe Thorau, LexMA, Bd. 5, Sp. 1977; Coopland, Nuovi studi medievali, 2 (1925), S. 66 f. Ausführliche Darstellungen der Rolle von Johannes de Lignano während des großen abendländischen Schismas finden sich bei Bartocci, Autographa, S. 91 ff. und Pio, S.  235 ff. 48  Dabei traf er auf Baldus de Ubaldis (1327–1400), der mit derselben Intention seinen Lehrstuhl in Padua verlassen hatte und nach Rom gereist war. Siehe Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 277.



II. Der vorliegende Fall21

Nicht nur aus diesem starken politischen Engagement, sondern besonders auch aus der großen Wertschätzung50, die ihm als Professor51 zuteil wurde52, und aus den Einkünften aus seiner Anwalts-, Beratungs- und Schlichtertätigkeit53 resultierte der große Reichtum, den Johannes de Lignano ansammeln konnte. Es überrascht daher nicht, dass er ein großes Vermögen hinterließ, wie sich auch aus der Aufzählung der Nachlassgegenstände in seinem Testament ergibt. Dieser umfangreiche Nachlass gab Anlass für den Rechtsstreit, welcher Gegenstand des Rechtsgutachtens in dieser Arbeit ist. 49

Johannes de Lignano starb am Montag, 16.02.138354 gegen Abend55 in Bologna. Ob er tatsächlich an der zu dieser Zeit in Bologna wütenden Pest56 Zu Baldus de Ubaldis allgemein siehe nur Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 275–277; Savigny, Bd. 6, S. 208–248; Pennington, Rivista, 8 (1997), S. 35–61 und Simon/Stolleis (Hrsg.), Ius Commune, 27 (2000); Murano, Autographa, S. 103– 108. 49  Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 258. 50  Eine sehr umfangreiche Darstellung entsprechender Bekundungen anderer berühmter Juristen in Bezug auf Johannes de Lignano findet man bei Diplovatatius, Bd. 2, S. 293. 51  Savigny, Bd. 3, S. 244 – wonach Johannes de Lignano im Jahr 1381 mit 620 Lira das höchste Gehalt erhielt. Demgegenüber findet sich auch die Angabe, dass er in diesem Jahr 300 Floreni erhalten habe – und damit das höchste Gehalt der Rechtslehrer an der Universität Bologna; siehe Ermini, S. 40; Bartocci, Autographa, S. 88. Die Lira (lat. libra; dt. Pfund) war eine italienische Silbermünze, deren Nennwert (in etwa) ihrem Metallwert entsprach (Kurantmünze). Sie war zugleich eine Rechnungsmünze, die typischerweise 240 Denarii (Groschen) entsprach. Die Bologneser Lira hatte den Wert von 4,842 g Feinsilber, wobei 20 Bolognini (auch Baiocchi) einer Bologneser Lira entsprachen. Siehe Klimpert, S. 202; Grierson, S. 225; Klütz, S. 152. Der Florenus (auch Blumen- oder Liliengulden, auch florinus) war eine Goldmünze mit einem Gewicht von 3,54 g Feingold, die zwischen 1252 und 1522 in Florenz (nämlich mit einer Lilie, dem Wappen der Stadt [lat. flos] – daher der Name) geprägt wurde. Er wurde in vielen Städten Italiens nachgeahmt und fand schließlich auch nördlich der Alpen unter dem Namen Gulden eine breite Anwendung. Der Begriff ging daher allgemein auf Goldmünzen über. Siehe Klütz, S. 83; Kluge, Bd. 1, S.  64, ff. und 125 f.; Klimpert, S.  104 f.; Grierson, S. 220. 52  Nach Savigny, Bd. 3, S. 208 f. wurden die vornehmsten Professorenstellen nur aus einheimischen Familien besetzt. Savigny, Bd. 3, S. 141 erwähnt auch, dass Johannes de Lignano die besonders hohe und außerordentliche Ehre zuteil wurde, als nicht einheimischer Professor das Bürgerrecht auch unabhängig von seiner Professur verliehen bekommen zu haben. 53  Ermini, S. 32–39; Bartocci, Autographa, S.  88 f. 54  Demgegenüber findet man bei Bursellis, S. 59 und Zedler, Bd. 16, Sp. 1421 die Angabe 1382 als Todesjahr. Diese Verschiebung um ein Jahr in der Angabe des Todesjahres lässt sich mit den in den verschiedenen Regionen Europas (und insbesondere Italiens) unterschiedlich

22

A. Einführung

gestorben ist57 oder nicht58, das ist nicht klar. Er wurde mit einem Staatsbegräbnis geehrt, dem neben Kardinal Filippo Caraffa59, dem Bi­ schof von Bologna60, dem Podestà61 und dem Kollegium der Kirchenrecht5556

angenommenen Jahresanfängen im Mittelalter erklären. So wurde in Norditalien sowohl der calculus Pisanus des Annunciationsstils als auch der calculus Florentinus angewandt – in beiden Stilen begann das Jahr jeweils am 25. März, und zwar beim florentinischen Stil entsprechend unserer heutigen Jahresrechnung. Beim Pisaner Stil hingegen findet man eine Verschiebung der Jahresangaben um ein Jahr zurück, so dass das Jahr demnach immer am 25. März im Jahr vor unserer heutigen Jahresrechnung beginnt. Bemerkenswert ist, dass in ein und demselben Gebiet – etwa bei der päpstlichen Kanzlei – beide Stile Anwendung gefunden haben. Erst später seit dem Pontifikat von Papst Bonifatius VIII. wurde der Jahresanfang wieder mit dem 25. Dezember angenommen. Siehe dazu ausführlich Grotefend, Bd. 1, Glossar S. 7 und 9 f. Es ist durchaus denkbar, dass Zedler seine Angaben wiederum von einem Autoren genommen hat, der das Todesjahr von Johannes de Lignano nach dem bei ihm gültigen Jahresanfang angegeben oder gar umgerechnet hatte. Zedler könnte dann diese, aus unserer heutigen Sicht der Jahresanfangsberechnung ungenaue Angabe ungeprüft übernommen haben, wodurch sich die oben aufgeführte Verschiebung ergäbe. Weiterhin ist es möglich, dass Zedler doch die unterschiedlichen Jahrsanfänge im Mittelalter berücksichtigt hat und dann seine eigenen Angaben auf die wahrscheinliche Leserschaft angepasst und daher in deren Herrschaftsgebiet angenommenes Datum für den Jahresanfang berücksichtigt hat. Es kann daher für alle weiteren in dieser Arbeit auftauchenden Verschiebungen oder Unstimmigkeiten von Jahresangaben um ein Jahr kein sicheres Ergebnis auf Basis unseres heutigen Jahresanfangs errechnet werden, da völlig unklar ist, worauf die unterschiedlichen Angaben beruhen – Lesefehler, mangelnde Berücksichtigung des unterschiedlichen Jahresanfangs in der (vielfach nicht näher bezeichneten) Quelle des Autors, Berücksichtigung der wahrscheinlichen Leserschaft durch den Autoren, Anpassung an die Jahresberechnung zur Zeit und am Ort des Autors ohne Berücksichtigung der Leserschaft. Zu Papst Bonifatius VIII.: Benedetto Caetani (1235–1303) siehe Bautz, BBKL, Bd. 1, Sp. 690–692. 55  Und zwar gegen 22 oder 23 Uhr nach Diplovatatius, Bd. 2, S. 295. Nach Schork/McCall, Stud. Renaiss., 19 (1972), S. 181 hingegen schon gegen 9 Uhr [gemeint ist wohl tatsächlich 21 Uhr]. 56  Siehe etwa Bursellis, S. 59. 57  Fantuzzi, Bd. 5, S. 36; Gianazza, S. 60; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 258; Stelling-Michaud, DDC, Bd. 6, Sp. 112; Schork/McCall, Stud. Renaiss., 19 (1972), S. 181; D’Ilario, S. 35; Bartocci, Autographa, S. 94. 58  Holland, S. XVI; Bosdari, ADSPR, 29 (1901), S. 78; Ermini, S.  25 f. 59  Bursellis, S. 59; Ermini, S. 28. 60  Gianazza, S. 61. 61  Bursellis, S. 59; Bosdari, ADSPR, 29 (1901), S. 79; zur Funktion des Podestà als Stadtoberhaupt in den oberitalienischen Städten siehe Chittolini, LexMA, Bd. 7, Sp. 30–32 und insbesondere Engelmann, S. 59 ff. (und besonders S. 467 ff. für den Syndikatsprozess, der die besondere Stellung des Podestà gerade begründet). Eine besonders ausführliche Studie zur Entwicklung des Begriffs und des Amtes findet man bei Born, APSR, 21 (1927), S. 863–871. Siehe dazu auch unten, A. III. 1. b).



II. Der vorliegende Fall23

ler62, insbesondere auch das Kollegium der Zivilrechtslehrer beiwohnte, obwohl Johannes de Lignano diesem nicht angehörte.63 Sein Sarg wurde in Bologna in der Kirche San Domenico beigesetzt64. Den Text der Grab­ inschrift auf einem Teil des Grabschmucks, welcher in heutiger Zeit im Museo Civico di Bologna ausgestellt ist, überliefern Bursellis, Diplovatatius und Fantuzzi, die diesen Text damals noch vollständig lesen konnten.65 Auch in dieser Grabinschrift zeigt sich die Wertschätzung, die seinerzeit Johannes de Lignano als Rechtsgelehrtem, Staatsmann und Politiker zuteil wurde. Als grundsätzlich ehrenhafter Ehemann, Jurist und Mensch seiner Zeit66 hatte Johannes de Lignano natürlich rechtzeitig ein Testament errichtet. Einzelne Verfügungen in diesem Testament lieferten den Grund für den Rechtsstreit, dessen einzelne rechtliche Gesichtspunkte im untersuchten Rechtsgutachten erörtert werden.

62  Pio, S. 239. Bursellis, S. 59 erwähnt, dass alle Doktoren (wohl der Universität) an diesem feierlichen Begräbnis teilnahmen. 63  Fantuzzi, Bd. 5, S. 37. Fantuzzi beruft sich hier auf das Tagesbuch des Vorstehers des Kollegiums der Kirchenrechtslehrer. Dieser nicht näher bezeichnete Kanonist erwähnt die Teilnahme des Kollegiums der Zivilrechtslehrer als besonders bemerkenswert. 64  Pancirolus (1637), lib. 3, S. 439 = (1721), lib. 3, S. 345. 65  Bursellis, S. 59; Diplovatatius, Bd. 2, S. 295; Fantuzzi, Bd.  5, S. 37 [Die Schreibweisen der drei Fundstellen wurden vereinheitlicht und ein von der Zeilentrennung unabhängiger Satzbau wurde berücksichtigt. Nur dort, wo tatsächlich inhaltliche Unterschiede zwischen den drei Fassungen bestehen, wurde darauf hingewiesen.]: Frigida mirifici tenet hic lapis ossa Iohannis, ivit in astriferas mens generosa domos. Gloria Lignani titulo decoratus utroque legibus et sacro canone dives erat. Alter Aristoteles, Hippocratis erat et Ptholomeus. Signifer etherei [stattdessen bei Fantuzzi: signifer, atque haeres] noverat astra poli, abstulit hunc nobis inopinae sincopa mortis. Heu dolor. Hic mundi portus et aura iacet. [bei Diplovatatius und Fantuzzi zusätzlich: Anno MCCCLXXXIII die XVI mensis Februarii.] [bei Fantuzzi weiter: L. B. Hoc opus fecerunt Jacobellus et Petrus Paulus fratres Joan. Legnano Bononiae Docente] 66  So war es doch im Mittelalter verpönt, zu versterben, ohne ein Testament errichtet zu haben. Dies jedenfalls ist eines der Argumente, die Felinus Sandeus in seinem Rechtsgutachten zum Testament von Johannes de Lignano als Argument der Gegenmeinung bringt und belegt (letzter Absatz zum ersten Argument [der Gegenmeinung], fol. 88v [und dort im ersten Absatz]).

24

A. Einführung

2. Testament des Johannes de Lignano Das Testament von Johannes de Lignano, verfasst am 27.03.137667 und ergänzt durch ein Kodizill68 vom 15.02.1583, dem Tag vor seinem Tod, beinhaltete umfangreiche Verfügungen zugunsten verschiedener Angehöriger des Erblassers und auch zugunsten verschiedener Institutionen. Die Familienverhältnisse zu Lebzeiten des Erblassers lassen sich aus dem recht umfangreichen Testament gut ableiten. An erster Stelle wird seine Ehefrau Novella erwähnt, mit der Johannes de Lignano zwei eheliche Kinder hatte, nämlich Antonia, die er im genannten Kodizill als Testamentsvollstreckerin seines Testaments einsetzte, und Baptista, den er zum Universalerben einsetzte. Zudem hatte Johannes einen zweiten leiblichen, aber unehelichen Sohn, nämlich Marcus, selbst Doktor beider Rechte69 und Domherr70, der jedoch 1391 wegen eines politischen Verbrechens gehängt wurde71. Außerdem erfahren wir von den Brüdern des Johannes de Lignano, nämlich Princivallus und Blancus, sowie den Söhnen des Blancus, nämlich Johannolus und Contolus72. Weiterhin erfahren wir, dass Catarina, die Nichte des Erblassers und Tochter von Niotus de Lignano, im Haus des Johannes de Lignano aufgezogen wurde.73 67  Das

geht aus dem Testament selbst hervor. Kodizill wird, ebenso wie das Testament, bei Bosdari, ADSPR, 29 (1901), S. 129–133 wiedergegeben und findet sich im Archivio Notarile di Bologna, Rogiti di Giovanni di Angelino Angelelli, pro. N. 33, c. 55 V. Zum Begriff des Kodizills allgemein siehe Kaser, Privatrecht, Bd. 1, S. 579 f. und Bd. 2, S. 354 f.; van Zyl, S.  222 ff.; Coing, Bd. 1, S. 570. 69  Holland, S. XVIII; während Johannes de Lignano im Kodizill vom 15.02.1383 Marco selbst nur als Doktor des kanonischen Rechts bezeichnet: […] domino Marcho Decretorum doctori filio naturali ipsius condentis […], nach Bosdari, ADSPR, 29 (1901), S. 131. 70  So erwähnt Bursellis, S. 62, dass Marcus de Lignano im Jahr 1389 das schwarze Gewand angelegt habe: […] et multi alii abbates, […] dominus Marchus de Lignano […] vestes nigras induerunt. Weiterhin wird dieser Marcus ausdrücklich als Domherr der Peterskirche in Bologna bezeichnet; siehe Bursellis, S. 63. 71  Ermini, S. 29. Bursellis, S. 63 erwähnt, dass Marcus de Lignano wegen Verrats in Bologna gehängt worden sei. 72  Nach Sutermeister, S. 45 eine Verniedlichungsform von Conte zu Ehren des Großvaters – also dem Vater von Johannes de Lignano, nämlich Jacobus de Lignano, Conte de Oldrendis. 73  Über die eigentlichen Familienverhältnisse zwischen Niotus und Johannes erfahren wir nichts. Sutermeister, S. 47, schlussfolgert wohl, dass es sich bei Niotus um einen im Testament von Johannes de Lignano nicht genannten Bruder von Johannes de Lignano, nämlich Antonius, handelt. Wenn diese Annahme stimmt, dann war Antonius de Lignano offensichtlich zur Zeit der Testamentserrichtung bereits 68  Das



II. Der vorliegende Fall25

Johannes de Lignano war sichtlich bemüht, sämtliche Angehörige in seinem Testament zu bedenken.74 So vermachte er seiner Frau Novella neben ihrer Mitgift und dem daraus erlangten Gewinn auch verschiedene „Webstücke“ und setzte ihr insbesondere einen Nießbrauch an den Nachlassgütern aus. Sowohl seiner Tochter Antonia als auch seinem unehelichen Sohn Marcus vermachte er einen hohen Geldbetrag. Ebenso bedachte er seine Brüder und deren Kinder und seine Nichte Catarina. Der Wunsch, sämtliche Angehörige zu berücksichtigen, zeigt sich besonders darin, dass Johannes de Lignano in dem nur einen Tag vor seinem Tod errichteten Kodizill noch weitere Angehörige bedachte75 und zusätzlich auch den bereits im Testament bedachten Angehörigen weitere Vermächtnisse76 auslobte. Neben den vielen Vermächtnissen und Nießbräuchen, die Johannes de Lignano verschiedenen Angehörigen, (vermutlich) Freunden und Bekanngestorben, da Johannes andernfalls seinen Bruder selbst und nicht dessen Tochter bedacht hätte. Dagegen meint D’Ilario, S. 34, dass es sich bei Niotus um einen Cousin von Johannes de Lignano handelt. Wenn diese Annahme richtig ist, handelt es sich bei Catarina tatsächlich um eine Nichte zweiten Grades. Der Grund, dieser eher entfernten Verwandten ein Vermächtnis auszusetzen, dürfte dann in der engen persönlichen Bindung zu Catarina liegen, die im Haus von Johannes de Lignano aufgewachsen ist. 74  Seine nahen Angehörigen musste der Erblasser jedenfalls entweder im Testament bedenken oder ausdrücklich enterben – überging er sie jedoch stillschweigend, spräche man von einem testamentum ruptum; siehe C.6.28.4 (dazu auch Kaser, Privatrecht, Bd. 1, S. 588  f. und Coing, Bd. 1, S. 576). Jedenfalls seine Kinder musste der Erblasser bedenken; siehe Nov.115.3 und 4 (dazu auch Coing, Bd. 1, S. 611). 75  Nämlich diejenigen, die zur Zeit der Testamentserrichtung noch nicht gelebt haben und die er nicht stillschweigend übergehen durfte. Hinter dieser Regelung steht nicht zuletzt ein sittliches Gebot, nahe Angehörige nicht grundlos zu enterben; siehe Kaser, Privatrecht, Bd. 1, S. 588. 76  Namentlich seiner Tochter Antonia, der er über die bereits im Testament vermachten 1000 Ducati zusätzlich weitere 1000 Ducati als Vermächtnis auslobte. Dukatmünzen aus Gold wurden seit 1252 ursprünglich in Genua aus 3,53 g Feingold geprägt. Diese Münzart wurde in vielen Städten Italiens nachgeahmt. Zugleich wurde die Bezeichnung ducatus auri für die seit 1284 in Venedig aus Gold geprägte Münze verwendet, deren Vorläufer der ducatus argenti aus Venedig mit ca. 2,2 g Silber war. Der Name Ducatus ist schließlich seit dem 14. Jahrhundert allgemein für Goldmünzen verwendet worden. Daneben wurde dieses Wort allgemein auch für Silbermünzen verwendet, so etwa für den in Venedig bis 1797 geprägten Ducato veneto. Entstanden ist diese Bezeichnung in Ableitung der im Jahr 1140 für das Herzogtum Apulien (ducatus Apuliae) eingeführten Silbermünze. Siehe Kluge, Bd. 1, S. 125; Klimpert, S.  82 f.; Grierson, S.  219 f.; Klütz, S.  68 f.

26

A. Einführung

ten77 und verschiedenen Kirchen78 auslobte, bestimmte er insbesondere, dass die hinterlassenen Immobiliargüter nicht veräußert werden dürfen, sondern „beständig in der Familie des Erblassers bleiben“ sollen (ipsa bona perpetuo permanere intra familiam ipsius testatoris). Dieses Veräußerungsverbot ist im vorliegenden Rechtsstreit ein wichtiges Argument, das in mehreren Hinsichten verwendet wurde. Außerdem verfügte der Erblasser bei der Erbeinsetzung seines Sohnes Baptista und eventuell in Zukunft noch nachgeborener weiterer legitimer Söhne, dass, falls diese Söhne ohne eigene legitime männliche Kinder verstürben, ihr Erbteil jeweils auf ihre dann vielleicht noch vorhandenen weiteren legitimen Brüder oder deren legitime männliche Nachkommen übergehen solle. Aber wenn weder von Baptista noch von eventuell noch geborenen weiteren legitimen Söhnen des Erblassers legitime männliche Kinder vorhanden wären, dann solle der Nachlass verwertet werden, um ein Kolleg zugunsten armer Studenten zu errichten.79 Auch diese Bestimmung lieferte ein zentrales Argument im Rechtsgutachten des Felinus Sandeus. Diese testamentarischen Verfügungen waren also der Ausgangspunkt des Rechtsstreits um die Auslegung der testamentarischen Bestimmungen des Johannes de Lignano. 3. Die konkrete Rechtsfrage Wie bereits erwähnt, stritten zwei verschiedene Linien in der Nachkommenschaft des Johannes de Lignano (und noch konkreter in der Nachkommenschaft seines Sohnes Baptista). Kläger in diesem Rechtsstreit war Antonius Maria, Sohn des Georgius, der wiederum einer der Söhne des Baptista war. Beklagt wurden Cornelia und Margarita, Töchter und testamentarische Erben des Guglielmus, der ebenfalls ein Sohn des Baptista war. Sie stritten um Vermögensgegenstände im Nachlass von Guglielmus, welche von Johannes de Lignano stammten. Allerdings erwähnt Felinus Sandeus in dem hier edierten Rechtsgutachten immer nur eine Beklagte. Möglicherweise war ursprünglich nur eine der Enkelinnen beklagt. Möglicherweise wuss77  So hinterließ er dem Neffen des verstorbenen Bischofs von Bologna, Galoratus, mehrere medizinische Fachbücher. 78  Johannes de Lignano hinterließ zwei Kirchen, einer in Bologna und einer in Legnano, den Nießbrauch an verschiedenen Gütern aus dem Umland Bolognas, damit diese Kirchen im Gegenzug jährlich an seinem Namenstag eine Messe (für das Seelenheil des Erblassers) halten und an diesem Tag dann auch Almosen an die Armen geben sollten. 79  Es folgen im Testament zahlreiche Bestimmungen, nach welchen Gesichtspunkten die Studenten, die dergestalt bedacht werden sollen, auszuwählen sind.



II. Der vorliegende Fall27

te es Felinus Sandeus aber auch nicht besser, da er nur die aufgeworfenen Rechtsfragen beantwortete, ohne die dahinter stehenden Personen zu kennen. Konkret wurde gefragt, ob Guglielmus rechtswirksam durch Testament die von seinem Vorfahren Johannes de Lignano herrührenden Vermögensgegenstände nun auf seine beiden Töchter Cornelia und Margarita vererben konnte. Beide Töchter waren entweder bereits verheiratet oder konnten jedenfalls noch heiraten – sie waren also nicht Klosterfrauen.80 Antonius Maria argumentierte, dass weibliche Nachkommen, weil sie ja durch Eheschließung in eine fremde Familie übergehen, nicht mehr als „zur Familie gehörig“ im Sinne des Testaments des Johannes de Lignano bezeichnet werden können. Unser Rechtsgutachter erörtert diese Frage sehr ausführlich mit einer Fülle von Argumenten. Ausgangspunkt der gesamten Erörterung ist dabei naturgemäß das Testament des Johannes de Lignano, da der Wille des Erblassers als vorrangig zu betrachten ist.81 Und dieser Rechtsgedanke des bestimmenden Erblasserwillens, der über einer bloß am Wortlaut orientierten Auslegung steht, hat sich über das gemeine Recht, das diese Regel aus dem römischen Recht ableitete, bis ins heutige Recht fortgesetzt.82 80  Mit dem Eintritt in ein Kloster ging typischerweise ein Erbverzicht zugunsten der weiteren Verwandten einher. Dass das nicht für alle Klosterfrauen zutrifft, zeigt ein Fall vor dem Oberhof zu Neustadt an der Weinstraße aus dem Jahr 1445; siehe Erler, Bd. 1, S. 222 ff. Ausführlich zur Frage der Erbfolge von Nonnen siehe Harpprecht. 81  C.6.37.23.1c – Imp. Iustinianus: Und so ist es in allen [Fällen] festgelegt, das heißt bei Erbschaften, Vermächtnissen und Fideikomissvermächtnissen: Die Merkmale des Willens des Erblassers sind nicht anders zu erwägen, außer durch eine derartige Methode. C.6.37.23.2a am Ende – Imp. Iustinianus: […] Für alle [Fälle] beschließen wir nämlich, dass der Wille des Erblassers, der rechtmäßig [legitima] ist, vorherrschen soll. C.6.27.5.1a – Imp. Iustinianus: Aber man muss freilich diesen althergebrachten Disput hinter sich lassen. Durch uns hingegen ist eine andere Art und Weise für eine derartige Entscheidung gefunden worden, weil wir immer den Merkmalen des Willens der Erblasser folgen. Inst.2.20.2 am Ende: […] Aber unsere Konstitution, die wir mit viel Nachtarbeit geschaffen haben, hat angeordnet, dass der bekräftigte Wille der Verstorbenen begehrt wird und dass nicht die Worte, sondern deren Wille bevorzugt wird. […] 82  Diese Regel findet sich nunmehr in § 133 BGB allgemein für Willenserklärungen – und damit auch für Testamente – und in § 2084 BGB in Form der sog. wohlwollenden Auslegung speziell für Testamente. Der wahre Wille des Erblassers ist also auch nach heutigem Recht zu erforschen, und im Wege der Auslegung soll diesem Willen dann auch Genüge getan werden.

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A. Einführung

Der Versuch, den Willen von Johannes de Lignano aus den sonstigen von ihm getroffenen Testamentsverfügungen zu ergründen, ist damit das eigentliche Ziel von Felinus Sandeus. Diese Rechtsfrage wurde in einem Rechtsstreit zwischen dem Kläger Antonius Maria und den Beklagten Margarita und Cornelia geführt, der etwa im Jahr 1485 anhängig wurde und schließlich sehr lange bei der Sacra Rota Romana anhängig war – und zwar noch bis in die 1520er Jahre. Eine Quelle, die über den konkreten Ausgang des Rechtsstreits Auskunft gibt, ist bisher nicht bekannt. Die bisher gefundenen Rechtsgutachten von Felinus Sandeus und zwölf weiteren Rechtsgutachtern stützen zwar mit starker Mehrheit den Kläger, aber der späteste erhaltene klägerseitige Schriftsatz83 lässt erkennen, dass noch im spätestbekannten Stadium des Rechtsstreits ungewiss war, ob die Klage nicht doch teilweise oder sogar insgesamt abgewiesen werden würde. Für sämtliche Nachkommen, ausdrücklich auch die weiblichen, hatte der Erblasser nämlich ein immerwährendes Recht auf Wohnung auf den Liegenschaften und Lebensunterhalt aus diesen eingeräumt für den Fall, dass sie nicht anderweitig Wohnung und Lebensunterhalt haben. Auf dieses Rechtsproblem für die Erfolgsaussichten der Klage hatte der Rechtsgutachter Johannes Baptista de Lambertinis bereits im Jahr 1485 hingewiesen.84 4. Untergericht und Obergericht: Bologneser Untergericht und Sacra Rota Romana a) Das Bologneser Untergericht Dass der Rechtsstreit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lignano vor einem Bologneser Gericht in der ersten Instanz verhandelt worden ist, wissen wir aus den Anmerkungen der Konsistorialadvokaten, deren Gutachten in der Sammelhandschrift Vaticano, BAV, Vat. lat. 14094 enthalten sind.85 83  Es handelt sich dabei um den Schriftsatz des Konsistorialadvokaten Balthasar de Baldasinis, Vat. lat. 14094, fol. 480r–485v. Siehe dazu unten, A. III. 3. c) bb). 84  Von Johannes Baptista de Lambertinis sind zwei Consilia in der Handschrift Vat. lat. 14094, fol. 446r–477v und fol. 449r–460v überliefert – siehe unten, A. III. 3. b) ee). 85  Siehe oben, A. II. 4. b). Es handelt sich um die erwähnten Gutachten der Konsistorialadvokaten Johannes Bartholomaeus Dossis (Vaticano, BAV, Vat. lat. 14094, fol. 406r–v, 417r–v) und Melchior de Baldasinis (Vaticano, BAV, Vat. lat. 14094, fol. 480r–485r).



II. Der vorliegende Fall29

Da die Rota Bononiensis jedoch erst im Jahr 153486 errichtet wurde, kommt sie nicht als erstinstanzliches Gericht in Frage. Vor welchem der möglichen Gerichte87 in Bologna88 der Fall daher in der ersten Instanz verhandelt worden ist, lässt sich aus den vorliegenden Consilia nicht sagen. Man könnte, um das Untergericht näher zu bestimmen, das Archivio di Stato di Bologna nach Unterlagen zu diesem Fall durchsuchen – immerhin werden dort für die in Frage kommende Zeit ab etwa 1460 bis etwa 148089 mindestens zwei Sammlungen als mögliche Fundorte genannt.90 Dieser immense Rechercheaufwand muss jedoch späteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Es lassen sich dennoch einige Aussagen zu den konkret in Frage kommenden Untergerichten für den genannten Zeitraum treffen. Neben dem Podestà91 als dem der Stadtverwaltung vorstehenden Stadtoberhaupt, der damit zugleich richterliche Gewalt innehatte und diese durch die seiner familia angehörigen Richter ausüben ließ, gab es als zweite, davon unabhängige Justizmacht den Capitano del popolo92. Damit existierten im weltlichen Recht zwei verschiedene mögliche Gerichtsherrn in Bologna.93 Zugleich war aber die weltliche Gerichtsbarkeit sehr stark von den tatsächlichen politischen Verhältnissen in Bologna in der für uns interessanten Zeit abhängig. Es gilt daher zu klären, wie die Machtverhältnisse am Ende des 15. Jahrhunderts in Bologna aussahen. 86  Boris/Zio, S. 131. Malagola, Giorn. araldico-genealogico-diplomatico, 7 (1879/ 80), S. 217 gibt erst 1535 als Gründungsjahr der Rota di Bologna an. 87  Die komplizierte Struktur parallel zuständiger, konkurrierender Gerichte in den italienischen Stadtstaaten des 14. und 15. Jahrhunderts wird sehr ausführlich am Beispiel Florenz dargestellt bei Colli, Acta civilia, insbesondere S. 273 ff., der mindestens drei parallel zuständige Zivilgerichte benennt. Für Bologna dürften im hier interessanten Zeitraum als mögliche Gerichte das des Podestà, des Capitano del popolo und das bischöfliche Gericht in Frage kommen. 88  Zur verwickelten Geschichte Bolognas im späten Mittelalter siehe den hervorragenden Überblick bei Fasoli, LexMA, Bd. 2, Sp. 372–374. 89  Zur zeitlichen Einordnung des Rechtsstreits siehe sogleich A. III. 4. 90  Nämlich Giudici ai dischi in materia civile und Ufficio del giudice al disco dell’orso. Daneben kommt auch Giudici del capitano del popolo in Frage. Siehe zu allen Bereichen des Archivio di Stato di Bologna Tamba/Zanni Rosiello, S. 571–575. 91  Zum Amt und Titel des Podestà siehe unten, A. III. 1. b). 92  Dieses Amt war 1256 errichtet worden, um einen Ausgleich und eine Kontrollinstanz für die Machtfülle des Podestà zu schaffen; siehe Fasoli, LexMA, Bd. 2, Sp. 372. 93  Die verwirrende und in der zweiten Hälfte des 14. und ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch wiederholt wechselnde Verwaltungsstruktur einschließlich der Justizstruktur wird sehr schön beschrieben von Montorsi, Bull. Stor. Ital., 73 (1961), S. 165 ff., insbesondere S. 176–194.

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A. Einführung

In Bologna war Anfang des 15. Jahrhunderts die Familie Bentivolus94 an die Spitze der Stadtregierung in Form der Signoria95 gelangt. Der Name dieser später so einflussreichen Familie lässt sich seit dem 13. Jahrhundert in Bologna nachweisen.96 Für uns interessant ist dabei vor allem Johannes II. Bentivolus (1443–1508)97, der von 1463 bis 1506 als „erster Bürger“ faktischer Alleinherrscher in Bologna war.98 Zwar war während dieser Zeit Bologna nominell Teil des Kirchenstaates99 mit dem jeweiligen Papst100 als obersten Herrn101, jedoch lenkte Johannes II. Bentivolus die Geschicke der Stadt102 tatsächlich allein.103 Er stützte diese autokratische Herrschaft möglicherweise auch dadurch, dass er den Titel104 des Podestà von Bologna

94  Zum Einfluss dieser Familie auf das Gemeinwesen Bolognas siehe Bocchi, Bentivoglio, LexMA, Bd. 1, Sp. 1920–1921. 95  Als Signoria wird die in den ober- und mittelitalienischen Städten zum Teil seit Mitte des 13. Jahrhunderts bis zum 15. Jahrhundert vorzufindende monokratische Herrschaftsform bezeichnet. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass der oberste Stadtherr diese Stellung einnimmt, ohne dass er typischerweise dazu durch die Bürgerschaft oder etwa den Landesherrn ermächtigt wurde. Siehe Lunari, LexMA, Bd. 7, Sp. 1891–1894. 96  Dolfi, S. 102 ff. Dort findet sich eine ausführliche Darstellung der Geschicke der Familie Bentivolus in Bologna. 97  Bocchi, Giovanni II, LexMA, Bd. 1, Sp. 1922–1923; Caro, Giovanni Bentivoglio, DBI, Bd. 8, S. 622–632. 98  Benedictis, S. 14. 99  Siehe Colliva, Bd. 2, S. 14, 20 f. 100  Erst Papst Julius II. suchte, die tatsächliche Souveränität über Bologna wieder­ herzustellen. Das gipfelte in der Machtaufgabe durch Johannes II. Bentivolus im Jahr 1506. Siehe Bocchi, Giovanni II, LexMA, Bd. 1, Sp. 1922. Zu Papst Julius II.: Giuliano della Rovere (1443–1513) siehe Immenkötter, BBKL, Bd. 3, Sp. 811–815; Klaczko. 101  Die Verwicklungen in der politischen Struktur Bolognas im 15. Jahrhundert mit häufig wechselnden Macht- und Herrschaftsverhältnissen werden sehr gut dargestellt bei Tamba, Qu. Cult. Bologn. 2 (1978), insbesondere S. 16–21. 102  Über die Regierungszeit und den Regierungsstil von Johannes II. Bentivolus berichten sehr ausführlich Trombetti Budriesi, insbesondere S. 40–51, Colliva, Bd. 2, S. 20–22 und Caro, Giovanni Bentivoglio, DBI, Bd. 8, S. 622–632. 103  Ady, TRHS, 17 (1934), S. 52 f.; Bocchi, Bentivoglio, LexMA, Bd. 1, Sp. 1920 f. 104  Die Herrschaftsform der Signoria entwickelte sich in ober- und mittelitalienischen Stadtstaaten aus dem Amt des Podestà. Zunehmend entstand die Tendenz, dieses Amt innerhalb der eigenen Familie zu vererben und schließlich in eine dauerhafte und zeitlich gerade nicht mehr begrenzte Herrschaft umzuwandeln; siehe Salzer, S. 27 und 40. Nach der Machtfestigung der Signoria durch die herrschenden Familien trennte sich das Amt des Podestà auch wieder von der Position des Signore. Die Podestà wurden dann durch den Signore der Stadt eingesetzt und waren diesem untergeben; siehe Salzer, S. 256.



II. Der vorliegende Fall31

annahm.105 Einen Titel, der die eigentlich nur einem Landesherrn zukommende Machtfülle begründen könnte, hatten die Herrscher aus der Dynastie Bentivolus jedoch regelmäßig nicht.106 Vielmehr traten sowohl Xantus I. Bentivolus (1424–1463)107 als auch sein (für uns interessanterer) Nachfolger Johannes II. Bentivolus „nur“ mit dem Titel eines vexillifer iustitiae (Führer des Banners der Gerechtigkeit)108 auf.109

Diese in einigen Stadtstaaten Oberitaliens neben dem Signore zu findenden Podestà hatten nur noch technische Verwaltungsaufgaben und keinesfalls mehr die zu früheren Zeiten mit diesem Amt einhergehende Machtposition inne. Jener Titel war daher zur Zeit der Signoria den Herrschaftsanspruch betreffend inhaltsleer. Siehe auch Lunari, LexMA, Bd. 7, Sp. 1893. 105  So ist wohl Ady, TRHS, 17 (1934), S. 58 zu verstehen. Simeoni, Bd. 2, S. 605 geht demgegenüber wohl davon aus, dass Johannes II. Bentivolus gerade keinen Titel innehatte. Auch Fantuzzi, Bd. 2, S. 85 bezeichnet ihn nur als Oberhaupt des Senats von Bologna und nennt keine weiteren Titel. Typischerweise, jedoch keinesfalls immer, hat der Signore seinen Machtanspruch auch durch die Titel des Podestà und des Capitano del popolo auf eine rechtliche Grundlage gestützt; siehe Lunari, LexMA, Bd. 7, Sp. 1892 f.; Roddico, S. 80 f. Ganz entsprechend zur Machtausdehnung im Amt des Podestà durch die Vererblichkeit und schließlich auch die Aufhebung der Begrenzung der Amtszeit entwickelte sich auch das Amt das Capitano del popolo, das auch zur Stärkung der Position der Signoria genutzt wurde; siehe Salzer, S. 256. Zur Ämterhäufung des Signore siehe insbesondere auch Roddico, S.  216 ff. Ob Johannes II. Bentivolus den Titel des Podestà und möglicherweise auch den des Capitano del popolo angenommen hat, kann jedoch nicht mit Sicherheit gesagt werden. Montorsi, Bull. Stor. Ital., 73 (1961), S. 208 f., 214 ff. nennt für den Zeitraum direkt vor der Herrschaft von Johannes II. Bentivolus mehrere Personen, die den Titel eines potestas et capitaneus balie civitatis Bononie trugen und nicht zugleich der herrschenden Familie angehörten. Diese Funde, die eher die kurzen Zwischenzeiten betreffen, in denen Stadtoberhäupter mit einem weniger autokratischem Stil in Bologna herrschten, lassen sich aber nicht ohne weiteres auf die Herrschaftszeit der Bentivoli übertragen, da, wie beschrieben, die Herrschaftsstrukturen im 15. Jahrhundert in Bologna innerhalb sehr kurzer Zeitabstände mehrfach wechselten und nur zeitweise Alleinherrscher, wie Johannes II. Bentivolus, als Signore an der Macht waren. 106  Bocchi, Giovanni II, LexMA, Bd. 1, Sp. 1922. Montorsi, Bull. Stor. Ital., 73 (1961), S. 214 f. weist darauf hin, dass die verschiedenen Titel in der Justizverwaltung, nämlich potestas et capitaneus, senator cum baylia, senator baylie populi et civitatis Bononie und insbesondere executor iustitiae gerade während der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und damit in der Herrschaftszeit von Johannes II. Bentivolus nicht mehr klar zuzuordnen sind und auch keine Trennschärfe festzustellen ist. Es lässt sich daher nicht mit Sicherheit sagen, welche Titularstellung die Stadtherrscher in dieser Zeit innehatten. 107  Bocchi, Sante, LexMA, Bd. 1, Sp. 1923; Banti, DBI, Bd. 8, S. 641–644. 108  Nach Hüllmann, Bd. 3, S. 414 war der „Gerichtsfahnenführer“ (ital. Gonfaloniere di Giustizia) das Vollstreckungsorgan für die Strafurteile des Podestà und insofern auch von diesem abhängig.

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A. Einführung

Gleichwohl bildeten sowohl der Podestà als auch der vexillifer iustitiae üblicherweise zusammen mit den insgesamt acht Stadtältesten (senatores) – aus jedem Stadtteil zwei – nach der Stadtverfassung Bolognas den regierenden Rat unter der Oberherrschaft des Landesherrn in Form des Papstes, der wiederum durch seinen Legaten als Statthalter110 vertreten wurde.111 Mit dem Signore Johannes II. Bentivolus wohl als Mitglied des höchsten Rates in der Stadt, jedenfalls aber als faktischem Stadtherrn und dem Papst als dem obersten Herrn von Bologna kommen daher verschiedene Gerichte für den Rechtsstreit um das Testament des Johannes de Lig­ nano in Betracht: Denkbar ist, dass der Rechtsstreit in erster Instanz vor einem Einzelrichter des betroffenen Stadtteils entschieden wurde und dann in nächster Instanz vor das Gericht des Podestà oder im Rahmen der parallel dazu existierenden popolaren Gerichtsbarkeit an den Capitano del popolo gelangte.112 Denkbar ist aber auch, dass der Rechtsstreit schon in erster Instanz vor dem Gericht des Podestà oder dem Capitano verhandelt wurde.113 Daneben ist ebenso denkbar, dass der Rechtsstreit in erster Instanz vor dem Bischof der Diözese Bologna oder vor einem bischöflichen delegierten 109

Dieser Titel war demnach im Rang deutlich niedriger als der des Podestà oder des Capitano del popolo. 109  Bursellis, S. 97; Colliva, Bd. 2, S. 20; Caro, Giovanni Bentivoglio, DBI, Bd. 8, S. 623 und 625. 110  Zur Zeit der Signoria der Familie Bentivoli waren jedoch die päpstlichen Statthalter eher schwach und wurden tatsächlich von den Granden der Stadt Bologna dirigiert; siehe Colliva, BD. 2, S. 21. 111  Hüllmann, Bd. 3, S. 414 f. 112  Lepsius, Zeugenbeweis, S. 5. Siehe auch Nörr, Prozessrecht, S. 19. 113  In der frühen Zeit des Einzelrichtertums nach Einführung der Podestà-Verfassung und der parallelen popolaren Gerichtsverfassung war vielfach eine Appellation außerhalb der entsprechenden Stadt untersagt (privilegium de non appellando). In diesen Fällen wirkte das Gericht des Podestà bzw. des Capitano del popolo als Kontrollinstanz innerhalb der Stadt. Dieser Zustand änderte sich jedoch mit der Einführung der Signoria vielfach wieder; siehe Lepsius, Zeugenbeweis, S. 5. Außerdem war Bologna jedenfalls formell Teil des Kirchenstaats, weswegen eine Appellation an die Sacra Rota Romana gerade nicht den Staat verließ und ein privilegium de non appellando nicht nötig war. Wenn also eine Appellation außerhalb Bolognas nach Rom möglich war, wirkten das Gericht des Podestà und das des Capitano del popolo innerhalb Bolognas als erstinstanzliche Gerichte, die jedoch durch Einzelrichter (etwa die Richter aus der familia des Podestà) entschieden. Zum privilegium de non appellando siehe etwa Eisenhardt, Privilegia, S. 12 ff. und 19 ff. (jedoch vorrangig auf die deutschen Gebiete ab dem 14. und 15. Jahrhundert bezogen); Eisenhardt, ZRG Ger, 86 (1969), S. 79 ff; Buchda, HRG, Bd. 1, Sp. 200–201; Wetzell, S.  364 f.; Schadow, HRG, Bd. 3, Sp. 2011; Kroeschell, LexMA, Bd. 1, Sp. 805.



II. Der vorliegende Fall33

Richter verhandelt wurde, da im römisch-kanonischen Prozessrecht114 insbesondere Testamentsangelegenheiten115 als causae spiritualibus annexae116 vor kirchlichen Gerichten verhandelt wurden.117 Bei einer erstinstanzlichen Verhandlung in Bologna war der Papst sowohl für das weltliche Gericht als Landesherr von Bologna als auch für das kirchliche Gericht aufgrund der innerkirchlichen Hierarchie als Appella­ tionsinstanz zuständig.118 b) Die Sacra Rota Romana Der vorliegende Rechtsfall wurde vor der Sacra Rota Romana als Berufungsinstanz verhandelt, wie wir aus der Rechtsdarstellung des Konsistorial­ advokaten Johannes Bartholomaeus Dossis erfahren.119 114  Zum Verhältnis der päpstlichen Rechtsetzung im Komplex des gemeinrechtlichen Verfahrensrechts siehe Nörr, Dekretalen. 115  Mornacius, S. 63 (in der Kommentierung zu C.1.4.8) meint, dass Testamente deshalb zu den causae spiritualibus annexae gehören, „so dass fast alle Testamente immer von zwei Notaren ausgefertigt werden sollten, zum einen von einem königlichen und zum anderen von einem apostolischen“ ([…] quod testamenta fere omnia conscriberentur a duobus semper Notariis, altero Regio, altero Apostolico.) C.1.4.8 – Imp. Arcadius, Honorius, Theodosius: Das bischöfliche Gericht soll für alle [Personen] zuständig sein, die gewählt haben, von Priestern vernommen zu werden. Und dem Urteil jener [Priester] ist diejenige Ehrfurcht zu erweisen, die sich notwendig [auch] auf eure Amtsgewalt bezieht, von der zu appellieren nicht erlaubt ist. Damit das bischöfliche Urteil nicht nichtig werde, wird dem Urteilsspruch durch [unser] Gericht und auch [unser] Amt die [Kompetenz der rechtlichen] Vollstreckung verliehen. 116  Das römisch-kanonische Prozessrecht ging von der Prämisse aus, dass bestimmte Sachen als causae spirituales naturgemäß der kirchlichen Gerichtsbarkeit zuzuordnen sind, nämlich all die Sachen, die die innere Verwaltung der Kirche oder auch „nur“ die Kleriker direkt betrafen. Daneben wurden dann auch solche Sachen, die sowohl ein bürgerliches (und damit weltliches) als auch ein kirchliches Element in sich trugen, als causae spiritualibus annexae der kirchlichen Gerichtsbarkeit zugesprochen. Dazu gehörten ganz allgemein Ehesachen (einschließlich von Streitigkeiten um die Mitgift), Begräbnisangelegenheiten, Testamente, beeidete Verträge, Wuchersachen, Benefizial- und Patronatssachen und ganz allgemein Sachen der piae causae und der personae miserabiles. Des Weiteren zog die Kirche auch die Rechtssprechung in weiten Teilen des Strafrechts an sich. Siehe Cirinus, S. 16 f. Nr. 47; Sägmüller, Bd. 1, S. 44 f., Bd. 2, S. 313 f.; Schulte, Kirchenrecht, Bd. 2, S. 411 ff.; Wetzell, S.  338 ff.; Herde, Bd. 1, S. 213 f., 241, 286; Nörr, Prozessrecht, S. 5; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 26. Herde, Bd. 1, S. 356 schreibt demgegenüber Ehesachen den causae spirituales zu. 117  Sägmüller, Bd. 2, S. 313 verweist dafür auch auf die durchaus zahlreichen Dekretalen von Papst Gregorius IX. in seinem Liber Extra (X.3.26). 118  Siehe Nörr, ZRG Kan, 124 (2007), S. 228. 119  Siehe schon oben, A. II., Fn. 16.

34

A. Einführung

Aber auch aus einer weiteren Quelle erfahren wir, dass der Rechtsstreit bei der Sacra Rota Romana anhängig gewesen sein muss: aa) Rotaauditor Antonius Trivultius Die dieser Dissertation zugrunde liegende Handschrift Vaticano, BAV, Vat. lat. 14094 enthält eine den hier fraglichen Rechtsstreit betreffende Stellungnahme, verfasst durch den Konsistorialadvokaten Melchior de Baldasinis120 und adressiert an „domino Trivultio“.121 Die Art und Gestaltung des Schriftstücks und der Adressierung lässt keinen Zweifel zu, dass es sich beim Empfänger um den Richter handelt, vor dem seinerzeit der Rechtsstreit anhängig war, und zwar um einen Auditor der Sacra Rota Romana. Man findet in der Literatur verschiedene Angaben zu Personen mit dem Namen Trivultius in Verbindung mit Auditoren der Sacra Rota Romana, nämlich Antonius de Trivultiis, Johannes Trivultius und Johannes Antonius de Trivultio. Unabhängig von der Frage, ob sich die drei verschiedenen Namen nicht tatsächlich auf dieselbe Person beziehen122, handelt es sich beim gesuchten Rotarichter jedenfalls um einen Spross der adligen Familie Trivulzio aus Mailand. Diese Familie stammte wohl ursprünglich aus Frankreich.123 Neben Johannes Jacobus Trivultius (ca. 1440–1518)124, einem berühmten 120  Zu

Melchior de Baldasinis siehe unten, A. III. c) bb). oben, A. II. Die Handschrift ist in der Vatikanbibliothek zu finden, Vat. lat. 14094, fol. 480r–485v: Melchior de Baldasinis advocatus, Informatio iuris in causa Bononiensis heredatis, coram domino Trivultio. 122  Zu den beiden weiteren genannten Namen sogleich. Zu „Iohannes Trivultius“ finden sich immerhin einige Daten bei Katterbach, S. 69, Nr. 25, S. 80 Nr. 48 und S. 82, Nr. 14 – so soll er von 1511 bis 1523 Referendarius an der Sacra Rota Romana gewesen und schließlich 1525 verstorben sein. Katterbach gibt in seinen Beschreibungen zu diesem Namen selbst an, dass es sich tatsächlich um „Iohannes Antonius Trivulzi“ handelte. Die bei Burchardus, Bd. 2, S. 470 zu findende Angabe, dass „Iohannes“ am 08.01.1505 zum Auditor an der Sacra Rota Romana bestellt worden sei, dürfte sich ebenfalls auf Johannes Antonius Trivultius = Antonius Trivultius beziehen. Es ist zu vermuten, dass der Vorname Johannes nicht immer bei Antonius Trivultius mit angegeben wurde, so wie ja auch umgekehrt (etwa bei Katterbach) der Name Antonius bei Johannes Trivultius nicht immer mit aufgeführt wurde. 123  Zedler, Bd. 45, Sp. 970. 124  Ausführlich zu Johannes Jacobus Trivultius siehe Rosmini und Courcelles, Bd. 9, S. 362–365; zu seinem Wirken in den Geschicken der Stadt Genua siehe Gallus, insbesondere S. 44 ff. 121  Siehe



II. Der vorliegende Fall35

Heerführer für Frankreich, tat sich auch dessen älterer Bruder Johannes Firmus Trivultius, zu dem wir weiter nichts wissen, als herzoglich Mailändischer Rat hervor.125 Johannes Firmus Trivultius wiederum war Vater von Antonius Trivultius, einem Doktor beider Rechte126, Adligen127 und Kleriker aus Mailand128, der wohl auch Protonotarius129 und Referendar130 an der Kurie war. Dieser Antonius Trivultius, unser wahrscheinlicher Rotaauditor, wirkte seit dem 26.07.1499 in Asti als Bischof.131 Er ist von Papst Julius II. entweder am 08.01.1505132 oder am 03.08.1507133 zum Auditor an der Sacra Rota Romana ernannt worden. Antonius Trivultius wurde am 31.07.1508 als Bischof nach Piacenza versetzt134, verließ seine dortige Stellung aber schon im darauffolgenden Jahr wieder, um seit dem 09.01.1509 wiederum in Asti als Bischof zu dienen.135 Die von Papst Julius II. vorgenommene Einsetzung als Bischof zu Piacenza wurde am 19.03.1513 von Papst Leo X. bestätigt.136 Antonius Trivultius war ab dem 08.01.1518 Coadjutor des Bischofs zu Co125  Zedler,

Bd. 45, Sp. 972. jedenfalls in einer Urkunde von Papst Julius II. im Juli 1508; siehe Cerchiari, Bd. 3, S. 251. 127  Frenz, Kanzlei, S. 388, Nr. 1398. 128  Cerchiari, Bd. 2, S. 84. Nach Frenz, Kanzlei, S. 388, Nr. 1398 war (Johannes) Antonius Trivultius capellanus und archipresbyter in Mailand. 129  Zedler, Bd. 45, Sp. 969; Eubel, Bd. 2, S. 97. 130  Frenz, Kanzlei, S. 388, Nr. 1398 gibt als Zeitraum für die Tätigkeit als referendarius 1511 bis 1523 an. 131  Eubel, Bd. 2, S. 97. 132  Burchardus, Bd. 2, S. 470; ebenso Frenz, Kanzlei, S. 388, Nr. 1398. Auch Katterbach, S. 69 Nr. 25 bestätigt das insofern, als er die Bestellung zum Auditor im Jahr 1504 oder 1505 annimmt. Weiterhin gibt Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 210 an, dass Trivultius seine Stellung jedenfalls bald nach dem 08.01.1505 innehatte. Cerchiari, Bd. 2, S. 86 nimmt ebenfalls 1504 oder 1505 als Datum der Bestellung zum Rotaauditor in der Nachfolge von Mercurius de Vipera an. Allerdings gibt Cerchiari, Bd. 2, S. 79 an, dass Johannes Antonius Trivultius im Jahr 1504 oder 1505 die Nachfolge von Antonius Corsetus angetreten habe. 133  Göller, AfkKR, 91 (1911), S. 43. 134  Eubel, Bd. 2, S. 97, Bd. 3, S. 275. 135  Eubel, Bd. 3, S. 121; Zedler, Bd. 45, Sp. 969; das stimmt mit der Darstellung bei Ughello, Bd. 2, Sp. 233 überein. Dieser schnelle Wechsel zurück nach Asti könnte damit zusammengehangen haben, dass die Aufgabenfülle als Bischof von Piacenza tatsächlich deutlich größer gewesen sein dürfte, als diejenige in dem wesentlich kleineren und abgelegeneren Bistum Asti. Im Vergleich dürfte sich die Tätigkeit in Asti wohl darauf beschränkt haben, die Pfründen einzunehmen. Insofern dürfte der Bischofsposten in Asti gerade für einen adligen Amtsträger wesentlich interessanter gewesen sein. 136  Eubel, Bd. 3, S. 275. 126  So

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A. Einführung

mo, nämlich seines Bruders Kardinal Scaramutia Trivultius.137 Im Anschluss daran nahm er jedoch ab dem 26.09.1519 wieder die Stellung als Bischof zu Asti an.138 Zu diesem Lebenslauf passt, dass in den Protokollbüchern der Rotanotare erneut ein „Johannes Antonius Trivultius“ erwähnt wird: Diesen Angaben ist zu entnehmen, dass er am 15.11.1522139 gestorben ist. Ob er auch bis zu diesem Datum Rotaauditor war, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen.140 Nach einer anderen Quelle141 soll er jedoch bereits am 16.03.1508 verstorben sein. Der Widerspruch zwischen diesem Todesdatum und den späteren Nachweisen seiner Tätigkeit als Bischof und Rotaauditor lässt sich möglicherweise mit einer Namensverwechslung erklären. Der Großcousin von dem eben beschriebenen Antonius Trivultius hieß ebenfalls Antonius Trivultius. Dieser zweite Antonius war der Sohn von Petrus Trivultius, der wiederum der ältere Bruder von Antonius Trivultius, dem Vater von Johannes Firmus Trivultius – Vater des erstgenannten Antonius, war. Jener zweite Antonius Trivultius, der Sohn des Petrus Trivultius, wurde 1449 geboren142 und wurde schließlich Doktor beider Rechte143. Am 27.08.1487 setzte Papst Innocentius VIII144 ihn als Bischof von Como ein.145 Am 28.09.1500 kreierte ihn Papst Alexander VI146 auf Empfehlung147 137  Eubel, Bd. 3, S. 182; Zedler, Bd. 45, Sp. 969. Siehe auch Fabriczy, Jb. Königl.-Preuß. Kunstsamml., 17 (1896), S. 186. 138  Eubel, Bd. 3, S. 275. 139  Hoberg, RQ, 48 (1953), S. 65. Derselbe Autor gibt jedoch in Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 210 als Sterbedatum eine Zeit zwischen dem 15.11.1522 und dem 1.12.1522 an. Cerchiari, Bd. 2, S. 86 nimmt schließlich den 19.11.1522 als Sterbedatum an. 140  Frenz, Kanzlei, S. 388, Nr. 1398 gibt an, dass Trivultius das Amt des Auditors der Sacra Rota Romana nur bis zum 19.3.1513 innegehabt habe. Das scheint jedoch nicht zu stimmen, da Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 210 als letzten nachgewiesenen Eintrag von Trivultius als Auditor in einem Rotamanual, einem Protokollbuch der Rotanotare, den 31.12.1517 erwähnt. Daraus kann allerdings noch nicht geschlossen werden, dass Trivultius danach nicht mehr als Rotaauditor tätig gewesen ist, da zahlreiche Rotamanuale im Laufe der Geschichte verschollen sind. 141  Eubel, Bd. 3, S. 7. 142  Fabriczy, Jb. Königl.-Preuß. Kunstsamml., 17 (1896), S. 186. 143  Zedler, Bd. 45, Sp. 975. 144  Giovanni Battista Cibo (1432–1492) siehe Seiffer, BBKL, Bd. 2, Sp. 1292– 1293. 145  Übereinstimmend Zedler, Bd. 45, Sp. 975 und Eubel, Bd. 2, S. 140. Siehe auch Fabriczy, Jb. Königl.-Preuß. Kunstsamml., 17 (1896), S. 186. 146  Rodrigo Lanzol, später Rodrigo Borgia (1430–1503) siehe Bautz, BBKL, Bd. 1, Sp. 104–105. 147  Fabriczy, Jb. Königl.-Preuß. Kunstsamml., 17 (1896), S. 186.



II. Der vorliegende Fall37

des Königs Ludwig XII. von Frankreich148 zum Kardinal. Antonius Tri­ vultius, Sohn des Petrus Trivultius, verstarb am 18.03.1508.149 Zedler erwähnt jedoch am Rande, dass dieser Kardinal Antonius Trivultius von Papst Alexander VI. deswegen zum Kardinal ernannt worden sei, weil er vorher Protonotarius und Auditor der Sacra Rota Romana gewesen sei.150 Man darf aber vermuten, dass auch Zedler der Namensverwechselung ­zwischen den beiden Personen mit dem Namen Antonius Trivultius aufgesessen ist, da sich keinerlei Nachweise finden, die einen Auditor mit dem Namen (Johannes) Antonius Trivultius vor dem 28.09.1500 erwähnen. Es ist daher zu anzunehmen, dass tatsächlich nur der erstgenannte Antonius Trivultius, Sohn des Johannes Firmus Trivultius, zum Rotaauditor bestellt worden ist. Aus alldem kann mit einiger Sicherheit geschlussfolgert werden, dass die drei anfangs genannten Namen tatsächlich alle ein und dieselbe Person bezeichnen, nämlich Antonius Trivultius, Sohn des Johannes Firmus Trivultius, der im Jahr 1505 oder 1507 zum Auditor bestellt worden ist und im Jahr 1522 verstarb. bb) Rotaauditor Johannes Staphileus In einer weiteren parteiischen Rechtsdarstellung durch den Konsistorialadvokaten Johannes Bartholomaeus Dossis151, welche sich ebenfalls in der Sammelhandschrift der Vatikanbibliothek Vat. lat. 14094 findet, erfahren wir, dass der Fall zudem irgendwann vor einem anderen Rotaauditor anhängig war, nämlich vor Staphileus.152 Dass für den Rechtsstreit um das Testament des Johannes de Lignano zwei verschiedene Rotaauditoren in den Quellen auftauchen, ist nichts Ungewöhnliches, da in manchen Prozessen nacheinander durchaus verschiedene Auditoren zugewiesen wurden – etwa weil der Fall über die Amtszeit des eigentlich zugewiesenen Auditors hinaus anhängig war oder weil gegen ein Urteil des erstzugewiesenen Auditors appelliert wurde, so dass das Appellationsverfahren einem anderen Auditor kommittiert wurde.

Vater des Volkes [le père du peuple] (1462–1515); siehe Bordonove. Bd. 2, S. 140, Bd. 3, S. 7; mit diesem Hergang stimmt auch Zedler, Bd. 45, Sp. 975 f. überein. 150  Zedler, Bd. 45, Sp. 976. 151  Zu Johannes Bartholomaeus Dossis siehe unten, A. III. c) aa). 152  Vaticano, BAV, Vat. lat. 14094, fol. 406r–v, 417r–v: Johannes Dossis advocatus: Informatio iuris in causa Bononiensi bonorum de Lignano coram Sacra Rota Romana, coram Staphileo. 148  Beiname 149  Eubel,

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A. Einführung

Johannes Staphileus ist in verschiedenen Primärquellen als Rotaauditor belegt.153 Er stammte aus Dalmatien und war jedenfalls schon vor dem 10.05.1510 von Papst Julius II. zum Rotaauditor ernannt worden.154 Im Jahr 1512155 wurde er Bischof zu Šibenik156 (ital. Sebenico; an der Adriaküste im heutigen Kroatien).157 Diese Stellung behielt er auch bis zu seinem Tod am 22.07.1528158. cc) Geschichte der römischen Rota Um den Rechtsstreit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lignano als solchen und die dazu ergangenen Rechtsgutachten zeitlich und inhaltlich einordnen zu können, soll an dieser Stelle ein Überblick über die geschichtlichen Entwicklungen der Sacra Rota Romana gegeben werden. 153  So etwa in den zu den Registern der päpstlichen Kanzlei gehörigen und im geheimen vatikanischen Archiv aufbewahrten Annatae et Obligationes Communes, nämlich in Band 63, fol. 92r; nach Frenz, RORC, http://wwws.phil.uni-passau.de/ histhw/RORC. Auch findet man ihn als Johannes Staphileus, episcopus Sibenicensis und päpstlichen Auditor in einer Urkunde vom 06.11.1521 in einem Rechtsstreit des Benediktinerklosters Weingarten; Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, B 552 III U 1269. Weiterhin gibt es in der Rare Book & Manuscript Library der University of Pennsylvania eine Handschrift (MS. Coll. 742, Folder 76) aus dem Jahr 1517, in der Johannes Staphileus als Rotaauditor einen Rechtsstreit in der Berufungsinstanz entschied, nämlich zwischen den beiden Brüdern Aeneas und Silvius, Söhnen von Jacobus Todeschinus Piccolomineus, der wiederum der Sohn des Johannes Todeschinus Piccolomineus war, um die Verwaltung eines Grundstücks. (Der Adelige Johannes Todeschinus, Sohn des Petrus Todeschinus, nahm, nachdem er von Papst Pius II, dessen weltlicher Name Aenaeas Silvius Piccolomineus war, adoptiert worden war, dessen Nachnamen zusätzlich zu seinem eigenen an; siehe Buddeus, Bd. 3, S. 371.) Auch in Notariatsinstrument vom 03.09.1515, das sich im Diözesanarchiv St. Pölten befindet (Diözesanarchiv St. Pölten, I/03–01/07–08 1515 IX 03), wird über einen Rechtsstreit berichtet, in dem Johannes Staphileus als Auditor entschieden hat. 154  Das gibt Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 212 mit Bezug auf ein Rotamanual an, das ihn seit diesem Tag verzeichnet. Ebenso Cerchiari, Bd. 2, S. 84. 155  Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 212 benennt den 22.05.1512 als Datum ante quem. 156  Die Pfründe dieser Stellung belief sich nach Eubel, Bd. 3, S. 299 auf 150 Floreni. Das war jedoch zu wenig für eine Ernennung zum Rotaauditor. Daraus lässt sich schließen, dass Staphileus entweder wohlhabend war oder ihm noch eine weitere Präbende zustand. Siehe dazu unten, A. II. 4. b) ff) und Fn. 221. 157  Zedler, Bd. 39, Sp. 1223; Eubel, Bd. 3, S. 299. 158  Eubel, Bd. 3, S. 299; ebenso Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 212. Cerchiari, Bd. 2, S. 84 nimmt den 01.10.1528 als Todestag an. Auch Göller, AfkKR, 91 (1911), S. 45 gibt 1528 als Todesjahr an. Eubel, Bd. 3, S. 299 schließlich verweist auf ein mögliches früheres Todesdatum schon im Jahr 1524.



II. Der vorliegende Fall39

Die römische Rota war seit dem 13. Jahrhundert bis 1870159 und seit der Wiedererrichtung im Jahr 1908 durch die Konstitution „Sapienti consilio“160 von Papst Pius X161 ein höchstes Gericht162 der katholischen Kirche. Die 159  Die Sacra Rota Romana verlor im 16. Jahrhundert zusehends ihre Rechtsprechungskompetenzen im kirchlichen Recht. Immer mehr dieser Kompetenzen gingen auf die Kurie und damit die Verwaltung der katholischen Kirche über. Ihren Höhepunkt fand diese Entmachtung für kirchenrechtliche Streitigkeiten im Jahr 1588 mit der Einsetzung der römischen Kongregationen, eigentlich nur als Verwaltungsbehörden, und der Übertragung der kirchenrechtlichen Streitigkeiten auf diese durch Papst Sixtus V; siehe Schneider, Rota, Bd. 1, S. 78; Schneider/Ewers, LThK, Bd. 9, Sp. 63; Becker, Höchstgerichte, S. 11 f. Der Niedergang der Römischen Rota auch als weltliches Gericht begann spätestens mit der französischen Revolution und endete schließlich mit dem Untergang des Kirchenstaats im Jahr 1870; siehe Schneider, Rota, Bd. 1, S. 91; Schneider/Ewers, LThK, Bd. 9, Sp. 63. Zu Papst Sixtus V.: Felice Peretti (1521–1590) siehe Feld, BBKL, Bd.  10, Sp. 599–609. 160  Mit dieser Konstitution vom 29.06.1908, Inkrafttreten am 03.11.1908, wurden sowohl die Rota Romana als auch die Signatura Apostolica wiedererrichtet. Damit erlangte die Sacra Rota Romana wieder kirchenrechtliche Rechtsprechungskompetenzen, nämlich insbesondere als Berufungsgericht für Ehenichtigkeitsstreitigkeiten; ausführlich zu den Kompetenzen siehe Lefèbvre, DDC, Bd. 7, Sp. 755 f. 161  Guiseppe Sarto (1835–1914) siehe Denzler, BBKL, Bd. 7, Sp. 679–680. 162  Siehe Roßhirt, AcP, 45 (1865), S. 210 f. In der für uns interessanten Zeit des 14. und 15. Jahrhunderts gab es noch vier weitere Gerichtshöfe an der päpstlichen Kurie, nämlich das consistorium, die audientia curiae camerae, das Gericht des marescallus iustitiae und die audientia litterarum contradictarum. Siehe Schneider, Rota, Bd. 1, S. 35. Daneben sind noch einige Institutionen an der Kurie zu nennen – ohne jedoch hier näher auf sie eingehen zu können –, deren ursprüngliche Aufgabe Verwaltungstätigkeiten waren, die jedoch später auch gerichtsähnliche Aufgaben wahrnahmen – nämlich die signatura apostolica, die Anfang des 16. Jahrhunderts in die signatura iustitiae und die signatura gratiae aufgeteilt wurde, und die sacra paenitentiaria apostolica; zu beiden siehe Becker, Höchstgerichte, S.  3 f. m. w. N. Das c o n s i s t o r i u m , die Versammlung der in Rom anwesenden Kardinäle, war ein Beratergremium des Papstes. So wurden vor dem Konsistorium unter dem Vorsitz des Papstes ursprünglich sämtliche Rechtsfälle, später mit Entwicklung der Sacra Rota Romana nur noch die wichtigsten Fälle (causae maiores), insbesondere die Rechtsstreitigkeiten der Bischöfe, Äbte und anderer Würdenträger, entschieden. Für die so zahlreichen Benefizialstreitigkeiten jedoch wurde vor in der Kirchenhierarchie weniger hochstehenden Richtern, nämlich vor der sich entwickelnden Sacra Rota Romana, verhandelt. In der Rechtsprechung außerhalb der Sacra Rota Romana fungierten die gelehrten Konsistorialadvokaten als enge Mitarbeiter des Papstes, weswegen der jeweilige Papst durchaus Einfluss auf die Bestellung zum Konsistorialadvokaten nahm. Im Verfahren vor dem Konsistorium übernahmen die Konsistorialadvokaten eine entscheidende Rolle. Ihre Anzahl wurde im 15. Jahrhundert von sieben auf eine Zahl angehoben, die zwischen zehn und zwölf Personen schwankte. Alle Konsistorialadvokaten waren typischerweise Doktoren beider Rechte, nur selten aber Kleriker. Sie

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A. Einführung

Rota wurde jedoch nicht als Institution zu einem bestimmten Zeitpunkt errichtet. Vielmehr ist die allmähliche Entwicklung eines solchen Gerichts nur vor dem Hintergrund zu verstehen, dass die Rechtssprechung an der Kurie des heiligen Stuhls den Bedürfnissen der jeweiligen Zeit angepasst wurde und dabei zugleich effizient gehalten werden musste. Die Gerichtsbarkeit der Sancta Sedes Apostolica steht seit jeher grundsätzlich dem Papst als Oberhaupt der katholischen Kirche in den dem Kirchenrecht unterworfenen Angelegenheiten zu. Die Ausübung dieser Rechtsprechungsgewalt konnte und kann vom Papst auf andere Personen delegiert werden.163 Diese Kompetenzzuweisung erfolgt dabei seit jeher entweder für einzelne, ausgewählte Fälle oder für bestimmte Arten von Fällen generell. Außerdem konnten und können die Rechtsstreitigkeiten entweder zur Sachaufklärung und Entscheidung oder nur zur Sachaufklärung delegiert werden, wobei die Entscheidung dem Papst vorbehalten ist. Nur sehr wichtige Entscheidungen, die sogenannten causae maiores, traf und trifft der Papst persönlich.164 Zu diesem Zwecke nutzte und nutzt der traten regelmäßig in Zivilprozessen und auch Strafprozessen vor dem consistorium publicum auf, wenn eben dort vor dem Papst diese Rechtsstreitigkeiten verhandelt wurden. Daneben waren sie auch an den Selig- und Heiligsprechungsprozessen (Beatifikation und Kanonisation) beteiligt. Hinter der Bank der Kardinäle stehend, führte je ein Konsistorialadvokat für jede der beiden Parteien die Argumente dieser Partei an und stellte die entsprechenden prozessualen Anträge. Nur die Konsistorialadvokaten durften also direkt vor dem Konsistorium verhandeln und plädieren. Sie dienten aber im Konsistorium, das unter anderem auch fremde Gesandtschaften empfing, auch als gelehrte Juristen bei der Aufsetzung von Schriftstücken für den Papst und waren damit auch tief in die politischen Geschicke des jeweiligen Papstes involviert. Gleichwohl blieben diese Juristen typischerweise auch über die Amtszeit eines Papstes hinaus im Amt. Konsistorialadvokaten gehörten zur Elite innerhalb der päpstlichen Kurialen. Zu allem siehe Märtl, S.  70 ff.; Wicherek, S.  10 ff.; Moroni, Bd. 3, S. 303 ff.; Brandmüller, AHC, 12 (1980), S. 234; De Lanversin, DHPap, S. 178–179; Raffalli, DDC, Bd. 1, Sp. 1535–1536. Die a u d i e n t i a c u r i a e c a m e r a e (auch audientia camerae apostolicae) war vorrangig das Finanzgericht am Hof des Papstes. Außerdem war das Kammergericht für die Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit über alle Kurialen zuständig, soweit nicht für die Kriminalgerichtsbarkeit der marescallus iustitiae zuständig war. Siehe Hofmann, Bd. 1, S. 24; Sägmüller, Bd. 1, S. 418. Der m a re s c a l l u s i u s t i t i a e war für die Kriminaljustiz unter den niederen päpstlichen Kurialen (mit Ausnahme der Kardinäle, des Kamerars, der Familiaren und einiger weiterer) zuständig. Siehe Göller, RQ, 19 (1905), S. 190–196. Insbesondere zur a u d i e n t i a l i t t e r a r u m c o n t r a d i c t a r u m , zu ihrer Entstehung, die ganz ähnlich der Entwicklung der Sacra Rota Romana im Laufe der Zeit aufgrund faktischer Zwänge ablief, und zu ihrer Funktion als Verwaltungsbehörde, die über Einsprüche zu päpstlichen Briefen, Sendschreiben und Urkunden zu entscheiden hatte; siehe Herde, Bd. 1, S. 20–33. 163  Dolezalek, Litigation, S. 341. 164  Becker, Höchstgerichte, S. 2.



II. Der vorliegende Fall41

Papst gewöhnlich die Sachkenntnis der in Rom anwesenden Kardinäle, deren Beratergremium als consistorium bezeichnet wird.165 Weniger wichtige Fälle wurden und werden einzelnen Kardinälen zur Bearbeitung zugewiesen. Bei den übrigen Rechtsstreitigkeiten wurde und wird unterschieden, ob sie für den Heiligen Stuhl immerhin so bedeutsam sind, dass es angeraten erscheint, die Angelegenheit direkt beim Heiligen Stuhl erledigen zu lassen.166 Ist dies nicht der Fall, so wurde und wird die Angelegenheit an auswärtige Kleriker delegiert, die in der Nähe des Wohnsitzes der beteiligten Parteien residieren.167 Soll jedoch die Angelegenheit am Heiligen Stuhl entschieden werden, so wurden und werden allenfalls zur Sachaufklärung168 auswärtige Kleriker im Wege der commissio beauftragt. Im Übrigen jedoch wurden und werden Angelegenheiten dieser Art durch hierfür eingerichtete Institutionen169 an der päpstlichen Kurie oder einzelne hierfür eingesetzte päpstliche Kapläne, die sogenannten auditores, behandelt. Mit der im 13. Jahrhundert stark gestiegenen Zahl von direkt am Heiligen Stuhl zu entscheidenden Benefizialstreitigkeiten170 aufgrund der von Papst Innocentius IV171 stark vermehrten Zuweisung von Anwartschaften, Mandaten und Provisionen auf Pfründen wurde das Problem der Zuweisung von Rechtsfällen von Fall zu Fall offensichtlich.172 Innocentius IV. berief daher in Abkehr von der bisherigen Praxis der Ernennung einzelner Kardinäle oder päpstlicher Kapläne zum Richter von Fall zu Fall173 nunmehr vermehrt rechtsgelehrte cappellani papae174 zu Auditoren, die vollzeitlich zur Behandlung solcher Fälle eingesetzt wurden und mit dauerhaft delegierter 165  Nörr,

ZRG Kan, 124 (2007), S. 223. Litigation, S. 341. 167  Dolezalek, HRG, Bd. 4, Sp. 1148. 168  Nämlich regelmäßig dann, wenn die Gegenpartei mit ihrem procurator nicht am Sitz des Papstes anwesend war; siehe Killermann, S. 35. 169  Siehe oben, Fn. 162. 170  Diese ergaben sich daraus, dass zwei verschiedenen Klerikern ein- und dieselben Präbenden zugewiesen wurde, nämlich einem direkt durch den Papst und dem anderen durch einen örtlichen Amtsträger, etwa dem örtlichen Bischof. 171  Sinibald Fieschi (gest. 1254) siehe Hanst, BBKL, Bd. 2, Sp. 1286–1289. Dieser Sinibaldus Fliscus war selbst auditor litterarum contradictarum und damit Richter an einem Gerichtshof der Kurie, der allein für die Beantwortung von Einsprüchen gegen die Ausstellung päpstlicher Urkunden zuständig war; siehe Nörr, Ius Commune, 5 (1975), S. 193 und Nörr, ZRG Kan, 124 (2007), S. 224. 172  Schneider, Rota, Bd. 1, S. 6. 173  War bis zu ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Zahl der commissiones an Kardinäle noch deutlich höher als die Zahl der Beauftragung von Hofkaplänen, kehrte sich diese Verhältnis ab Mitte des 13. Jahrhunderts um; Nörr, ZRG Kan, 124 (2007), S. 223. 174  Killermann, S.  41, f. 166  Dolezalek,

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A. Einführung

Rechtsprechungsgewalt versehen wurden.175 Diese Richter trugen den Titel eines auditor generalis causarum palatii, der erstmals im Jahr 1245 nachweisbar ist.176 Die so eingesetzten Auditores, die jedoch noch nicht in einem fest umfassten institutionellen Rahmen agierten177, aber durchaus unter dem Begriff der audientia sacri palatii zusammengefasst wurden178, entwickelten die Gewohnheit, mit einander die ihnen jeweils zugewiesenen Fälle zu beraten.179 Diese Gewohnheit verfestigte sich allmählich zu festen Regeln über Beratungspflicht, Beratungsort und -zeit und das Beratungsverfahren insgesamt. Es entstand ein sich verfestigender stilus curiae180, der im heutigen Sinne als Gerichtsverfassung verstanden würde und dem sich insbesondere Gulielmus Durantis (1230 / 32 / 35–1296)181 in seinem Speculum Iudiciale widmete182. Die Aufgaben wuchsen so stark, dass auch die Bestellung von Hilfspersonal in Form der notarii nötig wurde183. Damit entstand aus der Gruppe von Hofkaplänen durch ihre regelmäßige Betrauung mit Rechtsprechungsaufgaben als auditores sacri palatii im Laufe der Zeit ein echter, eigenständiger Gerichtshof des Papstes.184 Jeder Generalauditor war nunmehr faktisch185 für die Prozessführung ab Erhalt der an ihn adressierten commissio bis zum Urteilsspruch zuständig.186 Im 14. Jahrhundert, als die päpstliche Kurie in Avignon residierte187, trafen sich die als Auditores eingesetzten Kapläne anfangs an wechselnden Orten in der Stadt. Nachdem aber ein neuer päpstlicher Palast188 mit einer 175  Dolezalek,

LexMA, Bd. 1, Sp. 1193. ZRG Kan, 124 (2007), S. 224. 177  Göller, AfkKR, 91 (1911), S. 20. 178  Siehe nur Dolezalek, LexMA, Bd. 1, Sp. 1193–1194. 179  Dolezalek, LexMA, Bd. 1, Sp. 1193; Becker, Höchstgerichte, S. 2. 180  Nörr, ZRG Kan, 124 (2007), S. 226, insbesondere 236 ff.; Becker, Höchstgerichte, S. 7. 181  Siehe Savigny, Bd. 5, S. 571–602; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 144– 156; Soetermeer, BBKL, Bd. 22, Sp. 1527–1539; Becker, HRG, Bd. 1, Sp. 790–791; Langgärtner, LexMA, Bd. 3, Sp. 1469–1470; Gaudemet, DBI, Bd. 42, S. 82–87. 182  Nörr, ZRG Kan, 124 (2007), S. 224. 183  Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 179. 184  Lefèbvre, DDC, Bd. 7, Sp. 743. 185  Zwar bedurfte es noch immer einer commissio, aufgrund derer einem bestimmten Auditor der konkrete Fall zugewiesen wurde; Dolezalek, Litigation, S. 341; Becker, Höchstgerichte, S. 2. Die Erteilung dieser commissio – bis zum Spätmittelalter durch den vicecancellarius, später durch den Dekan der Rota – wurde aber mehr und mehr zur „Formsache“; so jedenfalls Killermann, S. 50. 186  Sehr ausführlich dazu Schneider, Rota, Bd. 1, S. 7–34. 187  Becker, HRG, Bd. 2, Sp. 826. 188  Sehr ausführlich dazu Labande. Mit weiteren Nachweisen auch Kerscher, S.  37 ff. 176  Nörr,



II. Der vorliegende Fall43

großen Audienzhalle gebaut worden war, trafen sich die Auditores regelmäßig in derjenigen Nische der Audienzhalle, wo damals im Marmorfußboden ein radförmiges Muster (rota) eingelegt war.189 Die lange Zeit umstrittene Herkunft190 der Bezeichnung „Rota“191 für dieses Gericht ist daher wohl darauf zurückzuführen, dass in diesem Beratungssaal in der päpstlichen Residenz in Avignon ein rundes, radförmiges Muster aus farbigem Marmor in den Boden eingelegt war, dessen Verlauf möglicherweise durch die Sitzanordnung192 am vermuteten Beratungstisch der Auditoren nachgeahmt wurde193. Infolgedessen kam hinfort die Gewohnheit auf, sie als „die Herren von der Rota“ (domini de Rota) zu bezeichnen. Schließlich gab Papst Johannes XXII194 im Jahr 1331 mit seiner Bulle „Ratio iuris“ der Personengruppe der auditores causarum sacri palatii feste Regeln195, wobei die bisherigen Zustände kaum verändert, sondern vielmehr bestätigt wurden – insbesondere der stilus curiae. dd) Rechtsprechungszuständigkeiten der Rota Grundsätzlich gab es bis zum 15. Jahrhundert keine klare Kompetenz­ zuweisung bestimmter Rechtsfälle an die Sacra Rota Romana. Vielmehr konnte ein Auditor der Rota, da er, wie schon dargestellt, immer nur in Vertretung des Papstes als Landesherrn und Kirchenoberhaupt agierte, im Grundsatz für Fälle jeglicher Art, die an den Papst gelangten196, eine commissio erhalten.197 189  Dolezalek,

HRG, Bd. 4, Sp. 1148. dazu die Zusammenstellung der verschiedenen Meinungen bei Schneider, RQ, 21 (1933), S. 33 ff. und Killermann, S.  68 ff. 191  Dieser Name ist wohl erstmals im Jahr 1336 als Bezeichnung für diesen Gerichtshof gebraucht worden. Der Name taucht seit dem 14. Jahrhundert immer wieder im Zusammenhang mit der Amtsbezeichnung der Richter auf und wird irgendwann zur vorrangigen Bezeichnung dieses Gerichts. Sehr ausführlich dazu Schneider, RQ, 21 (1933), S. 30, ff. 192  Gemmel, ThQ, 127 (1947), S. 425. 193  Gemmel, ThQ, 127 (1947), S. 418 f, insbesondere 421  f. verweist insofern auch auf den gerühmten Marmorbelag der rota porphyretica der alten Petersbasilika und die dort durch den Papst ausgeübte Buß- und Strafdisziplin. An diesem Platz in der alten Peterskathedrale sollen auch die wichtigsten Entscheidungen vor dem feier­ lichen Konsistorium der Kardinäle gefällt worden sein, weswegen vermutlich diese Angelegenheiten dann als „Rota-Angelegenheiten“ bezeichnet worden seien; siehe Gemmel, ThQ, 127 (1947), S. 425 und Schneider/Ewers, LThK, Bd. 9, Sp. 62. 194  Jacques Duèse (1245–1334) siehe Hanst, BBKL, Bd. 3, Sp. 228–233. 195  Schneider, RQ, 21 (1933), S. 29; sehr ausführlich auch Killermann, S.  62 ff. 196  Das waren sämtliche Appellationssachen jeglicher Art aus den kirchlichen Gerichten und auch aus den weltlichen Gerichten des Kirchenstaates; siehe Schnei190  Siehe

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A. Einführung

Die Rota war hauptsächlich mit Rechtsstreitigkeiten zu Benefizialsachen198 und nur zu einem geringen Teil auch mit anderen kirchlichen Angelegenheiten und mit Testamentssachen befasst.199 Trotz dieser Befassung hauptsächlich mit Kirchenrecht war das Auditorenkolleg nicht nur mit Kanonisten, sondern gerade auch mit Legisten und Doktoren beider Rechte besetzt, wurde doch der Grad eines doctor iuris civilis als die höhere Qualifikation angesehen.200 197

ee) Entscheidungsfindung an der Rota Eine Besonderheit der an der Sacra Rota Romana getroffenen Entscheidungen liegt darin, dass zwar die Entscheidungsfindung kollegial erfolgte, aber jeweils die Sachaufklärung einem einzelnen Auditor oblag und dieser die Entscheidung dann als sein Urteil verkündete. der, Rota, Bd. 1, S. 61; Schneider/Ewers, LThK, Bd. 9, Sp. 63; Becker, Höchstgerichte, S. 12. Jedoch weitete sich die Inanspruchnahme des Heiligen Stuhls als Appellationsgericht für die weltlichen Prozesse des Kirchenstaats erst später aus und war im 13. und 14. Jahrhundert selten gegeben; siehe Schneider, Rota, Bd. 1, S. 63; Schneider/ Ewers, LThK, Bd. 9, Sp. 63. Seit dem 17. Jahrhundert waren die Auditoren der Sacra Rota Romana schließlich nur noch in weltlichen Rechtsfällen tätig – mit kirchlichen Angelegenheiten wurden sie nur noch ausnahmsweise in causae magni momenti betraut, weil alle weniger wichtigen kirchlichen Angelegenheiten inzwischen durch speziell dafür eingerichtete sacrae congregationes behandelt wurden; Schneider/Ewers, LThK, Bd. 9, Sp. 63. 197  Lefèbvre, DDC, Bd. 7, Sp. 753. Dabei waren aber an der Kurie geschehene Straftaten grundsätzlich dem KardinalCamerlengo als Oberhaupt der Apostolischen Kammer zugewiesen. Allgemein war damals die Berufungsmöglichkeit in Strafsachen sehr stark eingeschränkt. Gleichwohl, wie aus den decisiones rotae antiquae und den decisiones rotae novae zu ersehen ist, kam es gelegentlich vor, dass aus der Diözese Rom und dem Kirchenstaat Strafsachen in der zweiten Instanz an die Rota gelangten. Siehe Lefèbvre, DDC, Bd. 7, Sp. 753, f.; Schneider, Rota, Bd. 1, S. 62. 198  Besonders diese hebt auch Schneider, Rota, Bd. 1, S. 61 f. hervor. 199  Dolezalek, De rechtspraak, S. 102 zählt folgende Verteilung auf, die er aus einer Entscheidungssammlung von Bernardus de Bosqueto ableitet – zu berücksichtigen ist aber, dass für die Zusammenstellung dieser Entscheidungssammlung naturgemäß eine bewusste Auswahl getroffen wurde: 72 % Prozesse, die offensichtlich Präbenden betreffen (dieser Anteil könnte nach Dolezalek aber auch bei bis zu 80 oder 90 % gelegen haben), 8 % Prozesse in anderen kirchlichen Angelegenheiten, 10 % Prozesse in Testamentsangelegenheiten, 5 % Prozesse, die Geldforderungen betreffen, 5 % Prozesse in anderen Sachen. 200  Nörr, Ius Commune, 5 (1975), S. 195.



II. Der vorliegende Fall45

Schon in der Zeit der alleinigen Entscheidung durch den Papst beriet sich dieser vor der Urteilsfindung mit seinen Kardinälen im Kardinalskollegium – galt und gilt doch das grundsätzliche kirchenrechtliche Prinzip, sich vor einer Entscheidung beraten zu lassen.201 Diese Praxis galt daher auch für das Kardinalskollegium und für dessen Entscheidungen – so war seit dem Pontifikat von Papst Urbanus IV202 regelmäßig ein Consilium von, gegebenenfalls auch externen203, periti (Rechtsgelehrten) einzuholen.204 Die immer erfahreneren Auditoren bedurften schließlich keines Rechtsrats durch Rechtsgelehrte außerhalb ihres Kreises mehr, sie berieten sich stattdessen untereinander.205 Daraus entwickelte sich das Verfahren des movere quaestionem206. Der für den konkreten Fall zuständige auditor ponens207 legte dabei die im Verfahren entstehenden Rechtsfragen (dubium) seinen coauditores in einem öffentlichen Bericht (relatio publica)208 vor und bat um deren Stellungnahmen.209 Jene öffentliche Berichterstattung diente den Parteien auch dazu, ihre Argumente zu den aus Sicht des zuständigen Auditors be201  Schneider, Kollegialgericht, S. 23; Killermann, S. 51.  Siehe dazu auch X.1.29.21 – Coelestinus III: […] Dieses

nämlich ist die uralte Vorsehung des heiligen Stuhl gewesen, dass Erwägungen und Entscheidungen von Rechtsfällen auf diese Art eher zwei statt [nur] einem, [eher] drei statt [nur] zwei [Richtern] übertragen werden sollen, weil, wie es die heiligen Regeln [canones] bestätigen, ein Urteil [erst dann] rein [integrum] ist, wenn es durch die Meinung von Vielen bestärkt wird. […] 202  Jacques Pantaléon (vor 1200–1264) siehe Kreuzer, BBKL, Bd. 15, Sp. 1395– 1398. 203  Killermann, S.  51 f. 204  Schneider, Kollegialgericht, S. 23 f. 205  Dolezalek, Litigation, S.  345; Becker, Höchstgerichte, S. 5  f.; Killermann, S. 52. 206  Die danach benannte Literaturgattung der quaestiones motae bestand aus privaten Notizen der Rotaauditoren zu im Auditorenkollegium diskutierten Rechtsfragen. Sie sind daher den Consilia ähnlich, es handelt sich aber gerade nicht um ausformulierte Rechtsgutachten, sondern eben nur um private Notizen einzelner Rotarichter. Siehe Dolezalek, Rechtsprechung der Rota, S. 139. 207  Dieser Begriff kam jedoch erst deutlich nach der Festschreibung dieses Verfahrens in der Bulle „Ratio iuris“ im Jahr 1331 von Papst Johannes XXII. für den zuständigen Auditor auf; siehe Nörr, Ius Commune, 5 (1975), S. 193. 208  Dolezalek/Nörr, S. 850. Allerdings wurde die förmliche Beratung keinesfalls immer mit dieser positio in relationibus publicis eingeleitet; siehe Dolezalek, ZRG Kan, 93 (1976), S. 129. 209  Dolezalek, Monumenta, 6 (1980), S. 99. Für diese Stellungnahme hatten die Auditoren einige Tage Zeit, zu Anfang zwölf Tage (nach der Bulle „Ratio iuris“ aus dem Jahr 1321 von Papst Johannes XXII) und später fünfzehn Tage (nach der Bulle „Romani pontifices providentia“ aus dem Jahr 1423 von Papst Eugenius IV); siehe Nörr, ZRG Kan, 124 (2007), S. 239. Zu Papst Eugenius IV.: Gabriele Condulmaro (1383–1447); siehe Bautz, BBKL, Bd. 1, Sp. 1553–1555.

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A. Einführung

stehenden dubia zu erörtern210, über die sie schon einige Tage vor der Sitzung unterrichtet worden waren211. Im Anschluss an die Plädoyers der Advokaten der Parteien diskutierten die Auditoren nur in ihrem Kreis die dubia, bevor schließlich die einzelnen Auditoren ihre Stellungnahmen abgaben.212 Die von den Mitauditoren zu verfassenden Stellungnahmen213 wurden als consilia sapientis214 bezeichnet und glichen in ihrem Aufbau und dem Argumentationsstil den Consilia sonstiger Rechtsgutachter.215 Die solchermaßen ergangenen Gutachten der Kollegen musste der auditor ponens bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen und durfte sich über die zu einzelnen dubia getroffenen Entscheidungen (decisio rotae) nicht hinwegsetzen.216 Später entwickelte sich die Praxis, die Parteien noch vor der Entscheidung durch den auditor ponens über die Ergebnisse der kollegialen Beratung zu den dubia zu informieren.217 Sinn dieses Vorgehens war es, die Parteien noch vor Erlass des Urteils über die in der gemeinsamen Beratung geprägte Rechtsansicht in Form der decisio rotae zu informieren und die Parteien damit zu bewegen, den Rechtsstreit noch vor Erlass eines Urteils gütlich – jedenfalls aber ohne streitige Entscheidung, also etwa durch Rücknahme der Klage oder Anerkennung der Klage – zu beenden. Außerdem wurde es den Parteien auf diese Weise ermöglicht, zusätzlich noch weitere Argumente vorzubringen, die dann bei einer weiteren Beratung der Auditoren deren Entscheidung über ein bestimmtes dubium vielleicht doch noch ändern konnte. Das Urteil selbst brauchte dann bezüglich der Rechtsfragen nicht mehr begründet zu sein.

210  Dolezalek,

ZRG Kan, 93 (1976), S. 130. ZRG Kan, 124 (2007), S. 239. 212  Dolezalek, Reports, S. 71. 213  Solche Consilia wurden nicht nur für Fälle, die bei der Rota anhängig waren, angefordert. Vielmehr wurden im Kreise des Auditorenkollegiums (also in rota) auch strittige Rechtsfragen aus der Apostolischen Kanzlei, der Pönitentiarie und der audientia litterarum contradictarum diskutiert. Siehe Dolezalek, Monumenta, 6 (1980), S. 100. 214  Zum Begriff siehe schon Rossi und Chiantini, S. XI–XCIII. Siehe dazu auch unten, A. III. 1. 215  Dolezalek, Studia Gratiana, 19 (1976), S. 168. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn man berücksichtigt, dass ja gerade namhafte Juristen zu Auditoren bestellt wurden, die, wie etwa unser Rechtsgutachter Felinus Sandeus, bereits vor ihrer Berufung zum Auditor als Consiliatoren tätig waren. 216  Schneider, Kollegialgericht, S. 33; Nörr, Ius Commune, 5 (1975), S. 193. 217  Dolezalek, Reports, S. 71. 211  Nörr,



II. Der vorliegende Fall47

ff) Die Rotaauditoren und ihr Hilfspersonal Die Richter an der Sacra Rota Romana trugen und tragen den Namen auditores. Sie wurden, wie dargestellt, ursprünglich nur aus dem Kreise der rechtsgelehrten Hofkapläne ernannt. Bei der Auswahl der Auditoren wurde ein besonderer Qualitätsmaßstab angelegt. So forderte schon Papst Johannes XXII. in seiner Bulle „Ratio iuris“, „dass bei allen zu beurteilenden Richtern und der Gerechtigkeit Dienenden, solange sie [Verfahren] leiten, eifrige Sorgfalt, anmutige Sittsamkeit, Reinheit der Herzen, Ehrbarkeit der Hände218 und Vernunft bei Gutachten zu fordern ist.“219 Papst Martinus V.220 konkretisierte diese wenig klaren Formulierungen für die Auswahl der Auditoren in seiner Bulle „In Apostolicae dignitatis“ aus dem Jahr 1418. Er statuierte, „dass ferner keiner als Auditor in Angelegenheiten des apostolischen Palastes aufgenommen werden soll, wenn er nicht ein berühmter Doktor der Rechte gewesen ist und er, nachdem von ihm die Doktorwürde empfangen wurde, wenigstens über drei Jahre in demselben [Fach] Vorlesungen gehalten hat. Und [er] soll von einem ausgezeichneten Lebenswandel und von Würde bei den Sitten und Gebräuchen und anderen Tugenden sein. Und bei allen Ämtern sollen seine Hände von allen anderen Verpflichtungen frei sein und soll er einen guten Leumund haben. Und er soll in dieser Zeit wenigstens 200 Floreni Goldes jährlich aus der Verwaltung [eigener Güter oder ihm zustehender Benefizien] aufbringen, von denen er im Stande sein muss, sich selbst an besagter Kurie zu ernähren.“221 Papst Leo X222 verschärfte in seiner Bulle „Pastoralis officii“ aus dem Jahr 1513 die Auswahlkriterien für die Auditoren nochmals: „Das Audito­ 218  Munditia manuum – gemeint ist das Freisein von allen anderen Verpflichtungen, die sich mit dem Amt nicht vertragen. 219  Johannes XXII.: Bulla „Ratio iuris“ (nach Cherubini, Bd. 1, S. 229–232), Einleitung: […], ut in cunctis dirigendis iudiciis, et iustita ministranda, sint quoad praesidentes, vigilantia studiosa, venusta modestia, cordium puritas, munditia manuum, et consiliorum sanitas requirendae. 220  Ottone Colona (1368–1431) siehe Frenken, BBKL, Bd. 5, Sp. 912–915. 221  Martinus V.: Bulla „In Apostolicae dignitatis“ (nach Cherubini, Bd. 1, S. 315– 319; Tomassetti/Gaude, Bd. 4, S. 679–689), § 14: […] quod nullus deinceps causarum palatii apostolici in auditorem recipiatur, nisi doctor fuerit iuris famosus, et post doctoratum ab eo receptum per triennium ad minus legerit in eodem, sitque commendatus de vita, ac morum honestate, aliisque virtutibus, ac ab omni munere sint mundae manus eius, et bonum habeat testimonium, habeatque ad minus sive [sic!] in bonis temporalibus, ducentos florenos auri de camera annuatim in portatis, de quibus valeat in dicta curia ipse sustentari. 222  Giovanni de’ Medici (1475–1521) siehe Denzler, BBKL, Bd. 4, Sp. 1448– 1450.

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A. Einführung

rium für Angelegenheiten des heiligen Palastes, in dem Streitsachen und Rechtsstreite von überall aus der Christenheit zusammenfließen, muss zu allererst pflichtgemäß, aufrichtig und rein sein und muss mit Titeln des besten Leumunds gekennzeichnet werden. [Und zwar] deshalb, damit nicht von allen Leuten anstatt der Geistesschärfe beim Urteilen stattdessen ein [schlechter] Lebenswandel der Sitten gar zum [schlechten] Vorbild genommen werde: nämlich der Lebenswandel wahrgenommen als infiziert mit dem Verdacht eines Vergehens oder als befleckt mit einer Schuld. [Und all das,] weil, wie der Volksmund allgemein zu sagen pflegt, derjenige von jeglichem Zeichen der Untugend frei sein soll, der über andere ein Urteil zu fällen bereit ist. Es ist nämlich so, dass es einem solchen zukommt, ein Musterbild von Gerechtigkeit zu sein, keusch, beständig, ernsthaft [und] unbeugsam zu sein, weder der Bitte, noch dem Geld oder der Gefälligkeit untertan zu sein, [auch] nicht der Schmeichelei, und nicht mit Drohung vom rechten Pfad abzubringen. Und es geziemt sich, dass die Amtsträger [des Auditoriums] so beschaffen und von dieser [Art] sind.“223 Und schließlich wurden jene Kriterien nochmals von Papst Pius IV224 im Jahr 1561 in seiner Bulle „In throno iustitiae“ bestätigt, worin er sagte, dass „eben auf das Auditorium unseres Palastes, vor dem die schwerwiegenderen Rechtsfälle aller christlichen Gläubigen durch zwölf Männer von größter Tugendhaftigkeit und Gelehrsamkeit, die aus allen Teilen der Welt mit großer Sorgfalt ausgewählt wurden, reiflich untersucht werden und mit großer Lauterkeit und Gerechtigkeit beendet werden, richten wir den Gedanken.“225 Diese Voraussetzungen wurden in einer Beratungssitzung, offen für alle Rotarichter, unter Leitung des Vizekanzlers (später stattdessen unter Leitung 223  Leo X.: Bulla „Pastoralis officii“ ( nach Tomassetti/Gaude, Bd. 5, S. 571–601), § 10: Causarum sacri palatii auditorium, quo lites et controversiae undique ex christianis confluunt, rectum, sincerum et purum in primis esse, ac optimae famae titulis insigniri debet, ne unde universis non magis iudicii discrimen, quam morum disciplina et exemplum sumitur; alicuius forte criminis suspectione infectum, aut culpa coinquinatum inveniatur; cum, ut omnium verbo dici solet, omnis plane vitii nota carere debet, qui in alium sententiam dicere paratus est. Enim vero, qualem esse iustitiae effigiem congruit pudicam, constantem, severam, inflexibilem, non precibus, non pretio, non gratiae obnoxiam, non blanditiis, non minis a recti tramite deviam, tales et eius esse ministros decet. […] 224  Giovanni Angelo de’ Medici (1499–1565) siehe Denzler, BBKL, Bd.  7, Sp. 655. 225  Pius IV.: Bulla „In throno iustitiae“ (nach Cherubini, Bd. 2, S. 57–59), § 1: […] demum ad palatii nostri auditorium, in quo universorum Christi fidelium graviores causae per duodecim summae virtutis et doctrinae viros, ex omnibus mundi partibus magna cum diligentia conquisitos, mature cognoscuntur, et magna cum integritate, et iustitae terminantur, animum adiecimus. […]



II. Der vorliegende Fall49

des Dekans der Rota) in einem eigenen Verfahren – dem Informativprozess – geprüft.226 Die Anzahl der Auditoren an der Rota blieb über die Jahrhunderte keineswegs gleich.227 Dieser starken Schwankung setzte Papst Sixtus IV228 mit seiner Bulle „Romani Pontificis“229 aus dem Jahr 1472 ein Ende. Er hatte bei seinem Amtsantritt vierzehn Rotarichter vorgefunden, und er legte fest, dass von nun an ständig nur zwölf Richterstellen bestehen sollten.230

226  Hoberg, Informativprozeß, RQ, 51 (1956), S. 235; Schneider, Rota, Bd. 1, S.  96 ff.; Killermann, S. 76; Dolezalek, Litigation, S. 343 (insbesondere Fn. 17 m. w. N.). Papst Martinus V. veränderte in seiner Bulle „In apostolicae dignitatis“ im Jahr 1418 dieses Zulassungsverfahren wie folgt: Die Anwärter auf das Amt des Auditors mussten mindestens vor dem vicecancellarius der Apostolischen Kanzlei und den vier jüngst zugelassenen Auditoren und den vier jüngst zugelassenen Advokaten ihr Wissen um das kanonische oder das Zivilrecht unter Beweis stellen. Martinus V.: Bulla „In Apostolicae dignitatis“ (nach Cherubini, Bd. 1, S. 315–319; Tomassetti/Gaude, Bd. 4, S. 679–689), § 16: Si vero per informationem huiusmodi, ipsum constiterit famosum doctorem, aliaque praemissa fore vera, idem vicecancellarius, vocatis quatuor ex dictis auditoribus, si canonista, decretalem; si vero legista fuerit, legem, quam infra unius mensis sparium a die sibi assignata computandum, in dicti vicecancellarii, aut locumtenentis praesentia […] repetere teneatur, singulos qui arguere voluerint idem repetens audire teneatur, quodque quatuor ultimi ex auditoribus, et quatuor ultimi ex advocatis praedictis tunc praesentes arguere sint adstricti. 227  Und zwar von nur vier Richtern unter Papst Benedictus XI, wobei das jedoch auf seine sehr kurze Amtszeit von nur einem Jahr zurückzuführen sein dürfte, bis zu 33 Richtern unter Papst Johannes XXII. Zu allem Schneider, Rota, Bd. 1, S. 32 ff.; Killermann, S.  59 ff.; Dolezalek, De rechtspraak, S. 105. Zu Papst Benedictus XI.: Nicolaus Boccasini (1240–1304) siehe Bautz, BBKL, Bd. 1, Sp. 486. 228  Francesco della Rovere (1414–1484) siehe Schaich, BBKL, Bd. 10, Sp. 584– 599. 229  Sixtus IV.: Bulla „Romani Pontificis“ (nach Tomassetti/Gaude, Bd. 5, S. 207– 208), § 2: […] auctoritate apostolica statuimus et ordinamus quod dictorum auditorum et locumtenentium eorumdem numerus, qui ad praesens quatuordecim esse perhibentur, de cetero duodenarius dumtaxat existat. […]. 230  Gleichwohl ist diese Zahl nicht immer eingehalten worden. So bestellte Papst Sixtus IV. selbst zum Beispiel den Autor des vorliegend untersuchten Rechtsgutachtens Felinus Sandeus ausdrücklich als Ausnahme zu dieser Regel als 13. Auditor: Sixtus IV.: Motuproprium 12.03.1484 (nach Cerchiari, Bd. 3, S. 211): […] cumque nuper ipsis dilectis filiis, dilectum Phelinum Sandeum, canonicum ferrariensem, motu proprio, supradictum pretaxatum duodenarium numerum, communicato consilio cum ipsis auditoribus, et ex certis causis legitimis, dicto collegio, servatis ceteris servandis, aggregaverimus. […].

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A. Einführung

Seit dem 13. Jahrhundert wurden die Auditoren durch Rotanotare231 unterstützt232, deren Zahl von Papst Sixtus IV. auf 48 festlegt wurde.233 Die nunmehr nicht mehr persönlich an die Auditoren gebundenen und von diesen versorgten Notare234 waren dennoch immer einzelnen Auditoren zugeordnet.235 Eventuell überlieferte Aktenstücke bei der Rota zu dem hier interessierenden Rechtsstreit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lignano konnten bei den hier vorgelegten Untersuchungen nicht gefunden werden. Zwar sind im Vatikanarchiv viele Protokollbücher (manualia) erhalten geblieben, in denen die Rotanotare in chronologischer Reihenfolge alle Prozesshandlungen zu den Fällen verzeichneten, die bei dem Auditor, dem sie unterstellt waren, vorgenommen wurden.236 Dabei enthalten die Protokollbücher großenteils nur Verweise auf die vielen verschiedenen Schriftstü231  Papst Martinus V. traf in seiner Bulle „In apostolicae dignitatis“ eine ganze Reihe von Anordnungen zu den Rotanotaren. So legte er etwa fest, dass Anwärter auf das Amt eines notarius sacri palatii mindestens 25 Jahre alt sein und vorher ein öffentliches Notariat ausgeübt haben mussten, bei dessen Ausübung ähnlich hohe Anforderungen an den Leumund gestellt wurden, wie an die Auditoren. Martinus V.: Bulla „In Apostolicae dignitatis“ (nach Cherubini, Bd. 1, S. 315–319; Tomassetti/Gaude, Bd. 4, S. 679–689), § 21: Et quod nullus in notarium cuiuslibet auditorum praedictorum, nisi vigesimum quintum suae aetatis annum attigerit, et alias notariatus officium exercuerit, sitque boni nominis, et bonae famae, ac sufficiens et idoneus ad dictum notariatus officium causarum dicti palatii exercendum, et post diligentem informationem super iis habitam, ac ipsius examinationem, et de praemissis constiterit, admittatur. 232  Der Vollständigkeit halber seien noch die weiteren den Rotaauditoren zugeordneten Mitarbeiter erwähnt: Neben den Notaren hatten die Auditoren zum Teil auch einen persönlichen adjutor, der neben Sekretariatsaufgaben durchaus auch juristische Aufgaben übernahm; siehe Dolezalek, Litigation, S. 344, der darauf verweist, dass besonders unerfahrenen Auditoren auch zwei adjutores beigestellt wurden und diese durchaus hochgelehrte Juristen sein konnten. Nach Roßhirt, AcP, 45 (1865), S. 203 waren die Auditoren in der Spätzeit häufig „mehr Theolog als Jurist“, weswegen sie dann ebenfalls der Unterstützung durch einen erfahren adjutor bedurften. Und diesen adjutores wiederum wurden zum Teil alumni secreti oder secretarii zur Seite gestellt; Dolezalek, Litigation, S. 344. 233  Siehe Lefèbvre, DDC, Bd. 7, Sp. 749; Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 179; sehr ausführlich zur Errichtung des Notarekollegiums siehe Hilling, N., Notarekollegium. 234  Schuchard, S. 118 bezeichnet diese in früheren Zeiten sehr enge Verbindung zwischen Notar und Auditor als „persönliches Dienstverhältnis zu ihrem Auditor“. 235  Dolezalek, Litigation, S. 345 erwähnt in der für uns interessanten Zeit des 15. und frühen 16. Jahrhunderts eine Zuordnung von gleichzeitig bis zu vier Notaren zu einem Auditor. Siehe auch Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 179. 236  Hoberg, Register, RQ, 51 (1956), S. 55; Dolezalek, Rechtsprechung der Rota, S. 137.



II. Der vorliegende Fall51

cke237, die zu einem Fall eingereicht wurden, nicht aber den Inhalt derselben. Jedoch stammt nach den vorhandenen Übersichten238 keines dieser Protokollbücher von einem klar benennbaren Notar, welcher einem der hier in Frage kommenden Rotaauditoren in der Zeit zugewiesen war, aus der die überlieferten Rechtsdarstellungen der beiden Konsistorialadvokaten stammen dürften.239 Weiterhin sind einige wenige ebenfalls von den Notaren erstellte regestra überliefert, in denen vom Notar sämtliche zu einem Fall gehörigen Schriftstücke nochmals abgeschrieben wurden, um dem Auditor die solchermaßen kompilierte Gerichtsakte vor der Entscheidung zur Verfügung stellen zu können.240 Leider sind weder die Manualia vollständig erhalten, noch sind überhaupt besonders viele Regestra überliefert.241 237  Eine ausführliche Auflistung der in Frage kommenden Schriftstücke findet man bei Dolezalek, Rechtsprechung der Rota, S. 137. 238  Siehe Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 177–227; Hoberg, RQ, 48 (1953), S. 43– 78 und Hoberg, RQ, 55 (1950), S. 44–68; Hoberg, Inventario, S. 54–88; Hoberg, Inventario, S. 91–99; Hoberg, Inventario, S. 101–158; Hoberg, Inventario, S. 169–177. 239  Allerdings finden sich bei Hoberg, Inventario, S. 57 f. immerhin acht verschiedene Protokollbücher, in denen Einträge zu Fällen der beiden in unserem Fall bekannten Rotaauditoren (Staphileus und Trivultius) zu finden sind, die in der Zeit zwischen 1518 und 1522 anhängig gewesen sind – der Zeit also, in der Prozess bei der Rota anhängig gewesen sein muss (siehe dazu ausführlich unten, A. III. 4.) Diese Protokollbücher, nach Hoberg handelt es sich um die Protokollbücher Nr. 100, 107, 111, 112, 115, 118, 125 und 128, enthalten also Eintragungen zu Prozessen, die in derselben Zeit bei der Rota vor den genannten beiden Rotaauditoren anhängig waren, wie der hier in Frage stehende Fall. Ob jedoch auch der Rechtsstreit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lignano in diesen Protokollbüchern auftaucht und damit eine klarere prozessuale Einordnung und vor allem eine deutlichere zeitliche Einordnung ermöglicht, ließe sich nur feststellen, wenn man alle genannten Protokollbücher – und zur Sicherheit wohl auch die weiteren acht Protokollbücher zu Fällen vor den beiden Rotaauditoren Staphileus und Trivultius, die jedoch außerhalb des genannten Zeitraums anhängig waren, – analysieren würde. Diese Aufgabe, deren Ergebnis vermutlich ausschließlich eine genauere zeitliche Einordnung des Prozessabschnitts vor der Sacra Rota Romana wäre, muss indes späteren Forschungen vorbehalten bleiben. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass der Rechtsstreit durchaus auch schon vor der Zeit, aus der uns die konkreten Nachweise durch die Parteischriftsätze der beiden Advokaten Melchior Baldasinis und Johannes Dossis überliefert sind, bei der Sacra Rota Romana anhängig gewesen sein könnte. Da insoweit aber bisher weitere Informationen – insbesondere zu möglichen Rotaauditoren oder deren Notaren – fehlen, wäre diesbezüglich die Durchsicht aller Protokollbücher für den, unten näher bestimmten, gesamten in Frage kommenden Zeitraums für die Anhängigkeit dieses Rechtsstreits nötig. 240  Hoberg, Register, RQ, 51 (1956), S. 55 und Dolezalek, Rechtsprechung der Rota, S. 138. 241  So sind etwa beim Umzug der Rota von Avignon zurück nach Rom nach dem Ende des großen abendländischen Schismas schon zahlreiche Archivalien verloren

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A. Einführung

Mit einem enormen Aufwand hätte man zwar die noch vorhandenen Akten in den Rotamanualien und in den Rotaregestren alle einzeln durchsehen können, dies würde aber den Umfang der vorliegenden Arbeit sprengen. Dieser Aktenbestand242 kann daher keinen Aufschluss über den konkreten, hier interessanten Prozessverlauf geben.

III. Das vorliegende Rechtsgutachten Den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet die Edition und Bearbeitung eines Rechtsgutachtens von Felinus Sandeus, anhand dessen die typische Vorgehensweise der Consiliatoren einerseits und die konkrete Argumentationsstruktur bei der Auslegung von Testamenten andererseits beleuchtet werden sollen. Darzustellen ist daher zuerst, wie und aus welchen historischen Gründen sich die Literaturgattung der Consilia in der Rechtsliteratur entwickelt hat und welche Merkmale die Consilia auszeichnen (A.III.1.). Im Anschluss daran wird Felinus Sandeus als Autor des vorliegenden Consiliums vorgegegangen. Umso mehr Schriftstücke sind jedoch zerstört worden bei der Verlagerung aller Archivalien von Rom nach Paris im Jahr 1809 nach der Eroberung des Kirchenstaats durch Napoleon Bonaparte und schließlich beim Rücktransport nach Rom im Jahr 1819. Kaiser Napoleon hatte sich zum Ziel gesetzt, sämtliches Wissen seines Herrschaftsgebietes in Paris zu sammeln. Nach dem Zusammenbruch der französischen Herrschaft war jedoch der Rücktransport der Akten nach Rom zu kostspielig, weswegen ein Teil der Archivalien an Papiermühlen verkauft wurde, um das Geld für den Transport der restlichen Akten zu sammeln. Daneben sind von vornherein bei weitem nicht alle Manualien an das Archiv der Rota gelangt. Vielmehr verblieb ein Großteil bei den Notaren selbst oder bei deren Erben. Für die Regestra stellt sich die Fundlage noch schwieriger dar, da diese an den Besteller der Regestra zum Verbleib bei diesen herausgegeben wurden und nicht im Archiv der Sacra Rota Romana als Teil des Vatikanarchivs gesammelt wurden. Die bisher gefundenen Regestra stammen daher aus den Archiven der Prozessparteien. Zum Verlust der Akten siehe Cerchiari, Bd. 3, S. IX. Zur Aufbewahrung der Notariatsakten durch die Notare selbst siehe Cerchiari, Bd. 4, S. 3. Für die Annexion des Kirchenstaats durch Kaiser Napoleon siehe etwa Becker, HRG, Bd. 2, Sp. 829. 242  Eine dritte Gruppe von durch die Notare erstellten Archivalien sind die diaria der Notare, in denen Aufzeichnungen über die Sitzungen des Auditorenkollegiums und die dort getroffenen Entscheidungen gesammelt wurden. Diese Akten beginnen jedoch erst im Jahr 1566 uns sind daher für den vorliegenden Fall nicht nutzbar. Siehe Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 183. Dolezalek, Reports, S. 74 nimmt dagegen an, dass der Begriff diarium nur die in späterer Zeit verwendete Bezeichnung für die schon vorher existierenden manualia ist.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten53

stellt (A.III.2.), bevor dann knapp auf die weiteren Gutachten und Schriftsätze zu diesem Fall eingegangen (A.III.3.) und schließlich eine zeitliche Einordnung des Rechtsfalls allgemein und des vorliegenden Gutachtens im Besonderen versucht wird (A.III.4.). Den Abschluss bildet eine Darstellung der Besonderheiten des Gutachtens von Felinus Sandeus (A.III.5.). 1. Allgemeine Beobachtungen über Consilia Consilia sind – ganz allgemein – rechtliche Gutachten243, in denen die Lösung für eine umstrittene konkrete Rechtsfrage in einem realen Fall gesucht wird. Zugleich wurden mit diesem Begriff manchmal auch das Urteil eines Gerichts und in besonderem Sprachgebrauch sogar das Gericht als solches bezeichnet.244 Darin zeigt sich auch die funktionale Herkunft der Rechtsgutachten. Sie spielten eine wichtige Rolle im Prozessgeschehen, schon zur Zeit des antiken römischen Rechts, besonders aber seit dem Mittelalter. a) Consilia im antiken römischen Recht Die Ursprünge der Consiliartätigkeit sind bereits früh im altrömischen Recht zu verorten: Die Entwicklung der Consilia geht auf die Respondiertätigkeit245 der römischen Pontifices zurück, die in ihrer Funktion als sachkundige Rechtsgelehrte das älteste römische Recht prägten.246 Sie waren die einzigen247 „Beamten“, die Zugang zum königlichen Archiv hatten, in dem Gutachten, Formulare und Präzedenzentscheidungen verwahrt wurden.248 Sie waren daher als einzige Sachverständige in der Lage, Gutachten zu Rechtsfragen zu erteilen.249 243  Zur Abgrenzung zum Begriff der Consilia im medizinischen Kontext siehe Ascheri, Monumenta, 6 (1980), S. 533–578. 244  Das zeigt sich besonders deutlich in dem Ausdruck in consilium mittere, was bedeutet, dass die Richter zur Findung eines Urteils zusammentreten, Zedler, Bd. 6, Sp. 1033. 245  Siehe dazu Jörs, S. 29 ff und Kaser, Ius, S. 345 ff. und dort besonders 348 ff. 246  Kaser, Privatrecht, Bd. 1, S. 23. 247  Zur Geheimkunde der Pontifices siehe Jörs, S.  56 ff. 248  Lange, JZ, 1969, S. 157; zu diesem Archiv als solchem siehe Jörs, S.  20 ff. 249  So berichtet uns etwa Cicero in seiner Rede de domo sua darüber, dass der Senat in einem Rechtsstreit die Wirksamkeit der Weihehandlungen zur Weihe eines Tempels, der anstelle eines eigentlich Cicero gehörenden Hauses errichtet wurde, um diesen zu schädigen, durch ein Gutachten des Pontifikalkollegiums prüfen ließ. Siehe Jörs, S. 30 f. und Lange, JZ, 1969, S. 158.

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A. Einführung

Eine zweite entscheidende Wurzel der Gutachtertätigkeit liegt im republikanischen römischen Recht250 ab der Zeit des Kaisers Augustus251, der das ius respondendi ex auctoritate principis252 schuf und damit einen Stand von „Berufsgutachtern“253 ins Leben rief. Die übereinstimmende Meinung dieser Gutachter galt dann aufgrund ihrer auctoritas als richtig.254 Es wurde also durch die Verleihung des ius respondendi eine Gruppe von Rechtsgelehrten mit einer so hohen Autorität ausgestattet, dass deren Rechtsgutachten gesetzesgleiche Wirkung hatten. Die Bedeutung der responsa im klassischen römischen Recht zeigt sich hier sehr deutlich.255 Gleichwohl lässt sich die herausragende Stellung der Consiliatoren im Mittelalter nicht (nur) aus dem Ansehen der Respondiergutachter der römischen Zeit erklären. Vielmehr muss es weitere Gründe für die Entwicklung der Rechtsgutachten zum gemeinen Recht gegeben haben. b) Consilia als Auswirkung der Podestà-Verfassung Dieser zweite Erklärungsansatz ist in der Podestà-Verfassung der oberitalienischen Städte im Mittelalter zu finden.256 Der Podestà257 war ein Amtsträger, der allein258 (jedoch mit Unterstützung seines Gefolges, zu dem auch Juristen und insbesondere auch Richter 250  Zur Respondiertätigkeit der Juristen in der republikanischen Zeit siehe Jörs, S.  224 ff. 251  Geboren als Gaius Octavius (63 v. Chr.–14 n. Chr.), gilt als erster römischer Kaiser; zu seiner Person siehe etwa Kienast. 252  Dazu ausführlich Kunkel, ZRG Rom, 66 (1948), S. 423–457. 253  Zu der von diesen entwickelten Quellengattung der responsorum libri siehe Liebs, S.  83 ff. 254  So Gaius, Inst. I, 7: Gutachten der [Rechts]Gelehrten sind Urteile und Meinungen derer, denen es erlaubt ist, Recht zu schaffen. Wenn alle Urteile von diesen [Gelehrten] in einem [Urteil] zusammenlaufen, [dann] nimmt das, was sie so geurteilt haben, die Stelle des Gesetzes ein. Wenn sie aber uneinig sind, ist es dem Richter gestattet, dem Urteil zu folgen, das er will. Und das wird durch das Reskript des göttlichen [Kaisers] Hadrian verkündet. 255  Siehe auch Lange, Baldus, S. 6 f. 256  Lange, Baldus, S.  7; Baumgärtner, Rat, S. 60; Lange, JZ, 1969, S. 159; Ascheri, Consilium, S. 246. 257  Zur Funktion des Podestà siehe schon oben, Fn. 61 und A. II. 4. a). Der Begriff stammt vom lateinischen Wort potestas und wurde über die Jahrhunderte hinweg immer wieder genutzt als Bezeichnung für Personen, die die Staatsgewalt allgemein oder die Regierungsgewalt in einer Stadt innehielten; siehe Born, APSR, 21 (1927), S. 863. 258  In Abkehr zur Konsularverfassung, die vorher in Italien gegolten hatte und die von Kaiser Friedrich I. (1122–1190) auf dem Reichstag von Roncaglia (1158) für



III. Das vorliegende Rechtsgutachten55

gehörten) für eine begrenzte Zeit259 – zum Teil nur ein halbes Jahr260, längstens wohl zwei Jahre261 – die Geschicke der Gemeinde leitete.262 Die Besonderheit dieses Amtes bestand nun darin, dass der Podestà mit seinem Gefolge, der sogenannten familia, zu der auch zumeist universitätsgelehrte Richter gehörten263, aus einer anderen Gemeinde kommen musste.264 Ziel war es also, eine von den Machtverhältnissen in der eigenen Gemeinde möglichst unabhängige Stadtregierung zu installieren.265 Eine solchermaßen unabhängige Stadtregierung bestand zwar aus professionellen Verwaltungsbeamten, die durch ihre Tätigkeit im Gefolge des Podestà in der Organisation und Regierung einer Gemeinde geschult waren, jedoch fehlte ihnen das konkrete Wissen um die Auslegung des vor Ort geltenden Statuarrechts – insbesondere im Hinblick auf die Reichweite der das ius commune abändernden Regelungen des Statuarrechts. Diesen Mangel konnten nun an den örtlichen und regionalen Universitäten ausgebildete Gelehrte durch Raterteilung ausgleichen.266 große Teile Italiens abgeschafft wurde; siehe Engelmann, S. 54; Born, APSR, 21 (1927), S. 865 f. mit weiteren Nachweisen. 259  Salzer, S. 28 f. nennt als regelmäßige Amtszeit ein Jahr und verweist darauf, dass längere Amtszeiten eine große Ausnahme waren. Wie schon oben beschrieben, gab es aber bereits im 13. Jahrhundert in einigen oberitalienischen Stadtstaaten Bestrebungen, die Herrschaft als Podestà zu verfestigen. Diese dauerhafte autokratische Herrschaftsstellung der Signoria hat sich durchaus auch bei derselben Person entwickelt. So wurde etwa Azo VI. comes Estensis erst für mehrere Amtszeiten zum Podestà von Ferrara gewählt, bevor er dann später erster faktischer Alleinherrscher Ferraras und damit der Begründer der Signoria in Ferrara war; siehe Salzer, S.  40 f. 260  Engelmann, S. 59. 261  Chittolini, LexMA, Bd. 7, Sp. 31. Allerdings war der erste belegte Podestà, Guido Ranieri de Sasso, in Bologna von 1151 bis 1155 – und damit insgesamt für fünf Jahre – im Amt; siehe Born, APSR, 21 (1927), S. 864 mit weiteren Nachweisen. Siehe auch Savigny, Bd. 3, S. 146. 262  Chittolini, LexMA, Bd. 7, Sp. 30. Siehe auch Nörr, Prozessrecht, S. 183. 263  Lepsius, Zeugenbeweis, S. 4. 264  Lange, JZ, 1969, S. 159; Born, APSR, 21 (1927), S. 864 ff. 265  Ausführlich zu den gesellschaftlichen Hintergründen der Notwendigkeit einer unabhängigen Stadtregierung und der dadurch begründeten Einführung des italienischen Syndikatsprozesses siehe Dawson, S. 134 ff. Siehe auch Born, APSR, 21 (1927), S. 865 f. mit weiteren Nachweisen. 266  Wallinga, Erasmus Law R, 4 (2011), S. 4. Einen ähnlichen Prozess der Hinzuziehung von Rechtsgutachtern, um den eigenen Urteilen mehr Autorität zu verleihen, finden wir auch bei den kirchlichen Gerichten. Bis ins 13. Jahrhundert hinein waren solche Gerichte eher selten mit gelehrten Juristen besetzt, weswegen sich die Richter immer wieder auch auf Consilia von Rechtsgelehrten stützten. Aber auch später noch nach Einführung von gelehrten Einzelrichtern an kirchlichen Gerichten wurden einzelne materiellrechtliche Fragen

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A. Einführung

Das allein würde aber noch nicht die Bedeutung der Gutachtertätigkeit in diesen Gemeinden erklären. Die eigentliche Begründung liegt vielmehr in dem sich an die Amtszeit des jeweils eingesetzten Podestà anschließenden besonderen Verfahren – dem Syndikatsprozess267. In diesem Prozess wurden die verschiedenen Amtstätigkeiten des Podestà einschließlich seines Gefolges – und damit auch der von ihm eingesetzten Richter – auf Fehler untersucht, bei deren Vorliegen der Podestà Schadensersatz leisten musste. Um sich für diesen Syndikatsprozess zu wappnen, war es ratsam, die gesprochenen Urteile auf Rechtsgutachten namhafter Juristen stützen zu können – konnte man doch dann dem einzelnen Richter bei Befolgen dieser Rechtsgutachten keinen Vorwurf machen.268 Außerdem war jedes Urteil, dessen Begründung sich ausdrücklich auf einen in Wahrheit juristisch unrichtigen Rechtssatz stützte, sofort nichtig, auch wenn keine der beteiligten Parteien Appellation gegen das Urteil einlegte.269 Bei einem solchermaßen nichtigen Urteil haftete der Richter ebenfalls für Schadenersatz. Um sich also auch vor dieser Gefahr zu schützen, war es für den Richter ratsam, Rechtsgutachten vorzuhalten, die seine Rechtsmeinung stützten.270 Der Richter, der sein Urteil daher auf entsprechende Consilia stützte, konnte sich auf den gemeinrechtlichen Satz berufen: „Was nämlich aufgrund eines gelehrten Gutachtens geschehen ist, wird als mit gutem Glauben und ohne böse Absicht getan angesehen.“271 Aus diesem schon im römischen Recht begründeten Prinzip der Beratung des Richters durch sapientes viri, die jedoch bisher nicht zwingend gelehrte Juristen sein mussten, entwickelte sich in vielen Statuten die Regel, dass sich unter diesen Gelehrten eine bestimmte Anzahl von gelehrten Juristen befinden musste.272 Diese Pflicht273 durch Rechtsgutachten typischerweise von Universitätsprofessoren geklärt. Siehe Lepsius, Zeugenbeweis, S. 2 f. 267  Dazu sehr ausführlich Engelmann, S.  514 ff. 268  Gehrke, HRG, Bd. 2, Sp. 1103. 269  Dolezalek, Reports, S. 71 f. 270  Gleichzeitig war diese Gefahr aber auch einer der Gründe dafür, dass mittelalterliche Urteile nicht juristisch begründet wurden – man wollte den Parteien und nicht zuletzt auch den Beamten einer späteren Überprüfung der gefällten Urteile keine Argumente liefern. Diese im gesamten Ius Commune Raum verbreitete Praxis ging erst in späteren Jahrhunderten zurück. Siehe etwa Dolezalek, Reports, S. 72. 271  Stryk, Bd. 1, S. 51 (zu D.1.2.9): Quod enim ex consilio sapientum fit, praesumitur bona fide et sine calumnia factum esse. 272  Lange, Baldus, S. 9; Imboden, S. 507; Baumgärtner, Consilia, S. 45; Baumgärtner, Rat, S. 61. 273  Diese Pflicht bestand jedoch bei Weitem nicht einheitlich – so gab es große Unterschiede in der Frage, wann jemand als derart rechtsgelehrt galt. Auch wurde sie insbesondere von der kirchlichen Justiz für den kirchlichen Herrschaftsbereich bekämpft. Siehe Lange, Baldus, S. 9 f.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten57

ist insbesondere vor dem Hintergrund zu verstehen, dass in kleineren Städten die aus dem Gefolge des Podestà stammenden Richter nicht immer gelehrte Juristen waren und noch viel häufiger jedenfalls im lokalen Statuarrecht nicht bewandert waren.274 Die Bedeutung der Literaturform der consilia ist kaum hoch genug einzuschätzen – so sind uns von Baldus de Ubaldis allein in den überlieferten Druckausgaben etwa 2500 Consilia überliefert.275 Consilia wurden in großem Ausmaß angefertigt276 und dienten zu einem nicht unerheblichen Teil als Einnahmequelle der Rechtsgelehrten277 des 14. und 15. Jahrhunderts278. Die Anwendung des gemeinen Rechts in Mitteleuropa zum Teil bis zu den Kodifikationen des 19. Jahrhunderts ist nur vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass es den mittelalterlichen Juristen – allen voran den Glossatoren – gelungen war, die ihnen vor Augen stehenden Rechtsprobleme mittels Auslegung der zum Teil mehr als tausend Jahre alten Rechtstexte zu lösen. Und diese Anpassungsleistung und Belebung des römischen Rechts wurden – für die spätere Zeit der Kommentatoren – maßgeblich durch die Consilia bewältigt.279

274  Riesenberg,

Manuscripta, 6 (1962), S. 9 f. Baldo, S. 26; Horn, Hb. Quellen und Literatur, Bd. 1, S. 336. Nach Gutzwiller, S. 166 sind sogar 2800 Consilia erhalten. Pluss, AJLH, 30 (1986), S. 242 nennt hingegen „nur“ 2100 Gutachten. Siehe zu diesem Thema auch Lange, Baldus, S. 17 ff. und Pennington, Tijdschrift, 56 (1988), S. 85 ff. 276  Savigny, Bd. 6, S. 470. 277  So wissen wir von Andreas Alciatus (1492–1550), dass sein Lehrer Jason de Mayno (1435–1519) ein besonderes Verdienst darin hatte, dass er den Preis eines Rechtsgutachtens von drei oder vier Dukaten auf fünfzig, hundert oder mehr Dukaten anhob; siehe Otto, Zwang, S. 65 f. Zu Andreas Alciatus siehe Abbondanza, DBI, Bd. 2, S. 69–77 und Osler. Zu Jason de Mayno siehe Savigny, Bd. 6, S. 397–418; Giazzi, Autographa, S. 256–262. 278  Die Entwicklung der Consilia endete keinesfalls mit den Kommentatoren des 14. Jahrhunderts. Vielmehr setzte sich die Nutzung von Rechtsgutachten bei Gerichten in der Erstellung von Rechtsgutachten durch Spruchfakultäten fort. Dieses System der Aktenversendung, das insbesondere in deutschen Territorien verbreitet war, wirkte zum Teil bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Zur weiteren Entwicklung der Gattung der Consilia siehe Holthöfer, Ius Com­ mune, 2 (1969), S. 130–166, insbesondere 159 ff. Zum System der Aktenversendung siehe sehr ausführlich Falk, Consilia; aber auch schon Stölzel, Bd. 1, S. 187–231 und Klugkist, JZ, 1967, S. 155–158. 279  Lange, JZ, 1969, S. 161. 275  Colli,

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A. Einführung

c) Gerichts- und Parteigutachten Solche Rechtsgutachten wurden sowohl einzelnen Streitparteien als auch direkt dem Gericht erteilt.280 Die durch das Gericht angeforderten Rechtsgutachten wurden dabei als vertrauenswürdiger als die Parteigutachten, weil unabhängiger, betrachtet. Der Gutachter hatte kein persönliches oder berufliches Interesse am Ausgang des Falles, er wirkte daher gleich einem „öffentlichen Beamten“281, dessen dargelegte Meinung in ähnlich gelagerten Fällen ebenfalls eine starke Überzeugungswirkung entfaltete282. Diese direkt vom Gericht angeforderten consilia hatten, soweit das örtliche Statuarrecht es gebot, sogar bindende Wirkung für den Richter und die Parteien283, waren jedenfalls aber eine wichtige Stütze des Richters bei der Entscheidungsfindung. Einige Statuten normierten sogar, dass ein Urteil, das von einem Richter gesprochen wurde, der die Aufforderung einer Partei übergangen hatte, ein solches consilium erstellen zu lassen, nichtig ist.284 Demgegenüber wurden auch Gutachten auf Anforderung einer Streitpartei angefertigt – consilia pro parte.285 Sie dienten der Partei im Vorfeld eines möglichen Rechtsstreits dazu, die zu erwartenden Gegenpositionen zu erfahren und Argumente für die eigene Position auszubauen286 – sie waren eine wichtige Hilfestellung, um eine außergerichtliche Einigung mit der gegnerischen Partei herbeizuführen.287 Jedenfalls in der späteren Entwicklung war das Prozesskostenrisiko ein weiterer wichtiger Grund für die Parteien eines möglichen Rechtsstreits, schon vor Prozessbeginn Rechtsgutachten einzuholen. So musste doch gemäß dem ius commune die unterliegende Partei zwar grundsätzlich die Prozesskosten tragen.288 Konnte sie aber zu ihren Gunsten eine iusta causa anführen, so entfiel die Kostenpflicht, weil der Prozess nicht leichtfertig, sondern eben aus einem berechtigten Grund heraus geführt wurde. Ein solcher berechtigter Grund liegt nach dem ius commune insbesondere auch dann vor, wenn sich die unterlegene Partei auf Rechts280  Pluss,

AJLH, 30 (1986), S. 241 f. Consilia, S. 112. 282  Gest, U. Pa. L. Rev., 69 (1920/21) 129. 283  Engelmann, S. 245 und sehr ausführlich 309 ff. 284  Kirshner, Consilia, S. 109. Gleichwohl war mit der Pflicht zur Einholung des Gutachtens nicht die Pflicht zur inhaltlichen Befolgung des Gutachtens verbunden. 285  Kuehn, Consilia, S. 232. 286  Falk, FHI, 2000, http://www.rewi.hu-berlin.de/FHI/zitat/0008falk.htm, Rn. 20. 287  Kuehn, Consilia, S. 232. 288  Siehe auch Nörr, Prozessrecht, S. 204 und Falk, FHI, 2000, http://www.rewi. hu-berlin.de/FHI/zitat/0008falk.htm, Rn. 28. 281  Kirshner,



III. Das vorliegende Rechtsgutachten59

gutachten berufen konnte, die der eigenen Sache gute Erfolgsaussichten bescheinigten.289 Zwar waren auch die Parteigutachten der Wahrheit verpflichtet (consilia pro veritate)290 – gleichwohl diente der Gutachter in diesen Fällen durchaus auch der Partei291, für die er das Gutachten erstellte. Und es wird durch Andreas Alciatus mit Abscheu berichtet, dass Alexander Tartagnus (1423 / 24–1477)292 sich zugunsten der Partei in seinen eigenen Gutachten widersprach, indem er Argumente, die der durch ihn vertretenen Meinung entgegenstanden, außer Acht ließ.293 Noch schärfer und direkter urteilte Carpzov, der behauptete, dass „Gutachten mehr aus Liebe für die, die sie fordern, als für die Wahrheit und die Gerechtigkeit erteilt wurden. Und wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Doktoren bei der Gutachtenerteilung oft mehr des Geldes wegen, als der Wahrheit wegen sich durch ihr Verlangen leiten lassen.“294 Allerdings sind sich die beiden Arten von Consilia – consilium pro iudice und consilium pro parte – in ihrer Machart sehr ähnlich. Sehr viele Juristen, die in einigen Fällen gerichtlich angeforderte Gutachten erstellten, schrieben in anderen Fällen Gutachten auf Anforderung einer Prozesspartei. Sie argumentierten dabei gemäß denselben Mustern und Methoden und gliederten und formulierten ihre Texte in derselben Weise.295 Vermutlich bestand für die Juristen des Mittelalters kein großer Unterschied zwischen 289  So findet man bei Lanfrancus de Oriano eine entsprechende Aussage: […] Zum dritten wird gesagt, derjenige hat einen berechtigten Grund für den Prozess, wenn er, noch bevor er anfing zu prozessieren, von irgendwelchen fähigen, Rechtsrat erteilenden Doktoren Rechtsgutachten für ihn [= seine Sache] hat. Denn dann, wenn er mit solchen vorhergehenden Rechtsgutachten anfängt zu prozessieren und unterliegt, wird er nicht zu den Kosten verurteilt werden. […] Oriano, fol 98r: […] Tertio dicitur quis habere iustam causam litigandi, quando quis antequam inciperet litigare habet consilia sigillata aliquorum valentium doctorum consulentium pro eo. Nam tunc si precedentibus talibus consiliis incipiat litigare et succumbat, non poterit condemnari in expensis. […] 290  Kuehn, Consilia, S. 232. 291  Engelmann, S. 244 nimmt sogar an, dass die „Parteigutachten […] niemals die große Bedeutung der gerichtlichen Gutachten erlangen [konnten], weil sie weder die Darlegung der wahren Meinung des Gutachters, noch die der rechtmäßigen Entscheidung, sondern nur die der Partei günstigen Rechtsauffassung bezweckten.“ 292  Fantuzzi, Bd. 8, S. 88–94; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 328–329; Belloni, S. 110–118. 293  Otto, Zwang, S. 66 f. 294  Carpzov, Praefatio ad Lectorem, fol. 2: Quin et consilia plerumque amore potius illorum, qui ea expetunt, quam veritatis et justitia dari; Et doctores in consulendo, aeris saepe magis, quam veritatis studio duci, experientia compertum habemus. 295  Kirshner, Consilia, S. 116.

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A. Einführung

beiden Typen von Rechtsgutachten: In beiden Fällen lag der Kerngedanke in der Auseinandersetzung mit widerstreitenden Rechtspositionen. Sicher war es bei Parteigutachten auch ein Ziel, die für die Partei günstige Position zu betonen. Gleichwohl musste sich der Gutachter eben auch in solchen Gutachten dezidiert mit der Rechtsposition des Gegners (und eben der Gutachter für die gegnerische Partei) und vor allem den dazu angebrachten Argumenten und Textstellen auseinandersetzen. Die juristische Arbeit bei der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Argumenten erfolgt damit bei beiden Gutachtentypen auf dieselbe Art und Weise. d) Aufbau von Consilia Oft296 folgt der Sachverhaltsschilderung (species facti, casus297, factum oder thema298) eine Aufzählung der abstrahierten Rechtsfragen (quaestiones), die vom Gutachter zu beantworten sind, als eine Art Inhaltsübersicht.299 Die eigentliche Auseinandersetzung erfolgt dann üblicherweise300 dergestalt, dass der Gutachter zuerst die Gegenmeinung mit ihren Argumenten skizziert301 und dann die von ihm vertretene Meinung mit den entsprechenden Hauptargumenten kurz darlegt. Schließlich geht er nacheinander auf sämt­ liche Gegenargumente ein, indem er diesen jeweils die eigenen, als richtig erachteten Argumente (rationes decidendi) gegenüberstellt und mittels ausführlicher juristischer Argumentation die gegnerischen Begründungen entkräftet.302 Den Abschluss des Gutachtens bildet üblicherweise die Feststellung des rechtlichen Ergebnisses (solutio). Da die consilia aber, anders als allgemein üblichen Aufbau siehe Gehrke, HRG, Bd. 2, Sp. 1104. Consilia, S. 51. 298  Horn, Ius Commune, 2 (1969), S. 104. 299  Vielfach fehlt in nur handschriftlich überlieferten Consilia eine Abgrenzung dieser beiden ersten Punkte zum restlichen Gutachten. Und zum Teil fehlt insbesondere die Sachverhaltsschilderung völlig. Demgegenüber ist in den Druckfassungen von Consilia meist ein recht umfangreicher casus vorangestellt. Siehe Baumgärtner, Consilia, S. 51; Horn, Ius Commune, 2 (1969), S. 104 f. Die von Riesenberg, Manuscripta, 6 (1962), S. 16 dargestellte Vielfalt der im casus enthaltenen Informationen ist jedenfalls nicht immer gegeben und fehlt im vorliegenden Fall und in den für die Erstellung dieser Arbeit eingesehenen Consilia völlig. Auch wird in gedruckten Konsiliensammlungen vielfach eine stichpunktartige Zusammenfassung der wichtigsten Argumente des Consiliums vorangestellt, wobei diese Zusammenstellung nicht durch den Gutachter, sondern erst durch den Herausgeber der Druckfassung erfolgte. 300  Siehe Gehrke, HRG, Bd. 2, Sp. 1104; Dolezalek, Reports, S. 80; Horn, Ius Commune, 2 (1969), S. 105. 301  Dolezalek, Holländische Polder, S. 71 f. 302  Gorla, Tulane Law R, 44 (1969/70), S. 741 ff. 296  Zum

297  Baumgärtner,



III. Das vorliegende Rechtsgutachten61

die quaestiones, zur Lösung konkret vorliegender Sachverhalte dienten, wurde diese strenge Ordnung nicht immer durchgehalten – es sind von strenger Befolgung dieses Ablaufs über Zwischenformen, in denen der casus nur zum Teil oder auch ganz wegfällt, bis zu eher an Traktate erinnernden Gutachten303 allerhand Varianten als consilia zu finden.304 Der eigentliche Schwerpunkt eines solchen Consiliums liegt in der möglichst erschöpfenden Aufzählung und anschließenden Auseinandersetzung mit den Argumenten für die widerstreitenden Meinungen zu den einzelnen zu bearbeitenden Punkten. Diese Aufgabe erledigten die Gutachter unter Rückgriff auf die im Studium der freien Künste und im Rechtsunterricht an den Universitäten erlernte scholastische Methode305. Diese Denkmethode ist dadurch gekennzeichnet, dass komplexe Fragestellungen gedanklich dadurch sortiert werden, dass man diese Fragestellungen in verschiedene Bestandteile aufzuspalten versucht. Das erfolgt durch das Unterscheiden (distinctio) von Fallgruppen, indem Kriterien herausgearbeitet werden, welche die Fälle der einen Fallgruppe von denen aller anderen Fallgruppen unterscheiden. Die Gutachter suchten nach den denkbaren oder auch schon in möglichen Gegengutachten geäußerten Gegenmeinungen zu der von ihnen vertretenen Position und analysierten diese unter Rückgriff auf die passenden oder eben angegebenen Textstellen und Argumente. Schließlich stellten sie ihre eigene Meinung ebenfalls unter Rückgriff auf entsprechende Textstellen und Argumente dar und entkräfteten dabei die entgegenstehenden Positionen der Gegenmeinung. Wurden als Argumente anfangs vorrangig die Textstellen des Corpus Iuris Civilis, des Corpus Iuris Canonici und gegebenenfalls der örtlichen Statuten verwendet306, so entwickelte sich zunehmend die Praxis, zusätzlich auf frühere Consilia namhafter Juristen zu verweisen und diese als Argumente zu nutzen307. Diese Entwicklung der argumentativen Anknüpfung an frühere Rechtsgelehrte, deren Meinung geradezu als auctoritas308 hochgehalten wurde, ging so weit, dass nach einem vielfach überlieferten gemeinrechtlietwa Erler, ZRG Kan, 89 (1972), S. 377. Ius Commune, 2 (1969), S. 105. 305  Zur aus der Dialektik entwickelten scholastischen Methode in der Rechtswissenschaft insbesondere der Glossatoren siehe Otte, Dialektik und dort insbesondere S. 156 ff. zur regressiven Deduktion der Juristen. Insbesondere zur Kritik der älteren rechtshistorischen Forschung zum Begriff und der Funktion der Scholastik in der Jurisprudenz siehe Lepsius, Zeugenbeweis, S. 201 ff. 306  Horn, Ius Commune, 2 (1969), S. 106. 307  Makowski, The Jurist, 71 (2011), S. 336; Kirshner, Consilia, S. 118. 308  Zur Entwicklung der Consilia hin zu autoritären Quellen im gemeinen Recht siehe Kirshner, Consilia; und dort in Bezug auf die Anfangs- und Schlussformeln der Gutachter, die typischerweise an göttliches Recht anknüpfen, mit der Annahme 303  Siehe

304  Horn,

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A. Einführung

chen Satz, dass niemand ein guter Jurist sei, wenn er nicht auch Bartolist sei309, einzelnen Juristen, wie eben Bartolus de Saxoferrato (1313 / 14– 1357)310, geradezu gesetzesgleiche Wirkung zukam311. Die Consiliarpraxis entwickelte sich dabei dergestalt, dass immer umfangreichere Ansammlungen von Belegstellen für jede einzelne Meinung herangezogen wurden.312 Diese zum Teil willkürlich erscheinende Anhäufung von Nachweisen für noch so unbedeutende Meinungen313 war indes ein Stilmittel ihrer Zeit – zeigte sie doch, dass der Gutachter ein überaus belesener, fleißiger und gelehrter Jurist war, der noch dazu sehr sorgfältig arbeitete.314 Diese große Anhäufung von Quellenzitaten geht aber auch auf die verschiedenen Lehrbücher zum Verfahrensrecht315 zurück, welche Hilfestellungen für die praktische Seite des Prozesses geben wollten. So rät doch Tancredus de Bononia (1185–1234 / 25)316 in seinem Ordo iudiciarius317, dass man „alles, was zu dem hervorgebracht wird, was bewiesen werden soll, vorführen und gemeinsam verbinden und verknüpfen soll, weil der, der [die Argumente] ansammelt [allegare], [diese Argumente] verbinden [alligare] soll, damit man das, was behauptet wird, sowohl mit allen verbundenen [Argumenten] als auch zugleich mit unterstützenden [Argumenten] [noch] stärker belegen kann. Denn die dreifache Schnur ist [nur] schwer zu einer in den Gutachten liegenden Wahrheit, die gottgegeben ist, insbesondere S.  121 ff. 309  Nemo (bonus) iurista, nisi (sit) bartolista. Siehe Krauß, S. 46. 310  Savigny, Bd. 6, S. 137–184; Murano, Autographa, S. 66–71. Für die sehr umfangreiche Sekundärliteratur siehe nur Krauß, S. 46 f. und Murano, Autographa, S. 71. 311  So wurde seinen Meinungen in Spanien kraft Gesetzes die gleiche Wirkung wie Gesetzen verliehen; siehe Savigny, Bd. 6, S. 154. 312  Makowski, The Jurist, 71 (2011), S. 336 f. 313  Zacour, S. 3. 314  Dolezalek, Holländische Polder, S. 80. Diese Anhäufung von Belegstellen findet sich auch in den Gutachten der Rotaauditoren. Grund dafür war ebenfalls die Präsentation der eigenen Fähigkeiten, indem der jeweilige Auditor seine Gelehrsamkeit zur Schau stellte; Dolezalek, ZRG Kan, 93 (1976), S. 138. 315  Neben dem Ordo iudiciarius von Tancredus de Bononia (1185–1234/35) und dem Speculum Iudiciale von Guilelmus Durantis (1230/32–1296) ist insbesondere noch die Summa aurea von Guilelmus de Drogheda (1200/10–1244/45) zu nennen. Zu Drogheda siehe Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 113; Soetermeer, BBKL, Bd. 23, Sp. 1569–1575. Zur Quellengattung der Ordines iudiciorum allgemein siehe Fowler-Magerl, Ordines und Fowler-Magerl, LexMA, Bd. 6, Sp. 1441. 316  Siehe Fantuzzi, Bd. 8, S. 77–88; Savigny, Bd. 5, S. 115–135; Haering, BBKL, Bd. 11, Sp. 489–490; Borchardt, LexMA, Bd. 8, Sp. 458. 317  Siehe Fowler-Magerl, Ordines, S. 56.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten63

zerreißen – [wo] das Einzelne nichts nützt, [kann] Vieles unterstützen.“318 Ziel war also nicht allein die überbordende Anhäufung von Belegstellen, vielmehr sollte eine sinnvolle Ordnung geschaffen werden, die unter Berücksichtigung juristischer Prinzipien und abstrakter Regeln Klarheit in der Vielzahl der widerstreitenden Argumente schafft. Schließlich behielt sich der Gutachter üblicherweise die besten Argumente, die von den im Ansehen am höchsten stehenden Autoritäten aus der Juristenzunft stammten, bis zum Schluss auf – er folgte damit in seinem schriftlichen Consilium einem eigentlich für das mündliche Verfahren vor dem Richter bestimmten Hinweis von Tancredus, nach dem „man beachte, dass bei vielen vorzubringenden Punkten am Anfang und am Ende die wichtigsten Punkte vorzutragen sind: am Anfang, damit der Verstand des Richters dazu bewegt wird, sich [die gesammelten Argumente] anzusehen. In der Mitte soll man die unbedeutenden [Argumente] nennen. Für den Schluss [aber] soll man sich aufsparen, was stärker ist, weil die [Argumente], die zuletzt [vom Richter] gehört werden, besser der Erinnerung anvertraut werden.“319 Umrahmt waren die eigentlichen juristischen Ausführungen typischerweise von einer Anrufung göttlicher Mächte (invocatio) und einer den Gutachter absichernden Erklärung am Ende des Consiliums (subscriptio). Diese invocatio, die sich allgemein an Gott oder speziell an Jesus Christus oder an einen Schutzheiligen, besonders oft die heilige Mutter Gottes, richtete, sollte der Denkfähigkeit des Gutachters beim Abfassen des Gutachtens göttliche Unterstützung erbitten.320 Ebenso üblich war die subscriptio am Ende des Gutachtens, in der der Jurist üblicherweise seine Bescheidenheit bekundete, zum Beispiel indem er sich selbst als den geringsten unter den Juristen bezeichnete, und sich gleichsam frei zeichnete, indem er erklärte, seine Meinung nur solange aufrecht erhalten zu wollen, bis eine bessere Beurteilung durch einen besseren Juristen ergangen wäre.321 318  Tancredus, S. 263: Et omnia, quae faciunt ad id, quod probare intendit, inducat et insimult coniungat et liget: quoniam qui allegat, alligat, ut omnibus simul coniunctis et sibi invicem suffragentibus probetur fortius quod intendit, nam funiculus triplex difficile rumpitur […] quae non prosunt singular, multa iuvant. 319  Tancredus, S. 264: Et nota, quod in omnibus allegationibus primo et ultimo validiores proponendae sunt rationes, primo, ut moveat animum iudicis ad credendum sibi, medio dicat mediocria, ultimo reservet, quod validius est, quoniam ea, quae ultimo audiuntur, melius memoriae commendantur. 320  Kirshner, Consilia, S. 121. 321  Erler, ZRG Kan, 89 (1972), S. 371 f. erwähnt als typische Formeln: salvo iudicio meliori, nisi sanius et melius informarer und schließlich als weiteres Beispiel iudicioque melius sapientium, quibus me submitto, semper salvo.

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A. Einführung

Nach Meinung von Kirshner ist beides gemeinsam Ausdruck eines besonderen Verständnisses des juristischen Wahrheitsbegriffs. Die mittelalterlichen Juristen waren sich demnach ihrer eigenen Fehlbarkeit einerseits und der Unwägbarkeiten der Jurisprudenz, die „eine beinahe göttliche Einsicht“322 verlangt, andererseits sehr bewusst.323 Ohne göttliche Unterstützung beim Nachdenken konnte der mittelalterliche Jurist demnach nicht als „oracle of the Law“324 fungieren. 2. Der Autor des vorliegenden Rechtsgutachtens – Felinus Sandeus Das Rechtsgutachten, dessen Edition den Kern der vorliegenden Arbeit bildet, wurde von dem berühmten Juristen Felinus Sandeus geschrieben. Nicht zuletzt um eine zeitliche Einordnung des Gutachtens vornehmen zu können, soll an dieser Stelle knapp die Biographie von Felinus Sandeus erörtert werden. Felinus Maria Sandeus wurde am 24.02.1444 als Sohn von Antonius Sandeus325 und Francisca Ariosta326 in der Gemeinde Felina327 in der Diö322  Kirshner bezieht sich hier auf den Tractatus de modo docendi et discendi ius canonicum vel civile von Franciscus de Zabarellis (1360–1417). Zu Franciscus de Zabarellis siehe Zonta; Murano, Autographa, S. 121–127. 323  Kirshner, Consilia, S. 121. 324  Kirshner, Consilia, S. 122. 325  Der aus Lucca stammende und in Ferrara lebende Antonius Sandeus war selbst Doktor beider Rechte und hatte jedenfalls im Jahr 1483 das Amt des Giudice dei Savi inne. Antonius Sandeus starb im Jahr 1482 in Folge der in Ferrara wütenden Pest. Siehe Montorzi, S. 40, 76. Der Giudice dei Savi gehörte in Ferrara neben dem Podestà, der neben den zusätzlich existierenden Hofrichtern des Herzogs die gerichtliche Macht innehatte, und neben der Finanzverwaltung und Militärverwaltung, welche durch Abgesandte der römischen Kurie geführt wurde, zur Regierung der Stadt. Er stand dem Ratskollegium von zwölf Weisen (savi oder anziani) vor, die die Interessen der Bürger gegenüber der Stadtregierung vertraten. Siehe Emich, S. 107 und Dean, S.  22 f. 326  Nach Montorzi, S. 19 war sie die Tochter des Rechtsgutachters Franciscus Ariostus. Nach Leonardi, Atti accad. Lucca, 16 (1854), S. 213 und Murano, Autographa, S. 273 handelt es sich bei Franciscus Ariostus tatsächlich um einen Onkel mütterlicherseits von Felinus Sandeus. Franciscus Ariostus war Arzt und Doktor des Kirchenrechts. Er ist im Jahr 1431 als Student des Kirchenrechts in Bologna belegt. Er wirkte in verschiedenen kleineren Städten der Emilia Romagna als Podestà und starb im Jahr 1484. Siehe Sabbadini, Bd. 3, S. 256, f. 327  Das gibt Felinus Sandeus selbst an in seinem Traktat über den Titel „de rescriptis et nonnullis aliis“, so jedenfalls Arrighi, S. 8. Sandeus gibt weiter an, dass seine beiden Eltern aus Ferrara, sein Großvater väterlicherseits aus Venedig und die sonstigen früheren Vorfahren aus Lucca stammten.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten65

zese Lucca328 in eine der alteingesessenen und noblen Familien Ferraras329 geboren.330 Er hatte zwei Brüder, nämlich Ludovicus und Johannfranciscus.331 Felinus studierte332 in Ferrara333 seit dem 23.08.1459 Kirchenrecht334 und widmete sich dem Studium beider Rechte insgesamt acht Jahre mindestens bis 1466335. Er war seit 1466336 in Ferrara auch als Dozent für Kirchenrecht tätig und hielt dort zuerst Vorlesungen zum Decretum Gratiani und später auch zu den Decretales Gregorii IX papae.337 Im darauffolgenden Siehe auch Pancirolus (1637), lib. 3, S. 468 = (1721), lib. 3, S. 368; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 350; Montorzi, Autographa, S. 273. 328  Felina liegt heute im Bistum Reggio Emilia-Guastalla in der Provinz Reggio Emilia. 329  Fichardius, S. 426; Leonardi, Atti accad. Lucca, 16 (1854), S. 212. Ghilar­ ducci, Actum Luce, 1 (1972), S. 162 bezeichnet die Familie Sandei als Einwanderer aus Lucca und keineswegs als alteingesessene oder gar noble Familie aus Ferrara. 330  Ghilarducci, Actum Luce, 1 (1972), S. 162; Montorzi, S. 19; Arrighi, S. 8. 331  Ludovicus Sandeus war ein bekannter Poet und Literat seiner Zeit. Johannfranciscus Sandeus war herzoglicher Arzt. Beide starben, ebenso wie ihr Vater, im Jahr 1482 an der in Ferrara wütenden Pest. Siehe Montorzi, S. 40. 332  Und zwar bei Franciscus Aretinus und Bartholomaeus Bellencinus; siehe Pancirolus (1637), lib. 3, S. 468 = (1721), lib. 3, S. 368; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 330, 350. Zu Franciscus Aretinus (1418–1485/1486) siehe Savigny, Bd. 6, S. 328–341. Zu Bartholomaeus Bellencinus (1428–1478) siehe Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 330. 333  Die bei Zedler, Bd. 33, Sp. 1943 zu findende Angabe, dass Felinus Sandeus in Padua studiert habe und erst auf Drängen des Vaters, der dem Müßiggang des Sohnes durch stärkere Kontrolle am Wohnort eine Ende bereiten gewollt habe, zum Studium nach Ferrara gekommen sei, lässt sich in der weiteren Sekundärliteratur nicht verifizieren. 334  Das geht aus der bei Arrighi, S. 9 und bei Murano, Autographa, S. 276 mitgeteilten Inschrift in einer Ausgabe des Decretum Gratiani hervor, welche Felinus Sandeus von seinem Vater erhalten hatte. Ebenso Ghilarducci, Actum Luce, 1 (1972), S. 162. 335  Siehe Arrighi, S. 9. Montorzi, Autographa, S. 273 geht demgegenüber davon aus, dass Sandeus schon im Jahr 1465 als Dozent für Kirchenrecht in Ferrara tätig gewesen ist. 336  Der Angabe bei Schulte, dass Felinus Sandeus schon im Jahr 1466 das Decretum Gratiani gelesen habe, steht indes nicht entgegen, dass er erst am 04.12.1467 das Studium in beiden Rechten beendete. Vielmehr nahm er seine Dozententätigkeit schon vor dem Abschluss seines Studiums auf. Siehe Arrighi, S.  12 f. Di Renzo Villata, S. 308 und Leonardi, Atti accad. Lucca, 16 (1854), S. 213 geben sogar schon das Jahr 1465 als Beginn der Dozententätigkeit in Ferrara an. Diplovatatius, Bd. 2, S. 415 schließlich beruft sich auf eine Angabe von Felinus Sandeus selbst, nach der er bereits mit 20 Jahren einen Lehrstuhl für kanonisches Recht inne gehabt habe – daraus würde sich als Beginn der Dozententätigkeit sogar schon das Jahr 1464 ergeben. 337  Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 350.

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A. Einführung

Jahr erwarb er am 04.12.1467338 den Grad eines Doktors beider Rechte.339 Seine Dozententätigkeit340 an der Universität in Ferrara setzte Felinus Sandeus bis zum Jahr 1474 fort341, bevor er im selben Jahr342, in der Zwischenzeit zum Kanoniker in seiner Heimatstadt Ferrara ernannt343, als Professor nach Pisa344 auf den Lehrstuhl für kanonisches Recht345 berufen346 wurde. 338  Montorzi,

Autographa, S. 273. Renzo Villata, S. 309; Montorzi, S. 24. 340  Zum Teil findet man die Angabe, Felinus Sandeus habe schon in Ferrara einen Lehrstuhl für kanonisches Recht als Professor innegehabt; siehe Naz, DDC, Bd. 5, Sp. 827; Madey, BBKL, Bd. 8, S. 1308. Obwohl in den sehr ausführlichen Darstellungen von Montorzi und Arrighi diese Annahme nicht ausdrücklich bestätigt wird, darf man eine herausgehobene Stellung als Dozent in Ferrara annehmen – schließlich wirkte Felinus Sandeus im April 1471 als Promotor für die Doktorate verschiedener namhafter Personen mit (unter anderen für den späteren apostolischen Protonotarius und Kardinal Petrus de Fuxo). Siehe Montorzi, S. 28. 341  Verdiente er anfänglich nur 50 Floreni, so bekam er zu Ende seiner Tätigkeit in Ferrara als Dozent 350 Floreni Jahresgehalt; siehe Arrighi, S.  12 f. 342  Madey, BBKL, Bd. 8, S. 1308  f.; Leonardi, Atti accad. Lucca, 16 (1854), S.  213 f. 343  Diese Stellung erlangte er im Jahr 1474, nachdem ihn sein Großvater Franciscus Ariostus bestärkt hatte, diese Stellung anzunehmen. Siehe Montorzi, S.  23 f., 30. 344  Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 350; Naz, DDC, Bd. 5, Sp. 827. 345  Zur gleichen Zeit lehrten unter anderen Bartholomaeus Socinus und Philippus Decius Zivilrecht in Pisa; siehe Pancirolus (1637), lib. 3, S. 468 f. = (1721), lib. 3, S. 368; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 350. Mit Philippus Decius war Felinus Sandeus anfänglich sehr eng befreundet, hatte Felinus doch sogar darauf hingewirkt, dass Philippus in Pisa als Professor im Zivilrecht berufen wurde; siehe Belloni, S. 190. Bei Pancirolus (1637), lib. 2, S. 302 f. = (1721), lib. 2, S. 242 f. wird das Ende dieser Freundschaft ausführlich beschrieben. Grund dafür ist, dass Decius die Konkurrenzvorlesung zu Sandeus zugeteilt wurde und zwar im Zivilrecht, in dem Decius wesentlich bewanderter war als Sandeus. (Diese Situation begründet auch die Angabe bei Katterbach, S. 56, dass er in Pisa eine Professur für Zivilrecht innegehabt habe.) Der im kanonischen Recht unübertroffene Lehrer Sandeus musste erkennen, dass die Parallelvorlesung von Decius wesentlich besser angenommen wurde. Das führte nach Meinung von Savigny, Bd. 6, S. 376 dazu, dass die Freundschaft in heftigste Feindschaft umschlug. Dem steht jedoch entgegen, dass Decius sich keineswegs negativ über Sandeus äußerte, sondern diesen vielmehr mehrfach als „meinen schon seit langem geachteten Kollegen“ (olim honorandus collega meus) bezeichnete; siehe Decius, Consilia (1580), Bd. 2, cons. 341, fol. 3rb (inc. viso puncto et diligenter consideratis) und Decius, Consilia (1508), cons. 114, fol. 120va (inc. pro tenui facultate) = Decius, Consilia (1565), cons. 114, fol. 124ra. Zu Philippus Decius (1454–1535/36) siehe Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 361–363; Mazzacane, DBI, Bd. 33, S. 554–560; Murano, Autographa, S. 296–299. 346  Von Seiten der Universität Pisa bot man ihm für drei Jahre die Stellung als Dozent für kanonisches Recht de mane (also in den beliebten Morgenstunden) für 339  Di



III. Das vorliegende Rechtsgutachten67

Diese Stellung wurde am 30.07.1478 für weitere zehn Jahre bestätigt347 und schließlich noch während der Laufzeit dieses Vertrages am 29.05.1480 für weitere fünf Jahre348. Darin zeigt sich die hohe Wertschätzung, die Felinus Sandeus in Pisa genoss.349 Am 12.03.1484 berief Papst Sixtus IV. Felinus Sandeus zum Auditor350 an der Sacra Rota Romana.351 Diese Stelle trat er jedoch nicht mehr während des Pontifikats dieses Papstes an.352 Vielmehr lehrte er weiterhin in Pisa an der Universität kanonisches Recht353 und war erst mit dem Ende seines Vertrages354 mit der Universität in Pisa am 27.12.1486 frei, nach Rom zu gehen355 und die Stelle als Auditor der Sacra Rota Romana anzunehmen.356 Am 02.04.1487 unter dem Pontifikat von Papst Innocentius VIII. 500 Floreni jährlich und damit für immerhin 150 Floreni mehr als in Ferrara an. Siehe Arrighi, S. 14; Montorzi, S. 30. 347  Dieses Mal mit einem Jahresgehalt von 650 Floreni; siehe Arrighi, S. 16; Montorzi, S. 37. 348  Wiederum für 650 Floreni; siehe Arrighi, S.  16 f.; Montorzi, S. 39. 349  Noch deutlicher zeigt sich diese Wertschätzung darin, dass Felinus Sandeus noch nach seiner Berufung zum Auditor an der Sacra Rota Romana von Seiten der Universität Pisa am 08.03.1485 eine Bestätigung für kanonisches Recht für weitere zwei Jahre – nunmehr mit einem Jahresgehalt von 700 Floreni – angetragen wurde. Siehe Arrighi, S. 18; Montorzi, S. 46. 350  Scheinbar einzig bei Leonardi, Atti accad. Lucca, 16 (1854), S. 214 findet man die Angabe, dass Papst Sixtus IV. Felinus ausdrücklich nicht zum Auditor an der Sacra Rota Romana sondern vielmehr zum auditor sacri palatii bestellt habe. Möglicherweise stützt sich Leonardi auf die bei Diplovatatius, Bd. 2, S. 414 zu findende Angabe, übersieht jedoch dabei, dass es sich bei diesem Titel nur um eine an der Kurie zeitweilig übliche Bezeichnung der Rotaauditoren handelt. 351  Cerchiari, Bd. 2, S. 71; Bd. 3, S. 211; Montorzi, S. 42; Madey, BBKL, Bd. 8, S. 1308. Siehe auch Hilling, N., AfkKR, 84 (1904), S. 96; Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 212 und dazu auch oben Fn. 10 und 230. 352  Cerchiari, Bd. 2, S. 71. 353  Und zwar nach Ansicht von Montorzi, Autographa, S. 273, weil die Einkünfte aus seiner Lehrtätigkeit in Pisa einträglicher waren, als die zu erwartenden Einkünfte als Auditor an der Sacra Rota Romana. 354  Felinus scheint sich seines Wertes für die Universität in Pisa vor dem Hintergrund seiner Berufung zum Rotaauditor sehr bewusst gewesen zu sein. Er konnte schließlich in entsprechenden Verhandlungen mit der Universität Pisa weitere 100 Dukaten aushandeln, die ihm auch – in Anbetracht der Bestätigung seiner Professur – für weitere drei Jahre am 03.10.1485 ausgezahlt wurden. Siehe Arrighi, S. 19. 355  Die bei schon bei Pancirolus (1637), lib. 3, S. 468 = (1721), lib. 3, S. 368 angedeutete und bei Savigny, Bd. 6, S. 376 klar formulierte Angabe, dass Sandeus Pisa wegen des geschilderten Streits mit Decius verließ, lässt sich in der weiteren Literatur nicht bestätigen und dürfte wohl nicht zutreffend sein. Vielmehr dürfte der Weggang aus Pisa vorrangig auf die Berufung zum Rotaauditor zurückzuführen sein. Ähnlich kritisch auch schon Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 351. 356  Arrighi, S. 20; Montorzi, S.  46 ff.

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A. Einführung

nahm Felinus Sandeus eigener Aussage nach diese Stelle357 in Rom358 tatsächlich an.359 Seit dem Jahr 1487 ist er auch als Erzpriester in Pisa nachweisbar.360 Er tritt auch als päpstlicher Referendar361 (referendarius domesticus) in Erscheinung.362 Am 04.05.1495 wurde der Rotaauditor Sandeus zum Bischof363 von Penne und Atri364 mit Pfründen in Höhe von 500 Floreni365 bestellt.366 Noch im 357  Eine sehr ausführliche Darstellung von Felino Sandeus’ Aktivitäten in der päpstlichen Kurie bietet Montorzi, Autographa, S.  274 f. 358  Er ließ für seine Arbeit als Auditor der Sacra Rota Romana seine gesamte Bibliothek nach Rom verlegen; Murano, Autographa, S. 280. 359  Arrighi, S. 24 zitiert eine eigenhändige Notiz von Felinus Sandeus. Das wird bestätigt von Fichardius, S. 426. 360  Montorzi, S. 49 erwähnt, dass Sandeus als „archipresbiter pisanae maioris Ecclesiae“ aufgetreten ist. Diese Stellung (nicht aber die Jahresangabe) wird auch von Cerchiari, Bd. 2, S. 71; Katterbach, S. 56 und Frenz, Kanzlei, S. 322 erwähnt. 361  Katterbach, S. 61. 362  Ob er allerdings erst unter Papst Alexander VI. (möglicherweise im Jahr 1494) in diesen Rang erhoben wurde – so Cerchiari, Bd. 2, S. 71 und ihm folgend Montorzi, S. 59 –, oder ob ihm dieser Rang aus Dankbarkeit schon durch Papst Sixtus IV. verliehen wurde – so Hilling, N., AfkKR, 84 (1904), S. 98 –, lässt sich nicht feststellen. 363  Die mit dieser Stellung verbundene Residenzpflicht des Bischofs in seiner Diözese steht auf den ersten Blick im Widerspruch zum Auditorenposten. Auch bekräftigte Papst Innocentius VIII. in seiner Bulle „Circumspecta“ vom 23.08.1485 dieses kirchliche Gesetz, das sich schon in X.3.4.1 und später auch in VI.3.3.1 findet. Er ordnete ausdrücklich an, „dass im Übrigen dauerhaft in den künftigen Zeiten, jedes Mal wenn durch uns oder den vorgenannten [heiligen] Stuhl irgend­ einer der benannten Auditoren jetzt oder für die Zukunft auf diese Weise [zum Vorsteher] irgendeiner Kathedrale oder Metropolitankirche befördert wird oder es geschieht, dass der schon Beförderte versetzt wird, [dass dann] das derartige Auditorenamt, welches der so Beförderte oder Versetzte vormals erhielt, durch die vorerwähnte Amtszuteilung, [Ernennung zum] Vorsteher oder Versetzung mit sofortiger Wirkung offen stehen soll und als frei geworden und unbesetzt betrachtet werden soll.“ Gleichwohl taucht Felinus Sandeus weiterhin als Auditor auf, nunmehr aber als locumtenens; siehe Burchardus, Bd. 2, S. 194. Diese Bezeichnung beschreibt einen Kunstgriff, den die mittelalterlichen Juristen nutzten, um trotz der eigentlich entgegenstehenden kirchenrechtlichen Regelungen das Auditorenamt dennoch ausüben zu können. Der vormalige Auditor wird nun nur noch als Statthalter eines zukünftigen, noch nicht bestimmten Auditors bezeichnet und führt in dieser Verwalterposition die Amtsgeschäfte weiter, ohne dass ein Unterschied zur bisherigen Amtsführung zu sehen wäre. Der einzige, bedeutsame Unterschied liegt darin, dass die notwendig vom Papst zu erteilende Dispens jederzeit – auch sehr kurzfristig – wieder zurückgenommen werden konnte; siehe Hilling, N., AfkKR, 84 (1904), S. 99 f. Zur Residenzpflicht siehe Strigl, LThK, Bd. 8, Sp. 1250 und ausführlich Börner, S.  129 ff.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten69

selben Jahr , nämlich am 25.09.1495367, wurde er Coadjutor368 des Bischofs von Lucca mit dem Recht369, nach dem Tod des Bischofs Nicolaus Sandoninnus370 den Bischofssitz von Lucca einzunehmen. Dieser war immerhin mit 2000 Floreni371 dotiert und damit deutlich lukrativer als der Bischofssitz von Penne und Atri. Nachdem Nicolaus Sandoninnus im Juni 1499 gestorben war372, fand am 26.08.1499 die Investitur von Felinus Sandeus als Bischof von Lucca statt373. Noch im selben Jahr musste er diesen Sitz aber nach nur fünf Monaten374 wieder aufgeben und nach Rom zurückkehren375, da sich in einem Intrigenspiel376 der Kardinal Julianus Rovereus, der spätere Papst Julius II, dieses Bischofsstuhls zugunsten seines Enkels377 Galeottus Franciottus Rovereus (1471–1507)378 mit Hilfe von Ludwig XII, König von Frankreich, bemächtigte und bis zum 29.08.1501 durch Georgius Franciottus, einen Schwager von Galeottus, verwalten ließ.379 Erst nachdem Felinus Sandeus seine Ansprüche gegen Julianus Rovereus durchsetzen 364365366

Innocentius VIII.: Bulla „Circumspecta“ (nach Cherubini, Bd. 1, S. 450; Tomassetti/Gaude, Bd. 5, S. 319–320), § 1: […]quod de cetero perpetuis futuris temporibus quoties per nos seu sedem praedictam aliquem ex dictis auditoribus nunc et pro tempore existentibus ad aliquam cathedralem seu metropolitanam ecclesiam huiusmodi promoveri, seu iam promotum transferri contigerit, officium auditoriatus huiusmodi, quod sic promotus vel translatus tunc obtinebat, per provisionem, praefectionem seu translationem praedictas vacet ac vacasse et vacare censeatur eo ipso. 364  Heute handelt es sich um die Diözese von Penne und Pescara. 365  Eubel, Bd. 2, S. 214. 366  Katterbach, S. 56; Frenz, Kanzlei, S. 322; Leonardi, Atti accad. Lucca, 16 (1854), S. 214; Montorzi, Autographa, S. 274. 367  Montorzi, S. 63. 368  Frenz, Kanzlei, S. 322; Leonardi, Atti accad. Lucca, 16 (1854), S. 214. 369  Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 351. 370  Hilling, N., AfkKR, 84 (1904), S. 101; Eubel, Bd. 2, S. 180. 371  Eubel, Bd. 2, S. 180. 372  Eubel, Bd. 2, S. 180; Leonardi, Atti accad. Lucca, 16 (1854), S. 214; Ghilarducci, Actum Luce, 1 (1972), S. 163. 373  Montorzi, S. 70. 374  Leonardi, Atti accad. Lucca, 16 (1854), S. 214. 375  Arrighi, S. 29. 376  Eine weitere ausführliche Darstellung der entsprechenden Vorgänge findet sich bei Arrighi, S. 28 ff. Eine zeitgenössische Darstellung der Ereignisse findet man bei Ghilarducci, Actum Luce, 1 (1972), S. 165 ff. 377  Ghilarducci, Actum Luce, 1 (1972), S. 165 nimmt demgegenüber an, dass Kardinal Julianus Rovereus zugunsten seines Neffen Georgius Franciottus gehandelt habe. 378  Chacón, Bd. 3, Sp. 252–253. 379  Montorzi, S. 71; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 351; Hilling, N., AfkKR, 84 (1904), S. 101; Chacón, Bd. 3, Sp. 252.

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A. Einführung

konnte, erlangte er im August 1501 tatsächlich die Gewalt über den Bischofsstuhl von Lucca.380 Infolge dieser Auseinandersetzung forderte Papst Alexander VI. Sandeus auf, sein Amt in Lucca auch wahrzunehmen. Er verlieh dieser Forderung dadurch Nachdruck, dass er am 10.11.1501 die Vakanz des Auditorenpostens anordnete, den Felinus Sandeus ja nur noch als „Platzhalter“ (locumtenens) innehatte.381 Jedoch wurde dieses Vakanzdekret erst 13 Monate später durchgesetzt. Bis dahin, nämlich bis zum 09.12.1502382, übte Felinus Sandeus weiterhin sein Auditorenamt aus. Da­ raus kann man schließen, dass vermutlich der Papst bis dahin den Vollzug des Vakanzdekrets noch suspendiert hatte.383 Felinus Sandeus starb nach längerer Lähmung, die den Gebrauch der Arme stark einschränkte,384 nicht in Lucca, sondern in Rom385, und zwar in den Nachtstunden des 06.09.1503386 oder den frühen Morgenstunden des 07.09.1503387. Seine Beisetzung fand am 07.09.1503 gegen 22 Uhr im Petersdom in Rom statt.388 Nicht zuletzt daran zeigt sich seine hohe Wertschätzung sowohl als Rechtsgutachter389 als auch als Auditor der Sacra Rota Romana390. 380  Hilling, N., AfkKR, 84 (1904), S. 101; Montorzi, S. 72; Leonardi, Atti accad. Lucca, 16 (1854), S. 214; Ghilarducci, Actum Luce, 1 (1972), S. 167. 381  Cerchiari, Bd. 2, S. 71 f.; Montorzi, S. 73. 382  Hilling, N., AfkKR, 84 (1904), S. 101; Hoberg, RQ, 48 (1953), S. 68; Montorzi, S. 74. 383  Montorzi, S. 74. 384  Ghilarducci, Actum Luce, 1 (1972), S. 167. 385  Hilling, N., AfkKR, 84 (1904), S. 95. 386  Hilling, N., AfkKR, 84 (1904), S. 95; Naz, DDC, Bd. 5, Sp. 828; Ghilarducci, Actum Luce, 1 (1972), S. 167; Madey, BBKL, Bd. 8, Sp. 1308; Montorzi, S. 75; Arrighi, S. 30; Murano, Autographa, S. 276 sprechen sich für den 06.09.1503 als Todesdatum aus. 387  So Frenz, Kanzlei, S. 322 und Burchardus, Bd. 2, S. 367, der aber auch von einer Todeszeit in den frühen Morgenstunden zwischen 3 und 4 Uhr ausgeht. Das dürfte die unklaren Angaben begründen. Ob Sandeus in den späten Abendstunden des Vortages oder den frühen Morgenstunden des darauffolgenden Tages gestorben ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die bei Eubel, Bd. 2, S. 180; Bd. 3, S. 228 und Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 351 zu findende Angabe, dass Felinus Sandeus im Oktober 1503 verstorben sei, dürfte unzutreffend sein. Wenn Diplovatatius, Bd. 2, S. 415 davon ausgeht, dass der Tod von Felinus Sandeus im September 1504 eingetreten sei, dürfte das wiederum auf die unterschiedlich angenommenen Jahresanfänge zurückzuführen sein. Siehe dazu oben Fn. 54. 388  Montorzi, S. 75. 389  Bellarmino, S. 250. 390  Das zeigt sich besonders daran, dass in den Manualien der Rotanotare zum 06.09.1503 ein ehrender Eintrag zu finden ist, obwohl Sandeus zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr Auditor an der Rota war.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten71

Erwähnenswert ist noch seine überaus umfangreiche Bibliothek391, die er in seinem Testament dem Domkapitel zu Lucca392 hinterlassen hatte393 und die noch heute394 in der im Auftrag der Kanoniker der Kathedrale in Lucca zusammengestellten Form395 unter dem Namen „Biblioteca Capitolare Feliniana“ in Lucca nutzbar ist. Da Felinus Sandeus sein Gutachten nicht datiert hat, ist eine zeitliche Einordnung nur mithilfe der Angaben möglich, die der Autor selbst in seiner subscriptio angibt. Felinus bezeichnet sich dort396 als Doktor beider Rechte, Bürger und Domherr zu Ferrara und ordentlicher Professor für kanonisches Recht an der Universität in Pisa. Diesen Lehrstuhl hatte er in der Zeit von 1474 bis zum Jahreswechsel 1486 / 1487 inne. In dieser Zeit muss also dieses Gutachten verfasst worden sein. 3. Weitere Gutachter im Rechtsstreit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lignano Zusätzlich zu Felinus Sandeus haben noch mindestens weitere elf Juristen Rechtsgutachten in diesem Rechtsstreit397 erteilt, nämlich Bartholomaeus 391  Einen sehr guten Überblick über die von Felinus Sandeus gesammelten Werke findet man bei Leonardi, Atti accad. Lucca, 16 (1854), S. 216 ff.; bei Murano, Autographa, S. 276–282 und bei Ghilarducci, Actum Luce, 1 (1972), S. 173 ff. 392  Hierhin wurden die von Felinus Sandeus gesammelten Werke mithilfe finanzieller Mittel der Stadtherrscher von Ferrara verlegt; siehe Montorzi, Autographa, S. 275. 393  Savigny, Bd. 6, S. 484; Leonardi, Atti accad. Lucca, 16 (1854), S. 214 f. 394  Wurde doch schon in einem Brief vom 02. oder 03.10.1503 jedem, der ein Buch aus dieser Sammlung entwendet, durch Papst Pius III. die Exkommunikation angedroht. Auch bestimmte Papst Pius III, dass dieser „wertvolle, funkelnde Schatz“ (prezioso tesoro fulminando) auf ewig erhalten werden solle. Siehe Leonardi, Atti accad. Lucca, 16 (1854), S. 215; Murano, Autographa, S. 276. Zu Papst Pius III.: Francesco Todeschini-Piccolomini (1439–1503) siehe Dahm, BBKL, Bd. 7, Sp. 661–664. 395  Arrighi, S. 30. Zum heutigen Bestand der Bibliothek siehe auch Ghilarducci, Actum Luce, 1 (1972), S. 173 ff. 396  Vaticano, BAV, Vat. lat. 14094, fol. 95v. 397  Bei Pancirolus (1637), lib. 3, S. 439 = (1721), lib. 3, S. 345 wird noch ein weiteres gedrucktes Gutachten zu diesem Fall erwähnt. Es handelt sich um Andreas Barbatia, Consilium 43 in der Druckausgabe Tridinum 1517 auf fol. 90va–91vb. Dieses Gutachten erteilte Andreas Barbatia jedoch in einem anderen Rechtsstreit – nämlich zwischen dem Enkel von Johannes de Lignano, Guglielmus, und Nachkommen von Blancus, dem Bruder von Johannes de Lignano. Die Parteien stritten um die Auslegung einer Testamentsklausel im Testament von Johannes de Lignano. Nach dem Testament sollten Princivallus, ein weiterer Bruder von Johannes de Lig­ nano, und die Söhne von Blancus zwar nicht das Eigentum, aber doch immerhin den

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A. Einführung

Socinus, Carolus Ruinus, Johannes Crottus, Petrus Philippus Corneus, Bulgarinus de Bulgarinis, Johannes Maria de Riminaldis, Angelus de Castro, Hieronymus de Zanetinis, Johannes Baptista de Lambertinis, Andreas Corsetus und Agamemnon Marescottius. Zwei von diesen Gutachtern meldeten sich sogar mehrfach zu Wort, nämlich Angelus de Castro und Johannes Baptista de Lambertinis. Vier Gutachten sind durch Druckausgaben bekannt398 – es handelt sich dabei um die Gutachten von Bartholomaeus Socinus, Carolus Ruinus, Johannes Crottus und Petrus Philippus Corneus. Die übrigen im Rechts­ streit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lignano erteilten Gutachten sind bisher nur in einer Handschrift im Vatikan gefunden worden.399 Unter den Gutachtern befürworteten nur wenige eine Klageabweisung, nämlich Bartholomaeus Socinus, Petrus Philippus Corneus und Bulgarinus de Bulgarinis. Die übrigen Gutachter befürworteten, dass der Klage stattgegeben werde. Allerdings plädierte dabei der Gutachter Johannes Baptista de Lambertinis für eine Einschränkung: Zwar sollte der Kläger mit seinem Anspruch Nießbrauch an den in der Grafschaft Mailand und insbesondere im Städtchen Legnano liegenden Gütern des Johannes de Lignano als Vermächtnis erhalten. Die umstrittene Testamentsklausel ordnete jedoch an, dass dieser Nießbrauch dann ruhen sollte, wenn die Erben des Johannes de Lignano aus irgendeinem Grund nicht mehr in Bologna würden wohnen können. Und zur Auslegung dieser Bedingung erteilte Andreas Barbatia ein Gutachten. Zu Andreas Barbatia siehe Liotta, DBI, Bd. 6, S. 146–148; Morelli, Autographa, S. 227–236; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 306; Fantuzzi, Bd. 1, S. 343. 398  Siehe oben, A. I., Fn. 4. Diese gedruckten Consilia werden bei Pancirolus (1637), lib. 3, S. 439 = (1721), lib. 3, S. 345 in einer glossenartigen Ergänzung zum Haupttext genau bezeichnet. Man findet diese Angaben, sogar noch genauer, schon in den Anmerkungen des Rechtsgutachters Hieronymus Zanchius Bergomensis, dem Herausgeber der gedruckten Konsiliensammlung von Carolus Ruinus aus Venedig, 1591 und dort zum entsprechenden Consilium 168 im 3. Buch der Sammlung. Der Herausgeber ergänzt noch drei weitere Gutachten von Philippus Decius, Alexander Tartagnus und Jacobus Menochius, die sich jedoch nicht mit diesem konkreten Fall beschäftigen, sondern inhaltlich ähnliche Fälle behandeln und deshalb von Zanchius bei dieser Gelegenheit erwähnt werden. Insbesondere die konkrete Angabe, dass zum selben Rechtsstreit Philippus Decius ein der Position von Carolus Ruinus entgegenstehendes Gutachten verfasst habe, lässt sich nicht verifizieren. Die Reihenfolge, in der diese Gutachter hier besprochen werden, folgt der Reihenfolge in der Aufzählung bei Pancirolus. 399  Die Autoren dieser nur handschriftlich überlieferten Gutachten werden in der Reihenfolge der Heftung der Gutachten in der Sammelhandschrift Vaticano, BAV, Vat. lat. 14094 dargestellt.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten73

auf Übereignung der Erbschaftsgüter obsiegen, jedoch sollte den beiden Beklagten dennoch ein Wohnrecht auf den Grundstücken und ein ­Anspruch auf Unterhaltsleistung aus deren Erträgnissen zugesprochen werden. Schließlich sind noch zwei von Advokaten für den Kläger verfasste Schriftsätze in der Handschrift im Vatikan überliefert. Es handelt sich bei den beiden Advokaten um Johannes Bartholomaeus Dossis und Melchior de Baldasinis. Eine kurze Darstellung der Lebensdaten der Autoren dieser Gutachten sowie der Advokatenschriftsätze und einige weitere Informationen sollen dazu dienen, die zeitliche Einordnung des Rechtsstreits und auch des Gutachtens von Felinus Sandeus zu erleichtern. a) Autoren der gedruckten Consilia aa) Bartholomaeus Socinus Aus einer alteingesessenen, noblen Familie in Siena stammend400, wurde Bartholomaeus Socinus als dritter Sohn401 von Marianus Socinus (um 1397–1467)402 am 25.03.1436 geboren403. Er studierte in seiner Heimatstadt zuerst Grammatik, griechische und lateinische Poesie404, bevor er sich dem Rechtsstudium zuerst für drei Jahre405 in Siena406 und anschließend in Bologna407 widmete.408 Er war ab 1459409 zuerst in Siena410 an seiner Heimat400  Diplovatatius,

Bd. 2, S. 412; Savigny, Bd. 6, S. 342. Autographa, S. 264. 402  Dieser war ebenfalls Jurist und Professor für kanonisches Recht an der Universität von Siena. Er lebte von 1401 bis 1467. Siehe Diplovatatius, Bd. 2, S. 393 ff.; Savigny, Bd. 6, S. 343 f.; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 319–320; Murano, Autographa, S. 204–209. 403  Zedler, Bd. 38, Sp. 265; Murano, Autographa, S. 264. Pancirolus (1637), lib. 2, S. 275 = (1721), lib. 2, S. 221 gibt demgegenüber als Geburtsdatum den 08.04.1436 an. 404  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 275 = (1721), lib. 2, S. 221; Murano, Autographa, S. 264. 405  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 275 = (1721), lib. 2, S. 221. 406  Er studierte hier unter seinem Vater; siehe Pancirolus (1637), lib. 2, S. 275 = (1721), lib. 2, S. 221 und Belloni, S. 168. 407  Hier waren Alexander Tartagnus und Andreas Barbatia seine Lehrer; siehe Savigny, Bd. 6, S. 345. Alexander Tartagnus lehrte in Bologna mehrfach, nämlich in den Jahren 1451– 1457, 1461–1467 und 1470–1477; siehe Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 329; Savigny, Bd. 6, S. 314 f. 401  Murano,

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A. Einführung

universität als Dozent411 tätig412, bevor er für einige Zeit in Ferrara413, dann in Padua414, Pavia415, Turin416 und dann in Pisa417 und Bologna418 lehrte. 408409410

Andreas Barbatia (ca. 1400/10–1479) lehrte in Bologna von 1442 bis 1478; dazu und allgemein zu Andreas Barbatia siehe Fantuzzi, Bd. 1, S. 343 ff.; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 306; Diplovatatius, Bd. 2, S. 391; Morelli, Autographa, S.  227 ff.; Liotta, DBI, Bd. 6, S. 146 f.; Bursellis, S. 104. 408  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 276 = (1721), lib. 2, S. 222 erwähnt als weiteren Studienort Pisa mit Franciscus Aretinus als Lehrer. Das ist jedoch sichtlich falsch, da Franciscus Aretinus von 1479 bis 1483 in Pisa lehrte; siehe Savigny, Bd. 6, S. 332 f. Anzunehmen ist daher, dass Pancirolus nur auf eine Äußerung von Bartholomaeus Socinus abstellt, wonach er von Franciscus Aretinus Nützliches gelernt hat. Das muss aber keineswegs auf seine Studentenzeit bezogen sein. Vielmehr kann sich Bartholomaeus Socinus dabei auf seine eigene Dozententätigkeit in Pisa bezogen haben, schließlich haben Franciscus Aretinus und er in den Jahren 1479 bis 1483 zur gleichen Zeit in Pisa gelehrt. 409  So jedenfalls Murano, Autographa, S. 264. 410  Er hatte diese Stellung jedenfalls im Jahr 1462 und bis 1471 inne; siehe Savigny, Bd. 6, S. 345; Belloni, S. 168 und Murano, Autographa, S. 264. 411  Er lehrte wohl verschiedene Materien. Es lässt sich jedenfalls keine feste Zuordnung entweder zum Zivilrecht oder zum kanonischen Recht treffen. Allerdings begann er seine Lehrtätigkeit in Siena Murano, Autographa, S. 264 zufolge als Dozent für Zivilrecht und las dort die Institutiones. 412  Allerdings besuchte er scheinbar im akademischen Jahr 1457/58 oder 1460/61 Vorlesungen unter anderem von Alexander Tartagnus, und zwar wohl in Ferrara; siehe Murano, Autographa, S. 264. 413  Hier hatte er einen Vertrag über drei Jahre, lehrte jedoch nur von 1471 bis 1473; siehe Savigny, Bd. 6, S. 345 f.; Belloni, S. 168 und Murano, Autographa, S. 264. 414  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 276 = (1721), lib. 2, S. 222; Murano, Autographa, S. 266. 415  Savigny, Bd. 6, S. 346; Belloni, S. 168; Murano, Autographa, S. 267. 416  Savigny, Bd. 6, S. 346; Belloni, S. 168. 417  Er lehrte in Pisa von 1473 bis 1494. Sein Gehalt stieg hier merklich von 800 Floreni auf 1625 Floreni, nur um dann wieder auf 1025 Floreni zu sinken. In dieser Zeit machte er sich durch sein ungebührliches Betragen, seinen laxen Umgang mit der zu haltenden Unterrichtszeit und schließlich mit seinen vielfältigen politischen Aktivitäten in seiner Heimatstadt, die ihm am 30.04.1483 auch das Amt des Capitano del popolo übertrug, und durch seine Aktivitäten zum Nachteil von Florenz (mit dem Pisa verbunden war) so viele Feinde, dass er sogar in Florenz gefangen genommen wurde und hingerichtet werden sollte, was jedoch durch das intensive Einschreiten der Stadtoberen von Siena und des Papstes verhindert wurde. Er lehrte daraufhin weiter in Pisa, nur um schließlich Pisa von der Verbindung zu Florenz abzubringen und an Frankreich zu binden, weswegen er schließlich endgültig Pisa verlassen musste. Siehe zu allem ausführlich Pancirolus (1637), lib. 2, S. 276 f. = (1721), lib. 2, S. 222 f.; Savigny, Bd. 6, S. 346 ff. und Murano, Autographa, S.  264 ff. 418  Hier war er von 1494 bis 1498 Professor; siehe Savigny, Bd. 6, S. 349. Belloni, S. 168 und Murano, Autographa, S. 267 geben demgegenüber den Zeitraum von 1496 bis 1498 an.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten75

Schließlich wurde er in Padua419 und dann erneut in Bologna420 Professor. Bartholomaeus Socinus war auch als Konsistorialadvokat tätig.421 Er starb am 09.07.1506422 völlig verarmt423 in seiner Heimatstadt Siena.424 Trotz seiner politischen Umtriebe und seiner vielfachen Feindschaften zu den Führern verschiedener Stadtstaaten wurde er als Rechtslehrer hoch gerühmt.425 Ihm wird nachgesagt, dass er aufgrund seiner großen Berühmtheit insgesamt 500 Studenten den Doktortitel verliehen haben soll.426 Unter seinen zahlreichen Gutachten findet sich auch eines427 zum Rechtsstreit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lignano. Socinus befand sich bei der Verfassung dieses Gutachtens in einer schwierigen Lage, gab er doch ein Gutachten für die beklagten Frauen ab, wohingegen sich sein Pisaner Kollege Felinus Sandeus auf die Seite des Klägers stellte. Felinus Sandeus griff die Argumentation seines Kollegen, ohne jedoch dessen

419  Nämlich für drei Jahre von 1498 bis 1501; siehe Pancirolus (1637), lib. 2, S. 278 = (1721), lib. 2, S. 223; Savigny, Bd. 6, S. 349 und Murano, Autographa, S. 268. 420  Er lehrte hier von 1501 bis 1504, als er stumm wurde und sich zurück in seine Heimatstadt Siena begab; siehe Pancirolus (1637), lib. 2, S. 278 f. = (1721), lib. 2, S. 224 f.; Savigny, Bd. 6, S. 349 f. und Murano, Autographa, S. 268. 421  Mantua, S. 453; Märtl, S. 75 – eine genaue zeitliche Einordnung dieser Tätigkeit ist soweit erkennbar nicht möglich. 422  So jedenfalls Murano, Autographa, S. 268. Demgegenüber nimmt Savigny, Bd. 6, S. 351 das Jahr 1507 als Todesjahr an. 423  Und das trotz seiner immensen Einnahmen, die er aus seinen verschiedenen Lehrtätigkeiten und ganz besonders aus seinen zahlreichen Consilia hatte. Siehe Savigny, Bd. 6, S. 351. Der Grund dafür scheint eine Spielsucht gewesen zu sein; siehe Zedler, Bd. 38, Sp. 265. 424  Er soll tatsächlich so arm gewesen sein, dass seine aus öffentlichen Geldern finanzierte Beerdigung vor den Toren der Stadt in aller Stille und ohne jede Ehrung vorgenommen wurde; siehe Pancirolus (1637), lib. 2, S. 280 = (1721), lib. 2, S. 225. Murano, Autographa, S. 268 erwähnt jedoch, dass Bartholomaeus Socinus die Ehre eines Staatsbegräbnis zuteil wurde. 425  Nämlich als „erster und hochberühmter Doktor in ganz Italien“ (el primo et più famoxo [sic!] doctore de tutta Italia); siehe Belloni, S. 168. Er wurde auch in einem Namen mit den großen Rechtslehrern des klassischen römischen Rechts genannt (suae aetatis Papinianus); siehe Savigny, Bd. 6, S. 351. Besonders gerühmt wurden seine große Wahrheitsliebe und sein Gerechtigkeitssinn, der sich auch darin zeigte, dass er die Verdienste seiner Gegner anerkennen konnte. Siehe Savigny, Bd. 6, S. 351. Eine umfangreiche Darstellung der Lobpreisungen durch Zeitgenossen und Kollegen findet man bei Diplovatatius, Bd. 2, S. 413 f. 426  Savigny, Bd. 6, S. 350. 427  Bartholomaeus Socinus, Consilium 227 in der Druckausgabe Lugduni 1545, fol. 72vb–76ra – Gutachten für die beklagten Frauen.

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A. Einführung

Namen ausdrücklich zu nennen, in seinem Gutachten auch heftig, zum Teil sogar polemisch an.428 Dieses Gutachten ist leider nicht datiert.429 Auch sind in der gedruckten Fassung des Gutachtens alle erklärenden Zusätze, die Bartholomaeus Socinus möglicherweise dem handschriftlichen und gesiegelten Gutachten beigefügt hatte, nicht mit abgedruckt.430 Daher kann hier nur ein grober Zeitraum anhand des Lebenslaufs von Bartholomaeus Socinus bestimmt werden. Auch bei diesem Autor darf man vermuten, dass er vermutlich erst ab seiner Dozententätigkeit auch als Consiliator gewirkt hat. Der Zeitpunkt post quem für die Verfassung des von ihm überlieferten Gutachtens ist daher das Jahr 1459 und der Zeitpunkt ante quem ist sein Todestag im Jahr 1506. Es ist gut vorstellbar, dass die oben erwähnten, polemischen Angriffe von Felinus Sandeus gegen seinen Kollegen Bartholomaeus Socinus darauf zurückzuführen sind, dass Bartholomaeus Socinus sein Gutachten zu der Zeit verfasst hat, als beide als Dozenten in Pisa tätig waren, also in den Jahren 1474 bis 1486. Allerdings ist es ebenso denkbar, dass Bartholomaeus Socinus sein Gutachten zu einer anderen Zeit verfasst hat. Die genannte weitere Eingrenzung des möglichen Zeitraums für die Verfassung seines Gutachtens ist nur eine Vermutung und lässt sich nicht näher belegen. bb) Carolus Ruinus Carolus Ruinus wurde im Jahr 1456431 als Spross einer angesehenen Familie432 in Reggio Emilia433 geboren. Da sein Vater Corradinus Ruinus 428  Auch der ebenfalls in Pisa tätige Bulgarinus de Bulgarinis gutachtete für die beklagten Frauen, versucht aber, sich kurz zu halten und sich aus der Polemik im Streit zwischen Bartholomaeus Socinus und Felinus Sandeus herauszuhalten. Zu dem ebenfalls in der Pisaner Zeit entstandenen Streit zwischen Philippus Decius und Felinus Sandeus siehe oben, Fn. 345. 429  Das war allgemein in den gedruckten Konsiliensammlungen eher unüblich. 430  Auch das war durchaus üblich. Für die Herausgeber der Konsiliensammlungen war schließlich die Berühmtheit des Gutachters der Grund für die Sammlung und Veröffentlichung der Gutachten – die zeitliche Einordnung der einzelnen Gutachten war dabei völlig nebensächlich. Auch die Angabe des Amtes, das der Autor zum Zeitpunkt der Erteilung des Rechtsrats innehatte, war aus Sicht der frühneuzeitlichen Herausgeber solcher Druckbände völlig überflüssig und konnte daher übergangen werden. 431  Savigny, Bd. 6, S. 496; Belloni, S. 180. 432  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 319 = (1721), lib. 2, S. 255. 433  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 319 = (1721), lib. 2, S. 255; Zedler, Bd. 32, Sp. 1768.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten77

spielsüchtig war434, wuchs Carolus in großer Armut auf435. Er studierte zuerst Literatur436, bevor er sich in Bologna437 und später in Pisa438 dem Studium der Rechte widmete und dort auch seinen Doktortitel erlangte439. Er wirkte als Rechtslehrer im Anschluss an seinen Studienabschluss in Pisa als Dozent bis 1486.440 Anschließend ging er nach Ferrara441 und schließlich nach Pavia, wo er im Jahr 1496 als Dozent belegt ist.442 Im Jahr 1502443 wechselte er als Dozent nach Padua444 und wurde dort im Jahr 1505 zum Professor für Zivilrecht445 berufen446. Von hier ging er dann erneut nach Ferrara und lehrte dort bis zum Jahr 1511.447 Vermutlich war er im Anschluss daran erneut in Padua tätig.448 Sein großer Ruhm als Rechtslehrer brachte ihn schließlich um das Jahr 1521449 als Professor nach Bologna450. Auch hier war er ein hochangesehener Rechtslehrer451, der zahlreiche berühmte Schüler hatte452. Er starb am 07.04.1530 in Bologna.453 Carolus 434  Zedler,

Bd. 32, Sp. 1768. (1637), lib. 2, S. 319 = (1721), lib. 2, S. 255. 436  Namentlich die schönen Wissenschaften (littera polita); siehe Pancirolus (1637), lib. 2, S. 319 = (1721), lib. 2, S. 255 und Zedler, Bd. 32, Sp. 1768. 437  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 319 = (1721), lib. 2, S. 255; Zedler, Bd. 32, Sp. 1768. 438  Belloni, S. 180. 439  Belloni, S. 180. Zedler, Bd. 32, Sp. 1768 meint, dass die Universität Bologna Carolus Ruinus den Doktortitel verliehen habe. 440  Belloni, S. 180; Hilling, H., Autorenverzeichnis, S. 744. 441  Belloni, S.  180. Demgegenüber führt Pancirolus (1637), lib. 2, S. 319 = (1721), lib. 2, S. 255 die Dozententätigkeit in Ferrara als erste Anstellung an. 442  Mantua, S. 456; Belloni, S. 180. 443  Belloni, S. 180 nennt hier das Jahr 1501. 444  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 319 = (1721), lib. 2, S. 255. 445  Belloni, S. 180. 446  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 320 = (1721), lib. 2, S. 255. 447  Belloni, S. 180. 448  Mantua, S. 456 erwähnt, dass Ruinus im Jahr 1520 in Padua gelehrt habe. 449  Zedler, Bd. 32, Sp. 1769. 450  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 320 = (1721), lib. 2, S. 256; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 355. 451  In Bologna entbrannte zwischen Johannes Crottus und Carolus Ruinus ein heftiger Zwist, ging doch Crottus davon aus, Ruinus übertrumpfen zu können. Jedoch hatte er in seinen Vorlesungen nur 25 Studenten, wohingegen Carolus Ruinus 600 Studenten für sich begeistern konnte. Carolus Ruinus erhielt schließlich 1200 Goldgulden Jahresgehalt. Siehe Pancirolus (1637), lib. 2, S. 320 = (1721), lib. 2, S. 256. 452  Darunter Andreas Alciatus, Marcus Mantua und Hugus Buoncampagni, den späteren Papst Gregorius XIII; siehe Pancirolus (1637), lib. 2, S. 320 = (1721), lib. 2, S. 256. 435  Pancirolus

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A. Einführung

Ruinus wurde als Professor von seinen Studenten und Kollegen sehr geschätzt und erlangte vorrangig durch seine Lehrtätigkeit einen hervorragenden Ruf454. 453

Auch er hat ein Rechtsgutachten455 im Rechtsstreit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lignano erteilt. Auch hier finden sich keine Anhaltspunkte, um das Consilium zeitlich einordnen zu können. Die Bestimmung eines Zeitpunkts post quem für die Abfassung des überlieferten Gutachtens ist bei Carolus Ruinus weniger klar möglich. Da über sein Studium keine näheren Angaben überliefert sind, lässt sich nur vermuten, dass er in der zweiten Hälfte der 1470er Jahre sein Studium in Pisa beendet hat.456 Damit kann als Zeitpunkt post quem wohl frühestens das Jahr 1476 angenommen werden. Zeitpunkt ante quem ist wiederum sein Todesjahr 1530. cc) Petrus Philippus Corneus Aus einer adligen Familie in Perugia stammend457, wurde Petrus Philippus Corneus wohl im Jahr 1420 geboren458. Er wurde von Privatlehrern in Zu Papst Gregorius XIII.: Ugo Buoncompagni (1502–1585) siehe Bautz, BBKL, Bd. 2, Sp. 323–325. Bei Marcus Mantua handelt es sich um den Autoren des hier vielfach zitierten Werkes „Epitome virorum illustrium qui vel scripserunt, vel jurisprudentiam docuerunt in scholis, et quo tempore etiam floruerunt, ordine alphabetico constitutum, quo studiosi facilius alliciantur ad legendum, nunc primum in gratiam ipsorum editum“. Es wird dabei deutlich, dass Marcus Mantua, der eigener Aussage zufolge selbst Rechtsgutachter war, als Zeitgenosse durchaus als vertrauenswürdig gelten kann. Marcus Mantua war auch Dozent für kanonisches Recht in Padua um 1525; siehe Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 354. 453  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 321 = (1721), lib. 2, S. 257. Auch Mantua, S. 456 bestätigt den Tod im Jahr 1530 in Bologna. 454  Mantua, S. 456. 455  Carolus Ruinus, Consilium 168 in der Druckausgabe Venetiis 1579, fol. 257vb– 260rb – Gutachten für den Kläger. 456  Diese Vermutung basiert darauf, dass er im Jahr 1456 geboren wurde und wohl mit Mitte 20 sein Studium beendet haben dürfte – jedenfalls aber erst dann sein Doktorat erlangt haben dürfte. 457  Diplovatatius, Bd. 2, S. 407; Pancirolus (1637), lib. 2, S. 240 = (1721), lib. 2, S. 194; Fichardius, S. 424; Zedler, Bd. 6, Sp. 1319. 458  Zedler, Bd. 6, Sp. 1319 gibt 1385 als Geburtsjahr an. Dieses angenommene Geburtsjahr lässt sich aus der Angabe des Todesjahres mit 1462 bei Fichardius, S. 425 und der gleichzeitigen Angabe, dass Petrus Philippus Corneus bis zu seinem Tod im 77. Lebensjahr unterrichtet habe, errechnen. Interessanterweise gibt Pancirolus (1637), lib. 2, S. 242 = (1721), lib. 2, S. 196 für das Ende der Professorentätigkeit aufgrund seines Todes das 73. Lebensjahr an. Nimmt man diese Angabe als



III. Das vorliegende Rechtsgutachten79

der Grammatik und Rhetorik unterrichtet, bevor er dann mit zwölf Jahren das Rechtsstudium in seiner Heimatstadt459 begann.460 Er schloss dieses Studium461 mit einem hoch gelobten Doktorat beider Rechte ab.462 Als Dozent im kanonischen Recht war er bis zu seinem Tod insgesamt etwa 50 Jahre tätig463, erst in Perugia464, ab 1469 in Ferrara465, ab 1471 wiederum in Perugia466 und ab 1473467 in Pisa468 und schließlich ab 1476469 erneut in seiner Heimatstadt Perugia.470 Bekannt und berühmt war er vor allem für seine zahlreichen Rechtsgutachten471, die er in ganz Italien und darüber 468469

richtig an und berücksichtigt gleichzeitig das bei Fichardius angegebene Todesjahr, dann müsste Corneus im Jahr 1389 geboren sein. Da aber diese ersten, noch im 14. Jahrhundert liegenden Angaben nur durch eine Rückrechnung ermittelt wurden und schon bei den Zahlenangaben für diese Rückrechnung keine eindeutigen Daten zur Verfügung stehen (finden sich doch in ein und demselben Buch – das Buch von Fichardius ist an die spätere Ausgabe des Werkes von Pancirolus angeheftet – schon unterschiedliche Angaben), dürften diese Angaben wenig wahrscheinlich sein. Vermutlich eher zutreffend ist die Angabe bei Savigny, Bd. 6, S. 485 und mit ihm Hilling, H., Autorenverzeichnis, S. 704, die vom Jahr 1420 als Geburtsjahr ausgehen. Savigny stützt sich dabei auf Vermiglioli, Bd. 1, S. 352, der 1420 als Geburtsjahr annimmt. Auch Falaschi, DBI, Bd. 36, S. 772 geht von der Geburt Ende 1419 oder Anfang 1420 aus. 459  Falaschi, DBI, Bd. 36, S. 772; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 344. 460  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 240 = (1721), lib. 2, S. 194; Fichardius, S. 424; Falaschi, DBI, Bd. 36, S. 772. 461  Die Dozenten, bei denen er studierte, lassen nach Falaschi, DBI, Bd. 36, S. 772 den Schluss zu, dass er zwischen der zweiten Hälfte der 1440er Jahre und der ersten Hälfte der 1450er Jahre studiert haben muss. 462  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 241 = (1721), lib. 2, S. 195; Fichardius, S. 425. Und zwar nach Falaschi, DBI, Bd. 36, S. 772 wohl im Jahr 1444. 463  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 242 = (1721), lib. 2, S. 196; Fichardius, S. 425. 464  Seit 1450 ist er als ordentlicher Professor für Zivilrecht belegt; siehe Falaschi, DBI, Bd. 36, S. 772 f. 465  Falaschi, DBI, Bd. 36, S. 773 – und zwar zu einem Gehalt von 600 Floreni. 466  Falaschi, DBI, Bd. 36, S. 774. 467  Falaschi, DBI, Bd. 36, S. 774. Nach Diplovatatius, Bd. 2, S. 407 wirkte Pe­ trus Philippus Corneo bereits 1472 in Pisa. 468  Von den Florentinern hierher gerufen, unterrichtete er drei Jahre an der Universität von Pisa; siehe Pancirolus (1637), lib. 2, S. 241 = (1721), lib. 2, S. 195. 469  Falaschi, DBI, Bd. 36, S. 774. 470  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 241 = (1721), lib. 2, S. 195 und Zedler, Bd. 6, Sp. 1319. Savigny, Bd. 6, S. 485 nennt demgegenüber nur zwei Wirkungsstätten, nämlich (in dieser Reihenfolge) Perugia und Pisa. Dementsprechend äußert sich auch Hilling, H., Autorenverzeichnis, S. 704. 471  Fichardius, S. 425.

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A. Einführung

hinaus auch jenseits der Alpen erteilte.472 Sein Todesjahr ist ebenso unklar wie sein Geburtsjahr. Man findet einerseits die Angabe 1462.473 Andererseits findet man auch die äußert genaue Angabe eines Todesdatums, nämlich des 19.11.1492.474 Das in der Konsiliensammlung von Corneus abgedruckte Gutachten475 zum vorliegenden Fall enthält wiederum keine weiteren Angaben zur zeit­ lichen Einordnung.476 Auch bei Petrus Philippus Corneus lässt sich der Zeitpunkt post quem mit dem Ende seines Studiums und der Erlangung der Doktorwürde auf das Jahr 1444 festlegen. Und auch bei ihm lässt sich der Zeitpunkt ante quem nur durch seinen Tod, vermutlich im Jahr 1492, festlegen.

472  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 241 = (1721), lib. 2, S. 195; Falaschi, DBI, Bd. 36, S. 777. 473  Bei Fichardius, S.  425 und vermutlich ihm folgend bei Zedler, Bd. 6, Sp. 1319. Angesichts dessen, dass Jahreszahlen im Druck des Werkes von Pancirolus und von Fichardius im lateinischen Format angegeben wurden und hier ein einfacher Lesefehler oder eine einfache Verwechselung des Setzers schnell zu großen Fehlern führen konnte, darf man diesem Wert nicht zu sehr vertrauen – ist doch in den beiden hier zitierten Werken von Pancirolus und Fichardius in ein und demselben Buch schon die Angabe der Lebensjahre bis zum Tode von Corneus unterschiedlich, wobei sich dieser Fehler durchaus mit einer Verwechselung – sei es beim Leser, sei es beim Setzer – erklären ließe (LXXIII statt LXXVII). Ebenso ist ein Fehler bei der Angabe des Todesjahres denkbar (MCCCCLXII statt MCCCCXCII). 474  Falaschi, DBI, Bd. 36, S. 777. Bei Savigny, Bd. 6, S. 485 und Hilling, H., Autorenverzeichnis, S. 704 findet man 1492 als Todesjahr. Savigny bezieht sich dabei auf Fabroni, Bd. 1, S. 184, der jedoch 1494 als Todesjahr angibt und außerdem erwähnt, dass Corneus zu diesem Zeitpunkt 73 Jahre alt war. Savigny bezieht sich jedoch auch auf Vermiglioli, Bd. 1, S. 358, wo ebenfalls 1492 und 1494 als mögliche Todesjahre erwähnt werden, wobei Vermiglioli davon ausgeht, dass der Tod jedenfalls nicht vor 1493 eingetreten sein kann. Diplovatatius, Bd. 2, S. 408 gibt an, dass Petrus Philippus Corneus bei seinem Tod 73 Jahre alt gewesen sei. Da Diplovatatius jedoch weder ein konkretes Geburtsjahr noch ein Todesjahr angibt, lässt sich diese Angabe nicht für eine klarere zeitliche Einordnung nutzen. 475  Petrus Philippus Corneus, Consilium 230 in der Druckausgabe Tridinum 1512–1513, fol. 214rb–217rb – Gutachten für die beklagten Frauen. 476  Auffällig ist allerdings, dass Corneus in seinem Gutachten die Argumente der weiteren Gutachter deutlich angreift und zu widerlegen sucht. Die weiteren Gutachten müssen ihm also bereits vorgelegen haben. Damit ist anzunehmen, dass sein Gutachten etwa um die selbe Zeit, wie die weiteren Gutachten, jedenfalls aber nicht früher entstanden ist.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten81

dd) Johannes Crottus Johannes Crottus wurde in Casale Monferrato477 vermutlich zu Anfang des 16. Jahrhunderts478 geboren. Über sein Leben ist nicht allzu viel bekannt. Wir wissen jedoch, dass er in Bologna479 in der Konkurrenzvorlesung zu Carolus Ruinus lehrte, von diesem jedoch – entgegen der Erwartungen seiner Zeitgenossen – übertroffen wurde.480 Wohl aus diesem Grund ging er im Anschluss daran als Dozent nach Ferrara.481 Nachdem er auch von den dortigen Lehrern übertroffen wurde, ging er auf Einladung der Florentiner482 als Dozent nach Pisa483. Aus der Inschrift des Epitaphiums geht hervor, dass er sowohl im kanonischen als auch im Zivilrecht Vorlesungen hielt.484 Er starb wohl infolge einer Wirtshausschlägerei485 in noch jugendlichem Alter486 im Jahr 1540487. Bekannt ist er vor allem für seine von den Studenten gelobten Repetitiones, die jedoch bei anderen Autoren (wohl aus Verärgerung über die hohe Akzeptanz auf Studentenseite) nur wenig Erwähnung fanden.488 Daneben ist er vor allem als Consiliator bekannt.489 Auch von ihm ist in seiner Konsiliensammlung ein gedrucktes Rechtsgutachten490 zum vorliegenden Fall überliefert – wiederum ohne Möglichkeit zur zeitlichen Einordnung. 477  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 322 = (1721), lib. 2, S. 257; Mantua, S. 477; Zed­ ler, Bd. 6, Sp. 1732; Hilling, H., Autorenverzeichnis, S. 706. 478  Das ist jedoch eine sehr vorsichtige Schätzung. Siehe dazu unten, Fn. 487. 479  Mantua, S. 477; Zedler, Bd. 6, Sp. 1732; Hilling, H., Autorenverzeichnis, S. 706. 480  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 322 = (1721), lib. 2, S. 257. 481  Pancirolus (1637), lib.  2, S. 322 = (1721), lib. 2, S. 257; Zedler, Bd. 6, Sp. 1732. 482  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 322 = (1721), lib. 2, S. 257. 483  Mantua, S. 477; Zedler, Bd. 6, Sp. 1732; Hilling, H., Autorenverzeichnis, S. 706. 484  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 322 = (1721), lib. 2, S. 257. 485  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 322 = (1721), lib. 2, S. 257. 486  So jedenfalls Mantua, S. 477. 487  Hilling, H., Autorenverzeichnis, S. 706. Aus der Zusammenschau des Todesjahres 1540 und der Angabe, dass er in noch jugendlichem Alter verstorben sei, ist zu vermuten, dass Crottus im ersten oder zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts geboren wurde. 488  So jedenfalls Mantua, S. 477. 489  Zedler, Bd. 6, Sp. 1732. 490  Johannes Crottus, Consilium 48 in der Druckausgabe Venetiis 1568, fol. 57ra– 59va – Gutachten für den Kläger.

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A. Einführung

Bei Johannes Crottus gelingt nur eine sehr vorsichtige Schätzung des Zeitpunkt post quem, da über sein Geburtsdatum und sein frühes Leben, insbesondere sein Studium nichts bekannt ist. Nimmt man also an, dass er tatsächlich im ersten oder zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts geboren wurde, so dürfte er seine Studien frühestens in den 1520er Jahre beendet haben. Als Zeitpunkt post quem ist daher frühestens 1520 zu schätzen. Sein Tod im Jahr 1540 bestimmt den Zeitpunkt ante quem. b) Autoren der handschriftlich überlieferten Consilia aa) Bulgarinus de Bulgarinis Der aus der in Siena491 alteingesessenen adligen Familie492 Bulgarini stammende Bulgarinus de Bulgarinis wurde im Jahr 1441 geboren.493 Er studierte wohl in Bologna.494 Von 1476 bis 1482 lebte er in Ferrara.495 Er lehrte Zivilrecht in Pisa496 und Siena.497 Im Jahr 1487 wurde Bulgarinus eine Professorenstelle in Padua angeboten, die er jedoch nicht annahm.498 Er war einer der berühmtesten Rechtsgutachter seiner Zeit499 und wurde von den Consiliatoren seiner Zeit hochgeachtet – besuchten sie doch zahlreich seine Vorlesungen, wenn sie in Siena waren500. Darüber hinaus war er auch 491  Diplovatatius, Bd. 2, S. 419; Pancirolus (1637), lib. 2, S. 298 = (1721), lib. 2, S. 239; Zedler, Bd. 4, Sp. 985. 492  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 298 = (1721), lib. 2, S. 239. 493  Agostini, DBI, Bd. 15, S. 43. Demgegenüber gibt Pancirolus (1637), lib. 2, S. 298 = (1721), lib. 2, S. 239 als Geburtsjahr 1452 an. 494  Das lässt sich daraus schlussfolgern, dass einer seiner Lehrer Alexander Tartagnus gewesen sein soll; siehe Agostini, DBI, Bd. 15, S. 43. Alexander Tartagnus war jedoch (unter anderem; siehe Fn. 407) von 1451 bis 1457 Professor in Bologna; siehe Savigny, Bd. 6, S. 314. 495  Agostini, DBI, Bd. 15, S. 43. 496  Diplovatatius, Bd. 2, S. 419; Pancirolus (1637), lib. 2, S. 298 = (1721), lib. 2, S. 239; Mantua, S. 454; Zedler, Bd. 4 Sp. 985. Nach Agostini, DBI, Bd. 15, S. 43 erhielt er im Jahr 1483 für seine Lehrtätigkeit in Pisa das durchaus stattliche Gehalt von 450 Gulden. Zur gleichen Zeit war auch Felinus Sandeus Dozent in Pisa; siehe insb. oben Fn. 345. 497  Diplovatatius, Bd. 2, S. 419; Pancirolus (1637), lib. 2, S. 298 = (1721), lib. 2, S. 239; Mantua, S. 454; Zedler, Bd. 4 Sp. 985. Nach Agostini, DBI, Bd. 15, S. 43 kehrte er 1486 nach Siena zurück und lehrte dort jedenfalls in den Jahren 1490 und 1493 – zuletzt für 600 Gulden pro Jahr. 498  Belloni, S. 142; Agostini, DBI, Bd. 15, S. 43. 499  Bartholomaeus Socinus bezeichnete ihn sogar als „beinahigen Bartolus“ (Bulgarinum, nisi a Bartolo praeventus esset, Bartolum futurum.); siehe Pancirolus (1637), lib. 2, S. 298 = (1721), lib. 2, S. 239.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten83

ein angesehener politischer Berater – so wurde er doch im Jahr 1492 für zwei Monate zum Capitano del popolo und zum vexillifer iustitiae in Siena ernannt.501 500

In seinem letzten Lebensjahr wurde er zum Professor in Ferrara bestellt und sollte dort auch Berater des Herzogs Hercules I. comes Estensis (1431– 1505)502 werden.503 Er starb jedoch, bevor er nach Ferrara gehen konnte, im Jahr 1497504, weil er sich mit einer Schreibfeder vermutlich bei dem Versuch, seinen Gehörgang zu reinigen, ins Ohr stach und dabei „das Gehirn durchbohrte“ [gemeint ist vermutlich, dass er das Trommelfell verletzte, wodurch wahrscheinlich eine sehr schmerzhafte Vereiterung entstand] und sich daraufhin selbst mit dem Schwert durchbohrte.505 Von Bulgarinus de Bulgarinis ist ein handschriftliches Gutachten zu unserem Fall überliefert506, das er als Zivilrechtsdozent der Morgenvorlesung in Pisa507 unterzeichnet. Damit dürfte dieses Gutachten in die Zeit von 1483 500  Pancirolus

(1637), lib. 2, S. 298 = (1721), lib. 2, S. 239. DBI, Bd. 15, S. 43. 502  Dean, DBI, Bd. 43, S. 97–107. 503  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 298 = (1721), lib. 2, S. 239. 504  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 298 = (1721), lib. 2, S. 239 gibt als Todesjahr 1494 an. Hier zeigt sich eine Ungenauigkeit in der Schilderung von Pancirolus, gibt er doch an, dass Bulgarinus de Bulgarinis in seinem 45. Lebensjahr die Stelle in Ferrara angeboten bekommen hatte, sie jedoch ob seines Todes nicht mehr annehmen konnte. Bulgarinus wäre aber nach den Angaben von Pancirolus erst 1496 und 1497 in seinem 45. Lebensjahr gewesen. Es ist daher zu vermuten, dass bei der Angabe des Todesjahres ein Fehler aufgetreten ist (MCCCCXCIV statt MCCCXCVI) und das tatsächliche Todesjahr erst 1496 oder 1497 war. (Ein Fehler bei der Bezeichnung des Geburtsjahres ist hingegen wesentlich weniger wahrscheinlich – müsste doch dann MCCCCLII mit MCCCCL verwechselt worden sein.) Agostini, DBI, Bd. 15, S. 44 nimmt ausgehend von der geplanten Stellung in Ferrara als Berater des Herzogs ebenfalls als Todesjahr 1497 an. 505  So jedenfalls Pancirolus (1637), lib. 2, S. 298 = (1721), lib. 2, S. 239. 506  Bulgarinus de Bulgarinis, Consilium in der Handschrift Vat. lat. 14094, fol. 95v–100r – Gutachten für die beklagten Frauen. Dieses Gutachten hat er unmittelbar hinter das Gutachten von Felinus Sandeus auf das restliche, noch unbeschriebene Papier geschrieben und mit Siegel unterschrieben. Es war damals durchaus üblich, dass ein Gutachter vor Ablieferung seines Gutachtens weitere Rechtsgelehrte bat, mit zu unterschreiben und bei dieser Gelegenheit noch eigene, zusätzliche Erwägungen hinzuschreiben. Felinus Sandeus hat sein Gutachten also zu diesem Zweck an Bulgarinus de Bulgarinis gegeben, damit dieser es unterschreiben und dann absenden sollte. Es ist daher zu vermuten, dass sich beide Gutachter am selben Ort befanden, nämlich in Pisa zu der Zeit, zu der sie dort gemeinsam lehrten (1483–1486). 507  Wie auch Bartholomaeus Socinus begab sich auch Bulgarinus de Bulgarinis damit vermutlich in eine schwierige Situation, da sein Pisaner Kollege Felinus San501  Agostini,

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A. Einführung

bis 1486 fallen, in die Zeit also, in der er nicht mehr in Ferrara lebte, aber noch nicht in Siena als Dozent tätig war. bb) Johannes Maria de Riminaldis Johannes Maria de Riminaldis wurde im Jahr 1434508 in Ferrara509 als Sohn der ursprünglich aus Rimini stammenden Familie Riminaldi geboren.510 Er studierte unter Alexander Tartagnus wahrscheinlich in Ferrara511 Rechtswissenschaft. Ab 1459 war Johannes Maria de Riminaldis in Ferrara als Dozent tätig, bevor er im Juli 1471 in Padua zum Professor für Zivilrecht berufen wurde.512 Er ging jedoch später513 wieder zurück nach Ferrara514, um dort den Lehrstuhl für Zivilrecht515 zu besetzen, den er dann bis zu seinem Tode innehatte. Auch war er als Richter in Imola tätig.516 Er wurde als Rechtsgelehrter in Ferrara – auch von Herzog Hercules I. comes Estensis – sehr geschätzt.517 Konkurrierend mit ihm lehrte damals in Ferrara zeitgleich auch Bulgarinus de Bulgarinis.518 Johannes Maria de Riminaldis starb im Jahr 1497.519 deus ein Gutachten für die Gegenpartei verfasste. Bulgarinus bemühte sich in seinem Gutachten, dem Streit zwischen seinen beiden Kollegen aus dem Weg zu gehen. 508  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 269 = (1721), lib. 2, S. 217; ebenso Zedler, Bd. 31, Sp. 1616 (sichtlich liegt hier ein Fehler des Setzers vor, der 1484 statt 1434 setzte). Fichardius, S. 426 nennt zwar nicht das Geburtsjahr, gibt aber 1496 als Todesjahr an und erwähnt, dass Johannes im 63. Lebensjahr gestorben sei. Das erwähnt auch Zedler, Bd. 31, Sp. 1616. Damit wird das Geburtsjahr 1434 bestätigt. 509  Diplovatatius, Bd. 2, S. 416; Pancirolus (1637), lib. 2, S. 269 = (1721), lib. 2, S. 217; Zedler, Bd. 31, Sp. 1616; Fichardius, S. 426. 510  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 269 = (1721), lib. 2, S. 217. 511  Belloni, S. 263; Hilling, H., Autorenverzeichnis, S. 743. Dem scheint auch Fichardius, S. 426 zuzustimmen. Pancirolus (1637), lib. 2, S. 270 = (1721), lib. 2, S. 217 geht jedoch von Bologna als Studienort aus. 512  Belloni, S. 263. 513  Nach Pancirolus (1637), lib. 2, S. 270 = (1721), lib. 2, S. 217 schon im Jahr 1473, nach Belloni, S. 263 erst im Jahr 1480. 514  Zedler, Bd. 31, Sp. 1616. 515  Fichardius, S. 426. 516  Hilling, H., Autorenverzeichnis, S. 743. 517  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 270 = (1721), lib. 2, S. 217. 518  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 270 = (1721), lib. 2, S. 218; siehe auch oben, Fn. 495. 519  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 270 = (1721), lib. 2, S. 218; Belloni, S. 263. Zedler, Bd. 31, Sp. 1616 und Fichardius, S. 426 gehen jedoch von 1496 als Todesjahr aus. Hilling, H., Autorenverzeichnis, S. 743 gibt, ohne eine Entscheidung zu treffen, beide Jahre an.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten85

Das von ihm handschriftlich überlieferte Gutachten520 im Rechtsstreit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lignano hat er als ordentlicher Professor des Zivilrechts in Ferrara gesiegelt. Daraus lässt sich schließen, dass dieses Gutachten zwischen 1473521 und 1497 verfasst wurde. cc) Angelus de Castro Angelus de Castro, erstgeborener Sohn522 des wesentlich berühmteren Paulus de Castro (1360 / 62–1441)523, wurde 1410524 wohl in Piacenza525 geboren. Er studierte in Padua die Rechte und erlangte am 07.05.1436 den Grad eines Doktors beider Rechte.526 Spätestens ab 1437 war er Professor für Zivilrecht an der Universität Bologna.527 Ab 1439528 lehrte Angelus de Castro in Padua529 kanonisches Recht und später auch Zivilrecht530 – insgesamt (mit kürzeren Unterbrechungen) für mehr als 40 Jahre531. Spätestens ab 1439 war er auch als Rechtsgutachter tätig.532 Er war später533 in Rom 520  Johannes Maria de Riminaldis, Consilium in der Handschrift Vat. lat. 14094, fol. 101r–106v – Gutachten für den Kläger. 521  Da es sich hier um die Festlegung eines Zeitpunkts post quem handelt, muss hier die frühere Angabe bei Pancirolus – nämlich das Jahr 1473 – berücksichtigt werden, auch wenn sich wiederholt gezeigt hat, dass die Angaben bei Pancirolus nicht immer genau sind. 522  Diplovatatius, Bd. 2, S. 358; Pancirolus (1637), lib. 2, S. 231 = (1721), lib. 2, S. 188; Zedler, Bd. 5, Sp. 1382; Savigny, Bd. 6, S. 291; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 331; Murano, Autographa, S. 130. 523  Savigny, Bd. 6, S. 281–293; Murano, Autographa, S. 129–135. 524  Belloni, S. 119. D’Amelio, DBI, Bd. 22, S. 223 argumentiert für ein Geburtsjahr Ende des ersten oder Anfang des zweiten. Jahrzehnts des 15. Jahrhunderts. 525  Belloni, S. 119. D’Amelio, DBI, Bd. 22, S. 223 hält demgegenüber Padua für wahrscheinlicher. 526  Belloni, S. 119; D’Amelio, DBI, Bd. 22, S. 223. 527  Belloni, S. 119; D’Amelio, DBI, Bd. 22, S. 223. 528  Belloni, S. 119. Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 331 erwähnt, dass Angelus de Castro im Jahr 1443 als Professor in Padua mit einem Gehalt von 100 Lire erwähnt wird und sein Gehalt im Jahr 1454 auf 100 Dukaten erhöht worden sei. 529  Diplovatatius, Bd. 2, S. 358; Zedler, Bd. 5, Sp. 1382. 530  Eine sehr ausführliche Darstellung der jeweils konkurrierenden Dozenten und der wechselnden Materien, die Angelus de Castro noch dazu zu unterschiedlichen Zeiten gelesen hat, findet sich bei Belloni, S.  119 ff. 531  D’Amelio, DBI, Bd. 22, S. 225. 532  Pancirolus (1637), lib.  2, S. 231 = (1721), lib. 2, S. 188; Zedler, Bd. 5, Sp. 1382; D’Amelio, DBI, Bd. 22, S. 223. 533  Wohl in den 1450er oder 1460er Jahren, jedenfalls aber noch im Jahr 1473; siehe D’Amelio, DBI, Bd. 22, S. 224. Die biographischen Angaben zu Angelus de

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A. Einführung

als Konsistorialadvokat tätig.534 Er ist jedoch in den 1450er Jahren wieder in Padua535 als Professor nachweisbar.536 Er war dann bis zu seinem Lebensende mit kurzer Unterbrechung537 als Professor in Padua tätig.538 Er starb vermutlich im April 1485 in Padua.539 Von Angelus de Castro sind einige Rechtsgutachten in der gedruckten Konsiliensammlung der Rechtsgutachten seines Vaters Paulus de Castro überliefert. Der größte Teil der zahlreichen Consilia ist jedoch nicht gedruckt überliefert.540 Ein solches nur handschriftlich überliefertes Gutachten541 liegt auch zu unserem Fall vor und wurde von Angelus de Castro mit der Unterschrift als Ritter, Konsistorialadvokat und ordentlicher Professor des kanonischen Rechts in Padua gesiegelt. Dieses Gutachten wurde vom Autor selbst auf den 23.01.1485 datiert.

Castro sind insgesamt eher ungenau. Wahrscheinlich ist aber, dass er seine Dozententätigkeit in Padua immer wieder für andere Tätigkeiten – etwa als Konsistorialadvokat – unterbrach. 534  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 231 = (1721), lib. 2, S. 188; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 331. 535  Zedler, Bd. 5, Sp. 1382. 536  Belloni, S. 120 weist ein Consilium nach, in dem sich Angelus am 08.09.1453 als Professor für kanonisches Recht in Padua bezeichnet. Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 331 verweist auf das Gehalt von 250 Silberdukaten im Jahr 1458 für seine Professorenstelle in Padua, das im Jahr 1462 auf 300 Silberdukaten erhöht worden sei. 537  Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 331. 538  Pancirolus (1637), lib. 2, S. 231 = (1721), lib. 2, S. 188 gibt an, dass Angelus 40 Jahre lang bis zum Jahr 1484 zuerst Kirchenrecht und schließlich auch Zivilrecht in Padua gelehrt habe. 539  Belloni, S. 122 belegt das mit einer Notiz vom 23.08.1485, in der die Nachfolge von Angelus de Castro angesprochen wird. Auch Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 331 gibt als Todesjahr 1485 an. Zedler, Bd. 5, Sp. 1382 geht demgegenüber davon aus, dass er erst 1492 gestorben sei. – Die in der Literatur durchaus umstrittene Frage des Todesjahres wird ausführlich bei D’Amelio, DBI, Bd. 22, S. 224 f. angesprochen. Bei Pancirolus (1637), lib. 2, S. 232 = (1721), lib. 2, S. 188 ist die Grabinschrift zu finden, die der Kanoniker Nicolaus de Castro, einer der Söhne des Angelus de Castro, für seinen Vater und seinen Großvater für das im Jahr 1492 errichtete Epitaph verfasste. 540  D’Amelio, DBI, Bd. 22, S. 225. 541  Angelus de Castro, Consilium in der Handschrift Vat. lat. 14094, fol. 405r–v, 418r–v (datiert 23.01.1485) – Gutachten für den Kläger.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten87

dd) Hieronymus de Zanetinis Hieronymus de Zanetinis wurde in Bologna542 als Sohn von Thomasius de Zanetinis543 in eine gräfliche Familie544 geboren. Er studierte Rechtswissenschaft und wurde im Jahr 1457 zum Doktor beider Rechte.545 In Bologna lehrte er kanonisches Recht von 1458546 bis 1469 und im Anschluss bis 1471 Zivilrecht, wobei er im Jahr 1471 wieder kanonisches Recht las.547 Er wirkte in dieser Zeit auch als Richter in Bologna und wurde fünfmal in Folge zum Richter am Handelsgericht von Bologna ernannt.548 Im Jahr 1473 wechselte Hieronymus de Zanetinis an die Universität Pisa, wo er als Professor für kanonisches Recht mit einem jährlichen Gehalt von 495 Floreni diente.549 Hier unterrichtete er unter anderen auch Philippus Decius.550 In Pisa lehrte Hieronymus bis zum Jahr 1478551, bevor er dann zurück in seine Heimat nach Bologna ging, um hier eine Professur für kanonisches Recht anzunehmen552 und bis zum Jahr 1492553 zu unterrichten. Er starb am 08.04.1493.554 Hieronymus de Zanetinis zählt zu den namhafteren Kirchenrechtslehrern an der Universität Bologna555, auch wenn sein Schrifttum eher den praktischen Bedürfnissen seiner Zeit genügte, als wissenschaftlichen Tiefgang zu versuchen556.

542  Schulte,

Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 335. Bd. 8, S. 240. 544  Fantuzzi, Bd. 8, S. 240; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 335. 545  Fantuzzi, Bd. 8, S. 240; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 335. 546  Fantuzzi, Bd. 8, S. 240 nennt 1459 als erstes Jahr, in dem Hieronymus de Zanetinis in Bologna lehrte. 547  Fantuzzi, Bd. 8, S. 240; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 335. 548  Fantuzzi, Bd. 8, S. 240. 549  Fantuzzi, Bd. 8, S. 240; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 335. 550  Belloni, S. 190. 551  Fantuzzi, Bd. 8, S. 240. Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 335 geht jedoch davon aus, dass er bis zum Jahr 1479 in Pisa lehrte. 552  Fantuzzi, Bd. 8, S. 240; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 335. Denkbar ist durchaus, dass Hieronymus de Zanetinis wie schon während seiner früheren Dozententätigkeit in Bologna wieder kanonisches und Zivilrecht im Wechsel las. 553  Fantuzzi, Bd. 8, S. 240; nach Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 335 bis zum Jahr 1493. 554  So jedenfalls Fantuzzi, Bd. 8, S. 240 f., der allerdings die Grabinschrift wiedergibt, auf der als Todesdatum der 06.04.1493 verzeichnet ist. Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 335 bestätigt jedoch die Angabe des 08.04.1493. 555  Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 540. 556  So jedenfalls das Urteil von Schulte, Quellen und Literatur, S. 335. 543  Fantuzzi,

88

A. Einführung

Von Hieronymus sind zwei Gutachten zum Rechtsstreit um das Testament des Johannes de Lignano in handschriftlicher Kopie in derselben Handschrift Vat. lat. 14094 – unmittelbar hintereinander – überliefert.557 Im vorderen, dort ab fol. 439 überlieferten Gutachten vermerkt der Autor, dass er schon sechs Jahre früher ein Gutachten zu diesem Rechtsfall erstellt habe. Damit meint er vermutlich sein hinter fol. 443 überliefertes Gutachten. Letzteres ist damit das ältere. In dem früheren Gutachten gibt Hieronymus de Zanetinis an, als Doktor beider Rechte in Bologna als Dozent für kanonisches Recht tätig zu sein. Das spätere Gutachten verfasste er ausweislich seiner Unterschrift nunmehr als Dozent für Zivilrecht an der Universität Bologna. Wenn Hieronymus de Zanetinis auch in den Jahren von 1478 bis 1492, seiner späteren Zeit in Bologna, wiederum kanonisches Recht und Zivilrecht im Wechsel las558, dürften die beiden Gutachten in diesen Zeitraum fallen. Diese Variante ist die wahrscheinlichere, wenn man berücksichtigt, dass die meisten weiteren Gutachten vermuten lassen, dass der Rechtsstreit in erster Instanz um das Jahr 1485 anhängig war. ee) Johannes Baptista de Lambertinis Johannes Baptista de Lambertinis wurde nach 1440 geboren als Sohn von Bartholomaeus de Lambertinis559 (um 1410–1474), der selbst Doktor beider Rechte und Dozent für Zivilrecht an der Universität Bologna war.560 Er studierte vermutlich in Bologna die Rechte und beschloss dieses Studium am 17.10.1471561 als Doktor des Zivilrechts und am 30.03.1473562 als Doktor des kanonischen Rechts.563 Im Anschluss an sein Studium wurde Johannes Baptista de Lambertinis in das Kollegium der Richter und Advokaten von Bologna aufgenommen.564 Er war bereits im Jahr 1466 als 557  Hieronymus de Zanetinis, zwei Consilia in der Handschrift Vat. lat. 14094, fol. 439r–442v und fol. 443r–448v – Gutachten für den Kläger. 558  Siehe schon oben, Fn. 552. 559  Fantuzzi, Bd. 5, S. 9. 560  Tamba, DBI, Bd. 63, S. 194 teilt das konkrete Geburtsdatum nicht mit. Jedoch heiratete Bartholomaeus de Lambertinis im Jahr 1440 seine dritte Frau, Francesca di Nicolo Mazoli. Aus dieser Verbindung stammt auch Johannes Baptista de Lambertinis. 561  Fantuzzi, Bd. 5, S. 10 nennt für dieses Datum den 18.10.1471. 562  Fantuzzi, Bd. 5, S. 10 meint vielmehr, dass Johannes Baptista de Lambertinis diesen Grad schon am 07.04.1472 erlangte. 563  Tamba, DBI, Bd. 63, S. 194. 564  Fantuzzi, Bd. 5, S. 10.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten89

Rechtsgutachter tätig.565 Nach der öffentlichen Verteidigung seines Grades als Doktor beider Rechte am 23.04.1473566 wurde er am 30.07.1481 zum Richter am Handelsgericht von Bologna bestellt und ist in den Jahren 1483 und 1487 auch als Richter an diesem Gericht belegt.567 Eigener ­Aussage nach war Johannes Baptista de Lambertinis in Bologna als Dozent im kanonischen Recht tätig.568 Weiterhin wirkte er in Rom als Referendar569 an der Signatura Apostolica570.571 Schließlich war er als Podestà von Trento tätig.572 Er starb am 07.08.1497 in Trento, sein Leichnam wurde nach Bologna überführt und dort beigesetzt.573 Die von ihm überlieferten Gutachten574, in denen sich Johannes Baptista de Lambertinis als Doktor beider Rechte und Dozent des kanonischen Rechts an der Universität Bologna bezeichnet, wurden durch den Autor auf den 27.01.1485 und den 03.07.1485 datiert. In diesen Gutachten hat Johannes Baptista de Lambertinis zwar vertreten, dass der Kläger das Eigentum an den Erbschaftsgütern herausverlangen kann. Er hat jedoch eingeschränkt, dass den Beklagten ein Wohnrecht 565  Das

zitiert.

geht aus einem Rechtsgutachten hervor, das Guerrini in ihrem Aufsatz

566  Tamba,

DBI, Bd. 63, S. 194. Bd. 5, S. 10. 568  Das geht aus der Unterschrift unter den von ihm überlieferten, handschriftlichen Gutachten zu unserem Rechtsstreit hervor, nämlich Vaticano, BAV, Vat. lat. 14094, fol. 449r–460v und fol. 466r–477v. 569  Guerrini. 570  Diese kuriale Behörde diente der Bearbeitung von eingehenden Bittschriften und juristischen Suppliken und untergliederte sich ab dem späten 15. Jahrhundert in zwei Abteilungen, von denen die signatura gratiae nur noch Bittschriften und die signatura iustitiae nur noch umstrittene Rechtsfälle bearbeitete. Siehe Hofmann, Bd. 1, S. 77 ff. 571  Da Fantuzzi, Bd. 5, S. 10 annimmt, dass er Bologna nicht vor 1487 verlassen habe, darf man vermuten, dass Johannes Baptista erst im Anschluss seine weiteren Posten außerhalb Bolognas angenommen hat. 572  Fantuzzi, Bd. 5, S. 10; danach soll er auch als Auditor an der Rota Florentina tätig gewesen sein. Das ist jedoch kaum wahrscheinlich, da dieses Gericht erst im Jahr 1502 entstand; siehe Gorla, Il Foro Italiano, 95 (1972), Sp. 8. 573  Fantuzzi, Bd. 5, S. 10. 574  Johannes Baptista de Lambertinis, zwei Consilia in der Handschrift Vat. lat. 14094, fol. 466r–477v und fol. 449r–460v – Gutachten, dass der Kläger zwar das Eigentum an den Erbschaftsgütern herausverlangen könne, aber dass den Beklagten dort ein Wohnrecht erhalten bleibe und ihnen zusätzlich ein Anspruch auf Unterhalt aus den Erträgnissen der Güter zustehe. 567  Fantuzzi,

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A. Einführung

erhalten bleibe und ihnen zusätzlich ein Anspruch auf Unterhalt aus den Erträgnissen der Güter zustehe. Der Rechtsgutachter hat mit dieser Einschränkung nur auf den (weiteren) Inhalt des Testaments von Johannes de Lignano hingewiesen. So hat dieser in seinem Testament angeordnet, dass sowohl seine männlichen als auch seine weiblichen Nachkommen in Notfällen besonders geschützt werden sollen. Johannes de Lignano wollte erreichen, dass seine Abkömmlinge, und zwar ausdrücklich auch die weiblichen, niemals ohne Wohnung und Lebensunterhalt bleiben sollen. Wenn er zu diesem Zweck sogar anordnete, dass die sonst ganz andersartig verfügten Liegenschaften im Territorium von Mailand hierfür genutzt werden sollten – so der Testamentsinhalt –, dann gilt dies erst recht für die direkt für seine Abkömmlinge bestimmten Liegenschaften im Territorium von Bologna – so die weitere Auslegung. Also soll das Eigentum zwar immer nur den männlichen Abkömmlingen zustehen, aber Wohnung und Unterhalt sollen im Falle der Not auch die weiblichen Abkömmlinge haben. Dass dies der Wille von Johannes de Lignano war, zeigen auch die entsprechenden Vorkehrungen für seine Tochter Antonia und deren Nachkommen, die ebenfalls bei Bedarf Wohnung und Lebensunterhalt erhalten sollen. Auf diese Einschränkung des klägerischen Anspruchs, die sich direkt aus dem Testament von Johannes de Lignano ergibt, weist – soweit erkennbar – nur Johannes Baptista de Lambertinis hin.

ff) Antonius Corsetus Antonius Corsetus wurde um 1450 in Noto in der Provinz Syrakus geboren.575 Er ging in Noto zur Schule.576 Sehr früh wurde er Mönch577 und widmete sich in Bologna dem Studium beider Rechte, das er am 07.10.1479 mit dem Grad eines Doktors beider Rechte abschloss.578 Noch während seines Studiums war Antonius Corsetus in Bologna als Dozent des kanonischen Rechts tätig, bevor er dann im Jahr 1479 einen entsprechenden Lehrstuhl annahm.579 Er war für seine hervorragende Lehre bekannt und ge-

575  Mazzacane, DBI, Bd. 29, S. 540; Belloni, S. 134; Hilling, H., Autorenverzeichnis, S. 705; Cerchiari, Bd. 2, S. 79. 576  Und ist dort in den Jahren 1458 und 1459 belegt, weswegen ein Geburtsjahr um 1450 angenommen wird; siehe Mazzacane, DBI, Bd. 29, S. 540. 577  So auch Cerchiari, Bd. 2, S. 79. 578  Mazzacane, DBI, Bd. 29, S. 540; Belloni, S. 134. Diesen akademischen Grad bestätigen auch Cerchiari, Bd. 2, S. 79 und Eubel, Bd. 2, S. 192. 579  Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 348; Mazzacane, DBI, Bd. 29, S. 540; Hilling, H., Autorenverzeichnis, S. 705.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten91

ehrt.580 Im Jahr 1487581 wechselte Corsetus – nach einigen finanziellen Schwierigkeiten in Bologna – nach Padua als Professor für kanonisches Recht.582 In den dreizehn Jahren583, die er in Padua als Professor verbrachte, widmete sich Antonius Corsetus dem Verfassen zahlreicher gelehrter Schriften.584 Auch wirkte er in dieser Zeit wiederholt als Consiliator in verschiedenen Streitigkeiten zwischen der Kirche und den weltlichen Machthabern.585 Im Jahr 1500586 bestellte ihn Papst Alexander VI. zum Auditor der Sacra Rota Romana.587 Am 20.12.1501 wurde er zum Bischof von Malta ernannt.588 Am 15.01.1502 wurde Antonius Corsetus zum Abt des Zister­ zienserklosters St. Maria dell’Arco in Noto bestellt.589 Ende Oktober 1503590 starb er in Rom591.

580  Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er im Jahr 1479 mit seinem Professorengehalt von 100 Bologneser Lira begann, welches schon nach zwei Jahren verdoppelt wurde; siehe Mazzacane, DBI, Bd. 29, S. 540. 581  Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 348; Belloni, S. 134; Hilling, H., Autorenverzeichnis, S. 705. 582  Diplovatatius, Bd. 2, S. 419; Belloni, S. 134; Mazzacane, DBI, Bd.  29, S. 541 – und zwar zu einem Gehalt von 350 Floreni. Die Universität Bologna befürchtete, dass eine größere Anzahl von Studenten, insbesondere der deutschen Nation, ihm nach Padua folgen würde. 583  Belloni, S. 134. Für das Jahr 1489 weist ihn Mantua, S. 446 in Padua nach. Auch Pancirolus (1637), lib. 3, S. 479 = (1721), lib. 3, S. 375 belegt Antonius Corsetus in Padua – und zwar als Kollegen von Antonius Franciscus. 584  Mazzacane, DBI, Bd. 29, S. 541; Mantua, S. 446 585  Mazzacane, DBI, Bd. 29, S. 541; Mantua, S. 446. 586  Cerchiari, Bd. 2, S. 79. Nach Burchardus, Bd. 2, S. 212  f. wurde er kurz nach dem 06.04.1500 zum Rotaauditor bestellt. Die entsprechenden disputationes, die jeder angehende Auditor abhalten musste, legte er jedoch erst im Frühjahr 1501 in Rom ab; siehe Mazzacane, DBI, Bd. 29, S. 542. Nach Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 214 wird er ab dem 14.03.1501 in den Manualia der Rotanotare erwähnt. 587  Diplovatatius, Bd. 2, S. 419; Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 214; Hoberg, RQ, 48 (1953), S. 70; Mazzacane, DBI, Bd. 29, S. 542. Diesen Posten hatte er nach Belloni, S. 135 auch bis zu seinem Tod inne. 588  Cerchiari, Bd. 2, S. 79; Eubel, Bd. 2, S. 192; Hoberg, ZRG Kan, 29 (1953), S. 214. 589  Mazzacane, DBI, Bd. 29, S. 542. 590  Mazzacane, DBI, Bd. 29, S. 542. Eubel, Bd. 2, S. 192 gibt demgegenüber September 1503 als Todeszeitpunkt an. Belloni, S. 134 und Hilling, H., Autorenverzeichnis, S. 705 bestätigen das Todesjahr 1503. Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 348 gibt als Todesjahr jedoch schon 1500 an. 591  Eubel, Bd. 2, S. 192.

92

A. Einführung

Von Antonius Corsetus ist ein handschriftliches Gutachten zu unserem Fall überliefert592, in dem sich der Autor als Doktor beider Rechte und ordentlicher Professor für kanonisches Recht in Bologna bezeichnet. Das Consilium wurde daher in der Zeit zwischen 1479 und 1487 verfasst. gg) Agamemnon Marescottius Agamemnon Marescottius593 wurde als ältester Sohn von Galeatius Marescottius594 um das Jahr 1436 in Bologna geboren.595 Er studierte in Bologna Rechtswissenschaften und beendete das Studium am 02.10.1466 als Doktor des Rechts.596 Noch im selben Jahr wurde er Dozent für Zivilrecht an der Universität Bologna und behielt diesen Posten in den darauffolgenden Jahren.597 Im Jahr 1469 wurde er zum Kollegium der Doktoren des Zivilrechts an der Universität Bologna zugelassen und war zwischen 1476 und 1499 mehrfach Vorsteher dieses Kollegiums.598 Am 29.10.1474 erlangte er das Doktorat des kanonischen Rechts und hielt zwischen 1474 und 1493 erfolgreich die Vorlesung zum Liber Sextus Decretalium und zu den Constitutiones Clementis V papae an der Universität Bologna.599 Er trat dem Kollegium der Doktoren des kanonischen Rechts bei und stand diesem zwischen 1483 und 1492 ebenfalls mehrfach vor.600 In seiner Zeit als Dozent an der Universität Bologna wirkte er auch als Podestà in Florenz601 (im Jahr 1471)602, Siena603, Lucca (im Jahr 1496)604, Brescia605 und Perugia606. Auch in Bologna war er seit den 1460er Jahren in die politischen Geschicke 592  Antonius Corsetus, Consilium in der Handschrift Vat. lat. 14094, fol. 461r– 465v – Gutachten für den Kläger. 593  Der Rechtsgutachter unterschrieb das vorliegende Rechtsgutachten mit dem Namen Agamemnon Marscopti de Calvis. Man findet diese Person auch in der italianisierten Fassung des Namens Agamennone Marscotti (auch Marescotti oder Mariscotti) und schließlich in der latinisierten Fassung Agamemnon Marescottius. 594  Frati, Giorn. stor. lett. ital., 26 (1895), S. 316. 595  Antonelli, DBI, Bd. 70, S. 84. 596  Antonelli, DBI, Bd. 70, S. 84. 597  Antonelli, DBI, Bd. 70, S. 84. 598  Antonelli, DBI, Bd. 70, S. 84. 599  Antonelli, DBI, Bd. 70, S. 84. 600  Antonelli, DBI, Bd. 70, S. 84. 601  Filipepi, S. 514. 602  Antonelli, DBI, Bd. 70, S. 84. 603  Antonelli, DBI, Bd. 70, S. 84. 604  Antonelli, DBI, Bd. 70, S. 84. 605  Lucas, S. 416. 606  Antonelli, DBI, Bd. 70, S. 84.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten93

verwickelt. So wurde er wiederholt in das Ratskollegium von Bologna (collegio degli anziani) gewählt.607 Die enge Freundschaft zwischen Galeatius Marescottius und Papst Sixtus IV. wirkte sich insofern für Agamemnon Marescottius aus, als er im Jahr 1471 in den Senat von Rom gewählt wurde.608 Im Jahr 1488 wurde aufgrund eines gescheiterten Mordanschlags auf den Signore Johannes II. Bentivolus die politische Situation immer angespannter.609 Da die Familie von Agamemnon Marescottius eher der politischen Gegenströmung der Familie der Bentivoli zuzurechnen war610, musste Agamemnon Bologna verlassen und lebte in seinen späten Lebensjahren zwischen Bologna und Rom.611 Im Jahr 1494612 wurde er von Papst Alexander VI. erneut zum Senator von Rom gewählt und schließlich im Jahr 1500613 ein drittes und letztes Mal. Er starb am 03.05.1501, ermordet durch eine Meute, die sich als vom vexillifer iustitiae beauftragt ausgab und die auf Befehl von Hermes Bentivolus (1475–1513)614, dem jüngsten Sohn von Johannes II. Bentivolus, handelte.615 Im überlieferten handschriftlichen Gutachten616 bezeichnet sich der Autor als Ritter und Doktor beider Rechte, der kanonisches Recht an der Universität Bologna liest. Damit lässt sich das Gutachten in die Zeit zwischen 1474 und 1493 einordnen.

607  Nämlich jeweils für zwei Monate im November 1464, im September 1467 und im März 1480; siehe Antonelli, DBI, Bd. 70, S. 84. 608  Bursellis, S. 101; Olivieri, S. 300; Dominicis, S. 37. Eine kurze, aber prägnante Übersicht zur historischen Entwicklung der Wahlen in den römischen Senat findet man bei Dominicis, S.  4 ff. 609  Caro, Giovanni Bentivoglio, DBI, Bd. 8, S. 626 f. 610  So wurde Agamemnon Marescottius nach Bursellis, S. 114 im Jahr 1495 von einem nicht näher bezeichneten jungen Mann verdächtigt, Hochverrat gegen die herrschende Familie der Bentivoli begangen zu haben. Erst nach dem sich anschließenden Prozess wegen Falschverdächtigung wurde dieser nicht näher bezeichnete junge Mann zum Tod verurteilt und der Name von Agamemnon reingewaschen. 611  Antonelli, DBI, Bd. 70, S. 85. 612  Olivieri, S. 306; Dominicis, S. 38. 613  Olivieri, S. 308; Dominicis, S. 38. 614  Caro, Ermes Bentivoglio, DBI, Bd. 8, S. 618. 615  Frati, Giorn. stor. lett. ital., 26 (1895), S. 310; Duffy, S. 383. 616  Agamemnon Marescottius, Consilium in der Handschrift Vat. lat. 14094, fol. 487r–497r – Gutachten für den Kläger.

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A. Einführung

c) Autoren der handschriftlich überlieferten Advokatenschriftsätze Darüber hinaus sind in der genannten Sammelhandschrift im Vatikan auch zwei Schriftsätze von Konsistorialadvokaten überliefert, die Argumente für den Kläger vorgetragen haben. Die Autoren dieser informationes iuris sollen nun kurz beleuchtet werden. aa) Johannes Bartholomaeus Dossis Johannes Bartholomaeus Dossis wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts617 als Sohn von Marianus Dossis und Julia de Buchetiis618 in der Region von Parma geboren.619 Er studierte in Padua die Rechte und schloss das Studium mit einem Doktorat beider Rechte ab.620 Im Jahr 1500 trat er als Konsistorialadvokat in Erscheinung, der als famoser Redner im Konsistorium bekannt war und in verschiedenen Kommissionen der Kurie wirkte.621 Er starb um den 23.01.1524 noch zu Lebzeiten seines Vaters.622 In dem von ihm überlieferten handschriftlichen Schreiben623 zum Rechtsstreit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lignano bezeichnete Johannes Bartholomaeus Dossis sich selbst als advocatus. Da wir aber über den Lebenslauf dieses Autors nur sehr wenig wissen, ist eine zeitliche Einordnung sehr schwierig – es lässt sich nicht bestimmen, ab wann er Konsistorialadvokat war. Es ist zu vermuten, dass er nicht viel früher als 1500 in dieses Amt erhoben wurde. Nimmt man ein typisches Studienalter von etwa sechzehn Jahren bei Studienbeginn und eine Studiendauer von etwa fünf Jahren an und bedenkt die einflussreiche Position, die ein Konsistorialadvokat innehatte, weswegen eine solche Stelle vermutlich nicht sofort nach Studienende verliehen worden sein dürfte, kann man vermuten, dass Johannes Bartholomaeus Dossis wenigstens in der Mitte seiner Zwanziger gewesen sein dürfte, bevor er zum Konsistorialadvokaten erhoben wurde. 617  Und zwar vermutlich zwischen 1470 und 1480. Das lässt sich daraus schließen, dass er im Jahr 1500 bei Burchardus als Dr. utr. iur. erwähnt wird – zu einem Zeitpunkt also, zu dem er seine Studien schon abgeschlossen hatte. Den zweiten Anhaltspunkt bietet sein Tod im Jahr 1524 noch zu Lebzeiten seines Vaters, woraus man ableiten kann, dass er sehr jung gestorben sein dürfte. 618  Burchardus, Bd. 2, S. 249. 619  Und zwar möglicherweise in der Gemeinde, die heute San Giovanni del Dosso heißt. Siehe Burchardus, Bd. 3, S. 633. 620  Burchardus, Bd. 2, S. 249. 621  Burchardus, Bd. 3, S. 633. 622  Burchardus, Bd. 2, S. 249 und 441; Bd. 3, S. 633. 623  Johannes Bartholomaeus Dossis (Advokat des Klägers), Informatio iuris in der Handschrift Vat. lat. 14094, fol. 406r–v und 417r–v.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten95

Damit kann man den Zeitraum, in dem das überlieferte Schriftstück entstanden sein dürfte, auf etwa 1500 bis 1524 bestimmen. Wir erfahren aus diesem Schriftstück624, dass der Fall vor dem Rotaauditor Johannes Staphileus625 verhandelt wurde. Johannes Bartholomaeus Dossis trat vor diesem Richter als Vertreter des Hauptklägers Antonius Maria auf.626 Leider lässt sich aus der Angabe dieses Rotaauditors auch keine engere zeitliche Einordnung dieses Falles vornehmen, da Johannes Staphileus jedenfalls627 seit 1510 Rotaauditor war und erst 1528 starb. Damit lässt sich der vorgenannte Zeitraum auch nicht enger fassen. Jedenfalls zur Zeit der Verfassung dieser Sammlung von Argumenten war der Prozess also bei der Sacra Rota Romana anhängig. Jedoch lässt sich daraus keinesfalls eine genauere zeitliche Einordnung des Prozessverlaufs, insbesondere für den Zeitpunkt der Anhängigkeit vor der Sacra Rota Romana, treffen. bb) Melchior de Baldasinis Melchior de Baldasinis wurde 1470 in Neapel geboren.628 Er wirkte im Jahr 1512 als beratender advocatus beim V. Laterankonzil629 unter Papst Julius II. mit.630 Ab 1513 ist er in der Liste der Zivilrechtsprofessoren der Universität Rom zu finden.631 Am 15.01.1518 wurde Melchior de Baldasinis zum Konsistorialadvokaten erhoben.632 In dieser Funktion wirkte er bei der Erstellung der päpstlichen Kanzleiregeln mit – unter Papst Hadrianus VI. (1459–1523)633, der von 1522 bis 1523 die Papstwürde innehatte.634 Im Jahr 624  Die prozessuale Qualität dieses Schreibens lässt sich mangels weiterer Anhaltspunkte nicht bestimmen. Da aber etwaige Anträge nicht zu finden sind, scheint es sich aber nicht um die cedula supplicationis zu handeln. Siehe Märtl, S. 71. 625  Zu Johannes Staphileus siehe oben, A. II. 4. b) bb). 626  Das lässt sich der Überschrift dieser Sammlung von Argumenten entnehmen: Staphileus – [causa] Bononiensi bonorum de Lignano – Informatio juris pro domino Anthonio Maria. 627  Wann genau er zum Auditor berufen wurde, lässt sich nicht mehr feststellen. 628  Craveri, DBI, Bd. 5, S. 452. 629  Ausführlich zum fünften Laterankonzil siehe etwa De La Brosse und Wohlmuth/Sunnus. 630  Craveri, DBI, Bd. 5, S. 452. 631  Craveri, DBI, Bd. 5, S. 452. 632  Craveri, DBI, Bd. 5, S. 452. 633  Bautz, BBKL, Bd. 2, Sp. 429–430. 634  Göller, AfkKR, 86 (1906), S. 21; Craveri, DBI, Bd. 5, S. 452.

96

A. Einführung

1521 war er als advocatus pauperum tätig, also als Konsistorialadvokat, der vor dem Konsistorium pro bono den Rechtsfall eines Bedürftigen vertrat. Melchior de Baldasinis starb am 12.09.1522 in Rom.635 Von ihm ist ein handschriftliches Schriftstück überliefert636, das Informationen zum Rechtsstreit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lignano enthält und das mit einem Stammbaum der Nachkommen von Johannes de Lignano (zur Bezeichnung der Streitgegner) und den streitigen Passagen aus dem Testament des Johannes de Lignano beginnt. Wir erfahren, dass der Fall vor dem Rotaauditor Antonius Trivultius637 verhandelt wurde638. Melchior de Baldasinis trat vor diesem Richter als Vertreter des Hauptklägers Antonius Maria auf.639 Der Fall muss zwischen 1518 und 1522 vor dem Rotarichter Antonius Trivultius anhängig gewesen sein, da Melchior de Baldasinis in dieser Zeit als Konsistorialadvokat tätig gewesen ist. Anders als bei dem von Johannes Bartholomaeus Dossis überlieferten Schriftstück lässt sich die prozessuale Situation, in der dieses Schriftstück verfasst wurde, hier klarer fassen. Ausweislich dem Explicit des Schriftstücks wurde es pro remissoria abgegeben – es sollte damit also die Zurückverweisung an das Untergericht, und zwar für weitere Beweiserhebung640, erreicht werden.641 Es sollte dort der vom Kläger angebotene Beweis erhoben werden, dass die Beklagten nicht ehelich, sondern nur unehelich vom Testator abstammen. Offensichtlich wollte der Advokat dadurch eine zu befürchtende nachteilige Entscheidung gegen den Kläger abwenden, nämlich die Zubilligung eines Wohnrechts zugunsten der Beklagten oder gar eine völlige Abweisung der Klage. Der Advokat greift gleich im Eingangssatz direkt den Hauptgegner Bartholomaeus Socinus namentlich und polemisch an: „[…] gegen jene Töchter des Guglielmus und um das Gutachten 635  Craveri,

DBI, Bd. 5, S. 452. de Baldasinis (Advokat des Klägers), Informatio iuris in der Handschrift Vat. lat. 14094, fol. 480r–485v. 637  Zu Antonius Trivultius siehe oben, A. II. 4. b) aa). 638  Das lässt sich aus der Überschrift des Stammbaums entnehmen: coram domino Trivultio – Bononiensis heredatio. 639  Das wiederum geht aus dem eigentlichen mit informatio iuris überschriebenen Text hervor. In diesem bestreitet Baldasinis das Erbrecht der beklagten Frauen. Er versucht mit seiner Darstellung von fünf Argumenten das Consilium von Bartholomaeus Socinus zu entkräften, in welchem das Erbrecht der Frauen betont wird. 640  Baldasinis meint, dass die beiden beklagten Frauen möglicherweise keine ehelichen Kinder seien, sondern von einer Konkubine abstammen würden. Darüber müsste aber weiterer Beweis erhoben werden. Dafür war jedoch das Untergericht zuständig. 641  Wetzell, S. 764. 636  Melchior



III. Das vorliegende Rechtsgutachten97

227 des Socinus zu beseitigen, falls es [überhaupt] einen Schatten [von Logik und sinnvoller juristischer Argumentation] verursacht habe.“642 verlangt der Advokat nun Beweisaufnahme, dass die zwei beklagten Frauen nur uneheliche Töchter ihres Vaters seien, also vom Testator gerade nicht ehelich abstammten. 4. Zeitliche Einordnung des Rechtsstreits und des Gutachtens des Felinus Sandeus Für die zeitliche Einordnung des Rechtsstreits können auch aus dem von Pancirolus erwähnten gedruckten Gutachten von Andreas Barbatia Rückschlüsse gezogen werden.643 Der Rechtsgutachter erteilt ein Gutachten in einem Rechtsstreit zwischen Guglielmus, dem Vater unserer Beklagten, und Nachkommen von Blanchus. Andreas Barbatia erwähnt, dass der Erbfall bereits 60 Jahre her zurück liegt, Johannes de Lignano also bereits 60 Jahre tot ist. Der Rechtsgutachter meint, dass es wegen dieser langen Zeit schwierig sein würde, noch Zeugen zu finden. Andreas Barbatia muss das Gutachten daher um 1455 verfasst haben. Zu dieser Zeit muss aber Guglielmus noch gelebt haben, da er in diesem Gutachten von Andreas Barbatia als Partei erwähnt wird. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt kann also unser Rechtsstreit noch nicht ausgebrochen sein, da zu Lebzeiten von Guglielmus dessen Töchter noch nicht als beklagte Nachkommen in Betracht kommen. Damit ist für den Rechtsstreit das Jahr 1455 jedenfalls ein Zeitpunkt post quem. Schließlich lässt sich auch das Gutachten unseres Rechtsgutachters zeitlich noch genauer einordnen. Felinus Sandeus hat seinen Kollegen Bulgarinus de Bulgarinis644 gebeten, unter seinem eigenen Gutachten zu unterschreiben und eine eigene Stellungnahme abzugeben.645 Felinus Sandeus dürfte aber sein Gutachten, das Bulgarinus de Bulgarinis mit unterzeichen und dann absenden sollte, einem räumlich nahen Kollegen gegeben haben. Da beide Rechtsgutachter in den Jahren von 1483 bis 1486 zeitgleich in Pisa gelehrt haben und Bulgarinus de Bulgarinis in seinem Gutachten ausdrücklich angegeben hat, als Dozent der Morgenvorlesung in Pisa Zivilrecht gelesen zu haben, dürfte auch Felinus Sandeus sein Gutachten in dieser Zeit (in Pisa) verfasst haben. 642  Melchior de Baldasinis (Advokat des Klägers), Informatio iuris in der Handschrift Vat. lat. 14094, fol. 480r–485v: […]contra istas filias Guilhermi et tollendum, si quam umbram causavit, consilium Sozini 227. 643  Zu diesem Gutachten, siehe oben, Fn. 397. 644  Zu diesem, siehe oben, A. III. 3. b) aa). 645  Siehe dazu oben, Fn. 506.

98

A. Einführung

Mit wenigen Ausnahmen lassen sich für alle Gutachten nur der Zeitpunkt post quem und der Zeitpunkt ante quem bestimmen. Bei den gedruckten Consilia ist dieser Zeitraum mangels weiterer Angaben zur Stellung des Autors zum Zeitpunkt der Verfassung der Consilia zum Teil recht lang. Wie im Diagramm zu sehen ist, überschneiden sich die möglichen Zeiträume für die Abfassung der Gutachten für die meisten Gutachter im Jahr 1485. Dazu passt auch die genaue Datierung der Gutachten von Angelus de Castro und Johannes Baptista de Lambertinis. Die angenommenen Entstehungszeiträume der Gutachten bzw. Schriftstücke von drei Autoren liegen aber deutlich später. Bemerkenswert ist dabei, dass die Schriftstücke, die von den beiden Konsistorialadvokaten Johannes Bartholomaeus Dossis und Melchior de Baldasinis unter diesen wohl später abgefassten Schriften zu finden sind. Auch der geschätzte Entstehungszeitraum des Consiliums von Johannes Crottus liegt deutlich von den zu vermutenden Entstehungszeiträumen der anderen Rechtsgutachten entfernt. Da leider zu den frühen Jahren im Leben von Johannes Crottus kaum Informationen überliefert sind, muss die vorgenommene Schätzung als sehr vorsichtige und vage betrachtet werden. Insofern kann die auf die sehr späte Zeit ab 1520 geschätzte Entstehung des von ihm verfassten Gutachtens durchaus auch früher gelegen haben. Da jedenfalls die Konsistorialadvokaten erst in der Appellationsinstanz vor der Sacra Rota Romana tätig geworden sind, ist anzunehmen, dass der Rechtsstreit erst in diesem erkennbar späteren Zeitraum um 1520 vor die Sacra Rota Romana gelangt ist. Man kann daher annehmen, dass der Rechtsstreit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lignano in der ersten Instanz in Bologna in den späten 1480er Jahren, möglicherweise schon im Jahr 1485646, anhängig war. Jedenfalls in den 1520er Jahren ist der Fall dann wohl in der Appella­ tionsinstanz vor der Sacra Rota Romana verhandelt worden. Dass zwischen den Gutachten für die verschiedenen Instanzen ein so großer Zeitraum liegt, lässt sich verschiedentlich begründen. Zum einen lässt sich nicht sagen, ob die Gutachten um 1485 nicht schon vor Beginn des Prozesses als Parteigutachten angefertigt wurden. Der Prozess muss also keineswegs schon vor der Anfertigung der Consilia begonnen haben. Zum anderen ist nicht klar, wann der Streit vor die Sacra Rota Romana 646  Das lässt sich aus den datierten Gutachten von Angelus de Castro (23.01.1485) und Johannes Baptista de Lambertinis (27.01.1485 und 03.07.1485) ableiten.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten99

Ko n s ilia to re n im v o rlie g e n d e n Re c h ts s tre it

Petrus Philippus Corneus Hieronymus de Zanetinis

Johannes M. de Riminaldis Agamemnon Marescottius Felinus Sandeus

Carolus Ruinus Antonius Corsetus

Bartholomaeus Socinus Bulgarinus de Bulgarinis Johannes B. de Lambertinis Angelus de Castro

Ad v o ka te n u n d

Johannes Crottus

Johannes B. Dossis Melchior de Baldasinis 1435

1445

1455

1465

1475

1485

1495

1505

1515

1525

1535

wahrscheinlicher Zeitraum für die Erstellung des jeweiligen Gutachtens oder Advokatenschriftsatzes

gegangen ist. Das muss keineswegs erst um die 1520er Jahre geschehen sein. Vielmehr können diese späten Gutachten und Schriftstücke erst im weiteren Verlauf des Appellationsprozesses angefertigt worden sein. Schließlich gab es nicht nur eine einzige Möglichkeit der Appellation. Schon gegen jede Form der Beschwer647, aber auch gegen die Endurteile der Sacra Rota 647  Nach kanonischem Recht konnte gegen jedes gravamen appelliert werden; siehe Nörr, Prozessrecht, S. 16.

100

A. Einführung

Romana konnte appelliert werden648, so dass die Verzögerung eines Verfahrens über einen recht langen Zeitraum denkbar ist. Aus den vorliegenden Gutachten und Schriftstücken geht leider nicht hervor, wie viele Appellationen in diesem Rechtsstreit vor der Sacra Rota Romana verhandelt wurden. Dabei war die Verfahrensdauer, abhängig etwa davon, welche Beweismittel die Parteien vorbrachten, an sich schon recht lang.649 Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass das Verfahren auch über einen längeren Zeitraum ruhen konnte, bis die Parteien es wieder voran trieben.650 Dabei ist insbesondere zu bedenken, dass etwa für die beklagten Frauen die Berufung von Felinus Sandeus zum Auditor an die Rota im Jahr 1484, der er schließlich im Jahr 1487 auch folgte und die er bis 1502 inne hatte, eher ungünstig gewesen sein könnte. Schließlich vertrat Sandeus eine für die Beklagten ungünstige Sicht. Antonius Corsetus, der ebenfalls ein Gutachten für den Kläger verfasst hatte, war von 1500 bis 1503 als Auditor an der Sacra Rota Romana tätig. Vor diesem Hintergrund ist durchaus denkbar, dass eine der Parteien den Prozess bewusst ruhen ließ und für sie günstigere Zeiten abwartete.

648  Und zwar so lange, bis zwei aufeinanderfolgende Entscheidungen zum selben Ergebnis gekommen sind (duae sententiae conformes); siehe Dolezalek, Litigation, S. 341. Insbesondere konnte gegen jede einzelne Entscheidung über ein dubium – jede einzelne Rechtsfrage, die der auditor ponens seinen Kollegen zur Begutachtung vorlegen musste – appelliert werden. Damit gab es also schon innerhalb eines Rechtsstreits, wenn dieser verschiedene Rechtsfragen aufwarf, über die die Rota­ auditoren zu entscheiden hatten, erhebliches Potential, das Verfahren zu verschleppen; Becker, Höchstgerichte, S. 3 f. Neben der Funktion als Berufungsgericht für die Untergerichte war die Sacra Rota Romana auch zuständig für Appellationen gegen Entscheidungen der Sacra Rota Romana selbst; siehe dazu ausführlich Schneider, Rota, Bd. 1, S. 172 und vor allem 195 ff. 649  Nörr, Prozessrecht, S. 39 zählt 15 und gar bis zu 22 Sitzungstermine bis zur Urteilsverkündung auf. Einen sehr guten Überblick über den Verfahrensablauf einer Appellation vor der Sacra Rota Romana bietet Nörr, ZRG Kan, 124 (2007), S. 228 ff. 650  Ein Rechtsstreit bei der Sacra Rota Romana wurde nicht etwa von Amts wegen zu einer Entscheidung gebracht. Vielmehr reagierte das Gericht nur auf Anträge der Parteien; Nörr, Prozessrecht, S. 222 f., 226 ff. Es ist daher durchaus denkbar, dass die Parteien bei einer aus ihrer Sicht eher ungünstigen Besetzung der Auditorenstellen bis zu einer Neubesetzung dieser Stelle abwarteten, bevor sie den Prozess voran trieben. Ebenso ist denkbar, dass ein Wechsel auf dem Papststuhl oder ein Wechsel der weltlichen Herrschaftsverhältnisse abgewartet wurde.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten101

5. Spezielle Beobachtungen bei diesem Consilium Das von Felinus Sandeus zum Rechtsstreit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lignano verfasste Rechtsgutachten wurde für die Seite des Hauptklägers Antonius Maria verfasst. Dennoch beginnt das Gutachten entsprechend dem üblichen Aufbau nach der invocatio651 mit der Darstellung der Meinung, die Felinus im weiteren Verlauf des Gutachtens ablehnen will. Es werden im ersten Teil des Consiliums sechs Argumente der Unterstützer der beklagten Urenkelinnen von Johannes de Lignano (Cornelia und Margarita) dargestellt. Die Argumente werden dabei schlüssig hergeleitet und auch durchaus nachvollziehbar belegt. Wenn man nur diesen Teil des Gutachtens läse, bekäme man den Eindruck, dass Felinus Sandeus diese Meinung vertreten möchte. Nacheinander wird ein Gedankenkonstrukt errichtet, bei dem jedes weitere Argument das vorherige noch bestärkt: 1. Argument: Es liegt schon keine Veräußerung vor. 2. Argument: Selbst wenn aber eine Veräußerung vorläge, so handelt es sich doch nicht um eine Veräußerung „außerhalb der Familie“, weswegen das Veräußerungsverbot nicht greifen würde. 3. Argument: Selbst wenn aber die Tochter durch Heirat als „außerhalb der Familie“ stehend betrachtet würde, würde doch die Tatsache, dass sie jedenfalls irgendwann einmal Teil der Familie gewesen ist, dafür ausreichen, dass sie auch weiterhin zum Vermächtnis berufen ist. 4. Argument: Unabhängig von allen vorherigen Argumenten sind nur diejenigen aus dem Vermächtnis berechtigt und damit klagebefugt, die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung Teil der Familie waren. Das trifft aber auf den Hauptkläger als Urenkel des Erblassers nicht zu, da dieser erst nach Versterben des Testators geboren wurde. 5. Argument: Das behauptete Veräußerungsverbot besteht nicht mehr, weil sich der Grund für dieses Verbot, nämlich die Bewahrung der Möglichkeit, ein Kolleg für arme Studenten zu errichten, erledigt hat. Die Bedingungen, unter denen das Kollegium errichtet werden sollte, waren nie gegeben. Für dieses gegnerische Argument wird der Wortlaut des Testaments an der entscheidenden Stelle zitiert. Allerdings, so berichtet es Sandeus, haben die Gegner das Wort „und“ („et“) an der Stelle „Ebenso verbot der besagte Testamentsverfasser die Veräußerung jedweder Immobiliargüter seines Nachlasses […] u n d wegen der unten anzuweisenden Nutzung.“ („[…] e t pro usu infra deputando.“) bewusst ausgelassen. Durch dieses Teilzitat der Gegner wird deren Argumentation überzeugender. 6. Argument: Selbst wenn man annähme, dass das Veräußerungsverbot nicht nur diese Möglichkeit der Errichtung eines Kollegs für arme Studenten erhalten soll651  Siehe

dazu oben, A.III.1.d).

102

A. Einführung

te, sondern darüber hinaus auch zugunsten der männlichen Nachkommen des Testators errichtet wurde, ist das Verbot hinfällig. Die Gründe, aus denen das Veräußerungsverbot errichtet wurde, wurden miteinander verbunden. Das Verbot kann daher nur weiter bestehen, wenn auch beide mit einander verbundene Gründe weiter existieren. Entfällt nur einer der Gründe und handelt es sich zugleich um miteinander verbundene Gründe, so entfällt das Verbot, dessen argumentative Grundlage sie bilden. Für dieses Argument wiederum zitieren die Gegner – nach Angabe von Sandeus – die oben genannte, entscheidende Textstelle aus dem Testament vollständig, nämlich mit dem entscheidenden „und“ („et“).

Diese sechs Argumente sind eine Zusammenfassung der Meinung der Consiliatoren der Streitgegner. Sandeus stellt diese Argumente zwar logisch korrekt dar – und mit durchaus passenden Zitaten aus dem Corpus Iuris Civilis, dem Corpus Iuris Canonici und weiteren passenden Literaturstellen, insbesondere Consilia namhafter, auch zeitgenössischer, Juristen. Dabei geht diese im Ius Commune übliche Zitierweise der einzelnen Teile des Corpus Iuris Civilis und Corpus Iuris Canonici auch auf die Lehrbücher zum Verfahrensrecht zurück.652 Gleichwohl bleibt die Darstellung recht knapp gehalten und wird nicht besonders tiefgründig ausgebaut. Einzig das sechste und letzte, damit zugleich das stärkste der von Sandeus anzugreifenden Argumente wird von ihm etwas ausführlicher dargestellt. Felinus Sandeus erklärt nun, dass diese Argumente, selbst wenn sie nicht zu widerlegen und damit richtig wären, den eigentlichen Fall gar nicht erfassen. Er stellt nun zwei eigene Argumente auf – durchaus unabhängig von und scheinbar ohne Bezug auf die vorherige Darstellung der gegnerischen Meinungen. Dabei zeigt Felinus Sandeus insbesondere im zweiten Argument all sein juristisches Geschick und seine hohe rhetorische Kunst. 1. Argument: Das Veräußerungsverbot des Erblassers Johannes de Lignano zugunsten der Bewahrung der Erbschaftsgüter ist als wechselseitiges Vermächtnis zugunsten der Nachkommen zu verstehen. Ein einzelner Nachkomme kann daher nicht zulasten der weiteren Nachkommen verfügen. Eine Verfügung eines der Nachkommen, die zugunsten einer „außerhalb der Familie“ stehenden Person erfolgt (hier nämlich zugunsten der verheirateten und damit nicht mehr „zur Familie“ des Erblassers gehörenden Urenkelinnen von Johannes de Lignano), ist dann jedenfalls in Bezug auf die dem Vermächtnis unterliegenden Güter insoweit unwirksam, als diese Güter mit einer Herausgabeklage wieder zurückgefordert werden können. Eine Erbeinsetzung einer familienfremden Person ist daher in Bezug auf die dem Vermächtnis unterliegenden Erbschaftsgüter unwirksam. 2. Argument: Bereits aus den ersten Bestimmungen des Testaments ist ein stiller Wille des Testamentsverfasser zu erkennen, (der ja immer zu berücksichtigen ist,) 652  Makowski,

The Jurist, 71 (2011), S. 338.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten103 dass er das Kolleg für arme Studenten vorziehen wollte vor etwaigen weiblichen Abkömmlingen seines Sohnes. Dieser stille Wille ist schon daraus zu erkennen, dass er ja seine eigene leibliche Tochter Antonia von der Erbfolge ausschloss und sie stattdessen mit einem Vermächtnis abfand.

Darüber hinaus ist eine Auslegung des Willens des Testators nur dann zulässig, wenn das Testament eine unklare, auslegungsbedürftige Regelung enthält. Handelt es sich jedoch um klare Anordnungen, ist für etwaige Interpretationen kein Spielraum. Insofern ist eigentlich kein Raum für die (vermutlich von den Rechtsgutachtern der Urenkelinnen von Johannes de Lignano vertretene) Interpretation, dass die vom Testator vorgenommene Ersatzerbeinsetzung unter der ausdrücklichen Bedingung des Versterbens ohne männliche Nachkommen dergestalt erweitert verstanden werden müsse, dass der Ersatzerbe nur dann erbe, wenn auch keine weiblichen Nachkommen existierten. Selbst wenn man aber eine solche erweiterte Bedingung der Ersatzerbeinsetzung des Kollegs für arme Studenten als grundsätzlich zulässig annähme, kann sie hier dennoch nicht greifen, weil der Testator ausdrücklich (und damit eben nicht der Interpretation zugänglich) festgelegt hat, dass die Bedingung sich nur auf das Versterben ohne eigene männliche Nachkommen bezieht und damit den Eintritt der Ersatzerbfolge auch dann gewollt hat, wenn weibliche Nachkommen existierten. Sichtlich hat also Johannes de Lignano die Studenten den weiblichen Nachkommen vorgezogen – und er hat damit erst recht die männlichen Nachkommen, die ja noch vor den Studenten berücksichtigt werden sollen, den weiblichen Nachkommen vorgezogen. Die Ersatzerbeinsetzung darf daher keinesfalls so interpretiert werden, dass die vom Testator sichtlich weniger geliebten, weiblichen Nachkommen vor den mehr geliebten, männlichen Nachkommen berücksichtigt werden. Es liegt damit, zusammengefasst, ein wechselseitiges Vermächtnis zugunsten der männlichen Nachkommen vor, die den weiblichen Nachkommen nach dem Willen des Testators vorgehen.

Die sehr umfangreiche Darstellung des zweiten Arguments von Felinus Sandeus – seinem Hauptargument nämlich – wurde an dieser Stelle nachträglich durch weitere Bemerkungen am Rand der Handschrift vom ihm selbst ergänzt. Da sich diese Ergänzungen auf eine Kommentierung von Petrus Philippus Corneus beziehen, darf man vermuten, dass Felinus Sandeus erst nach Abfassung seines Gutachtens das Consilium von Corneus kennen lernte. Sandeus wird wohl dann sein Consilium um einen Bezug zu Corneus ergänzt haben, um zu zeigen, dass er auch dessen Argumentation gesehen und berücksichtigt hat. Dieses Verständnis vom Willen des Erblassers Johannes de Lignano wird noch dadurch bekräftigt, dass es auch in Bologna zur Zeit der Testamentserrichtung ein örtliches Statut gab, nach dem mit einer Mitgift ausgestattete weibliche Nachkommen von der Erbschaft ausgeschlossen waren. Besteht nämlich ein solches Statut, dann wird der Begriff der „Kinder“ eben nur als auf die männlichen Nachkommen bezogen verstanden.

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A. Einführung

Auch an dieser Stelle wurde nachträglich eine sehr umfangreiche Ergänzung der Passagen durch Felinus Sandeus selbst vorgenommen. In dieser Ergänzung wird nochmals betont, dass der Begriff der Nachkommen und der Nachfolger bei Vorliegen eines solchen örtlichen Statuts regelmäßig als auf die männliche Nachkommenschaft beschränkt interpretiert wird. Eine solche Interpretation ist zwar in anderen Fällen grundsätzlich nicht zwingend. Wenn jedoch der Statutengesetzgeber mit einer solchen Regelung, die Frauen unter bestimmten Bedingungen von der Erbschaft ausschließt, einen bestimmten juristischen Sprachgebrauch eingeführt hat, muss dieser vorgehen. – Sichtlich musste Felinus Sandeus hier ihm erst später bewusst gewordenen Argumenten der Gegner, dass das Wort „Nachkommen“ sehr wohl auf Frauen bezogen sein kann, begegnen. – Und er erweitert diesen Einschub noch um die Feststellung, dass auch ohne ein örtliches Statut, welches einen bestimmten Sprachgebrauch vorgeben könnte, der Begriff der Nachkommenschaft jedenfalls dann, wenn die Güter „in der Familie“ bewahrt werden sollen, nur auf die männlichen Nachkommen bezogen sein kann, da nur so die Bewahrung des Vermögens in der Familie gesichert werden kann. – Es ist zu vermuten, dass die Gegner Zweifel an der Existenz eines solchen Statuts in Bologna zu Zeiten von Johannes de Lignano vorgebracht haben. Wohl deshalb ergänzte Felinus Sandeus die Argumentation dahingehend, dass auch ohne ein entsprechendes Statut seine Auslegung greifen würde. Die Überlegung, dass vorhandene weibliche Nachkommen den Eintritt der Ersatzerbschaft nicht beeinträchtigen, wird durch weitere Rechtsgutachten anderer Consiliatoren bestätigt. Demnach gehen Ersatzerben den weiblichen Nachkommen immer vor, es sei denn, die Ersatzerben selbst entstammten nicht der Familie des Erblassers. Das trifft auf wohltätige Einrichtungen zu. Der Begriff der Nachkommen umfasst also Frauen nur insoweit, als familienfremde Ersatzerben nicht zur Erbschaft berufen sind. Allgemein gilt aber für ein wechselseitiges „der Familie“ hinterlassenes Vermächtnis, dass der Erblasser die männliche Verwandtschaftslinie bewahren und dieser die Nachlassgüter erhalten wollte. Bekräftigt werden diese Überlegungen dadurch, dass die zu Lebzeiten des Testators vorhandene weibliche Nachfahrin im konkreten Fall, nämlich die leibliche Tochter Antonia, nur bestimmte Sachen als Vermächtnis bekommen sollte, die männlichen Nachkommen jedoch als Universalerben eingesetzt wurden. Der Testator wollte daher bei der wechselseitigen Ersatzerbeneinsetzung der männlichen Nachkommen die weiblichen Nachkommen nicht berücksichtigen. Es ist weiterhin festzustellen, dass diese in einer Passage des Testaments ausdrücklich festgelegte Bevorzugung der männlichen vor den weiblichen Nachkommen für das restliche Testament als stillschweigend festgelegt gilt. Daraus, dass der Erblasser seine Tochter von der Nachfolge in alle anderen Güter außer den 1000 Golddukaten ausgeschlossen hat, lässt sich ableiten, dass er schon seine Tochter nicht unter den Begriff „Familie“ gezählt hat. Gleiches muss folglich für die weiter entfernten weiblichen Nachkommen gelten.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten105

An dieser Stelle geht Felinus Sandeus ausführlich auf das aus C.6.42.30 abgeleitete Gegenargument ein, wonach die einen Vermächtnisnehmer be­ erbende Tochter durchaus die weiteren Vermächtnisnehmer ausschließen kann. Er widerlegt diese Gesetzesstelle gleich mit zwei Überlegungen: Zum einen gehe aus dieser Gesetzesstelle nicht hervor, dass im dortigen Fall die weiblichen Nachkommen von der Universalnachfolge ausgeschlossen waren, wie es im vorliegenden Fall aber ist – daher sollen sich diese allgemeinen Überlegungen auf den konkreten Fall, in dem gerade die Männer bevorzugt werden sollen und die weiblichen Nachkommen nicht „in der Familie“ des Erblassers sind, nicht anwenden lassen. Zum anderen gelte die benannte Codexstelle ausschließlich in Regionen, in denen keine regionalen Statuten in Kraft sind, die diese allgemeine Regel abänderten, wie es aber im vorliegenden Fall gewesen sei. Sichtlich bot diese Gesetzesstelle einen hervorragenden Anknüpfungspunkt für die Vertreter der Gegenmeinung, weswegen Sandeus besonders darauf bedacht war, dieses Zitat zu entkräften. Felinus Sandeus nutzt nun den aus seiner Sicht am ehesten überzeugenden Beleg für seine Ansicht. Er führt, unter Aufzählung einer Vielzahl von Fundstellen aus der juristischen Literatur, an, dass jede Verfügung, die Frauen von der Erbschaft ausschließt – sei sie ausdrücklich oder stillschweigend erfolgt – immer zu dem Zweck erfolge, dass die Güter zugunsten der Familienangehörigen bewahrt werden. Im Umkehrschluss lässt sich daher aus der Testamentsanordnung, die Nachlassgüter in der Familie zu bewahren, schlussfolgern, dass die Frauen von der Erbschaft ausgeschlossen seien. Als Höhepunkt dieser Argumentationskette rekurriert Felinus Sandeus dann auf ein Bibelzitat, in welchem die Männer Frauen von der Erbschaft ausschlössen. Die überaus umfangreiche Darstellung des zweiten Arguments von Felinus Sandeus wurde später durch kurze Zwischenüberschriften gegliedert, die jedoch von einem anderen Schreiber stammen, als der sonstige Text. Eine mögliche Begründung für dieses Phänomen könnte sein, dass etwa einer der Rotarichter, die mit diesem Fall beschäftigt waren, für das eigene Verständnis diese sehr lange Passage gegliedert hat.653 Nachdem Felinus Sandeus nun aus allen denkbaren Richtungen sein Hauptargument, dass also die männlichen Nachkommen der weiblichen 653  Zu dieser Überlegung würde auch die Zusammenstellung der Gutachten in einer solchen Sammelhandschrift mit einer Vielzahl von Rechtsgutachten zu diesem Fall in der Vatikanbibliothek passen. Es wäre durchaus denkbar, dass es sich bei der Sammelhandschrift Vat. lat. 14094 zumindest zum Teil um eine Sammlung handelt, welche einer der mit dem Rechtsstreit befassten Rotarichter zusammengestellt hat. Hierfür spricht, dass darin auch an mehreren anderen Stellen Schriftsätze aus sonstigen bei der Rota anhängigen Rechtsstreiten enthalten sind.

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A. Einführung

Nachkommenschaft vorzuziehen seien, erörtert und gegen jeden ersichtlichen Angriff gefestigt hat, entkräftet er nun die im ersten Teil des Consiliums aufgeführten Argumente der Gegenmeinung. Zum ersten Argument, nämlich dass schon keine „Veräußerung“ vorliege, führt Sandeus erst die recht komplexe distinctio zweier sich scheinbar widersprechender Digestenstellen bei Alexander Tartagnus vor. Die von Alexander Tartagnus gefundene Harmonisierung, die offensichtlich von den Consiliatoren der beklagten Frauen vorgebracht worden war, wird dann in einer sehr komplexen Darstellung von Felinus Sandeus als falsch gekennzeichnet und durch eine eigene Harmonisierung ersetzt. Sehr spitzfindig sucht Sandeus Punkte, an denen er zeigen kann, dass Tartagnus unzulässige Parallelen gezogen habe. Felinus Sandeus bedient sich eines juristischen Kniffs, der auch in der heutigen Rechtsprechung und auch in den anglikanischen Rechtssystemen, die noch immer vom „principle of stare decisis“654 bestimmt sind655, noch häufig verwendet wird. Er sucht nach Unterschieden zwischen den angeführten Digestenstellen, die es rechtfertigen, scheinbar gleiche Sachverhalte doch unterschiedlich zu bewerten und schließlich stattdessen andere Digestenstellen auf einander zu beziehen und damit seine eigene Argumentation zu stützen. Zum zweiten Argument führt Sandeus nun Gründe an, warum eine verheiratete Frau keinesfalls als „zur Familie“ des Vaters gehörig betrachtet werden kann. Dazu zitiert er erst verschiedene Belegstellen, nach denen die Frage der Familienzugehörigkeit jedenfalls auch vom Wohnort der Frau – also bei ihrem Vater oder ihrem Ehegatten – bestimmt wird. Unser Rechtsgutachter geht noch weiter und erläutert, wiederum äußerst spitzfindig, den Unterschied der juristischen Begriffe „aus der Familie stammend“ und „zur Familie gehörig“. Er stellt hier auf den exakten juristischen Sprachgebrauch und dessen Feinheiten ab. Überaus sorgfältig arbeitet Felinus Sandeus den Unterschied zwischen einem weiten, im allgemeinen juristischen Sprachgebrauch gängigen Begriff der Familie und einem engen, im exakten juristischen Sprachgebrauch verwendeten Begriff der Familie heraus und kommt zu dem Ergebnis, dass die von den Vertretern der Gegenmeinung angeführten Zitatstellen des Ius Commune jeweils den weiten Familienbegriff verwenden. Auf diese Weise entkräftet er Zitate, die auf den ersten Blick durchaus passend wären, und setzt sich wiederum mit seiner Interpretation durch. Ein weiteres Mal stellt Sandeus auf den Willen des Erblassers ab, 654  Ausführlich zum Präzedenzrecht in den anglikanischen Rechtssystemen siehe Plötzgen und Cross/Harris. 655  Auch wenn dieses Prinzip im Jahr 1966 durch eine Erklärung des Lord Chancellor für Entscheidungen des britischen House of Lords durchaus eingeschränkt wurde; siehe Morvay, ZaöRV, 27 (1967), S. 735 ff.



III. Das vorliegende Rechtsgutachten107

wenn er meint, dass dieser die weibliche Nachkommenschaft von der Erbschaft ausschließen wollte, weswegen der Begriff der Familie auch nur auf die männliche Nachkommenschaft bezogen werden könne. Unser Rechtsgutachter kommt hier einem Zirkelschluss gefährlich nahe. Um der Argumentation der Consiliatoren der beklagten Urenkelinnen zu begegnen, die ja gerade sagen, dass ihre Mandantinnen zur Familie gehören und daher zu berücksichtigen sind, versucht Sandeus ein solches Abstellen auf die Familienzugehörigkeit als falsch darzustellen. Das Ergebnis seiner eigenen Meinung, nämlich dass der Erblasser die männliche Nachkommenschaft bevorzugen wollte, weswegen die weiblichen Nachkommen von der Erbschaft ausgeschlossen sind, nutzt er hier als Beleg dafür, dass diese weiblichen Nachkommen nicht zur Familie des Erblassers gehören. Er nutzt also das Ergebnis seiner Argumentation, um einen Teilaspekt derselben Argumentation zu stützen. Oder deutlicher: Die weiblichen Nachkommen können nicht zur Familie des Erblassers gehören, weil die männlichen Nachkommen bevorzugt werden sollten und daher der Begriff der Familie nur diese umfassen kann.656 Die behauptete Bevorzugung der männlichen Verwandtschaftslinie ergibt sich aber (jedenfalls auch) daraus, dass die Frauen nicht zur Familie gehören.657 An dieser Stelle folgt nochmals ein sehr umfangreicher, nachträglich geschriebener Einschub, in dem sich der Rechtsgutachter für den Hauptkläger dazu äußert, dass im konkreten Fall Frauen auch nicht unter den Begriff der Kinder fallen. Vermutlich hat Felinus Sandeus erst nach Verfassung der ersten Version des Rechtsgutachtens von dieser für ihn neuen Argumenta­ tionsstruktur der gegnerischen Rechtsgutachter erfahren und wollte dieser nun noch ausführlich begegnen. Tatsächlich wiederholt Sandeus hier nur einzelne Punkte, die er schon vorher aufgeführt hat. Der Begriff der Kinder wird hier, wie schon oben der Begriff der Familie, eingeschränkt ausgelegt und nur auf die männlichen Nachkommen bezogen. Die inhaltlichen Argumente sind dabei größtenteils dieselben, auch wenn sie nochmals sehr wortreich und mit neuen Zitaten belegt werden.658 Dem dritten Argument der Gegenmeinung, dass die Töchter ja zumindest in ihren Kindheitsjahren klar „zur Familie“ gehört haben, begegnet unser 656  Das hält Felinus Sandeus dem zweiten Argument der Gegenmeinung entgegen auf fol. 94r. 657  So jedenfalls äußert sich Felinus Sandeus in seinem zweiten Argument auf fol. 91v, oben. 658  Diese Dopplung der Argumente ließe sich möglicherweise aus so erklären, dass bei Verhandlungen zwischen den streitenden Parteien eine Kopie des Gutachtens von Felinus Sandeus an die Gegenseite gegeben wurde, so dass deren Rechtsberater sich dazu äußerten, und deren Äußerungen wiederum an Felinus Sandeus weitergeleitet wurden.

108

A. Einführung

Consiliator dergestalt, dass die von den Vertretern der Gegenmeinung vorgebrachte Digestenstelle, nach der man nur überhaupt zur Familie gehört haben muss, um als Teil der Familie zu gelten, tatsächlich den Fall behandelt, dass die nunmehr nicht mehr zur Familie gehörende Person zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung oder zumindest zum Todeszeitpunkt des Erblassers zu dessen Familie gehört hat. Hier weist Felinus Sandeus – inhaltlich völlig zutreffend – auf eine durch die Gegner bewusst unaufrichtig vorgenommene Verkürzung des Inhalts einer Gesetzesstelle hin. Ein solches Vorgehen, Belegstellen des Ius Commune nicht umfassend, sondern nur in der für die vertretene Position günstigen Auslegung zu verwenden, kam in der Praxis damals immer wieder vor, galt aber als nicht fachgerecht kompetent und schädigte, wenn eine solche Unaufrichtigkeit in einem Gutachten gefunden wurde, den Ruf des Gutachters massiv. Solche Unaufrichtigkeiten wurden begünstigt durch das Rechtssystem, das von einzelnen Entscheidungen und juristischen Stellungnahmen zu konkreten Rechtsfragen ausging und dann die Parallelen zu dem zu entscheidenden Fall herstellte, um schließlich die dann aus den Texten des Ius Commune abgeleiteten Prinzipien auf den nunmehr zu bearbeitenden Fall zu übertragen. Bei dieser Bildung von Parallelen musste notwendig die für den zu entscheidenden Sachverhalt passende Auslegung (und damit auch inhaltliche Verkürzung bzw. Abstraktion) verwendet werden. Jene Arbeitsweise war nur die andere Seite der bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten distinctiones. Auffällig ist an dieser Stelle, wie deutlich Felinus Sandeus dem Leser die recht plumpe Verwendung dieser Digestenstelle durch die Vertreter der Gegenmeinung vor Augen führt. Dabei ist aber natürlich zu bedenken, dass unser Gutachter bei der Darstellung der Gegenmeinung im ersten Teil seines Consiliums selbst den Stil der juristischen Argumentation und den Grad des rhetorischen Geschicks bestimmen konnte. Es ist durchaus zu vermuten, dass die Rechtsgutachten, denen Felinus Sandeus mit seinen Ausführungen zu begegnen versucht, wesentlich feingliedriger ausformuliert waren, als es im vorliegenden Consilium den Anschein macht. Man darf wohl vermuten, dass Felinus Sandeus mit diesem „Trick“ den Lesern und damit auch dem Richter suggerieren wollte, dass die gegnerische Argumentation insgesamt nicht fachkompetent erarbeitet sei. Anstatt direkt anzugreifen und auszusprechen, dass dies ein entweder bewusst verlogenes oder aber dilettantisch nicht fachkompetentes Argument ist, überließ es Felinus Sandeus lieber dem Richter, diesen Schluss zu ziehen, damit dieser wenigstens unterbewusst seinen Schluss auf die restliche Argumentation im gegnerischen Gutachten erweitern sollte. Das von den Consiliatoren der beklagten Frauen nach Darstellung von Felinus Sandeus als viertes vorgebrachte Argument, dass nämlich der Hauptkläger nicht klagebefugt sei, da er zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch nicht geboren und damit nicht schon damals Teil der Familie



III. Das vorliegende Rechtsgutachten109

des Erblassers gewesen sei, wird von unserem Rechtsgutachter wie folgt entkräftet: Da die Güter nach dem Willen des Testators dauerhaft in der Familie verbleiben sollen und bei einem Vermächtnis zugunsten der Familie alle ungeborenen Nachkommen in dieses Vermächtnis eintreten (werden), sind diese auch zur Klage befugt. Bei dem fünften Einwand der Gegner, dass das Veräußerungsverbot obsolet geworden sei, lässt sich unser Rechtsgutachter gar nicht erst auf deren Argument ein, ob die Ersatzerbeinsetzung des Kollegs für arme Studenten erloschen sei. Schließlich sei zum einen bei der Anforderung des Gutachtens nicht hiernach gefragt worden, und zum anderen sei es für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich: Denn sowohl bei Fortbestehen der Ersatzerbeinsetzung wie auch bei deren Wegfall wäre die durch den Vater der Beklagten vorgenommene Erbeinsetzung eine verbotene „Veräußerung“ und somit widerrufbar durch den Kläger – weil nämlich der Testamentsverfasser für sein Verbot zwei von einander unabhängige Gründe angegeben habe. Diese gleichrangigen Gründe sind die Bevorzugung der männlichen Nachkommen einerseits und die Schaffung „der Gelehrsamkeit“ für den Fall des Vorversterbens aller männlichen Nachkommen andererseits. Beide Gründe sind durch das Wort „und“ verbunden, welches eine Gleichrangigkeit beider Verbotszwecke begründet. Damit bleibt der andere Zweck auch bei Wegfall des einen Zwecks bestehen und somit das Verbot gültig. Das sechste Argument der Vertreter der Sache der beklagten Frauen geht nun gerade auf den von Felinus Sandeus in der Erwiderung zum fünften Argument vorgebrachten Einwand ein und ist daher besonders aufwändig zu entkräften. Felinus Sandeus setzt sich hier sehr detailliert mit der Formulierung im Testament von Johannes de Lignano auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass die Verwendung des Wortes „und“ bei der Verknüpfung beider Zwecke des Veräußerungsverbots hier eine Gleichrangigkeit herstellt, da beide Zwecke unabhängig voneinander bestehen und nicht etwa der eine bloß eine nähere Erläuterung des anderen ist oder ein Rückbezug zwischen beiden Zwecken besteht. In diesem letzten Argument wird also sehr detailliert um die Auslegung des folgenden Satzes aus dem Testament von Johannes de Lignano gestritten: Item prohibuit dictus testator alienationem quorumcumque bonorum immobilium sue hereditatis eo quod voluit ipsa bona perpetuo permanere intra familiam dicti testatoris et pro usu infra deputando.659 659  Übersetzung entsprechend der im Anhang  Weiterhin verbot der Testamentsverfasser die

zu findenden Paraphrase: Veräußerung jedweder Immobiliargüter seines Nachlasses wegen seines Willens, dass seine Güter beständig in der Familie des Testamentsverfassers verbleiben und wegen der unten anzuweisenden Nutzung.

110

A. Einführung

Aus Sicht unseres Rechtsgutachters ist das „et“, das den letzten Halbsatz einleitet, als eine gleichrangige Verknüpfung zu verstehen. Und der letzte Halbsatz ist dann so zu lesen, dass das „prohibuit“ aus dem Hauptsatz auch für diesen letzten Halbsatz mitgedacht werden muss. Es handelt sich in dieser Auslegung also bei diesem letzten Halbsatz nicht um einen Teil des durch „eo quod“ eingeleiteten Nebensatzes, sondern vielmehr um einen zweiten eigenständigen, eliptischen Attributivnebensatz. Diese Argumentation belegt Felinus Sandeus mit einer Vielzahl von Zitaten aus den Schriften auch zeitgenössischer Rechtsgelehrter. Aus dem letzten Absatz des vorliegenden Consiliums erfahren wir noch, dass die Beklagten das Erbe ihres Vaters, eines Enkels von Johannes de Lignano, bereits angetreten haben und die dadurch erfolgte Veräußerung der Vermächtnisgegenstände aus dem Testament des Johannes de Lignano nun durch den Kläger widerrufen werden soll. Es könnte auch nicht argumentiert werden, dass das Veräußerungsverbot einschränkend ausgelegt werden müsse, um den Pflichtteil des Enkelsohnes Guilielmus an den Nachlassgütern seines Großvaters Johannes de Lignano zu berücksichtigen. Denn der Pflichtteil sei bereits dadurch abgegolten, dass Guilielmus in seiner Lebzeit entsprechend hohe Werte aus den Nachlassgütern verbraucht habe. Felinus Sandeus erwähnt ein möglicherweise durchaus wirksames Argument der Gegner absichtlich nicht gleich im vordersten Teil des Gutachtens, wo er ansonsten die Argumente der Gegner referiert, sondern erst in den letzten Zeilen seines Gutachtens – und das auch nur ganz beiläufig, um nicht die Aufmerksamkeit der Leser zu schärfen. Felinus erwähnt hier beiläufig, dass der verstorbene Sohn Baptista des Johannes de Lignano und folglich wiederum dessen Sohn Guglielmus (Vater der beklagten Tochter oder Töchter) kraft Pflichtteilsrechtes durchaus einen Anspruch hatte, einen entsprechenden Teil der ererbten Güter zu verwerten. Mit diesen Worten deutet Felinus Sandeus kurz an, dass ein Anspruch auf den Pflichtteil ja Vorrang vor einem testamentarischen Veräußerungsverbot hat. Der Enkel hätte also in Höhe seines Pflichtteilsanspruches durchaus Güter aus dem Nachlass an seine Töchter vererben dürfen. Jedoch – so entgegnet Felinus – der verstorbene Enkel habe laut Sachverhalt viel von den ererbten Gütern verbraucht, und zwar in einem Wertverhältnis, welches den Pflichtteilsanspruch abdeckte. Eine solche Tatsachenbehauptung war aber bestreitbar. Wäre sie im Rechtsstreit von den Beklagten bestritten worden, so hätte der Kläger, für den Felinus Sandeus ja argumentierte, hierfür Beweis antreten müssen, und dies konnte – nicht zuletzt wegen des zeitlichen Abstands zu den Lebensumständen des bereits verstorbenen Guglielmus – schwierig werden. Felinus Sandeus wollte also einerseits dem Kläger dieses ihn schützende Argument suggerieren, dies aber andererseits möglichst unauffällig halten.

Felinus Sandeus beendet das Gutachten mit der Aufzählung seiner Titel und einer Klausel, mit der er sich einen Irrtum vorbehält. Diese subscriptio folgt der damals üblichen Vorgehensweise.660



IV. Edition und Paraphrase111

Beim Studium des vorliegenden Consiliums fällt auf, dass der Autor einen recht komplizierten Satzbau mit zum Teil sehr verschachtelten Sätzen verwendet, wodurch eine insgesamt eher schwer verständliche Sprache entsteht. Möglicherweise wollte Felinus Sandeus auch damit sein rhetorisches Geschick und Können unter Beweis stellen.661 660

Weiterhin verweist unser Autor mehrfach auf Seitenzahlen in Druckausgaben verschiedener Konsiliensammlungen, die er in der eigenen Bibliothek662 vorliegen hatte. Sichtlich rechnete er mit der Möglichkeit, dass es außer der von ihm benutzten Druckausgabe noch andere Druckausgaben mit unterschiedlicher Seitenzählung geben könnte. Hierauf wollte er den Leser hinweisen. Denn falls die Leser in der jeweils ihnen vorliegenden Druckausgabe bei der angegebenen Seitenzahl nichts Passendes finden würden, sollten sie dies eben aus der Verschiedenhit ihrer Druckausgabe erklären und nicht etwa denken, dass Felinus Sandeus fehlerhaft gearbeitet habe.

IV. Edition und Paraphrase Den Hauptteil der vorliegenden Arbeit bildet die Edition des Consiliums663 von Felinus Sandeus im Rechtsstreit um die Auslegung des Testaments von Johannes de Lignano. Der Edition wurde eine Paraphrase zur Seite gestellt, die das Textverständnis erleichtern soll und zugleich als Interpretation des Textes dient. Die Absatzgrenzen wurden anhand des Inhalts festgelegt und stimmen daher nicht mit den Absätzen der Handschrift überein – vielmehr wurden zwecks Erleichterung des Lesens und Verstehens zahlreiche zusätzliche Absatzgrenzen in den Text eingefügt. Auch die Interpunktion stammt vom Bearbeiter. Denn im handgeschriebenen Original fehlt eine sinngebende, die Satzgrenzen bestimmende Interpunktion. Runde Klammern ( ) im Text dienen als verständnisförderndes Stilmittel zur Abgrenzung von Nebensätzen. Die grammatische Struktur des mittellateinischen Textes ist an diesen Stellen zwar klar, der Text aber zum dazu oben, A.III.1.d). schrieb er im Alltag durchaus nicht auf Latein, sondern vielmehr auf Italienisch, wie aus den von ihm überlieferten Briefen an verschiedene „offizielle“ Empfänger (unter anderen die Universitäten in Pisa und Florenz) hervorgeht; siehe Arrighi, S.  43 ff. 662  Siehe dazu oben, A.III.2. 663  Vaticano, BAV, Vat. lat. 14094, fol. 88r–95v. 660  Siehe

661  Schließlich

112

A. Einführung

Teil schwer verständlich. Diese runden Klammern dienen daher nur als Lesehilfe, beinhalten aber durchaus den Originaltext der Handschrift. In eckigen Klammern [ ] wurden Auflösungen von Zitaten eingefügt. In geschweiften Klammern { } wurden Textergänzungen des Bearbeiters eingefügt, die dieser für unzweifelhaft notwendig erachtete. Auch die Blattzählung in der Handschrift wurde in geschweiften Klammern angegeben, in kursiver Schrift. Pfeile   kennzeichnen Textpassagen, die die in der Handschrift nachträglich beigefügt wurden, meistens am Blattrand. Diese Ergänzungen am Rand stammen fast immer von Felinus Sandeus persönlich. Dort, wo eine andere Hand am Werk war, wird dies ausdrücklich angemerkt. Die Aufbereitung des Textes folgt den allgemein bei Ius-Commune-Edi­ tionen üblich gewordenen Editionsregeln, ursprünglich aufgestellt 1937 durch Stephan Kuttner664, jedoch in neuerer Zeit in wenigen Einzelheiten abgewandelt.665 Fußnoten mit römischen Zahlen in der Edition erläutern verschiedene mögliche Lesungen, offensichtliche Fehler des Schreibers und unleserliche Stellen. Fußnoten mit arabischen Ziffern dienen hingegen der Erläuterung bei der Auflösung von Abkürzungen und Berichtigungen des Textes, die jedoch nicht auf Unleserlichkeiten, sondern inhaltlichen Fehlern beruhen. Die beigefügte Paraphrase versucht eine grammatisch möglichst nahe am edierten Text orientierte Übersetzung, bei der allerdings zugunsten der Verständlichkeit häufig von der wortwörtlichen lateinischen Satzstruktur abgewichen wurde. Die Gliederung der Paraphrase mithilfe von Absätzen folgt der Absatzsetzung im edierten Text, um eine Vergleichbarkeit zwischen ediertem Text und Paraphrase zu ermöglichen. Auch in der Paraphrase dienen runde Klammern ( ) nur dem Textverständnis, enthalten aber keine Ergänzungen, sondern die entsprechende Übersetzung des edierten Textes. In eckigen Klammern [ ] finden sich Ergänzungen und inhaltliche Erläuterungen, die sich in den jeweiligen Satz einpassen sollen und das Textver664  Kuttner,

Bd. 1, S. XII. die Erstellung eigener Editionsgrundsätze, die sich an den Gegebenheiten der vorliegenden Handschrift und dem Editionszweck orientieren, wurden auch die grundsätzlichen Ausführungen bei Heinemeyer, S. 31–39; Müller (Hrsg.), Ber.Wiss. Gesch. 4 (1981), S. 167–178 und Schultze, BDLG 98 (1962), S. 1–11 geprüft und, wo möglich, berücksichtigt. 665  Für



IV. Edition und Paraphrase

113

ständnis fördern sollen. Diese Ergänzungen verstehen sich als Kommentierung im Rahmen einer kommentierenden Paraphrase. Zum Teil wurde hier der lateinische Ausdruck aus dem edierten Text wiederholt, um zu verdeutlichen, auf welche lateinischen juristischen Fachbegriffe sich die Übersetzung bezieht. In geschweiften Klammern { } und kursiver Schrift ist auch in der Paraphrase jeweils die Blattzählung der Handschrift eingefügt. Pfeile   bezeichnen (wie schon in der Edition) Zusätze, die in der Handschrift nachträglich eingefügt wurden. Fußnoten mit römischen Zahlen in der Paraphrase liefern angepasste Übersetzungen der zitierten Belegstellen aus Quellen des Ius Commune – zwecks leichteren Verständnisses des edierten Textes. Dabei sind – insbesondere bei besonders langen Belegstellen – zum Teil Abschnitte kursiv und gesperrt gesetzt. Damit werden die Abschnitte der Belegstelle hervorgehoben, die das konkrete Argument des Haupttextes stützen und auf die sich Felinus Sandeus bzw. die Vertreter der Gegenmeinung bei der Angabe der jeweiligen Belegstelle bezogen haben dürften. Auch in diesen angepassten Übersetzungen finden sich in eckigen Klammern [ ] kommentierende Ergänzungen, die das Textverständnis der jeweiligen Belegstelle erleichtern sollen. Manchmal sind im Anschluss an die Paraphrase der Belegstelle noch in eckigen Klammern [ ] Erläuterungen beigefügt. Sie erklären insbesondere die Gedankenverbindung zwischen dem Text des Rechtsgutachtens und dem Text der Belegstelle. Fußnoten in arabischen Ziffern in der Paraphrase dienen der inhaltlichen Erläuterung und sind als Hinweise gedacht, die dem Verständnis der Vorgehensweise unseres Rechtsgutachters dienen sollen.

B. Edition I. Transkription des Consiliums, Vat. lat. 14094, fol. 88r–95v Yhesus, faciem tuam illumina super servum tuum et doce me iustificationes tuas [Psalmus 119 (118) 135]. Salvatoris gentium invocato suffragio, viso testamento clarissimi iurisconsulti domini Ioannis de Lignano et eius verbis diligenter inspectis, et considerato punctoi questionis proposite, videtur prima consideratione dicendum, quod alienatio facta per unum ex filiis Baptiste, testatoris filii, extra familiam defuncti, instituendo videlicet filiam suam, proneptem testatoris, iam nuptam, valuerit et tenuerit – non obstante prohibitione de qua in testamento. {Prima consideratio: pro filia ista Baptistae} Primo: quia ubi quis est prohibitus alienare extra certum genus personarum, puta extra familiam, tunc legitimus heres, id est qui alias est successurus ab intestato, non prohibetur succedere, quamvis heres ille non esset de familia extra quam erat prohibita alienacio: glossa et Bar{tolus de Saxoferrato} et omnes in l. Peto § Fratre, de le. 2o [D.31.(1).69.3]; Bar{tolus de Saxoferrato} et comuniter alii in l. Si ita quis § Ea lege, ff. de ver. o. [D.45.1.135.3]. Ergo filius Baptiste potuit filiam suam, sibi ab intestato successuram, heredem instituere, quamvis etiam post contractum matrimonium dicatur esse in aliena familia. Quoniam ille, qui successurus est ab intestato, si instituatur heres, adhuc dicitur „heres legitimus“, licet ex testamento succedat: Bar{tolus de Saxoferrato} et com{uniter scriben}tesii in l. 3 ad finem, de le. 1o [D.30.(1).3], quia, ex quo ista hereditas tacite debebatur ab {intest}ato,iii l. Conficiuntur, ff. de iure codi. [D.29.7.8.1], nihil operatur expressio institutionis – quasi sit expressum quod tacite inerat, per illum modum quo inerat. Quynimmo glossa in l. Pater, § Julius Agripa, de le. 3 [D.32.(1).38.4], expresse vult quod, si prohibitus alienare instituat legitimum heredem in i  male

scr.: pancto.

ii  macula.

iii  macula.



I. Transkription des Consiliums115

aliena familia existentem, talis heredis institutio non dicitur hoc casu „alienatio“. Et eam pro not{abili} aprobat {Johannes de} Imol{a} in dicto § Ea lege [D.45.1.135.3]; et in dicto § Fratre [D.31.(1).69.3]; et in l. Cum pater § Cum inter, de le. 2 [D.31.(1).77.28], ubi satis hoc probat textus, secundum intellectum Bar{toli de Saxoferrato}. Et licet aliqui conentur illam {glossam} reprehendere, tamen ipsam sequitur Dy{nus Mugellanus}, et Bar{tolus de Saxoferrato} in dicto § Julius Agripa [D.32.(1).38.4], et Raf{ael} Cum{anus} in dicto § Cum inter [D.31. (1).77.28]. Et ibi dicit quod comuniter est aprobata. Ideo, cum a communi opinione non sit in iudicando recedendum, videtur stare glosse, ut etiam per Alexandrum {Tartagnum} consilio 66o. Ideo ex isto primo fundamento videtur dictam alienationem factam per actum institutionis heredis valuisse, cum instituta fuerit filia, que1 alias tamquam legitima succesisset ab intestato. Et eo maxime, quia prohibitio, ut dixi, est facta extra certum genus personarum, videlicet extra familiam. Et pro confirmatione glosse in dicto § Julius Agripa [D.32.(1).38.4] facit ultra alios, quia, si filius non condidisset testamentum, habiturus fuisset filiam suam heredem ab intestato, quam heredem instituerat. Et sic dicta alienatio, que secuta fuisset per mortem, diceretur „necessaria“. Sed alienatio necessaria non venit in prohibitione alienationis: l. Divus, in pr., ff. de peti. he. [D.5.3.5 pr.]; l. Peto § Predium, de le. 2 [D.31.(1).69.1]; l. fi., C. de litigio. [C.8.36.5.3]. Ergo, si filius Baptiste filiam instituit, fecit id quod tacite inerat: in dicta l. Conficiuntur, in pr., [D.29.7.8.1]; et l. Si quis cum nullum, in pr., ff. de iur. codi. [D.29.7.3 pr.]. {88v} Ergo hoc nocere non debet: dicta l. 3, de le. i. [D.30.(1).3] et l. Non recte, C. de fideius. [C.8.40.3.2]. Alias sibi imputaretur cur testatus decesserit – contra l. Posthumus, in pr., ff. de inoff. te. [D.5.2.6 pr.]. Et maxime cum nihil intersit tocius familie, cum, ut dixi, si intestatus decesisset, omnino dicta hereditas devenisset extra familiam, virtute successionis legitime. Ergo familia non debet admitti ad id quod sua non interest: c. Non solent, ii. q. vi. [Decr.Grat. C. 2 q. 6 c. 30 pr.]; c. Illa, de acu. [X.5.1.3]; l. i. ff. de ap. re. [D.49.5.1 pr.]2, cum symilibus. 1  An

dieser Stelle ist tatsächlich „que“ zu lesen. Es handelt sich nicht um eine Abbreviatur. Diese Stelle zeigt, dass auch an anderen Stellen, wo in der Handschrift einzig ein Buchstabe „q“ steht, dieser einzelne Buchstabe transkribiert werden muss als „que“. 2  Hier wird dieselbe Stelle sowohl im Decretum als auch in den Digesten zitiert. Damit wird einerseits klargestellt, dass das Recht hier nicht veraltet ist, da das Decretum ja aktuelles Recht war, und andererseits wird die Zitierweise aufgebläht und es finden sich drei Zitate, die tatsächlich nur zwei sind.

116

B. Edition

Secundo pro ista parte facit, quia testator prohibuit alienari bona sua extra familiam in perpetuum. Sed filia ista Baptiste, que3 est proneptis ex masculis testatoris, quamvis, antequam heres institueretur, esset nupta, tamen videtur quod adhuc dicatur „de familia ipsius testatoris“. Filie enim nupte dicuntur „de agnatione“: l. i. ff. de iure inmu. [D.50.6.1.2]; l. i. § fi., ff. de iniu. [D.47.10.1.9]. Et ibi dicitur quod pro iniuria illata tali filie nupte, que adhuc dicitur in patris potestate, ita competit actio iniuriarum patri, sicut si non esset nupta.4 Cum ergo duret agnacio, videtur esse „in familia“: l. Pronunciatio § Familie, ff. de ver. si. [D.50.16.195.2]. Bene facit pro hoc, quia nupta retinet domi{cilium patr}isiv seu originis in hiis, per que5 non subtrahitur a servicio viri {…}v: in l. fi. § pe., ff. ad muni. [D.50.1.38.3]; Bal{dus de Ubaldis} et alii in l. Cum quedam, ff. de iu. o. iu. [D.2.1.19 pr.]. Unde dicitur in l. fi., C. de ver. si. [C.6.38.5], quod appellatione „familie“ comprehenditur nurus et gener – soluto matrimonio. Si vero solutum non sit matrimonium, non venit ad fideicommissum „familie“ relictum, cum uxor sua, que est testatoris filia, illum precedat. Et sic clare videtur ille textus aperire quod filia nupta dicatur esse „de familia patris“. Et hoc expresse firmant Bal{dus de Ubaldis} et Pau{lus} de Ca{stro} in l. Voluntas, C. de fideico. [C.6.42.4], dum assignant rationem dubitandi in illo textu. Quinymmo gener, soluto matrimonio morte uxoris, dicitur „de familia soceri“, ut dicit textus in dicta l. fi. [C.6.38.5], fortius ergo dicendum videtur quod hodie non solum filia nupta dicatur esse „de familia patris“, sed etiam videtur quod descendentes ex filia dicantur „de familia avi materni“, quia, licet sint descendentes ex femina et sic cognati, tamen, cum hodie sublata sit differentia agnationis et cognationis – § Nullam, in Aut. de here. ab in. [Auth.113.4 = Nov.118.4 = Auth. Coll. 9.1.4] –, videtur quod sint „de familia“ sicut quilibet agnatus: dicta l. Pronuntiatio § Familie [D.50.16.195.2]. Et ita tenet glossa per hanc rationem in l. Cum ita § In fideicomisso, de le. 2 [D.31.(1).32.6]; et sequitur ibi Bar{tolus de Saxoferrato} et {Johannes de} Imol{a} post Pe{trum de Bellapertica} in l. fi., C. de verborum si. [C.6.38.5].

3  Wie

oben, tatsächlich „que“ – Grundlage für die Auflösung von „q“ als „que“. vom Gegner selbst paraphrasiert, um sicherzustellen, dass der Richter den Inhalt dieser Stelle auf jeden Fall wahrnimmt – entweder weil der Richter die Stelle sonst vielleicht nicht wirklich lesen würde, oder weil sie zu schwer ist, zu verstehen und mit der Paraphrase eher verständlich wird. 5  Wie oben, tatsächlich „que“ – Grundlage für die Auflösung von „q“ als „que“. iv  macula. v  macula. 4  Möglicherweise



I. Transkription des Consiliums117

Tertio pro hac parte facit, quia, dato quod nubendovi dicatur filia non esse „de familia testatoris“, tamen satis est quod quis aliquando {89r} fuit in familia – adeo quod, licet postea desierit esse, tamen vocatur ad fideicommissum relictum „familie“: dictus § Fratre [D.31.(1).69.3] circa finem [= D.31.(1).69.4], ubi dicitur quod, si post testamentum factum filius per emancipationem desierit esse in familia, tamen ad fideicomissum tamquam quilibet de familia admittetur. Ergo videtur quod, cum ista proneptis testatoris fuerit semel in ipsius familia, videlicet antequam viro traderetur, quod nihilominus, si subsecuto matrimonio desinit esse „in familia proavi“, debeat invitari ad eius hereditatem sicut quilibet „de familia“. Quarto pro hac parte facit, quia ad legatum factum „familie“ videntur tantum vocati illi, qui tempore conditi testamenti vel mortis fuerunt „in familia“, nisi aliter constet de mente testatoris: dictus § In fideicommisso [D.31.(1).32.6]; et l. Si cognatis, in principio, ff. de rebus du. [D.34.5.19 pr.]. Sed isti masculi, videlicet filii Baptiste, tempore mortis testatoris, ut credo, licet mihi hoc non constet, non erant „in familia“ testatoris. Ergo videtur quod hanc alienationem revocare non possint, tamquam ad fideicommissum non fuerint invitati. Facit l. i. § Proximus, cum symilibus, ff. unde cogna. [D.38.8.1.5]. Quinto facit: nam testator voluit ista bona remanere „in familia“„pro usu infra deputando“, videlicet ut deficientibus filiis vel descendentibus masculis construeretur collegium pro pauperibus scolaribus. Innuunt ergo verba testamenti testatorem fecisse potius hanc prohibicionem favore pauperum scolarium substitutorum quam ut agnatio conservetur. Difficile enim evenisset ut deficientibus omnibus descendentibus collegium illud potuisset erigi, nisi bona sua „extra familiam“ prohibuisset alienari. Sed ita est quod cessat causa prohibitionis, ergo cessat prohibitio: iuxta l. Titia § Usuras, de le. ii. [D.31.(1).87.1], ubi probatur quod cessante causa odii cessat odium. Cessat autem causa prohibitionis, quia substitucio facta de pauperibus scolaribus expiravit antequam nepos alienasset. Substituti enim fuerunt hac forma, videlicet, si aliqui filii non nascantur et dictus Baptista decesserit „quandocumque sine filiis legitimis et naturalibus“, vel si alter vel alteri nascantur, {et decesserint} „quandocumque sine filiis legitimis et naturalibus“. Tunc voluit et mandavit dictus testator, quod de bonis sue hereditatis provideretur pauperibus scolaribus, in dicta forma. Ergo, cum dictus Baptista solus supervixerit, nullis aliis filiis natis testatori, et decesserit cum filiis masculis, videtur fideicommissum datum pauperibus (tamquam defecta conditione) expirasse.

vi  MS

cancell. non.

118

B. Edition

Non enim videtur testator substituisse {89v} nepotibus dictos pauperes, cum eos non substituerit. Quia, cum fuerint positi in conditione, non dicuntur ad hereditatem invitati: glossa communiter aprobata in l. Lutius, ff. de here. insti. [D.28.5.86]. Sexto et ultimo facit, quia in testamento dicitur quod testator prohibuit alienationem quorumcumque bonorum ex eo, quia „voluit ipsa bona perpetuo remanere in familia dicti testatoris et pro usu infra deputando“. Tunc sic: Aut prohibuit alienationem favore pauperum scolarium tantum. Et tunc, cum cesset causa prohibitionis, expirata substitutione eis facta (ut dixi) cessabit prohibitio. Aut fuit etiam facta favore agnatorum masculorum. Et tunc est advertendum, quia dixit testator: „et pro usu infra deputando“, et sic loquitur per copulativam. Ergo requiritur ad hoc, ut duret prohibitio, concursus copulatorum: l. Si heredis, ff. de condi. insti. [D.28.7.5]. Cum ergo non sit possibile quod dicta hereditas amplius possit venire ad usum infra deputatum, expirata substitutione scolarium, mort{uo testatore}vii aperte superstitibus masculis, non possunt copulata verificari. Ergo dispositio cessat. Sicut in simili voluit Pau{lus} de Ca{stro} consilio 14o, quod, si fuit facta substitucio per hec verba: „Instituo Nicolaum filium meum et filios mihi nascituros, et si contingat Nicolaum et alium nasciturum decedere sine filiis masculis, substituo talem“, postea contingat quod alius filius testatori non nascatur, deinde Nicolaus super existens sine filiis decedat, non erit locus substitutioni, ex quo non evenit casus substitutionis concepte in casu plurium morientium sine liberisviii. Et ideo casus iste tamquam omissus remanet in dispositione iuris communis: l. Comodissime, ff. de lib. et po. [D.28.2.10]. Allegat Jo{hannem} An{dreae} in additionibus Speculi {iudicialis Guilielmi Durantis} in rubrica „De testamentis“, additione incipiente „Huic questioni“ in quarta questione, ubi ita refert fuisse obtentum in facto. {Consideratio conclusiva adversa: contra filiam istam Baptistae} Sed predictis non obstantibus (que6, et si vera sint, casum tamen presentem non attingunt), puto in casu isto quod nepo{s}ix testatoris non potuerit instituere eius filiam iam nuptam. Primo moveor quia testator prohibendo alienationem quorumcumque bonorum immobilium sue hereditatis, eo quia voluit dicta bona perpetuo per6  Wie

oben, tatsächlich „que“ – Grundlage für die Auflösung von „q“ als „que“.

vii  macula. viii  MS

cancell. masculis.

ix  macula.



I. Transkription des Consiliums119

manere intra familiam suam, videtur per illa verba ipsis vicissim relinquere fideicommissum, si contingat alterum eorum sine alterius consensu alienare. {90r} Ita vult glossa not{abilis} relata ad textum in l. Codicillis § Instituto, de le. 2 [D.31.(1).88.15] in verbo „filiis meis“, quam dicit ibi {Johannes de} Ymol{a} fore meliorem aliqua alia. Et secundum eum „diligenter“ est notata. Cum qua transit etiam ibi Bar{tolus de Saxoferrato}. Et idem dicit Bar{tolus de Saxoferrato} in l. Qui Rome § Coheredes, de ver. o. [D.45.1.122.3], et ibi {Johannes de} Imol{a}. Secus autem, si simpliciter prohibuisset alienationem extra familiam et nihil aliud dixisset, ut infra latius dicetur. Si ergo isti de familia vicissim sunt gravati per fideicommissum, impossibile est dicere quod unus de familia moriens possit alium sibi alias ab intestato successurum instituere. Nec etiam possumus dicere quod ab intestato legitimus heres, qui est extra familiam, possit in istis bonis (subiectis restitutioni fideicommissi) succedere cum effectu. Cum ergo in casu nostro filia femina instituta fuerit in aliena familia, tempore quo nepos testatoris eam instituit, cum esset maritata, sequitur quod non potuit institui in preiudicium existentium „in familia“ defuncti. Secundo moveor ex tacita voluntate defuncti, que7 colligitur manifeste ex verbis testamenti. Pretulit enim testator pauperes scolares neptibus ex filiis suis, quoniam, ut ex verbis testamenti supra relatis apparet, voluit testator expresse tunc demum provideri scolaribus, quando Baptista, eius filius, decesisset sine filiis masculis. Ergo a contrario sensu, si decesisset cum filiabus feminis, voluit collegium pro scolaribus construi. Nec eo casu, quo testator substituit filio deficientibus masculis, subintellegi a lege „et feminis“, iuxta l. Cum acutissimi, C. de fideico. [C.6.42.30] et l. Cum avus, ff. de condi. et de. [D.35.1.102]. Licet enim, si testator substituisset filio simpliciter, ex tacita mente defuncti neptis ex filio exclusisset substitutum, ut dicunt omnes in dictis legibus, tamen eo casu quo substituit filio „si decesserit sine masculis“, ut fecit in casu nostro, non excluditur substitutus a filiabus filii instituti: secundum Bar{tolum de Saxoferrato}: notata in dicta l. Cum avus [D.35.1.102]. Quia secundum ipsum, ex quo testator voluit masculos excludere substitutum, videtur voluisse quod femine non excluderent: argum. l. Cum ita, eodem titulo [D.35.1.63]. Et cum hoc transit ibi {Johannes de} Imol{a} et moderni in dicta l. Cum acutissimi [C.6.42.30]. Ad quod facit quod notat Lod{ovicus Pontanus de Roma} consilio 370o „In proposito“ et cetera, et Pe{trus} de An{charano} consilio 41o „Prima 7  Wie

oben, tatsächlich „que“ – Grundlage für die Auflösung von „q“ als „que“.

120

B. Edition

facie videatur d{icen}dum“, dicentes quod, si fiat discursus per omnes legentes (loquentes de ista materia), apparebit quod fundantur super presumptione. Et ideo, si apparere potest de contraria presumptione, cessabit illarum legum dispositio. Allegant notata per Cy{num de Pistorio} in l. In testamento, C. de testa. mili. [C.6.21.6] et in l. Precibus, C. de impu. et aliis sub. [C.6.26.8]. Si ergo pretulit testator scolares feminis ex filiis, multo magis videtur pretulisse masculos suos descendentes ab istis feminis, {90v} ne sequatur absurdum quod magis dilecti sint deterioris conditionis quam minus dilecti – contra l. Publius § fi., ff. de condi. et de. [D.35.1.36.1] et l. Qui fundum § Qui filios, in fine, ff. ad l. Fal. [D.35.2.87.7]. Unde alibi dicitur quod, ubi alias substitutio facta in uno casu extenditur ad alium casum, tamen non debet extendi quando resultaret dictum inconveniens prelationis minus dilecti: glossa notata quam ita salvat subtiliter Bar{tolus de Saxoferrato} in l. Si mater § fi., ff. de vul. et pu. [D.28.6.33.1]. Facit {pro hoc} quod notant Bar{tolus de Saxoferrato} et alii in l. Gallus § Etiam si a parente, ff. de li. et po. [D.28.2.29.13], volentes post Rizar{dum Malumbram}8 quod, si testator instituit filium, et si decederet sine filiis, substituit Gaium et heredes Gai, {et contin}x gat filium decedere sine filiis, premortuo Gaio, certe heredes extranei dicti Gai non admittentur ad substitutionem. Quia, licet alias apellatione „heredum“ veniant extranei, l. In annalibus, C. de lega. [C.6.37.22], tamen hoc casu non veniunt, sed solum intelligitur de heredibus descendentibus Gai – ne alias resultet inconveniens contra mentem testatoris. Quia sicut testator predilexit filium vivum Gaio, ita videtur heredem filii predilexisse: per dictam l. Publius § fi. [D.35.1.36.1]. Cum ergo testator, ut dixi, magis dilexerit descendentes masculos quam scolares pauperes, quia pretulit eos scolaribus – et primo nominatus presumitur magis dilectus, arg. l. Quotiens. in principio, ff. de usuf. [D.7.1.34 pr.] – sequitur quod, sicut pretulit pauperes scolares feminis descendentibus ex masculis, multo magis voluerit preferre descendentes masculos feminis. Facit l. Cum accessionibus, ff. de diver. tem. pre. [D.44.3.14.3 „qui me potior est, cum ego te superaturus sim, multo magis adversus te optinere debet“.] et c. Auctoritate, de con. p. in VI. [VI.3.7.7]: „Si vinco vincentem te, vinco te“.

8  Es handelt sich hier vermutlich um Ricardus Malumbra, von dem wir wissen, dass er ein sehr berühmter und geschätzter Jurist des ausgehenden 13. und frühen 14. Jahrhunderts gewesen ist. Er hat umfangreiche Kommentare zu allen Teilen des Zivilrechts verfasst, die uns jedoch nicht überliefert sind. Siehe Zedler, Bd. 19, Sp. 801; Zaist/Panni, Bd. 1, S. 218 und Labardi, DBI, Bd. 68, S. 261–264. x  macula.



I. Transkription des Consiliums121

Illa ergo verba prohibitiva alienationis, ut scilicet remaneat hereditas „in familia“, inducunt reciprocem fideicommissum, ut supra probavi. Et sic in eo non veniunt femine descendentes ex masculis. Et illud verbum „de familia“ comprehendit solum masculos de agnatione testatoris, ne sequatur dictum absurdum. Bene facit l. Qui filiabus, de le. i. [D.30.(1).17 pr.] et l. Non amplius § fi. (cum symilibus), eodem titulo [D.30.(1).26.2], ubi probatur quod una pars testamenti declarat aliam. Quamvis ergo fuerit simpliciter supra locutus pater „de familia“ et „de filiis“, tamen ex verbis inferioribus ostenditur testatorem sensisse de masculis.  Pro hoc facit quod alibi discussum et decisum reperio: videlicet quod si pater instituit filiam, substituto ei extraneo si ipsa decesserit sine liberis masculis, et postea ipsa decedat cum nepote masculo ex filia ipsius filie, substitutus excludetur, quia ita presumitur testatorem predilexisse pronepotem masculum ex filia filie nasciturum, sicut dilexisset nepotem nasciturum ex filiaxi – ut disputando firmat egregius doctor dominus Philipus Corneus de Perusio in l. i., septima columna, C. de condi. inser. [C.6.46.1], per rationes, que9 ibi videri possunt.   Quando non est statutum excludens feminas. xii Et tanto magis istud esset verum, quando in loco esset statutum quod, extantibus masculis, femine dotate non succedant, prout communiter est per Italiam. Et videtur quod etiam esset {taliter statutum} Bononie, tempore quo testator vivebat, quoniam in sua lectura in titulo De testamentis [Johannes de Lignano ad X.3.26] plerumque attingit questiones ad intellectum dicti statuti. Isto enim casu adhuc magis procul dubio esset dicendum feminas non esse vocatas ad fideicommissum – propter dictum Pe{tri} de An{charano} in l. Tres fratres, ff. de pac. [D.2.14.35], ubi dicit se consuluisse quod, si filie femine ab intestato excluduntur per statutum, pater instituendo filios videtur masculos tantum et non feminas vocare, ut se conformet menti statuti. {91r}  Quando sunt substituti extranei. xiii Secus si extraneum instituisset. Et pro hoc quod in dubio videatur velle testator se conformare statuto, est decisio Bar{toli de Saxoferrato} in 9  Wie

oben, tatsächlich „que“ – Grundlage für die Auflösung von „q“ als „que“. cancell. pro filio. xii  In margine, alia manus. xiii  In margine: altera manus ut supra, fol. 90. xi  MS

122

B. Edition

l. Ut iurisiurandi § Si liberi, ff. de op. li. [D.38.1.7.6] et multorum aliorum, quos omitto, tum quia sunt decisiones satis trite, tum quia eas sepe posuit An{dreas} Si{culus Barbatia} in suis lecturis, maxime in capitulo Rainaldus, de testamentis [X.3.26.18] in duobus locis,  videlicet in secunda et tertia carta,  et sepe Alex{ander Tartagnus} in suis consiliis et in l. Heredes § Cum ita, ad Trebell. [D.36.1.59.1],  et consilio prope allegando. Facit optime, quod elleganter notat Butrius {Antonius de Butrio} consilio ixo: „Viso puncto et quesitis“, secunda columna, quod, ubi est tale statutum, verbum „descendentes“ vel „posteri“ intelligitur de masculis tantum. Et loquitur in terminis nostris de testatore qui prohibuit alienationem bonorum suorum, adiecta causa quia volebant ut pervenirent ad posteros suos. Nam licet appellatione „posterorum“ veniant alias etiam femine, c. In quibusdam, iuncta glossa, de penis [X.5.37.12], l. Quod hiis verbis, ad finem, de le. 3 [D.32.(1).83.1], iuncta l. Cognoscere § primo, ff. de ver. si. [D.50.16.56.1]. Tamen, ex quo statutum excludit feminas, videtur induxisse quendam communem usum loquendi, quo contrahentes et testantes intelligunt „posteritatem“ consistere in suis masculis (utpote hereditatum conservatoribus), secundum eum. Et facit hoc consilium ad infra dicenda: quod etiam si tale statutum non esset vel non fuisset Bononie, tempore dicti testamenti, tamen ex hoc consilio patet quod, ubi animus testantis est conservare bona „in familia“, tunc verbum „posteritas“ intelligitur de sola masculina. Ita hic verbum „familia“ (alias commune utrique sexui) comprehendat solum masculinum ob mentem testantis, que cogitavit patrimonii sui conservationem in verbo „perpetuo intra familiam“ et cetera.   Quando substituti nepotes{?} xiv Pro ista consideratione quod in reciproco fideicommisso relicto „familie“ non videantur femine invitate, facit ultra predicta tritum et ellegans consilium Pau{li} de Ca{stro} 77o „In Christi“ et cetera, „Casus iste frequenter contingit“, ubi voluit quod substitutus filio, casu quo decedat „sine filiis“ vel „liberis“, non excluditur si filius decedat cum filiabus feminis, si datus substitutus est de descendentibus testatoris. Si vero est extraneus, puta pius locus, tunc excludatur. Et veniunt tunc femine appellatione „descendentium“. Quia primo casu testator substituens descendentem videtur velle agnationem conservare, secundo non – secundum eum. Secundum quem consuluit Alex{ander Tartagnus}, ut in suis consiliis: consilio mihi 499o,  incipiente „Viso testamento“, quod aliis est 14 in xiv  In

margine: altera manus, iterum ut supra.



I. Transkription des Consiliums123

quarto volumine et 127 in primo volumine.  Que10 decisio cum ratione predicta bene quadrat in re ista: si enim appellatione „filiorum“ positorum in conditione veniunt femine ex mente testatoris ad exclusionem substituti extranei, non autem ad exclusionem descendentium. Et in casu nostro testator expresse prohibuerit filias feminas filii excludere substitutum etiam extraneum. Multo magis videtur prohibuisse quod non excludat masculos ad invicem substitutos. Confert etiam ratio Pau{lus de Castro} in dicto consilio {77o {?}}, quia, si appellatione „filiorum“ vel „liberorum“ non veniunt femine, eo quia presumitur testator voluisse conservare agnationem suam, ita videtur quod in fideicommisso reciproco „familie“ relicto non includatur neptis ex filio, quia videtur hoc fecisse ut conservaret agnationem. Quod etiam apparet ex eo, quia filias proprias exclusit, ut infra dicetur. Optime facit decisio Bar{toli de Saxoferrato} in l. fi.,  ff. ad Trebe. [D.36.1.83], ubi notabile dicit quod, si testator instituit filiam suam in re certa, masculos vero universaliter, deinde dixit: „et si unus ex filiis meis masculis decesserit sine filiis, bona mea deveniant in superviventibus“, et contingat masculum decedere sine filiis, femina non videtur vocata ad fideicommissum,  extantibus aliis masculis.  Quia sicut in institutione predilexit masculos, eos universaliter instituendo, ita in fideicommisso reciproco videtur masculos predilexisse et feminas ad illud exclusisse. Modo in casu nostro testator instituit filias feminas in re certa, videlicet in mille ducatos, masculos vero heredes universaliter. Ergo ad substitutionem reciprocam factam filiis masculis non videtur feminas vocasse. Similiter videtur concludendum quod ad fideicommissum reciprocum, quod resultat ex prohibitione testatoris facta, ut bona perpetuo maneant in familia, non admittantur femine, sed masculi tantum qui in institutione fuerunt predilecti. Et ista videtur sufficientissima ratio decisionis in casu isto. Et quod ista qualitas predilectionis masculorum, aposita in uno capite, videatur in aliis repetita. Facit l. 3 § pe., versiculus tertius, ff. de li. et po. [D.28.2.3.2–6], ubi exheredatio aposita in primo gradu (scilicet institutionis) videtur repetita in secundo. Notat glossa magna et doctores in l. i., C. de li. pre. [C.6.28.1]. Faciunt plenius notata per omnes etiam modernos in l. Licet, de le. i. [D.30. (1).74], ubi legata relicta ab herede intelliguntur repetita a substituto. {91v} Preterea: Si appellatione „familie“ non veniunt (ex expressa mente defuncti) filie femine proprie ipsius testatoris (patet, quia noluit eas habere aliud quam dictos mille ducatos, et sic ab omnibus aliis bonis eas exclusit!), multo magis ulteriores feminas dicitur exclusisse, ne sequatur absurdum de quo supra: arg. dicta l. Publius § fi. [D.35.1.36.1]. Quam rationem in termi10  Wie

oben, tatsächlich „que“ – Grundlage für die Auflösung von „q“ als „que“.

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B. Edition

nis considerat Raf{ael Fulgosius}11 in l. i., C. de condi. inser. [C.6.46.1] et in l. Cum acutissimi, C. de fideico. [C.6.42.30] et Pau{lus de Castro}, dicto consilio 77o. Per que12 omnia concludendum existimo quod filie femine non dicuntur esse „de familia“ testatoris, eo quia constat (ex pluribus) testatorem sic voluisse. Non obstat quod in contrarium posset allegari, videlicet dicta l. Cum acutissimi [C.6.42.30], dum ibi dicitur quod fideicommissum simpliciter iniunctum filio post mortem non debetur relicta filia femina. (Ergo videtur quod nepos iste non teneatur ceteris masculis, sed quod femina eos excludat.) Quia dupliciter potest responderi: Primo, quia ibi non dicitur quod filias feminas excluserit a successione universali (quod est unum de hiis que faciunt presumere quod voluerit consulere et providere agnatis masculis et non feminis, ut supra dixi). Sed in casu nostro exclusit filias proprias ab universali hereditate, nec eas tamquam „de familia“ sua agnovit. Secundo, quod, dato quod ibi esset statutum exclusivum feminarum, extantibus masculis, illa lex loquitur de iure communi, quo non est melior conditio agnatorum masculorum quam feminarum: l. Maximum, C. de li. pre. [C.6.28.4]. Unde illo iure non presumebatur testatorem habuisse respectum magis ad masculos quam ad feminas. Stante autem dicto statuto, cui in dubio testator videtur se voluisse conformare, femine non ecxludunt substitutum, ut etiam dicit Pau{lus de Castro} in dicto consilio. Preterea: Quod desiderium conservandi bona in familia includat tacite animum excludendi feminas, patet et aliter, quoniam omnis dispositio (vel statutaria vel testamentaria) excludens feminas – etiam si simpliciter loquatur – semper videtur pro finali causa habere ipsam conservationem familiarum: Jo{hannes} An{dreae} in Spe{culo iudiciali Guilelmi Durantis} in rubrica „De successione ab intestato“; Ang{elus de Ubaldis de Perusio} consilio 191 „Statuto Bononiensi“; Pe{trus} de An{charano} in repetitione capituli primi {Scriptor per errorem in copiando textum omisit aliqua verba, nempe: finem allegationis Petri de Ancharano et initium allegationis, quae inde sequebatur.}, ad finem ibi, inter consilia que habeo, de consti. [X.1.2]; Ange{lus de Ubaldis de Perusio}, consilio 364 „Totum dictum factum“; Bal{dus de Ubaldis} post glo{ssam} i. in l. Quotiens, lo{co} i., 11  Es handelt sich hier vermutlich um Raphael Fulgosius und nicht um Raphael Cumanus (auch Raphael de Raimundis), da von Raphael Fulgosius ein bedeutender Codex-Kommentar überliefert ist, von Raphael Cumanus jedoch kein entsprechendes Werk vorliegt. Siehe Savigny, Bd. 6, S. 275 und S. 486. 12  Wie oben, tatsächlich „que“ – Grundlage für die Auflösung von „q“ als „que“.



I. Transkription des Consiliums125

C. de fideico. [C.6.42.11, cf. casum ad glossam: „ne extra familiam alienetur“]; Bal{dus de Ubaldis} in l. Defunctus, ultima columna, versiculo „Sequitur in textu“, C. de suis et le. [C.6.55.9] et in l. Cunctos in 17 columna, versiculo „Subsequentes“, C. de sum. tri. [C.1.1.1] et in l. Certum, post principium, C. unde cog. [C.6.15.5]; Abb{as modernus = Panormitanus}13 consilio 74 „Quidam decessit“. Conformatur hec ratio iuri divino quo masculi excludunt feminas: Numeri, capitulum 24 [Biblia, Num. 27], ut meminit Ange{lus de Ubaldis de Perusio} in disputatione „Nobilis quidam“. Et interest rei publice familias conservari in divitiis suis, ut probatur in dicta lege, scilicet „Defunctus“ [C.6.55.9]. Facit lex Super statu, C. de questio. [C.9.41.9], ubi reputatur execrandum quod aliene stirpes quandoque sordide subrogentur loco nobilium. Ex quibus omnibus per hec duo (dilatabilia) fundamenta videtur clare probatum quod est dictum: videlicet bona domini Jo{hannis} de Ligna{no} non potuisse quoquo modo transmitti extra lineam masculinam (utpote conservatricem ipsorum) – juxta apertissimam et repetitam eius mentem. {92r} Ad primum adductum in contrarium de glossa in dicto § Julius Agripa [D.32.(1).38.4]: Respondetur quod aut testator prohibuit alienationem extra familiam simpliciter (nihil aliud dicendo), aut prohibuit alienationem ut bona remanerent in familia. Primo casu legitimus heres, licet non sit de familia defuncti, ab intestato et ex testamento succedere potest. Ita procedit dicta glossa cum sequacibus. Non enim inducitur reciprocum fideicommissum per dicta verba. Et ita glossa et alii in dicto § Fratre [D.31.(1).69.3] et in dicto § Ea lege [D.45.1.135.3]. Patet, dum allegant textum in l. Cum pater § Cum inter, de le. ii. [D.31.(1).77.28], ubi testator simpliciter prohibuit alienationem extra familiam. Et eo casu loquitur dictus § Julius Agripa [D.32.(1).38.4]. Secundo vero casu legitimus heres extra familiam non succedit, neque ex testamento neque ab intestato, quia, ut dixi, illa verba „ut permaneant in 13  Es handelt sich bei diesem Abbas vermutlich um Nicolaus de Tudeschis (auch Abbas Siculus und ganz allgemein Panormitanus) und nicht um den deutlich älteren Abbas antiquus, dessen genauen Namen wir nicht kennen. Von Nicolaus de Tudeschis ist in seiner gedruckten Konsiliensammlung zwar kein Consilium mit dem Anfang „Quidam decessit“ zu finden. Jedoch bilden diese Worte das Incipit zum Casus für das abgedruckte Consilium 75 (inc. Primo est videndum de modo succedendi); siehe Tudeschis, Bd. 1, fol. 36r. Dieses Consilium 75 passt auch inhaltlich, da Nicolaus de Tudeschis in diesem Gutachten ebenfalls, wenn auch nur nebenbei, bestätigt, dass Statuten, die Frauen von der Erbfolge ausschließen, der Bewahrung der Güter zugunsten der agnatischen Verwandtschaft dienen.

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B. Edition

familia“ inducunt reciprocum fideicommissum, secundum glo{ssam} et alios in dictis locis. Et ita possunt concordari dicte doctrine, que ad invicem videbantur adversari. Sicut videmus quod inter predictos casus fit etiam alias differentia: Primo enim casu heres prohibitus posset res hereditarias vendere extra familiam, nolentibus coheredibus emere. Secundo vero casu non possunt aliquo modo alienari extra familiam, tamquam res subiecte restitutioni fideicommissi relicti illis de familia, iuxta Aut. Res que, C. comu. de lega. [Authentica post C.6.43.3.3 ex Nov. 39.1 = Auth. Coll. 4.6]. Ita dicit Bar{tolus de Saxoferrato} et {Johannes de} Ymol{a} in dicto § Coheredes [D.45.1.122.3]. Et videtur de mente Bal{di de Ubaldis} in l. Voluntas, C. de fideico. [C.6.42.4], secundum quod etiam refert Raf{ael Fulgosius}14 in dicto § Coheredes [D.45.1.122.3]. Et hanc opinionem sequitur etiam Pau{lus} de Ca{stro} in l. Filius familias § Divi, in lectura Paduana de le. io [D.30.(1).114.14] – quicquid ipse dixerit in dicto § Coheredes [D.45.1.122.3]. Non tamen dico quod in primo casu videatur nuda prohibitio, quia immo dicitur „cum causa“, secundum Cy{num de Pistorio} et {Bartholomeum de} Saly{ceto} in dicta l. Quotiens [C.6.42.11]. Et patet ex predictis, quia, si esset nuda, posset heres alienare extra familiam, etiam volentibus coheredibus emere: dictus § Divi [D.30.(1).114.14], cum glossa. Unde non est mirum, si primo casu legitimus heres etiam extra familiam succedit, quia, cum non sit inductum fideicommissum, sed facta simplex prohibitio, ista prohibitio, ut dixi, non extenditur ad casum necessitatis: Cum ergo prohibitus (necessario) moriatur, si ab intestato moritur, de necessitate ei succedit legitimus. Ergo, cum ista alienatio sit necessaria, non porrigitur prohibitio testatoris ad hunc casum. Secundo casu legitimus heres extra familiam non potest succedere in istis bonis, quia, cum testator alium substituerit, legitimum heredem prohibiti exclusit in effectu. Et ideo ex neccessitate in istis bonis non succedit. Est verum quod Alex{ander Tartagnus}, predicta tangens in dicto § Coheredes [D.45.1.122.3], dedit aliam concordiam inter glo{ssam} in dicto 14  Es handelt sich hier vermutlich um Raphael Fulgosius. Zwar ist sowohl von Raphael Fulgosius als auch von Raphael Cumanus (auch Raphael de Raimundis) ein Kommentar zum Digestum novum überliefert. Jedoch verwendet Felinus Sandeus hier die Abkürzung „Raf.“, wie schon oben. Unten verwendet er jedoch (vermutlich bewusst) die Abkürzung „Raf. Cu.“, womit Sandeus wohl einen Unterschied zwischen beiden Autoren treffen will. Siehe Savigny, Bd. 6, S. 275; Derrett, S. 38.



I. Transkription des Consiliums127

§ Julius Agripa [D.32.(1).38.4] et glo{ssam} in dicto § Instituto [D.31. (1).88.15], dicens quod aut queritur an per illa verba „Relinquo tibi fundum et prohibeo {92v} alienari extra familiam“ videatur relictus fundus per fideicommissum familie – eo casu, quo contingit aliquem alienare in extraneos (vel per actum inter vivos, vel etiam per actum testandi), in quo fundo tamen facias heredem seu successorem extraneum (qui non esset tibi successurus ab intestato). Et dicendum quod sic. Et ita loquatur glossa in dicto § Instituto [D.31. (1).88.15] cum concordantiis, aut queritur utrum fundus videatur relictus per fideicommissum illis de familia post mortem unius, si fundo non alienato decedit, legitimo herede relicto ab intestato, quamvis non sit de familia. Et dicendum quod non – etiam si in prohibitione essent adiecta illa verba „ut in familia permaneret“. Allegat glo{ssam} in dicto § Fratre [D.31.(1).69.3] et textum in dicto § Cum inter [D.31.(1).77.28].  Et eosdem sensus imitatus est Alex{ander Tartagnus} consilio mihi 423 „Attentis verbis“, quod est aliis in tertio volumine 59, ubi etiam non videtur advertisse ad glo{ssam} in dicto § Instituto [D.31.(1).88.15]. Nihilominus ista sua distinctio videtur defectuosa. Nam in quantum allegat glo{ssam} iuncto textu in dicto § Fratre [D.31.(1).69.3] et in § Cum inter [D.31.(1).77.28], pro isto ultimo capite non videtur bene advertisse, quia textus in § Cum inter [D.31.(1).77.28] loquitur eo casu, quo fuit facta simplex prohibitio extra familiam. Nec ibi fuit dictum „ut in familia permaneret“. Verum est quod in dicto § Fratre [D.31.(1).69.3] fuerunt ibi apposita illa verba. Sed textus ille probat de directo quod inducitur inter illos de familia fideicommissum. Et quamvis glossa ibi dicat quod secus, si institutus foret vel veniret legitimus (quia tunc illi de familia excluduntur), allegando § 15, tamen non probat de neccessitate id ad quod allegatur per Alex{andrum Tartagnum}, nisi referatur ad textum. Sed si referatur {Alexander Tartagnus} ad iura que allegat, vel ad § Cum inter [D.31.(1).77.28], ubi melius probat, opinio sua nihil facit – quia in illis iuribus non fuerunt apposita illa verba. Et in dubio debemus glossam referri ad iura que allegat, ne contradicat hiis que dixit in § Instituto [D.31.(1).88.15]. Preterea primum menbrum distinctionis Alex{andri Tartagni} est contra Dy{num Mugellanum}, Bar{tolum de Saxoferrato} et {Johannem de} Ymol{a} in dicto § Coheredes [D.45.1.122.3], et Bal{dum de Ubaldis} in dicta l. Voluntas [C.6.42.4], et Pau{lum} de Ca{stro} in dicto § Divi [D.30. (1).114.14] – volentes quod per ista verba „Prohibeo alienare extra familiam“ non inducatur fideicomissum, et quod possit quis alienare inter vivos

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(coheredibus nolentibus emere). Cuius contrarium dicit ipse Alex{ander Tartagnus}. Secutus Raf.{aelus} Cu.{manus}15 ibidem. Sed ab aliorum opinione tamquam communi non est in iudicando recedendum. Preterea secundum menbrum distinctionis Alex{andri Tartagni} est contra Bar{tolum de Saxoferrato} et alios, dicentes simpliciter fideicommissum induci per illa verba. Sequeretur etiam unum non concedendum ex verbis suis: Pone quod testator, relictis duobus filiis institutis, prohibuisset bona sua alienari extra familiam, „ut in ea permaneant“. Unus decessit, relicto nepote ex filia – qui est extra familiam testatoris, ut notant omnes in dicta l. Cum quedam [D.2.1.19]. Dicemus{93r}ne, quod iste nepos ex filia excluderet alium, qui non est legitimus heres istius filii? Certe secundum Alex{andrum Tartagnum} excludet. Hoc autem videtur falsum: quia non est vocatus a testatore expresse ad exclusionem alterius filii. Item nec tacite debet excludere fratrem defuncti substitutum ex tacita mente, iuxta dictam l. Cum acutissimi [C.6.42.30], quia illa lex cum symilibus non habet locum quando potest colligi mens defuncti in contrarium, ut supra dixi. Sed ex quo testator prohibuit alienari extra familiam, „ut bona in familia permanerent“, mens sua est quod omnis alius sit exclusus, dum modo sit extra familiam. Vera ergo concordia (ut mihi videtur) dictarum glossarum est illa quam supra assignavi. Licet in propriis terminis non ponatur per doctores, tamen ex verbis eorum (et iuribus que allegant) patere potest (recte meditanti) hanc fuisse mentem eorum. Non recedendo a dicta responsione, que sufficiens est, potest alia subiungi: Quod licet iuris sit, quod legitimus heres excludat alios de familia, tamen fallit ubi apparet testatorem aliter voluisse, ut est glossa in dicto § Julius Agripa [D.32.(1).38.4], allegans textum optimum in l. Codicillis § Matre, de le. ii. [D.31.(1).88.16]. Sed (ut supra late probavi) de mente testatoris constat quod noluit bona sua devenire ad legitimum heredem instituti, existentem in aliena familia. Si enim exclusit proprias filias, que sunt de familia, multo magis videtur exclusisse ulteriores, non existentes in familia. Item istam prohibitionem fecit favore agnatorum masculorum. Patet, dum filias proprias exclusit. Ergo ista proneptis videtur prohibita a testatore succedere, cum per eam non conservetur agnacio.

15  Hier handelt es sich sichtlich tatsächlich um Raphael Cumanus (auch Raphael de Raimondis) und nicht um Raphael Fulgosius. Schließlich liegt nur von Raphael Cumanus ein Kommentar zum Infortiatum vor. Außerdem verwendet Felinus Sandeus an dieser Stelle eine andere Abkürzung, als oben für Raphael Fulgosius. Das erklärt sich damit, dass hier nicht Raphael Fulgosius, sondern Raphael Cumanus gemeint ist. Siehe Cumanus, Bd. 1 und 2.



I. Transkription des Consiliums129

Et dato quod nupta sit „in familia“, contracto matrimonio, tamen appellatione „familie“ intellexit testator de masculis tantum, ut superiora osten­ dunt. Licet ergo alias legitimus admitatur, isto casu non admittetur, cum sit prohibitus ex coniecturata mente testatoris. Ad secundum argumentum: Licet ex hiis sit sublatum, tamen tollitur specialius, quia dici potest quod immo filia nupta non dicatur esse „de familia patris“: primo per l. i., in principio, ff. ad Syll. [D.29.5.1 pr.], iuncta expositione Bar{toli de Saxoferrato}, ubi probatur quod ita demum dicitur quis „de familia“ alicuius {93v} si habitat secum in eadem domo. Sed filia nupta non habitat cum patre, sed cum marito. Ergo non dicitur „de familia patris“: facit l. i., C. si rec. provin. [C.5.2.1.1] et l. i., C. ne lice. po. [C.2.13(14).1pr.-2]. Adhoc lex Femine, ff. de sena. [D.1.9.8], ubi filia nobilis perdit nobilitatem, nubendo plebeio. Facit dictum Bar{toli de Saxoferrato} in l. Quotiens, C. de privi. sco., libro 12 [C.12.29.3 pr.], quod privilegium concessum patri pro se et filiis masculis et feminis non operatur erga filias nuptas. Sequitur ibi Jo{hannes} de Pla{tea} et Ange{lus de Ubaldis de Perusio} et le{gentes} in dicta l. Cum quedam [D.2.1.19] – quicquid ibi dixerit Alex{ander Tartagnus} in lectura Paduana (qui in lectura Ferrariensi secutus est Bar{tolum de Saxoferrato}). Non obstat quod sit agnata, quia non sequitur „ergo est de familia patris“. Probatur, quia unus frater non est de familia alterius, et tum sunt agnati. Similiter patruus et filius fratris sunt agnati, et tum unus non est in alterius familia. Quia quot sunt capita, tot dicuntur patres familias: dicto § Familie [D.50.16.195.2]. Est enim aliud dicere „tales sunt de eadem familia“, et tunc omnes agnati possunt dici de eadem familia: dicto § Familie, in fi. [D.50.16.195.2]. Aliud est dicere quod unus sit „de familia talis“. Et eo casu non sufficit quod sit agnatus, sed requiritur quod sit illi subiectus et in eadem domo cohabitans: dicta l. i., in principio [C.5.2.1pr.], et tunc capitur iure proprio. Et iste est casus noster, quia in testamento dicitur quod voluit quod ipsa bona perpetuo remanerent „in familia“ dicti testatoris. Bene ergo admittendum est quod pater et filia nupta dicentur „de eadem familia“, quia sunt agnati. Sed non est admittendum, quod filia nupta dicatur „de familia patris“. Et quamvis in principio dicti § Familie [D.50.16.195.2] dicatur quod filia familias dicatur „de familia“ et nupta dicatur adhuc „filia familias“ – l. Si uxor, C. de condi. inser. [C.6.46.5] –, tamen requiritur aliud, videlicet quod habitet vel habitare teneatur cum patre: dicta l. i., in principio [C.5.2.1.1]. Et hoc forte voluit dicere textus in dicto § Familie [D.50.16.195.2]. Ibi „pater“ autem „familias“ dicitur, qui in domo domini-

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um habet – ac si diceret: requiritur quod possit disponere de personis quas habet in familia. Pater autem non disponit de filia nupta, sed maritus: per illud Genesis, primo, „Paries in dolore, et in potestate viri eris“ [Biblia: Gen. 3.16]. Notat Abbas {modernus = Panormitanus}16 in c. Illud, de presump. [X.2.23.11].  Ad hec quod scribit Bal{dus de Ubaldis} in l. Maximum, ad finem versiculi quarti „Quia ista“, C. de libe. prete. [C.6.28.4], dicens quod satis a patre in alienam familiam translata est, que nupsit, allegatur l. fi., C. de libe. exibe. [C.8.8.3]. Concedo quod retinet domicilium patris, quantum ad hoc ut dicatur „de eadem familia“. Sed nego quod sit „de familia“ iure proprio. Ad glossam in dictam l. {94r} Cum ita § fi. [D.31.(1).32.6] que voluit quod etiam cognati hodie dicantur „de familia“, concedo capiendo nomen „familie“ communi iure, sed non capiendo proprie, ut dixi: hoc est quod cognati et agnati dicuntur „de eadem familia“, sed unus non dicitur „de familia“ alterius, prout requiritur in casu nostro. Sic etiam tollitur l. fi., C. de ver. si. [C.6.38.5] et quod notat Bald{dus de Ubaldis} in dicta l. Voluntas [C.6.42.4]. Possunt enim illa eius verba Bal{di de Ubaldis} referri ad textum, qui dicit, quod prohibuit alienari „extra familiam“. Et sic non dixit „extra familiam testatoris“. Vel potest dici quod capitur large. Et sentit glossa prima ibi, dum dicit quod illud verbum capitur ibi prout capitur in l. fi., C. de ver. si. [C.6.38.5], ubi sine dubio capitur large et improprie – ut ibi notantur omnes. Potest etiam dici quod saltem de communi usu loquendi filia nupta non dicitur „de familia“ – qui facile (iudicio meo) probaretur. Et ei standum est: l. Librorum § Quod tamen Cassius,  ff. de le. 3 [D.32.(1).52.4]. Firmat Bar{tolus de Saxoferato}, {et} {Johannes de} Imol{a} in propriis terminis in dicto § In fideicommisso [D.31.(1).32.6]. Tertio potest responderi quod in casu nostro verbum „familie“ neccessarie restringitur ad masculos tantum, ex mente testatoris, qui (ut ex supra dictis 16  Es handelt sich bei diesem Abbas vermutlich um Nicolaus de Tudeschis (auch Abbas Siculus und ganz allgemein Panormitanus) und nicht um den deutlich älteren Abbas antiquus, dessen genauen Namen wir nicht kennen. Beide Autoren haben Vorlesungen zu den Dekretalen Papst Gregors IX gehalten und auch entsprechende Kommentare veröffentlicht. Felinus Sandeus hat jedoch das Werk „Additiones ad principiatum ab Abbate opus in Decretum“ als Ergännzung zum Dekretalenkommentar von Nicolaus de Tudeschis verfasst. Dessen Kommentar war unserem Autor also sichtlich geläufig. Daher ist zu vermuten, dass er sich auch auf dieses Werk bezog. Siehe Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 130 ff.; 312 f. und vor allem Pennington, Nicolaus, S. 9 ff.



I. Transkription des Consiliums131

patet) lineam feminam excludere voluit. Ubicumque enim est contencio de verborum significatione, illa prefertur (etiam impropria), que menti testatoris conformior est: l. Non aliter, de le. 3 [D.32.(1).69]; Bar{tolus de Saxoferato} in l. In ambiguo, ff. de rebus du. [D.34.5.3]. Patet in propriis terminis in dicto § In fideicomisso [D.31.(1).32.6], ubi cognati, qui proprie non veniunt appellatione „familie“, dicto § Familie [D.50.16.195.2] veniunt quando de mente testatoris hoc est: ut quando aliquos cognatos nominasset – ut ibi declarant doctores. xv Ex quo infero quod apellatione „liberorum“ hoc testamento non veniunt femine. Unde omnesxvi patrueles sunt prelati neptibus {propri}is testatoris. Licet enim appellationexviiveniant femine – l. i., de ver. si. [D.50.16.1], cum symilibus –, tamenxviii fallit ubi ex mente disponentisxix apparet cogitatum fuisse solum {de} masculis – etiam ex aliis verbis postea expressis, ut late declarat Abbas {modernus = Panormitanus} consilio 3617 „Quidam Andreas“, cuius se{nsu}xxs, maxime in versiculo „Quintoxxi probatur“, volens quod, licet a principio sit facta mentio „de filiis“ simpliciter, tamen si in eadem dispositione fit mentio „de masculis“, videtur de illis tantum testator cogitasse. Ita hic: Licet in testamento dicatur „quandocumque decederet sine liberis“, non per hoc potest dici non esse verum universaliter quod dixi: feminas esse exclusas, que sub illo verbo tunc includentur. Nam (ut dixi) sequentia verba indicunt quod intellexit „de masculis“. Et ubi dicitur „de masculis“, non veniunt femine – ut laboriose satis deducit Ab{bas modernus = Panormitanus} in dicto consilio. Et quod in proposito semper dicatur cogitasse de solis masculis, probaturxxii quia, si propriis filiabus pretulit descendentes masculos, multo magis eos pretulit ulterioribus feminis, ne sequatur absurdum de quo supra: argumento dicta l. Publius § fi. [D.35.1.36.1].

17  Wie schon oben handelt es sich auch hier nicht um den Anfang des Consiliums, sondern um die Anfangsworte der Fallschilderung. Richtig ist aber, dass es sich um Consilium 36 (inc. Videtur prima quod sic hac ratione) handelt; siehe Tudeschis, Bd. 1, fol. 16v. xv  In margine, partim maculae. xvi  lectio incerta. xvii  lectio incerta. xviii  lectio incerta. xix  lectio incerta. xx  macula. xxi  lectio incerta. xxii  MS cancell. apparet.

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Preterea ostenditur ex eo quia collegium pauperum scolarium pretulit neptibus. Ergo multo magis pretulit eis masculos, quos magis dilexisse creditur quam collegium. Per que18 patet quod mens testatoris includebat solos masculos sub simplici verbo „liberorum“. Quo casu masculinum numquam concipit femininum: l. Lutius § Quesitum, de le. 3 [D.32.(1).93.3], per quam ita firmat Bar{tolus de Saxoferato} in dicta lege de ver. si. [D.50.16.1]. Et si diceretur: „Filie testatoris sole fuerunt institute in certis quantitatibus, at neptes vel proneptes in nihilo, ergo exclusio facta dexxiii filiabus non juste infert tacitam exclusionem proneptum“, respondet Pau{lus} de Ca{stro} dicto consilio 77, prima columna, quod per hoc filie non videntur magis dilecte, quia pater tenebatur eis relinquere legitimam – cuius loco succedunt ille quantitates. Sed neptibus (ex filio predecedente) pater nihil tenebatur relinquere, sed solum patri. Et tantum totum videretur {testator in consilio Pauli de Castro} eis relinquere si {leges} excluderent alios remotiores. Et sic filie essent deterioris conditionis in eo quod esset ultra legitimam, secundum eumxxiv. Per quod constat in proposito non esse verisimile quod dictus Ioannes {de Lignano} vocaverit ulteriores feminas post filias,xxv cum non videatur ulteriores predilexisse filiabus, quas exclusit. Et pro hac responsione est etiam decisio Rafaelis Ful{gosii} in quodam consilio relato per And{ream} Siculum {Barbatia} in repe{titione} legis Cum acutissimi, folio pe{nultimo}, C. de fideico. [C.6.42.30], ubi consuluit quod, si testator instituit filium heredem universalem et filiam in certa quantitate, substituto Gaio fratre testatoris, si filius heres „decesserit sine liberis“, certe licet verbum „liberis“ alias intelligatur etiam de feminis, tamen filia femina nata filio non excludet substitutum, quia mens testantis fuit preferre masculum, pro conservatione patrimonii. Quod elicit ex eo: quia si eum pretulit filie, fortius nepti. Et idem firmant Raf{ael} Ful{gosius}, Pau{lus}de Ca{stro} et Filipus Cor{neus} in lege i., in fine, C. de condi. inser. [C.6.46.1], addentes etiam dictum consilium {…}xxvi Pau{li de Castro} 77. Ex qua decisione etiam apparet quod verbum „liberis“ intelligitur „de masculis“, quando sequeretur absurdum quod testator videretur magis dilexisse neptem quam propriam filiam, etiam in re certa institutam – ut expresse isti decidunt. Et ita est in proposito. Et dicunt isti formaliter quod eo ipso apparet testatorem pretulisse lineam masculinam feminine, stante quod filios mares instituit uni18  Wie

oben, tatsächlich „que“ – Grundlage für die Auflösung von „q“ als „que“. cancell. filiis. xxiv  lectio incerta. xxv  MS cancell. vel. xxvi  macula. xxiii  MS



I. Transkription des Consiliums133

versaliter, et filiam in certa quantitate. Vult etiam Pau{lus} de Ca{stro} quod lex Cum avus, ff. de condi. et de. [D.35.1.102] non habet locum quando filie sunt excluse. Et sic quod tunc appelatione „liberorum“, de quibus in dicta lege Cum avus [D.35.1.102], non veniant femine. Que19 decisiones de directo excludunt hic feminas.  Ad tertium argumentum in quo dicitur quod sufficit semel fuisse in familia, dicto § Fratre [D.31.(1).69.3–4], facilis est responsio. Procedit enim ille textus quando tempore mortis vel conditi testamenti fuisset in familia: dicto § In fideicomisso [D.31.(1).32.6] et l. Si cognatis, in principio, ff. de rebus du. [D.34.5.19 pr.]. Preterea, licet adhuc essetxxvii „in familia“ (ut dixi), non tamen venit sub nomine „familie“, per predicta. Ad quartum respondetur quod constat in casu nostro quod testator vocavit procreandos in futurum, videlicet in verbo „perpetuo“, dum dixit quod voluit ut bona perpetuo permanerent in familia. Si enim nascituros non vocasset, non diceretur voluisse quod bona illa perpetuo remanerent in familia. Preterea, quando legatur „familie“, {94v} veniunt omnes descendentes nascituri in infinitum: l. Si grege, ff. de le. i. [D.30.(1).22], l. fi., ff. de fun. in. [D.33.7.3 pr.]. Est verum quod veniunt ordine successivo, quia precedentes censentur rogati ad restituendum sequentibus quousque aliquis extet „de familia“ – in infinitum. Admittuntur illi dumtaxat qui sunt tempore mortis, scilicet primo loco, quia precedunt in gradu. Sed etiam sequentes admittuntur, illis mortuis. Et hoc vult illa littera. Illi ergo sunt exclusi qui tempore mortis non reperiuntur (subaudi qui sunt mortui et sic non sperantur reperiri). Et quod ad legatum factum „familie“ vocantur omnes in infinitum, per predicta firmat Pau{lus} de Ca{stro}, consilio 17o, allegando dictum § Fratre [D.31.(1).69.3]. Notat etiam Bar{tolus de Saxoferrato} in l. Si cognatis, in fine, ff. de rebus du. [D.34.5.19.1], dicens quod videntur vocati omnes descendentes ex cognatione ad legatum factum „familie“, allegato dicto § Familie [D.50.16.195.2]. Et ita se habet communis usus loquendi, secundum eum. Ad quintum argumentum respondetur facile: Omisso dubio utrum substitutio facta pauperibus expiraverit, nec ne, quia de hoc non queritur, sed dato (non tamen concesso!) quod expirasset, dico quod ex duabus causis principaliter fuit prohibita alienatio: Primo favore masculorum.

19  Wie

oben, tatsächlich „que“ – Grundlage für die Auflösung von „q“ als „que“. cancell. de.

xxvii  MS

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Secundo ut post ipsos crearetur „sapientia“, ut aperte dicunt verba testamenti. Modo copula {„et“} coniungit eque principaliter: glossa in rubrica ff. de iuris et facti ig. [D.22.6] – cum moderatione de qua in responsione sequentis argumenti. Quamvis ergo cesset una ratio, scilicet creationis „sapientie“, tamen ex quo alia finalis remanet, scilicet favor masculorum, durat adhuc prohibitio: § Affinitat., Insti. de nupt. [Inst.1.10.6]. Quod autem finaliter propter masculos de familia fuerit motus testator ad prohibendum alienationem extra familiam potius quam favore scolarium, patet ex predictis, videlicet quia familiam suam preposuit. Et hoc non est dubium. Ad sextum et ultimum argumentum respondetur quod, quando due orationes copulantur per se principaliter (non respective ad unam speciem), tunc concursus non est necessarius, sed in quolibet procedit dispositio: l. i., ff. de infa. [D.47.10.1 pr.], l. Lege Iulia, ff. de testi. [D.22.5.4], l. i., ff. de sica. [D.48.8.1 pr.], cum symilibus. Per que20 iura ita dicit Bar{tolus de Saxoferrato} in l. Si is qui ducenta § Utrum, ff. de rebus dubiis [D.34.5.13(14).3]. Pulchre Bal{dus de Ubaldis} in l. Sixxviii heredi plures, ff. de condi. insti. [D.28.7.5], et in l. i. {95r}, penultima columna, ff. de iusti. et iu. [D.1.1.1.3], inferens quod legatum factum „doctoribus et medicis Padue“ comprehendit tam doctores quam medicos, nec oportet esse utrumque, quia, cum inseritur copula subiecto generali, non copulat in dubio plures qualitates, sed plura subiecta non dependentia unum ab altero. Facit questio vulgata {Jacobi} Butrig{arii} quod, si legatur „militibus et doctoribus“, includitur simplex miles et simplex doctor – ut etiam per {Johannem de} Imola in cle. In plerisque, in septima collumna, de elec. [Clem. 1.3.5], et etiam ibi Car{dinalis}{Franciscus Zabarella}21 in quarta columna. Sed in casu nostro copula ponitur inter duas orationes que per se stant principaliter (non respective). Ergo, etcetera. Ar{gumentum} etiamxxix in 20  Wie

oben, tatsächlich „que“ – Grundlage für die Auflösung von „q“ als „que“. handelt es sich hier um Franciscus Zabarella. Er hat einen weit verbreiteten Kommentar zu den Decretales Clementis V papae verfasst und war unter den bekannteren Kanonisten, die Kommentare zu dieser kirchenrechtlichen Sammlung geschrieben haben, der einzige Kardinal. Franciscus Zabarella wurde nach seiner Ernennung zum Kardinal auch als Cardinalis Florentinus bezeichnet; siehe Frenken, BBKL, Bd. 14, Sp. 290. Man findet Franciscus Zabarella auch bei Zeitgenossen von Felinus Sandeus unter dem Titel Cardinalis; siehe etwa Diplovatatius, Bd. 2, S. 293 und 335. Zu Franciscus Zabarella (und seiner Kardinalswürde) siehe Pancirolus (1637), lib. 3, S.  443 ff.; Mantua, S. 465; Gazalupis, S.  507 f.; Schulte, Quellen und Literatur, Bd. 2, S. 283 ff.; Frenken, BBKL, Bd. 14, Sp. 289–292. xxviii  male scr.: qui. xxix  macula. 21  Vermutlich



I. Transkription des Consiliums135

testamento: „Item prohibuit dictus testator alienationem quorumcumque bonorum immobilium sue hereditatis, eo quia voluit ipsa bona perpetuo permanere intra familiam dicti testatoris et pro usu infra deputando“. Prima oratio est usque ibi: „et pro usu“ etcetera. Abinde vero citra est alia oratio, quia verbum „prohibuit“ subauditur. Et erit sensus talis: „Item et prohibuit alienationem quorumcumque bonorum immobilium sue hereditatis, pro usu infra deputando“. Non enim refert, utrum apponatur verbum in oratione, vel subaudiatur – ut per Bar{tolum de Saxoferrato} in dicto § Utrum [D.34.5.13(14).3], ubi dixit quod ista verba „Lego tibi empta et parata“ faciunt duas orationes. Prima est: „Lego tibi empta“. Secunda est: „Lego tibi parata.“ Quoniam illud verbum „lego“ semel positum censetur virtualiter repetitum. Non obstat consilium Pau{li de Castro} 14 et decisio Jo{hannis Andreae} ab eo allegata, quia ibi copula erat posita intra duo substantiva, videlicet intra Nicolaum et alium filium. Quo casu requiritur concursus copulatorum. Et stat proprie, ut ponitur Bar{tolus de Saxoferrato} in dicto § Utrum [D.34.5.13(14).3], et doctores in dicta cle. In plerisque [Clem. 1.3.5], et in aliis locis. Ex quibus omnibus remanet defensata conclusio supra facta, quod dicta bona non potuerunt alienari extra familiam masculinam. Et ideo dicta alienatio potest revocari, et in totum, quia – ut in themate exprimitur – nepos Baptiste consumpsit tot de istis bonis que ascendunt ad portionem sibi debitam iure legitime et Trebellianice, et ideo sibi imputantur: l. Marcellus § Res que22, et ibi notant omnes, ff. ad Trebell. [D.36.1.3.3]. Late Pau{lus} de Ca{stro}, consilio xiii. {95v} {Subscriptio consiliatoris:} Ita puto iuris esse et ita dico et consulo ego Felinus Sandeus iuris utriusque doctor, civis et canonicus Ferrariensis, ordinariam matutinam sedem iuris pontificii indigne occupans in renovato gymnasio Pisano. In cuius rei fide istis manu propria scriptis me etiam subscripsi et sigillum meum apposui – salvo semper consilio saniori. Laus Deo. {Sigillum originale Felini Sandei}

22  Wie

oben, tatsächlich „que“ – Grundlage für die Auflösung von „q“ als „que“.

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B. Edition

II. Paraphrase des Consiliums, Vat. lat. 14094, fol. 88r–95v Jesus, Lass dein Angesicht leuchten über deinem Knecht  /  und lehre mich die Wege deiner Rechtfertigung! [Psalmus 119 (118) 135] Nach der Bitte um den Beistand des Retters der Menschheit und nach Durchsicht des Testaments des hochberühmten Rechtsgelehrten Herrn Johannes de Lignano und aufmerksamem Überdenken von dessen Worten betrachte ich den eigentlichen Punkt der vorgelegten Frage. Bei erster Überlegung liegt es nahe zu denken, dass die Veräußerung (hinaus aus der Familie des Verstorbenen), welche verfügt wurde durch einen der Söhne Baptistas (Sohnes von Johannes de Lignano), nämlich indem er seine bereits verheiratete Tochter (Urenkelin von Johannes de Lignano) als Erbin einsetzte, gültig war und juristisch standhielt – trotz des im Testament [des Johannes de Lignano] ausgesprochenen Verbots.1 Erstes Argument: Gemäß der Glosse und Bartolus de Saxoferrato und allen Kommentatoren zu D.31.(1).69.3i und gemäß Bartolus de Saxoferrato und ganz allgemein den 1  Sandeus bringt hier gemäß damaligem Brauch zunächst die Argumente der Gegner, welche er anschließend angreifen will. Deren Hauptargument läuft dahin, dass die Veräußerung durch Erbeinsetzung der Enkelin des Erblassers auch zulasten des eigentlich berechtigten Erben möglich sei, obwohl es ein Veräußerungsverbot gibt. Das Veräußerungsverbot im Testament des Johannes de Lignano sei zwar rechtswirksam. Aber die Einsetzung einer (einer fremden Familie zugehörigen) Erbin, die bei gesetzlicher Erbschaft sowieso Erbin geworden wäre, sei als „notwendige Veräußerung“ zu subsumieren, weswegen das Verbot nicht greife. i  D.31.(1).69.3 – Papinianus 19 quaest.: Jemand setzte seinen Bruder zum Erben ein und bat, dass sein Haus nicht veräußert werden, sondern in der Familie bleiben solle. Wenn nun der Erbe diesen Willen nicht befolgt, sondern das Haus veräußert oder nach Einsetzung eines fremden Erben stirbt, so können alle, die zur Familie gehören, auf Herausgabe der Gegenstände des Fideikommiss-Vermächtnisses klagen. Was [gilt] daher, wenn sie nicht im selben Grad [der Verwandtschaft] stünden? Die Sache muss so geordnet werden, dass an erster Stelle der näher [Verwandte] als [zum Vermächtnis] berufen betrachtet wird. Gleichwohl darf deshalb wegen des Vorrangs für die Ranghöheren [zuungunsten] des Späteren beschädigt werden, sondern der näher [Verwandte] ist [zum Vermächtnis] zuzulassen, wenn er bereit wäre, dafür zu sorgen, dass er das Haus[, das den Vermächtnisgegenstand darstellt,] zurückgeben wird. Aber wenn keine Sicherheit [cautio] von dem verlangt worden ist, der an erster Stelle [zum Vermächtnis] zugelassen wurde, so findet zwar keine Kondiktionsklage gegen ihn selbst statt, aber wenn das Haus später einmal an einen außerhalb [der Familie Stehenden] gelangt sein wird, steht die Vermächtnisklage [ petitio fideicommissi] der Familie zu. Jedoch glaube ich, dass die Sicherheit [cautio] wegen der Wertung der Arglisteinrede [exceptio doli mali] zu Recht verlangt werden kann, auch wenn darüber hinaus niemand Anderes aus der Familie übrig wäre.



II. Paraphrase des Consiliums137

anderen Kommentatoren zu D.45.1.135.3ii kann trotz eines Verbots der Veräußerung außerhalb eines bestimmten Personenkreises – so auch der „Familie“ – der berechtigte Erbe, d. h. der Intestaterbe, erben, auch wenn er nicht zu dieser Familie gehört[, aus welcher das Vermögen zu veräußern verboten war]. [Der erste Abschnitt dieser Digestenstelle bedeutet, dass die Einsetzung eines Fremden einer Veräußerung gleich kommt. Nach römischem Recht gab ein Fideikommiss-Vermächtnis dem Vermächtnisnehmer lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben auf Herausgabe der vermachten Gegenstände. Die dinglichen Rechte an diesen Gegenständen wurden also zunächst vom Erben erworben, und er war erst auf Anforderung des Vermächtnisnehmers schuldrechtlich verpflichtet, sie auf den Vermächtnisnehmer zu übertragen. Der Übergang der dinglichen Rechte kraft Erbschaft als solcher wurde also nicht verhindert durch das Veräußerungsverbot.] Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Die entgegen dem Verbot des Erblassers außerhalb der Familie veräußerten Sachen können von allen aus der Familie [des Erblassers Stammenden] nach der Erbreihenfolge widerrufen werden. Jedoch der Erste muss Sorge für die Wiedereinsetzung der Nachfolgenden tragen. Und wenn eine Sicherheit [cautio] übergangen würde, werden die Sachen nicht kondiziert [= ist keine Kondiktionsklage zulässig], aber wenn dieser Fall eintritt, werden die Sachen vindiziert [= bleibt die Eigentumsklage erhalten]. Und es reicht aus, [wenn] diese [Sachen] zur Zeit [der Errichtung] des Testaments in der Familie gewesen sind. ii  D.45.1.135.3 – Scaevola 5 resp.: Dem Titius wurde von Seia ein Sklave [mit der Bestimmung] geschenkt, dass [ut] der Sklave weder an seinen Bruder, noch den Sohn, die Ehegattin oder die Schwiegermutter gelangen dürfe, was sich Seia auch durch Stipulation von Titius versprechen ließ. Nach zwei Jahren hinterließ er [= Titius] Seia und seinen Bruder als Erben. Es wird angefragt, ob Seia gegen den Bruder und Miterben aus der Stipulation klagen könne? Er antwortete, sie könne auf das Interesse klagen. [Es stellt sich die Frage, ob die Bestimmung in der Schenkung eine echte Bedingung darstellt. Wäre dem so, würde die Erbenstellung des nicht näher benannten Bruders von Seia einen Verstoß gegen diese Bedingung darstellen. Ein solcher Verstoß würde zwar nicht zur Unwirksamkeit der Erbschaft führen, aber Seia hätte einen Anspruch aus der stipulatio. Zu Scaevolas Zeit galt noch strikt der Grundsatz „Omnis condemnatio (est) pecuniaria“ – man konnte daher immer nur ein Urteil auf Schadensersatz wegen Nicht-Leistung erwirken, niemals eines auf Leistung. Die Antwort von Scaevola ist daher so zu verstehen, dass er das Wort „ut“ hier als Auslöser einer Bedingung und nicht etwa einer (unbeachtlichen) Mahnung oder Bitte des Titius versteht.] Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Das Verbot der Veräußerung in einem Vertrag verhindert nicht die Übertragung des Eigentums: wenngleich man zur [Zahlung vom] Interesse wegen zuwiderlaufenden Handelns verpflichtet ist. [Bartolus de Saxoferrato geht in seinem Digestenkommentar hier auf die Unterschiede bei der Verwendung bestimmter Ausdrücke, allen voran „cum“ und „si“, ein. Grundsätzlich bewirkt demnach nur die Verwendung des Wortes „si“ eine echte Bedingung, die des Wortes „cum“ jedoch eine zeitliche Befristung. Außerdem bewirke auch die Verwendung der Worte „quis“ oder „qui“ verbunden mit der Verwendung des Futurs eine Bedingung. Grundsätzlich läge auch bei der Verwendung des

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B. Edition

Deswegen [– so kann argumentiert werden –] konnte der Sohn des Baptista [= Enkel des Johannes de Lignano] wirksam seine Tochter [Urenkelin des Johannes] als Erbin einsetzen, obwohl sie aufgrund eines Ehevertrages nun einer fremden Familie angehört.2 Denn sie wäre ohnehin bei gesetzlicher Erbfolge nachgefolgt [in das Vermögen des Johannes]. Denn ein zur Intestat-Nachfolge Berechtigter, wenn er testamentarisch zum Erben eingesetzt wird, wird juristisch dennoch als „gesetzlicher Erbe“ bezeichnet, obwohl er nun testamentarisch nachfolgt – so Bartolus und insgesamt die Autoren zu D.30.(1).3iii. Denn weil ihm ohnehin diese Erbschaft stillschweigend in Intestat-Erbfolge geschuldet wurde: D.29.7.8.1iv, ändert die ausdrückliche Einsetzung juristisch nichts – damit würde nur ausgedrückt, was stillschweigend sowieso galt, durch ein Geschehnis, das ohnehin schon [in der voran gegangenen Rechtslage] inbegriffen war.

2  Darin liegt das eigentliche Problem: Die Urenkelin hat in eine fremde Familie geheiratet, wodurch ihr Nachlass (später) der fremden Familie zufiele. Das aber könnte einen Verstoß gegen das Veräußerungsverbot im Testament darstellen. Aus Sicht der Gegner kommt die Erbeinsetzung der (nun fremden) Urenkelin einer „notwendigen Veräußerung“ außerhalb der Familie gleich. Diese aber würde (so die Meinung der Gegner) durch das Veräußerungsverbot im Testament gerade nicht ausgeschlossen. Begriffes

„ut“ eine Bedingung vor. – Genauso ist es aber in der vorliegenden Gesetzesstelle. Die Begründung des Veräußerungsverbots wird eingeleitet durch das Wort „ut“. Damit liegt aus Sicht von Bartolus de Saxoferrato eine Bedingung vor, die dann auch zu beachten ist. Siehe Bartolus, Dig. nov., Bd. 2, fol. 61r–61v.] iii  D.30.(1).3 – Ulpianus 4 ad Sab.: Folgende Worte eines Testators: „Wer auch immer von den Vorbenannten mein Erbe werden wird“ oder: „Wenn Seius mein Erbe wird“ oder: „Wenn er die Erbschaft antritt“ machen ein dazu gesetztes Vermächtnis oder Fideikommiss-Vermächtnis nicht zu einem bedingten. [Die Formulierungen des Erblassers lassen offen, ob eine testamentarische Erbeinsetzung oder die gesetzliche Erbfolge eintreten wird. Dies bewirkt aber nicht, dass nun etwa alle angeordneten Vermächtnisse bedingt wären. (Es sei denn, sie bezögen sich gerade auf eine bestimmte Person als Erben.) Wenn schon dies keinen juristischen Unterschied begründet, so kann erst recht kein Unterschied daraus entstehen, dass jemand, der ohnehin gesetzlicher Erbe wäre, als testamentarischer Erbe eingesetzt wird.] Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Der Ausdruck einer Bedingung durch eine [solche] Art und Weise, durch die [die Bedingung] notwendig [schon ohne Bedingung] enthalten ist, bewirkt nichts. iv  D.29.7.8.1 – Paulus l. Sing. de iure codicill.: Fideikommiss-Vermächtnisse können auch denjenigen zugedacht werden, die gesetzliche Erben sind, weil man davon vermutet, dass der Hausvater [dies testamentarisch] bestimmt hat, [um deutlich zu machen,] dass es seinem Willen entspricht, dass der Nachlass an diese Personen fällt, an die er ohnehin kraft Gesetzes gefallen wäre.



II. Paraphrase des Consiliums139

Ausdrücklich bezeichnet die Glosse das testamentarische Einsetzen eines gesetzlichen Erben – selbst wenn dieser einer fremden Familie angehört – in diesem Fall nicht als „Veräußerung“: bei D.32.(1).38.4v. Und diese Stelle der Glosse hebt Johannes de Imola als bemerkenswert hervor und stimmt ihr zu: bei D.45.1.135.3vi; und bei D.31.(1).69.3vii und D.31.(1).77.28viii, wo v  D.32.(1).38.4 – Scaevola 19 dig.: Iulius Agrippa, der Proviantmeister der Legion [primipilaris], hat in seinem Testament bestimmt, dass sein Erbe dessen Nachlass und ein vorstädtisches Grundstück und ein größeres Haus weder verpfänden noch veräußern solle. Die [von Agrippa] als Erbin eingesetzte Tochter hat ihre Tochter, die Enkelin des Proviantmeisters, als Erbin hinterlassen. [Diese Enkelin des Erblassers] hat jene Sachen lange in Besitz gehabt und hat im Sterben Fremde [testamentarisch] zu Erben eingesetzt. Man hat gefragt, ob der fremde Erbe jene [im Testament erwähnten] Grundstücke behalten kann oder ob sie tatsächlich Iulia Domna zustehen, die Iulius Agrippa zum Großonkel mütterlicherseits gehabt hat. Ich habe das Gutachten erteilt, dass, weil es sich um ein bloßes [nicht erläuterndes] Gebot [praeceptum nudum] handelte, kein Handeln vorgetragen werden könne, das gegen den Willen des Verstorbenen vorgenommen wurde, so dass [die Grundstücke] nicht mehr den Erben gehören könnten. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Ein bloßes Gebot [praeceptum nudum] oder ein Verbot der Veräußerung ohne Grund hindert nicht die Veräußerung. vi  D.45.1.135.3 – Scaevola 5 resp.: Dem Titius wurde von Seia ein Sklave mit der Bestimmung geschenkt, dass der Sklave nicht an seinen Bruder (…) gelangen dürfe, was sich Seia auch durch Stipulation von Titius versprechen ließ. Nach zwei Jahren hinterließ er Seia und seinen Bruder als Erben. Es wird angefragt, ob Seia gegen den Bruder und Miterben aus der Stipulation klagen könne? Er antwortete, sie könne auf das Interesse klagen. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Das Verbot der Veräußerung in einem Vertrag verhindert nicht die Übertragung des Eigentums: wenngleich man zur [Zahlung vom] Interesse wegen zuwiderlaufenden Handelns verpflichtet ist. vii  D.31.(1).69.3 – Papinianus 19 quaest.: Jemand setzte seinen Bruder zum Erben ein und bat, dass sein Haus nicht veräußert werden, sondern in der Familie bleiben solle. Wenn nun der Erbe diesen Willen nicht befolgt, sondern das Haus veräußert oder nach Einsetzung eines fremden Erben stirbt, so können alle, die zur Familie gehören, auf Herausgabe der Gegenstände des Fideikommiss-Vermächtnisses klagen. Was [gilt] daher, wenn sie nicht im selben Grad [der Verwandtschaft] stünden? Die Sache muss so geordnet werden, dass an erster Stelle der näher [Verwandte] als [zum Vermächtnis] berufen betrachtet wird. Gleichwohl darf deshalb wegen des Vorrangs für die Ranghöheren [zuungunsten] des Späteren beschädigt werden, sondern der näher [Verwandte] ist [zum Vermächtnis] zuzulassen, wenn er bereit wäre, dafür zu sorgen, dass er das Haus[, das den Vermächtnisgegenstand darstellt,] zurückgeben wird. Aber wenn keine Sicherheit [cautio] von dem verlangt worden ist, der an erster Stelle [zum Vermächtnis] zugelassen wurde, so findet zwar keine Kondiktionsklage gegen ihn selbst statt, aber wenn das Haus später einmal an einen außerhalb [der Familie Stehenden] gelangt sein wird, steht die Vermächtnisklage [petitio fideicommissi] der Familie zu. Jedoch glaube ich, dass die Sicherheit [cautio] wegen der Wertung der Arglisteinrede [exceptio doli mali] zu Recht verlangt werden kann, auch wenn darüber hinaus niemand Anderes aus der Familie übrig wäre.

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B. Edition

der Wortlaut des Textes dies genügend beweist, wenn man ihn so auffasst, wie Bartolus de Saxoferrato das tat.3 viii

Und obwohl Einige versuchen, an dieser [Stelle der] Glosse herumzukritteln, so folgen dieser [Stelle der] Glosse aber [uneingeschränkt]: Dinus Mugellanus und Bartolus de Saxoferrato bei D.32.(1).38.4ix und Rafael Cumanus bei D.31.(1).77.28x. Und dabei sagt er, diese [Stelle der Glosse] 3  Es fällt auf, dass die Gegner bei ihrer Argumentation sich sichtlich sehr stark auf die Autorität des Bartolus de Saxoferrato gestützt haben. Jedenfalls stützt Felinus Sandeus die gegnerischen Argumente vielfach auf Zitate von Bartolus de Saxoferrato. Summarium

zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Die entgegen dem Verbot des Erblassers außerhalb der Familie veräußerten Sachen können von allen aus der Familie [des Erblassers Stammenden] nach der Erbreihenfolge widerrufen werden. Jedoch der Erste muss Sorge für die Wiedereinsetzung der Nachfolgenden tragen. Und wenn eine Sicherheit [cautio] übergangen würde, werden die Sachen nicht kondiziert [= ist keine Kondiktionsklage zulässig], aber wenn dieser Fall eintritt, werden die Sachen vindiziert [= bleibt die Eigentumsklage erhalten]. Und es reicht aus, [wenn] diese [Sachen] zur Zeit [der Errichtung] des Testaments in der Familie gewesen sind. viii  D.31.(1).77.28 – Papinianus 8 resp.: Zusammen mit mehreren anderen Freigelassenen war zum Vermächtnis eines Grundstücks auch eine freigelassene Frau mit zugelassen worden. Da nun der Freilasser gebeten hatte, dass dieses Grundstück nicht „aus dem Familiennamen“ [Glosse: der Freigelassenen] ausscheiden solle, so wurde [doch] erachtet, dass dem Sohne und Erben dieser Freigelassenen der Anteil am Grundstücke, welchen die Mutter empfangen hatte, bleiben solle [obgleich er offensichtlich nicht den Familiennamen des Freilassers trug, denn andernfalls wäre Papinianus nicht um ein Rechtsgutachten gebeten worden.] Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Der Sohn einer Freigelassenen wird zur Familie der Freigelassenen gezählt. ix  D.32.(1).38.4 – Scaevola 19 dig.: Iulius Agrippa, der Proviantmeister der Legion [primipilaris], hat in seinem Testament bestimmt, dass sein Erbe dessen Nachlass und ein vorstädtisches Grundstück und ein größeres Haus weder verpfänden noch veräußern solle. Die [von Agrippa] als Erbin eingesetzte Tochter hat ihre Tochter, die Enkelin des Proviantmeisters, als Erbin hinterlassen. [Diese Enkelin des Erblassers] hat jene Sachen lange in Besitz gehabt und hat im Sterben Fremde [testamentarisch] zu Erben eingesetzt. Man hat gefragt, ob der fremde Erbe jene [im Testament erwähnten] Grundstücke behalten kann oder ob sie tatsächlich Iulia Domna zustehen, die Iulius Agrippa zum Großonkel mütterlicherseits gehabt hat. Ich habe das Gutachten erteilt, dass, weil es sich um ein bloßes [nicht erläuterndes] Gebot [praeceptum nudum] handelte, kein Handeln vorgetragen werden könne, das gegen den Willen des Verstorbenen vorgenommen wurde, so dass [die Grundstücke] nicht mehr den Erben gehören könnten. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Ein bloßes Gebot [praeceptum nudum] oder ein Verbot der Veräußerung ohne Grund hindert nicht die Veräußerung. x  D.31.(1).77.28 – Papinianus 8 resp.: Zusammen mit mehreren anderen Freigelassenen war zum Vermächtnis eines Grundstücks auch eine freigelassene Frau



II. Paraphrase des Consiliums141

sei allgemein anerkannt. Folglich, da man beim Urteilen nicht abweichen soll von einer „communis opinio“, liegt es nahe, dieser Meinung der Glosse beizutreten – wie auch Alexander Tartagnus im 66. Konsilium schreibt. Und als weitere Bestätigung der Glosse zu D.32.(1).38.4xi dient das Argument, dass, wenn der Sohn [des Baptista] kein Testament errichtet hätte, er ohnehin die Tochter, welche er testamentarisch als Erbin einsetzte, als Intestat-Erbin gehabt hätte. Und dann wäre die durch den Tod ihres Vaters geschehende Veräußerung juristisch bezeichnet worden als „notwendige Veräußerung“. Aber eine „notwendige Veräußerung“ wird nicht erfasst durch ein testamentarisches Veräußerungsverbot: D.5.3.5 pr.xii; D.31. mit

zugelassen worden. Da nun der Freilasser gebeten hatte, dass dieses Grundstück nicht „aus dem Familiennamen“ [Glosse: der Freigelassenen] ausscheiden solle, so wurde [doch] erachtet, dass dem Sohne und Erben dieser Freigelassenen der Anteil am Grundstücke, welchen die Mutter empfangen hatte, bleiben solle [obgleich er offensichtlich nicht den Familiennamen des Freilassers trug, denn andernfalls wäre Papinianus nicht um ein Rechtsgutachten gebeten worden.] Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Der Sohn einer Freigelassenen wird zur Familie der Freigelassenen gezählt. xi  D.32.(1).38.4 – Scaevola 19 dig.: Iulius Agrippa, der Proviantmeister der Legion [primipilaris], hat in seinem Testament bestimmt, dass sein Erbe dessen Nachlass und ein vorstädtisches Grundstück und ein größeres Haus weder verpfänden noch veräußern solle. Die [von Agrippa] als Erbin eingesetzte Tochter hat ihre Tochter, die Enkelin des Proviantmeisters, als Erbin hinterlassen. [Diese Enkelin des Erblassers] hat jene Sachen lange in Besitz gehabt und hat im Sterben Fremde [testamentarisch] zu Erben eingesetzt. Man hat gefragt, ob der fremde Erbe jene [im Testament erwähnten] Grundstücke behalten kann oder ob sie tatsächlich Iulia Domna zustehen, die Iulius Agrippa zum Großonkel mütterlicherseits gehabt hat. Ich habe das Gutachten erteilt, dass, weil es sich um ein bloßes [nicht erläuterndes] Gebot [praeceptum nudum] handelte, kein Handeln vorgetragen werden könne, das gegen den Willen des Verstorbenen vorgenommen wurde, so dass [die Grundstücke] nicht mehr den Erben gehören könnten. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Ein bloßes Gebot [praeceptum nudum] oder ein Verbot der Veräußerung ohne Grund hindert nicht die Veräußerung. xii  D.5.3.5 pr. – Ulpianus 14 ad ed.: Ein Reskript unter dem Kaiser Antoninus Pius hatte es einem Erbschaftsbesitzer verboten, aus dem Nachlass, über den gestritten wurde, vor Beginn des Hauptprozesses irgendetwas zu veräußern. […] Im Hauptprozess jedoch kündigte der Praetor an, er werde gewisse Verminderungen des Nachlasses erlauben, denn ein wortwörtlich verstandenes, völliges Veräußerungsverbot könnte bewirken, dass für den Nachlass nützliche Maßnahmen verhindert werden. Zum Beispiel, wenn für das Begräbnis etwas erforderlich ist: denn für Zwecke des Begräbnisses erlaubt er eine Verminderung des Nachlasses. Ebenso, wenn abzusehen ist, dass bei Nichterfüllung einer Schuld – innerhalb einer bestimmten Frist – verpfändete Gegenstände versteigert würden. Aber auch, wenn zwecks Ernährung der Sklaven eine Verminderung des Nachlasses notwendig wird, erlaubt er diese. Und der Praetor muss erlauben, dass Gegenstände veräußert werden, die bei Zeitablauf verderben.

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B. Edition

(1).69.1xiii; C.8.36.5.3xiv. Folglich, wenn der Sohn des Baptista testamentarisch seine Tochter als Erbin einsetzte, so verfügte er lediglich etwas, was stillschweigend sowieso inbegriffen war: D.29.7.8.1xv und D.29.7.3 pr.xvi [Diese Veräußerungen werden also vom Praetor als „notwendige Veräußerungen“ nicht unter das Veräußerungsverbot des kaiserlichen Reskripts subsumiert.] xiii  D.31.(1).69.1 – Papinianus 19 quaest.: Wenn ein Grundstück einem Erben dergestalt vermacht wird, dass es nicht aus der Familie veräußert werden soll, und es nun nicht freiwillig veräußert wird, sondern [dieses Grundstück als eines der] Güter des Erben zwangsversteigert wird, dann muss der Erwerber das Grundstück solange behalten dürfen, wie es der Schuldner behalten haben würde, wenn die Zwangsversteigerung nicht erfolgt wäre. Nach dem Tod des Schuldners kann [gegenüber jemandem aus der Familie, der anbietet, die Schuld zu bezahlen] der Erwerber es [= das Grundstück] nicht mehr länger behalten, da auch ein familienfremder Erbe es hätte herausgeben müssen. [In diesem Fall wurde das Veräußerungsverbot sichtlich derart gefasst, dass Papinianus es als Vermächtnis an die Träger desselben Familiennamens interpretierte. Daher kann im Falle einer Veräußerung außerhalb der Familie der rangnächste Träger des Familiennamens vom Erwerber schuldrechtlich die Übereignung zurück in die Familie fordern. Das Veräußerungsverbot zugunsten der Familie verhindert also zunächst nicht die Zwangsvollstreckung gegen den Erben. Eine solche Veräußerung ist als „notwendige Veräußerung“ zu subsumieren. Allerdings wird dies relativiert durch die im Text nachfolgenden Worte, die aber bei dieser Argumentation der Gegner stillschweigend übergangen werden.] xiv  C.8.36.5.3 – Imp. Iustinianus: Es versteht sich, dass diejenigen von der Verfügung dieses Gesetzes [nämlich einer schuldrechtlichen Herausgabepflicht des Erwerbers von streitbefangenen Gegenständen – C.8.36.5 pr.-2] ausgenommen bleiben, welche in Folge von Mitgift oder Schenkung anlässlich der Eheschließung oder Erbteilung oder Vermächtnis oder Fideikommiss-Vermächtnis dergleichen Gegenstände erhalten haben. [C.8.36.5 pr. verbietet es, streitbefangene Gegenstände zu veräußern. Unvermeidliche Veräußerungen aufgrund von Vermächtnis oder Fideikomiss-Vermächtnis bleiben als „notwendige Veräußerungen“ vom Veräußerungsverbot ausgenommen.] xv  D.29.7.8.1 – Paulus l. Sing. de iure codicill.: Fideikommiss-Vermächtnisse können auch denjenigen zugedacht werden, die gesetzliche Erben sind, weil man davon vermutet, dass der Hausvater [dies testamentarisch] bestimmt hat, [um deutlich zu machen,] dass es seinem Willen entspricht, dass der Nachlass an diese Personen fällt, an die er ohnehin kraft Gesetzes gefallen wäre. xvi  D.29.7.3 pr. – Iulianus 39 dig.: Wenn jemand, der kein Testament errichtet hatte, in Kodizillen folgender Weise Fideikommisse gab: „Jeder, der mein Erbe oder Nachlassbesitzer sein wird, dessen Treue überlasse ich es“ usw., so müssen die Fideikommisse geleistet werden, weil man einen Hausvater, der testamentsfähig ist und Kodizille macht, ebenso ansehen muss, als ob er alle die, an welche seine gesetzliche Erbschaft oder sein Nachlassbesitz gelangen wird, zu seinen Erben [ernannt] hätte. [Es wird also nur klargestellt, dass das Vermächtnis aus einem „Kodizill“, das im Gegensatz zu einem „Testament“ ja keine Erbeinsetzung enthält, durch die gesetzlichen Erben bedient werden muss. Es ist daher überflüssig, die mangels Testament zu Erben berufenen gesetzlichen Erben noch durch ein Testament ausdrücklich als



II. Paraphrase des Consiliums143

{88v} Also darf diese [Erbeinsetzung der Tochter] nicht schaden: D.30. (1).3xvii und C.8.40.3.2xviii. Andernfalls liefe es ja darauf hinaus, dass man ihm vorwerfen würde, warum er denn „testiert habend“ verstarb – entgegen D.5.2.6 pr.xix [Denn es gehört sich, dass man ein Testament errichtet. OrErben einzusetzen, wenn man lediglich Vermächtnisse bestimmen will. Hierzu genügt ein „Kodizill“.] xvii  D.30.(1).3 – Ulpianus 4 ad Sab.: Folgende Worte eines Testators: „Wer auch immer von den Vorbenannten mein Erbe werden wird“ oder: „Wenn Seius mein Erbe wird“ oder: „Wenn er die Erbschaft antritt“ machen ein dazu gesetztes Vermächtnis oder Fideikommiss nicht zu einem bedingten. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Der Ausdruck einer Bedingung durch eine [solche] Art und Weise, durch die [die Bedingung] notwendig [schon ohne Bedingung] enthalten ist, bewirkt nichts. xviii  C.8.40.3.2 – Impp. Severus et Antoninus: Denn wenn auch, wie Du angibst, im Schuldverhältnis mit vereinbart war, dass jeder Einzelne auf das Ganze haften soll, ändert doch dieses Geschäft nicht die rechtliche Bestimmung und das Gesetz. Wenn dies[e zusätzliche Abrede der Haftung auf das Ganze] nämlich nicht hinzugefügt worden wäre, würde dennoch jeder Einzelne auf das Ganze haften. Nur wenn alle [Schulder, hier: Bürgen] zahlungsfähig sind, wird das Schuldverhältnis in Anteile aufgeteilt [und die Schuldner haften nur dann anteilig.] [Wenn in einem Vertrag ausdrücklich vereinbart wird, was ohnehin kraft Gesetzes gilt, so ändert dies nichts an der ohnehin kraft Gesetzes bestehenden Rechtslage.] xix  D.5.2.6 pr. – Ulpianus 14 ad ed.: Ein Nachgeborener kann das Testament derjenigen als pflichtwidrig angreifen, deren gesetzlicher Erbe väterlicherseits [suus heres oder legitimus heres] er [sonst] hätte werden können, wenn er zur Zeit ihres Todes im Mutterleib war. Aber auch das Testament der Verwandten mütterlicherseits [cognates] [kann er als pflichtwidrig angreifen], weil er bei Erbfolge ohne Testament ebenfalls in den Nachlassbesitz hätte eingewiesen werden können [durch den Prätor, also in Form der bonorum possessio]. Was also? Wi rd i h n e n e t w a v o rg e w o rf e n , d a s s s i e n i c h t o h n e Te s t a m e n t g e s t o r b e n s i n d ? A b e r [ m i t d i e s e m Vo r b r i n g e n ] k a n n n i e m a n d e t w a s v o r G e r i c h t v e r l a n g e n , d e n n e s i s t n i c h t v e r b o t e n , Te s t a m e n t e z u e r r i c h t e n . Sondern man kann [dem Erblasser] vorwerfen, dass er ihn [= den Nachgeborenen] nicht zum Erben eingesetzt hat. Denn er [= der Nachgeborene] hätte nämlich als [im Testament] eingesetzter Erbe in den Nachlassbesitz eingewiesen werden können gemäß der [Edikts]Klausel über die in den Nachlassbesitz einzuweisende Leibesfrucht. Auch nach der Geburt bekäme er ihn [= den Nachlassbesitz] gemäß der Testamentsurkunde. In gleicher Weise kann, wie ich meine, derjenige klagen, der, nachdem die Mutter ein Testament errichtet hatte[, das die Leibesfrucht nicht berücksichtigt,] aus dem Leib [der toten Mutter] herausgeschnitten wurde. [argumentum e contrario: Im Digestentext wird dem Erblasser vorgeworfen, dass er seine schon gezeugten gesetzlichen Erben im Testament nicht ausreichend berücksichtigt. Dem Erblasser wird nicht vorgeworfen, überhaupt ein Testament errichtet zu haben, denn das durfte er und das wird implizit auch gutgeheißen. Er hätte aber alle potentiellen gesetzlichen Erben berücksichtigen sollen. Vorgeworfen wird ihm also, dass er unbedacht die gezeugten, aber noch nicht geborenen gesetzlichen Erben nicht im Testament aufgenommen hat, was der Erblasser nach römischem Recht unproblematisch hätte tun können. – Insbesondere aus der zweiten Hälfte der Stelle lässt sich ersehen, dass es für einen Erblasser pflichtwidrig ist, seine nachgeborenen

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dentliche, anständige Menschen versterben „testiert habend“, und nicht etwa intestat.] Insbesondere machte es ja für die gesamte Familie keinen Unterschied; denn (wie ich oben gesagt habe) wenn er ohne Testament verstorben wäre, wäre ohnehin das erwähnte Vermögen [von Johannes de Lignano] aus der Familie hinaus gelangt, kraft gesetzlicher Erbfolge. Darum darf die Familie nicht [zu einer Klage] zugelassen werden, [um etwas zu erreichen], woran sie kein schützenswertes Interesse hat: Decr.Grat. C. 2 q. 6 c. 30 pr.xx; X.5.1.3xxi; D.49.5.1 pr.xxii und parallele Stellen.

Erben nicht im Testament zu berücksichtigen. Es ist gerade nicht davon auszugehen, dass der Erblasser hier bewusst bestimmte gesetzliche Erben von der Erbfolge ausschließen wollte. Vielmehr hat er nur vergessen, die entsprechende, standardmäßig vorgesehene Klausel in sein Testament aufzunehmen. Das im Gutachten zitierte Argument der Vertreter der Gegenansicht des Sandeus greift auch hier wieder nur ein Bruchstück des Digestenzitats auf und reißt dessen Worte aus dem Sinnzusammenhang. Es wird also nur darauf abgestellt, dass niemand einem Erblasser vorwerfen darf, dass er ein Testament errichtet hat und dass niemand mit einem solchen Vorbringen bei Gericht gehört wird. {Siehe dazu auch Kirshner, Ius Commune, 28 (2000), S. 119–214}]. xx  Decr.Grat. C. 2 q. 6 c. 30 pr. – Ulpianus 29 ad ed.: Appellanten pflegen nicht gehört zu werden, außer denen, deren [eigene Angelegenheit] betroffen ist, oder die eine Vollmacht haben, oder die [mit der Appellation] ein fremdes Geschäft ausüben, wenn sie alsbald die Zustimmung des Beklagten [zu ihren Rechtshandlungen im Rahmen der Appellation] haben werden. Aber auch eine Mutter, die aus ihrer Pietätspflicht die Appellation [für ihren Sohn] einlegt, darf klagen und muss mit dieser [Appellation] gehört werden. Und wenn sie es vorzieht, den Prozess vorzubereiten, so stellt das kein [für Frauen eigentlich verbotenes] Dazwischentreten dar, obwohl sie [den Sohn] im Prozess nicht von Anfang an [schon in der ersten Instanz] vertreten darf. [Zu Appellationen werden also nur Personen zugelassen, die Interesse am Ausgang des Prozesses haben, ggf. auch nur ein indirektes, wegen der Pietätspflicht.] xxi  X 5.1.3 – Gregorius Duci Campaniae: Wenn irgendeine zu dem Kloster des gedachten Abtes gehörige Person etwas aussagen kann, was sich auf die Schuld und das Vergehen des letzteren bezieht, so wollen wir mit denen, welche daran ein Interesse haben, diese Angelegenheit auf das Strengste untersuchen, damit jener entweder verurteilt oder losgesprochen werden könne. [Der Prozess wird nur mit denen geführt, die ein Interesse am Ausgang des Prozesses haben.] xxii  D.49.5.1 pr. – Ulpianus 29 ad ed.: [selbe Stelle bei Ulpian, wie in Decr.Grat. C. 2 q. 6 c. 30 pr. zitiert] Appellanten pflegen nicht gehört zu werden, außer denen, deren [eigene Angelegenheit] betroffen ist, oder die eine Vollmacht haben, oder die [mit der Appellation] ein fremdes Geschäft ausüben, wenn sie alsbald die Zustimmung des Beklagten [zu ihren Rechtshandlungen im Rahmen der Appellation] haben werden.



II. Paraphrase des Consiliums145

Zweites Argument: Für diese Seite spricht [weiterhin], dass Johannes de Lignano [zwar] für immer verboten hat, sein Vermögen aus der „Familie“ hinaus zu veräußern. Aber diese Tochter, [Nachfahrin] des Baptista, die ja eine Urenkelin aus den männlichen Nachkommen des Johannes de Lignano ist, ist vielleicht unter den Begriff „Familie des Johannes de Lignano“ subsumierbar – obwohl sie geheiratet hat, [und zwar schon] bevor sie testamentarisch als Erbin eingesetzt wurde. Auch verheiratete Töchter fallen nämlich unter den juristischen Begriff „agnatische Verwandtschaft“: D.50.6.1.2xxiii, D.47.10.1.9xxiv. Und dort wird ja gesagt, dass bei Beleidigung einer verheirateten Tochter, die noch unter väterlicher Gewalt steht, ihrem Vater eine Beleidigungsklage in gleicher Weise zusteht, als wenn sie nicht verheiratet wäre. Dass also das agnatische Verwandtschaftsband fortdauert, lässt argumentieren, dass sie noch „in der Familie“ ist: D.50.16.195.2 letzter Satzxxv. xxiii  D.50.6.1.2 – Ulpianus 3 opin.: Auch die einem Geschlecht und den Nachkommen erteilten und bewahrten [Befreiungen von bürgerlichen Diensten] gehen die durch Frauen davon Abstammenden nichts an. [argumentum e contrario: Die Stelle sagt, dass Familien-Privilegien nicht vererbt werden auf Kinder weiblicher Familienmitglieder. Im Umkehrschluss werden sie vererbt auf alle Kinder männlicher Familienmitglieder, also sowohl auf deren Söhne wie auch auf deren Töchter.] xxiv  D.47.10.1.9 – Ulpianus 56 ad ed.: Derselbe Neratius sagt, dass aus einer Beleidigung eine Injurienklage für drei [Personen] entsteht, ohne dass die Klage des einen durch den Anderen verbraucht wird. Ist beispielsweise meiner [gewaltunterworfenen] Ehefrau, einer Haustochter [filia familias], eine Beleidigung widerfahren, kann sowohl ich als auch ihr Vater als auch sie selbst die Injurienklage erheben. [Wenn eine verheiratete filia familias beleidigt wird, so trifft diese Beleidigung ebenso auch ihren Ehemann und auch die Familie, aus der sie herstammt. Die filia familias bleibt also rechtlich Teil der Familie ihres Vaters und damit in der agnatischen Verwandtschaftslinie.] xxv  D.50.16.195.2 – Ulpianus 46 ad ed.: Der Begriff der „Familie“ bezieht sich auf die Bezeichnung einer gewissen Gemeinschaft, die entweder vom eigenen Recht derjenigen selbst oder vom eigenen Recht der gesamten Gemeinschaft der Verwandten zusammengehalten wird. In exakter Rechtssprache bezeichnen wir als „Familie“ mehrere Personen, die der Gewalt eines einzelnen entweder [aufgrund] der Natur oder [aufgrund] des Rechts unterworfen sind, z. B. Hausvater [pater familias], Hausmutter [mater familias], Haussohn [filius familias], Haustochter [filia familias] und die, die an deren Statt nachfolgen, z. B. Enkel und Enkelin und so weiter. Als Hausvater [pater familias] wird bezeichnet, wer im [Wohn]Haus die Herrschaftsgewalt [dominium] innehat. Und er wird richtigerweise mit diesem Namen bezeichnet, auch wenn er keinen Sohn hätte; denn wir bezeichnen [mit diesem Begriff] nicht seine Person, sondern auch das Rechtsverhältnis [als solches]. Daher bezeichnen wir auch ein [nicht mehr unter patria potestas stehendes unmündiges] Mündel als Hausvater [pater familias]. Und sobald der Hausvater [pater familias] stirbt, fangen so viele Personen, wie ihm [gewalt]unterworfen waren, eine eigene Familie an, sie übernehmen nämlich jeder einzeln die Benennung als Hausvater [pater familias]. Und das

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Gut spricht hierfür, dass eine verheiratete Frau weiterhin ihr HerkunftsDomizil in ihrem Vaterhaus behält in den Angelegenheiten, welche sie nicht ausnehmen aus den [öffentlichen] Dienstpflichten [am Wohnort] ihres Ehemannes: D.50.1.38.3xxvi; Baldus de Ubaldis und andere [Kommentatoren] bei D.2.1.19 pr.xxvii Gleiche gilt für denjenigen, der aus der Hausgewalt entlassen worden ist [emancipatio], denn auch dieser führt, nachdem er „eigenen Rechts“ geworden ist, eine „eigene Familie“. I m a l l g e m e i n e n j u r i s t i s c h e n S p r a c h g e b r a u c h b e z e i c h n e n w i r a l s „ F a m i l i e “ [ d i e G e m e i n s c h a f t ] a l l e r A g n a t e n . Denn wenngleich nach dem Tod des [gemeinsamen] Hausvaters [pater familias] jeder einzelne eine einzelne [eigene] Familie hat, s o w e rd e n d o c h a l l e , d i e u n t e r d e r G ew a l t e i n e s E i n z i g e n [ n ä m l i c h d e s v e r s t o r b e n e n p a t e r f a m i l i a s ] g e w es e n s i n d , r i c h t i g e r w e i s e a l s „ a u s d e r s e l b e n F a m i l i e “ b e z e i c h n e t . Sie sind [nämlich alle] aus demselben Hause und aus demselben Geschlecht hervorgegangen. [„Familie“ meint also sowohl die Familie im rechtstechnischen, engen Sinn als auch die agnatische Familie im weiteren Sinn. Unter diesen weiteren Begriff lässt sich auch die aus dem engeren Familienbegriff ausgeschiedene Haustochter ziehen. Damit gehört die Haustochter aufgrund agnatischer Verwandtschaft zur „Familie“.] xxvi  D.50.1.38.3 – Papirius 2 de const.: Weiterhin haben sie [die Kaiser Antoninus und Verus Augustus] beschieden, dass eine Frau, solange sie verheiratet ist, als Einwohnerin derjenigen Stadt gilt, der ihr Ehemann angehört, und dass sie dort, wo sie herstammt, nicht zur Verrichtung von [öffentlichen] Diensten gezwungen [werden kann]. [argumentum e contrario: Die Ehefrau gilt zwar die Dienstpflichten betreffend als Einwohnerin der Heimatgemeinde ihres Ehemannes. Aber das ist nur eine Fiktion – videri – im Hinblick auf diese Dienstpflichten. Würde sie ohne jede Einschränkung Einwohnerin der Heimatgemeinde ihres Ehemannes sein, bedürfte es nicht einer solchen Fiktion. Grundsätzlich bleibt die verheiratete Haustochter damit der Gemeinde zugehörig, aus der ihr pater familias und damit ihre „Familie“ – die Familie im weiteren Sinne, nämlich im agnatischen Sinne, – stammt. {Siehe dazu Kuehn, Tijdschrift, 49 (1980), S. 131 ff.}] xxvii  D.2.1.19 pr. – Ulpianus 6 fideic.: Nachdem ein Mädchen sich vor dem zuständigen Richter einem Rechtsstreit unterworfen hatte und daraufhin verurteilt worden war, unterfiel sie durch Heirat [der Gewalt eines] Mannes, der Subjekt einer anderen Gerichtsbarkeit war. Es wird nun gefragt, ob der Urteilsspruch des früheren Richters [gegen das nun verheiratete Mädchen] vollstreckt werden könne. Ich sage, [dass dieses Urteil vollstreckt werden] kann, weil der Urteilsspruch früher ergangen ist. Aber auch, wenn das [= die Heirat des Mädchens] nach Beginn des Prozesses aber vor dem Urteilsspruch geschehen wäre, hielte ich es für richtig. Und der Urteilsspruch des früheren Richters ist zu Recht ergangen. U n d d a s m u s s a l l g e mein und in allen gleichartigen Fällen gelten. [Die Vollstreckung durch den nun eigentlich unzuständigen Richter bleibt zulässig. Und auch das Urteil in einem Prozess mit einem nun eigentlich unzuständigen Richter ist nicht unrichtig. Die Änderung der „Gewaltunterwerfung“ während eines laufenden Verfahrens – also nach Rechtshängigkeit und bis zur Beendigung der Vollstreckungshandlung – berührt nicht die Zuständigkeit des Richters und damit die Gültigkeit des Verfahrens. Die durch Heirat in eine neue Familie einem neuen Ge-



II. Paraphrase des Consiliums147

Daher wird in C.6.38.5xxviii gesagt, dass das Wort „Familie“ [wenn es im Testament eines Hausvaters verwendet wird] auch die Schwiegertochter und den Schwiegersohn nach aufgelöster Ehe [durch Tod] mit umfasst. Solange aber die Ehe nicht aufgelöst ist, wird [der Schwiegersohn] nicht beteiligt an einem der „Familie“ zugedachten Vermächtnis, denn seine Ehefrau, die Tochter des Testierenden, geht ihm vor. Und so erscheint dieser Text klar zu eröffnen, dass eine verheiratete Tochter [weiterhin] unter den Begriff „zur Familie gehörig“ fällt.

richtssprengel unterstehende Frau bleibt also ab Rechtshängigkeit der Gerichtsbarkeit des ursprünglichen Gerichtssprengels unterworfen – eine Heirat entzieht sie dafür gerade nicht ihrer ursprünglichen Familie, an deren Wohnsitz ja der Gerichtssprengel hängt. Die Verbundenheit mit der Heimatgemeinde des pater familias der nun verheirateten Frau wird also durch eine Heirat nicht zerstört.] Summarium zu dieser Digestenstelle: Die Änderung des Gerichts [mutatio fori] nach dem Urteil [sententia] oder nach der Klageerhebung [litis contestatio] des vorherigen Richters beendet nicht die Zuständigkeit [des bisherigen Richters]. xxviii  C.6.38.5 – Imp. Iustinianus: In Beantwortung der Anfrage der illyrischen Anwaltschaft beschließen wir, dass das Wort „Familie“ eine solche Kraft haben soll, dass Eltern und Kinder und alle Verwandten und das [gesamte] Vermögen, auch die Freigelassenen und die Freilasser und [sogar] Sklaven durch diesen Begriff bezeichnet werden. Und wenn jemand durch letztwillige Verfügung seiner „Familie“ einen Fideikommiss hinterlassen hätte ohne eine Klausel mit der Beschränkung auf bestimmte, genannte Personen, [so sollen unter dem Begriff „Familie“] nicht nur die Verwandten sondern in Ermangelung derer auch der Schwiegersohn und die Schwiegertochter [verstanden werden]. Und es erscheint uns nämlich billig, diese zum Fideikommiss zuzulassen, sofern freilich die Ehe durch den Tod des Sohnes oder der Tochter aufgelöst worden ist. Auf keinen Fall könnten aber der Schwiegersohn oder die Schwiegertochter zu Lebzeiten der Kinder[, die nämlich Ehegatten dieser Schwiegerkinder sind,] zu einem solchen Fideikommiss berufen sein, w e i l d i e s e [ K i n der der Erblassers] ohne jeden Zweifel jenen [Schwiegerkindern des E r b l a s s e r s ] v o rg e h e n . Und das [= die Abfolge der Einsetzung auf den Fideikommiss] soll stufenweise geschehen, so dass nach diesen [Schwiegerkindern] die Freigelassenen kommen. Dasselbe soll auch gelten, wenn jemand irgendwem Immobilien vermacht hat und diesem [Vermächtnisnehmer] verboten hat, [die Immobilien] zu veräußern, [wobei der Erblasser] hinzugefügt [hat], dass seine Familie die Sachen erwerben soll, wenn dieser [Vermächtnisnehmer] das Vermächtnis überginge. Aber in anderen Fällen soll der Name „Familie“ auch für das Vermögen ausgelegt werden, weil sowohl Sklaven als auch andere Sachen als zum Eigentum eines jeden gehörend gelten. [Die Schwiegerkinder und sogar die Freigelassenen gehören also mit zur „Familie“ des pater familias im weiteren Sinne. Im vorletzten Satz („Auf keinen Fall könnten aber …“) wird unterstellt, dass die verheiratete Haustochter noch immer zur „Familie“ des Erblassers gehört und daher beim Fideikommiss unter den Begriff der „Familie“ fällt.]

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Und dies bestätigen ausdrücklich Baldus de Ubaldis und Paulus de Castro bei C.6.42.4xxix beim Erläutern der Zweifelsgründe bei jenem Text. Denn [sogar] der Schwiegersohn, nachdem die Ehe durch Tod der Ehefrau aufgelöst ist, wird in Bezug auf den Schwiegervater als „zur Familie gehörig“ bezeichnet, wie der Text der besagten Stelle C.6.38.5xxx sagt. Umso stärker lässt sich argumentieren, dass heutzutage [= nach justinianischem Recht, im Gegensatz zum älteren römischen Recht] nicht allein die verheiratete Tochter [noch] „zur Familie des Vaters“ gehört, sondern es ist auch argumentierbar, dass die Abkömmlinge der Tochter in Bezug auf ihren Großvater mütterlicherseits „zur Familie gehörig“ sind. Denn obwohl sie Abkömmlinge aus weiblicher Linie sind und somit kognatisch verwandt [anstatt agnatisch], dennoch, da ja nach justinianischem Recht der Unterschied zwischen xxix  C.6.42.4 – Imp. Alexander Severus: Der geäußerte Wille des Vaters, der es verbietet, dass die Kinder Grundstücke „außerhalb der Familie“ verkaufen oder verpfänden, kann nicht so verstanden werden, dass es dem Bruder verboten ist, der [offensichtlich bereits verheirateten] Schwester [Grundstücke] zu schenken. [Wenn die Schwester nämlich nicht verheiratet wäre, gehörte sie zweifellos noch zur „Familie“ des Erblassers und die hier aufgeworfene Frage würde sich nicht stellen. Damit ist die verheiratete Schwester also noch Teil der „Familie“ des Erblassers.] xxx  C.6.38.5 – Imp. Iustinianus: In Beantwortung der Anfrage der illyrischen Anwaltschaft beschließen wir, dass das Wort „Familie“ eine solche Kraft haben soll, dass Eltern und Kinder und alle Verwandten und das [gesamte] Vermögen, auch die Freigelassenen und die Freilasser und [sogar] Sklaven durch diesen Begriff bezeichnet werden. Und wenn jemand durch letztwillige Verfügung seiner „Familie“ einen Fideikommiss hinterlassen hätte ohne eine Klausel mit der Beschränkung auf bestimmte, genannte Personen, [so sollen unter dem Begriff „Familie“] nicht nur die Verwandten sondern in Ermangelung derer auch der Schwiegersohn und die Schwiegertochter [verstanden werden]. Und es erscheint uns nämlich billig, diese zum Fideikommiss zuzulassen, sofern freilich die Ehe durch den Tod des Sohnes oder der Tochter aufgelöst worden ist. Auf keinen Fall könnten aber der Schwiegersohn oder die Schwiegertochter zu Lebzeiten der Kinder[, die nämlich Ehegatten dieser Schwiegerkinder sind,] zu einem solchen Fideikommiss berufen sein, w e i l d i e s e [ K i n der der Erblassers] ohne jeden Zweifel jenen [Schwiegerkindern des E r b l a s s e r s ] v o rg e h e n . Und das [also die Abfolge der Einsetzung auf den Fideikommiss] soll stufenweise geschehen, so dass nach diesen [Schwiegerkindern] die Freigelassenen kommen. Dasselbe soll auch gelten, wenn jemand irgendwem Immobilien vermacht hat und diesem [Vermächtnisnehmer] verboten hat, [die Immobilien] zu veräußern, [wobei der Erblasser] hinzugefügt [hat], dass seine Familie die Sachen erwerben soll, wenn dieser [Vermächtnisnehmer] das Vermächtnis überginge. Aber in anderen Fällen soll der Name „Familie“ auch für das Vermögen ausgelegt werden, weil sowohl Sklaven als auch andere Sachen als zum Eigentum eines jeden gehörend gelten. [Die Schwiegerkinder gehören also mit zur Familie des pater familias und sind nach den Kindern auch zur erbrechtlichen Nachfolge berufen.]



II. Paraphrase des Consiliums149

agnatischer und kognatischer Verwandtschaft beseitigt ist – Auth. Coll. 9.1.4 = Nov. 118.4xxxi – ist argumentierbar, dass sie in gleicher Weise wie die Agnaten „zur Familie gehörig“ sind: D.50.16.195.2 letzter Satzxxxii [entsprechend erweiternd verstanden]. Und diese Meinung vertritt die Glosse, mit xxxi  Auth. Coll. 9.1.4 = Nov. 118.4 – Imp. Iustinianus Aug. Petro PPO: Wir verfügen, dass es keinen Unterschied geben soll bei irgendeiner Nachfolge oder Erbschaft zwischen männlichen und weiblichen zur Erbschaft Berufenen. Sondern wir definieren hiermit, dass sie in gleicher Weise zur Erbschaft berufen sind. Es macht keinen Unterschied, ob sie durch einen Mann oder durch eine Frau mit dem Verstorbenen verbunden sind, sondern wir verfügen, dass der Unterschied bei allen agnatischen und kognatischen Erbeinsetzungen aufgehoben sein soll, gleich ob [dieser Unterschied] wegen weiblichen Geschlechts oder wegen einer Gewaltentlassung [emancipatio] oder wegen irgendeines anderen Grundes in früheren Gesetzen gemacht worden ist. Und wir ordnen an, dass alle ohne einen derartigen Unterschied gemäß dem Grad ihrer Verwandtschaft [cognatio] zur Nachfolge bei gesetzlicher Erbschaft berufen sind. [Damit wird die ältere römische Unterscheidung zwischen der agnatischen Verwandtschaft väterlicherseits und der kognatischen Verwandtschaft mütterlicherseits für die Intestaterbfolge aufgehoben. Die Anknüpfung an die patria potestas im Erbrecht wird damit beendet. Es kommt vielmehr nur noch auf die natürliche Blutsverwandtschaft an.] xxxii  D.50.16.195.2 – Ulpianus 46 ad ed.: Der Begriff der „Familie“ bezieht sich auf die Bezeichnung einer gewissen Gemeinschaft verwendet, die entweder vom eigenen Recht derjenigen selbst oder vom eigenen Recht der gesamten Gemeinschaft der Verwandten zusammengehalten wird. Als „Familie mit eigenem Recht“ bezeichnen wir mehrere Personen, die der Gewalt eines einzelnen entweder [aufgrund] der Natur oder [aufgrund] des Rechts unterworfen sind, z. B. Hausvater [pater familias], Hausmutter [mater familias], Haussohn [filius familias], Haustochter [filia familias] und die, die an deren Statt nachfolgen, z. B. Enkel und Enkelin und so weiter. Als Hausvater [pater familias] wird bezeichnet, wer im [Wohn]Haus die Herrschaftsgewalt [dominium] innehat. Und er wird richtigerweise mit diesem Namen bezeichnet, auch wenn er keinen Sohn hätte; denn wir bezeichnen [mit diesem Begriff] nicht durch seine Person, sondern auch das Rechtsverhältnis [als solches]. Daher bezeichnen wir auch ein [nicht mehr unter patria potestas stehendes unmündiges] Mündel als Hausvater [pater familias]. Und sobald der Hausvater [pater familias] stirbt, fangen so viele Personen, wie ihm [gewalt]unterworfen waren, eine eigene Familie an, sie übernehmen nämlich jeder einzeln die Benennung als Hausvater [pater familias]. Und das Gleiche gilt für denjenigen, der aus der Hausgewalt entlassen worden ist [emancipatio], denn auch dieser führt, nachdem er „eigenen Rechts“ geworden ist, eine eigene Familie. Als „Familie mit gemeinsamem Recht“ bezeichnen wir [die Gemeinschaft] aller Agnaten. Denn wenngleich nach dem Tod des [gemeinsamen] Hausvaters [pater familias] jeder einzelne eine einzelne [eigene] Familie hat, so werden doch alle, die unter der Gewalt eines Einzigen [nämlich des verstorbenen pater familias] gewesen sind, richtigerweise als aus derselben Familie bezeichnet. Sie sind [nämlich alle] aus demselben Hause und aus demselben Geschlecht hervorgegangen. [„Familie“ umfasst also die Familie im engeren Sinn – nämlich die Familie eigenen Rechts – und die Familie im weiteren Sinn – nämlich die Familie gemeinsamen Rechts. Unter diesen weiteren Begriff lässt sich aber auch die aus der „Familie ei-

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dieser Begründung, bei D.31.(1).32.6xxxiii. Und ihr folgen Bartolus de Saxoferrato und Johannes de Imola im Anschluss an Petrus de Bellapertica bei C.6.38.5xxxiv. genen Rechts“ ausgeschiedene Haustochter ziehen. Damit gehört die Haustochter aufgrund agnatischer Verwandtschaft aber auch zur „Familie“.] xxxiii  D.31.(1).32.6 – Modestinus 9 reg.: Bei einem der „Familie“ hinterlassenen Fideikommiss können diejenigen zur Klage auf die Herausgabe der FideikommissGegenstände zugelassen werden, die [vom Erblasser zum Fideikommiss] namentlich angegeben sind. Nach dem Tod all dieser [vom Erblasser Benannten können diejenigen zu dieser Klage zugelassen werden,] die im Todeszeitpunkt des Erblassers dessen Namen tragen, nämlich [im Zweifel zuerst nur diejenigen noch Lebenden,] die von diesem im ersten Grad abstammen, es sei denn, der verstorbene [Erblasser] hätte seinen geäußerten Willen ausdrücklich auf entferntere [Verwandte] erstreckt. [Neben den vom Erblasser Bestimmten sind auch alle nicht von ihm dazu Bestimmten, die zum Todeszeitpunkt seinen Familiennamen getragen haben und ihn daher als pater familias hatten, zur Klage aus dem Fideikommiss berechtigt. Damit fallen jedenfalls alle agnatisch Abstammenden im ersten Glied unter den Begriff der „Familie“. Erweiternd ausgelegt lässt sich diese Stelle auch so verstehen, dass alle, die jemals den Namen des Erblassers getragen haben, Teil seiner „Familie“ bleiben.] Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Die Benannten [nominati] sind als erstes zu dem berufen, was der Familie hinterlassen wurde. Nach diesen [sind die berufen,] die die näher [Verwandten] sind entsprechend dem Verwandtschaftsgrad. xxxiv  C.6.38.5 – Imp. Iustinianus: In Beantwortung der Anfrage der illyrischen Anwaltschaft beschließen wir, dass das Wort „Familie“ eine solche Kraft haben soll, dass Eltern und Kinder und alle Verwandten und das [gesamte] Vermögen, auch die Freigelassenen und die Freilasser und [sogar] Sklaven durch diesen Begriff bezeichnet werden. Und wenn jemand durch letztwillige Verfügung seiner „Familie“ einen Fideikommiss hinterlassen hätte ohne eine Klausel mit der Beschränkung auf bestimmte, genannte Personen, [so sollen unter dem Begriff „Familie“] nicht nur die Verwandten sondern in Ermangelung derer auch der Schwiegersohn und die Schwiegertochter [verstanden werden]. Und es erscheint uns nämlich billig, diese zum Fideikommiss zuzulassen, sofern freilich die Ehe durch den Tod des Sohnes oder der Tochter aufgelöst worden ist. Auf keinen Fall könnten aber der Schwiegersohn oder die Schwiegertochter zu Lebzeiten der Kinder[, die nämlich Ehegatten dieser Schwiegerkinder sind,] zu einem solchen Fideikommiss berufen sein, w e i l d i e s e [ K i n der der Erblassers] ohne jeden Zweifel jenen [Schwiegerkindern des E r b l a s s e r s ] v o rg e h e n . Und das [also die Abfolge der Einsetzung auf den Fideikommiss] soll stufenweise geschehen, so dass nach diesen [Schwiegerkindern] die Freigelassenen kommen. Dasselbe soll auch gelten, wenn jemand irgendwem Immobilien vermacht hat und diesem [Vermächtnisnehmer] verboten hat, [die Immobilien] zu veräußern, [wobei der Erblasser] hinzugefügt [hat], dass seine Familie die Sachen erwerben soll, wenn dieser [Vermächtnisnehmer] das Vermächtnis überginge. Aber in anderen Fällen soll der Name „Familie“ auch für das Vermögen ausgelegt werden, weil sowohl Sklaven als auch andere Sachen als zum Eigentum eines jeden gehörend gelten.



II. Paraphrase des Consiliums151

Drittes Argument: Weiterhin lässt sich dafür anführen, dass es, obwohl ab dem Zeitpunkt der Verheiratung die Tochter als nicht mehr „zur Familie des Erblassers“ gehörend bezeichnet wird, ausreicht, wenn jemand irgendwann einmal {89r} zur Familie gehört hat – so dass er, wenngleich er [auch] später aufhörte [zur Familie] zu gehören, dennoch zum Vermächtnis berufen ist, das „der Familie“ hinterlassenen wurde: so der besagte Text bei D.31.(1).69.3 am Ende [= D.31.(1).69.4]xxxv, wo gesagt wird, dass, wenn der [Haus-]Sohn nach Errichtung des Testaments durch Emanzipation aus der Familie ausgeschieden ist, er dennoch zum Vermächtnis zugelassen wird, genauso wie jeder andere aus der Familie. Daher liegt es nahe zu denken, dass die Urenkelin des Erblassers, weil sie einmal in seiner Familie gewesen ist – nämlich bevor sie [ihrem] Mann angetraut wurde – nichtsdestoweniger, wenn sie nach eingetretener Ehe aufhört, „in der Familie“ des Urgroßvaters zu sein, zu dessen Erbschaft eingeladen werden muss, gleich einem jeden „aus der Familie“ [Stammenden]. Viertes Argument: Weiterhin lässt sich dafür argumentieren, dass zum angeordneten Vermächtnis „der Familie“ nur diejenigen berufen sind, die zur Zeit der Errichtung des Testamentes oder zur Zeit des Todes „in der Familie“ gewesen sind, sofern sich nicht aus dem Willen des Erblassers etwas anderes ergäbe: besagte Stelle D.31.(1).32.6xxxvi und D.34.5.19 pr.xxxvii Aber diese männ­ [Die Schwiegerkinder gehören also mit zur Familie des pater familias und sind nach den Kindern auch zur erbrechtlichen Nachfolge berufen.] Summarium zu dieser Codexstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Wenn das Wort „Familie“ für Personen [verwendet wird], [dann] wird es für die nächsten [Verwandten] gemäß der Ordnung der Nähe der Verwandtschaft und für gewisse Verwandte nach dem Unterhalt interpretiert. Aber wenn das Wort „Familie“ für Sachen [verwendet wird], [dann] wird als Vermögen der Güter interpretiert. Das hat Bartolus de Saxoferrato gesagt. Oder so, [dass] das der Familie Hinterlassene entsprechend nach der Reihenfolge der Verwandtschaftsgrade von den Personen mit der Benennung der Familie gefordert werden soll und [wie] es in diesem Gesetz [= C.6.38.5] vorgeschrieben wurde. Wenn aber etwas von der Familie gemacht würde, wird es als von den Sachen interpretiert. xxxv  D.31.(1).69.4 – Papinianus 19 quaest.: Wenn solche [Personen] nachmals emanzipiert worden sind, kann man diskutieren, ob auch sie richtigerweise ein Vermächtnis einfordern dürfen[, das doch eigentlich nur „der Familie“ hinterlassen wurde]. Und ich meine, richtigerweise dürfen sie es einfordern, denn auch diese Personen werden als in dem Ausdruck „Familie“ bezeichnet verstanden. xxxvi  D.31.(1).32.6 – Modestinus 9 reg.: Bei einem der „Familie“ hinterlassenen Fideikommiss können diejenigen zur Klage auf die Herausgabe der FideikommissGegenstände zugelassen werden, die [vom Erblasser zum Fideikommiss] namentlich angegeben sind. Nach dem Tod all dieser [vom Erblasser Benannten können dieje-

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lichen [Nachkommen], nämlich die Söhne des Baptista, waren zur Zeit des Todes des Erblassers, wie ich glaube, obschon das für mich nicht feststeht, also nicht [in diesem Sinne] „in der Familie“ des Erblassers. Daher scheint es, dass sie nicht klagebefugt sind gegen diese Veräußerung [außerhalb der Familie des Erblassers – nämlich in Form der Erbeinsetzung der Urenkelin Lignanos durch einen der Söhne des Baptista], nämlich als nicht zum Vermächtnis Berufene. Hierfür sprechen die Stelle D.38.8.1.6xxxviii und weitere Parallelstellen. xxxvii

nigen

zu dieser Klage zugelassen werden,] die im Todeszeitpunkt des Erblassers dessen Namen tragen, n ä m l i c h [ i m Z w e i f e l z u e r s t n u r d i e j e n i g e n n o c h L e b e n d e n ,] d i e v o n d i e s e m i m e r s t e n G r a d a b s t a m m e n , e s s e i d e n n , d e r v e r s t o r b e n e [ E r b l a s s e r ] h ä t t e s e i n e n g e ä u ß e r t e n Wi l l e n a u s d r ü c k l i c h a u f e n t f e r n t e re [ Ve r w a n d t e ] e r s t re c k t . [Die Gegner entnehmen hier aus der Digestenstelle Folgendes: Sofern der Erblasser nicht ausdrücklich etwas anderes gesagt hat, gehören zur „Familie“ nur diejenigen, die im Todeszeitpunkt des Erblassers schon lebten und von ihm im ersten Grad agnatisch abstammen. Weitere Personen gehören im Sinne des Vermächtnises nur dann zur „Familie“, wenn das der Erblasser ausdrücklich für sie bestimmt hat.] Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Die Benannten [nominati] sind als erstes zu dem berufen, was der Familie hinterlassen wurde. Nach diesen [sind die berufen,] die die näher [Verwandten] sind entsprechend dem Verwandtschaftsgrad. xxxvii  D.34.5.19 pr. – Ulpianus 25 ad Sab.: Wenn Verwandten [cognates] ein Vermächtnis zugedacht ist und diese [Verwandten] aufhören, [im juristischen Sinne] Verwandte zu sein, jedoch ihr Bürgerrecht [civitas] behalten, ist ihnen das [letztwillig] bestimmte Vermächtnis geschuldet, denn sie waren zur Zeit der Testamentserrichtung Verwandte [des Erblassers]. [Auch umgekehrt] wenn nun aber jemand zur Zeit der Testamentserrichtung nicht Verwandter [des Erblassers] gewesen ist, aber im Moment des Todes [des Erblassers] durch Annahme an Kindes Statt [adoptio oder adrogatio] dazu [= zum Verwandten] gemacht worden ist, so folgt er durchaus in das Vermächtnis. [Die Verwandtschaftsstellung kann nur in sehr wenigen Fällen enden, etwa durch Versklavung, Kriegsgefangenschaft und durch Annahme an Kindes Statt durch eine andere Person. Zum Vermächtnis berufen sind alle, die im Zeitpunkt der Testamentserrichtung verwandt (cognates) waren, und zusätzlich auch diejenigen, die im Todeszeitpunkt des Erblassers mit diesem verwandt (cognates) geworden waren. Dies interpretieren die Gegner so, dass alle, die nicht zum Todeszeitpunkt des Erblassers schon gelebt haben, im Sinne des Vermächtnisses ohnehin nicht zur „Familie“ desselben gehören.] xxxviii  D.38.8.1.6 – Ulpianus 46 ad ed.: Es ist notwendig, dass wir „den Nächststehenden“ auf den Zeitpunkt hin bestimmen, zu der der Erbschaftsbesitz anfällt. [Angewandt auf den vorliegenden Fall wird also argumentiert, dass die zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch nicht geborenen Nachkommen keine Klagebefugnis haben können.]



II. Paraphrase des Consiliums153

Fünftes Argument: Weiterhin lässt sich dafür anführen, dass der Erblasser wollte, dass seine Güter [also die Erbschaftsgegenstände] „in der Familie“ verbleiben sollen „wegen der unten anzuweisenden Nutzung“, nämlich so: Nach dem Versterben der Söhne oder männlichen Nachkommen soll ein Kolleg für arme Studenten errichtet werden. Also deuten diese Worte im Testament an, dass der Erblasser dieses Verbot eher zugunsten der eingesetzten armen Studenten geschaffen hat und damit nicht zu dem Zweck, dass die Verwandtschaft in der männlichen Linie [agnatio] gefördert werden soll. Es wäre nämlich schwierig geworden, dieses Kolleg nach dem Versterben aller Nachkommen errichten zu können, wenn er nicht verboten hätte, seine Güter „außerhalb der Familie“ zu veräußern. Und so gilt: Wenn der Grund des Verbots wegfällt, fällt auch das Verbot weg, gemäß D.31.(1).87.1xxxix, wo belegt wird, dass mit dem Wegfall des Grundes für den Hass der Hass selbst entfällt. Der Grund für das Verbot fällt weg, weil die erfolgte Einsetzung von den armen Studenten als Ersatzerben erloschen ist, noch bevor der Enkel veräußert hat. Sie sind nämlich [nur] in dieser Form [und für diesen Fall] eingesetzt worden, nämlich, wenn keinerlei Söhne geboren werden und Baptista [also der Sohn von Johannes de Lignano] verstürbe „wann auch immer ohne eheliche und leibliche Söhne“, oder wenn ein zweiter oder weitere [Söhne von Johannes de Lignano] geboren werden [und verstürben] „wann auch immer ohne eheliche und leibliche Söhne“. Für diesen Fall wollte und ordnete der besagte Erblasser an, dass aus den Gütern seiner Erbschaft xxxix  D.31.(1).87.1 – Paulus 14 resp.: Ich antworte, dass die Verzugszinsen aus einem Fideikommiss-Vermächtnis nach vollen 25 Jahren dem Mädchen von demjenigen geschuldet sind, der die Verzögerung verursacht hat. Es ist freilich angeordnet worden, dass nach weniger als 25 Jahren die Verzugszinsen auf jeden Fall geleistet werden [müssen]. Aber dieses [diese Regelung] ist nicht für den Verzug [getroffen worden], der [einem nur] einmal zusteht, [sondern weil] sie [die Verzugszinsen nämlich] dauerhaft geschuldet sind. [Interpretation durch die Glosse: Ein Testament hatte für ein minderjähriges Mädchen ein Geld-Vermächtnis bestimmt. Dieses Vermächtnis blieb aber lange Zeit unerfüllt. Gefragt wird nun, ab wann Zinsen für die geschuldete Geldsumme zu zahlen sind. Antwort des römischen Juristen Paulus: Ab Volljährigkeit des Mädchens (ab 25 Jahren) seien Zinsen erst ab Verzug (mora) des Schuldners zu zahlen und der Verzug setzt voraus, dass eine Mahnung vorhergehen muss (interpellatio). Zwar sei gesetzlich bestimmt, dass an Minderjährige stets Zinsen zu zahlen seien (C.2.40.3, also auch ohne Verzug des Schuldners). Aber dies könne man nicht so betrachten, als ob hierdurch nun etwa die Rechtslage wie beim Verzug geschaffen werde (non pro mora hoc habendum est). Es bleibe also ab Volljährigkeit bei der allgemeinen Regel, dass erst ab In-Verzug-Setzen auch Zinsen geschuldet werden. Einmaliges In-Verzug-Setzen genüge, so dass ab dann fortwährend Zinsen geschuldet werden. Die Glosse fasst die Schlussfolgerung zusammen wie folgt: quia finita aetate pro qua privilegiatur, finitur et privilegium.]

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Vorsorge für arme Studenten getroffen werden solle, in der besagten Form [= Art und Weise]. Also, weil besagter Baptista allein überlebt hat, keine weiteren Söhne des Erblassers geboren worden sind und er [= Baptista] mit männlichen Söhnen verstarb, kann man wohl sagen, dass das den Armen gegebene Fideikommiss-Vermächtnis (zugleich mit der weggefallenen Bedingung) erloschen ist. Man kann nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass der Erblasser die besagten Armen als Ersatzerben auch für die Enkel eingesetzt habe. Denn [, wenn der Erblasser das gewollt hätte, hätte] er diese [= die Enkel] [wohl ebenfalls ausdrücklich] als Ersatzerben [für Baptista] eingesetzt [, was er aber] nicht [getan hat]. Denn sie sind [ja nur] in der Bedingung gesetzt [= genannt], [also] kann man sie nicht als „zur Erbschaft berufen“ bezeichnen: das bestätigt die Glosse bei D.28.5.86xl, die allgemein [als richtig] anerkannt wird.

xl  D.28.5.86 – Scaevola 2 resp.: Lucius Titius, der einen Bruder hatte, verfügte in seinem Testament so: „Mein Bruder Titius soll Erbe auf mein ganzes Vermögen sein. Will aber Titius nicht mein Erbe sein oder wird er – was Gott verhüten möge – früher sterben, als er meine Erbschaft antrat, oder auch weder einen eigenen Sohn noch eine eigene Tochter haben, dann sollen meine Sklaven Stichus und Pamphilus frei und meine Erben zu gleichen Teilen sein.“ Nun frage ich, ob Stichus und Pamphilus, wenn Titius die Erbschaft antrat und zur Zeit der Erbschaft keine Kinder hatte, aus dieser Einsetzung als Ersatzerben/Nacherben frei und Erben sein können? Ferner frage ich, ob sie [= die Sklaven], wenn sie aus dieser Nacherbeinsetzung weder frei noch Erben sein können, [wenigstens] für einen Teil der Erbschaft als beigefügt angesehen werden müssen. Antwort: Es ergibt sich, dass der Erblasser nicht im Sinn hatte, seinem Bruder irgendeinen Erben beizufügen, da er ihn ganz deutlich zum Erben auf sein ganzes Vermögen eingesetzt hatte. Wenn also der Bruder [die Erbschaft] antrat, so werden Stichus und Pamphilus nicht Erben sein, sondern [der Erblasser] wollte vielmehr, dass sie nicht Erben sein sollen, wenn sein Bruder vor dem Antritt der Erbschaft mit Hinterlassung von Kindern gestorben war. Es lässt sich nämlich hier der kluge Plan des Erblassers erkennen, denn er zog nicht nur seinen Bruder, sondern auch dessen Kinder den Ersatzerben vor. [Die Worte „non dicuntur ad hereditatem invitati“ stehen weder wörtlich in der Glosse der Druckausgabe Venetiis 1581, noch wird dort in irgendeiner sonstigen Weise dieses Argument gestützt. Möglicherweise hatte Felinus Sandeus eine abweichende, ausführlichere Fassung der Glosse vor Augen. Der Gesetzestext erörtert eine Formulierung in einem Testament. Der Testator stellte es seinem Bruder Titius anheim, die Erbschaft anzutreten, und unter gewissen Bedingungen stellte er dies auch zwei (dann frei werdenden) Sklaven anheim. Diskutiert wird, wie die Bedingungen auszulegen seien. Sowohl der Gesetzestext wie auch die Glosse in der Fassung Venetiis 1581 erörtern einzig nur dieses Problem. Es wird nirgends zusätzlich erörtert, ob der juristische Fachbegriff „zur Erbschaft berufen“ (ad hereditatem invitati) auch auf die bedingt eingesetzten Erben angewandt werden könne.]



II. Paraphrase des Consiliums155

Sechstes und letztes Argument: Im Testament wird ja gesagt, dass der Erblasser die Veräußerung irgendwelcher Güter verboten hat, weil er wollte, dass seine Güter dauerhaft in der Familie des besagten Erblassers verbleiben sollen „und wegen der unten anzuweisenden Nutzung“. Darauf Folgendes: Entweder hat er die Veräußerung einzig zugunsten der armen Studenten verboten. Und dann, wenn der Grund für das Verbot entfallen ist, entfällt (wie ich gesagt habe) nach Erlöschen der für sie [für das collegium pauperum] vorgenommenen Ersatzerbeinsetzung das Verbot. Oder er hat es [= das Verbot] [zusätzlich] auch zugunsten der männlichen Nachkommen derart festgelegt. Und dann ist zu bemerken, dass der Erblasser gesagt hat „wegen der unten anzuweisenden Nutzung“ – und dann hat er [ja beides] als etwas miteinander Verbundenes genannt. Folglich ist für das Fortbestehen des Verbotes erforderlich, dass [beide] miteinander verbundenen [Gründe] gemeinsam weiter laufen: D.28.7.5xli. Wenn es aber [wie oben gesagt] nicht [mehr] möglich ist, dass die besagte Erbschaft für das nachstehend Bestimmte verwendet werden kann, [nämlich] weil die Ersatzerbeinsetzung der Studenten erloschen ist, weil ja offensichtlich beim Tod des Erblassers männliche [Nachkommen] vorhanden waren, können die miteinander verbundenen [Gründe] nicht mehr als vorhanden festgestellt werden. Daher entfällt diese Anordnung. Einen ähnlichen Fall beschied Paulus de Castro in seinem 14. Konsilium, wo eine Erbeinsetzung mit folgenden Worten geschehen war: „Ich setze meinen Sohn Nicolaus und meine zukünftigen Söhne als Erben ein. Und für den Fall, dass Nicolaus und zukünftige Söhne ohne männliche Kinder verstürben, setze ich ersatzweise jenen ein.“ Danach wurde dem Erblasser kein anderer Sohn geboren und schließlich verstarb Nicolaus als einzig Verbleibender ohne Kinder. [Paulus de Castro gutachtete], dass die Ersatzerbeinsetzung nicht zum Zuge komme, weil der Fall für die Ersatzerbeinsetzung nicht vorliege, weil diese formuliert war für den Fall, dass mehrere [Personen] ohne [in der Handschrift gestrichen: männliche] Kinder versterben. xli  D.28.7.5 – Paulus 2 ad Sab.: Wenn einem Erben mehrere Bedingungen verbunden auferlegt worden sind, muss er allen gehorchen, weil sie als eine einzige Stelle [als eine Gesamtbedingung] begriffen werden. Wenn sie nicht verbunden sind, kann er es sich aussuchen [welche der Bedingungen er bedient]. [Die Auslegung der Bedingungen dahingehend, ob sie als eine Gesamtheit oder als eine voneinander unabhängige Vielzahl vom Erblasser gewollt waren, ist daher von grundlegender Bedeutung. Im ersten Fall müssen alle Bedingungen zugleich erfüllt sein, damit die Erbeinsetzung so stattfinden kann. Angewendet auf die vorliegende Auslegungsfrage ist also die Bestimmung der Beziehung der Bedingungen zueinander – Veräußerungsverbot und Errichtung eines collegium pauperum und zugunsten der männlichen Nachkommen – von entscheidender Bedeutung.]

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Und es bleibt deshalb in diesem Fall [wo nur eine Person ohne Kinder verstorben ist], also einem nicht erwähnten Fall [casus omissus], bei der Regelung des gemeinen Rechts: D.28.2.10xlii. Und er beruft sich dabei auf Johannes Andreae, Ergänzungen des Speculum Iudiciale des Gulielmus Durantis, Kapitelüberschrift „Von den Testamenten“, Anfang des Zusatzes „Mit dieser Frage“, in der vierten Quaestio. Und dort berichtet er, dass in diesem tatsächlichen Fall so entschieden wurde. {entgegengesetzte Schlussfolgerung:} Aber trotz der oben aufgeführten [Gründe], (die, auch wenn sie zutreffend wären, den vorgestellten Fall nicht berühren,) glaube ich in diesem Fall, dass der Enkel des Erblassers seine schon verheiratete Tochter nicht als Ersatzerbin einsetzen konnte. Zum einen [= erstes eigenes Argument] überlege ich Folgendes: Weil der Erblasser, indem er die Veräußerung jedweder Immobiliargüter seiner Erbschaft verboten hatte, die besagten Güter dauerhaft innerhalb seiner Familie bewahren wollte, ist [das Testament] so zu verstehen, dass er durch diese Worte ihnen [= den Nachkommen] ein wechselseitiges Vermächtnis hinterlassen hat, nämlich für den Fall, dass einer von diesen [Nachkommen des Erblassers] ohne Zustimmung des anderen eine Veräußerung vornimmt. {90r} So bestätigt es die bemerkenswerte [Stelle der] Glosse zu D.31. (1).88.15xliii zu dem Wort [gemeint ist das Lemma der Glosse] „meinen xlii  D.28.2.10 – Pomponius 1 ad Sab.: Die passendste Weise, einen, der noch nicht geboren ist, zum Erben einzusetzen, ist diese: „Es sei derjenige Erbe, der mir entweder zu meinen Lebzeiten oder nach meinem Tod geboren sein wird“. Das kann auch einfach ohne Erwähnung einer [bestimmten] Zeit [als Anknüpfungpunkt] geschehen. Wenn einer von beiden Fällen [nämlich „zu Lebzeiten“ und „nach meinem Tode“] weggelassen worden wäre [und damit eben nur einer der Fälle erwähnt worden wäre], vernichtet die Geburt das Testament bei dem nicht erwähnten Fall, weil der Sohn, der in dem Fall geboren wird, der nicht vom Testament umfasst ist, jedenfalls unter dieser Bedingung nicht als testamentarischer Erbe begriffen werden kann. [Im casus omissus, wie hier, wo der Erblasser eines seiner Kinder in seinem Testament unberücksichtigt lässt, greift die gesetzliche Regel der Nichtigkeit des gesamten Testaments ein, die immer dann zum tragen kommt, wenn irgendeines der Kinder des Erblassers im Testament übergangen wird. Die Gegner des Sandeus verwenden hier die abstrakte Regel, die in dieser Digestenstelle zu Tage tritt, nämlich die Regel, dass im casus omissus immer die gesetzliche Regel eingreift.] xliii  D.31.(1).88.15 – Scaevola 3 resp.: Nachdem ein Erblasser seinen Sohn zum Erben eingesetzt hatte und von diesem [die Kinder – seine] Enkelkinder emanzipiert [= aus der patria potestas entlassen] hatte, bestimmte er: „Ich will, dass meine Häuser von meinen Erben nicht verkauft werden und darauf auch keine verzinslichen Darlehen aufgenommen werden, sondern dass diese [Häuser] meinen Söhnen und Enkeln auf alle Zeiten fest verbleiben sollen. Wenn aber irgendeiner von ihnen seinen Anteil verkaufen oder auf diesen ein verzinsliches Darlehen aufnehmen will,



II. Paraphrase des Consiliums157

Kindern / Söhnen“. Johannes de Imola bezeichnet diese [Stelle der Glosse als] besser als jede andere. Und ihm zufolge ist diese [Stelle der] Glosse „sehr klug überlegt“ notiert. Und mit dieser [Stelle der Glosse] geht auch Bartolus de Saxoferrato überein. Und dasselbe sagt Bartolus de Saxoferrato bei D.45.1.122.3xliv und dort [auch] Johannes de Imola. Anders wäre es, wenn er ohne weitere Bestimmung die Veräußerung außerhalb der Familie darf er rechtsgültig an seinen Miterben verkaufen oder von ihm ein Darlehen aufnehmen. Wenn aber einer entgegen dieser [Regelung/Bedingung] handelt, soll das Schuldverhältnis[, das dabei zwischen dem Erben und einem Dritten entstanden ist,] null und nichtig sein.“ [Übersetzung anhand der Vulgata-Version, da die Stelle griechisch ist.] Da der Sohn des Verstorbenen [= des Erblassers] von der Flavia Dionysia Geld als Darlehen empfangen hat und seinen Anteil an den Mietzinsen von den vermieteten Häusern für die Schulden an seine Gläubigerin übertragen hat, wird gefragt, ob die Bedingung des Testaments als erfüllt angesehen werden muss, so dass er aufgrund des Vermächtnisses seinen Söhnen verpflichtet ist. Ich antworte, dass [die Bedingung] nach dem, was vorgetragen worden ist, nicht eingetreten ist. [Würde in der Abtretung des Mietzinsanspruchs des Erben eine Veräußerung oder eine Belastung des ererbten Grundstücks durch ein Darlehen liegen, dann wäre der Erbe gegenüber seinen Kindern aufgrund des Vermächtnisses verpflichtet. Das lehnt Scaevola hier aber ab. Die Abtretung des Mietzinsanspruches stellt also keine gegen das testamentarische Verbot verstoßende Belastung dar. Gleichzeitig bedeutet das im Umkehrschluss, dass durch ein solches testamentarisches Verbot der Erbe gegenüber den im Vermächtnis mitbedachten Nach- und Ersatzerben bei einem Verstoß gegen das Vermächtnis direkt verpflichtet ist. Aus diesem Grund geht Sandeus auch von einer den Erben belastenden Verpflichtung aus dem Vermächtnis des Johannes de Lignano aus, für den Fall, dass der Erbe gegen das Veräußerungsverbot verstößt. Nur dann aber liegt in der testamentarischen Bedingung zugleich ein Vermächtnis.] Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Das Verbot, [etwas] zu verkaufen oder zu verpfänden, wird nicht verstanden als Verbot, [etwas] zu vermieten. Oder so: Wer dafür haftet, dass es verboten ist, das Haus unter der Bezeichnung des Vermieters zu verkaufen, [für den kann man sagen, dass] er das Haus nicht verkauft hat und nicht verpfändet hat. xliv  D.45.1.122.3 – Scaevola 28 dig.: Nachdem die Miterben die vererbten Grundstücke aufgeteilt hatten, hinterließen sie ein gemeinsames Grundstück unter der Vereinbarung, dass, wenn einer von ihnen seinen Anteil verkaufen wolle, er diesen [Anteil] entweder dem Miterben oder dessen Nachfolger für 125 verkaufen soll und dass, wenn einer anders handelte [und sich nicht an diese Vereinbarung hielte], eine [Vertrags-]Strafe von 100 wechselseitig im Wege der Stipulation versprochen wird. Ich frage, wenn eine weibliche Miterbin die Vormünder der Kinder des [verstorbenen] Miterben mehrfach unter Zeugen angesprochen hat und verlangt hat, dass sie gemäß der Vereinbarung entweder [den Miteigentumsanteil der Mit­ erbin] kaufen oder [gemeinsam mit ihr einverständlich das Grundstück an einen Dritten] verkaufen sollen, und sie [= die Vormünder] nichts davon getan hätten, ob, wenn die Frau [nun also ohne Einverständnis der Vormünder der Kinder des verstorbenen Miterben ihren Miteigentumsanteil] außerhalb [der Miterbengemeinschaft] verkauft hat, ob dann von ihr [= der Miterbin] die Strafe von 100 gefordert werden könne. Er [=Scaevola] antwortete, dass gemäß dem, was vorgetragen worden ist, die exceptio doli [dem Anspruch der Kinder des Miterben] entgegenstehe.

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verboten hätte und nichts weiter gesagt hätte. Das wird unten ausführlicher dargestellt werden. Wenn also jene aus der Familie [Stammenden] wechselseitig mit dem Vermächtnis beschwert sind, kann man unmöglich sagen, dass ein einziger aus der Familie [stammender] Versterbender einen [familienfremden] anderen als Erben einsetzen kann, [auch nicht dann, wenn] dieser anderenfalls sein gesetzlicher Erbe wäre. Und wir können noch nicht einmal sagen, dass ein gesetzlicher Erbe, der außerhalb der Familie steht, [im Falle der gesetzlichen Erbfolge] endgültig diese Güter erben könnte (da diese [Güter] der Herausgabeklage [restitutio] aus dem Vermächtnis unterliegen). Da ja in unserem Fall die [als Erbin] eingesetzte Tochter in einer fremden Familie war, weil sie verheiratet war, zu jener Zeit, als der Enkel des Erblassers sie [als Erbin] einsetzte, folgt daraus, dass sie nicht als Erbin eingesetzt werden konnte zum Nachteil der Personen „in der Familie“ des Verstorbenen. Zum zweiten [= zweites eigenes Argument] werde ich bewegt vom stillen Willen des Verstorbenen, der deutlich aus den Worten des Testaments zu schließen ist. Der Erblasser hat nämlich die armen Studenten den von seinen Söhnen [abstammenden] Enkelinnen vorgezogen, weil, wie sich aus den oben berichteten Worten des Testaments ergibt, der Erblasser ausdrücklich, wenn Baptista, dessen Sohn, ohne männliche Kinder gestorben wäre, als erstes die Studenten versorgen wollte. Also kann man den Umkehrschluss ziehen: Selbst wenn er [= Baptista] [zwar Kinder hinterließe, sie aber] weibliche Töchter wären, wollte [der Erblasser dennoch] das Kolleg für arme Studenten einrichten. Zudem interpretiere ich auch in jenem Fall, in dem ein Erblasser für den Sohn eine Ersatzerbfolge bestimmt, falls er „ohne männliche [Nachkommen]“ verstirbt, nicht die Worte „und weibliche [Nachkommen]“ hinein [als stillschweigend mit gemeint], gemäß C.6.42.30xlv und D.35.1.102xlvi[, weil Summarium

zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Wer unter [Vertrags-]Strafe verpflichtet ist, an jemanden zu veräußern, der kann, wenn dieser sich in Verzug befindet, veräußern, an wen er will. Das sagt Bartolus. xlv  C.6.42.30 – Imp. Iustinianus: Der scharfsinnige und alle anderen überragend verdienstvolle Papinian hat in seinen Rechtsgutachten [responsa] festgestellt, dass, wenn jemand seinen Sohn zum Erben eingesetzt hat und ihn mit dem Vermächtnis der Herausgabe [der Erbschaft] nach [seinem] Tode belastet hat, diese Bestimmung nicht anders interpretiert werden soll, als [für den Fall,] wenn dieser Sohn ohne Nachkommen das Leben verlassen hätte. Wir bewundern zu Recht diesen Scharfsinn und gewähren einer derartigen Ansicht die vollständigste Wirkung, dass, wenn jemand solches angeordnet hätte, nicht nur wenn er den Sohn, sondern auch die Tochter, oder von Anfang an den Enkel oder die Enkelin oder den Urenkel oder die Urenkelin oder jede andere darauf folgende Nachkommenschaft als Erben eingesetzt hätte und diese mit dem Vermächtnis der Herausgabe [der Erbschaft] nach



II. Paraphrase des Consiliums159

diese Stellen sich auf Testamente beziehen, in denen der Wille des Erblassers nicht eindeutig klar formuliert ist. Im vorliegenden Fall aber hat Johannes de Lignano eine eindeutige und klare Anordnung getroffen, die keiner weiteren Interpretation über den Text hinaus zugänglich ist.] Obwohl, wenn der Erblasser für den Sohn ohne nähere Bestimmung einen Ersatzerben eingesetzt hätte, nach dem stillen Willen des Verstorbenen die Enkelin vom Sohn die Ersatzerbeinsetzung ausschlösse, wie es alle [Kommentatoren] zu den genannten Gesetzesstellen sagen, wird trotzdem, wenn für den Sohn ein Ersatzerbe eingesetzt wird, „wenn er ohne männliche [Nachkommen] versterben sollte“, wie es in unserem Fall geschehen ist, der Ersatzerbe nicht von den Töchtern des eingesetzten Sohnes ausgeschlossen, gemäß Bartolus xlvi

ihrem Tod belastet hätte, das nicht anders verstanden werden soll, als wenn diejenigen, die mit der Herausgabeverbindlichkeit belastet sind, ohne Söhne oder Töchter, oder ohne Enkel oder Enkelinnen verstorben sein werden, damit nicht der Anschein entstehe, dass der Erblasser fremde Ersatzerben/Nacherben den eigenen vorgezogen habe. [Diese Kaiserkonstitution legt also eine zwingende Auslegung fest: Die Erbeinsetzung unter der Bedingung der Herausgabe der Erbschaft an bestimmte Personen ist immer so zu verstehen, dass diese Bedingung nur dann eintreten soll, wenn der dann versterbende Erbe keine eigenen Nachkommen hat – und das unabhängig vom Geschlecht der eingesetzten Nachkommen und wiederum deren Nachkommen.] Summarium zu dieser Codexstelle, nach Salicetus: [Wenn] Nachkommen des Erblassers damit beschwert sind, die Erbschaft nach seinem Tode herauszugeben, wird das so ausgelegt, dass sie [nur] beschwert sind, wenn er ohne Kinder verstorben wäre. Das hat Salicetus gesagt. xlvi  D.35.1.102 – Papinianus 9. resp.: Nachdem ein Großvater seinen Sohn und einen Enkel vom anderen Sohn als Erben eingesetzt hatte, erbat er vom Enkel, dass er, wenn er vor dem dreißigsten Lebensjahr verstürbe, die Erbschaft an seinen Onkel väterlicherseits [den zweiten vom Großvater eingesetzten Erben also] herausgeben solle. Der Enkel verstarb [eigene] Kinder hinterlassend innerhalb des angegebenen Zeitraums. Ich habe [in meinem Rechtsgutachten] geantwortet, dass die Bedingung des Vermächtnisses wegen der Vermutung der Pietät [im Sinne der pflichtgemäßen Liebe für Verwandte] entfalle, weil es sich so darstellt, dass weniger geschrieben wurde, als gemeint gewesen ist. [Papinian legt also hier die Worte des Erblassers dahingehend aus, dass der Erblasser die Bedingung nur deswegen in sein Testament aufgenommen hatte, damit bei vorzeitigem Versterben des jüngeren Erben die Erbschaft nicht aus der Familie fällt, sondern dieser weiterhin zugute kommt. Das erklärt auch den Zeitraum bis zum dreißigsten Lebensjahr, denn bis dahin konnte der Erblasser wohl annehmen, dass auch der Onkel des eingesetzten Enkels leben würde und damit sichergestellt wäre, dass die Erbschaft innerhalb der Familie bleibt. Der eingetretene Fall aber verstößt nicht gegen die zu vermutende Vorstellung des Erblassers: die Erbschaft bleibt ja bei Weitergabe an die Urenkel des Erblassers – also die Kinder des eingesetzten Enkels – innerhalb der Familie. Der pietas ist damit Genüge getan. Eine Auslegung des Testaments über den Wortlaut hinaus ist damit begründet – es wird nach dem angedeuteten Willen des Erblassers gefragt und nicht auf einer ausschließlich am Wortlaut des Testamentes orientierten Auslegung verharrt.]

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de Saxoferrato in seiner Bemerkung zur besagten Stelle D.35.1.102xlvii. Weil der Erblasser gemäß diesem [= Bartolus] in dem Fall, in dem er will, dass die männlichen [Nachkommen] den Ersatzerben ausschließen, [ebenfalls] zu wollen scheint, dass weibliche [Nachkommen den Ersatzerben] nicht ausschließen: Argument aus D.35.1.63 pr.xlviii Und mit diesem [Argument] geht hier Johannes de Imola einher, und die modernen [Kommentatoren] in [ihren Ausführungen zu] dem besagten Gesetz C.6.42.30xlix. xlvii  D.35.1.102 – Papinianus 9. resp.: Nachdem ein Großvater seinen Sohn und einen Enkel vom anderen Sohn als Erben eingesetzt hatte, erbat er vom Enkel, dass er, wenn er vor dem dreißigsten Lebensjahr verstürbe, die Erbschaft an seinen Onkel väterlicherseits [den zweiten vom Großvater eingesetzten Erben also] herausgeben solle. Der Enkel verstarb [eigene] Kinder hinterlassend innerhalb des angegebenen Zeitraums. Ich habe [in meinem Rechtsgutachten] geantwortet, dass die Bedingung des Vermächtnisses wegen der Vermutung der Pietätspflicht [der pflichtgemäßen Liebe für Verwandte] entfalle, weil es sich so darstellt, dass weniger geschrieben wurde, als gemeint gewesen ist. [Die Auslegung des Testaments nach dem Willen des Erblassers findet aber sichtlich eine Grenze dann, wenn der Wortlaut des Testaments eindeutig und klar formuliert ist. Wenn im Testament eine Andeutung für den Willen des Erblassers gegeben ist, dann können auch Bedingungen, die im Testament nicht ausdrücklich erwähnt worden sind, hinein interpretiert werden, wie es Papinian in der angegebenen Stelle tat. Wenn aber, wie im vorliegenden Testament des Johannes de Lignano, der Wortlaut des Testaments eine ausdrückliche Grenze vorsieht, dann darf auch eine wohlwollende Auslegung des Testaments unter Einbeziehung des stillen, nicht verschriftlichten Willens des Erblassers diese Grenze nicht überschreiten.] Summarium zu dieser Digestenstelle: Bei einem Universalvermächtnis, das vom Sohn nach seinem Tod hinterlassen wurde, wird es so verstanden, wenn er ohne Kinder verstorben wäre. xlviii  D.35.1.63 pr. – Gaius 3 ad l. iul. et pap.: Wenn es so ein Vermächtnis gäbe „nur wenn sie nicht Titius heiratet“ oder so „nur wenn sie weder Titius noch Seius noch Maevius heiratet“ und schließlich wenn [noch] mehrere Personen aufgezählt worden sind, hat man beschlossen, dass sie das Vermächtnis einbüßt, wenn sie irgendeinen von diesen heiratet. Eine solche Bedingung kann man nicht [unter das gesetzliche Verbot] subsumieren, wonach [nicht das Verbleiben im] Witwenstand auferlegt [werden darf], da sie jeden beliebigen Anderen zu recht und wirksam heiraten kann. [In der beschränkenden Bedingung sieht Gaius also nur diese ausdrückliche Beschränkung. Die verallgemeinerte Ableitung, dass das Verbleiben im Witwenstand gemeint sei, lässt er nicht zu. Solange neben der beschränkenden Bedingung also rechtlich zulässige Alternativen bestehen, bleibt diese Bedingung gültig. Angewandt auf die Bedingung im Testament des Johannes de Lignano lässt sich daraus schließen, dass eben nur weitere männliche Nachkommen die Ersatzerbschaft verhindern. Jeder andere zulässige Fall – eben auch das Auftreten weiblicher Nachkommen – schränkt die Ersatzerben nicht weiter ein. Wenn Johannes de Lignano das gewollt hätte, hätte er das auch ausdrücklich so schreiben müssen.] xlix  C.6.42.30 – Imp. Iustinianus: Der scharfsinnige und alle anderen überragend verdienstvolle Papinian hat in seinen Rechtsgutachten [responsa] festgestellt, dass, wenn jemand seinen Sohn zum Erben eingesetzt hat und ihn mit dem Vermächtnis



II. Paraphrase des Consiliums161

Und für dieses [Argument] spricht, was Ludovicus Pontanus de Roma in seinem 370. Rechtsgutachten bemerkt – und auch Petrus de Ancharano in seinem 41. Rechtsgutachten. Beide [Rechtsgelehrten] sagen, dass alle Universitätslehrer(, die diesen Stoff behandeln,) diese Argumentation bringen und dass sie sich dabei sichtlich [auf die Gesetzesstellen] stützen als eine gesetzliche Vermutung. Wenn aber [ein Sonderfall vorliegt und] eine entgegengesetzte gesetzliche Vermutung erscheint, dann scheidet die Regelung dieser [beiden] Gesetzesstellen aus. Sie [= Ludovicus Pontanus de Roma und Petrus de Ancharano] berufen sich auf das, was von Cinus de Pistorio zu C.6.21.6 l und zu C.6.26.8li angemerkt worden ist. der Herausgabe [der Erbschaft] nach [seinem] Tode belastet hat, diese Bestimmung nicht anders interpretiert werden soll, als [für den Fall,] wenn dieser Sohn ohne Nachkommen das Leben verlassen hätte. Wir bewundern zu Recht diesen Scharfsinn und gewähren einer derartigen Ansicht die vollständigste Wirkung, dass, wenn jemand solches angeordnet hätte, nicht nur wenn er den Sohn, sondern auch die Tochter, oder von Anfang an den Enkel oder die Enkelin oder den Urenkel oder die Urenkelin oder jede andere darauf folgende Nachkommenschaft als Erben eingesetzt hätte und diese mit dem Vermächtnis der Herausgabe [der Erbschaft] nach ihrem Tod belastet hätte, das nicht anders verstanden werden soll, als wenn diejenigen, die mit der Herausgabeverbindlichkeit belastet sind, ohne Söhne oder Töchter, oder ohne Enkel oder Enkelinnen verstorben sein werden, damit nicht der Anschein entstehe, dass der Erblasser fremde Ersatzerben/Nacherben den eigenen vorgezogen habe. l  C.6.21.6 – Imp. Alexander Severus: Wenn nämlich in einem Testament jemand, der kein Soldat gewesen ist[, da für Soldaten besondere Regeln gelten, wie im nächsten Absatz beschrieben wird], zwei [Personen] als Erben eingesetzt hat, eine, für die der Vater bis zu [ihrer] Mündigkeit ein Testament machen konnte, und eine [Person], für die, nachdem sie [erst einmal] Erbe geworden ist, kein Ersatzerbe eingesetzt werden konnte, und mit denselben Worten eine wechselseitige Ersatzerb­ einsetzung vorgenommen hat, sollen sie diese Stellung [nämlich als wechselseitige Ersatzerben] sowohl nach der Meinung der Rechtsgelehrten als auch nach den Kons­ titutionen meiner hohen Vorfahren nur in dem Fall innehaben, in dem beide auf gleiche Art als Ersatzerben eingesetzt werden konnten. Du trägst aber vor, dass der Streit aus dem Testament eines Soldaten entstanden ist, dessen kleine Tochter, mit der du zu gleichen Teilen als Erbe eingesetzt und gegenseitig zu Ersatzerben eingesetzt worden bist, nachdem sie Erbin ihres Vaters geworden ist, gestorben ist, und dass nun die Mutter Nachfolge aufgrund gesetzlicher Erbschaft beansprucht, wohingegen du behauptest, dass die Erbschaft dir aus der Ersatzerbenstellung zustehe. Es steht jedoch die Regel des Gesetzes offensichtlich fest, dass es den Soldaten wegen eines eigenen Privilegs [einem besonderen Erbrecht für milites] erlaubt ist, den verstorbenen [Erben], nachdem sie bereits Erben geworden sind, fremde Personen als Ersatzerben einzusetzen. Aber von dir ist zu beweisen, ob dein Bruder das so gemeint hat. Summarium zu dieser Codexstelle, nach Alexander Tartagnus: Durch eine wechselseitige Einsetzung zu Ersatzerben von ungleichen Personen ohne eine kurzgefasste [Begründung] werden nur diejenigen allgemeinen Ersatzerbeinsetzungen beschränkt, die für eine beliebige [Person] von diesen [hier handelnden Personen] [auch] vorgenommen werden durften. Aber die Ersatzerbeinsetzung eines Unmündi-

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Wenn also der Erblasser die Studenten den weiblichen [Nachkommen] der Söhne vorgezogen hat, dann ist daraus zu ersehen, dass er umso mehr li

gen, die nicht vorgenommen werden durfte, es sei denn [sie wäre] von einem von diesen [unmündigen Personen] vorgenommen worden, hemmt [die allgemeinen Ersatzerbeinsetzungen] nicht. Und sie hemmt auch nicht die Ersatzerbeinsetzung eines Soldaten, auch wenn diese [Ersatzerbeinsetzung] wegen des Privilegs der Soldaten von einer beliebigen [Person] von diesen hätte vorgenommen werden dürfen. [Und das ist so,] weil im Zweifel angenommen wird, dass ein Soldat das allgemeine Recht anwenden wollte und nicht das Privileg. Und diese [Vermutung gilt], es sei denn es wäre ein Anderes aus dem Willen des Soldaten bewiesen. Das hat Alexander Tartagnus gesagt. [Cinus de Pistorio erwägt in seinem Codexkommentar zu dieser Stelle die unterschiedlichen Rechtspositionen, die zur testamentarischen Erbeinsetzung durch einen Soldaten vertreten werden. Er kommt zu dem Ergebnis, dass stillschweigend die eigentlich im Ius Commune übliche Ersatzerbeinsetzung gewollt ist. Siehe Cinus, fol. 363r.] li  C.6.26.8 – Impp. Diocletianus et Maximianus: Du hättest dich in deiner Bittschrift deutlicher ausdrücken müssen, ob dein verstorbener Ehemann, der Soldat war und von dem du behauptest, dass er euren gemeinschaftlichen Sohn zum Erben eingesetzt hat und dass er einen zweiten Erben [in das Testament] aufgenommen hat, [ob also dein Ehemann den letztgenannten Erben] entweder vorrangig [in primum casum] [als sofortigen Miterben] [oder nur] als Ersatzerben eingesetzt hat für seinen Sohn, den er zur Zeit seines Todes in väterlicher Gewalt gehabt hat, wenn dieser bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr verstürbe. Denn es ist rechtlich nicht unklar [sondern eben unzweifelhaft], dass, wenn dem in väterlichen Gewalt eines Soldaten befindlichen Sohn vorrangig [primo casu] ein Ersatzerbe [und eben kein Miterbe] bestimmt worden ist und [der Sohn] Erbe seines Vaters geworden ist, nachdem dieser [Sohn] gestorben ist, in jeder Hinsicht dir die Nachfolge nach diesem zusteht. Summarium zu dieser Codexstelle, nach Alexander Tartagnus: Ein gewöhnlicher Ersatzerbe wird durch den Erbschaftseintritt eines eingesetzten [Erben] [von der Ersatzerbschaft] ausgeschlossen. Und er wird auch nicht [als Erbe] zugelassen aufgrund des unmündigen Schweigens [= der Geschäftsunfähigkeit von Unmündigen], wenn die Mutter des Unmündigen dazwischen [= Zwischenerbin] gewesen ist. Derjenige aber, der ausdrücklich als Unmündiger als Ersatzerbe eingesetzt worden ist, wird durch den Erbschaftsantritt nicht ausgeschlossen. Aber er wird, nachdem die Mutter ausgeschlossen worden ist, zugelassen zur Erbschaft nach einem Unmündigen, der im unmündigen Alter verstirbt. Dasselbe [gilt], wenn der Ersatzerbe für sich einen Vorteil hätte[, wenn] der Unmündige in unmündigem Alter verstürbe. Wenn er aber danach verstürbe, wird der Ersatzerbe nicht wegen der Unmündigkeit zur Erbschaft des Unmündigen zugelassen. Aber wegen der Vermächtnisse sind ihm nur die Güter des Erblassers von der Mutter herauszugeben, die dem Erben gehörten bei gesetzlicher Erbfolge nach dem Sohn. Das hat Alexander Tartagnus gesagt. [Cinus de Pistorio stellt diesen gesetzlichen Sonderregelungen für die Erbeinsetzung durch Soldaten die gesetzlichen Vermutungen gegenüber und versucht beide Positionen in Ausgleich zu bringen. Bei der Gelegenheit spricht Cinus gleich sämtliche Unterschiede zwischen der Erbeinsetzung Minderjähriger und Volljähriger an. Anhand vieler verschiedener Meinungen wird der Gegensatz zwischen dem Ius Commune und den spezialgesetzlichen Regelungen aufgezeigt und durch Auslegung



II. Paraphrase des Consiliums163

seine männlichen Nachkommen vor jenen weiblichen bevorzugte. {90v} Andernfalls würde ja das Absurde folgen, dass die mehr Geliebten schlechter gestellt sind als die weniger Geliebten – entgegen D.35.1.36.1lii und [mit einer ähnlichen Denkfigur auch] D.35.2.87.7liii. Deshalb wird an andein

Ausgleich gebracht. Keine von beiden Materien erhält den Vorrang, vielmehr abstrahiert Cinus diese Fälle und bringt sie zu einer einheitlichen Lösung, die beide Seiten bedient. Siehe Cinus, fol. 377v–381v.] lii  D.35.1.36.1 – Marcellus l.S. resp.: Titia ordnet in einem Kodizill über Grundstücke, die sie durch Testament der Septicia hinterlassen hat, an: „Von dir, Septicia, erbitte ich, dass du meinem Sohn, wenn er ein Alter von sechzehn Jahren erreicht hat, diese Grundstücke herausgibst. Wenn aber mein Sohn sechzehn Jahre nicht vollendet, bitte ich, dass du diese dem Publius Maevius und dem Gaius Cornelius herausgibst und übereignest.“ Ich frage, wenn Septicia verstirbt und schließlich der Sohn im fünfzehnten Lebensjahr [also vor Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres] verstirbt, ob das Vermächtnis sofort erfüllt wird, nachdem [jetzt nun bei Erstattung des Gutachtens] das fünfzehnte Jahr erreicht ist, und die Erben der Septicia das [Vermögen] an Publius Maevius und Gaius Cornelius herausgeben müssen. Marcellus antwortet [in seinem Rechtsgutachten], dass Septicia das Recht, welches sie an diesen Grundstücken gehabt hat, auf ihren Erben übertragen soll. Denn es scheint gegen den Willen der Erblasserin zu sein, die sofortige Erfüllung des Vermächtnisses zu verlangen, weil mehr an die Ersatzerben gelangen würde, als an den Jungen oder an die Erben der Septicia hätte gelangen können. Zwar scheint nach den Worten das Vermächtnis sofort in Kraft zu treten, aber es ist nicht wahrscheinlich, dass die Erblasserin das [Vermögen] schon eher an die Ersatzerben übertragen wollte. E s ä n d e r t a u c h n i c h t s , d a s s S e p t i c i a f r ü h e r v e r s t o r b e n i s t , d e n n d i e E rben der Septicia könnten, wenn der Junge noch lebte, nicht eher als d i e S e p t i c i a [ s e l b s t ] b e k l a g t w e rd e n . [Der Sohn ist mehr geliebt als die Ersatzerben und bis zu seinem sechzehnten Geburtstag ist Septicia mehr geliebt als der Sohn. Wenn die Ersatzerben sofort die Grundstücke bekämen, wären sie aber besser gestellt, als der Sohn gestellt gewesen wäre, wenn er nicht verstorben wäre.] liii  D.35.2.87.7 – Iulianus 61 dig.: Jemand, der zwei unmündige Söhne hat, setzte den einen [Sohn] als [seinen] Erben ein und enterbte den anderen. Schließlich setzte er für den eingesetzten [Erben] den enterbten [Sohn] als Ersatzerben ein und für den enterbten [Sohn] wiederum den Maevius als Ersatzerben ein und verpflichtete diesen [Maevius] zur Auskehrung von Vermächtnissen. Der enterbte [Sohn] wurde dann [tatsächlich] zum Erben des eingesetzten [Sohnes] und verstarb schließlich [selbst] als Unmündiger. Da nach der Entscheidung des Vaters das väterliche Vermögen durch die Ersatzerbeneinsetzung im Wege der Erbschaft an diesen [Maevius] gefallen ist, kann gesagt werden, dass die hinterlassenen und von diesem [Maevius] auszukehrenden Vermächtnisse nach der Berechnung auf Basis der Lex Falcidia aus den Gütern zu leisten sind, die der Vater zur Zeit des Todes hinterlassen hat. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Ersatzerbe, dadurch dass der Vater dem enterbten [Sohn] ein Vermächtnis gegeben hat, nicht mehr zur Auskehr der [anderen] Vermächtnisse verpflichtet sein wird, weil in diesem Fall kein Teil der väterlichen Erbschaft, sondern nur ein Vermächtnis an diesen [enterbten Sohn] fällt. Jemand sagt: wie wäre es also, wenn der enterbte Sohn nicht aufgrund der Ersatzerbeneinsetzung zum Erben seines Bruders würde, sondern entweder kraft Gesetzes oder

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rer Stelle gesagt, dass, wo gewöhnlicherweise eine Ersatzerbeinsetzung für einen bestimmten Fall auf einen anderen Fall ausgedehnt wird, dies dennoch nicht geschehen soll, wenn diese Ausdehnung bewirken würde, dass ein weniger Geliebter bevorzugt wird: so die oben notierte [Stelle der] Glosse, die scharfsinnig durch Bartolus de Saxoferrato verteidigt wird bei D.28.6.33.1liv. {Für dieses Argument} spricht, was Bartolus de Saxoferrato und andere bei D.28.2.29.13lv anmerken. Sie schließen sich Ricardus an, in dem Fall, durch eine Zwischenperson, und dann unmündig verstirbt? Ist also auch dann zu entscheiden, dass der Ersatzerbe die Vermächtnisse [ungekürzt um das Viertel der Lex Falcidia] auskehren muss? Keineswegs, denn wie sehr es sich unterscheidet, ob der enterbte Sohn aufgrund der Ersatzerbeneinsetzung zum Erben seines Bruders wird oder auf eine andere Art, wird schon daraus ersichtlich, dass der Vater ihn im ersten Fall zur Auskehrung von Vermächtnissen verpflichten kann, [und ihn] im anderen Fall nicht [dazu verpflichten] kann. E s s t i m m t d a h e r m i t d e r Ve r n u n f t ü b e re i n , d a s s d e r E r b l a s s e r g e g e n ü b e r d e r P e r s o n d e r E r s a t z e r b e n nicht mehr Rechte haben soll, als er gegenüber der [Person] hatte, für die er [= der Erblasser] ihn [= den Ersatzerben] als Ersatzerben einsetzte. [Die Rechtsposition des Erblassers gegenüber dem Ersatzerben ist also nicht stärker als gegenüber dem Erben. Der Ersatzerbe darf nicht schlechter gestellt werden als der Erbe, da sonst das Institut der Ersatzerbschaft (substitutio) unterwandert würde.] liv  D.28.6.33.1 – Africanus 2 quaest.: Wenn ein Sohn und ein [gegebenenfalls] posthum geborener Enkel so als Erben eingesetzt werden, wie Gallus Aquilius anmerkt, und für den Enkel, wenn er nicht Erbe wird, Titius als Ersatzerbe eingesetzt wird, dann, wenn der Sohn Erbe wird, ist Titius in jedem Fall ausgeschlossen, auch wenn kein Enkel geboren wird. So hat er geantwortet. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Eine Mutter darf den Sohn im Zeitpunkt der Mündigkeit als Erben einsetzen und für ihn auf gewöhnliche Weise einen Ersatzerben einsetzen. lv  D.28.2.29.13 – Scaevola 6 quaest.: [Das gilt auch] wenn sie noch zu Lebzeiten des versprechenden Elternteils geboren wurden. Im folgenden Teil will [der Erblasser], dass die, die in die Stellung der Kinder nachrücken, das Testament nicht vernichten: Und das wird so ausgelegt: wenn jemand einen Sohn, einen Enkel und einen Urenkel hat und beide [= Sohn und Enkel] versterben, dass [dann] der Urenkel in die Stellung eines Eigenerben [suus heres] nachrückt und [diese Nachfolge in die Stellung der Erben] nicht [das Testament] zerstört. Und die Worte: „wenn einer von den Eigenerben aufhört, Eigenerbe zu sein“ passen gut, und betreffen alle Fälle, welche, wie wir gesagt haben, im Ausspruch [sententia] von Gallus Aquilius zu ergänzen sind. Nicht nur [die Fälle], wenn der Enkel zu Lebzeiten des Vaters stirbt, [oder die Fälle, wenn] der nachfolgende Urenkel nach dem Tod des Großvaters [das Testament] zerstört, sondern [die Worte betreffen] auch [die Fälle], wenn er den Vater überlebt [und dann] verstirbt. [Das gilt aber] nur, wenn er zum Erben eingesetzt worden ist oder enterbt worden ist. [Bartolus de Saxoferrato äußert sich in seinem Digestenkommentar dergestalt, dass in diesem Fall die nicht im Testament erwähnten, gesetzlichen Erben den tes-



II. Paraphrase des Consiliums165

dass der Erblasser einen Sohn als Erben eingesetzt hat und, falls er ohne Kinder verstirbt, Gaius und die Erben des Gaius als Ersatzerben eingesetzt hat. Und es geschieht, dass der Sohn ohne Kinder verstirbt, aber Gaius schon vorher verstorben ist. Gewiss werden die fremden Erben des besagten Gaius nicht zur Ersatzerbschaft zugelassen. Denn, obwohl in anderen Fällen der Begriff „Erben“ auch fremde Erben mit umfasst, wie C.6.37.22lvi zeigt, sind sie in diesem Fall nicht mit gemeint, sondern sind [die Worte des Erblassers] zu interpretieren für die erbende Nachkommenschaft des Gaius – damit nicht ein Ungewolltes eintritt entgegen dem Willen des Erblassers. Denn so wie der Erblasser seinen lebenden Sohn mehr liebte als Gaius, so lässt sich sagen, dass er den Erben des Sohnes [gegenüber den fremden Erben des Gaius] bevorzugt hat: D.35.1.36.1lvii.

tamentarisch Genannten vorgehen sollen. Der Erblasser hat demnach die gesetzlichen Erben stillschweigend zu Ersatzerben des testamentarisch eingesetzten Erben berufen und damit die (eigenen) Enkel bevorzugt – und zwar, weil es sich dabei um die wahren Nachkommen als eigene Kindeskinder handelt – im Gegensatz zu den uneigentlichen Nachkommen, die nur durch Ausscheiden ihres Vaters (also des im Testament benannten Ersatzerben) dazwischen treten und in der Erbrechtsfolge den ersten Rang einnehmen. Siehe Bartolus, Infort., Bd. 1, fol. 114v–115v.] lvi  C.6.37.22 – Imp. Iustinianus: Wir ordnen an, dass bei jährlichen Vermächtnissen, bei denen ein Erblasser wollte, dass sie nicht nur bestimmten Personen, sondern auch deren Erben geleistet werden, der Anspruch auf diese [Vermächtnisse] allen Erben und den Erben der Erben gemäß dem Willen des Erblassers zustehen soll. [Hier sind vom Begriff der „Erben“ nicht nur die selbst bestimmten Erben sondern eben auch die von den Erbenden selbst bestimmten Erben umfasst.] lvii  D.35.1.36.1 – Marcellus l.S. resp.: Titia ordnet in einem Kodizill über Grundstücke, die sie durch Testament der Septicia hinterlassen hat, an: „Von dir, Septicia, erbitte ich, dass du meinem Sohn, wenn er ein Alter von sechzehn Jahren erreicht hat, diese Grundstücke herausgibst. Wenn aber mein Sohn sechzehn Jahre nicht vollendet, bitte ich, dass du diese dem Publius Maevius und dem Gaius Cornelius herausgibst und übereignest.“ Ich frage, wenn Septicia verstirbt und schließlich der Sohn im fünfzehnten Lebensjahr [also vor Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres] verstirbt, ob das Vermächtnis sofort erfüllt wird, nachdem [jetzt nun bei Erstattung des Gutachtens] das fünfzehnte Jahr erreicht ist, und die Erben der Septicia das [Vermögen] an Publius Maevius und Gaius Cornelius herausgeben müssen. Marcellus antwortet [in seinem Rechtsgutachten], dass Septicia das Recht, welches sie an diesen Grundstücken gehabt hat, auf ihren Erben übertragen soll. Denn es scheint gegen den Willen der Erblasserin zu sein, die sofortige Erfüllung des Vermächtnisses zu verlangen, weil mehr an die Ersatzerben gelangen würde, als an den Jungen oder an die Erben der Septicia hätte gelangen können. Zwar scheint nach den Worten das Vermächtnis sofort in Kraft zu treten, aber es ist nicht wahrscheinlich, dass die Erblasserin das [Vermögen] schon eher an die Ersatzerben übertragen wollte. E s ä n d e r t a u c h n i c h t s , d a s s S e p t i c i a f r ü h e r v e r s t o r b e n i s t , d e n n d i e E rben der Septicia könnten, wenn der Junge noch lebte, nicht eher als d i e S e p t i c i a [ s e l b s t ] b e k l a g t w e rd e n .

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Der Erblasser hat, wie ich sagte, die männliche Nachkommen mehr geliebt als die armen Studenten, weil er sie [= die männlichen Nachkommen] den Studenten vorgezogen hat. Und es wird vermutet, dass der zuerst Genannte mehr geliebt ist: D.7.1.34 pr.lviii Daraus folgt, da er ja die armen Studenten vorgezogen hat vor der weiblichen Nachkommenschaft, auch wenn sie von Männern abstammt, dass er umso mehr die männlichen Nachkommen vor den weiblichen bevorzugen wollte. Hierfür spricht D.44.3.14.3lix und VI.3.7.7lx: „Wenn ich jemanden übertreffe, der dich übertrifft, übertreffe ich dich.“ lviii  D.7.1.34 pr. – Iulianus 35 Dig.: I m m e r, w e n n z w e i P e r s o n e n e i n N i e ßb r a u c h s o v e r m a c h t w i rd , d a s s s i e a b w e c h s e l n d j e w e i l s e i n J a h r l a n g d e n N u t z e n h a b e n s o l l e n , u n d w e n n d a s [ i n d e r F o r m ] v e r m a c h t w o rd e n i s t : „ Ti t i u s u n d M a e v i u s “ , d a n n k a n n m a n s a g e n , d a s s e r s t Ti t iu s u n d n u r n a c h i h m M a e v i u s d a s Ve r m ä c h t n i s g e g e b e n w o rd e n i s t . Wenn die zwei [Personen] tatsächlich denselben Namen gehabt hätten und es so geschrieben worden wäre: „Ich gebe den [beiden] ‚Titius‘ den Nießbrauch für abwechselnde Jahre“ und sie nicht übereingekommen wären, welcher von beiden zuerst [den Nießbrauch] ausüben solle, so werden sie sich gegenseitig behindern. Was [geschieht], wenn Titius in dem Jahr, in dem er die Nutzungen gezogen hat, das Eigentum [am mit dem Nießbrauch belasteten Grundstück] angenommen hatte, [dann darf er] in der Zwischenzeit [= in dem ihn als Nießbraucher berechtigenden Jahr] nicht das Vermächtnis [= den Nießbrauch] haben, [wobei] aber der Nießbrauch im anderen Jahr [weiterhin] dem Maevius gehört. Und wenn Titius das Eigentum [in einem solchen ihn eigentlich als Nießbraucher berechtigenden Jahr] veräußern würde, dann bliebe ihm [wieder] der Nießbrauch. [Denn es verhält sich hier ebenso, wie] wenn mir ein Nießbrauch unter einer Bedingung vermacht worden ist und ich in der Zwischenzeit [= vor Eintritt der Bedingung] das Eigentum vom Erben erlangt habe und ich [ebenfalls] mit derselben schwebenden Bedingung [also vor Eintritt der Bedingung] veräußert haben werde, ich dennoch zu [diesem] Vermächtnis [= dem Nießbrauch] berufen sein werde. [Im ersten Jahr ist also Titius an der Reihe und erst im zweiten Jahr Maevius. Iulianus hält also den Erstgenannten für vorzugswürdig.] lix  D.44.3.14.3 – Scaevola l.S. quaest. publ. tract.: Und wenn du mir ein Pfand gegeben hast und ich dieselbe Sache [also dieses Pfand] einem anderen verpfändet habe, wird sich mein Gläubiger deine Besitzzeit zunutze machen [für seine Ersitzungszeit] sowohl gegen einen Fremden als auch gegen dich selbst, solange du mir das Geld nicht bezahlt haben wirst. D e n n w e r m ä c h t i g e r i s t a l s i c h , w e n n i c h d i c h ü b e r t re f f e , d e r m u s s u m s o m e h r g e g e n d i c h o b s i e g e n . Hast du mir aber das Geld bezahlt, in diesem Fall wird deine Besitzzeit nicht angerechnet. lx  VI.3.7.7 – Bonifacius VIII papa: Nachdem auf Befehl unseres Vorgängers Papst Martin eine bestimmte [Person] in der Kirche zu Parma als Domherr aufgenommen worden war [mit einer Anwartschaft] auf die nächste freiwerdende Präbende, die keinem Anderen von Rechts wegen geschuldet ist, und [dann] aufgrund einer gleichartigen, von uns [gewährten] Gnade ein Anderer in derselben Kirche an zweiter [Stelle] aufgenommen worden ist, wird schließlich ein Dritter auf unseren Befehl als Domherr und Geistlicher in diese Kirche zu Parma aufgenommen mit dem Vorrecht der Gnade, dass er [zwar] allen, die aufgrund eines Befehls unserer Vorgänger, nicht aber [denen, die] aufgrund unseres [Befehls] [als Domherr] aufgenommen



II. Paraphrase des Consiliums167

Jene Worte des Verbotes von Veräußerungen, nämlich dass die Erbschaft „in der Familie“ verbleiben solle, bewirken ein wechselseitiges Vermächtnis, wie ich oben nachgewiesen habe. Und darum sind weibliche Nachkommen von männlichen [Nachkommen] nicht zu diesem [Vermächtnis] berufen. Und jenes Wort „aus der Familie“ umfasst [hier] nur Männer aus der männlichen Nachkommenschaft des Erblassers, damit nicht das besagte Absurde folgt. Ein gutes Argument hierfür liefern D.30.(1).17 pr.lxi und D.30.(1).26.2lxii mit Parallelstellen, wo belegt wird, dass ein Teil des Testaments einen anderen erklärt. [wurden],

bei der Nachfolge in die Präbende vorgehen müsse. Nachdem jedoch in der erwähnten Kirche eine gewisse Präbende frei geworden ist, wird gefragt, wer von ihnen [welchem] Anderen vorgezogen werden soll und gemäß welcher Reihenfolge die drei vorgenannten [Personen] Präbenden erhalten sollen. We i l n u n a u s dem Zusammenhang der dem Dritten von uns zugestandenen Gnade klar hervortritt, dass wir wollten, dass der Dritte dem ersten und d e r Z w e i t e d e m D r i t t e n v o rg e h e [anteferri] , e n t s c h e i d e n w i r, d a s s d e r Z w e i t e d i e e r s t e [ f re i w e rd e n d e ] P r ä b e n d e , d e r D r i t t e d i e z w e i t e u n d d e r E r s t e d i e d r i t t e e rh a l t e n s o l l , [ w e i l ] s o n s t d i e O rd n u n g d e s B ef e h l s k e i n e s w e g s b e o b a c h t e t w i rd . Denn obwohl nämlich der Zweite seiner [eigenen] Person [wegen] die erste [Präbende] nicht erhalten könnte, bekäme er die [Präbende] doch wegen [der Klausel anteferri] des Dritten, der den Ersten überwindet. [Derselbe Schluss wird auch im römischen Recht (D.38.17.2.15–17) gezogen] bei der Erbfolge dessen, der stirbt, ohne ein Testament errichtet zu haben. Er hinterlässt den Vater, der durch Adoption in eine [andere] Familie gelangt war, die Mutter und einen Bruder. Bei dieser Erbfolge schließt der Vater durch sich [= seine Existenz] die Mutter aus. Weil aber der [nächste] Verwandte in männlicher Linie [agnatus] einen solchen Vater übertrifft [und der nun einer fremden Familie angehörende Vater juristisch für die Ursprungsfamilie wegfällt] und die Mutter [wiede­ rum] den männlichen Verwandten übertrifft, wird bei einer derartigen Erbfolge die Mutter dem Vater nicht wegen [ihrer eigenen Person] sondern wegen der Person des männlichen Verwandten vorgezogen. lxi  D.30.(1).17 pr. – Ulpianus 15 ad Sab.: Wenn jemand „den Töchtern“ ein Vermächtnis hinterlassen hat, falls er in irgendeinem Teil des Testaments noch zukünftig geborene [Töchter] erwähnt hat, dann wird interpretiert, dass er bei dem Vermächtnis an „die Töchter“ auch die nachgeborene [Tochter] mitgemeint hat. [Das bedeutet im Umkehrschluss, dass, wenn die nachgeborene Tochter nirgends im Testament erwähnt wird, sie auch nicht an der anderen Stelle, an der den Töchtern allgemein etwas hinterlassen wird, als von diesem Vermächtnis umfasst begriffen werden kann. Es wird hier also aus einem Teil des Testaments eine Vermutung für einen anderen Teil des Testaments getroffen.] lxii  D.30.(1).26.2 – Pomponius 5 ad Sab.: Wenn ein Teil der Güter als Vermächtnis hinterlassen wurde, ist zweifelhaft, ob Miteigentum an Gegenständen oder der Schätzpreis von Gegenständen geschuldet wird. Sabinus nämlich und Cassius meinten, es sei der Schätzpreis geschuldet. Proculus und Nerva meinten, Miteigentum sei vermacht. Aber man muss dem Erben zuhilfe kommen, damit er wählen soll, ob er lieber Miteigentum an den Gegenständen oder den Schätzpreis erhalten möchte. Der Erbe wird nämlich bei denjenigen Gegenständen Miteigentum zugestehen, die ohne

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Obwohl also der Vater oben einfach nur von „Familie“ und „Kindern“ gesprochen hat, zeigt sich aus den weiter unten stehenden Worten, dass der Erblasser nur männliche [Nachkommen] gemeint hat.  Hierfür spricht, was ich an anderer Stelle diskutiert und entschieden gefunden habe: Nämlich, wenn der Vater eine Tochter als Erbin eingesetzt hat und ihr einen Fremden als Ersatzerben bestimmt hat, falls sie ohne männliche Kinder stirbt, und sie später unter Hinterlassung eines männlichen Enkels von einer Tochter dieser Tochter stirbt, dann wird der Ersatzerbe ausgeschlossen, weil in diesem Fall vermutet wird, dass der Erblasser den männlichen Urenkel, der von der Tochter der Tochter geboren werden wird, vorziehen wollte, genau wie er den Enkel von der Tochter vorziehen wollte. Dies bekräftigt der hervorragende Gelehrte Herr Phillipus Corneus de Perusio [in seinem Kommentar] zu C.6.46.1lxiii in der siebten Spalte mit den Gründen, die man dort ersehen kann.   Wenn es kein Statut gibt, das die weiblichen [Nachkommen] ausschließt. 4 Und das wäre umso mehr wahr, wenn es an dem Ort ein Statut [= ein regionales Gesetz] gäbe, das bei Vorhandensein von männlichen [Nachkommen] keine mit Mitgift ausgestatteten weiblichen [Nachkommen] erben sollen, wie es üblich ist in ganz Italien.5 Und es scheint, dass auch in Bologna [ein solches Statut] galt zu der Zeit, als der Erblasser lebte. Denn in seinem Kommentar zum Titel „Von den Testamenten“ spricht er übrigens Fragen zur Interpretation eines solchen Statuts an. In diesem Fall nämlich 4  Andere

Hand. exclusio propter dotem, siehe Mayali und Kuehn, Cont. & Change, 2 (1987), S. 11–36. 5  Zur

Schaden

geteilt werden können: Wenn aber [die Gegenstände] von Natur aus unteilbar sind oder nicht ohne Schaden geteilt werden können, dann ist jedenfalls der Schätzpreis durch den Erben zu leisten. [Diese Stelle bestimmt eine gesetzliche Vermutung für den Fall, dass der Erblasser keine ausdrückliche Teilungsanordnung verfügt hat und auch nirgends sonst im Testament ein entgegenstehender Wille des Erblassers angedeutet ist.] lxiii  C.6.46.1 – Impp. Severus, Antoninus: Du trägst vor, dass der Erblasser der trallianischen Familie ein Vermächtnis bestimmt hat, [zu leisten] von dem, den er als teilweisen Erben eingesetzt hatte, und zwar, wenn jener Eingesetzte ohne Kinder versterben würde. Und jener [= der Eingesetzte] hatte einen Enkel, den er von einer Tochter empfangen hat, als Erben eingesetzt. So ist es offensichtlich, dass die dem Vermächtnis beigefügte Bedingung fehlgeschlagen ist, e s s e i d e n n , e i n a n d e re r Wi l l e d e s Ve r s t o r b e n e n k ö n n t e e v i d e n t b e w i e s e n w e rd e n . [Auch hier handelt es sich um eine widerlegbare gesetzliche Vermutung, die nur dann gilt, wenn kein entgegenstehender Wille des Erblassers im Testament angedeutet ist.]



II. Paraphrase des Consiliums169

müsste man noch mehr ohne jeden Zweifel sagen, dass weibliche [Nachkommen] nicht zum Vermächtnis berufen sind – wegen der Bemerkung von Petrus de Ancharano bei D.2.14.35lxiv, wo er sagt, dass er gegutachtet hat, wenn weibliche Töchter von der gesetzlichen Erbfolge durch ein Statut ausgeschlossen werden, dass dann vermutet wird, dass ein Vater, der seine „Kinder“ einsetzt, nur die männlichen meint und die weiblichen nicht berufen will, nämlich um sich dem Sinn des Statuts anzupassen. {91r}  Wenn es fremde Ersatzerben gibt. 6 Anders [wäre es,] wenn [der Erblasser] einen Fremden[, der nicht aus der Familie stammt, als Erbe] eingesetzt hätte. Und [als Argument] dafür, dass im Zweifel gilt, dass der Erblasser sich dem Statut anpassen will, spricht die Entscheidung des Bartolus de Saxoferrato zu D.38.1.7.6lxv und [die Entscheidung] vieler Anderer, die ich [hier] nicht erwähne: [erstens,] weil die Entscheidungen allgemein bekannt sind [und zweitens,] weil Andreas Siculus Barbatia diese [Entscheidungen] oft in seinen Vorlesungen angeführt hat, am meisten zu X.3.26.18lxvi an zwei Stellen  nämlich auf dem zwei6  Andere

Hand.

lxiv  D.2.14.35 –

Modestinus 2 resp.: Drei Geschwister, Titius und Maevius und Seia, teilten eine gemeinschaftliche Erbschaft unter sich auf und errichteten dabei Urkunden, in denen sie erklärten, sie hätten die Erbschaft von ihrer Mutter geteilt und nichts ungeteilt übrig gelassen. Aber später erfuhren zwei von den Geschwistern, nämlich Maevius und Seia, die zur Zeit des Todes ihrer Mutter abwesend waren, dass durch ihren Bruder [Titius] Goldstücke weggenommen worden waren, von denen keine Erwähnung in der Teilungsurkunde enthalten war. Ich frage, ob trotz des Teilungsvertrages den Geschwistern gegen den Bruder ein Anspruch wegen des geraubten Geldes zusteht. Modestinus antwortete: Wenn den Geschwistern in Bezug auf den Vermögensteil, der durch Titius geraubt wurde, die allgemeine exceptio pacti conventi entgegengehalten wird, dass sie [= die Geschwister] dann erfolgreich die replicatio doli vorbringen können. [Die konkrete Bemerkung lässt sich leider nicht bestimmen, da scheinbar weder handschriftlich noch gedruckt repetitiones von Petrus de Ancharano zu den Digesten vorliegen.] lxv  D.38.1.7.6 – Ulpianus 28 ad Sab.: Wenn Kinder eines Freilassers [= patronus] zu unterschiedlichen Teilen [von ihm als Erben] eingesetzt worden sind, haben sie [dann] beide zu gleichen Teilen oder [nur] für [den jeweiligen] Erbteil die Klage wegen der Dienste [= actio operarum] [gegen die Freigelassenen]? Ich halte es für richtiger, dass die Kinder zu gleichen [Teilen] die Klage haben sollen. [Weil der Erblasser im Testament nur seine Güter aufgeteilt hat, nicht aber ausdrücklich die von den Freigelassenen zustehenden Dienste ebenfalls aufgeteilt hat, bleibt es diesbezüglich bei der allgemeinen Regel.] lxvi  X.3.26.18 – Gregorius IX papa: Raynaldus, der Sohn des Pepo, wurde von diesem dergestalt als Erbe eingesetzt, dass er die Erbschaft seinen Onkeln väter­ licherseits herausgeben solle, wenn er ohne männliche Kinder verstürbe. Mit diesen [Onkeln] einigte er [= Raynaldus] sich nach dem Tod des Pepo wegen gewisser

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B. Edition

ten und dritten Blatt [der Druckausgabe, die Felinus Sandeus vorlag],  und [weil] Alexander Tartagnus [diese Entscheidungen] oft in seinen KonGüter derselben Erbschaft auf drei Schiedsrichter, von denen zwei vorgingen, nachdem der [dritte] übrige verstorben war, so wie sie es nach der Ausgestaltung des Vergleichsvertrages konnten, auf solche Art [wie sie] bevollmächtigt worden waren, und einen Schiedsspruch fällten, dass kein Teil [also weder Raynaldus noch einer der Onkel väterlicherseits] die Erlaubnis habe, die vorgenannten Gegenstände auf irgendeine Art auf einen anderen zu übertragen, außer auf jene männliche Söhne, die von ihnen selbst rechtmäßig abstammten, und dass [alles, was] gegen diese [Entscheidung] geschehe, ungültig sei. Sodann errichtete der genannte Raynaldus, ohne einen Nachkommen zu haben, ein Testament, in dem er [als Vermächtnis] die Hälfte seines Anteils an jenen vorgenannten Gegenständen seinen Onkeln mütterlicherseits und die andere Hälfte aber und die übrigen väterlichen Güter einem der Onkel väterlicherseits und dessen Kindern vermachte. [Er] fügte [die Bedingung] hinzu, dass die [Erbschafts-]Güter, in welche die benannten Erben des Raynaldus durch Testament oder durch gesetzliche Erbschaft nachfolgen könnten, [dann] an diese [Onkel mütterlicherseits] selbst nach den festgesetzten Anteilen gelangen sollen, wenn sie [= der Onkel väterlicherseits und dessen Kinder] dem Vermächtnis zuwider, das zugunsten seiner genannten Onkel mütterlicherseits geschuldet ist, [die Güter] verkaufen. Erst nachdem derselbe Raynaldus die Schuld der Natur bezahlt hatte [und also verstorben war] und einer der Onkel väterlicherseits die besagte Erbschaft angetreten hatte, betrieben die besagten Onkel mütterlicherseits gegen denselben Onkel väterlicherseits und dessen Kinder vor dem Gericht der Gemeinde Urbino einen Prozess, [in dem sie] auf das vorbenannte Vermächtnis für den Anteil klagten, der sie selbst betrifft, und [sie klagten, dass] sie, wenn diese [Beklagten] gegen sie selbst [die Kläger] handelten, in dasjenige wiedereingesetzt werden, was auch immer aus Anlass des Testaments desselben Raynaldus an sie selbst zugefallen war oder hätte zufallen können. Der vorgenannte Richter sprach sie [= Onkel väterlicherseits und seine Kinder] frei von deren [= Onkel mütterlicherseits] Forderung bezüglich ihres Vermächtnisses, verurteilte dieselben [= Onkel väterlicherseits und seine Kinder] zur Herausgabe der anderen Güter durch Urteil. Gegen dieses Urteil erhoben beide Parteien zum rechtlichen Gehör vor uns die Appellation und beide Parteien beantragten, dass das Urteil des besagten Richters aufgehoben werde, soweit das Verkündete gegen sie wirke, und die Vollstreckung anzuordnen, soweit es für sie wirke. Nachdem [die Appellation] bei unserem geliebten Sohn O[tto], dem Kardinaldiakon von St. Nicolaus in carcere Tullianensi, rechtmäßig anhängig gemacht worden war, [stellte sich heraus,] dass derselbe Raynaldus die Güter betreffend, die ehemals seinem Vater Pepo [gehörten], einen Anspruch hatte auf ein Drittel aus Naturrecht [nämlich als Pflichtteil, der ihm als Sohn des Erblassers zustand], das [aber] ihm [gegenüber] nicht belastet werden konnte [= durfte], und [außerdem] auf das Trebellianische Viertel [= Pflichtteilsrecht zugunsten der mit Vermächtnissen belasteten Erben unabhängig von deren Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser], was [nämlich] ein jeder mit der Herausgabe [der Vermächtnisse] belasteter fremder [Erbe] [auch] hätte abziehen können. [ We i t e rh i n s t e l l t e s i c h heraus,] dass der vorbenannte Raynaldus daneben [einen Anspruch] auf denselben Anteil an den Gütern hatte, die den besagten Onkeln m ü t t e r l i c h e r s e i t s v e r m a c h t w a re n , u n d d a s s e r ü b e r d i e s e [ G ü t e r ] l e t z t w i l l i g e i n Ve r m ä c h t n i s e r r i c h t e n k o n n t e u n d d a s s d a d u rc h d a s Ve r m ä c h t n i s b i s z u m g e n a n n t e n D r i t t e l u n d g e n a n n t e n Vi e r t e l [ re c h t s -



II. Paraphrase des Consiliums171

silien und [in seinem Kommentar] bei D.36.1.59.1lxvii angeführt hat  und im dort angeführten Konsilium. g ü l t i g ]

besteht, obwohl er [= Raynaldus] diese [Anteile] nicht ausd r ü c k l i c h b e i d e r E r r i c h t u n g d e s Ve r m ä c h t n i s s e s b e n a n n t h a t t e . [Und daher] verkündete [der Kardinaldiakon], ohne Entgegenstehen des vorausgeschickten Schiedsspruchs (denn [der Schiedsspruch] konnte weder [gegen] das Vermächtnis obsiegen, noch konnte er es hemmen), dass der Richter selbst dadurch falsch geurteilt hat, dass er den oben genannten Onkel väterlicherseits vollständig [von der Verpflichtung zur Auszahlung des Vermächtnisses] losspricht, [obwohl] er [= der Onkel väterlicherseits] gestanden hat, dass er die vorgenannten [Güter] zur Hälfte in Besitz hatte. Und [der Kardinaldiakon] verurteilte diesen [Onkel väterlicherseits] zur Herausgabe der Hälfte des Drittels und [der Hälfte] des Viertels aus diesem Vermächtnis für den Anteil, der die besagten Onkel mütterlicherseits von diesem [Raynaldus] betrifft. Und im Übrigen bestätigte er das Urteil des vorgenannten Richters. Dagegen hat er entschieden, dass dieser Richter ein schlechtes Urteil gefällt hat dadurch, dass er den benannten Onkel väterlicherseits und dessen Kinder vollständig zu allem, was im zweiten Klageantrag aufgeführt wurde, verurteilt hat, weil dessen Kinder sich nicht verschuldet haben, irgendetwas gegen den Willen des Erblassers erlangt zu haben, weil sie nichts vom [in der Klage] Geforderten in [ihren] Besitz erlangt hatten. Allerdings bestätigte [der Kardinalsdiakon] das Urteil des oben genannten Richters in demjenigen Abschnitt [des erstinstanzlichen Urteils, der die Herausgabe der Erbschaftsgüter für] die [jeweiligen] Anteile der Onkel mütterlicherseits betreffend [vorsieht, bezogen auf den Rest der Erbschaftsgüter], den der Onkel väterlicherseits an jenen Gütern nach der Berechnung [und Abzug] des oben genannten Drittels und des Viertels inne hatte, die [auch] dem Raynaldus [als Drittel und Viertel] von diesen Gütern zustanden [und] bezüglich jener [anteiligen Güter] dieser [Raynaldus] sowohl eine Erbeinsetzung, als auch die Errichtung eines Vermächtnisses, als auch die Klausel einer [Vertrags-]Strafe [rechtsgültig] vornehmen konnte. Vom Rest [der Klageanträge] hat [der Kardinalsdiakon] denselben Onkel väterlicherseits und dessen Kinder freigesprochen und [hat] nichtsdestoweniger ihm [= Onkel väterlicherseits] aus den Rechtsregeln für Erbeinsetzungen die Wohltat der Lex Falcidia vorbehalten, wenn er innerhalb der rechtmäßigen Zeit dem Willen des Erblassers gehorchen werde, indem er ein Verzeichnis [der Erbschaftsgegenstände] errichten werde und sich gegen den Willen des Erblassers auf die [Einrede der] Lex Falcidia berufen werde. Da wir das Urteil dieses Kardinals für richtig halten, bestätigen wir es kraft apostolischer Autorität. lxvii  D.36.1.59.1 – Papinianus 8 resp.: [In einem Testament] wurde [Folgendes] geschrieben: „Ich vertraue es der Treue meiner Kinder an, dass, wenn einer von ihnen ohne Kinder als Erster seine Tage beschlossen haben wird [= gestorben sein wird], dieser seinen [Erb-]Anteil dem überlebenden Bruder herausgeben soll. Wenn aber jeder von beiden ohne Kinder seine Tage beschlossen haben wird, will ich, dass die gesamte Erbschaft an meine Nichte Claudia übergeht.“ [In einem solchen Fall kann man annehmen, dass] die Enkelin, nachdem der andere [erstverstorbene Sohn] mit einem überlebenden Sohn verstorben war, der letztverstorbene [Sohn] aber ohne Kinder, jedenfalls auf den ersten Blick wegen der Worte der Bedingung [zur Erbschaft] nicht zugelassen werde. Aber da man übereingekommen ist, dass bei Vermächtnissen der Wille [des Erblassers] betrachtet wird, gutachte ich, dass es absurd ist, dass der Nichte mit dem Nicht-Zutreffen der ersten Ersatzerbeinsetzung die Forderung eines Anteils [an der Erbschaft] verweigert wird, da der Großvater [ja

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B. Edition

Sehr gut spricht [für das oben genannte Argument], was Antonius de Butrio scharfsinnig bemerkt im 9. Konsilium: „Viso puncto et quesitis“, 2. Spalte, dass, wo es ein solches Statut gibt, das Wort „Nachkommen“ [descendentes] und [das Wort] „Nachfolger“ [posteri] verstanden wird als nur auf männliche [Nachkommen] [bezogen]. Und er spricht [in seinem Gutachten von einem Fall, wo ebenfalls die auch in] unserem [Fall strittigen] Formulierungen [verwendet wurden], von einem Erblasser, der die Veräußerung seiner Güter verboten hat unter Hinzufügung des Grundes, dass er wollte, dass [die Erbschaftsgüter] an seine Nachkommen gelangen. Obschon nämlich unter den Ausdruck der „Nachkommen“ bei anderen Gelegenheiten auch Frauen fallen: so die mit X.5.37.12lxviii verbundene Glosse, [auch] D.32.(1).83.1lxix verbunden mit D.50.16.56.1lxx. Jedoch indem das sogar]

gewollt hat, dass sie die ganze [Erbschaft] haben soll, wenn der letztverstorbene [Sohn] auch seines [verstorbenen] Bruders Anteil [an der Erbschaft] empfangen hätte. lxviii  X.5.37.12 – Innocentius III papa: In gewissen [Kirchen-]Provinzen haben sich die Patrone, Kirchenvögte [advocati] und Statthalter [vicedomini] der Kirchen zu einer solchen Überheblichkeit erhoben, dass sie nicht nur, wenn freie Kirchen mit geeigneten Pfarrern besetzt werden sollen, [dabei] Schwierigkeiten machen und Bosheiten [schaffen], [sondern] sich tatsächlich sogar anmaßen, über Besitzungen und andere kirchliche Güter nach ihrem Willen zu verfügen und, schrecklich zu sagen, sich nicht scheuen, Prälaten in den Tod zu stürzen. Weil aber [das,] was zur Hilfe für die Verteidigung erfunden worden ist, nicht zum Nachteil für die Unterdrückung verdreht werden darf, verbieten wir ausdrücklich, dass sich die Patrone, Stellvertreter und Statthalter entsprechend wegen dem vorher Gesagten kein anderes [Recht] mehr anmaßen sollen, als [das, was] erlaubterweise im Recht anerkannt wird. Und wenn sie sich dagegen wagen, wird das mit der schärfsten kirchlichen Strenge [= Kirchenstrafen] geahndet werden. Nichtdestoweniger bestimmen wir mit Billigung des heiligen Konzils, [dass wenn] Lehensmänner [feudatarii] oder Statthalter oder andere Pfründner [beneficiati] irgendeiner Kirche[, die] es ruchloserweise gewagt haben, einen Vorgesetzten [rector] oder einen anderen Geistlichen [entweder] selbst oder durch andere zu töten oder zu verstümmeln, die Patrone das Patronatsrecht, die Kirchenvögte die Kirchenvogtei [advocatia], die Lehensmänner das Lehen, die Statthalter die Befugnisse [vicedominatum] und die Pfründner die Pfründe geradewegs verlieren sollen. Und damit die Erinnerung der Strafe nicht weniger [lang] bekannt sein wird als [die Erinnerung] des Frevels, soll nicht nur von den vorgenannten [Rechten] nichts auf die Erben [der Frevler] übergehen, sondern sollen auch die Nachkommen bis in die vierte Generation keineswegs in die Gemeinschaft der Geistlichen zugelassen werden. Und sie sollen [auch] nicht in Ordenshäusern irgendeine Ehrenstellung erreichen – es sei denn, dass ihnen aus Mitleid eine Ausnahme von der Regel [dispensatio] gewährt wird. [Die Glosse unterstellt hier auch die weiblichen Nachkommen dem Erbschaftsverbot, das den Erben „der Frevler“ auferlegt wird.] lxix  D.32.(1).83.1 – Modestinus 10 resp.: Ein Erblasser, der den Freigelassenen ein Vermächtnis hinterlassen hat und sie untereinander zu Ersatzerben eingesetzt hat, hat dabei [= bei der Ersatzerbeneinsetzung] erklärt, dass nach dem Tod des letzten ­[Freigelassenen] [das Vermächtnis] den Nachkommen von diesen [Freigelassenen]



II. Paraphrase des Consiliums173

Statut die Frauen ausschließt, [hat der Statuten-Gesetzgeber] [offenbar] einen gewissen allgemeinen Sprachgebrauch eingeführt, bei dem Vertragspartner und Testamentserrichter7 annehmen, dass die „Nachkommenschaft“ [posteritas] [nur] aus seinen [= des Erblassers] männlichen [Nachkommen] besteht (also den Bewahrern der Erbschaften) gemäß diesem [Sprachgebrauch]. lxx

Und dieses Konsilium bekräftigt für das unten zu Sagende, dass auch, wenn es ein solches Statut nicht gäbe oder nicht in Bologna gegeben hätte zur Zeit [der Errichtung] des besagten Testaments, [dennoch] aus dem Konsilium doch klar hervorgeht, dass [dort], wo es die Absicht des Testamenterrichtenden ist, die [Erbschafts-]Güter „innerhalb der Familie“ zu bewahren, dann das Wort „Nachkommenschaft“ [posteritas] ausgelegt wird als nur die männliche [Nachkommenschaft].8 So schließt das Wort „Familie“ (sonst allgemein für beide Geschlechter) [hier] nur das männliche Geschlecht ein wegen der Absicht des Testamenterrichtenden, der mit dem Ausdruck „dauerhaft innerhalb der Familie“ die Bewahrung seines vom Vater ererbten Vermögens [patrimonium] im Sinn hat – und so weiter. 9

7  Möglicherweise wird der Begriff „testantes“ schon im Statut genannt, weswegen der bisherige Begriff „testatores“ hier nicht verwendet wird. Möglicherweise hat auch Antonius de Butrio diesen Begriff verwendet. 8  Siehe dazu Kirshner, JMH, 49 (1977), S. 506, demzufolge Festlegungen, aufgrund derer nur die männliche Nachkommenschaft innerhalb der Familie geschützt sein sollte, im Mittelalter allgemein üblich waren. Beispiele solcher Formulierungen sind: „Familia […] per masculos conservantur. […] Foemina autem non sunt fundamentum domus […] per eas non perpetuatur memoria agnationis, sed finitur […]“. Siehe dazu auch Kuehn, Tijdschrift, 49 (1980), S. 129. 9  Die Einschübe auf fol. 91r sind in scheinbar schlechterer Grammatik geschrieben, als der sonstige Text. Jedenfalls sind diese Einschübe aber später vorgenommen worden. Auffallend ist die Zitathäufigkeit in diesem Einschub. gehören

soll. Ich frage: wenn es niemanden anderen gäbe als einen Freigelassenen von dem, der als letzter gestorben ist, ob er zum Vermächtnis zugelassen werden muss. [ M o d e s t i n u s ] h a t d a s G u t a c h t e n e r t e i l t , d a s s e s k e i n e s w e g s u n gewiss ist, dass mit der Bezeichnung der ‚Nachkommen‘ nur die Kind e r, n i c h t a u c h d i e F re i g e l a s s e n e n v o n d e n e n , d e n e n d a s Ve r m ä c h t n i s h i n t e r l a s s e n w u rd e , i m Ve r m ä c h t n i s i n b e g r i f f e n s i n d . Summarium, nach Bartolus de Saxoferrato: Vom Begriff der „Nachkommen“ sind die Kinder umfasst, nicht die Freigelassenen. lxx  D.50.16.56.1 – Ulpianus 62 ad ed.: Unter der Bezeichnung „der Kinder“ sind nicht nur die inbegriffen, die sich in der Gewalt [also unter patria potestas] befinden, sondern alle, die eigenen Rechts sind und entweder männlichen oder weiblichen Geschlechts sind, oder die durch das weibliche Geschlecht Abstammenden.

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B. Edition

 Wenn die männlichen Enkel [als] Ersatzerben {?} 10 Für diese Überlegung, dass bei einem wiederkehrenden, „der Familie“ hinterlassenen Vermächtnis die Frauen nicht als eingeladen betrachtet werden über das bereits Gesagte hinaus, spricht das oft zitierte und scharfsinnige Konsilium 77 des Paulus de Castro „In Christi“ und so weiter, [im Abschnitt] „Casus iste frequenter contingit“. Dort wollte [der Gutachter sagen], dass der Ersatzerbe für den Sohn, [wenn die Bedingung, unter der die Ersatzerbschaft eingreifen soll, so lautet:] dass er [= der Sohn] „ohne Söhne“ [filii] oder „Kinder“ [liberi] verstürbe, [der Ersatzerbe] nicht [vom Vermächtnis] ausgeschlossen wird, wenn der Sohn [zwar Kinder hinterlässt, aber eben nur] mit weiblichen Töchtern stirbt, [vorausgesetzt] der [vom Erblasser dem Sohn] beigegebene Ersatzerbe stammt aus den [männlichen] Nachkommen des Erblassers. Wenn er [= der Ersatzerbe] [aber] tatsächlich ein [nicht aus der Familie stammender] Fremder ist, zum Beispiel eine wohltätige Einrichtung [pius locus], dann wird er [= der Ersatzerbe] ausgeschlossen. Und dann gehören die Frauen zur Bezeichnung der „Nachkommen“. Denn im ersten Fall wollte der Erblasser[, in dem er] einen Nachkommen als Ersatzerben eingesetzt hat, die Verwandtschaft in männlicher Linie [agnatio] bewahren, im zweiten [Fall] nicht – gemäß diesem [Konsilium]. Dem entsprechend gutachtete Alexander Tartagnus, wie in seinen Konsilien [ersichtlich]: im Konsilium, das bei mir [in der mir zur Verfügung stehenden Ausgabe als Nr.] 499 [nummeriert ist],  das mit „Viso testamento“ beginnt, was bei anderen das 14. im vierten Band und das 127. im ersten Band ist.  Diese Entscheidung bringt er für diese Sache gut mit der vorgenannten Überlegung überein. Nämlich wenn in der Bedingung die Formulierung „Kinder“ gesetzt wurde, [dann] treten [zwar] nach dem Willen des Erblassers Frauen ein [und] schließen [somit] einen [der Familie] fremden Ersatzerben aus, aber [Frauen] schließen nicht [solche Ersatzerben] aus[, die] [männliche] Nachkommen [sind]. Und in unserem Fall hat der Erblasser ausdrücklich verboten, dass die weiblichen Töchter des Sohnes einen Ersatzerben ausschließen, sogar [dann, wenn es ein] fremder [Ersatzerbe ist] [– nämlich das Kolleg für arme Studenten und somit ein pius locus]. Umso mehr ist anzunehmen[, dass der Erblasser] das [eben Genannte] verbieten wollte, weil er männliche wechselseitig eingesetzte Ersatzerben nicht ausschließen wollte. Auch Paulus de Castro verwendet diese Überlegung im besagten Konsilium [77], weil, wenn Frauen nicht unter die Bezeichnung der „Kinder“ [filii] oder „Kinder“ [liberi] fallen, [und] das, weil angenommen wird, dass 10  Andere

Hand.



II. Paraphrase des Consiliums175

der Erblasser seine Verwandtschaft in männlicher Linie [agnatio] bewahren wollte, anzunehmen ist, dass bei einem wechselseitigen „der Familie“ hinterlassenen Vermächtnis nicht die Enkelin vom Sohn inbegriffen ist, weil zu vermuten ist, dass dies [= die Formulierung] so geschaffen wurde, damit die Verwandtschaft in männlicher Linie [agnatio] bewahrt werde. Dieses [Motiv des Erblassers] tritt auch daraus hervor, weil [der Erblasser] die eigenen Töchter ausgeschlossen hat, wie unten gesagt werden wird. Sehr gut bekräftigt dies die Entscheidung von Bartolus de Saxoferrato bei D.36.1.83lxxi, wo er hervorhebenswert sagt, wenn ein Erblasser seine Tochter auf bestimmte Sachen einsetzt, die männlichen [Nachkommen] allerdings als Universalerben [und] schließlich sagt: „Und wenn eines von meinen männlichen Kindern ohne Kinder versterben sollte, sollen meine Güter auf die Überlebenden übergehen.“ [und] es dann geschieht, dass ein lxxi  D.36.1.83 – Paulus 1 imp. sent. i.C.P.: Iulius Foebus hat ein Testament errichtet, mit dem er drei Kinder zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt hat, [nämlich] Foebus und Heraclia von derselben Mutter, Polycrates von einer anderen [Mutter]. [Und] er erbat vom jüngeren Bruder Polycrates, dass er gegen Empfang eines bestimmten Grundstücks den Geschwistern die Erbschaft geben solle. Und er hatte diese [Geschwister], die von derselben Mutter abstammten, sich gegenseitig als Ersatzerben eingesetzt, wenn einer von ihnen nicht Erbe werden würde. Für Polycrates hatte er, wenn er in der Unmündigkeit versterben sollte, ein zweites Testament errichtet, das er dessen Mutter zum Öffnen anvertraut hatte, wenn er [= Polycrates] unmündig versterben würde. Schließlich erbat er von den ersten [= Foebus und Heraclia], wenn einer von ihnen ohne Kinder versterben sollte, dass sie den eigenen Anteil mit Ausnahme der mütterlich [ererbten] und großväterlich [ererbten] Gütern derjenigen oder demjenigen [ei vel eis] herausgeben sollen, der überleben würde. Die Schwester Heraclia, die ohne Kinder verstorben ist, hat den Bruder Foebus als Erben eingesetzt. Polycrates hatte [daraufhin] das Vermächtnis eingeklagt und hatte vor Aurelius Proculus, dem Prokonsul von Achaia, obsiegt. Nach dem [Foebus] Appellation erhoben hatte, hat er endgültig [in der Appellation] gesiegt[, indem das erstinstanzliche Urteil] aufgehoben wurde, als Foebus allein [die Appellation] angestrengt hatte, weil die Worte „derjenigen oder demjenigen“ [ei vel eis] beide Geschwister umfassen. Aber er [= der Erblasser] hatte die beiden nur wechselseitig als Ersatzerben eingesetzt. Aber scheinbar war der Wille dieses Vaters, der deren mütterliche Güter ausgenommen hatte, weil Polycrates eine andere Mutter hatte[, die] jedenfalls überlebt hatte, [und] diese hat [der Erblasser] zur Treue verpflichtet, dass sie die Vermächtnisse, die [der Erblasser] ihr gegeben hatte, [wenn sie ohne Testament verstürbe] an seinen Sohn Polycrates herausgeben solle. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Ein Vermächtnis wird nach der Natur der vorangegangenen Ersatzerbeinsetzung beschränkt, wenn nicht aus dem Willen des Verstorbenen ein Anderes zu vermuten ist wegen der Natur der Sprache oder wegen einer anderen Vermutung. [Felinus Sandeus wiederholt hier beinah wörtlich die Kommentierung von Bartolus de Saxoferrata zu dieser Digestenstelle und ergänzt diese Ausführungen von Bartolus nur an einigen Stellen, die die von Felinus vertretene Position nur noch verstärken sollen. Siehe Bartolus, Infort., Bd. 1, fol. 173v–174r.]

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B. Edition

männlicher [Nachkomme] ohne Kinder verstirbt, dass dann eine weibliche [Nachkommin] nicht als zum Vermächtnis berufen angesehen wird  [gegenüber] den [noch] vorhandenen anderen Männern.  Weil man sagen kann, so wie [der Erblasser] bei der Erbeinsetzung die Männer bevorzugt hat, indem er diese als Universalerben eingesetzt hat, dass er bei dem wechselseitigen Vermächtnis die Männer bevorzugt hat und die Frauen bei jenem [Vermächtnis] ausgeschlossen hat. Nun hat ja in unserem Fall der Erblasser die weiblichen Töchter auf bestimmte Sachen [als Erben] eingesetzt, nämlich auf 1000 Dukaten, die Männer aber als Universalerben. Daher ist anzunehmen, dass die Frauen bei der vorgenommenen gegenseitigen Ersatzerbeneinsetzung der männlichen Kinder nicht mit berufen sind. Ebenso kann man schließen, dass zum gegenseitigen Vermächtnis die Frauen nicht zugelassen wurden, aber alle Männer, die bei der Erbeinsetzung bevorzugt wurden, wie aus dem vom Erblasser vorgenommenen Verbot resultiert, [und zwar] damit die Güter dauerhaft innerhalb der Familie bleiben. Und dies ist die am besten passende Überlegung der Entscheidung in diesem Fall. Und diese Eigenschaft der Bevorzugung der Männer, [extra] beigefügt in einem [eigenen] Abschnitt, wird [sichtlich stillschweigend] in anderen [Abschnitten des Testaments] wiederholt [= unterstellt]. So geschieht es [auch im Fall] bei D.28.2.3.2lxxii, wo eine für den ersten Verwandtschaftsgrad bestimmte [und] (offenbar lxxii  D.28.2.3.2–6 – Ulpianus 1 ad Sab.: Ein Sohn [kann] auch mitten unter den Einsetzungen der Erben [= mitten im Testamentstext, der sich eigentlich auf die Erbeinsetzungen bezieht] rechtskräftig enterbt werden und wird von allen [Erb-] Graden verdrängt, wenn der Erblasser ihn nicht bloß einer Person [gegenüber] enterbt hat. Denn wenn [der Erblasser] das tat, soll die Enterbung ungültig sein. Wie wenn er so enterbt hätte: „Wer auch immer mein Erbe sein wird, der Sohn soll enterbt sein.“ Denn, wie Iulianus schrieb, eine derartige Enterbung ist ungültig, weil [der Erblasser] ihn [erst] nach Antritt der Erbschaft [durch den Erben] verdrängen wollte, was unmöglich ist. Wer [schon] vor der Einsetzung der Erben enterbt [worden ist,] ist von allen Graden [der Erbschaft] ausgeschlossen. Aber [derjenige,] der zwischen zwei Graden enterbt [wurde,] ist gemäß der Meinung des Scaevola von beiden [Graden] ausgeschlossen, was ich für wahr halte. Von dem [Erblasser], der zwei Grade vermischt, glaubt Mauricianus zu recht, dass die Enterbung gültig ist, zum Beispiel [bei Verwendung der folgenden Formel]: „Der erste soll Erbe zur Hälfte sein. Wenn der Erste nicht Erbe wird, soll der Zweite mein Erbe zur Hälfte sein. Der Dritte soll zur anderen Hälfte Erbe sein. Der Sohn soll enterbt sein. Wenn der Dritte nicht Erbe wird, soll der Vierte erben sein.“ Denn [der Sohn] wird von beiden Graden verdrängt. Wenn der Familienvater [mit Herrschaftsgewalt] [pater familias] derart verfügt hat, dass er im ersten Grad den Sohn übergeht, vom zweiten Grad an [ihn] enterbt, dann meinen Sabinus und Cassius und Iulianus, dass das Testament nach Beendigung des ersten Grades von dem Grad an seinen Beginn nimmt, wo der Sohn enterbt wird. Diese Meinung ist bestätigt.



II. Paraphrase des Consiliums177

durch Erbeinsetzung) [vorgenommene] Enterbung betrachtet wird als [sich erstreckend auf] den zweiten [Verwandtschaftsgrad]. Das merken die Glosse und die Rechtsgelehrten bei C.6.28.1lxxiii an. Dafür sprechen zusätzlich Anmerkungen durch alle [Rechtsgelehrten], auch die modernen, zu D.30. (1).74lxxiv, wo Vermächtnisse[, mit denen] der Erbe [beschwert wurde], so verstanden werden[, dass sie auch] den Ersatzerben [beschweren].

lxxiii  C.6.28.1 – Wenn die Enterbung hinter alle Grade der Erben geschrieben wird, besteht kein Zweifel, dass dem Gesetz Genüge getan ist, wenn der Erblasser hinzugefügt hat, [ihn] von allen Graden zu enterben. Und deswegen, auch wenn das nicht hinzugefügt worden ist, [wenn] sich dennoch zeigt, dass [der Erblasser] mit dieser Absicht geschrieben hat, dass er [ihn] von allen [Graden] enterbte, gilt das Testament als rechtsgültig errichtet. Ebenso wenn ein Familienvater [mit Herrschaftsgewalt] [pater familias], nachdem er die Kinder als Erben eingesetzt hatte und [sie] gegenseitig zu Ersatzerben eingesetzt hatte, die Tochter enterbt hat, ist anzunehmen, dass die Enterbung von jedem einzelnen Grad vorgenommen wurde. Denn da dieselben Erben eingesetzt wurden, kann kein Grund vorgetragen werden, weshalb anzunehmen wäre, dass [der Erblasser] nur im späteren Fall enterben wollte. Summarium zu dieser Codexstelle, nach Alexander Tartagnus: Eine Enterbung für alle [Verwandtschafts-]Grade, ausdrücklich oder stillschweigend vorgenommen, macht die [Verwandtschafts-]Grade gültig, die sonst nach Regel der Übergehung [eines Noterben] verletzt würden. Und im Zweifel wird [die Enterbung] so ausgelegt, [als dass] sie von allen [Verwandtschaft-]Graden vorgenommen wurde, wenn sie nach allen Graden vorgenommen wurde, es sei denn, von der gegenteiligen Regel würde sich [etwas] zeigen. Das hat Alexander Tartagnus nach Baldus de Ubaldus und nach Salicetus gesagt. lxxiv  D.30.(1).74 – Ulpianus 4 disp.: Obgleich unser Kaiser mit dem Vater [also seinem Vorgänger] ein Reskript erlassen hat, es sei anzunehmen, dass nach dem Willen des Erblassers vom Ersatzerben wiederholt wird [= die Verpflichtungen ebenso gelten], was vom eingesetzten [Erben] [als an den Vermächtnisnehmer herauszugeben] hinterlassen wurde, ist das dennoch so aufzufassen, wenn kein anderer Wille bewiesen wird. Ein solcher [Wille], dass jemand [= der Erblasser] nicht wollte, dass ein Vermächtnis[, das] der eingesetzte [Erbe] herauszugeben [verpflichtet ist], vom Ersatzerben geschuldet wird, kann aus Vielem entnommen werden. Was [sollte] nämlich [gelten], wenn er dem Vermächtnisnehmer eine andere vom Ersatzerben [herauszugebende] Sache vermacht hat, die er vom eingesetzten [Erben] nicht [als herauszugeben] hinterlassen hat? Oder was, wenn es einen bestimmten Grund gibt, warum er vom eingesetzten [Erben] [eine Sache zur Herausgabe] hinterlassen hat, [deren Herausgabeverpflichtung] beim Ersatzerben wegfällt? Oder was, wenn er [jemanden] als Ersatzerben auf einen Teil des Vermächtnisses eingesetzt hat, dem er ein vom Erben [herauszugebendes] Vermächtnis hinterlassen hat? Es ist festzustellen, dass das Reskript bei Unklarheiten über den Willen [des Erblassers] Platz greift. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Alexander Tartagnus: Die vom eingesetzten [Erben] herauszugebenden Vermächtnisse werden beurteilt als vom gewöhnlichen Ersatzerben zu wiederholende [Vermächtnisse], es sei denn, es bestünde wegen einer anderen Vermutung [ein Anhaltspunkt für] den entgegengesetzten Willen des Verstorbenen.

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B. Edition

{91v} Außerdem: Wenn die eigenen weiblichen Töchter dieses Erblassers (nach dem ausdrücklichen Willen des Verstorbenen) nicht unter die Bezeichnung „aus der Familie“ fallen (was [dadurch] klar ist, weil [der Erblasser] nicht gewollt hat, dass diese [Töchter] etwas anderes haben als die besagten 1000 Dukaten, und er sie auf diese Weise von allen anderen Gütern ausgeschlossen hat), so zeigt sich umso mehr, dass er alle [verwandtschaftlich] weiter [entfernten] Frauen ausgeschlossen hat, damit nicht das Absurde aus dem oben Gesagten folgt: Argument aus D.35.1.36.1lxxv. Rafael Fulgosius erwägt diese Absicht in den Klauseln [des Testaments] bei C.6.46.1lxxvi und bei C.6.42.30lxxvii und [ebenso] Paulus de Castro im besagten 77. Konsilium. lxxv  D.35.1.36.1 – Marcellus l.S. resp.: Titia ordnet in einem Kodizill über Grundstücke, die sie durch Testament der Septicia hinterlassen hat, an: „Von dir, Septicia, erbitte ich, dass du meinem Sohn, wenn er ein Alter von sechzehn Jahren erreicht hat, diese Grundstücke herausgibst. Wenn aber mein Sohn sechzehn Jahre nicht vollendet, bitte ich, dass du diese dem Publius Maevius und dem Gaius Cornelius herausgibst und übereignest.“ Ich frage, wenn Septicia verstirbt und schließlich der Sohn im fünfzehnten Lebensjahr [also vor Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres] verstirbt, ob das Vermächtnis sofort erfüllt wird, nachdem [jetzt nun bei Erstattung des Gutachtens] das fünfzehnte Jahr erreicht ist, und die Erben der Septicia das [Vermögen] an Publius Maevius und Gaius Cornelius herausgeben müssen. Marcellus antwortet [in seinem Rechtsgutachten], dass Septicia das Recht, welches sie an diesen Grundstücken gehabt hat, auf ihren Erben übertragen soll. Denn es scheint gegen den Willen der Erblasserin zu sein, die sofortige Erfüllung des Vermächtnisses zu verlangen, weil mehr an die Ersatzerben gelangen würde, als an den Jungen oder an die Erben der Septicia hätte gelangen können. Zwar scheint nach den Worten das Vermächtnis sofort in Kraft zu treten, aber es ist nicht wahrscheinlich, dass die Erblasserin das [Vermögen] schon eher an die Ersatzerben übertragen wollte. E s ä n d e r t a u c h n i c h t s , d a s s S e p t i c i a f r ü h e r v e r s t o r b e n i s t , d e n n d i e E rben der Septicia könnten, wenn der Junge noch lebte, nicht eher als d i e S e p t i c i a [ s e l b s t ] b e k l a g t w e rd e n . [Der Sohn ist mehr geliebt als die Ersatzerben und bis zu seinem sechzehnten Geburtstag ist Septicia mehr geliebt als der Sohn. Wenn die Ersatzerben sofort die Grundstücke bekämen, wären sie aber besser gestellt, als der Sohn gestellt gewesen wäre, wenn er nicht verstorben wäre. – Bezogen auf die Verwendung der Stelle hier bedeutet das, dass die Frauen, da sie nicht mit zur Familie des Erblassers gehören und damit weniger schutzwürdig sind, hinter den Ersatzerben zurücktreten müssen, da sonst die Ersatzerben, die ja ausdrücklich im Testament erwähnt werden, nicht zu ihrem Recht kommen würden. Die Frauen müssen also als weniger geliebte Nachkommen hinter den Ersatzerben zurückstehen. Denn alle weiteren Erben sind vom Erblasser sichtlich mehr geliebt als die bloßen Vermächtnisnehmerinnen, die gerade nicht Erbinnen sein sollen.] lxxvi  C.6.46.1 – Impp. Severus, Antoninus: Du trägst vor, dass der Erblasser der trallianischen Familie ein Vermächtnis bestimmt hat, [zu leisten] von dem, den er als teilweisen Erben eingesetzt hatte, und zwar, wenn jener Eingesetzte ohne Kinder versterben würde. Und jener [= der Eingesetzte] hatte einen Enkel, den er von einer Tochter empfangen hat, als Erben eingesetzt. So ist es offensichtlich, dass die dem



II. Paraphrase des Consiliums179

Ich glaube, dass aus all dem zu schließen ist, dass man nicht sagen kann, dass die weiblichen Töchter [unter den im Testament verwendeten Ausdruck] „aus der Familie“ des Erblassers [fallen]. [Und zwar glaube ich das] deswegen, weil (aus mehreren [Gründen]) feststeht, dass der Erblasser das so gewollt hat. Dem steht nicht entgegen, was man als entgegenstehend anführen könnte, nämlich die besagte Stelle C.6.42.30, da dort gesagt wird, dass ein dem Sohn bei seinem Tode ohne weiteres [Erläutern] auferlegtes Vermächtnis nicht [von ihm] geschuldet wird, wenn er eine Tochter hinterlässt. (Daher ist anzunehmen, dass dieser [in der genannten Gesetzesstelle erwähnte] Nachkomme gegenüber den übrigen männlichen [Nachkommen] nicht verpflichtet ist, sondern dass die Frau[, nämlich die Tochter des verpflichteten Nachkommen,] diese [übrigen männlichen Nachkommen] ausschließt.) Denn es kann zweifach erwidert werden: Zum ersten, weil dort [in der Gesetzesstelle] nicht gesagt wird, dass [der Erblasser] die weiblichen Töchter von der Gesamtrechtsnachfolge ausgeschlossen hätte (was [nämlich] eins [von den Anzeichen] ist, welches vermuten lässt, dass [der Erblasser] für die Verwandten in männlicher Linie [agnati] sorgen und [diese] versorgen wollte und nicht die weiblichen, wie lxxvii

Vermächtnis beigefügte Bedingung fehlgeschlagen ist, e s s e i d e n n , e i n a n d e re r Wi l l e d e s Ve r s t o r b e n e n k ö n n t e e v i d e n t b e w i e s e n w e rd e n . [Die hier aufgestellte gesetzliche Vermutung gilt nur, wenn nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist. Im Fall aber hat Sandeus nachgewiesen, dass Johannes de Lignano schon die eigenen Töchter ganz bewusst nicht als Erben, sondern eben nur als Vermächtnisnehmerinnen eingesetzt hat. Wenn das schon für die eigenen Töchter des Erblassers gilt, so muss es erst recht für ferneren weiblichen Nachkommen gelten. Der Wille der Erblassers ist damit bewiesen. Die gesetzliche Regel, die keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen bei der Erbeinsetzung mit dem Begriff der „Nachkommen“ macht, kann damit hier nicht eingreifen.] lxxvii  C.6.42.30 – Imp. Iustinianus: Der scharfsinnige und alle anderen überragend verdienstvolle Papinian hat in seinen Rechtsgutachten [responsa] festgestellt, dass, wenn jemand seinen Sohn zum Erben eingesetzt hat und ihn mit dem Vermächtnis der Herausgabe [der Erbschaft] nach [seinem] Tode belastet hat, diese Bestimmung nicht anders interpretiert werden soll, als [für den Fall,] wenn dieser Sohn ohne Nachkommen das Leben verlassen hätte. Wir bewundern zu Recht diesen Scharfsinn und gewähren einer derartigen Ansicht die vollständigste Wirkung, dass, wenn jemand solches angeordnet hätte, nicht nur wenn er den Sohn, sondern auch die Tochter, oder von Anfang an den Enkel oder die Enkelin oder den Urenkel oder die Urenkelin oder jede andere darauf folgende Nachkommenschaft als Erben eingesetzt hätte und diese mit dem Vermächtnis der Herausgabe [der Erbschaft] nach ihrem Tod belastet hätte, das nicht anders verstanden werden soll, als wenn diejenigen, die mit der Herausgabeverbindlichkeit belastet sind, ohne Söhne oder Töchter, oder ohne Enkel oder Enkelinnen verstorben sein werden, damit nicht der Anschein entstehe, dass der Erblasser fremde Ersatzerben/Nacherben den eigenen vorgezogen habe.

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B. Edition

ich oben gesagt habe.) Aber in unserem Fall hat er die eigenen Töchter von der Universalerbschaft ausgeschlossen, und diese nicht als „zu seiner Familie zugehörig“ anerkannt. Zum zweiten [kann der grundsätzlichen Überlegung aus C.6.42.30 entgegengehalten werden], dass [ja] zu unterstellen ist, dass dort [= in Bologna] ein Statut gegolten habe, das Frauen ausschließt, wenn Männer vorhanden sind. Dieses Gesetz [= C.6.42.30] spricht [nur die Regel] des allgemeinen Rechts aus[, die sich in] C.6.28.4lxxviii [findet und nur für solche Territorien lxxviii  C.6.28.4: Imperator Iustinianus: Mit dem gegenwärtigen Gesetz berichtigen wir einen größten Fehler einer Feinheit alter Rechtsregeln, die geglaubt hat, dass bei der Nachfolge nach den Eltern, wenn sie testamentarisch geschieht, für Männer ein anderes Recht zu berücksichtigen war, als für Frauen, obwohl bei gesetzlicher Erbfolge das gleiche Recht für beide Geschlechter beachtet wurde. Und [die alten Rechtsregeln] setzten fest, dass, um den Sohn zu enterben, andere Worte [verwendet] werden mussten [als um] die Tochter [zu enterben]. Und für die Enterbung von Enkeln bestimmten die [alten] Gesetze anderes Recht als die [dann aber] vom Prätor eingeführten [Regeln]. Und wenn der Übergangene ein Sohn war, [dann] zerstörte er entweder von Rechts wegen [ipso iure] das Testament oder erhielt entgegen dem Testament den vollständigen Besitz der [Erbschafts-]Güter. [Wenn] jedoch die Übergangene eine Tochter [war, dann] erhielt sie nach dem alten Recht ein Anwachsungsrecht, so dass sie im selben Moment sowohl das Testament des Vaters gewissermaßen durch das Anwachsungsrecht zum Teil zerstörte als auch [einem Rechtszustand] wie bei einem geschriebenen Vermächtnis unterworfen wurde. Sie hatte jedoch nach [dem später entstandenen Recht] des Prätors entgegen dem Testament den vollständigen Besitz der [Erbschafts-]Güter. Jedoch verkürzte eine Konstitution des großen Antoninus dieses [Besitzrecht] so weit, wie das Anwachsungsrecht reichte. Die, die nämlich solche Unterschiede einführten, sind Ankläger der Natur, weil diese nicht nur Männer erschaffen hat, da [es sonst die], aus denen sie geboren werden, nicht gäbe. Denn diese [Missstände] zu berichtigen folgen wir in die Fußstapfen unserer Vorgänger, die offenkundig dieselbe Beobachtung betrieben haben. Wir wissen nämlich, dass bereits früher gewährt wurde, dass auf die gleiche Weise sowohl der Sohn als auch alle Anderen zwischen allen Enterbten niedergeschrieben werden dürfen, obgleich die centumviri eine andere Unterscheidung eingeführt haben. Und aus dieser Ungleichheit ist ein Missstand hervorgegangen, wie [dargelegt] in den Büchern Ulpians, die er [als Kommentar] zum Edikt verfasst hat. Der hochberühmte Mann Tribonianus, unser Quaestor, hat dies gefunden und zusammen mit übrigen redegewandten Männern der Kommission zur Rechtsbereinigung uns zu Ohren gebracht. Denn, weil als letzter Beistand die querella inofficiosi [testamenti] festgelegt ist und niemand, der aus einer anderen Hilfe entspringt [= der bereits anderweitig Rechtsschutz finden kann], zu dieser [querella] Zuflucht nehmen darf, wurde festgestellt, dass die übergangene Tochter weniger bekommt, als die enterbte Tochter. Wenn nämlich die übergangene Tochter durch den [Rechtsbehelf] des Besitzes der [Erbschafts-]Güter entgegen dem Testament oder durch das Anwachsungsrecht die Hälfte des Vermögens erhalten hat und [ihr] bestimmt wurde, dass sie auf die Vermächtnisse von allen zu leisten hat, nämlich bis zu drei Viertel ihres Anteils, bleiben ihr nur anderthalb Zwölftel ihres Nachlasses.



II. Paraphrase des Consiliums181

gilt, in denen kein von dieser Regel abweichendes Statut gilt], wo die Rechtsstellung der Verwandten in männlicher Linie [agnati] nicht besser ist, als [die] der weiblichen [Nachkommen]. Daher kann man aus diesem Gesetz nicht die Vermutung [ableiten], dass der Erblasser mehr Respekt für die männlichen [Nachkommen] als für die weiblichen gehabt hätte. Wenn aber Wenn sie enterbt worden wäre, musste ihr dagegen auf jeden Fall der vierte Teil des gesamten Vermögens verbleiben. Und die [Tochter], die der Vater einer [solchen] Ungerechtigkeit für würdig hielt, hatte mehr, als die, die er stillschweigend bei der Erbeinsetzung übergangen hat. Und wenn gemäß der Bedingung unserer Konstitution, in der wir wegen der Ergänzung des Viertelteils [supplemento quadrantis] festgelegt haben, die Ergänzung [repletio] eingeführt wurde, [dann] galt diese Ergänzung [ebenfalls nur] für die Enterbte auf die gleiche Weise [und nur sie bekam] ein Viertel hinzu. Und so blieb der Missstand bestehen, dass sie [= die übergangene Tochter] keine Verbesserung durch unsere Konstitution verspüren konnte. Wi r l e g e n d a h e r f e s t , w i e b e i d e r N a c h f o l g e n a c h d e n E l t e r n , d i e d u rc h g e s e t z l i c h e E r b f o l g e ü b e r t r a g e n w i rd , d a s s s o w o h l M ä n n e r a l s a u c h F r a u e n g l e i c h g e w i c h t i g b e r u f e n s i n d . E b e n s o s o l l e n d i e [ F r a ue n ] b e i d e r A b f a s s u n g v o n Te s t a m e n t e n g e e h r t w e rd e n . U n d d i e E n t e r b u n g e n [ s o l l e n ] m i t d e n g l e i c h e n Wo r t e n a u s d r ü c k l i c h e r f o l g e n . Und [ebenso] sollen sie den Besitz [der Erbschaftsgüter] entgegen d e m Te s t a m e n t s o h a b e n , w i e d e r g e w a l t u n t e r w o r f e n e S o h n [ s u u s f i lius] oder der nicht der väterlichen Gewalt unterworfene Sohn [ e m a n c i p a t u s ] . So dass sie selbst, wenn sie übergangen werden, so wie [einerseits] die gewaltfreien Söhne [und andererseits] die gewaltunterworfenen [Söhne] entweder das Testament von Rechts wegen zerstören oder durch Besitz der [Erbschafts-]Güter entgegen dem Testament nicht geduldet wird, dass diese [testamentarische Anordnung] bestehen bleibt. U n d w i r b e s c h l i e ß e n , d a s s d i e s e [ n e u e n v o n u n s g e s c h a f f e n e n R e c h t s re g e l n ] n i c h t n u r b e i T ö c h t e r n g e l t e n , s o n d e r n a u c h b e i E nk e l n u n d E n k e l i n n e n u n d b e i d e n n ä c h s t e n [ d a r a u f F o l g e n d e n ] e i ng e h a l t e n w e rd e n m u s s , s o f e r n s i e v o n M ä n n e r n a b s t a m m e n [, weil für Abkömmlinge von Frauen der Erbanteil um ein Drittel gekürzt wird, siehe C.6.55.9 und Nov. 18 c. 4.] Aber [es] ist ein weiterer Missstand unter dem Vorwand der Unterschiedlichkeit eingeführt worden und [es mussten] andere Rechte für die Enterbung der Nachgeborenen [einerseits] und [für die Enterbung] der schon Lebenden [andererseits] eingehalten werden, [nämlich] dass eine Nachgeborene, die zwischen anderen [= auch mit weiteren Enterbten zusammen] enterbt worden ist, auch mit einem Vermächtnis geehrt werden [musste], eine schon geborene Tochter jedoch, ohne [ihr ein solches Vermächtnis] zu geben[, enterbt werden konnte]. U n d s o h a b e n w i r m i t w e n i g Wo r t e n d i e v o l l s t ä n d i g s t e D e f i n i t i o n e i n g e f ü h r t , i n d e m w i r a no rd n e n , d a s s [ a u c h ] b e i d e r E n t e r b u n g d e r N a c h g e b o re n e n , s e i e n s i e m ä n n l i c h e n o d e r w e i b l i c h e n G e s c h l e c h t s , d i e s e l b e n R e g e l n z u b e a c ht e n s i n d , d i e w i r s c h o n f ü r d i e S ö h n e u n d T ö c h t e r a n g e o rd n e t h a b e n , d a m i t n ä m l i c h d i e s e [ m ä n n l i c h e n N a c h k o m m e n ] o d e r d i e s e [ w e i b l ic h e n N a c h k o m m e n ] n a m e n t l i c h e n t e r b t w e rd e n s o l l e n , d a s b e d e u t e t [ h i e r ] u n t e r [ a u s d r ü c k l i c h e r ] N e n n u n g d e s N a c h g e b o re n e n o d e r d e r N a c h g e b o re n e n .

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B. Edition

ein [solches] besagtes Statut bestanden hat, an welches der Erblasser sich im Zweifel wohl anpassen wollte, schließen die Frauen den Ersatzerben nicht aus, wie auch Paulus de Castro im besagten Konsilium sagt. Außerdem: Dass der Wunsch, die Güter in der Familie zu bewahren, stillschweigend den Willen beinhaltet, Frauen auszuschließen, ist auch aus anderen [Gründen] offensichtlich. Denn jede Verfügung, die Frauen ausschließt ([egal ob durch] Statut oder [durch] Testament), – auch wenn sie einfach [= ohne nähere Begründung] formuliert wird – hat immer als letzten Grund die eigentliche Bewahrung der Familienangehörigen: so Johannes Andreae im Speculum Iudiciale von Guilelmus Durantis im Kapitel „De successione ab intestato“; [und] Angelus de Ubaldis de Perusio im Konsilium 191[, das mit den Worten] „Statuto Bononiensi“ [beginnt]; [und] Petrus de Ancharano in der Vorlesung über Liber Extra [Felinus Sandeus hat vermutlich den Schluss des Zitats und den Beginn des nachfolgenden Zitats beim Abschreiben von einer Vorlage versehentlich übersprungen.], dort am Ende, unter den Konsilien [in der Konsilienausgabe], die ich besitze, im Abschnitt zu X.1.2; [und] Angelus de Ubaldis de Perusio im Konsilium 364[, das mit den Worten] „Totum dictum factum“ [beginnt]; [und] Baldus de Ubaldis nach der Glosse zu C.6.42.11lxxix [siehe dazu den casus zur Glosse und dort: „damit nicht außerhalb der Familie veräußert werde“]; [und] Baldus de Ubaldis in der letzten Spalte zu C.6.55.9lxxx und in der lxxix  C.6.42.11 – Imp. Gordianus: Jedes Mal wenn von all denen, die aufgrund einer vorgenommenen Veräußerung einen Anspruch auf die Klage aus einem Vermächtnis geltend machen können, der Verkauf vollzogen wurde oder [wenn] die anderen irgendwelchen Verkäufen zugestimmt hätten, kann die Gültigkeit des Vertrages auf keine Art und Weise untergraben werden. [Der üblicherweise im Mittelalter verwendete casus zur Glosse C.6.42.11 erläutert das Gesetz am Beispiel eines Testaments, das bezweckt, Güter innerhalb der Familie zu behalten.] Summarium zu dieser Codexstelle, nach Salicetus: Wenn Alles von den verbotenen [Gütern] mit Einwilligung verkauft wurde, vorausgesetzt, es ist keine Person vorhanden, die die Veräußerung widerrufen könnte, wird die verbotene Veräußerung rechtskräftig. Und du musst hinzufügen, dass die entgegen dem Willen des Erblassers vorgenommene Veräußerung rechtsbeständig ist. Baldus de Ubaldis. Oder so: Wenn die, die sie widerufen können, der Veräußerung zustimmen würden, wird nicht mehr gestattet, wenn sie widerrufen wollen würden. lxxx  C.6.55.9 – Impp. Valentinianus, Theodosius, Arcadius: Wenn ein Verstorbener Kinder hinterlassen hat, [unabhängig von] Geschlecht oder Anzahl, und Enkel, die zu Lebzeiten [des Verstorbenen] von einer Tochter [abstammen], [ebenfalls unabhängig von] Geschlecht oder Anzahl, so sollen die Enkel von derselben Tochter von demjenigen Anteil, den die verstorbene Tochter, wenn sie den Vater überlebt hätte, neben ihren Brüdern gehabt hätte, in zwei Teile nachfolgen. Der dritte Teil soll den Brüdern und Schwestern derjenigen zuwachsen, die verstorben ist, das heißt den Söhnen und Töchtern des [Verstorbenen], um dessen Güter es sich handelt, [und



II. Paraphrase des Consiliums183

17. Spalte zu C.1.1.1lxxxi und zu C.6.15.5lxxxii; [und] Nicolaus de Tudeschis [= Panormitanus] im Konsilium 74[ – tatsächlich jedoch Konsilium 75, dessen Fallschilderung mit den Worten] „Quidam decessit“ [beginnt]. damit] nämlich den Onkeln mütterlicherseits oder den Tanten mütterlicherseits von denjenigen, zu deren Vorteil wir das Gesetz erlassen. Das, was wir die Güter des mütterlichen Großvaters betreffend festgelegt haben, setzen wir wegen der gleichen Billigkeit auch für mütterliche oder väterliche Großmütter fest, es sei denn, die Großeltern hätten gesagt, dass sie sich aufgrund einer gerechtfertigten und durch die Gesetze gebilligten Überlegung über die pflichtvergessenen Enkel zum Verbrennen der [die Enkel] lobenden [und belohnenden] Verfügung entschieden haben. Aber nicht nur, wenn der Großvater oder die Großmutter ohne ein Testament zu hinterlassen verstorben wären, legen wir für die Enkel fest, [dass] wir [den Enkeln dieselben] Rechte [wie den Kindern] bewahren, sondern auch, wenn der Großvater oder die Großmutter, von denen auf diese Art Enkel vorhanden sein werden [also bei über die Mütter mit den Großeltern verwandte Enkel = bei Enkeln, die mit den Großeltern nicht agnatisch verwandt sind], mit einem Testament verstorben wären und sie die Enkel übergangen hätten oder enterbt hätten, [oder] für den Fall eines ungesetzlichen Testaments der Großeltern. Und wenn irgendwelchen Töchtern entweder wegen einer Sache oder wegen eines Anspruchs eine Klage zusteht, erteilen wir den Enkeln gemäß dem gerechten Maß unseres Gesetzes [die Rechte], die den Kindern bei pflichtwidrigen Testamenten gegen die Eltern zukommen. [Mit diesem Gesetz werden die Unterschiede zwischen agnatischer und kognatischer Verwandtschaft verringert. Auch diejenigen, die in weiblicher Linie mit dem Erblasser verwandt sind, sollen hier einen Anteil am Nachlass, nämlich zwei Drittel, erhalten. Was die Klagen wegen pflichtwidriger Testamente angeht, so werden die Kognaten den Agnaten durch dieses Gesetz gleich gestellt.] lxxxi  C.1.1.1 – Impp. Gratianus, Valentinianus, Theodosius: Wir bestimmen, dass sich alle Völker, die die Leitung unserer Gnade regiert, zu dieser Religion wenden, welche der göttliche Apostel Petrus den Römern überliefert hat, wie es die durch [ihnen] von ihm eingeprägte Religion deutlich macht. Und dass ihr [auch] der Papst Damasus folgte und der Bischof Petrus von Alexandria, ein Mann apostolischer Heiligkeit, leuchtet klar. Es ist so, dass wir gemäß der apostolischen Ordnung und der evangelischen Lehre an die eine Gottheit des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes unter der gleichen Hoheit und unter der gütigen Dreifaltigkeit glauben. Wir beschließen, dass [diejenigen, die] diesem Gesetz folgen, den Namen der katholischen Christen benutzen sollen, [dass] die übrigen aber, die [wir] als töricht und wahnsinnig beurteilen, die Schande der ketzerischen Lehre aushalten sollen [und dass] die mit der Rache zu Bestrafenden zuerst die göttliche Strafe [und] danach auch unsere Maßnahmen, die wir aus dem himmlischen Willen wählen werden, [erleiden sollen]. Glosse nach Baldus de Ubaldis und Bartolus de Saxoferrato: Der katholische Glaube in Beziehung auf die Dreifaltigkeit ist gemäß der apostolischen Ordnung und der evangelischen Lehre zu beachten. Und die, die ihn [= den katholischen Glauben] befolgen, werden Christen genannt. Die, die ihn nicht befolgen, werden Ketzer genannt und werden wie Törichte und Schwachsinnige behandelt. Und sie werden von Gott und vom Kaiser bestraft. [Bartolus de Saxoferrato spricht bei Gelegenheit der Kommentierung der Summa Trinitate über ganz verschiedene Arten von Statuten und unter anderem auch über

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B. Edition

Diese Überlegung wird vom göttlichen Recht bestätigt, in dem die Männer die Frauen ausschließen: so in der Bibel, Num. 27lxxxiii, wie Angelus de Ubaldis de Perusio in seiner Disputation[, die mit den Worten] „Nobilis quidam“ [beginnt,] erwähnt. Und es ist im öffentlichen Interesse, dass Familien in ihrem Reichtum bewahrt werden, wie in der besagten Gesetzesstelle bewiesen wird, nämlich C.6.55.9lxxxiv. [Und das] bekräftigt lxxxii

solche

Statuten, die es verbieten, dass Töchter testamentarisch als Ersatzerben eingesetzt werden. Allerdings lehnt er solche Statuten als widerwärtig (odiosus) ab. Siehe Bertolus, Codex, Bd. 1, fol. 17.] lxxxii  C.6.15.5 – Impp. Diocletianus, Maximianus: Es steht fest, dass niemand aufgrund des Rechts kognatischer Verwandtschaft [ius cognationis] erben kann, außer durch Gewährung [des Erbschaftsbesitzes durch den Prätor]. Aber [wenn] die [nicht in Männerlinie] Verwandten [cognati] des Verstorbenen nicht nachfolgen wollen, [dann] werden sie nicht gedrängt, den Besitz der [Erbschafts-]Güter [vom Prätor] zu fordern. Summarium zu dieser Codexstelle, nach Alexander Tartagnus: Die nicht über die Männerlinie Verwandten [cognati] können nicht erben, es sei denn nach dem Recht des Prätors durch den Erbschaftsbesitz [bonorum possessio], die niemand gegen den Willen anzuerkennen gezwungen ist. Das hat Alexander Tartagnus übereinstimmend mit Baldus de Ubaldis und Salicetus gesagt. lxxxiii  Bibel, Num. 27, insb. 27.8: Und sage den Israeliten: Wenn jemand stirbt und keinen Sohn hat, so sollt ihr sein Erbe seiner Tochter zuwenden. [Solange es männliche Nachkommen gibt, schließen diese die weiblichen Nachkommen von der Erbfolge aus.] lxxxiv  C.6.55.9 – Impp. Valentinianus, Theodosius, Arcadius: Wenn ein Verstorbener Kinder hinterlassen hat, [unabhängig von] Geschlecht oder Anzahl, und Enkel, die zu Lebzeiten [des Verstorbenen] von einer Tochter [abstammen], [ebenfalls unabhängig von] Geschlecht oder Anzahl, so sollen die Enkel von derselben Tochter von demjenigen Anteil, den die verstorbene Tochter, wenn sie den Vater überlebt hätte, neben ihren Brüdern gehabt hätte, in zwei Teile nachfolgen. Der dritte Teil soll den Brüdern und Schwestern derjenigen zuwachsen, die verstorben ist, das heißt den Söhnen und Töchtern des [Verstorbenen], um dessen Güter es sich handelt, [und damit] nämlich den Onkeln mütterlicherseits oder den Tanten mütterlicherseits von denjenigen, zu deren Vorteil wir das Gesetz erlassen. Das, was wir die Güter des mütterlichen Großvaters betreffend festgelegt haben, setzen wir wegen der gleichen Billigkeit auch für mütterliche oder väterliche Großmütter fest, es sei denn, die Großeltern hätten gesagt, dass sie sich aufgrund einer gerechtfertigten und durch die Gesetze gebilligten Überlegung über die pflichtvergessenen Enkel zum Verbrennen der [die Enkel] lobenden [und belohnenden] Verfügung entschieden haben. Aber nicht nur, wenn der Großvater oder die Großmutter ohne ein Testament zu hinterlassen verstorben wären, legen wir für die Enkel fest, [dass] wir [den Enkeln dieselben] Rechte [wie den Kindern] bewahren, sondern auch, wenn der Großvater oder die Großmutter, von denen auf diese Art Enkel vorhanden sein werden [also bei über die Mütter mit den Großeltern verwandte Enkel = bei Enkeln, die mit den Großeltern nicht agnatisch verwandt sind], mit einem Testament verstorben wären und sie die Enkel übergangen hätten oder enterbt hätten, [oder] für den Fall eines ungesetzlichen Testaments der Großeltern. Und wenn irgendwelchen Töchtern ent-



II. Paraphrase des Consiliums185

C.9.41.9lxxxv, wo das Abscheuliche erwogen wird, dass die fremden Stämme manchmal schmählich an die Stelle der angesehenen [Stämme] gewählt werden. Aus all diesen [Argumenten] ist durch diese zwei ([durchaus noch] erweiterungsfähigen) Gründe deutlich bewiesen, was gesagt wurde: und zwar, dass die Güter des Herrn Johannes de Lignano auf keinerlei Weise außerhalb der männlichen [Abstammungs-]Linie (welche [die Güter] behüten soll) übertragen werden können – gemäß dessen [= des Johannes de Lig­ nano] offenkundigstem und wiederholtem Willen. {92r} Zum ersten angeführten [Argument] der Gegenmeinung über die Glosse zur besagten Stelle D.32.(1).38.4lxxxvi: Es wird gegutachtet, dass entweder der Erblasser einfach (ohne etwas anderes zu sagen [= ohne die Beweggründe für das Verbot zu nennen]) die Veräußerung außerhalb der Familie verboten hat, oder [dass er] die Veräußerung verboten hat, damit die Güter innerhalb der Familie verbleiben sollen. [Bei Fehlen der Beweggründe für eine testamentarische Verfügung sind weder wegen einer Sache oder wegen eines Anspruchs eine Klage zusteht, erteilen wir den Enkeln gemäß dem gerechten Maß unseres Gesetzes [die Rechte], die den Kindern bei pflichtwidrigen Testamenten gegen die Eltern zukommen. [Einerseits werden zwar die Kognaten grundsätzlich besser gestellt als im altrömischen Recht. Andererseits wird den Agnaten aber bei aller Besserstellung doch ein Drittel des Nachlassanteils bewahrt, der an die Kognaten fallen würde. Die Güter der Familie werden damit zusammengehalten.] lxxxv  C.9.41.9 – Imp. Diocletianus, Maximianus: Über den Personenstand der freien Geburt ist der Beweis durch alle Verhöre und Folterverhöre zu führen, damit nicht etwa Fremde aus einem niedrigen Stamm es wagen, sich an Stelle von aus glänzender [Herkunft] und von frei Geborenen Abstammenden zu setzen, oder [gar] durch erfundenen Zweifel [jemandem] die [ihm] eigene und geschuldete Nachfolge verweigert wird. lxxxvi  D.32.(1).38.4 – Scaevola 19 dig.: Iulius Agrippa, der Proviantmeister der Legion [primipilaris], hat in seinem Testament bestimmt, dass sein Erbe dessen Nachlass und ein vorstädtisches Grundstück und ein größeres Haus weder verpfänden noch veräußern solle. Die [von Agrippa] als Erbin eingesetzte Tochter hat ihre Tochter, die Enkelin des Proviantmeisters, als Erbin hinterlassen. [Diese Enkelin des Erblassers] hat jene Sachen lange in Besitz gehabt und hat im Sterben Fremde [testamentarisch] zu Erben eingesetzt. Man hat gefragt, ob der fremde Erbe jene [im Testament erwähnten] Grundstücke behalten kann oder ob sie tatsächlich Iulia Domna zustehen, die Iulius Agrippa zum Großonkel mütterlicherseits gehabt hat. Ich habe das Gutachten erteilt, dass, weil es sich um ein bloßes [nicht erläuterndes] Gebot [praeceptum nudum] handelte, kein Handeln vorgetragen werden könne, das gegen den Willen des Verstorbenen vorgenommen wurde, so dass [die Grundstücke] nicht mehr den Erben gehören könnten. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Ein bloßes Gebot [praeceptum nudum] oder ein Verbot der Veräußerung ohne Grund hindert nicht die Veräußerung.

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die gesetzlichen Vermutungen anwendbar. Sind jedoch die Beweggründe angegeben, sind sie vorrangig vor der gesetzlichen Vermutung.] Im ersten Fall kann der gesetzliche Erbe, auch wenn er nicht aus der Familie des Verstorbenen stammen würde, bei gesetzlicher Erbfolge und kraft Testaments erben. So verfährt die besagte Glosse [und ebenso ihre] Anhänger. Denn es wird durch diese Worte kein wechselseitiges Vermächtnis eingeführt. Und so [bestätigen es] die Glosse und weitere [Gelehrte] zur besagten Stelle D.31.(1).69.3lxxxvii und zur besagten Stelle D.45.1.135.3lxxxviii

lxxxvii  D.31.(1).69.3 – Papinianus 19 quaest.: Jemand setzte seinen Bruder zum Erben ein und bat, dass sein Haus nicht veräußert werden, sondern in der Familie bleiben solle. Wenn nun der Erbe diesen Willen nicht befolgt, sondern das Haus veräußert oder nach Einsetzung eines fremden Erben stirbt, so können alle, die zur Familie gehören, auf Herausgabe der Gegenstände des Fideikommiss-Vermächtnisses klagen. Was [gilt] daher, wenn sie nicht im selben Grad [der Verwandtschaft] stünden? Die Sache muss so geordnet werden, dass an erster Stelle der näher [Verwandte] als [zum Vermächtnis] berufen betrachtet wird. Gleichwohl darf deshalb wegen des Vorrangs für die Ranghöheren [zuungunsten] des Späteren beschädigt werden, sondern der näher [Verwandte] ist [zum Vermächtnis] zuzulassen, wenn er bereit wäre, dafür zu sorgen, dass er das Haus[, das den Vermächtnisgegenstand darstellt,] zurückgeben wird. Aber wenn keine Sicherheit [cautio] von dem verlangt worden ist, der an erster Stelle [zum Vermächtnis] zugelassen wurde, so findet zwar keine Kondiktionsklage gegen ihn selbst statt, aber wenn das Haus später einmal an einen außerhalb [der Familie Stehenden] gelangt sein wird, steht die Vermächtnisklage [petitio fideicommissi] der Familie zu. Jedoch glaube ich, dass die Sicherheit [cautio] wegen der Wertung der Arglisteinrede [exceptio doli mali] zu Recht verlangt werden kann, auch wenn darüber hinaus niemand Anderes aus der Familie übrig wäre. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Die entgegen dem Verbot des Erblassers außerhalb der Familie veräußerten Sachen können von allen aus der Familie [des Erblassers Stammenden] nach der Erbreihenfolge widerrufen werden. Jedoch der Erste muss Sorge für die Wiedereinsetzung der Nachfolgenden tragen. Und wenn eine Sicherheit [cautio] übergangen würde, werden die Sachen nicht kondiziert [= ist keine Kondiktionsklage zulässig], aber wenn dieser Fall eintritt, werden die Sachen vindiziert [= bleibt die Eigentumsklage erhalten]. Und es reicht aus, [wenn] diese [Sachen] zur Zeit [der Errichtung] des Testaments in der Familie gewesen sind. lxxxviii  D.45.1.135.3 – Scaevola 5 resp.: Dem Titius wurde von Seia ein Sklave mit der Bestimmung geschenkt, dass der Sklave weder an seinen Bruder noch den Sohn, Ehefrau oder Schwiedermutter gelangen dürfe, was sich Seia auch durch Stipulation von Titius versprechen ließ. Nach zwei Jahren hinterließ er Seia und seinen Bruder als Erben. Es wird angefragt, ob Seia gegen den Bruder und Miterben aus der Stipulation klagen könne? Er antwortete, sie könne auf das Interesse klagen. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Das Verbot der Veräußerung in einem Vertrag verhindert nicht die Übertragung des Eigentums: wenngleich man zur [Zahlung vom] Interesse wegen zuwiderlaufenden Handelns verpflichtet ist.



II. Paraphrase des Consiliums187

Das ist klar, wenn sie den Wortlaut an der Stelle D.31.(1).77.28lxxxix anführen, wo der Erblasser einfach [ohne zusätzlich Bedingung] die Veräußerung außerhalb der Familie verbietet. Und von diesem Fall spricht die besagte Stelle D.32.(1).38.4xc. Im zweiten Fall jedoch folgt der außerhalb der Familie [stehende] gesetzliche Erbe nicht nach, [und zwar] weder aufgrund eines Testaments noch bei gesetzlicher Erbfolge, weil, wie ich gesagt habe, diese Worte „damit sie in der Familie verbleiben“ ein wechselseitiges Vermächtnis eingeführt haben gemäß der Glosse und weiteren [Autoren] zu den besagten Stellen. Und so können die [Positionen] mit der besagten Lehre zur Übereinstimmung gebracht werden, die sich scheinbar gegenseitig entgegentreten. So sehen wir, dass zwischen den genannten Fällen noch ein weiterer Unterschied gebildet wird: Im ersten Fall nämlich könnte der dem Verbot unterworfene Erbe die Erbschaftsgüter außerhalb der Familie verkaufen, falls die Miterben sie nicht kaufen wollen. Im zweiten Fall jedoch können sie in keiner Weise außerhalb der Familie veräußert werden. Denn es sind Gegenstände, die der Herausgabe[pflicht] aus dem Vermächtnis an die Familie, der sie hinterlassen wurden, unterliegen, gemäß Authentica post C.6.43.3.3 ex Nov. 39.1 = Auth. Coll. 4.6xci. lxxxix  D.31.(1).77.28 – Papinianus 8 resp.: Zusammen mit mehreren anderen Freigelassenen war zum Vermächtnis eines Grundstücks auch eine freigelassene Frau mit zugelassen worden. Da nun der Freilasser gebeten hatte, dass dieses Grundstück nicht „aus dem Familiennamen“ [Glosse: der Freigelassenen] ausscheiden solle, so wurde [doch] erachtet, dass dem Sohne und Erben dieser Freigelassenen der Anteil am Grundstücke, welchen die Mutter empfangen hatte, bleiben solle [obgleich er offensichtlich nicht den Familiennamen des Freilassers trug, denn andernfalls wäre Papinianus nicht um ein Rechtsgutachten gebeten worden.] xc  D.32.(1).38.4 – Scaevola 19 dig.: Iulius Agrippa, der Proviantmeister der Legion [primipilaris], hat in seinem Testament bestimmt, dass sein Erbe dessen Nachlass und ein vorstädtisches Grundstück und ein größeres Haus weder verpfänden noch veräußern solle. Die [von Agrippa] als Erbin eingesetzte Tochter hat ihre Tochter, die Enkelin des Proviantmeisters, als Erbin hinterlassen. [Diese Enkelin des Erblassers] hat jene Sachen lange in Besitz gehabt und hat im Sterben Fremde [testamentarisch] zu Erben eingesetzt. Man hat gefragt, ob der fremde Erbe jene [im Testament erwähnten] Grundstücke behalten kann oder ob sie tatsächlich Iulia Domna zustehen, die Iulius Agrippa zum Großonkel mütterlicherseits gehabt hat. Ich habe das Gutachten erteilt, dass, weil es sich um ein bloßes [nicht erläuterndes] Gebot [praeceptum nudum] handelte, kein Handeln vorgetragen werden könne, das gegen den Willen des Verstorbenen vorgenommen wurde, so dass [die Grundstücke] nicht mehr den Erben gehören könnten. xci  Authentica post C.6.43.3.3 ex Nov. 39.1 = Auth. Coll. 4.6 – Imp. Iustinianus: Gegenstände, die der Herausgabe[pflicht] unterliegen, dürfen nicht veräußert oder

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B. Edition

So sagen es Bartolus de Saxoferrato und Johannes de Imola zur besagten Stelle D.45.1.122.3xcii. Und es scheint auch der Sinn [der Kommentierung] von Baldus de Ubaldis bei der Stelle C.6.42.4xciii zu sein, dementsprechend auch Rafael Fulgosius bei der besagten Stelle D.45.1.122.3 berichtet. Und dieser Meinung folgt auch Paulus de Castro in seiner Paduaner Vorlesung zu D.30.(1).114.14xciv – was auch immer er gesagt hat bei der besagten Stelle D.45.1.122.3. verpfändet werden. Aber wenn der Pflichtteil [portio legitima] der Kinder nicht genügt, um eine Mitgift oder Schenkung wegen der Ehe zu sichern, dann wird erlaubt, diese Gegenstände in diesem Fall zu veräußern oder zu verpfänden in einem Ausmaß angemessen an den Stand [der betreffenden Personen]. Denn wir bevorzugen nämlich das, was allen nützt, gegenüber demjenigen, was speziell nur einigen [Personen] nützlich ist. xcii  D.45.1.122.3 – Scaevola 28 dig.: Nachdem die Miterben die vererbten Grundstücke aufgeteilt hatten, hinterließen sie ein gemeinsames Grundstück unter der Vereinbarung, dass, wenn einer von ihnen seinen Anteil verkaufen wolle, diesen [Anteil] entweder dem Miterben oder dessen Nachfolger für 125 verkaufen soll und dass, wenn einer anders handelte [und sich nicht an diese Vereinbarung hielte], eine [Vertrags-]Strafe von 100 wechselseitig im Wege der Stipulation versprochen wird. Ich frage, wenn eine weibliche Miterbin die Vormünder der Kinder des [verstorbenen] Miterben mehrfach unter Zeugen angesprochen hat und verlangt hat, dass sie gemäß der Vereinbarung entweder [den Miteigentumsanteil der Miterbin] kaufen oder [gemeinsam mit ihr einverständlich das Grundstück an einen Dritten] verkaufen sollen, und sie [= die Vormünder] nichts davon getan hätten, ob, wenn die Frau [nun also ohne Einverständnis der Vormünder der Kinder des verstorbenen Miterben ihren Miteigentumsanteil] außerhalb [der Miterbengemeinschaft] verkauft hat, ob dann von ihr [= der Miterbin] die Strafe von 100 gefordert werden könne. Er [= Scaevola] antwortete, dass gemäß dem, was vorgetragen worden ist, die exceptio doli [dem Anspruch der Kinder des Miterben] entgegenstehe. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Wer unter [Vertrags-]Strafe verpflichtet ist, an jemanden zu veräußern, der kann, wenn dieser sich in Verzug befindet, veräußern, an wen er will. Das sagt Bartolus. xciii  C.6.42.4 – Imp. Alexander Severus: Der geäußerte Wille des Vaters, der es verbietet, dass die Kinder Grundstücke „außerhalb der Familie“ verkaufen oder verpfänden, kann nicht so verstanden werden, dass es dem Bruder verboten ist, der [offensichtlich bereits verheirateten] Schwester [Grundstücke] zu schenken. xciv  D.30.(1).114.14 – Marcianus 8 inst.: Die göttlichen [Kaiser] Severus und Antoninus haben denen geantwortet, die in einem Testament verbieten etwas zu veräußern [und] nicht den Grund ausdrücklich angeben, dessentwegen sie wollten, dass das [Veräußerungsverbot] bestehen sollte, dass die [Testaments-]Verfügung ohne Bedeutung [= ungültig] ist, wenn keine Person gefunden wird, zu deren Rücksicht das [Veräußerungsverbot] vom Erblasser angeordnet worden ist. [Denn es ist so,] wie wenn sie ein bloßes Gebot [praeceptum nudum] hinterlassen hätten, weil sie eine solche Bestimmung in einem Testament nicht aussprechen dürfen. Obgleich dieser [Wille] zu befolgen ist, wenn sie, um Kindern oder Nachkommen oder Freigelassenen oder Erben oder bestimmten anderen Personen zu helfen, auf diese Weise den Willen geäußert hätten. Aber das darf weder den Gläubigern noch dem Fiskus zum Nachteil gereichen. Denn, wenn die Güter des Erben wegen der Gläubiger des



II. Paraphrase des Consiliums189

Aber ich sage nicht, dass im ersten Fall ein bloßes Verbot [prohibitio nuda] [gegeben zu sein] scheint, weil im Gegenteil gesagt wird „mit einem Beweggrund“, gemäß Cinus de Pistorio und Bartholomeus de Salicetus zur besagten Stelle C.6.42.11xcv. Und aus dem vorher Gesagten wird das klar, weil, wenn ein bloßes [Verbot] [ohne weitere Begründung] existierte, dürfte der Erbe [die Güter] außerhalb der Familie veräußern – sogar [wenn] Miterben kaufen wollen: so die besagte Stelle D.30.(1).114.14xcvi mit der Glosse. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn im ersten Fall auch der außerhalb der Familie [stehende] gesetzliche Erbe nachfolgt, weil, wenn das Vermächtnis nicht angewendet wird, sondern [nur] ein einfaches [ohne BewegErblassers öffentlich versteigert werden mussten [= wenn der Erbe wegen der Schulden des Erblassers in Konkurs gefallen ist], [dann] folgen auch die Vermächtnisnehmer in das gemeinsame Schicksal. [Veräußerungsverbote ohne Bestimmung eines Grundes für diese Verbote sind grundsätzlich unwirksam, es sei denn, sie dienen sichtlich dem Vorteil bestimmter Personen und schaden nicht zugleich den Erbschaftsgläubigern oder dem Fiskus.] xcv  C.6.42.11 – Imp. Gordianus: Jedes Mal wenn von all denen, die aufgrund einer vorgenommenen Veräußerung einen Anspruch auf die Klage aus einem Vermächtnis geltend machen können, der Verkauf vollzogen wurde oder [wenn] die anderen irgendwelchen Verkäufen zugestimmt hätten, kann die Gültigkeit des Vertrages auf keine Art und Weise untergraben werden. [Der üblicherweise im Mittelalter verwendete casus zur Glosse C.6.42.11 erläutert das Gesetz am Beispiel eines Testaments, das bezweckt, Güter innerhalb der Familie zu behalten.] xcvi  D.30.(1).114.14 – Marcianus 8 inst.: Die göttlichen [Kaiser] Severus und Antoninus haben denen geantwortet, die in einem Testament verbieten etwas zu veräußern [und] nicht den Grund ausdrücklich angeben, dessentwegen sie wollten, dass das [Veräußerungsverbot] bestehen sollte, dass die [Testaments-]Verfügung ohne Bedeutung [= ungültig] ist, wenn keine Person gefunden wird, zu deren Rücksicht das [Veräußerungsverbot] vom Erblasser angeordnet worden ist. [Denn es ist so,] wie wenn sie ein bloßes Gebot [praeceptum nudum] hinterlassen hätten, weil sie eine solche Bestimmung in einem Testament nicht aussprechen dürfen. Obgleich dieser [Wille] zu befolgen ist, wenn sie, um Kindern oder Nachkommen oder Freigelassenen oder Erben oder bestimmten anderen Personen zu helfen, auf diese Weise den Willen geäußert hätten. Aber das darf weder den Gläubigern noch dem Fiskus zum Nachteil gereichen. Denn, wenn die Güter des Erben wegen der Gläubiger des Erblassers öffentlich versteigert werden mussten [= wenn der Erbe wegen der Schulden des Erblassers in Konkurs gefallen ist], [dann] folgen auch die Vermächtnisnehmer in das gemeinsame Schicksal. [Veräußerungsverbote ohne Bestimmung eines Grundes für diese Verbote sind grundsätzlich unwirksam, es sei denn, sie dienen sichtlich dem Vorteil bestimmter Personen und schaden nicht zugleich den Erbschaftsgläubigern oder dem Fiskus.] Glosse nach Bartolus de Saxoferrato: Ein ohne Begründung vorgenommenes Veräußerungsverbot, [das] nicht zugunsten einer bestimmten Person [vorgenommen wurde], ist ungültig. Sonst wäre es gültig, wenn [es] nicht gegen den Vorzug der Gläubiger [verstößt].

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gründe versehenes] Verbot festgelegt wurde, dieses Verbot, wie ich gesagt habe, nicht ausgedehnt wird auf den Fall der „Notwendigkeit“ [de necessitate] [= Eigentumsübertragung, die nicht vom freien Willen des Vermächtnisnehmers getragen ist]. Wenn nämlich der Verbotsbeschwerte gestorben ist ([was ja] unvermeidbar ist) [und] er ohne Testament verstorben ist, folgt ihm der gesetzliche [Erbe] aus „Notwendigkeit“ [de necessitate] nach. Daher wird, wenn diese Veräußerung eine „notwendige“ ist, das Verbot des Erblassers auf diesen Fall nicht ausgedehnt. Im zweiten Fall kann der außerhalb der Familie [stehende] gesetzliche Erbe nicht in diese Güter nachfolgen, weil, wenn der Erblasser einen Anderen als Ersatzerben eingesetzt hat, er den gesetzlichen Erben des Verbotsbeschwerten wirksam ausgeschlossen hat. Und deshalb folgt er nicht aus „Notwendigkeit“ in diese Güter nach[, denn es gibt in diesem Fall ja eine vom Willen des Erblassers getragene andere Regelung]. Aber Alexander Tartagnus hat, das Vorerwähnte bei der besagten Stelle D.45.1.122.3xcvii betreffend, eine andere Harmonisierung zwischen der Glosse zur besagten Stelle D.32.(1).38.4xcviii und der Glosse zu besagten Stelle D.31.(1).88.15xcix gebildet, [indem] er sagt, dass xcvii  D.45.1.122.3 – Scaevola 28 dig.: Nachdem die Miterben die vererbten Grundstücke aufgeteilt hatten, hinterließen sie ein gemeinsames Grundstück unter der Vereinbarung, dass, wenn einer von ihnen seinen Anteil verkaufen wolle, diesen [Anteil] entweder dem Miterben oder dessen Nachfolger für 125 verkaufen soll und dass, wenn einer anders handelte [und sich nicht an diese Vereinbarung hielte], eine [Vertrags-]Strafe von 100 wechselseitig im Wege der Stipulation versprochen wird. Ich frage, wenn eine weibliche Miterbin die Vormünder der Kinder des [verstorbenen] Miterben mehrfach unter Zeugen angesprochen hat und verlangt hat, dass sie gemäß der Vereinbarung entweder [den Miteigentumsanteil der Miterbin] kaufen oder [gemeinsam mit ihr einverständlich das Grundstück an einen Dritten] verkaufen sollen, und sie [= die Vormünder] nichts davon getan hätten, ob, wenn die Frau [nun also ohne Einverständnis der Vormünder der Kinder des verstorbenen Miterben ihren Miteigentumsanteil] außerhalb [der Miterbengemeinschaft] verkauft hat, ob dann von ihr [= der Miterbin] die Strafe von 100 gefordert werden könne. Er [= Scaevola] antwortete, dass gemäß dem, was vorgetragen worden ist, die exceptio doli [dem Anspruch der Kinder des Miterben] entgegenstehe. xcviii  D.32.(1).38.4 – Scaevola 19 dig.: Iulius Agrippa, der Proviantmeister der Legion [primipilaris], hat in seinem Testament bestimmt, dass sein Erbe dessen Nachlass und ein vorstädtisches Grundstück und ein größeres Haus weder verpfänden noch veräußern solle. Die [von Agrippa] als Erbin eingesetzte Tochter hat ihre Tochter, die Enkelin des Proviantmeisters, als Erbin hinterlassen. [Diese Enkelin des Erblassers] hat jene Sachen lange in Besitz gehabt und hat im Sterben Fremde [testamentarisch] zu Erben eingesetzt. Man hat gefragt, ob der fremde Erbe jene [im Testament erwähnten] Grundstücke behalten kann oder ob sie tatsächlich Iulia Domna zustehen, die Iulius Agrippa zum Großonkel mütterlicherseits gehabt hat. Ich habe das Gutachten erteilt, dass, weil es sich um ein bloßes [nicht erläuterndes] Gebot [praeceptum nudum] handelte, kein Handeln vorgetragen werden könne, das



II. Paraphrase des Consiliums191

entweder gefragt wird, ob mit diesen Worten „Ich hinterlasse Dir ein Grundstück und verbiete,{92v} es außerhalb der Familie zu veräußern“ [zu schließen ist, dass] das Grundstück durch ein Vermächtnis der Familie hinterlassen wurde – für den Fall, in dem es sich ereignet, dass jemand an Fremde veräußert ([sei es] durch ein Geschäft unter Lebenden, [sei es] durch ein Testament) – und in diesem [Fall] bestimmtest Du jedoch für das Grundstück einen Erben oder einen fremden Nachfolger (der für Dich nicht der gesetzliche Erbe wäre.) Und es ist zu sagen[, dass das] so [ist] [= die Frage ist zu bejahen]. So sage es die Glosse zur besagten Stelle D.31. (1).88.15 mit [weiteren] Parallelstellen. [Wenn testamentarische Erbfolge xcix

gegen den Willen des Verstorbenen vorgenommen wurde, so dass [die Grundstücke] nicht mehr den Erben gehören könnten. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Ein bloßes Gebot [praeceptum nudum] oder ein Verbot der Veräußerung ohne Grund hindert nicht die Veräußerung. xcix  D.31.(1).88.15 – Scaevola 3 resp.: Nachdem ein Erblasser seinen Sohn zum Erben eingesetzt hatte und von diesem [die Kinder – seine] Enkelkinder emanzipiert [= aus der patria potestas entlassen] hatte, bestimmte er: „Ich will, dass meine Häuser von meinen Erben nicht verkauft werden und darauf auch keine verzinslichen Darlehen aufgenommen werden, sondern dass diese [Häuser] meinen Söhnen und Enkeln auf alle Zeiten fest verbleiben sollen. Wenn aber irgendeiner von ihnen seinen Anteil verkaufen oder auf diesen ein verzinsliches Darlehen aufnehmen will, darf er rechtsgültig an seinen Miterben verkaufen oder von ihm ein Darlehen aufnehmen. Wenn aber einer entgegen dieser [Regelung/Bedingung] handelt, soll das Schuldverhältnis[, das dabei zwischen dem Erben und einem Dritten entstanden ist,] null und nichtig sein.“ [Übersetzung anhand der Vulgata-Version, da die Stelle griechisch ist.] Da der Sohn des Verstorbenen [= des Erblassers] von der Flavia Dionysia Geld als Darlehen empfangen hat und seinen Anteil an den Mietzinsen von den vermieteten Häusern für die Schulden an seine Gläubigerin übertragen hat, wird gefragt, ob die Bedingung des Testaments als erfüllt angesehen werden muss, so dass er aufgrund des Vermächtnisses seinen Söhnen verpflichtet ist. Ich antworte, dass [die Bedingung] nach dem, was vorgetragen worden ist, nicht eingetreten ist. [Würde in der Abtretung des Mietzinsanspruchs des Erben eine Veräußerung oder eine Belastung des ererbten Grundstücks durch ein Darlehen liegen, dann wäre der Erbe gegenüber seinen Kindern aufgrund des Vermächtnisses verpflichtet. Das lehnt Scaevola hier aber ab. Die Abtretung des Mietzinsanspruches stellt also keine gegen das testamentarische Verbot verstoßende Belastung dar. Gleichzeitig bedeutet das im Umkehrschluss, dass durch ein solches testamentarisches Verbot der Erbe gegenüber den im Vermächtnis mitbedachten Nach- und Ersatzerben bei einem Verstoß gegen das Vermächtnis direkt verpflichtet ist. Aus diesem Grund geht Sandeus auch von einer den Erben belastenden Verpflichtung aus dem Vermächtnis des Johannes de Lignano aus, für den Fall, dass der Erbe gegen das Veräußerungsverbot verstößt. Nur dann aber liegt in der testamentarischen Bedingung zugleich ein Vermächtnis.] Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Das Verbot, [etwas] zu verkaufen oder zu verpfänden, wird nicht verstanden als Verbot, [etwas] zu vermieten. Oder so: Wer dafür haftet, dass es verboten ist, das Haus unter der Bezeichnung des Vermieters zu verkaufen, [für den kann man sagen, dass] er das Haus nicht verkauft hat und nicht verpfändet hat.

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eintritt, dann greift das Vermächtnis des früheren Erblassers zugunsten der Familie. Der Familienfremde kann durch ein Testament des Vermächtnisbeschwerten nicht den Vermächtnisgegenstand erben.] oder gefragt wird, ob [zu schließen ist, dass] das Grundstück durch Vermächtnis den Anderen aus der Familie nach dem Tod des Einen hinterlassen wurde, wenn er, ohne das Grundstück [vorher] zu veräußern, gestorben ist unter Hinterlassung eines rechtmäßigen Erben [im Wege] der gesetzlichen Erbfolge, auch wenn der [Erbe] nicht aus der Familie stammte. Und es ist zu sagen[, dass das] nicht [zutrifft] [= die Frage ist zu verneinen] – auch [dann nicht], wenn im Verbot die Worte hinzugefügt worden wären „damit [es] in der Familie verbliebe“. Er beruft sich [dafür] auf die Glosse zur besagten Stelle D.31.(1).69.3c und den Wortlaut der besagten Stelle D.31. c  D.31.(1).69.3 – Papinianus 19 quaest.: Jemand setzte seinen Bruder zum Erben ein und bat, dass sein Haus nicht veräußert werden, sondern in der Familie bleiben solle. Wenn nun der Erbe diesen Willen nicht befolgt, sondern das Haus veräußert oder nach Einsetzung eines fremden Erben stirbt, so können alle, die zur Familie gehören, auf Herausgabe der Gegenstände des Fideikommiss-Vermächtnisses klagen. Was [gilt] daher, wenn sie nicht im selben Grad [der Verwandtschaft] stünden? Die Sache muss so geordnet werden, dass an erster Stelle der näher [Verwandte] als [zum Vermächtnis] berufen betrachtet wird. Gleichwohl darf deshalb wegen des Vorrangs für die Ranghöheren [zuungunsten] des Späteren beschädigt werden, sondern der näher [Verwandte] ist [zum Vermächtnis] zuzulassen, wenn er bereit wäre, dafür zu sorgen, dass er das Haus[, das den Vermächtnisgegenstand darstellt,] zurückgeben wird. Aber wenn keine Sicherheit [cautio] von dem verlangt worden ist, der an erster Stelle [zum Vermächtnis] zugelassen wurde, so findet zwar keine Kondiktionsklage gegen ihn selbst statt, aber wenn das Haus später einmal an einen außerhalb [der Familie Stehenden] gelangt sein wird, steht die Vermächtnisklage [petitio fideicommissi] der Familie zu. Jedoch glaube ich, dass die Sicherheit [cautio] wegen der Wertung der Arglisteinrede [exceptio doli mali] zu Recht verlangt werden kann, auch wenn darüber hinaus niemand Anderes aus der Familie übrig wäre. [Der erste Abschnitt dieser Digestenstelle bedeutet, dass die Einsetzung eines Fremden einer Veräußerung gleich kommt. Nach römischem Recht gab ein Fideikommiss-Vermächtnis dem Vermächtnisnehmer lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben auf Herausgabe der vermachten Gegenstände. Die dinglichen Rechte an diesen Gegenständen wurden also zunächst vom Erben erworben, und er war erst auf Anforderung des Vermächtnisnehmers schuldrechtlich verpflichtet, sie auf den Vermächtnisnehmer zu übertragen. Der Übergang der dinglichen Rechte kraft Erbschaft als solcher wurde also nicht verhindert durch das Veräußerungsverbot.] Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Die entgegen dem Verbot des Erblassers außerhalb der Familie veräußerten Sachen können von allen aus der Familie [des Erblassers Stammenden] nach der Erbreihenfolge widerrufen werden. Jedoch der Erste muss Sorge für die Wiedereinsetzung der Nachfolgenden tragen. Und wenn eine Sicherheit [cautio] übergangen würde, werden die Sachen nicht kondiziert [= ist keine Kondiktionsklage zulässig], aber wenn dieser Fall eintritt, werden die Sachen vindiziert [= bleibt die Eigentumsklage erhalten].



II. Paraphrase des Consiliums193

(1).77.28ci. [Wenn jedoch gesetzliche Erbfolge eintritt, dann greift das Vermächtnis des früheren Erblassers zugunsten der Familie gerade nicht. Vielmehr kann dann der familienfremde gesetzliche Erbe auch den Vermächtnisgegenstand erben. Denn es handelt sich bei gesetzlicher Erbfolge um einen Fall der „Notwendigkeit“ (de necessitate), weswegen die gesetzliche Regel greift und der testamentarisch belegte Wille des Erblassers unbeachtet bleiben muss.]  Und dieselben Gedanken hat Alexander Tartagnus im Konsilium[, das bei] mir [die Nummer] 423 [hat und das mit den Worten] „Attentis verbis“ [beginnt], das bei Anderen im dritten Band [der Konsiliensammlung des Alexander Tartagnus die Nummer] 59 ist, wo er ebenfalls nicht auf die Glosse bei der besagten Stelle D.31.(1).88.15 zu achten scheint.  Nichtdestoweniger scheint diese Unterscheidung [distinctio] fehlerhaft zu sein. Denn er beruft sich auf die Glosse zur besagten Stelle D.31.(1).69.3, zusammen mit dem Wortlaut, und auf die Glosse zu D.31.(1).77.28. Für diesen letzten Gesichtspunkt scheint er nicht gut aufgepasst zu haben, weil der Wortlaut der Stelle D.31.(1).77.28 einen Fall betrifft, in dem ein einfach [ohne weitere Bestimmungen] errichtetes Verbot außerhalb der Familie [zu veräußern] vorgenommen wurde. Und dort wurde nicht bestimmt „damit [es] in der Familie verbleibe“. Wahr ist, dass bei der genannten Stelle D.31.(1).69.3 dort diese Worte [nämlich „damit es in der Familie verbleibe“] beigefügt sind. Aber jener Wortlaut beweist direkt, dass das Vermächtnis zwischen den aus der Familie [Stammenden] bewirkt wurde. Und obwohl die Glosse dort [nämlich bei D.32.(1).38.4] sagt, es sei anders, wenn jemand [testamentarisch] eingesetzt worden wäre oder ein gesetzlicher Erbe käme (weil dann diejenigen aus der Familie [vom Erbe] ausgeschlossen wären), und dazu wird § 15 [= D.31. (1).88.15] zitiert. Jedoch beweist dies [= die Glosse] nicht notwendig das, was von Alexander Tartagnus angeführt wird, wenn es sich nicht auf den Wortlaut [= auf D.31.(1).69.3] bezieht. Aber wenn man [das von Alexander Tartagnus Gesagte] auf die von ihm angeführten Gesetzesstellen bezieht [nämlich D.32.(1).38.4 und D.31.(1).88.15] oder auf D.31.(1).77.28, wo er Und es reicht aus, [wenn] diese [Sachen] zur Zeit [der Errichtung] des Testaments in der Familie gewesen sind. ci  D.31.(1).77.28 – Papinianus 8 resp.: Zusammen mit mehreren anderen Freigelassenen war zum Vermächtnis eines Grundstücks auch eine freigelassene Frau mit zugelassen worden. Da nun der Freilasser gebeten hatte, dass dieses Grundstück nicht „aus dem Familiennamen“ [Glosse: der Freigelassenen] ausscheiden solle, so wurde [doch] erachtet, dass dem Sohne und Erben dieser Freigelassenen der Anteil am Grundstücke, welchen die Mutter empfangen hatte, bleiben solle [obgleich er offensichtlich nicht den Familiennamen des Freilassers trug, denn andernfalls wäre Papinianus nicht um ein Rechtsgutachten gebeten worden.]

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mehr recht hat, [dann] bewirkt seine Meinung nichts [zu D.31.(1).69.3], weil in jenen [anderen, von ihm genannten] Gesetzesstellen [nämlich D.31.(1).77.28 und D.31.(1).88.15] diese [genannten] Worte nicht beigefügt worden sind. Und im Zweifel müssen wir die Glosse [zu D.32.(1).38.4] auf die Gesetzesstellen beziehen, die [Alexander Tartagnus] angeführt hat, damit er nicht dem widerspricht, was er [selbst] zu D.31.(1).88.15 gesagt hat. Außerdem steht der erste Teil der Unterscheidung [distinctio] von Alexander Tartagnus gegen Dinus Mugellanus, Bartolus de Saxoferrato und Johannes de Imola zur besagten Stelle D.45.1.122.3 und Baldus de Ubaldis zur besagten Stelle C.6.42.4 und Paulus de Castro zur besagten Stelle D.30.(1).114.14 – [die alle] wollen, dass durch diese Worte „Ich verbiete außerhalb der Familie zu veräußern“ kein Vermächtnis eingeführt wird und dass man unter Lebenden veräußern könne (wenn die Miterben nicht kaufen wollen). Deren Gegenteil sagt Alexander Tartagnus. Folgend Raphael Cumanus, dort. Aber von der Meinung Anderer, wenn sie allgemeine [Meinung] ist, soll beim Urteilen nicht abgewichen werden. Außerdem steht der zweite Teil der Unterscheidung [distinctio] von Ale­ xander Tartagnus gegen Bartolus de Saxoferrato und andere, die sagen, dass ein einfaches [ohne weitere Bestimmungen versehenes] Vermächtnis durch diese Worte eingeführt wurde. Und es folgt aus diesen Worten auch etwas, was man nicht zugestehen darf: Nimm [als Beispielsfall] an, dass der Erblasser, der zwei [als Erben] eingesetzte Kinder hinterlassen hat, verboten hätte, dass seine Güter außerhalb der Familie veräußert werden, „damit sie in ihr verbleiben“. Einer [der Söhne] ist verstorben, er hat einen Enkel von einer Tochter hinterlassen – die außerhalb der Familie des Erblassers steht, wie alle [Gelehrten] zur besagten Stelle D.2.1.19cii bemerken. Werden wir etwa cii  D.2.1.19 pr. – Ulpianus 6 fideic.: Nachdem ein Mädchen sich vor dem zuständigen Richter einem Rechtsstreit unterworfen hatte und daraufhin verurteilt worden war, unterfiel sie durch Heirat [der Gewalt eines] Mannes, der Subjekt einer anderen Gerichtsbarkeit war. Es wird nun gefragt, ob der Urteilsspruch des früheren Richters [gegen das nun verheiratete Mädchen] vollstreckt werden könne. Ich sage, [dass dieses Urteil vollstreckt werden] kann, weil der Urteilsspruch früher ergangen ist. Aber auch, wenn das [also die Heirat des Mädchens] nach Beginn des Prozesses aber vor dem Urteilsspruch geschehen wäre, hielte ich es für richtig. Und der Urteilsspruch des früheren Richters ist zu Recht ergangen. U n d d a s m u s s a l l g e mein und in allen gleichartigen Fällen gelten. [Die Vollstreckung durch den nun eigentlich unzuständigen Richter bleibt zulässig. Und auch das Urteil in einem Prozess mit einem nun eigentlich unzuständigen Richter ist nicht unrichtig. Die Änderung der „Gewaltunterwerfung“ während eines laufenden Verfahrens – also nach Rechtshängigkeit und bis zur Beendigung der Vollstreckungshandlung – berührt nicht die Zuständigkeit des Richters und damit die Gültigkeit des Verfahrens. Die durch Heirat in eine neue Familie einem neuen Gerichtssprengel unterstehende Frau bleibt also ab Rechtshängigkeit der Gerichtsbar-



II. Paraphrase des Consiliums195

sagen {93r}, dass dieser Enkel von der Tochter den anderen [noch lebenden Sohn des Erblassers], der nicht der gesetzliche Erbe dieses [verstorbenen] Sohnes[= seines Bruders] ist, ausgeschlossen habe? Nach Alexander Tartagnus wird [der Enkel] gewiss [den noch lebenden Sohn] ausschließen. Das aber scheint falsch zu sein, weil [der Enkel] nicht vom Erblasser ausdrücklich zum Ausschluss des zweiten Sohnes berufen wurde. Daher darf er nicht stillschweigend den Bruder des Verstorbenen ausschließen, der nach dem stillschweigenden Willen [des Erblassers] zum Ersatz­erben eingesetzt wurde, gemäß der besagten Stelle C.6.42.30ciii, weil dieses Gesetzesstelle mit ähnlichen [Stellen] nicht anwendbar ist, wenn der Wille des Verstorbenen das Gegenteil ergeben kann, wie ich oben gesagt habe. Aber daraus, dass der Erblasser verboten hat, außerhalb der Familie zu veräußern, „damit die Güter in der Familie verbleiben“, ergibt sich sein Wille, dass jeder Andere ausgeschlossen sein soll, wenn er nur außerhalb der Familie wäre. Daher ist die zutreffende Harmonisierung der besagten Glossen (wie mir scheinen will) diejenige, die ich oben erklärt habe. Auch wenn dieser [Gedanke der Harmonisierung] durch die Gelehrten nicht klar formuliert worden ist, so wird doch aus ihren Worten (und aus den Gesetzen, die sie anführen) klar hervorgehen (bei jemandem, der richtig darüber nachdenkt), dass ihre Meinung diese [hier von mir vertretene] ist. Ohne von der besagten Erwiderung [responsio] abzuweichen, die genügend ist, kann eine andere hinzugefügt werden: Obwohl es freilich den Gesetzen entspricht, dass der gesetzliche Erbe Andere aus der Familie [von der Erbschaft] ausschließt, greift [diese gesetzkeit

des ursprünglichen Gerichtssprengels unterworfen – eine Heirat entzieht sie dafür gerade nicht ihrer ursprünglichen Familie, an deren Wohnsitz ja der Gerichtssprengel hängt. Die Verbundenheit mit der Heimatgemeinde des pater familias der nun verheirateten Frau wird also durch eine Heirat nicht zerstört.] ciii  C.6.42.30 – Imp. Iustinianus: Der scharfsinnige und alle anderen überragend verdienstvolle Papinian hat in seinen Rechtsgutachten [responsa] festgestellt, dass, wenn jemand seinen Sohn zum Erben eingesetzt hat und ihn mit dem Vermächtnis der Herausgabe [der Erbschaft] nach [seinem] Tode belastet hat, diese Bestimmung nicht anders interpretiert werden soll, als [für den Fall,] wenn dieser Sohn ohne Nachkommen das Leben verlassen hätte. Wir bewundern zu Recht diesen Scharfsinn und gewähren einer derartigen Ansicht die vollständigste Wirkung, dass, wenn jemand solches angeordnet hätte, nicht nur wenn er den Sohn, sondern auch die Tochter, oder von Anfang an den Enkel oder die Enkelin oder den Urenkel oder die Urenkelin oder jede andere darauf folgende Nachkommenschaft als Erben eingesetzt hätte und diese mit dem Vermächtnis der Herausgabe [der Erbschaft] nach ihrem Tod belastet hätte, das nicht anders verstanden werden soll, als wenn diejenigen, die mit der Herausgabeverbindlichkeit belastet sind, ohne Söhne oder Töchter, oder ohne Enkel oder Enkelinnen verstorben sein werden, damit nicht der Anschein entstehe, dass der Erblasser fremde Ersatzerben/Nacherben den eigenen vorgezogen habe.

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liche Regelung] dennoch nicht ein, wenn offenbar wird, dass der Erblasser ein Anderes wollte – wie es die Glosse zur besagten Stelle D.32.(1).38.4civ sagt, die sich auf einen sehr guten [passenden] Wortlaut bei D.31.(1).88.16cv bezieht. Aber (wie ich oben ausführlich bewiesen habe) über den Willen des Erblassers steht fest, dass er nicht wollte, dass seine Güter zum gesetzlichen Erben des [von ihm] eingesetzten [Erben] kommen, der einer fremden Familie angehört. Denn wenn er die eigenen Töchter [von der Erbschaft] ausgeschlossen hat, die ja zur Familie gehören, dann hat er erst recht die weiter Entfernten ausgeschlossen, die nicht zur Familie gehören. Und er hat dieses Verbot vorgenommen zugunsten der männlichen Verwandten. Daher ist anzunehmen, dass jene Urenkelin durch den Erblasser gehindert worden ist, [ihm] nachzufolgen, weil durch sie die Verwandtschaft in männlicher Linie [agnatio] nicht bewahrt würde. Und selbst wenn man unterstellt, dass eine Verheiratete [auch noch] nach der Eheschließung „in der Familie“ sei, so hat doch der Erblasser [hier] mit

civ  D.32.(1).38.4 – Scaevola 19 dig.: Iulius Agrippa, der Proviantmeister der Legion [primipilaris], hat in seinem Testament bestimmt, dass sein Erbe dessen Nachlass und ein vorstädtisches Grundstück und ein größeres Haus weder verpfänden noch veräußern solle. Die [von Agrippa] als Erbin eingesetzte Tochter hat ihre Tochter, die Enkelin des Proviantmeisters, als Erbin hinterlassen. [Diese Enkelin des Erblassers] hat jene Sachen lange in Besitz gehabt und hat im Sterben Fremde [testamentarisch] zu Erben eingesetzt. Man hat gefragt, ob der fremde Erbe jene [im Testament erwähnten] Grundstücke behalten kann oder ob sie tatsächlich Iulia Domna zustehen, die Iulius Agrippa zum Großonkel mütterlicherseits gehabt hat. Ich habe das Gutachten erteilt, dass, weil es sich um ein bloßes [nicht erläuterndes] Gebot [praeceptum nudum] handelte, kein Handeln vorgetragen werden könne, das gegen den Willen des Verstorbenen vorgenommen wurde, so dass [die Grundstücke] nicht mehr den Erben gehören könnten. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Ein bloßes Gebot [praeceptum nudum] oder ein Verbot der Veräußerung ohne Grund hindert nicht die Veräußerung. cv  D.31.(1).88.16 – Scaevola 3 resp.: Jemand setzte [seine] Mutter und [seine] Ehefrau als Erben ein und verordnete: „Von dir, geliebte Ehefrau, fordere ich, dass du deinen Brüdern nach deinem Tod nichts hinterlässt, [denn] du hast die Kinder/ Söhne deiner Schwestern, denen du es hinterlassen kannst. Du weißt, dass einer deiner Brüder unseren Sohn erschlagen hat, während er ihn beraubt hat. Aber auch ein anderer [deiner Brüder] hat mir Schlimmstes angetan.“ Ich frage, nachdem die Ehefrau ohne ein Testament verstorben ist und deren gesetzliche Erbschaft [bei gesetzlicher Erbfolge] dem Bruder zustand, ob die Kinder der Schwester [der verstorbenen Ehefrau] einen Vermächtnisanspruch gegen diesen [Bruder der verstorbenen Ehefrau] haben. Ich habe geantwortet, dass man verteidigen kann, dass ein Vermächtnis geschuldet ist. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Ist es verboten, an eine bestimmte Person zu veräußern, dann ist es [auch] verboten, an diejenigen [zu veräußern], an die es ohne Testament kraft Gesetzes übergeht.



II. Paraphrase des Consiliums197

dem Begriff „der Familie“ nur Männer gemeint, wie die obigen [Ausführungen] zeigen. Obgleich also in sonstigen Fällen der gesetzliche [Erbe] zugelassen wird, ist er in diesem Fall nicht zugelassen, weil er gehindert wird aus dem schlussgefolgerten Willen des Erblassers. Zum zweiten Argument [der Gegenmeinung]: Obschon aus diesen [obigen Gründen] [das hier streitige Vermögen] entzogen worden ist, wird es [zusätzlich noch] spezieller entzogen, weil man sagen kann, dass im Gegenteil die verheiratete Tochter nicht als „von der Familie des Vaters“ genannt werden kann: zuerst nach D.29.5.1 pr.cvi, verbunden mit der Erklärung des Bartolus de Saxoferrato, wo gezeigt wird, dass jemand erst dann als „aus der Familie“ von irgendwem genannt wird, {93v} wenn er mit ihm im selben Haus wohnt. Aber die verheiratete Tochter wohnt nicht mit dem Vater zusammen, sondern mit dem Ehemann. Daher wird sie nicht bezeichnet als „aus der Familie des Vaters“: das bestätigen C.5.2.1.1cvii und C.2.13(14).1pr.-2cviii.11 Außerdem [bestätigt das] D.1.9.8cix, 11  Zur Frage der Zugehörigkeit der Tochter zur Familie des Vaters oder des Ehegatten, siehe auch Besta, S. 198 und Kuehn, Tijdschrift, 49 (1980), S. 128. cvi  D.29.5.1 pr. – Ulpianus 50 ad ed.: Weil anders kein Haus geschützt werden kann, [als dadurch, dass] die Sklaven mit der Gefahr ihres Lebens gezwungen werden, den Herren [domini] sowohl gegen die Haushaltsgenossen [domestici] als auch gegen Fremde beizustehen, daher wurden Senatsbeschlüsse über die öffentliche Untersuchung [= peinliche Befragung] für [diejenigen] eingeführt, die bei der Familie der Getöteten wohnen. Glosse: zum Begriff „kein Haus“: Das Haus, das des [Herrn] sicherste Zufluchtsstätte sein soll. Glosse: zum Begriff „Haushaltsgenossen“: Das meint diejenigen, die aus der Familie sind. Denn wie Boetius sagt: kein Unheil ist erfolgreicher beim Schaden, als ein zur Familie gehörender Feind. cvii  C.5.2.1 pr.-1 – Impp. Gratianus, Valentinus, Theodosianus: Wenn jemand, der ein öffentliches Amt und zwar die Ehre des Provinzstatthalters innehat, der [dadurch] den Eltern oder den Vormündern [tutores] oder den bestellten Pflegern [curatores] oder den [Frauen] selbst, die die Ehe schließen wollen, Angst einflößen kann, ein Verlobungsgeschenk [arra sponcalicia] gegeben hat, befehlen wir, wenn im Folgenden [= nach Niederlegung des Staatsamts durch den Bräutigam] entweder die Eltern oder diese [Frauen selbst] den Willen geändert haben werden, dass sie nicht nur von der Fessel des Rechts und der Strafe der Gesetze frei sein sollen, sondern dass sie auch die von außen gegebenen [Ehe-]Pfänder als Gewinn haben sollen, wenn sie nicht der Ansicht sind, diese zurückgeben zu wollen. Wir wollen dieses [Prinzip] so weit sich erstrecken lassen, dass es nicht nur bei Amtsträgern gilt, sondern auch bei Kindern, Enkeln und Verwandten, Mit-Entscheidenden [participes] (nämlich Beratern) und Hausangehörigen, denen der Amtsträger Arbeit zuteilt. [Aus der Gleichsetzung von Kindern, Enkeln und Verwandten einerseits und Hausangehörigen andererseits ergibt sich eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass bei allen genannten Personengruppen nur diejenigen Personen erfasst sein

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wo die Tochter eines Adligen den Adelsstand verliert, wenn sie einen Bürgerlichen heiratet. Dies bestätigt das von Bartolus de Saxoferrato zu C.12.29.3 pr.cx Gesagte, weil das dem Vater eingeräumte Privileg für sich und seine männlichen cviiicix

sollen,

die Hausgenossen des Amtsträgers sind. Die Beschränkungen gelten also nur für solche Angehörige, die zugleich Hausgenossen des Betreffenden sind. – Dementsprechend interpretieren die Kommentatoren auch das nachstehend zitierte Gesetz C.2.13(14).1pr.-2 einschränkend. Denn anderenfalls hätten Abkömmlinge und Verwandte von Amtspersonen niemals den Beruf des Rechtsanwalts ausüben dürfen.] cviii  C.2.13(14).1pr.-2 – Impp. Diocletianus, Maximianus: Der vergöttlichte Claudius, der im Recht hoch erfahrene Kaiser, unser Vorfahr hat ganz vortrefflich verordnet, dass denjenigen der Verlust der Rechtssache widerfahren soll, die für sich den Rechtsbeistand der Mächtigeren gesucht haben, damit, wenn [solche] Furcht [vor Gericht] berichtet wird, die gerichtlichen Streitsachen eher ihren [gewöhnlichen] Lauf nehmen, als sich auf die Hilfe der mächtigeren Häuser zu stützen. Es ist bekannt, dass er [= Claudius] durch die Anfragen aus so vielen Provinzen [zu dieser Verordnung] bewegt wurde, dass er die Provinzstatthalter zu Wächtern über diese Sanktion und zu Rächern der verachtenswerten Sache gemacht hat, so dass nämlich sie gegen die Kläger und die Prozessvertreter [procuratores], die sich für den Rechtsbeistand bei Rechtsgeschäften entweder kostenlos haben gebrauchen lassen oder haben erkaufen lassen, mit einem strengen Urteil vorgehen sollen. Weil deshalb sowohl alle als auch besonders die Armen, die oft durch die ungerechten Einsprüche [intercessio] der Mächtigen unterdrückt werden, bei dieser Sache beteiligt sind, wirst du eine Untersuchung zwischen [allen] Streitparteien vornehmen müssen. Du sollst nicht fürchten, dass du gegen eine hochwürdige Person [vir clarissimus = Rangstufe in der Ämterhierarchie, insb. Senatoren] vorgehst, weil der vergöttlichte Claudius bei einer solchen Sache den Provinzstatthalter sowohl zum Schiedsrichter als auch, wenn es die Sache verlangte, ausdrücklich zum Rächer gemacht hat. cix  D.1.9.8 – Ulpianus 6 fideic.: Mit hochwürdigen Personen [clarissima persona = Rangstufe in der Ämterhierarchie, insb. Senatoren] verheiratete Frauen fallen unter die Bezeichnung der hochwürdigen Personen. Töchter von Senatoren fallen nicht unter den Begriff der hochwürdigen Frauen, es sei denn, sie hätten hochwürdige Personen erwählt [= sind mit Männern in diesem Rang verheiratet]. Die Ehemänner verleihen nämlich den Frauen den hochwürdigen Rang, die Eltern aber nur so lange, bis sie durch Heirat mit einem Bürgerlichen verbunden sind. Folglich ist eine Frau solange hochwürdigen Ranges, wie sie mit einem Senatoren oder einem [sonstigen] Hochwürdigen verheiratet ist oder [zwar] von ihm getrennt [aber] keinen anderen [Mann] niedrigeren Standes geheiratet hat. [Die Rangstufe der verheirateten Frau wird also nicht mehr durch die Vaterfamilie vermittelt. Die verheiratete Tochter gehört damit nicht mehr zur Familie des Vaters.] cx  C.12.29.3 pr. – Imp. Zeno: Jedesmal, wenn in einer Zivilrechtssache oder auch einer Strafrechtssache, freilich aufgrund des Urteils deines Gerichts, die zu einer schola gehörenden Beamten [scholares] oder deren Ehegattinen, gleich ob ihre Ehemänner noch leben oder ob sie nach dem Tod dieser [Ehemänner] im Witwenstand sind, oder deren im Witwenstand verbleibenden Mütter oder Kinder, die nicht ausdrücklich die Stellung erhalten haben, der Gerichtsbarkeit eines anderen Richters



II. Paraphrase des Consiliums199

und weiblichen Kinder nicht gegenüber den verheirateten Töchtern Anwendung findet. Dort folgen [dieser Ansicht] Johannes de Platea und Angelus de Ubaldis de Perusio und die Rechts-Dozenten bei der besagten Stelle D.2.1.19cxi – was auch immer dort Alexander Tartagnus in der in Padua gehaltenen Vorlesung gesagt haben mag (er ist [aber] in der in Ferrara gehaltenen Vorlesung Bartolus de Saxoferrato gefolgt). Dem steht nicht entgegen, dass sie eine Verwandte in männlicher Linie [agnata] ist, weil daraus nicht folgt, „also ist sie aus der Familie des Vaters“. Das wird bewiesen [durch folgende Parallelen:] weil ein Bruder nicht „aus der Familie“ des anderen ist und sie [doch] Verwandte in männlicher Linie [agnati] sind. Ebenso sind der Onkel väterlicherseits und der Sohn des Bruders Verwandte in männlicher Linie [agnati] und [doch] ist der eine nicht „in der Familie“ des anderen. Deswegen werden sie, so viele Köpfe [= Personen] sie sind, als so viele [unterschiedliche] Hausväter bezeichnet: so die besagte Stelle D.50.16.195.2cxii. unterworfen zu sein, und die diesen dienenden Sklaven, gerichtlich belangt werden, befehlen wir, dass sie keineswegs mit der gerichtlichen Geltendmachung der Bürgschaft eines Fremden belästigt werden, sondern wegen ältesten und beständig beachteten Gewohnheitsrechts [consuetudo] der Rechnungsbeamte [numerarius] ihrer schola zum Bürgen bestellt wird. [In dieses privilegium scholarium werden ausdrücklich die Ehefrauen einbezogen. Sichtlich bleiben damit die Töchter fremder Väter nicht in deren Familie, sondern werden gerade Teil der Familie des Scholaren, da die Aufzählung, derer, die diesem Privileg unterfallen, nur Personen umfasst, die zur Familie des Scholaren gehören. Gleiches muss wohl auch umgekehrt gelten: Wenn die Tochter eines Scholaren heiratet, so fällt sie unter die Gerichtsbarkeit desjenigen Richters, der für ihren Ehemann zuständig ist, und ist der Sondergerichtsbarkeit ihres Vaters – dem privilegium scholarium also – entzogen.] cxi  D.2.1.19 pr. – Ulpianus 6 fideic.: Nachdem ein Mädchen sich vor dem zuständigen Richter einem Rechtsstreit unterworfen hatte und daraufhin verurteilt worden war, unterfiel sie durch Heirat [der Gewalt eines] Mannes, der Subjekt einer anderen Gerichtsbarkeit war. Es wird nun gefragt, ob der Urteilsspruch des früheren Richters [gegen das nun verheiratete Mädchen] vollstreckt werden könne. Ich sage, [dass dieses Urteil vollstreckt werden] kann, weil der Urteilsspruch früher ergangen ist. Aber auch, wenn das [also die Heirat des Mädchens] nach Beginn des Prozesses aber vor dem Urteilsspruch geschehen wäre, hielte ich es für richtig. Und der Urteilsspruch des früheren Richters ist zu Recht ergangen. U n d d a s m u s s a l l g e mein und in allen gleichartigen Fällen gelten. Summarium zu dieser Digestenstelle: Die Änderung des Gerichts [mutatio fori] nach dem Urteil [sententia] oder nach der Klageerhebung [litis contestatio] des vorherigen Richters beendet nicht die Zuständigkeit [des bisherigen Richters]. cxii  D.50.16.195.2 – Ulpianus 46 ad ed.: Der Begriff der „Familie“ bezieht sich auf die Bezeichnung einer gewissen Gemeinschaft verwendet, die entweder vom eigenen Recht derjenigen selbst oder vom eigenen Recht der gesamten Gemeinschaft der Verwandten zusammengehalten wird. In exakter Rechtssprache bezeichnen wir als „Familie“ mehrere Personen, die der Gewalt eines einzelnen entweder [aufgrund]

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Es ist nämlich etwas anderes, [wenn] gesagt wird, „solche sind aus derselben Familie“ – dann können [nämlich] alle Verwandten in männlicher Linie [agnati] als aus derselben Familie [stammend] bezeichnet werden: so die besagte Stelle D.50.16.195.2. [Demgegenüber gilt] etwas anderes, wenn gesagt wird[, dass] einer „aus der Famile des So-und-so“ sei. Und in diesem [zweiten] Fall genügt es nicht, dass er ein Verwandter in männlicher Linie [agnatus] wäre, sondern es wird verlangt, dass er jenem [Hausvater, in dessen Familie er sein soll] unterworfen sei und im selben Haus [mit ihm] zusammen wohne: so die besagte Stelle C.5.2.1.1cxiii, und [nur] dann wird er vom exakten juristischen Sprachgebrauch [des Textes D.50.16.195.2] der Natur oder [aufgrund] des Rechts unterworfen sind, z. B. Hausvater [pater familias], Hausmutter [mater familias], Haussohn [filius familias], Haustochter [filia familias] und die, die an deren Statt nachfolgen, z. B. Enkel und Enkelin und so weiter. Als Hausvater [pater familias] wird bezeichnet, wer im [Wohn]Haus die Herrschaftsgewalt [dominium] innehat. Und er wird richtigerweise mit diesem Namen bezeichnet, auch wenn er keinen Sohn hätte; denn wir bezeichnen [mit diesem Begriff] nicht seine Person, sondern auch das Rechtsverhältnis [als solches]. Daher bezeichnen wir auch ein [nicht mehr unter patria potestas stehendes unmündiges] Mündel als Hausvater [pater familias]. Und sobald der Hausvater [pater familias] stirbt, fangen so viele Personen, wie ihm [gewalt]unterworfen waren, eine eigene Familie an, sie übernehmen nämlich jeder einzeln die Benennung als Hausvater [pater familias]. Und das Gleiche gilt für denjenigen, der aus der Hausgewalt entlassen worden ist [emancipatio], denn auch dieser führt, nachdem er „eigenen Rechts“ geworden ist, eine „eigene Familie“. I m a l l g e m e i n e n j u r i s t i s c h e n Sprachgebrauch bezeichnen wir als „Familie“ [die Gemeinschaft] a l l e r A g n a t e n . Denn wenngleich nach dem Tod des [gemeinsamen] Hausvaters [pater familias] jeder einzelne eine einzelne [eigene] Familie hat, s o w e rd e n d o c h alle, die unter der Gewalt eines Einzigen [nämlich des verstorbenen p a t e r f a m i l i a s ] g e w e s e n s i n d , r i c h t i g e r w e i s e a l s „ a u s d e r s e l b e n F am i l i e “ b e z e i c h n e t . Sie sind [nämlich alle] aus demselben Hause und aus demselben Geschlecht hervorgegangen. [„Familie“ meint also sowohl die Familie im rechtstechnischen, engen Sinn als auch die agnatische Familie im weiteren Sinn. Unter diesen weiteren Begriff lässt sich auch die aus dem engeren Familienbegriff ausgeschiedene Haustochter ziehen. Damit gehört die Haustochter aufgrund agnatischer Verwandtschaft zur „Familie“.] cxiii  C.5.2.1 pr.-1 – Impp. Gratianus, Valentinus, Theodosianus: Wenn jemand, der ein öffentliches Amt und zwar die Ehre des Provinzstatthalters innehat, der [dadurch] den Eltern oder den Vormündern [tutores] oder den bestellten Pflegern [curatores] oder den [Frauen] selbst, die die Ehe schließen wollen, Angst einflößen kann, ein Verlobungsgeschenk [arra sponcalicia] gegeben hat, befehlen wir, wenn im Folgenden [= nach Niederlegung des Staatsamts durch den Bräutigam] entweder die Eltern oder diese [Frauen selbst] den Willen geändert haben werden, dass sie nicht nur von der Fessel des Rechts und der Strafe der Gesetze frei sein sollen, sondern dass sie auch die von außen gegebenen [Ehe-]Pfänder als Gewinn haben sollen, wenn sie nicht der Ansicht sind, diese zurückgeben zu wollen. Wir wollen dieses [Prinzip] so weit sich erstrecken lassen, dass es nicht nur bei Amtsträgern gilt, sondern auch bei Kindern, Enkeln und Verwandten, Mit-Entschei-



II. Paraphrase des Consiliums201

erfasst. Und dies passt auf unseren Fall, weil im Testament gesagt wird, dass [der Erblasser] wollte, dass seine Güter dauerhaft „in der Familie“ des besagten Erblassers verbleiben sollen. Gut kann man also hinnehmen, dass ein Vater und [seine] verheiratete Tochter als „aus derselben Familie“ [stammend] bezeichnet werden, denn sie sind verwandt in männlicher Linie [agnati]. Aber es ist nicht zu gestatten, dass eine verheiratete Tochter als „zur Familie des Vaters [gehörig]“ bezeichnet wird. Und obwohl am Anfang der besagten Stelle D.50.16.195.2 gesagt wird, dass die Haustochter [filia familias] als „zur Familie [gehörig]“ bezeichnet wird und [auch] eine verheiratete [Tochter] weiterhin als „Haustochter“ [filia familias] bezeichnet wird – siehe C.6.46.5cxiv – so wird dennoch etwas anderes verlangt, nämlich dass sie mit dem Vater wohnen soll oder verpflichtet ist, [mit dem Vater] zu wohnen: so die besagte Stelle C.5.2.1.1cxv. Und das will der Wortlaut der besagten Stelle denden

[participes] (nämlich Beratern) und Hausangehörigen, denen der Amtsträger Arbeit zuteilt. cxiv  C.6.46.5 – Impp. Diocletianus, Maximianus: Wenn es sich erweist, dass deine Ehefrau zur Zeit der Eheschließung noch in väterlicher Gewalt [patria potestas] stand, so hat unzweifelhaft der Vater das Vermächtnis, das ihr gerade unter der Bedingung ‚wenn sie heiraten wird‘ hinterlassen wurde, erworben, wenn nichts Anderes das Eintreten dieser zeitlichen Bestimmung [= Frist oder Bedingung, dies] behindert. Obgleich, wenn diese vor der Hochzeit vom Vater aus der väterlichen Gewalt entlassen worden ist [emancipare] und danach den Vater und den Ehemann und die Kinder hinterlassend verstorben, dann hat sie die ihr zustehende Klage aus dem Vermächtnisanspruch an ihre Erben übertragen. Summarium zu dieser Codexstelle: Ein der Ehefrau wegen der Heirat hinterlassenes Vermächtnis wird vom Vater erworben, in dessen Gewalt sie bei der Eheschließung steht. Aber wenn sie dann gewaltfrei [sui iuris] wird, wird [das Vermächtnis] von der Ehefrau und deren Erben erworben. Das sagt Bartolus de Saxoferrato. Damit das Vermächtnis vom Vater oder dem Sohn verlangt werden kann, ist die Zeit, zu der die Frist oder die Bedingung [zugunsten] dieser [= Vater oder Sohn] eintritt, genau zu betrachten. [Nach römischem Recht bleibt die patria potestas des Vaters über die Tochter auch nach der Eheschließung der Tochter bestehen. Insbesondere behält der Vater sein Erbrecht, es sei denn, er hätte die Tochter aus der väterlichen Gewalt emanzipiert – etwa anlässlich der Eheschließung. Jedenfalls bedurfte es aber dafür eines weiteren Aktes. Bis zu diesem Akt bleibt die Tochter in der patria potestas ihres Vaters.] cxv  C.5.2.1 pr.-1 – Impp. Gratianus, Valentinus, Theodosianus: Wenn jemand, der ein öffentliches Amt und zwar die Ehre des Provinzstatthalters innehat, der [dadurch] den Eltern oder den Vormündern [tutores] oder den bestellten Pflegern [curatores] oder den [Frauen] selbst, die die Ehe schließen wollen, Angst einflößen kann, ein Verlobungsgeschenk [arra sponcalicia] gegeben hat, befehlen wir, wenn im Folgenden [= nach Niederlegung des Staatsamts durch den Bräutigam] entweder die Eltern oder diese [Frauen selbst] den Willen geändert haben werden, dass sie nicht nur von der Fessel des Rechts und der Strafe der Gesetze frei sein sollen,

202

B. Edition

D.50.16.195.2cxvi so etwa sagen. Dort aber wird [derjenige] als „Hausvater“ [pater familias] bezeichnet, der die Herrschaft im Haus innehat – als wenn [diese Digestenstelle] sagen würde: es wird verlangt, dass [der Hausvater] über die Personen verfügen kann, die er in der Familie hat. Über die verheiratete Tochter verfügt aber nicht der Vater, sondern der Ehemann – so schon die Bibel „Du sollst in Schmerzen [Kinder] gebären und du sollst in der Gewalt des Mannes stehen.“ [Bibel, Gen. 3.16]. Das notiert Nicolaus de Tudeschis [= Panormitanus] bei X.2.23.11cxvii. sondern dass sie auch die von außen gegebenen [Ehe-]Pfänder als Gewinn haben sollen, wenn sie nicht der Ansicht sind, diese zurückgeben zu wollen. Wir wollen dieses [Prinzip] so weit sich erstrecken lassen, dass es nicht nur bei Amtsträgern gilt, sondern auch bei Kindern, Enkeln und Verwandten, Mit-Entscheidenden [participes] (nämlich Beratern) und Hausangehörigen, denen der Amtsträger Arbeit zuteilt. cxvi  D.50.16.195.2 – Ulpianus 46 ad ed.: Der Begriff der „Familie“ bezieht sich auf die Bezeichnung einer gewissen Gemeinschaft verwendet, die entweder vom eigenen Recht derjenigen selbst oder vom eigenen Recht der gesamten Gemeinschaft der Verwandten zusammengehalten wird. In exakter Rechtssprache bezeichnen wir als „Familie“ mehrere Personen, die der Gewalt eines einzelnen entweder [aufgrund] der Natur oder [aufgrund] des Rechts unterworfen sind, z. B. Hausvater [pater familias], Hausmutter [mater familias], Haussohn [filius familias], Haustochter [filia familias] und die, die an deren Statt nachfolgen, z. B. Enkel und Enkelin und so weiter. Als Hausvater [pater familias] wird bezeichnet, wer im [Wohn]Haus die Herrschaftsgewalt [dominium] innehat. Und er wird richtigerweise mit diesem Namen bezeichnet, auch wenn er keinen Sohn hätte; denn wir bezeichnen [mit diesem Begriff] nicht seine Person, sondern auch das Rechtsverhältnis [als solches]. Daher bezeichnen wir auch ein [nicht mehr unter patria potestas stehendes unmündiges] Mündel als Hausvater [pater familias]. Und sobald der Hausvater [pater familias] stirbt, fangen so viele Personen, wie ihm [gewalt]unterworfen waren, eine eigene Familie an, sie übernehmen nämlich jeder einzeln die Benennung als Hausvater [pater familias]. Und das Gleiche gilt für denjenigen, der aus der Hausgewalt entlassen worden ist [emancipatio], denn auch dieser führt, nachdem er „eigenen Rechts“ geworden ist, eine „eigene Familie“. I m a l l g e m e i n e n j u r i s t i s c h e n Sprachgebrauch bezeichnen wir als „Familie“ [die Gemeinschaft] a l l e r A g n a t e n . Denn wenngleich nach dem Tod des [gemeinsamen] Hausvaters [pater familias] jeder einzelne eine einzelne [eigene] Familie hat, s o w e rd e n d o c h alle, die unter der Gewalt eines Einzigen [nämlich des verstorbenen p a t e r f a m i l i a s ] g e w e s e n s i n d , r i c h t i g e r w e i s e a l s „ a u s d e r s e l b e n F am i l i e “ b e z e i c h n e t . Sie sind [nämlich alle] aus demselben Hause und aus demselben Geschlecht hervorgegangen. cxvii  X.2.23.11 – Alexander III papa: Und ebenso ist uns jenes nichtdestoweniger aus deiner Untersuchung bekannt geworden, dass, nachdem eine gewisse freie Frau über zehn Jahre und darüberhinaus mit einem bestimmten Sklaven bewusst zusammengelebt hat und sich mit ihm körperlich vereinigt hat, [diese Frau] behauptet, nicht mit diesem [Sklaven] verheiratet zu sein, wobei keine Verlöbniszeugen [testes desponsationis] vorhanden sind. Doch der Mann, der sie als Ehefrau beansprucht, hält dem eine öffentliche Urkunde entgegen, in der sie sich als Ehegatten bezeichnen und aus der hervorgeht, dass er ihr eine Schenkung wegen der Ehe-



II. Paraphrase des Consiliums203

 Zu dem, was Baldus de Ubaldis bei C.6.28.4cxviii schreibt (am Ende des vierten Absatzes, beginnend mit den Worten „Quia ista“), wo er sagt, schließung [donatio propter nuptias] gemacht hat. Die Frau aber behauptet, dass diese Urkunde fehlerhaft sei und dass der Herr [durch diese Urkunde] um den Sklaven betrogen werden soll, und hat mehrere Zeugen [dafür] angeführt. [Diese Zeugen sagten aus,] dass jener Sklave von seinen Freunden oft gebeten wurde, dass er sie heiraten sollte und dass dieser nicht geheiratet habe und dass er [auf das Bestimmteste] behauptet hat, dass er nicht heiraten werde. Der Mann jedoch hat außer mit der genannten Urkunde auch mit gewissen Zeugen, die gesehen hatten, dass sie Ringe getragen hat, bewiesen, dass sie seine Ehefrau ist. Aber die Frau hat gesagt, dass die Ringe nur nach der Art der Frauen getragen hat, die Brote verkaufen. Aber weil bei einem derartigen Zweifel die öffentliche Meinung der Nachbarschaft mehr beachtet werden muss, obliegt es dir, die öffentliche Meinung dieser Gemeinde [fama loci] genauestens zu untersuchen, ob der genannte Mann mit ihr im Bett und am Tisch so wie mit seiner Ehefrau oder mit seiner Konkubine zusammengelebt hat. Und wenn die öffentliche Meinung dieser Gemeinde die ist, dass der Mann sie im Bett und am Tisch gleich einer Ehefrau gehabt hat, ist das ungetrennte Lebensverhältnis beizubehalten, weil die Ehe eine Verbindung von Ehemann und Ehefrau sein soll. Die Frau ist [dazu] zu zwingen, dass sie demselben Mann mit Liebe ehelich dienen soll. [Und das] besonders, wenn die vorgenannte Urkunde von jemandem ausgefertigt wurde, der sein Amt zuverlässig ausgeführt hat. cxviii  C.6.28.4: Imperator Iustinianus: Mit dem gegenwärtigen Gesetz berichtigen wir einen größten Fehler einer Feinheit alter Rechtsregeln, die geglaubt hat, dass bei der Nachfolge nach den Eltern, wenn sie testamentarisch geschieht, für Männer ein anderes Recht zu berücksichtigen war, als für Frauen, obwohl bei gesetzlicher Erbfolge das gleiche Recht für beide Geschlechter beachtet wurde. Und [die alten Rechtsregeln] setzten fest, dass, um den Sohn zu enterben, andere Worte [verwendet] werden mussten [als um] die Tochter [zu enterben]. Und für die Enterbung von Enkeln bestimmten die [alten] Gesetze anderes Recht als die [dann aber] vom Prätor eingeführten [Regeln]. Und wenn der Übergangene ein Sohn war, [dann] zerstörte er entweder von Rechts wegen [ipso iure] das Testament oder erhielt entgegen dem Testament den vollständigen Besitz der [Erbschafts-]Güter. [Wenn] jedoch die Übergangene eine Tochter [war, dann] erhielt sie nach dem alten Recht ein Anwachsungsrecht, so dass sie im selben Moment sowohl das Testament des Vaters gewissermaßen durch das Anwachsungsrecht zum Teil zerstörte als auch [einem Rechtszustand] wie bei einem geschriebenen Vermächtnis unterworfen wurde. Sie hatte jedoch nach [dem später entstandenen Recht] des Prätors entgegen dem Testament den vollständigen Besitz der [Erbschafts-]Güter. Jedoch verkürzte eine Konstitution des großen Antoninus dieses [Besitzrecht] so weit, wie das Anwachsungsrecht reichte. Die, die nämlich solche Unterschiede einführten, sind Ankläger der Natur, weil diese nicht nur Männer erschaffen hat, da [es sonst die], aus denen sie geboren werden, nicht gäbe. Denn diese [Missstände] zu berichtigen folgen wir in die Fußstapfen unserer Vorgänger, die offenkundig dieselbe Beobachtung betrieben haben. Wir wissen nämlich, dass bereits früher gewährt wurde, dass auf die gleiche Weise sowohl der Sohn als auch alle Anderen zwischen allen Enterbten niedergeschrieben werden dürfen, obgleich die centumviri eine andere Unterscheidung eingeführt haben. Und aus dieser Ungleichheit ist ein Missstand hervorgegangen, wie [dargelegt] in den Büchern Ulpians, die er [als Kommentar] zum Edikt verfasst hat. Der hochbe-

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B. Edition

dass diejenige, die heiratet, vom Vater juristisch in die fremde Familie übergeben worden ist, wird C.8.8.3cxix zitiert.  rühmte

Mann Tribonianus, unser Quaestor, hat dies gefunden und zusammen mit übrigen redegewandten Männern der Kommission zur Rechtsbereinigung uns zu Ohren gebracht. Denn, weil als letzter Beistand die querella inofficiosi [testamenti] festgelegt ist und niemand, der aus einer anderen Hilfe entspringt [= der bereits anderweitig Rechtsschutz finden kann], zu dieser [querella] Zuflucht nehmen darf, wurde festgestellt, dass die übergangene Tochter weniger bekommt, als die enterbte Tochter. Wenn nämlich die übergangene Tochter durch den [Rechtsbehelf] des Besitzes der [Erbschafts-]Güter entgegen dem Testament oder durch das Anwachsungsrecht die Hälfte des Vermögens erhalten hat und [ihr] bestimmt wurde, dass sie auf die Vermächtnisse von allen zu leisten hat, nämlich bis zu drei Viertel ihres Anteils, bleiben ihr nur anderthalb Zwölftel ihres Nachlasses. Wenn sie enterbt worden wäre, musste ihr dagegen auf jeden Fall der vierte Teil des gesamten Vermögens verbleiben. Und die [Tochter], die der Vater einer [solchen] Ungerechtigkeit für würdig hielt, hatte mehr, als die, die er stillschweigend bei der Erbeinsetzung übergangen hat. Und wenn gemäß der Bedingung unserer Konstitution, in der wir wegen der Ergänzung des Viertelteils [supplemento quadrantis] festgelegt haben, die Ergänzung [repletio] eingeführt wurde, [dann] galt diese Ergänzung [ebenfalls nur] für die Enterbte auf die gleiche Weise [und nur sie bekam] ein Viertel hinzu. Und so blieb der Missstand bestehen, dass sie [= die übergangene Tochter] keine Verbesserung durch unsere Konstitution verspüren konnte. Wi r l e g e n d a h e r f e s t , w i e b e i d e r N a c h f o l g e n a c h d e n E l t e r n , d i e d u rc h g e s e t z l i c h e E r b f o l g e ü b e r t r a g e n w i rd , d a s s s o w o h l M ä n n e r a l s a u c h F r a u e n g l e i c h g e w i c h t i g b e r u f e n s i n d . E b e n s o s o l l e n d i e [ F r a ue n ] b e i d e r A b f a s s u n g v o n Te s t a m e n t e n g e e h r t w e rd e n . U n d d i e E n t e r b u n g e n [ s o l l e n ] m i t d e n g l e i c h e n Wo r t e n a u s d r ü c k l i c h e r f o l g e n . Und [ebenso] sollen sie den Besitz [der Erbschaftsgüter] entgegen d e m Te s t a m e n t s o h a b e n , w i e d e r g e w a l t u n t e r w o r f e n e S o h n [ s u u s f i lius] oder der nicht der väterlichen Gewalt unterworfene Sohn [ e m a n c i p a t u s ] . So dass sie selbst, wenn sie übergangen werden, so wie [einerseits] die gewaltfreien Söhne [und andererseits] die gewaltunterworfenen [Söhne] entweder das Testament von Rechts wegen zerstören oder durch Besitz der [Erbschafts-]Güter entgegen dem Testament nicht geduldet wird, dass diese [testamentarische Anordnung] bestehen bleibt. U n d w i r b e s c h l i e ß e n , d a s s d i e s e [ n e u e n v o n u n s g e s c h a f f e n e n R e c h t s re g e l n ] n i c h t n u r b e i T ö c h t e r n g e l t e n , s o n d e r n a u c h b e i E nk e l n u n d E n k e l i n n e n u n d b e i d e n n ä c h s t e n [ d a r a u f F o l g e n d e n ] e i ng e h a l t e n w e rd e n m u s s , s o f e r n s i e v o n M ä n n e r n a b s t a m m e n [, weil für Abkömmlinge von Frauen der Erbanteil um ein Drittel gekürzt wird, siehe C.6.55.9 und Nov. 18 c. 4.] Aber [es] ist ein weiterer Missstand unter dem Vorwand der Unterschiedlichkeit eingeführt worden und [es mussten] andere Rechte für die Enterbung der Nachgeborenen [einerseits] und [für die Enterbung] der schon Lebenden [andererseits] eingehalten werden, [nämlich] dass eine Nachgeborene, die zwischen anderen = auch mit weiteren Enterbten zusammen] enterbt worden ist, auch mit einem Vermächtnis geehrt werden [musste], eine schon geborene Tochter jedoch, ohne [ihr ein solches Vermächtnis] zu geben[, enterbt werden konnte]. U n d s o h a b e n w i r m i t



II. Paraphrase des Consiliums205

Zum Thema, dass sie [weiterhin] als „von derselben Familie“ bezeichnet werden darf, räume ich ein, dass sie den Wohnsitz des Vaters beibehält. Aber ich bestreite, dass [sie] in exaktem juristischem Sprachgebrauch [iure proprio, so ausgedrückt in D.50.16.195.2] „zur Familie“ gehören soll. Zur Glosse zur besagten Stelle {94r} D.31.(1).32.6cxx, die sagen wollte, dass auch Blutsverwandte [cognati] heutzutage als „zur Familie gehörig“ bezeichnet werden, räume ich ein, dass dies für den allgemeinen juristischen cxix

w e n i g

Wo r t e n d i e v o l l s t ä n d i g s t e D e f i n i t i o n e i n g e f ü h r t , i n d e m w i r a no rd n e n , d a s s [ a u c h ] b e i d e r E n t e r b u n g d e r N a c h g e b o re n e n , s e i e n s i e m ä n n l i c h e n o d e r w e i b l i c h e n G e s c h l e c h t s , d i e s e l b e n R e g e l n z u b e a c ht e n s i n d , d i e w i r s c h o n f ü r d i e S ö h n e u n d T ö c h t e r a n g e o rd n e t h a b e n , d a m i t n ä m l i c h d i e s e [ m ä n n l i c h e n N a c h k o m m e n ] o d e r d i e s e [ w e i b l ic h e n N a c h k o m m e n ] n a m e n t l i c h e n t e r b t w e rd e n s o l l e n , d a s b e d e u t e t [ h i e r ] u n t e r [ a u s d r ü c k l i c h e r ] N e n n u n g d e s N a c h g e b o re n e n o d e r d e r N a c h g e b o re n e n . [Bei Gelegenheit der Kommentierung dieser Gesetzesstelle versucht Baldus die Konsequenzen des römischen Rechts der patria potestas an das mittelalterliche vielerorts geltende Gewohnheitsrecht und Statutenrecht anzupassen, in dem die Ehefrau unter Vormundschaft des Ehemannes steht. Baldus argumentierte, jede väterliche Bewilligung einer Ehe enthalte implizit stillschweigend auch einen juristischen Verzicht auf die patria potestas, also eine Emanzipation und Übergabe in die andere Familie.] cxix  C.8.8.3 – Impp. Diocletianus, Maximianus: Wenn du meinen solltest, dass du, genau wie beim Interdikt auf Herausgabe der Tochter des Philippus [Glossa: = deiner Ehefrau] ihn [hier ebenfalls] gerichtlich belangen [kannst], wird der [diesbezüglich] aufgesuchte Provinzstatthalter euren [Streit] untersuchen. Summarium zu dieser Codexstelle: Das Interdikt auf Herausgabe der Ehefrau ist gegen den Vater des Mädchens zu richten, der sie in seiner Gewalt hat. Das sagt Bartolus de Saxoferrato. Genau, wie bei einem Inderdikt auf Kindesherausgabe kann man auf Herausgabe der Ehefrau klagen. Das sagt Bartolus de Saxoferrato. Und du sagst dasselbe, um den Rechtsstreit anhängig zu machen. Das sagt Salicetus. [Wenn der Ehemann gegen den Vater der Ehefrau erfolgreich eine Klage auf Herausgabe der Ehefrau anstrengen kann, dann kann der Vater jedenfalls nicht mehr die Personensorge über die Tochter haben. Zumindest die Personensorge des Vaters für seine Tochter endet also mit der Eheschließung. Dem Vater verbleibt aber im Gegenschluss weiterhin die Vermögenssorge im Rahmen seiner patria potestas über seine nunmehr verheiratete Tochter.] cxx  D.31.(1).32.6 – Modestinus 9 reg.: Bei einem der „Familie“ hinterlassenen Fideikommiss können diejenigen zur Klage auf die Herausgabe der FideikommissGegenstände zugelassen werden, die [vom Erblasser zum Fideikommiss] namentlich angegeben sind. Nach dem Tod all dieser [vom Erblasser Benannten können diejenigen zu dieser Klage zugelassen werden,] die im Todeszeitpunkt des Erblassers dessen Namen tragen, nämlich [im Zweifel zuerst nur diejenigen noch Lebenden,] die von diesem im ersten Grad abstammen, es sei denn, der verstorbene [Erblasser] hätte seinen geäußerten Willen ausdrücklich auf entferntere [Verwandte] erstreckt.

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B. Edition

Sprachgebrauch zutrifft [communi iure, so ausgedrückt in D.50.16.195.2], aber nicht in exaktem juristischem Sprachgebrauch [proprie = iure proprio, so ausgedrückt in D.50.16.195.2], wie ich gesagt habe. Das bedeutet, dass Kognaten und Agnaten [zwar] als „aus derselben Familie“ verstanden werden, aber der Eine wird nicht als „zur Familie“ des Anderen gehörend verstanden, wie es in unserem Fall erforderlich ist. So wird auch [das Argument aus] C.6.38.5cxxi beseitigt, und das, was Baldus de Ubaldis notiert zur besagten Stelle C.6.42.4cxxii. Diese Worte des Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Die Benannten [nominati] sind als erstes zu dem berufen, was der Familie hinterlassen wurde. Nach diesen [sind die berufen,] die die näher [Verwandten] sind entsprechend dem Verwandtschaftsgrad. Glosse: zum Begriff „die namentlich angegeben sind“: Was bedeutet, dass die Benannten [nominati] zuzulassen sind, wenn [ein Vermächtnis] „der Familie“ hinterlassen wurde? Wenn es nämlich „der Familie“ hinterlassen wurde, müssen alle aus der Familie vorrangig zugelassen werden. Ebenso, wenn es bestimmten Benannten aus der Familie hinterlassen wurde, andere [aber] nicht zugelassen wurden, so C.6.38.5. Azo Portius hat so gegutachtet, [wenn das Vermächtnis] „meiner Familie mit den Herren Petrus und Johannes“ hinterlassen wird. Oder wenn als erstes Petrus berufen ist und dann Johannes. Diese werden nämlich vor allen Anderen bevorzugt, die nach denen zugelassen werden, die im selben Verwandtschaftsgrad stehen. Und das sind diejenigen, die im Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen denselben Namen trugen. Ich meine, dass [in dem speziellen durch Azo beurteilten Fall] die Benannten die mütterlicherseits verwandten Brüder sind und die Unbenannten gleich den Geschwistern mütterlicherseits [zu behandeln] sind. Diese [Geschwister mütterlicherseits] werden nach den Benannten zugelassen. Und nicht die vom Vatersonkel Abstammenden, die einen anderen Namen tragen, gemeint ist die Verwandtschaft in männlicher Linie [agnatio]. Aber die genannte Blutsverwandtschaft [cognatio] (und das Wort „von diesem Namen“) kennzeichnet, dass die Bestimmten aus diesem [Namen] klagen können. Und schließlich die Kinder der Tanten mütterlicherseits und nicht der Onkel väterlicherseits. Man kann heutzutage sagen, dass die Unterscheidung zwischen agnatischer und kognatischer Verwandtschaft beseitigt ist, siehe Auth. Coll. 9.1.4 = Nov. 118.4. Deutlicher ist es jedoch, wenn du gegen denjenigen klagen könntest, der „aus dem Namen“ bestimmt wird und das bedeutet „aus der Familie“. Auf diese Weise werden nach den Benannten alle zugelassen, die im Grad der agnatischen oder kognatischen Verwandtschaft näher stehen. Und diesbezüglich gibt es keine Frage, ob nach den Benannten [bestimmte] bevorzugte [Personen] zuzulassen sind, wie die Brüder des Verstorbenen, also die Onkel väterlicherseits. Und es wird gesagt, dass das nicht so ist, wie in jenem Reskript[, das aussagt, dass] nach diesen nur die Nachfolgenden, nicht die Bevorzugten [zuzulassen sind]. Aber es wird gesagt, [dass die Reihenfolge sich] nach der von den Verstorbenen bezeichneten Ordnung und nicht nach der Ordnung des Verwandtschaftsgrades [richtet]. Ebenso kann man für diese Argumente als Gegenargument D.38.9.1.10 anführen. cxxi  C.6.38.5 – Imp. Iustinianus: In Beantwortung der Anfrage der illyrischen Anwaltschaft beschließen wir, dass das Wort „Familie“ eine solche Kraft haben soll, dass Eltern und Kinder und alle Verwandten und das [gesamte] Vermögen, auch die



II. Paraphrase des Consiliums207

Baldus de Ubaldis können auf den Wortlaut bezogen werden, der sagt, dass [der Erblasser] verboten hat, „außerhalb der Familie“ zu veräußern. Und so sagte er [= der Wortlaut] [gerade] nicht „außerhalb der Familie des Erblassers“. Oder es kann [kurz gefasst] gesagt werden, dass [hier der Begriff „Familie“] in weitem Sinne verstanden wird. Und die Anfangsglosse [zu diesem Text] fasst dies so auf, wenn sie sagt, dass dieses Wort [„Familie“] dort [im selben weiten Sinne] verstanden wird, wie es bei C.6.38.5 verstanden wird, wo es zweifellos sehr weit und nicht im exakten juristischen Sprachgebrauch [improprie] verstanden wird – wie dort alle anmerken. cxxii

Man kann auch sagen, dass wenigstens nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die verheiratete Tochter nicht als „zur Familie gehörend“ bezeichnet wird. Er [= der allgemeine Sprachgebrauch] kann (meiner Meinung nach) leicht bewiesen werden. Und an ihn muss man sich halten: D.32.(1).52.4cxxiii. Freigelassenen und die Freilasser und [sogar] Sklaven durch diesen Begriff bezeichnet werden. Und wenn jemand durch letztwillige Verfügung seiner „Familie“ einen Fideikommiss hinterlassen hätte ohne eine Klausel mit der Beschränkung auf bestimmte, genannte Personen, [so sollen unter dem Begriff „Familie“] nicht nur die Verwandten sondern in Ermangelung derer auch der Schwiegersohn und die Schwiegertochter [verstanden werden]. Und es erscheint uns nämlich billig, diese zum Fideikommiss zuzulassen, sofern freilich die Ehe durch den Tod des Sohnes oder der Tochter aufgelöst worden ist. Auf keinen Fall könnten aber der Schwiegersohn oder die Schwiegertochter zu Lebzeiten der Kinder[, die nämlich Ehegatten dieser Schwiegerkinder sind,] zu einem solchen Fideikommiss berufen sein, w e i l d i e s e [ K i n der der Erblassers] ohne jeden Zweifel jenen [Schwiegerkindern des E r b l a s s e r s ] v o rg e h e n . Und das [also die Abfolge der Einsetzung auf den Fideikommiss] soll stufenweise geschehen, so dass nach diesen [Schwiegerkindern] die Freigelassenen kommen. Dasselbe soll auch gelten, wenn jemand irgendwem Immobilien vermacht hat und diesem [Vermächtnisnehmer] verboten hat, [die Immobilien] zu veräußern, [wobei der Erblasser] hinzugefügt [hat], dass seine Familie die Sachen erwerben soll, wenn dieser [Vermächtnisnehmer] das Vermächtnis überginge. Aber in anderen Fällen soll der Name „Familie“ auch für das Vermögen ausgelegt werden, weil sowohl Sklaven als auch andere Sachen als zum Eigentum eines jeden gehörend gelten. cxxii  C.6.42.4 – Imp. Alexander Severus: Der geäußerte Wille des Vaters, der es verbietet, dass die Kinder Grundstücke „außerhalb der Familie“ verkaufen oder verpfänden, kann nicht so verstanden werden, dass es dem Bruder verboten ist, der [offensichtlich bereits verheirateten] Schwester [Grundstücke] zu schenken. [Sandeus argumentiert hier damit, dass Kaiser Alexander Severus den allgemeinen Sprachgebrauch (communi iure) des Begriffs „der Familie“ verwendet, da sich keine Indizien finden, die eine Anwendung des exakten juristischen Sprachgebrauchs (iure proprio) nahe legen.] cxxiii  D.32.(1).52.4 – Ulpianus 24 ad Sab.: Was jedoch Cassius von den reinen Pergamenten geschrieben hat, ist richtig. Denn weder muss bei einem Vermächtnis von Büchern reines Papier geleistet werden noch [müssen] bei einem Vermächtnis

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B. Edition

Das bestätigt Bartolus de Saxoferrato, und Johannes de Imola in passender Ausdrucksweise bei der Stelle D.31.(1).32.6cxxiv. Zum dritten kann erwidert werden, dass in unserem Fall das Wort „der Familie“ notwendig beschränkt ist auf nur männliche [Nachfolger des Erblassers], nach dem Willen des Erblassers, der (wie aus dem oben Gesagten offenbar wird) die weibliche Verwandtenlinie ausschließen wollte. Nämlich überall, wo Streit ist um die Bedeutung von Worten, da wird diejenige [Bedeutung] bevorzugt, die am besten zum Willen des Erblassers passt (selbst wenn sie nicht die eigentlich richtige ist) – [siehe] D.32.(1).69cxxv von

Papier Bücher [geleistet werden], wenn uns nicht vielleicht hier der Wille [des Erblassers] [dazu] zwingt. Zum Beispiel wenn jemand „Papier“ wie folgt vermacht hat: „meine gesamten Papiere“, aber er hatte einzig Bücher, ein Gelehrter, der einem [anderen] Gelehrten [etwas vermachte]. Niemand wird nämlich zweifeln, dass [in diesem Fall] die Bücher geschuldet sind. Denn auch im normalen Sprachgebrauch [in usu] [dieser Personenkreise] bezeichnen sehr viele Leute Bücher als „Papiere“. Was also, wenn jemand „reines Papier“ vermacht hat? Pergamentblätter werden nicht enthalten sein, und auch nicht sonstige Materialien zum schreiben, aber auch nicht zu schreiben begonnene Bücher. [Der allgemeine Sprachgebrauch ist bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen zu berücksichtigen.] cxxiv  D.31.(1).32.6 – Modestinus 9 reg.: Bei einem der „Familie“ hinterlassenen Fideikommiss können diejenigen zur Klage auf die Herausgabe der FideikommissGegenstände zugelassen werden, die [vom Erblasser zum Fideikommiss] namentlich angegeben sind. Nach dem Tod all dieser [vom Erblasser Benannten können diejenigen zu dieser Klage zugelassen werden,] die im Todeszeitpunkt des Erblassers dessen Namen tragen, nämlich [im Zweifel zuerst nur diejenigen noch Lebenden,] die von diesem im ersten Grad abstammen, es sei denn, der verstorbene [Erblasser] hätte seinen geäußerten Willen ausdrücklich auf entferntere [Verwandte] erstreckt. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Die Benannten [nominati] sind als erstes zu dem berufen, was der Familie hinterlassen wurde. Nach diesen [sind die berufen,] die die näher [Verwandten] sind entsprechend dem Verwandtschaftsgrad. cxxv  D.32.(1).69 – Marcellus l.S. resp.: Es soll [unter] keinen anderen [Umständen] von der Bedeutung der Worte abgewichen werden, als wenn offenbar ist, dass der Erblasser etwas anderes gemeint hat. Titius hat in einem Zusatz zum Vermächtnis wie folgt verfügt: „Ich will, dass dem Publius Maevius alle jungen Männer [iuvenes], die ich im Dienst habe, gegeben werden.“ Ich frage, von welchem Alter an und bis zu welchem man [den Begriff] „junge Männer“ annehmen muss. Marcellus hat gegutachtet, dass es zur Untersuchung desjenigen gehört, der über diese Sache erkennen soll, welche [jungen Männer = Sklaven] der Erblasser mit den Worten, die festgestellt wurden, bezeichnen wollte. Im Fall von Testamenten soll man sich nämlich nicht in jedem Fall zur Begriffsbestimmung hinwenden, da [die Erblasser] meistens im uneigentlichen Sinn sprechen und nicht immer die eigentlichen Namen und Bezeichnungen verwenden. Übrigens könnte derjenige als „junger Mann“ gelten, der das Alter eines Heranwachsenden überschritten hat, solange bis er unter die „älteren Männer“ [seniores] zu zählen beginnen würde.



II. Paraphrase des Consiliums209

und Bartolus de Saxoferrato zu D.34.5.3cxxvi. Das ist mit den richtigen Begriffen bei dem besagten Paragraphen D.31.(1).32.6 [in der Glosse und von Azo] gezeigt, wo die Blutsverwandten [cognati], die nicht zur eigentlichen Bezeichnung „der Familie“ gehören, [dazu] kommen, weil das [dort] nach dem Willen des Erblassers [so] ist, zum Beispiel wenn [der Erblasser] einige Blutsverwandte [ausdrücklich] genannt hätte – wie es hier die Gelehrten [doctores] beweisen. 12 Aus diesem folgere ich, dass unter den Begriff „Kinder“ in diesem Testament nicht Frauen fallen. Deshalb werden alle Onkel väterlicherseits vor den eigenen Enkelinnen des Erblassers bevorzugt. Zwar können nämlich [auch] Frauen unter die Bezeichnung [der Kinder] fallen – [siehe] D.50.16.1cxxvii mit Parallelstellen. Jedoch scheidet dies aus, wo aus dem Willen des Verfügenden sichtbar wird, dass nur an Männer gedacht war – auch aus anderen Worten, die nachträglich ausgedrückt worden sind. Dies erklärt ausführlich Nicolaus de Tudeschis [= Panormitanus] im Konsilium 36[, dessen Fallschilderung mit den Worten] „Quidam Andreas“ [beginnt,] in der Zeile[, die mit den Worten] „Quinto probatur“ [beginnt]. Er will, obgleich am Anfang Erwähnung einfach „von den Kindern / Söhnen“ geschieht [= ohne weitere Erklärung], wenn aber in derselben Verfügung männliche Kinder erwähnt werden, dass dann anzunehmen ist, dass der Erblasser nur an jene [Männer] gedacht hat. So ist es [auch] hier: Obschon im Testament gesagt wird „wann auch immer er ohne Kinder verstürbe“, kann man nicht deswegen sagen, dass das, was ich gesagt habe, nicht rundum zutreffend sei: [nämlich] dass die Frauen ausgeschlossen seien, die [ja doch eigentlich] in jenem Wortausdruck mit enthalten sind. Denn (wie ich gesagt habe) die nachfolgenden Worte zeigen, dass er [nur] „Männer“ meinte. Und wo gesagt wird „von den Männern“, kommen keine Frauen [in Betracht] – wie es arbeitsreich und ausreichend Nicolaus de Tudeschis [= Panormitanus] im besagten Konsilium vorführt. Und dass beim Vorgenannten immer gesagt wird, [der Erblasser] habe einzig an Männer gedacht, wird bewiesen, weil, wenn er die männlichen Nachkommen vorgezogen hat vor den eigenen Töchtern, dann hat er sie 12  Teilweise

zerstört. Paulus 14 quaest.: Bei einem zweideutigen Ausdruck sagen wir nicht beides, sondern lediglich das, was wir wollen. Wer daher etwas anderes sagt, als er will, sagt weder das, was der Ausspruch bezeichnet, noch das, was er wollte, weil er das nicht gesagt hat. cxxvii  D.50.16.1 – Ulpianus 1 ad ed.: Der Ausdruck „wenn jemand“ umfasst sowohl Männer als auch Frauen. cxxvi  D.34.5.3 –

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umso mehr vor sonstigen Frauen vorgezogen, damit nicht aus dem oben [Gesagten] das Absurde folgt – mit dem Argument aus D.35.1.36.1cxxviii. Außerdem wird dies deutlich gezeigt dadurch, dass er das Kolleg für arme Studenten den Enkelinnen vorgezogen hat. Also hat er noch viel mehr die [zur Familie gehörigen] Männer vor ihnen vorgezogen. Es wird angenommen, dass er sie mehr liebte als das Kolleg. Daraus wird offenbar, dass die Absicht des Erblassers nur Männer unter dem einfachen Wort „der Kinder“ verstanden hat. In diesem Fall umfasst das männliche Geschlecht niemals das weibliche – [siehe die Stelle] D.32.(1).93.3cxxix, durch deren Zitat Bartolus de Saxoferrato dies bekräftigt, bei der besagten Stelle D.50.16.1cxxx. cxxviii  D.35.1.36.1 – Marcellus l.S. resp.: Titia ordnet in einem Kodizill über Grundstücke, die sie durch Testament der Septicia hinterlassen hat, an: „Von dir, Septicia, erbitte ich, dass du meinem Sohn, wenn er ein Alter von sechzehn Jahren erreicht hat, diese Grundstücke herausgibst. Wenn aber mein Sohn sechzehn Jahre nicht vollendet, bitte ich, dass du diese dem Publius Maevius und dem Gaius Cornelius herausgibst und übereignest.“ Ich frage, wenn Septicia verstirbt und schließlich der Sohn im fünfzehnten Lebensjahr [also vor Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres] verstirbt, ob das Vermächtnis sofort erfüllt wird, nachdem [jetzt nun bei Erstattung des Gutachtens] das fünfzehnte Jahr erreicht ist, und die Erben der Septicia das [Vermögen] an Publius Maevius und Gaius Cornelius herausgeben müssen. Marcellus antwortet [in seinem Rechtsgutachten], dass Septicia das Recht, welches sie an diesen Grundstücken gehabt hat, auf ihren Erben übertragen soll. Denn es scheint gegen den Willen der Erblasserin zu sein, die sofortige Erfüllung des Vermächtnisses zu verlangen, weil mehr an die Ersatzerben gelangen würde, als an den Jungen oder an die Erben der Septicia hätte gelangen können. Zwar scheint nach den Worten das Vermächtnis sofort in Kraft zu treten, aber es ist nicht wahrscheinlich, dass die Erblasserin das [Vermögen] schon eher an die Ersatzerben übertragen wollte. E s ä n d e r t a u c h n i c h t s , d a s s S e p t i c i a f r ü h e r v e r s t o r b e n ist, denn die Erben der Septicia könnten, wenn der Junge noch lebte, n i c h t e h e r a l s d i e S e p t i c i a [ s e l b s t ] b e k l a g t w e rd e n . [Der Sohn ist mehr geliebt als die Ersatzerben und bis zu seinem sechzehnten Geburtstag ist Septicia mehr geliebt als der Sohn. Wenn die Ersatzerben sofort die Grundstücke bekämen, wären sie aber besser gestellt, als der Sohn gestellt gewesen wäre, wenn er nicht verstorben wäre. – Bezogen auf die Verwendung der Stelle hier bedeutet das, dass die Frauen, da sie nicht mit zur Familie des Erblassers gehören und damit weniger schutzwürdig sind, hinter den Ersatzerben zurücktreten müssen, da sonst die Ersatzerben, die ja ausdrücklich im Testament erwähnt werden, nicht zu ihrem Recht kommen würden. Die Frauen müssen also als weniger geliebte Nachkommen hinter den Ersatzerben zurückstehen. Denn alle weiteren Erben sind vom Erblasser sichtlich mehr geliebt als die bloßen Vermächtnisnehmerinnen, die gerade nicht Erbinnen sein sollen.] cxxix  D.32.(1).93.3 – Scaevola 3 resp.: Man hat gefragt, ob [das], was die Erben [ihren] Brüdern herauszugeben verpflichtet sind, auch den Schwestern gebührt. [Scaevola] hat gegutachtet, [dass es ihnen] gehöre, es sei denn es kann bewiesen werden, dass der Erblasser etwas anderes gemeint hat. cxxx  D.50.16.1 – Ulpianus 1 ad ed.: Der Ausdruck „wenn jemand“ umfasst sowohl Männer als auch Frauen.



II. Paraphrase des Consiliums211

Und wenn gesagt würde: „Einzig die Töchter des Erblassers sind auf bestimmte Anteile eingesetzt, aber die Enkelinnen und Urenkelinnen auf nichts. Der vorgenommene Ausschluss der Töchter schließt also [durchaus] nicht folgerichtig den stillschweigenden Ausschluss der Urenkelinnen mit ein“ – dann wird [diesbezüglich] Paulus de Castro im besagten Konsilium 77, in der ersten Spalte, antworten, dass durch dieses [= durch die gewährten Vermögensanteile] die Töchter nicht als mehr geliebt erscheinen; denn der Vater war [gesetzlich] gehalten, ihnen einen Pflichtteil zu hinterlassen – und an dessen Stelle folgen jene Vermögensanteile. Aber den Enkelinnen (vom vorversterbenden Sohn) [gegenüber] war der Vater nichts zu hinterlassen verpflichtet, sondern allein [seinem Sohn, also] dem Vater [dieser Enkelinnen]. Und vermutlich nur deshalb hat der Erblasser [in dem Gutachten von Paulus de Castro] ihnen [= den dort vom Erblasser abstammenden Töchtern] das Ganze [= derartig viel] hinterlassen, wenn [die Gesetze] fernere Verwandte [vom Pflichtteilsrecht] ausschlössen[, so dass der Erblasser also nicht verpflichtet war, auch noch jenen ferneren Verwandten etwas von seinem Nachlass zu reservieren.] Und so wären die Töchter in einer schlechteren Lage in Bezug auf das, was über den Pflichtteilsanspruch hinaus ginge – nach seiner Meinung. Dadurch steht fest, dass es in dem vorgetragenen Sachverhalt nicht wahrscheinlich ist, dass der besagte Johannes de Lignano die entfernteren Frauen nach den Töchtern [zum Vermächtnis] berufen hätte, weil er wohl vermutlich die ferneren [weiblichen Abkömmlinge] nicht mehr geliebt hat als die Töchter, die er ausgeschlossen hat. Und für dieses Gutachten spricht auch die Entscheidung von Rafael Fulgosius in einem bestimmten Consilium, worüber Andreas Siculus Barbatia berichtet in [seiner] Repetitio des Gesetzestextes C.6.42.30cxxxi, auf dem vorcxxxi  C.6.42.30 – Imp. Iustinianus: Der scharfsinnige und alle anderen überragend verdienstvolle Papinian hat in seinen Rechtsgutachten [responsa] festgestellt, dass, wenn jemand seinen Sohn zum Erben eingesetzt hat und ihn mit dem Vermächtnis der Herausgabe [der Erbschaft] nach [seinem] Tode belastet hat, diese Bestimmung nicht anders interpretiert werden soll, als [für den Fall,] wenn dieser Sohn ohne Nachkommen das Leben verlassen hätte. Wir bewundern zu Recht diesen Scharfsinn und gewähren einer derartigen Ansicht die vollständigste Wirkung, dass, wenn jemand solches angeordnet hätte, nicht nur wenn er den Sohn, sondern auch die Tochter, oder von Anfang an den Enkel oder die Enkelin oder den Urenkel oder die Urenkelin oder jede andere darauf folgende Nachkommenschaft als Erben eingesetzt hätte und diese mit dem Vermächtnis der Herausgabe [der Erbschaft] nach ihrem Tod belastet hätte, das nicht anders verstanden werden soll, als wenn diejenigen, die mit der Herausgabeverbindlichkeit belastet sind, ohne Söhne oder Töchter, oder ohne Enkel oder Enkelinnen verstorben sein werden, damit nicht der Anschein entstehe, dass der Erblasser fremde Ersatzerben/Nacherben den eigenen vorgezogen habe.

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letzten Blatt. Dort hat er [Rafael Fulgosius] gegutachtet: wenn der Erblasser [seinen] Sohn zum Universalerben und [seine] Tochter auf einen bestimmten Anteil eingesetzt hat, und Gaius, der Bruder des Erblassers, wurde zum Ersatzerben eingesetzt, falls der Sohn [und] Erbe „ohne Kinder verstürbe“, dass dann gewisslich, obwohl das Wort „Kinder“ sonst auch auf Frauen bezogen wird, die dem Sohn geborene weibliche Tochter den Ersatzerben nicht ausschließen wird. Denn es war Absicht des Erblassers, den Mann zu bevorzugen, [und zwar] zur Erhaltung des Erbvermögens. Das tritt aus Folgendem zu Tage: weil, wenn er ihn der Tochter vorgezogen hat, [dann doch umso] stärker der Enkelin. Und das bestätigen Rafael Fulgosius, Paulus de Castro und Philipus Corneus zu C.6.46.1cxxxii, die auch das besagte Konsilium 77 von Paulus de Castro hinzufügen. Aus dieser Entscheidung ist auch klar, dass das Wort „[ohne] Kinder“ ausgelegt wird als „[ohne] männliche [Kinder]“, wenn [anderenfalls] das Absurde folgen würde, dass der Erblasser die Enkelin mehr geliebt hätte als die eigene Tochter, die er ja doch auf einen bestimmten Vermögensteil eingesetzt hat – wie diese [vorgenannten Gelehrten] ausdrücklich entscheiden. Und so ist es im konkreten Sachverhalt. Und sie sagen formell, dass daselbst sichtbar wird, dass der Erblasser die männliche Linie der weiblichen vorgezogen habe, da ja feststeht, dass er die männlichen Kinder [als] Universal[erben] eingesetzt hat und die Tochter auf bestimmte Anteile. Es meint auch Paulus de Castro, dass die Stelle D.35.1.102cxxxiii nicht gilt, wenn die Töchter ausgeschlossen sind. Und so [gilt], dass die Frauen dann mit der Bezeichnung „der Kinder“, von der in der besagten Gesetzesstelle D.35.1.102 [gesprochen wird], nicht [zum Vermächtnis] berufen sind. Diese Entscheidungen schließen hier die Frauen direkt aus.  cxxxii  C.6.46.1 – Impp. Severus, Antoninus: Du trägst vor, dass der Erblasser der trallianischen Familie ein Vermächtnis bestimmt hat, [zu leisten] von dem, den er als teilweisen Erben eingesetzt hatte, und zwar, wenn jener Eingesetzte ohne Kinder versterben würde. Und jener [= der Eingesetzte] hatte einen Enkel, den er von einer Tochter empfangen hat, als Erben eingesetzt. So ist es offensichtlich, dass die dem Vermächtnis beigefügte Bedingung fehlgeschlagen ist, e s s e i d e n n , e i n a n d e re r Wi l l e d e s Ve r s t o r b e n e n k ö n n t e e v i d e n t b e w i e s e n w e rd e n . cxxxiii  D.35.1.102 – Papinianus 9. resp.: Nachdem ein Großvater seinen Sohn und einen Enkel vom anderen Sohn als Erben eingesetzt hatte, erbat er vom Enkel, dass er, wenn er vor dem dreißigsten Lebensjahr verstürbe, die Erbschaft an seinen Onkel väterlicherseits [den zweiten vom Großvater eingesetzten Erben also] herausgeben solle. Der Enkel verstarb [eigene] Kinder hinterlassend innerhalb des angegebenen Zeitraums. Ich habe [in meinem Rechtsgutachten] geantwortet, dass die Bedingung des Vermächtnisses wegen der Vermutung der Pietätspflicht [der pflichtgemäßen Liebe für Verwandte] entfalle, weil es sich so darstellt, dass weniger geschrieben wurde, als gemeint gewesen ist. Summarium zu dieser Digestenstelle: Bei einem Universalvermächtnis, das vom Sohn nach seinem Tod hinterlassen wurde, wird es so verstanden, wenn er ohne Kinder verstorben wäre.



II. Paraphrase des Consiliums213

Zum dritten Argument [der Gegenmeinung], in dem gesagt wird, dass es ausreicht, [irgendwann] einmal in der Familie gewesen zu sein, [siehe] die besagte Stelle D.31.(1).69.4cxxxiv, lässt sich leicht antworten. Jener Text bezieht sich nämlich [auf einen Sachverhalt], als [die betreffende Person] zum Zeitpunkt des Todes oder der Testamentserrichtung in der Familie gewesen ist, so die besagte Stelle D.31.(1).32.6cxxxv und D.34.5.19 pr.cxxxvi [Diese von der Gegenmeinung in anderem Zusammenhang selbst zitierte Gesetzesstelle muss richtigerweise hier angewandt werden. Die Interpretation, die die Gegenmeinung dieser Textstelle beimisst, ist unvollständig und ignoriert den hier geschilderten Zusammenhang.] Außerdem [ist zu sagen], selbst wenn [jemand] noch weiterhin „in der Familie“ gewesen wäre [in weitem Sinne] (wie ich gesagt habe), fällt er dennoch nicht unter die Bezeichnung „der Familie“ [im engen Sinne des Testaments] entsprechend den vorgenannten [Argumenten].

cxxxiv  D.31.(1).69.4 – Papinianus 19 quaest.: Wenn solche [Personen] nachmals emanzipiert worden sind, kann man diskutieren, ob auch sie richtigerweise ein Vermächtnis einfordern dürfen[, das doch eigentlich nur „der Familie“ hinterlassen wurde]. Und ich meine, richtigerweise dürfen sie es einfordern, denn auch diese Personen werden als in dem Ausdruck „Familie“ bezeichnet verstanden. cxxxv  D.31.(1).32.6 – Modestinus 9 reg.: Bei einem der „Familie“ hinterlassenen Fideikommiss können diejenigen zur Klage auf die Herausgabe der FideikommissGegenstände zugelassen werden, die [vom Erblasser zum Fideikommiss] namentlich angegeben sind. Nach dem Tod all dieser [vom Erblasser Benannten können diejenigen zu dieser Klage zugelassen werden,] die im Todeszeitpunkt des Erblassers dessen Namen tragen, nämlich [im Zweifel zuerst nur diejenigen noch Lebenden,] die von diesem im ersten Grad abstammen, es sei denn, der verstorbene [Erblasser] hätte seinen geäußerten Willen ausdrücklich auf entferntere [Verwandte] erstreckt. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Die Benannten [nominati] sind als erstes zu dem berufen, was der Familie hinterlassen wurde. Nach diesen [sind die berufen,] die die näher [Verwandten] sind entsprechend dem Verwandtschaftsgrad. cxxxvi  D.34.5.19 pr. – Ulpianus 25 ad Sab.: Wenn Verwandten [cognates] ein Vermächtnis zugedacht ist und diese [Verwandten] aufhören, [im juristischen Sinne] Verwandte zu sein, jedoch ihr Bürgerrecht [civitas] behalten, ist ihnen das [letztwillig] bestimmte Vermächtnis geschuldet, denn sie waren zur Zeit der Testamentserrichtung Verwandte [des Erblassers]. [Auch umgekehrt] wenn nun aber jemand zur Zeit der Testamentserrichtung nicht Verwandter [des Erblassers] gewesen ist, aber im Moment des Todes [des Erblassers] durch Annahme an Kindes Statt [adoptio oder adrogatio] dazu [nämlich zum Verwandten] gemacht worden ist, so folgt er durchaus in das Vermächtnis. [Die Verwandtschaftsstellung kann nur in sehr wenigen Fällen enden, etwa durch Versklavung, Kriegsgefangenschaft und durch Annahme an Kindes Statt durch eine andere Person. Zum Vermächtnis berufen sind alle, die im Zeitpunkt der Testamentserrichtung verwandt (cognates) waren, und zusätzlich auch diejenigen, die im Todeszeitpunkt des Erblassers mit diesem verwandt (cognates) geworden waren.]

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Zum vierten Argument [der Gegenmeinung] wird geantwortet, dass es in unserem Fall feststeht, dass der Erblasser die in der Zukunft zu zeugenden [Nachkommen] [zum Vermächtnis] berufen hat, nämlich mit dem Wort „beständig“, weil er gesagt hat, dass er wollte, dass die Güter „beständig“ in der Familie verbleiben. Wenn er nämlich die ungeborenen Nachkommen [nascituri] nicht [zum Vermächtnis] berufen hätte, ließe sich nicht sagen, dass jene Güter „beständig“ in der Familie verbleiben sollten. Außerdem, wenn „der Familie“ [etwas] vermacht wird, {94v} treten alle ungeborenen Nachkommen unbegrenzt [in das Vermächtnis] ein – [siehe] D.30.(1).22cxxxvii und D.33.7.3 pr.cxxxviii. Es ist richtig, dass sie in nachfolgender Ordnung [zum Vermächtnis] berufen sind, weil die Vorangegangenen solange als verpflichtet zur Herausgabe an die Nachfolgenden angesehen werden, wie noch irgendjemand „aus der Familie“ vorhanden wäre – [also] unbegrenzt. Es werden nur diejenigen [zum Vermächtnis] zugelassen, die zum Zeitpunkt des Todes [des Erblassers] existieren, [sie kommen] nämlich an erster Stelle, weil sie in der Rangfolge vorgehen. Aber auch die Nachfolgenden sind [zum Vermächtnis] zugelassen, nachdem jene gestorben sind. Und das gilt gemäß diesem Text [D.31.(1).32.6]. Diejenigen also sind [vom Vermächtnis] ausgeschlossen, die zum Zeitpunkt des Todes [des Erblassers] nicht „gefunden werden“. (Da­ runter werden die verstanden, die gestorben sind, und so kann nicht erhofft werden, sie [noch] zu finden.) Und dass zu einem zugunsten alle unbegrenzt berufen werden, [Argument] Paulus de Castro im D.31.(1).69.3cxxxix angeführt wird.

„der Familie“ ausgesetzten Vermächtnis das bestätigt mittels dem vorgenannten Consilium 17, worin die besagte Stelle Auch Bartolus de Saxoferrato notiert das

cxxxvii  D.30.(1).22 – Pomponius 5 ad Sab.: Wenn aus einer vermachten Herde einige Tiere zu Lebzeiten des Erblassers gestorben wären und an deren Stelle andere als Ersatz [getreten] wären, sieht man dieselbe Herde. Und wenn das Vieh dieser Herde vermindert wäre und sogar nur ein Rind übrig bliebe, so kann dieses [Rind] heraus verlangt werden, obgleich die Herde aufgehört hätte zu existieren. So wie [bei] einem vermachten Haus, wenn es abgebrannt wäre, die freie Fläche heraus verlangt werden könnte. [Eine „Familie“ ist eine Gesamtheit gegenwärtiger und zukünftiger Personen, so wie eine „Herde“ eine Sachgesamtheit gegenwärtiger und zukünftiger Tiere ist.] cxxxviii  D.33.7.3 pr. – Papinianus 8 resp.: Ein Freilasser vermachte mittels Testament seinen Freigelassenen ein Grundstück mit Zubehör. Später bat er in einem Kodizill, dass die Sterbenden ihre Anteile am Grundstück an die Überlebenden übergeben sollten, und erwähnte nicht das Zubehör. Es wurde entschieden, dass jenes als vom Vermächtnis erfasst angesehen wird, wie es vermacht worden war. Aber [auch] in der Zwischenzeit Hinzugekommenes an Jungtieren und Geburten [von Sklaven] sowie auch Weggefallenes durch Tod ist bei dem Vermächtnis mit einzurechnen. cxxxix  D.31.(1).69.3 – Papinianus 19 quaest.: Jemand setzte seinen Bruder zum Erben ein und bat, dass sein Haus nicht veräußert werden, sondern in der Familie bleiben



II. Paraphrase des Consiliums215

zu D.34.5.19.1cxl, indem er sagt, dass alle Nachfolgenden aus der Blutsverwandtschaft [cognatio] als zu dem zugunsten „der Familie“ ausgesetzten Vermächtnis berufen angesehen werden. Er führt [dabei auch] die besagte Stelle D.50.16.195.2cxli an. Und so verhält sich [auch] der allgemeine Sprachgebrauch, gemäß ihm [= Bartolus de Saxoferrato]. solle.

Wenn nun der Erbe diesen Willen nicht befolgt, sondern das Haus veräußert oder nach Einsetzung eines fremden Erben stirbt, so können alle, die zur Familie gehören, auf Herausgabe der Gegenstände des Fideikommiss-Vermächtnisses klagen. Was [gilt] daher, wenn sie nicht im selben Grad [der Verwandtschaft] stünden? Die Sache muss so geordnet werden, dass an erster Stelle der näher [Verwandte] als [zum Vermächtnis] berufen betrachtet wird. Gleichwohl darf deshalb wegen des Vorrangs für die Ranghöheren [zuungunsten] des Späteren beschädigt werden, sondern der näher [Verwandte] ist [zum Vermächtnis] zuzulassen, wenn er bereit wäre, dafür zu sorgen, dass er das Haus[, das den Vermächtnisgegenstand darstellt,] zurückgeben wird. Aber wenn keine Sicherheit [cautio] von dem verlangt worden ist, der an erster Stelle [zum Vermächtnis] zugelassen wurde, so findet zwar keine Kondiktionsklage gegen ihn selbst statt, aber wenn das Haus später einmal an einen außerhalb [der Familie Stehenden] gelangt sein wird, steht die Vermächtnisklage [petitio fideicommissi] der Familie zu. Jedoch glaube ich, dass die Sicherheit [cautio] wegen der Wertung der Arglisteinrede [exceptio doli mali] zu Recht verlangt werden kann, auch wenn darüber hinaus niemand Anderes aus der Familie übrig wäre. Summarium zu dieser Digestenstelle, nach Bartolus de Saxoferrato: Die entgegen dem Verbot des Erblassers außerhalb der Familie veräußerten Sachen können von allen aus der Familie [des Erblassers Stammenden] nach der Erbreihenfolge widerrufen werden. Jedoch der Erste muss Sorge für die Wiedereinsetzung der Nachfolgenden tragen. Und wenn eine Sicherheit [cautio] übergangen würde, werden die Sachen nicht kondiziert [= ist keine Kondiktionsklage zulässig], aber wenn dieser Fall eintritt, werden die Sachen vindiziert [= bleibt die Eigentumsklage erhalten]. Und es reicht aus, [wenn] diese [Sachen] zur Zeit [der Errichtung] des Testaments in der Familie gewesen sind. cxl  D.34.5.19.1 – Ulpianus 25 ad Sab.: Wenn Blutsverwandten [cognatus] ein Vermächtnis ausgesetzt wäre und diese nämlich aufgehört haben, Blutsverwandte zu sein, jedoch im Staat [civitas] bleiben, wird gesagt, dass das Vermächtnis geschuldet ist, denn sie sind zur Zeit der Testamentserrichtung Blutsverwandte gewesen. Wenn aber jemand zur Zeit der Testamentserrichtung kein Blutsverwandter war, [sondern erst] im Zeitpunkt des Todes durch Annahme an Kindes Statt [adrogatio] [Blutsverwandter] geworden ist, wird er das Vermächtnis [noch] leichter erreichen. Wenn jemand der Blutsverwandtschaft [cognatio] ein Vermächtnis ausgesetzt hätte, ist das genauso, als wenn er den Blutsverwandten [cognati] ausgesetzt hätte. cxli  D.50.16.195.2 – Ulpianus 46 ad ed.: Der Begriff der „Familie“ bezieht sich auf die Bezeichnung einer gewissen Gemeinschaft verwendet, die entweder vom eigenen Recht derjenigen selbst oder vom eigenen Recht der gesamten Gemeinschaft der Verwandten zusammengehalten wird. In exakter Rechtssprache bezeichnen wir als „Familie“ mehrere Personen, die der Gewalt eines einzelnen entweder [aufgrund] der Natur oder [aufgrund] des Rechts unterworfen sind, z. B. Hausvater [pater familias], Hausmutter [mater familias], Haussohn [filius familias], Haustochter [filia familias] und die, die an deren Statt nachfolgen, z. B. Enkel und Enkelin und so weiter. Als Hausvater [pater familias] wird bezeichnet, wer im [Wohn]Haus die

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Zum fünften Argument [der Gegenmeinung] kann leicht geantwortet werden: Ich übergehe den Zweifel, ob oder ob nicht die für die armen (Studenten) verfügte Ersatzerbeinsetzung erloschen sei. Denn danach wird nicht gefragt. Aber unterstellend (aber nicht konzedierend!), dass sie erloschen wäre, sage ich, dass die Veräußerung [durch das Testament des Baptista] verboten war aus zwei Gründen, gleichrangig: – Zum ersten wegen der [durch den Erblasser geforderten] Begünstigung der Männer. – Zum zweiten, damit nach Wegfall von diesen [= Wegfall aller Männer der Familie] „die Gelehrsamkeit“ geschaffen werde, wie die Worte des Testaments offen sagen. Nur: das Bindewort [„und“] verbindet gleichwirksam, gleichrangig: [so] die Glosse zur Überschrift von D.22.6cxlii – mit einer Einschränkung, über Herrschaftsgewalt [dominium] innehat. Und er wird richtigerweise mit diesem Namen bezeichnet, auch wenn er keinen Sohn hätte; denn wir bezeichnen [mit diesem Begriff] nicht seine Person, sondern auch das Rechtsverhältnis [als solches]. Daher bezeichnen wir auch ein [nicht mehr unter patria potestas stehendes unmündiges] Mündel als Hausvater [pater familias]. Und sobald der Hausvater [pater familias] stirbt, fangen so viele Personen, wie ihm [gewalt]unterworfen waren, eine eigene Familie an, sie übernehmen nämlich jeder einzeln die Benennung als Hausvater [pater familias]. Und das Gleiche gilt für denjenigen, der aus der Hausgewalt entlassen worden ist [emancipatio], denn auch dieser führt, nachdem er „eigenen Rechts“ geworden ist, eine „eigene Familie“. I m a l l g e m e i n e n j u r i s t i s c h e n Sprachgebrauch bezeichnen wir als „Familie“ [die Gemeinschaft] a l l e r A g n a t e n . Denn wenngleich nach dem Tod des [gemeinsamen] Hausvaters [pater familias] jeder einzelne eine einzelne [eigene] Familie hat, s o w e rd e n d o c h alle, die unter der Gewalt eines Einzigen [nämlich des verstorbenen p a t e r f a m i l i a s ] g e w e s e n s i n d , r i c h t i g e r w e i s e a l s „ a u s d e r s e l b e n F am i l i e “ b e z e i c h n e t . Sie sind [nämlich alle] aus demselben Hause und aus demselben Geschlecht hervorgegangen. cxlii  Glosse zu D.22.6 – Von Unwissenheit über die Rechtslage und den Sachverhalt: Weil bei den Strafen und den Tatsachen und den Fällen oft ein Irrtum [error] entweder in Bezug auf die Rechtslage oder in Bezug auf den Sachverhalt behauptet wird, deswegen wird diesbezüglich festgelegt und angemerkt, dass es vier [Begriffe] gibt, die dasselbe [zu sein] scheinen, jedoch unterschiedlich sind, nämlich NichtZur-Kenntnis-Nehmen [ignorantia], Unkenntnis [nescientia], Irrtum [error] und Unsicherheit [titubatio]. Das erste wird von einer schlechten Partei ausgewählt, die nämlich wissen muss und nicht weiß. [Ignorans ignorabitur =] Wer nichts anerkennt [= wer Gebote Gottes bewusst ignoriert], der wird [durch Gott] nicht anerkannt werden. [Bibel, 1 Cor. 14.38] Unkenntnis [nescire] [gibt es] bei guten und bei schlechten [Parteien]. Denn jeder, der nicht weiß, nimmt nicht zur Kenntnis – aber nicht umgekehrt. So werden nämlich diese zwei Begriffe verbunden: C.4.27.2. Ein Irrtum [error] liegt vor, wenn etwas nicht so ist, wie ich glauben würde. Dass es aber etwas anderes sein soll, zu irren [errare] als nicht zur Kenntnis zu nehmen [ignorare], wird aus dem, was gesagt wurde, offensichtlich. Wenn der Nicht-ZurKenntnis-Nehmende [ignorans] [gutgläubig] Besitz erlangen kann, dann [erst recht]



II. Paraphrase des Consiliums217

die in der Antwort des folgenden Arguments [gesprochen wird]. Auch wenn also einer der [beiden] Gründe wegfiele, nämlich das Erschaffen der „Gelehrsamkeit“, dann würde trotzdem das Verbot fortbestehen, weil die andere Zweckbestimmung bleibt: die Begünstigung der Männer: [siehe] Inst.1.10.6cxliii. Dass jedoch der Erblasser am Ende mehr wegen der Männer aus der Familie als zugunsten der Studenten zum Veräußerungsverbot außerhalb der Familie veranlasst wurde, wird nämlich aus dem Vorgenannten ersichtlich, weil [der Erblasser] seine Familie vorgezogen hat. Und da gibt es keinen Zweifel. Zum sechsten und letzten Argument [der Gegenmeinung]13 wird geantwortet, dass, wenn zwei Aussagen gleichrangig miteinander verbunden sind 13  Hier zitiert Felinus Lehrsätze aus der Logik-Lehre. Dieselben Lehrsätze hat er auch in seinem Kommentar zu X.1.3.2 zitiert. Das jedenfalls erwähnt Besold, S. 967. Demnach sind gleichlautende Logik-Argumentationen von {Bartholomaeus?} Br{issonius?} und von Bartholomaeus Socinus im Kommentar zu D.34.5.13(14) zu finden: Quando copula „Et“ (vel alia) ponitur inter duas orationes, quae copulantur per se principaliter (et non per modum accidentis, nec respective ad unam speciem, sed copulantur de per se, et non respective ad aliud), maxime ubi orationes de per se sunt perfectae, quod tunc copula non requirit concursum copulativorum. Ex quo tunc non habet vim copulativae, sed vim dictionis continuativae: et sufficit tunc adesse unum, seu unam qualitatem, vel unam tantum ex copulatis, et in quolibet etiam de per se ex copulatis procedit dispositio. Br{issonius?} in l  Si is qui ducenta. § Utrum, col. pen., versiculo „Tertio casu“, ubi Socinus, dicens, quod distinctio Br{issonii?} communiter probetur: ff. de reb. dub. [D.34.5.13(14)]; Felinus, c  Ex parte, col. 7, versiculo „Facit sexto“, et ibi Dex. col. 5., versiculo „Et praedicta“, de rescriptis [X.1.3.2]. der

Irrende [errans]: wie unten D.41.2.34.1. Aber Unsicherheit wird dort angenommen, wo ich zwischen zwei unterschiedlichen oder gegensätzlichen Sachverhalten schwanke. Und ich gehe [bei dem Rechtsakt], den ich vornehme, weder von dem einen, noch von dem anderen aus, siehe [den Fall der Zahlung einer angezweifelten Schuld in] C.4.5.11. Wenngleich es bei anderen Rechtsgelehrten möglicherweise Unterschiede zwischen diesen vier geben mag, so wird doch in dieser Abhandlung [= D.22.6] alles mit einander behandelt, denn alle [Unterschiede] beziehen sich entweder auf die Rechtslage oder auf den Sachverhalt. cxliii  Inst.1.10.6: Auch wegen der Verehrung der Schwägerschaft [adfinitas] ist es notwendig, sich von bestimmten Ehen fern zu halten. Wie es zum Beispiel verboten ist, die Stieftochter oder die Schwiegertochter als Ehefrau zu nehmen, weil beide die Stellung einer Tochter innehaben. Dies muss allerdings so verstanden werden, wenn sie Schwiegertochter oder Stieftochter gewesen sind. Denn wenn sie noch immer Schwiegertochter ist, also wenn sie noch mit deinem Sohn verheiratet ist, dann könntest du sie schon aus einem anderen Grund nicht als Ehefrau nehmen, weil dieselbe [Frau] nicht mit zwei [Männern] verheiratet sein kann. Ebenso wenn sie noch immer deine Stieftochter ist, also wenn deren Mutter mit dir verheiratet ist, kannst du sie daher nicht als Ehefrau nehmen, weil es verboten ist, zwei Ehefrauen zu selben Zeit zu haben.

218

B. Edition

(nicht auf einander bezogen, so dass die eine ein besonderes Merkmal der anderen ausdrückt), dann ist das gleichzeitige Zutreffen [dieser beiden Aussagen] nicht notwendig, sondern in jeder [von ihnen] wird die Rechtsfolge in Gang gesetzt: [siehe] D.47.10.1 pr.cxliv, D.22.5.4cxlv, D.48.8.1 pr.cxlvi, mit Parallelstellen. Mit Hinweis auf diese Gesetzesstellen sagt Bartolus de Sacxliv  D.47.10.1 – Ulpianus 56 ad ed.: Die Injurie [iniuria] wird aus dem [Grund] so genannt, weil sie ohne Recht geschieht. Alles nämlich, das ohne Recht geschieht, wird als zu unrecht [iniuria] geschehen bezeichnet. Das [ist] die allgemeine [Bedeutung]. Im Besonderen aber wird die Injurie als Beschimpfung [contumelia] bezeichnet. Gelegentlich wird mit dem Begriff „Iniuria“ ein mit Verschulden [verursachter] Schaden [damnum] bezeichnet, wie wir in der Lex Aquilia zu sagen pflegen. Gelegentlich bezeichnen wir eine Unbilligkeit [iniquitas] als Injurie, denn wenn jemand unbillig oder ungerecht ein Urteil [gefällt hat], wurde gesagt, dass es als Injurie von diesem bezeichnet wird, weil es Recht und Gerechtigkeit entbehrt, gleich einem Unrecht [non iuria]. [Dahingegen wurde gesagt, dass] die Beschimpfung [contumelia] vom Beschimpfen [kommt]. [Bei dieser Digestenstelle werden viele verschiedene Tatbestände mit demselben Begriff bezeichnet. Gleichwohl gilt immer nur einer der Tatbestände und nicht alle kumulativ.] cxlv  D.22.5.4 – Paulus 2 ad l. iul. et pap.: In der Lex Iulia über die öffentlichen Prozesse [iucicium publicum = Strafprozesse] wird bestimmt, dass niemand gegen den Willen geladen werden soll, um die Zeugenaussage im Prozess zu erklären gegen den Schwiegervater, den Schwiegersohn, den Stiefvater, den Stiefsohn, den Sohn mütterlicherseits, die Tochter mütterlicherseits, das vom Sohn oder der Tochter mütterlicherseits [abstammende] Kind oder gegen diejenigen, die in einem näheren [Verwandtschafts-]Grad stehen. Weiterhin, dass nicht [die Zeugenaussage verlangt wird] vom Freigelassenen des [Angeklagten], [vom Freigelassenen von] den Kindern des [Angeklagten], [vom Freigelassenen der] Eltern [des Angeklagten], [vom Freigelassenen] des Gatten [oder] der Gattin [des Angeklagten], ebenso [vom Freigelassenen] des Freilassers [oder] der Freilasserin [des Angeklagten]. Und dass weder die Freilasser [oder] Freilasserinnen gezwungen werden dürfen, eine Zeugenaussage zu erklären, gegen die Freigelassenen noch die Freigelassenen gegen den Freilasser. [In dieser Digestenstelle werden alle denkbaren Konstellationen der Verwandtschafts- und Treuebeziehungen zwischen dem Angeklagten und den Personen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht haben sollen, bestimmt. Dabei gelten diese Zeugenverweigerungsrechte alternativ und nicht kumulativ.] cxlvi  D.48.8.1 pr. – Marcianus 14 inst.: Durch die Lex Cornelia über die Mörder und Giftmischer ist derjenige verpflichtet, der einen Menschen getötet hat, oder [derjenige], durch dessen Arglist eine Feuersbrunst entstanden ist, oder der, um einen Menschen zu töten oder um einen Diebstahl zu begehen, mit einer Hieb- und Stichwaffe [telum] umhergelaufen ist, oder der, während er Beamter war oder einem öffentlichen Prozess [iudicium publicum = Strafverfahren] vorgestanden hat, einen Dienst erwiesen hatte, damit ein Unschuldiger gerichtlich belangt und verurteilt wird. [Auch in dieser Digestenstelle werden verschiedene Tatbestandsalternativen aufgezählt, die einem Mord entsprechend bestraft werden. Auch hier müssen nicht alle Bedingungen kumulativ sondern nur alternativ erfüllt werden, damit die entsprechende Strafbarkeit nach der Lex Cornelia gegeben ist.]



II. Paraphrase des Consiliums219

xoferrato dies bei D.34.5.13(14).3cxlvii. Vortrefflich hat das Baldus de Ubaldis bei D.28.7.5cxlviii und {95r} bei D.1.1.1.3cxlix in der vorletzten Spalte [dargestellt,] folgernd dass er das [zugunsten] „der Doktoren und Mediziner Paduas“ zugewendete Vermächtnis versteht als sowohl den Doktoren als auch den Medizinern [zugewendet]. Und es ist nicht erforderlich, dass beides zutrifft. Denn wenn ein Bindewort eingeschoben wird in eine MerkmalsBeschreibung [subiectum generale], dann verbindet es im Zweifel nicht [kumulierend] mehrere Eigenschaften des Merkmals, sondern mehrere nicht von einander abhängige Merkmale. Die weitverbreitete Fall-Erörterung [quaestio] des Jacobus Butrigarius besagt, dass, wenn „den Soldaten und Doktoren“ ein Vermächtnis errichtet wird, der einelne Soldat eingeschlossen ist und der einzelne Doktor – wie cxlvii  D.34.5.13(14).3 – Iulianus l.S. de ambig.: Ob du eine Vereinbarung [stipulatio] so fasst „wenn das Eine oder das Andere geschehen wird“ oder auf diese Art „wenn etwas von den vereinbarten [Dingen] nicht geschehen wird, die vereinbart waren, dass sie geschehen sollten“ – dazwischen ist [der Unterschied], dass, obwohl das Eine oder das Andere tatsächlich geschehen ist, auch [wenn] das eine Vereinbarte geschehen wäre, deswegen dennoch nicht wahr wird, dass das Eine oder das Andere nicht geschehen ist. Denn das kann [beides] zugleich wahr sein, obwohl es untereinander im Gegensatz steht, weil mit der Bezeichnung nicht vom Allgemeinen her sondern vom Besonderen her abgeleitet wird, dass der ganze Ausdruck, wenn irgendetwas davon wahr wäre, wahr gemacht wird. So wie im Gegensatz [dazu] zwei Widerstreitendes enthaltende Sätze zugleich falsch sind. Zum Beispiel „wenn einige von den Kindern teils unmündig, teils mündig verstorben sein werden“, denn hier wäre es falsch, dass alle unmündig verstorben sind und ebenso dass alle mündig verstorben sind. Das geschieht, weil die Bezeichnung vom Allgemeinen her abgeleitet wird, bei dem, wenn irgendetwas falsch ist, der ganze Ausdruck falsch gemacht wird. Es ist also zu beachten, was das sei, nach dem gefragt wird. Denn, wenn ich es so verfasse „wenn das Eine oder das Andere nicht geschehen sein wird“, ist zu fragen, ob irgendetwas nicht geschehen sei? Deren Wirkung [= der Vereinbarung] ist hier, dass keines von beiden geschehen soll. [Die Wirkung der im letzten Fall vorgenommenen Vereinbarung] ist jedoch, dass beides geschehen soll. Und es hilft weder in jenem [ersten Fall], wenn das Eine nicht getan wurde, noch [hilft es] im diesem [zweiten Fall], wenn das Eine gemacht worden wäre, wenn [zugleich] das Andere nicht gemacht worden ist. cxlviii  D.28.7.5 – Paulus 2 ad Sab.: Wenn einem Erben mehrere Bedingungen verbunden auferlegt worden sind, muss er allen gehorchen, weil sie als eine einzige Stelle [als eine Gesamtbedingung also] begriffen werden. Wenn sie nicht verbunden sind, kann er es sich aussuchen [welche der Bedingungen er bedient]. cxlix  D.1.1.1.3 – Ulpianus 1 inst.: Naturrecht ist, was die Natur alle Lebewesen gelehrt hat. Denn dieses Recht ist nicht dem Menschengeschlecht eigen, sondern allen Lebewesen, die auf dem Land [leben], die im Wasser geboren sind, und auch den Vögeln gemeinsam. Hieraus leitet sich die Verbindung von Mann und Frau ab, die wir Ehe nennen. Hieraus [leitet sich ebenso] die Zeugung der Kinder [und] die Erziehung ab. Wir sehen nämlich, dass auch die übrigen Lebewesen, auch die wilden Tiere nach der Erfahrung dieses Rechts begutachtet werden.

220

B. Edition

es auch durch Johannes de Imola zu Clem.1.3.5cl in der siebten Spalte und dort auch durch Franciscus Zabarella in der vierten Spalte [der Glosse zu den Decretales Clementis V papae] [gesagt wird]. Aber in unserem Fall steht das Bindewort zwischen zwei Aussagen, die gleichrangig für sich selbst bestehen [und] nicht rückbezüglich. Also, und so weiter. Das Argument [gilt] auch im [hier in Frage stehenden] Testament: „Ebenso verbot der besagte Testamentsverfasser die Veräußerung jedweder Immobiliargüter seines Nachlasses wegen seines Willens, dass seine Güter beständig in der Familie des besagten Testamentsverfassers verbleiben und wegen der unten anzuweisenden Nutzung“. Die erste Aussage geht bis hierhin: „und wegen der … Nutzung“ [= die Aussage endet vor diesen Worten]. Von dort an ist es tatsächlich eine andere Aussage, weil das Wort „verboten“ implizit mitgedacht werden muss. Und der Sinn wird dieser sein: „Ebenso verbot er die Veräußerung jedweder Immobiliargüter seines Nachlasses wegen der unten anzuweisenden Nutzung.“ cl  Clem.1.3.5 – In einigen Kirchen, die (was wir schmerzlich berichten) nicht nur vom Schutz des Vermögens beraubt wurden sondern auch weder einen Priester noch eine Christenschar haben, [geschieht es] häufig, [dass] sich viele und besonders die Geistlichen durch die achtlose Fürsorge der Oberen die Ehre der Bischofswürde aneignen. [Es handelt sich dabei um solche], die weder nützlich zu sein imstande sind, obwohl sie helfen sollten, noch zu schützen imstande sind, obwohl es sich geziemte, und denen die Unbeständigkeit des Herumschweifens und Bettlerlebens vorgeworfen wird. Diese verdunkeln die Beständigkeit und Würde des Bischofsamts. Um gegen die Unbesonnenheit sowohl [derjenigen, die solch ungeeignete Personen zu Bischöfen] ernennen, als auch [derjenigen, die] häufiger derartige Vorkehrungen für die Annehmenden treffen, vorzugehen, ordnen wir nach Beratung mit unseren Brüdern an, dass im Übrigen niemand mit irgendeiner überwiegenden Würde, es sei denn, es wird ausdrücklich durch die Autorität des apostolischen Stuhls gestützt, von einem Priester mit einer Kathedralkirche versehen wird, auf welche Art auch immer sie ihm unterstellt wird, die einen Priester und unterstellte Christen entbehrt, und es wird keinem Geistlichen von sich aus jemals erlaubt, dass er in eine solche Fürsorge [= Ämterbesetzung] einwilligt. Aber wenn ein Lizentiat schon in eine derartige Fürsorge [= Ämterbesetzung] eingewilligt hätte und sich zum Bischof gemacht hätte oder zugelassen hätte, [zum Bischof] geweiht zu werden, wird er keinesfalls in seiner Würde als Bischof anerkannt, sondern er wird wegen einer so großen Gunstbuhlerei zur Strafe immer in Frömmigkeit ansonsten dem Vorsteher seines Klosters [unterstellt], so einfach leben, auf den Knien verharren, damit derselbe niemals in seinem geistlichen Bezirk oder außerhalb in eine Ehrenstellung oder eine Verwaltungsstellung aufsteigen soll. Denn wir ordnen an, sollte sich irgendetwas gegen das Vorausgeschickte oder irgendetwas, das sich gegen die Vorausgeschickten zuträgt, versucht werden, [dass das] unwirksam und nichtig ist [und dass] irgendein dem entgegen stehendes Gewohnheitsrecht keinen Bestand hat. Allerdings ordnen wir gegen die vorgenannten Kirchen, dass die vorausgeschickten [Maßnahmen] speziell so vorgesehen sein sollen, dass wir nicht beabsichtigen, die Befähigung der Oberen zur Fürsorge [= Ämterbesetzung] bei irgendwelchen anderen [Kirchen] zu beschränken noch über die Grenzen des ius commune hinaus zu erweitern.



II. Paraphrase des Consiliums221

Es kommt nämlich nicht darauf an, ob bei dem Ausdruck ein Wort hinzugefügt oder ergänzt worden ist – entsprechend Bartolus de Saxoferrato bei der besagten Stelle D.34.5.13(14).3, wo er gesagt hat, dass die Wörter „Ich vermache dir die gekauften und fertiggestellten [Güter]“ zwei [verschiedene] Aussagen schaffen. Der erste ist: „Ich vermache dir die gekauften [Güter]“. Und der zweite ist: „Ich vermache dir die fertiggestellten [Güter]“. Weil das [nur] einmal hinzugefügte Wort „vermachen“ verstanden wird, als gedanklich wiederholt. [Dem] stehen [auch] nicht das Konsilium 14 von Paulus de Castro und der von diesem [= Paulus de Castro] angeführte Vergleich des Johannes Andreae entgegen, weil dort das Bindewort zwischen zwei Substantiven eingefügt wurde, nämlich zwischen Nicolaus und einem anderen Sohn. In dem Fall wird das Zusammentreffen der verbundenen [Aussagen] gefordert. Und es ist ein eigener [Fall], wie Bartolus de Saxoferrato bei der besagten Stelle D.34.5.13(14).3 und die Gelehrten bei der besagten Stelle Clem.1.3.5 und an weiteren Stellen belegen. Aus all dem bleibt die [gehörig] verteidigte Schlussfolgerung über den Sachverhalt, dass die besagten Güter nicht außerhalb der männlichen Familie veräußert werden konnten. Und daher kann die besagte Veräußerung widerrufen werden, und [zwar] insgesamt, weil – wie im vorgelegten [Sachverhalt] dargestellt wurde – der Enkel des Baptista so viel von diesen Gütern verbraucht hat, dass [die Werte der verbrauchten Güter] ansteigen bis zu dem ihm geschuldeten Anteil aus Pflichtteilsrecht und aus dem Senatus Consultum Trebellianum, und darum werden ihm diese [verbrauchten Güter auf seinen Anteil] angerechnet, [nach] D.36.1.3.3cli. Ausführlich [dazu] Paulus de Castro im Consilium 13. {95v} {Unterschrift des Gutachters:} So glaube ich, dass es Recht ist, und so sage ich es und so gutachte ich, Felinus Sandeus, Doktor beider Rechte, Bürger und Domherr in Ferrara, unwürdig den ordentlichen Lehrstuhl des päpstlichen Rechts am wiedererrichteten Gymnasium in Pisa besetzend. Zur Beglaubigung dieser Sache habe ich diese mit eigener Hand geschriebenen [Ausführungen] auch unterschrieben und mein Siegel daran angebracht. Eine richtigere Begutachtung [durch einen anderen, klügeren, höher gelehrten Gutachter] bleibt immer vorbehalten. Gelobt [sei] Gott. {Originalsiegel des Felinus Sandeus} cli  D.36.1.3.3 – Ulpianus 3 fideic.: Sachen, die vom Erben verkauft worden sind, werden dem Erben auf das [Trebellianische] Viertel angerechnet.

C. Anhang I. Stammbaum des Johannes de Lignano# Fredericus Calderinus (Schwiegersohn des Johannes Andreae)

Johannes

Novella

Antonia

Johannes de Lignano

Baptista

Guglielmus

Margarita

Jacobus de Lignano (Conte de Oldrendis)

Marcus (unehelicher Sohn)

Georgius

Cornelia

Beklagte im Rechtsstreit

Antonius Maria

Antonius (auch: Niotus)

Catarina

Princivallus

Johannolus

Blancus

Contolus

Johannes

Johannes Antonius

F. Martinus

Paulus Antonius

Kläger im Rechtsstreit

II. Testament des Johannes de Lignano Die hiesige Abschrift der Edition des Testaments von Johannes de Lignano wurde entnommen aus Bosdari, ADSPR, 29 (1901), S. 123–129 und ist gleichlautend mit einer gekürzten Fassung in Sutermeister, S. 77–79. Beide Editionen erfolgten jeweils nach einer Testamentskopie aus dem Jahr 1437 im Archivio di Stato di Bologna, Studio Alidosi, Busta Instrumenti Nr. 54. 1

#  Der Stammbaum wurde aus den Angaben bei Gianazza, S. 64a und Anhang; Sutermeister, S. 47; Pancirolus (1637), lib. 3, S. 439 = (1721), lib. 3, S. 345; Holland, S. XVIII und Diplovatatius, Bd. 2, S. 292 ff. entwickelt.



II. Testament des Johannes de Lignano223

In Christi nomine,1 amen2 Eiusdem nativitatis anno Domini millesimo trecentesimo septuagesimo sexto, indictione XIIII, die XXVII mensis Martii, pontificatus sanctissimi in Christo patris et domini domini Gregorii divina providentia pape undecimi. Quoniam omnes morimur et velut aqua dillabimur et, homine fragilis elementorum mixtionis unione compaginato eorum dissolutione resoluto, nihil immanet nisi immortalis anima rationalis Altissimo presentanda: que talis et eidem in foro triumphanti presentatur, qualis in hac tenebrarum valle meritis et demeritis excitatur{,} et propterea ex dictamine recte rationis humane divinitus [sic!] esse insitum pro extremo et momentaneo transitu: quo nil rectius et eius die nil inrectius fieret providentia bonorum post vite spiraculum duratura. Idcirco sapientissimus vir dominus Iohannes de Lignano Juris utriusque doctor excellentissimus filius quondam Contis de Odrendis de Lignano Mediolanensis diocesis nunc civis Bononie de capella sancti Proculi: qui manibus Creatoris altissimi et beate Virginis gloriose immeritus de temporalibus bonis plura suscepit, volens illa uti providentia per gratiam domini nostri Jesu Christo, sanus mente, sensu et corpore, suarum rerum et bonorum omnium dispositionem per presens nuncupativum sive scriptis testamenti fecit et disposuit infrascripta et ad hunc modum, quod in secretum esse voluit et mandavit aliisque testibus et mihi notario infrascriptis et ob id deponi debere pro secreto in sacristia et penes sacristam fratrum minorum ordinis S. Francisci conventus Bononie et sigillari sigillo conventus seu guardiani dictorum fratrum et ibidem custodiendum et salvandum pro secreto et post mortem dicti testatoris publicandum et aperiendum secundum formam statutorum Comunis Bononie loquentium supradictis. In primis quidem de bonis suis reliquit pro male ablatis, incertis libras decem Bon(onienses)3. Item reliquit cuilibet infrascriptorum testium solidos decem Bon(onienses). Item reliquit, voluit et mandavit dictus testator quod de bonis sue heredatis solvat et satisfiat omnibus et singulis ab ipso testatore recipere debentibus de quibus constare poterit quod habere debeant. Item reliquit, voluit et mandavit dictus testator quod in ecclesia Sancti Iohannis Acugiroli civitatis Mediolani porte romane quolibet anno celebretur una missa in die anniversarii ipsius testatoris et pauperibus fiat helimosina duobus modiis panis pro animabus ipsius testatoris et parentum suo1  Zeichensetzung und Satztrennung erfolgt nach Sinneinheiten unabhängig von der Vorlage bei Bosdari. Offensichtliche Grammatikfehler in der Vorlage werden berichtigt. 2  Groß- und Kleinschreibung erfolgt nach heute üblicher Weise unabhängig von der Vorlage bei Bosdari. 3  In der Vorlage „bon.“ – solche Abkürzungen werden aufgelöst.

224

C. Anhang

rum, et hoc quod ibi fuit beneficiatus4 dictus testator et de fructibus ipsius ecclesie aliquibus annis se ante in studio percepit, et fiant predicta per infrascriptos quibus reliquit usumfructum bonorum quos habet in comitatu Mediolani. Item reliquit quod in ecclesia S. Martini prope Lignanum Mediolanensis diocesis quolibet anno in die anniversarii dicti testatoris celebretur una missa et ibi fiat elemosina pauperibus de uno modio panis et ad hoc teneantur infrascripti quibus dictus testator reliquit usumfructum bonorum quos habet in comitatu Mediolani et in burgo Lignani. Et loco eorum pendente dicto usufructu et dicto usufructu finito ad predicta teneantur et obligati sint heredes ipsius testatoris infrascripti et eius executores et commissari deputati. Et si predicta non fuerint executa per infrascriptos commissarios et executores5 cum eis notificatum fuerit hoc testamentum, perdant infrascriptum usufructum et consolident proprietati. Et ad hoc teneantur heredes infrascripti, et hoc solum pro anno quo cessaverunt. Item reliquit jure legati Catarine ipsius testatoris nepti et filie quondam Niotis de Lignano quam dictus testator in domo eius nutrivit libras ducentas Bon(onienses) quas eidem Catarine dari et solvi voluit et mandavit dictus testator cum ipsa Catarina maritanda fuerit. Item jure legati reliquit Princivallo fratri ipsius testatoris et filio quondam Contis de Odrendis de Lignano et Iohanolo et Contolo fratribus et filiis quondam Blanchi alterius fratris dicti testatoris et filii dicti Contis et omnibus filiis masculis descendentibus ab eis usumfructum omnium bonorum immobilium ipsius testatoris et que ipse testator nunc habet in Comitatu Mediolani et in burgo Lignano et loco Cerri, salvis infrascriptis omnibus. Item jure legati reliquit libros medicine et comenta Galeni, tres libros Avicenne et libros Galieni in quaternis novis nepotibus quondam bone memorie domini Iohannis de Galorato olim Bononie episcopi. Item reliquit domine Novelle sue uxori et filie quondam sapientis viri domini Federici olim bone memorie domini Iohannis Andreae excellentissimi decretorum doctoris dotes suas et quas pro ipsa et ejus dote et matrimonio habuit et recepit que fuerunt et sunt libre noningenta Bon(onienses) ut de predictis constare dixit dictus testator per publicum instrumentum. Item iure legati reliquit eidem domine Novelle uxori sue omnes pannos lineos, laneos et syrici et alterius cuiuscumque conditionis ad ipsius domine Novelle usum deputatos et iocalia que habuit et habet matrimonio constante. Bosdari: beneficatus. des Halbsatzes „per infrascriptos commissarios et executores“ wegen des Sinnzusammenhangs. 4  Bei

5  Ergänzung



II. Testament des Johannes de Lignano225

Item reliquit eandem6 dominam Novellam dominam usufructuariam bonorum hereditatis ipsius testatoris quamdiu vixerit et vitam vidualem et honestatem7 servaverit per mortem dicti testatoris et cum heredibus ipsius testatoris infrascriptis habitaverit et dotes suas non petierit. Item pro jure institutionis8 reliquit Antonie ipsius testatoris filie legitime et naturali et alteri cuicumque filie legitime et naturali nasciture ex ipso testatore et legitimo matrimonio ducatos mille auri pro qualibet earum, quos eisdem et cuilibet earum dari et solvi voluit et mandavit cum maritanda seu maritande fuerint et interim alimentari debere in bonis et de bonis hereditatis dicti testatoris cum heredibus suis infrascriptis. Et si contingat predictam Antoniam ejus filiam vel aliam quamque filiam legitimam et naturalem ex eo nascituram ut supra quandocumque decedere absque liberis, ei et eis substituit heredes suos infrascriptos. Item reliquit, jussit, voluit et mandavit dictus testator quod quotiescumque predicta Antonia eius filia vel alia quecumque ex ipso testatore nascitura ut supra ad statum viduitatis devenire contingat, ipsa Antonia et alia quecumqua nascitura ut supra habeat et habere debeat habitationem et alimentum condecentia in domo dicti testatoris et de bonis hereditatis ipsius testatoris. Item prohibuit dictus testator alienationem quorumcumque bonorum immobilium sue hereditatis eo quod voluit ipsa bona perpetuo permanere intra familiam dicti testatoris et pro usu infra deputando. Item prohibuit dictus testator alienationem quorumcumque librorum sue hereditatis eo quod voluit dictos libros perpetuo permanere intra familiam ipsius testatoris [et]9 pro usu infra deputando. In omnibus autem aliis suis bonis mobilibus et immobilibus, juribus et actionibus tam presentibus quam futuris Batistam ejus filium legitimum et naturalem et pariter cum eo quemque alium eius filium legitimum et naturalem nasciturum ex ipso testatore et legitimo matrimonio equis portionibus sibi universales heredes instituit. Et si contingat aliquos ex dictis filiis suis masculis tam natis quam nascituris quibuscumque decedere sine liberis legitimis et naturalibus, cum alter vel alius nascatur cuicumque tali sic morienti ut supra substituit superstitum vel superstitos et eorum vel eius filios in stirpes. Et si aliqui filii non nascantur et dictus Baptista decesserit quandocumque sine liberis masculis legitimis et naturalibus vel si alter vel alii nascantur et omnes decesserint quandocumque sine liberis masculis legitimis et naturali6  In

der Vorlage „eamdem“. der Vorlage „honestam“. 8  In der Vorlage statt der Wortgruppe „pro jure institutionis“ wahrscheinlich durch Lesefehler „jure Institutionis“. 9  Ergänzt, fehlt in der Vorlage. Bei Bosdari fehlt das „et“ an dieser zweiten Stelle. 7  In

226

C. Anhang

bus, tunc voluit et mandavit dictus testator quod de bonis sue hereditatis provideatur pauperibus scholaribus in hac forma: quod domus una de domibus ipsius testatoris que melius videbitur executoribus et comissariis suis infrascriptis ordinetur et deputetur pro habitatione duodecim scholarium. Et ipsis scholaribus deputentur fructus bonorum hereditatis dicti testatoris. Et si dicti fructus pluribus scholaribus sufficerent, assumantur plures. Et illi assumantur primo de agnatione dicti testatoris, scilicet illorum de Odrendis qui habitant in burgo Lignani Comitatus Mediolani, si aliqui reperiuntur qui studere voluerint in jure canonico vel civili vel in medicina. Duo partes in jure canonico vel civili, alii in artibus et medicina. Et omnes libri dicti testatoris deputentur in una libraria cum catenis, sicut fit in librariis religiosorum. Qui non trahantur. Inde scilicet quilibet de scholaribus assumptis ibidem studere possint ad libitum suum, dummodo libros ex inde non trahat. Si autem de agnatione dicti testatoris non reperiuntur scholares qui studere velint Bononie, tunc assumantur de burgo Lignani, si reperiantur. Et si non reperiantur, tunc assumantur de civitate vel diocesi Mediolani, dum tamen assumantur habiles et pauperes qui non habeant aliunde unde possint substentari in studio. Et si non reperiantur de civitate vel diocesi Mediolani tunc assumantur cives de civitate Bononie pauperes, et post undecumque, dum tamen habiles et pauperes. Voluit tum, jussit et mandavit dictus testator quod dominus Marcus filius naturalis dicti testatoris habeat et habere debeat in casu mortis omnium filiorum heredum suorum suprascriptorum de bonis immobilibus hereditatis dicti testatoris usque ad extimationem et valorem librarum mille Bon(oniensum). Et ab10 ipsis filiis dicti testatoris vel altero eorum tam natis quam nascituris viventibus habeat et habere debeat dictus dominus Marcus de bonis hereditatis dicti testatoris quolibet anno libras quinquaginta Bon(onienses) pro suis necessitatibus. Tutricem autem predicti Baptisti sui filii pupilli et infantis et aliorum quorumcumque filiorum maschulorum suorum nasciturorum ex ipso testatore et dicta domina Novella eius uxore, eligit, reliquit et esse voluit suprascriptam dominam Novellam ipsius testatoris uxorem. Comissarios et executores autem suos et huius testamenti et ultime voluntatis elegit, reliquit et esse voluit priorem fratrum Cartusiensium de Casare de prope Bononie et priorem S. Marie Angelorum de Morano comorantium ex­ tra portam S. Mame civitatis Bononie qui pro tempore fuerint, et si aliquis dictorum Priorum recusaverit esse comissarius et executor presentis testamenti et ultime voluntatis, tunc loco illius qui recusaverit elegit, reliquit et esse voluit priorem Monachorum seu fratrum Beate Marie Montis Oliveti 10  Ergänzt,

fehlt in der Vorlage.



II. Testament des Johannes de Lignano227

commorantium in monasterio S. Michaelis de Buscho de prope Bononie, qui pro tempore fuerit. Et si ambo dicti priores Cartusiensium et fratrum Angelorum, qui pro tempore fuerint, recusaverint esse commissarii et executores tunc eo casu cum dicto priore monacorum seu fratrum Montis Oliveti elegit, reliquit et esse voluit priorem fratrum Heremitarum Conventus Bononie qui pro tempore fuerint, et si aliquis dictorum priorum Montis Oliveti seu Heremitarum recusaverit esse comissarius et executor ut supra, tunc loco illius, qui recusaverit, elegit et reliquit cum alio qui non recusaverit, Priorem Conventus fratrum Predicatorum civitatis Bononie qui pro tempore fuerint. ­Quibus prioribus comissariis et executoribus qui dictam commissariam et executoriam acceptabunt dictus testator dedit et concessit plenam et liberam potestatem auctoritatem et bailiam exequendi et executioni mandandi omnia contenta et descripta in presenti testamento et ultima voluntate. Et dictis commissariis qui dictam commissariam et executionem acceptabunt, ut dictus est, et in casu predicto, dictus testator de fructibus et redditibus predicte hereditatis percipiendis annuatim, ut dictum est, reliquit pro necessitatibus dictorum commissariorum libras decem Bon(onienses) annuatim. Item jussit, voluit et mandavit dictus testator quod mantellus, caputeus et beretum quod eidem testatori donavit Beatus Urbanus papa quintus cum ipsum visitavit in Monte Fraschone perpetuo non vendantur, scilicet teneantur sub fida custodia et conserventur pro reliquiis et exhibeantur cum pro devotione requirantur. Itaque nulli dimittantur sed devotione prestita reducantur et conserventur et hoc in loco habitationis deputande pro scholaribus, secundum quod visum fuerit commissariis et executoribus antedictis. Item jussit, voluit et mandavit dictus testator quod si filius vel filii dicti testatoris tam nati quam nascituri masculi vel eorum liberi descendentes tam masculi quam femine aliquo casu occurente, quod Deus advertat, non possent stare et habitare in civitate Bononia{,} vel non possidere bona hereditatis dicti testatoris que dictus testator habet vel in futurum habebit in civitate, comitatu vel districto Bononie, quod tunc et eo casu habeant et habere debeant bona que sunt in comitatu Mediolani et in burgo Lignano et loco Cerri, et tunc cessit relictum usumfructum dictorum bonorum pendente dicto impedimento. Et si alique ipsius testatoris filie tam nate quam nasciture existentes in casu viduitatis, aliquo casu occurente, quod Deus advertat, dotes ipsarum habere vel possidere non possent, nec alimenta habere Bononie in bonis et hereditatis dicti testatoris, tunc et eo casu voluit et mandavit dictus testator quod alimenta habere et percepire possint et debeant in bonis et de bonis dicti testatoris et eius heredum positis in comitatu Mediolani et in burgo Lignani et loco Cerri durante dicto casu et impedimento, non obstante dicto usufructo relicto.

228

C. Anhang

Et hec sua ultima voluntate. Vermutung von Bosdari für den ausfertigenden Notar: Angelino Angelelli

III. Paraphrase des Testaments von Johannes de Lignano 1376, 27. März während des Pontifikats Papst Gregorius XI. [Arenga (= Vorbemerkung) zur Sterblichkeit und Vergänglichkeit des menschlichen Seins und der Unsterblichkeit der eigenen Seele] Im Namen von Christus, Amen. Im 1376. Jahr seiner Geburt, in der 14. Indiktion, am 27. März, unter dem Pontifikat des heiligsten Vaters und Herrn in Christus, Herrn Gregorius, von Gottes Vorsehung als Papst der elfte. Da wir alle sterben und wie Wasser zerfließen, und da, wenn der Mensch, der aus einer zerbrechlichen Mischung von Elementen zusammengesetzt ist, nach deren Auflösung [selbst] aufgelöst ist, nichts bleibt außer der unsterblichen, vernunftbegabten Seele, die dem Allerhöchsten vorzustellen ist, welche so und als Nämliche an dem Triumph-Ort vorgestellt wird, wie sie in diesem Tal der Dunkelheiten durch Verdienste und schlechte Taten gestaltet wird, und es deshalb aus dem Diktat rechter Vernunft der menschlichen Natur von Gott her eingegeben ist, dass sie den äußersten und plötzlichen Weg durchlaufen muss, so dass nichts richtiger und an jenem Tage nichts unrichtiger geschehen sollte als die Vorsorge für die Güter, die über den letzten Atemzug des Lebens hinausdauern soll. Daher fertigte der hochgelehrter Herr Johannes de Lignano, hoch hervorragender Doktor beider Rechte, Sohn von Conte de Odrendis aus Legnano in der Diözese Mailand, jetzt Bürger Bolognas im Stadtteil der Kapelle des Heiligen Proculus, der durch die Hände des höchsten Schöpfers und der glorreichen Jungfrau unverdient einige zeitliche Güter erhielt, in dem Willen, von dieser Vorsehung Gebrauch zu machen, durch die Gnade unseren Herren Jesus Christus, mit gesundem Geist, Verstand und Körper für all seine Sachen und Güter eine Anordnung durch das hier vorliegende mündliche oder schriftliche Testament und traf die untenstehenden Bestimmungen, und in folgender Weise: Er wollte, dass dies geheim sei und befahl den unten geschriebenen Zeugen und mir, dem Notar, dies zu hinterlegen in der Sakristei des Bologneser Konvents der Franziskanermönche. Zu siegeln mit dem Siegel des Konvents oder seines Guardians. Aufzubewahren und geheim zu halten und nach dem Tod des Testamentsverfassers zu veröffentlichen und zu eröffnen gemäß den hierzu sprechenden Statuten der Kommune Bologna.



III. Paraphrase des Testaments von Johannes de Lignano229

Als erstes hinterließ er für unbekanntes begangenes Unrecht1 10 Lira2. Desgleichen hinterließ er einem jeden der unten geschriebenen Zeugen zehn solidi3. Desgleichen bestimmte der besagte Testamentsverfasser, dass aus den Gütern seines Nachlasses alle seine Gläubiger befriedigt werden, bei denen festgestellt werden kann, was sie zu bekommen haben. Desgleichen bestimmte der besagte Testamentsverfasser, dass in der Kirche des Heiligen Johannes Acugirolus4 in der Stadt Mailand (an der Porta Romana) in jedem Jahr eine Messe am Jahrestag des Testamentsverfassers gehalten wird und dass dort die Armen Almosen zwei Scheffel5 von Brot bekommen sollen – zugunsten der Seelen des Testamentsverfassers und seiner Eltern. Und dies weil der Testamentsverfasser dort eine Kirchenpfründe hatte und aus den Einkünften dieser Kirche einige Jahre sich beim Studium ernährt hat. Und dies soll ausgeführt werden durch die unten Benannten. Der Testamentsverfasser hinterließ ihnen [dafür] den Nießbrauch aus den Gütern, die er in der Grafschaft Mailand hat. Desgleichen bestimmte der Testamentsverfasser, dass in der Kirche St. Martin in der Nähe von Legnano in der Diözese Mailand in jedem Jahr am Jahrestag des Testamentsverfassers eine Messe gehalten wird und dass die Armen Almosen aus einem Scheffel Brot erhalten sollen. Und hierzu sind [ebenfalls] die unten Benannten angehalten, denen der Testamentsverfasser

1  Gemeint ist das „pro male ablatis“-Legat zur Wiedergutmachung begangenen Unrechts. Siehe dazu Romano, JUH, 11 (1984), S . 69; Guzzetti, S. 114; Hollberg, S. 120; Cohn, S. 259. 2  Die Lira (lat. libra; dt. Pfund) war eine italienische Silbermünze, deren Nennwert (in etwa) ihrem Metallwert entsprach (Kurantmünze). Sie war zugleich eine Rechnungsmünze, die typischerweise 240 Denarii (Groschen) entsprach. Die Bologneser Lira hatte den Wert von 4,842 g Feinsilber, wobei 20 Bolognini (auch Baiocchi) einer Bologneser Lira entsprachen. Siehe Klimpert, S. 202; Grierson, S. 225; Klütz, S. 152. 3  Der Solidus (dt. Schilling) war eine italienische Kupfermünze. Die Bezeichnung wurde von der altrömischen Goldmünze Solidus abgeleitet und ging auf verschiedene Kupfermünzen in ganz Europa über. Der Solidus wurde ab dem Mittelalter als Rechenmünze verwendet, bei der 1 Solidus (Schilling) aus 12 Denarii (Groschen) bestand und wiederum 20 Solidi (Schilling) eine Lira (Pfund) ergaben. Siehe Klimpert, S. 316; Grierson, S. 226; Kahnt/Knorr, S.  270 f., 289 f. 4  Lässt sich nicht bestimmen. 5  Das Modium (auch modius) war ein altrömisches Volumenmaß für trockene Güter (1 Modium = 8,754 Liter). In späterer Zeit handelte es sich dabei um das regional sehr unterschiedliche Hohlmaß, das im Deutschen als Scheffel bezeichnet wurde. Siehe Klimpert, S. 229, 303; Kahnt/Knorr, S.  189 f. Gemeint ist hier also so viel Brot, wie man in zwei Scheffel füllen kann.

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C. Anhang

[dafür] den Nießbrauch aus den Gütern hinterließ, die er in der Grafschaft Mailand und in dem Städtchen Legnano hat. Und dass an deren Stelle [nötigenfalls] die unten geschriebenen Erben verpflichtet und angehalten sind, und [zugleich] als seine Testamentsvollstrecker und Kommissäre bestimmt sind, sowohl während der Laufzeit des Nießbrauchs wie auch nach Ende des Nießbrauchs. Und wenn die oben genannten Dinge nicht ausgeführt werden, nachdem ihnen [den ersten benannten Kommissären und Testamentsvollstreckern] dieses Testament bekannt gemacht sein wird, verlieren sie den unten geschriebenen Nießbrauch und sollen ihn wieder vereinigen mit dem Eigentum.6 Und hierzu sollen die unten benannten Erben angehalten sein, und dies nur für ein Jahr, in dem sie [die unten Benannten] unterlassen haben [das Almosen zu geben]. Weiterhin hinterließ er als Vermächtnis7 Catarina, der Nichte8 des Testamentsverfassers und Tochter von weiland Niote de Lignano, die er in seinem Haus aufgezogen hat, 200 Lira Bologneser Währung. Das Vermächtnis soll Catarina nach dem Willen des Testamentsverfassers erhalten, wenn ihre Verheiratung bevorstehen wird. Desgleichen vermachte9 er Princivallus, dem Bruder des Testamentsverfassers und [ebenfalls] Sohn von weiland Conte de Odrendis, und den Brüdern Johannolus und Contolus, Söhnen von weiland Blancus, anderen Bruders des Testamentsverfassers und Sohnes des besagten Conte, und allen ihren männlichen Nachkommen den Nießbrauch an allen Immobiliargütern des Testamentsverfassers und was er jetzt hat in der Grafschaft Mailand, in dem Städtchen Legnano und im Ort Cerro – unbeschadet der nachfolgend geschriebenen Bestimmungen. Weiterhin vermachte10 der Testamentsverfasser medizinische Bücher und Kommentare von Galienus11, drei Bücher von Avicenna12, und die Bücher von Galienus in neuen [noch ungebundenen] Faszikeln den Neffen von weiland Johannes de Galorato, vormals Bischof von Bologna. ist die consolidatio, siehe Inst.2.4.3; D.7.2.3.2; D.7.2.6 pr.; D.23.3.78.2. relinquere jure legati. 8  Sichtlich heißt „neptis“ hier „Nichte“, und nicht „Enkelin“, denn anderenfalls hätte sie ein Pflichtteilsrecht, müsste also wie unten die Tochter Antonia ein großes Pflichtteils-Abfindungsvermächtnis erhalten. 9  = relinquere jure legati. 10  = relinquere jure legati. 11  Aelius Galenus (ca. 130 bis ca. 200 n. Chr.) – griechischer antiker Arzt und Anatom, siehe Boylan, IEP, http://www.iep.utm.edu/galen/ (25.04.2011). 12  Abu Ali al-Husain ibn Abdullah ibn Sina = Avicenna ibn Sina (c. 980 bis 1037) – persischer Arzt und Philosoph, siehe Rizvi, IEP, http://www.iep.utm.edu/ avicenna/ (25.04.2011). 6  Gemeint 7  =



III. Paraphrase des Testaments von Johannes de Lignano231

Weiterhin hinterließ er seiner Gattin, Frau Novella, Tochter von weiland dem gelehrten Herrn Fredericus, [Abkömmling] des in guter Erinnerung gehaltenen weiland hochberühmten Doktors des kanonischen Rechts Johannes Andreae, ihre Mitgiften und das, was er für sie und ihre Mitgift und die Ehe erhalten hatte – und das waren und sind 900 Lira. Und er sagte, dies stehe fest durch öffentliche Urkunde. Desgleichen vermachte13 der Testamentsverfasser der nämlichen Frau Novella, seiner Ehegattin, alle seine zum Gebrauch dieser Frau Novella bestimmten Webstücke, sowohl die leinenen wie auch die wollenen und seidenen oder in gleichgültig welch anderer Machart, und die Schmuckstücke, die sie während bestehender Ehe erhielt und [noch] hat. Weiterhin ließ er diese Frau Novella zurück als Nießbraucherin an den Gütern des Nachlasses dieses Testamentsverfassers, solange sie als Witwe leben und [demgemäß] die Ehre bewahren wird, nach dem Tode des Testamentsverfassers, und mit den unten benannten Erben des Testamentsverfassers leben wird und ihre Mitgiften nicht herausverlangen wird. Desgleichen hinterließ er anstelle einer Erbeinsetzung an Antonia, eheliche und leibliche Tochter des Testamentsverfassers, und an jegliche zukünftig geborene eheliche und leibliche Tochter des Testamentsverfassers aus rechtmäßiger Ehe, 1000 Golddukaten14 für eine jede. Er bestimmte, dass ihnen und jeder von ihnen dies gegeben und gezahlt werden soll, wenn ihre Verheiratung anstehen wird, und dass bis dahin Unterhalt gewährt wird aus den Gütern des Nachlasses des Testamentsverfassers, bei den unten benannten Erben. Für den Fall, dass Antonia oder irgendeine andere eheliche und leibliche zukünftig geborene Tochter, wie oben, zu irgendeiner Zeit ohne Kinder versterben sollte, setzte er ersatzweise seine unten genannten Erben ein.15 Desgleichen wollte und befahl der besagte Testamentsverfasser, dass, falls irgendwann seine vorgenannte Tochter Antonia oder eine jegliche andere relinquere jure legati. aus Gold wurden seit 1252 ursprünglich in Genua aus 3,53 g Feingold geprägt. Diese Münzart wurde in vielen Städten Italiens nachgeahmt. Zugleich wurde die Bezeichnung ducatus auri für die seit 1284 in Venedig aus Gold geprägte Münze verwendet, deren Vorläufer der ducatus argenti aus Venedig mit ca. 2,2 g Silber war. Der Name Ducatus ist schließlich seit dem 14. Jahrhundert allgemein für Goldmünzen verwendet worden. Daneben wurde dieses Wort allgemein auch für Silbermünzen verwendet, so etwa für den in Venedig bis 1797 geprägten Ducato veneto. Entstanden ist diese Bezeichnung in Ableitung der im Jahr 1140 für das Herzogtum Sizilien (ducatus Apuliae) eingeführten Silbermünze. Siehe Kluge, Bd. 1, S. 125; Klimpert, S.  82 f.; Grierson, S.  219 f.; Klütz, S.  68 f. 15  = ei et eis substituit heredes suos infrascriptos. 13  =

14  Dukatmünzen

232

C. Anhang

von diesem Testamentsverfasser zukünftig geborene, wie oben gesagt, in den Witwenstatus fallen wird, dass dann diese Antonia und jegliche zukünftig Geborene ausreichend Wohnung und Unterhalt im Haus des Testamentsverfassers und aus den Gütern des Nachlasses erhalten soll. Ebenso verbot der besagte Testamentsverfasser die Veräußerung jedweder Immobiliargüter seines Nachlasses, wegen seines Willens, dass seine Güter beständig in der Familie des besagten Testamentsverfassers verbleiben und wegen der unten anzuweisenden Nutzung. Weiterhin verbot der Testamentsverfasser die Veräußerung jedweder Bücher seines Nachlasses, [ebenfalls] wegen seines Willens, dass die genannten Bücher beständig in der Familie des Testamentsverfassers verbleiben und wegen der unten anzuweisenden Nutzung. In alle anderen seine Güter, die beweglichen und die unbeweglichen, [auch] gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche, setzte er als Universalerben seinen ehelichen und leiblichen Sohn Batista ein, und mit ihm zu gleichen Erbteilen einen jeglichen anderen ehelichen und leiblichen zukünftig geborenen Sohn des Testamentsverfassers aus rechtmäßiger Ehe. Und wenn es geschehen sollte, dass irgendeines seiner besagten geborenen oder zukünftig geborenen männlichen Kinder ohne eheliche und leibliche Kinder verstirbt: sofern ein zweiter oder [noch] anderer geboren wird, setzt er jeglichem solchermaßen Versterbenden, wie oben, als Ersatzerben16 den oder die Überlebenden und deren oder dessen Kinder ein – nach Stämmen17. Und falls keine [weiteren] Söhne geboren werden und der besagte Baptista irgendwann verstirbt ohne eheliche und leibliche, männliche Kinder, oder falls ein zweiter oder andere geboren werden und alle irgendwann versterben ohne eheliche und leibliche, männliche Kinder, dann wollte und befahl der besagte Testamentsverfasser, dass aus den Gütern seines Nachlasses wie folgt für arme Studenten Vorsorge getroffen werde: Es soll dasjenige Haus von den Häusern des Testamentsverfassers, das den unten benannten Testamentsvollstreckern und Kommissären [dafür] am besten [geeignet] erscheint, bestimmt werden und zugewiesen werden zur Bewohnung durch zwölf Studenten. Und diesen Studenten sollen die Früchte aus den Gütern des Nachlasses des besagten Testamentsverfassers zugewiesen werden. Und wenn die besagten Früchte für mehr Studenten ausreichen, dann sollen mehr aufgenommen werden. Und es sollen diejenigen zuerst aufgenommen werden, die aus der Agnatenschaft des besagten Testamentsverfassers stammen – also aus [der Familie] derer de Odrendis, die in dem substituit superstiti vel superstitis et eorum vel eius filios. Gegensatz zur Erbeinsetzung „nach Köpfen“. Es wird damit auf die Deszendentenstellung abgestellt. 16  =

17  Im



III. Paraphrase des Testaments von Johannes de Lignano233

Städtchen Legnano in der Grafschaft Mailand wohnen, sofern welche gefunden werden, die kanonisches Recht oder römisches Recht oder Medizin studieren wollen. Zwei Drittel [sollen] kanonisches Recht oder römisches Recht [studieren], die übrigen die Artes oder Medizin. Und es sollen alle Bücher des Testamentsverfassers verwendet werden für eine Bibliothek, mit Ketten, wie es in Bibliotheken von Mönchen geschieht. Sie [die Bücher] sollen nicht weggenommen werden. So also kann jeder von den aufgenommenen Studenten dort [in der Bibliothek] nach seinem Belieben studieren, solange er die Bücher nicht von dort wegnimmt. Wenn aber aus der Agnatenschaft des besagten Testamentsverfassers keine Studenten gefunden werden können, die in Bologna studieren wollen, dann sollen welche aus dem Städtchen Legnano aufgenommen werden. Wenn man auch dort keine findet, dann aus der Stadt oder der Diözese Mailand, sofern sie fähig sind und arm, nämlich nichts von anderswoher haben, wovon sie beim Studium ihren Unterhalt beziehen können. Und wenn keine in der Stadt und der Diözese Mailand gefunden werden, dann sollen arme Bürger aus Bologna aufgenommen werden, und danach Fähige und Arme woher auch immer. Ferner wollte und befahl der Testamentsverfasser, dass sein leiblicher [aber unehelicher] Sohn, Herr Marcus, im Falle des Todes aller oben als Erben benannten Söhne von den Immobiliargütern im Nachlass des Testamentsverfassers so viele bis zum Schätzwert18 von 1000 Lira erhalten soll. Und solange die Söhne des Testamentsverfassers leben, oder einer von ihnen, geboren oder zukünftig geboren, soll besagter Marcus aus den Nachlassgütern des Testamentsverfassers in jedem Jahr 50 Lira für seine notwendigen Ausgaben erhalten. Als Vormund seines oben genannten Sohnes Baptista, [falls er] noch Kleinkind oder minderjährig ist, und jeglicher anderer männlicher Kinder, die zukünftig geboren werden vom Testamentsverfasser und dessen genannter Ehefrau Novella, wählte er und hinterließ er die oben erwähnte Frau Novella, Ehefrau des Testamentsverfassers. Als seine Kommissäre und Testamentsvollstrecker dieses Testaments und letzten Willens, jedoch, wählte und hinterließ er den jeweiligen Prior der Karthäuserbrüder von Casare bei Bologna und den jeweiligen Prior [der Brüder] von Sancta Maria der Engel von Morano, die vor dem Stadttor Sancti Mamae der Stadt Bologna wohnen. Und falls einer der beiden genannten Prioren ablehnen wird, Kommissär und Vollstrecker dieses Testaments zu sein, wählte er an Stelle des Ablehnenden den jeweiligen Prior der Mönche oder Brüder der Heiligen Maria von Monteoliveto, die im Kloster 18  Eine

damals übliche Formulierung: „usque ad extimationem et valorem“.

234

C. Anhang

Sancti Michaelis de Buscho bei Bologna wohnen. Und falls beide genannten jeweiligen Prioren, sowohl der Karthäuser wie auch der Brüder der Engel, ablehnen werden, Kommissäre und Testamentsvollstrecker zu sein, dann wollte und wählte er zusammen mit dem erwähnten Prior der Mönche oder Brüder von Monteoliveto den jeweiligen Prior der Brüder des Eremitenkonvents in Bologna. Und falls einer der beiden erwähnten Prioren, von Monteoliveto oder von den Eremiten, ablehnen wird, Kommissäre und Testamentsvollstrecker zu sein, dann wählte und hinterließ er anstelle desjenigen, der ablehnen wird, gemeinsam mit demjenigen, der nicht ablehnen wird, den jeweiligen Prior des Dominikanerkonvents der Stadt Bologna. Diesen Prioren als Kommissären und Testamentsvollstreckern, die das Kommissariat und die Testamentsvollstreckung annehmen werden, gab und gewährte der genannte Testamentsverfasser volle und freie Macht, Autorität und Verwaltung, alle enthaltenen und beschriebenen Dinge im hier vorliegenden Testament und letzten Willen auszuführen und zur Ausführung anzuweisen. Und den genannten Kommissären, die die genannte Kommission und Testamentsvollstreckung annehmen werden, wie gesagt wurde, und in dem oben besagten Fall, gewährte der Testamentsverfasser aus den zu gewinnenden Früchten und Einkünften des genannten Nachlasses jährlich zehn librae Bologneser Währung, für die Bedürfnisse der besagten Kommissäre. Weiterhin befahl und wollte der genannte Testamentsverfasser, dass der Mantel, die Kapuze und das Berett, das der selige Papst Urban V. dem Testamentsverfasser geschenkt hat, als er ihn in Monte Fraschone besuchte, niemals verkauft werden sollen. Nämlich sie sollen unter treuer Verwahrung bleiben und sollen als Erinnerungsstücke bewahrt werden und gezeigt werden, wenn sie zwecks Verehrung gebraucht werden. Und nichts davon soll weggegeben werden, sondern nach erfolgter Verehrung sollen sie zurückgebracht werden und aufbewahrt werden, und dies in dem Gebäude, das als Wohnung für die Studenten bestimmt werden soll – nach Gutdünken der genannten Kommissäre und Testamentsvollstrecker. Weiterhin befahl und wollte der besagte Testamentsverfasser, dass, falls das Kind oder männliche Kinder, geborene oder zukünftig geborene, oder ihre Nachkommen, seien es männliche oder weibliche, in irgendeinem sich ereignenden Fall – was Gott verhüten möge – nicht in der Stadt Bologna bleiben und wohnen könnten, oder nicht die Güter des Nachlasses des besagten Testamentsverfassers besitzen können, die der Testamentsverfasser in der Stadt, der Grafschaft oder Region von Bologna hat oder in Zukunft haben wird, dass dann und in diesem Fall sie diejenigen Güter haben sollen und haben müssen, die sich in der Grafschaft Mailand und in dem Städtchen Legnano und dem Ort Cerri befinden, und dann ist das Nießbrauchsvermächtnis an diesen Gütern suspendiert, solange das besagte Hindernis andauert.



III. Paraphrase des Testaments von Johannes de Lignano235

Und falls irgendwelche Töchter des Testamentsverfassers, geboren oder zukünftig geboren, die sich im Witwenstand befinden, in irgendeinem Fall – was Gott verhüten möge – ihre Mitgiften nicht haben oder besitzen könnten, und auch nicht Unterhalt in Bologna haben könnten aus den Gütern des besagten Testamentsverfassers und seiner Erben, dann in diesem Fall wollte und bestimmte der besagte Testamentsverfasser, dass sie dann Unterhalt haben und erhalten können und müssen aus den Gütern des besagten Testamentsverfassers und seiner Erben, die sich in der Grafschaft Mailand und in dem Städtchen Legnano und dem Ort Cerro befinden – während dieses Vorkommnisses und Hindernisses, und der besagte [oben] vermachte Nießbrauch steht dem nicht entgegen. Und dies durch seinen letzten Willen.

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Sach- und Personenverzeichnis Abbas antiquus  125, 130 adjutor  50 advocatus pauperum  96 Aelius Galenus  230 Agamemnon Marescottius  92 f. Aktenversendung  57 Alexander Tartagnus  59, 72 f., 82, 84, 106 Andreas Alciatus  57, 59, 77 Andreas Barbatia  71 f. Andreas Corsetus  35, 90 f. Angelus de Castro  85 f. Antonius Franciscus  91 Antonius Sandeus  64 Antonius Trivultius  16, 34 f., 51 Appellation  32, 43, 99 f. audientia curiae camerae  39 f. audientia litterarum contradictarum  39 f., 46 audientia sacri palatii  39, 42 Auditor  41 f., 44 auditor ponens  45 f., 100 Avicenna ibn Sina  230 Baldus de Ubaldis  20, 57 Bartholomaeus Bellencinus  65 Bartholomaeus de Lambertinis  88 f. Bartholomaeus Socinus  66, 73 f., 82, 83, 96, 217 Bartolus de Saxoferrato  62, 82 Bentivolus  30 f. Bologneser Lira  21, 229 Bulgarinus de Bulgarinis  76, 82 f., 84, 97 calculus Florentinus  22 calculus Pisanus  22

Capitano del popolo  29, 31 f., 74, 83 cappellani papae  41 f., 47 Carolus Ruinus  72, 76 f., 81 causae maiores  39 f. causae spiritualibus annexae  33 cedula supplicationis  95 commissio  37, 41 f. consilia sapientis  46 consilium pro iudice  59 consilium pro parte  59 consistorium  39 f. decisiones rotae  44 dubium  45 f., 100 Ducatus  25, 231 Felinus Sandeus  15, 19, 49, 64 f., 75 f., 82, 83 Fideikommiss-Vermächtnis  136 f. Florenus  21 Francisca Ariosta  64 Franciscus Aretinus  65, 74 Franciscus Ariostus  64, 66 Franciscus Zabarella  134 Galeatius Marescottius  92 f. Giudice dei Savi  64 Glossatoren  61 gravamen  99 f. Hieronymus de Zanetinis  87 f. Hieronymus Zanchius Bergomensis  72 Informativprozess  49 invocatio  63  ius respondendi  54



Sach- und Personenverzeichnis255

Jacobus de Oldrendis  18 Jacobus Menochius  72 Jason de Mayno  57 Johannes Andreae  19, 222 Johannes Baptista de Lambertinis  88 f. Johannes Bartolomaeus Dossis  37, 94 f. Johannes Crottus  77, 81 f. Johannes de Lignano  16 f., 18 f., 24 f., 222 Johannes Maria de Riminaldis  84 f. Johannes Staphileus  37 f. Johannfranciscus Sandeus  65 Kirchenstaat  30, 32, 39, 44, 52 Klosterfrauen  27 Kodizill  24 Konsistorialadvokat  39 f., 75, 86, 94 f., 95 f. Lanfrancus de Oriano  59 Lira  21, 229 locumtenens  68, 70 Ludovicus Sandeus  65 Marcus Mantua  77, 78 marescallus iustitiae  39 f. Marianus Socinus  73 Melchior de Baldasinis  95 f. Modium  229 Motuproprium  15, 49 Nicolaus de Castro  86 Nicolaus de Tudeschis  125, 130 Ordines  62 Paulus de Castro  86 Paulus de Liazariis  19 Petrus Philippus Corneus  78 f., 103 Philippus Decius  66 f., 72, 87

Podestà  22, 29 f., 32, 54 f., 64, 89, 92 privilegium de non appellando  32 pro male ablatis-Legat  223, 229 Prozesskostenrisiko  58 quaestiones motae  45 Raphael Cumanus  124, 126, 128 Raphael Fulgosius  124, 126, 128 Regestra  51 f. remissoria  96 Residenzpflicht, bischöfliche  68 responsa  54 Ricardus Malumbra  120 Rota Bononiensis  16, 29 Rotamanualia (Protokollbücher)  36, 50 f., 70, 91 Rotanotar  42, 50 f. sacra paenitentiaria apostolica  39 scholastische Methode  61 senatores  31, 32, 93 Signatura Apostolica  39, 89 signatura gratiae  39, 89 signatura iustitiae  39, 89 Signoria  30 f., 32, 55 Solidus  229 Spruchfakultäten  57 Stadtverfassung Bologna  29 f., 32 stilus curiae  42 f. subscriptio  63, 111, 135 Syndikatsprozess  22, 55 f. Tancredus de Bononia  62 f. testamentum ruptum  25 Trivulzio  16, 34 f., 36 f. vexillifer iustitiae  31 f., 83, 93 Wille des Erblassers, Vorrang  27