Ein Hauch von Freiheit?: Afroamerikanische Soldaten, die US-Bürgerrechtsbewegung und Deutschland 9783839434925

The history of African-American soldiers stationed in Germany has hitherto received little attention. In this book, Mari

197 3 26MB

German Pages 322 Year 2016

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Dank
Einleitung
Kapitel1. Der Erste Weltkrieg und der Aufstieg Hitlers
Kapitel 2. Kampf an zwei Fronten – Afroamerikanische GIs und der Zweite Weltkrieg
Wieder eine Jim Crow-Armee
Die Rückkehr der Soldaten
Kapitel 3. »Das werden wir uns nie mehr bieten lassen« – Afroamerikanische GIs und die Besetzung Deutschlands
Amerikas Besatzungsarmee
Die Erfahrungen afroamerikanischer GIs im Nachkriegsdeutschland
Die Neuigkeit verbreiten
Jim Crow in Deutschland
Afroamerikanische GIs und die weiße Presse
Kapitel 4. Amerikas Mission in Deutschland und die Fortschritte in der Bürgerrechtsfrage
Eine neue Einigkeit in Bürgerrechtsfragen
Die Internationalisierung des Konfliktes um die Bürgerrechte
Der Kampf um die Bürgerrechte im Spannungsfeld des Kalten Krieges
Rassenintegration in der Armee
Die de facto Integration wird erreicht
Ein noch nicht beendetes Geschäft
Kapitel 5. Bürgerrechte für Ost und West: Martin Luther King in Berlin, 1964
Ursprung und Grund für Kings Besuch
Zwischen Festwochen und Kirchentag
Mit der Scheckkarte durch den eisernen Vorhang
Bürgerrechts- und Freiheitskampf in Ost und West
Kapitel 6. Revolutionäre Allianzen – Der Aufstieg der Black Power
Von Civil Rights zu Black Power
Studentenbewegung und afroamerikanischer Freiheitskampf
Solidarität mit der Black Panther-Partei, der Krieg in Vietnam und die Veränderung des Amerikabildes
Angela Davis in der Bundesrepublik
Kapitel 7. Helden des anderen Amerika – Die Solidarität mit dem afroamerikanischen Freiheitskampf in der DDR
Ideologie und Praxis ostdeutscher Solidarität
Staatsempfänge: Paul Robeson und Ralph Abernathy
»Angela-Mania«
Kapitel 8. Der Ruf nach Gerechtigkeit: Eine Armee kurz vor dem Aufstand
Die Eskalation der Rassenfrage in der US-Armee 1970/71
Eine äußerst ungewöhnliche Allianz
Die Antwort der Vereinigten Staaten
Deutsche Reaktionen
Kalter Krieg und Bürgerrechte
Epilog
Umschlagabbildungen
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Ein Hauch von Freiheit?: Afroamerikanische Soldaten, die US-Bürgerrechtsbewegung und Deutschland
 9783839434925

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Maria Höhn und Martin Klimke Ein Hauch von Freiheit?

Histoire | Band 89

Maria Höhn ist Professorin für Geschichtswissenschaft am Vassar College, Poughkeepsie (USA) und Inhaberin des Marion Musser Lloyd ’32 Lehrstuhls für Geschichte und Internationale Beziehungen. Martin Klimke ist Professor für Geschichtswissenschaft und Associate Dean of Humanities an der New York University Abu Dhabi.

Maria Höhn und Martin Klimke

Ein Hauch von Freiheit? Afroamerikanische Soldaten, die US-Bürgerrechtsbewegung und Deutschland

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2016 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildungen: vgl. Nachweis im Band S. 319 Satz: Mark-Sebastian Schneider, Bielefeld Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-3492-1 PDF-ISBN 978-3-8394-3492-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Vorwort  | 7 Dank  | 13 Einleitung  | 17 Kapitel 1 Der Erste Weltkrieg und der Aufstieg Hitlers  | 33 Kapitel 2 Kampf an zwei Fronten – Afroamerikanische GIs und der Zweite Weltkrieg  | 55 Wieder eine Jim Crow-Armee  | 56 Die Rückkehr der Soldaten | 75

Kapitel 3 »Das werden wir uns nie mehr bieten lassen« – Afroamerikanische GIs und die Besetzung Deutschlands  | 87 Amerikas Besatzungsarmee  | 88 Die Erfahrungen afroamerikanischer GIs im Nachkriegsdeutschland | 92 Die Neuigkeit verbreiten  | 99 Jim Crow in Deutschland  | 107 Afroamerikanische GIs und die weiße Presse  | 115

Kapitel 4 Amerikas Mission in Deutschland und die Fortschritte in der Bürgerrechtsfrage  | 131 Eine neue Einigkeit in Bürgerrechtsfragen | 132 Die Internationalisierung des Konfliktes um die Bürgerrechte | 138 Der Kampf um die Bürgerrechte im Spannungsfeld des Kalten Krieges | 142

Rassenintegration in der Armee | 146 Die de facto Integration wird erreicht | 150 Ein noch nicht beendetes Geschäft | 158

Kapitel 5 Bürgerrechte für Ost und West: Martin Luther King in Berlin, 1964  | 173 Ursprung und Grund für Kings Besuch | 176 Zwischen Festwochen und Kirchentag | 177 Mit der Scheckkarte durch den eisernen Vorhang | 184 Bürgerrechts- und Freiheitskampf in Ost und West | 188

Kapitel 6 Revolutionäre Allianzen – Der Aufstieg der Black Power  | 201 Von Civil Rights zu Black Power | 203 Studentenbewegung und afroamerikanischer Freiheitskampf | 205 Solidarität mit der Black Panther-Partei, der Krieg in Vietnam und die Veränderung des Amerikabildes | 211 Angela Davis in der Bundesrepublik | 215

­­K apitel 7 Helden des anderen Amerika – Die Solidarität mit dem afroamerikanischen Freiheitskampf in der DDR  | 229 Ideologie und Praxis ostdeutscher Solidarität | 230 Staatsempfänge: Paul Robeson und Ralph Abernathy | 236 »Angela-Mania« | 242

Kapitel 8 Der Ruf nach Gerechtigkeit: Eine Armee kurz vor dem Aufstand  | 261 Die Eskalation der Rassenfrage in der US-Armee 1970/71  | 262 Eine äußerst ungewöhnliche Allianz  | 265 Die Antwort der Vereinigten Staaten  | 276 Deutsche Reaktionen | 289 Kalter Krieg und Bürgerrechte | 292

Epilog  | 305 Umschlagabbildungen  | 319

Vorwort

Auf unterschiedlichen, verschlungenen, wenn auch sich schon früh überkreuzenden Wegen sind wir als Autoren unabhängig voneinander auf jenes Thema gestoßen, das uns mittlerweile seit vielen Jahren gemeinsam beschäftigt, und von dem auch das vorliegende Buch erzählt. Ein Hauch von Freiheit handelt von den komplexen Beziehungen zwischen afroamerikanischen GIs und den Menschen im Nachkriegsdeutschland Ost und West während des Kalten Kriegs. Die Geschichte dieser Beziehungen ist sowohl in Deutschland wie auch in den Vereinigten Staaten so gut wie unbekannt, obwohl sie jahrzehntelang einen wichtigen Teil der Verbindung zwischen den drei Staaten (USA, Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik) darstellte. Eine Schwierigkeit für Wissenschaftler, transnational die Geschichte der unterschiedlichen Begegnungen zwischen weißen Deutschen und Afroamerikanern zu beschreiben, ist das Schweigen, das im deutschen akademischen Diskurs in Bezug auf viele der Subthemen, die hier behandelt werden, vorherrscht. Wie zum Beispiel sollen amerikanische Gesetze wie die racial segregation (Rassentrennung) oder Tabus wie miscegenation (Rassenmischung), die nach 1945 durch das US-Militär nach Deutschland gebracht wurden, korrekt, angemessen und dem heutigen Bewusstseins- und Wissensstand gemäß übersetzt werden? Begriffe wie »Rassentrennung« oder »Rassenmischung« sind heute in Deutschland verpönt, weil sie der Sprache der Nazis entlehnt sind bzw. ihr Gebrauch durch ihren Missbrauch zwischen 1933 und 1945 erschwert wird. Und doch war die Trennung von weißen und schwarzen US-Soldaten in segregierte bzw. »rassengetrennte« Armee-Einheiten eine alltägliche Erfahrung sowohl für die afroamerikanischen GIs wie für die Menschen in der amerikanischen Besatzungszone Westdeutschlands. Die »Sprachlosigkeit« in Bezug auf das Thema »Rasse« ist zu einem großen Teil damit zu erklären, dass nach dem Holocaust die Differenzierungskategorie »Rasse« zum Tabu wurde, und dies sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Wissenschaft. Die Bundesrepublik stellte unter dem Einfluss progressiver Sozialwissenschaftler aus den USA (größtenteils Remigranten, die von den Nazis aus Europa vertrieben worden waren) die unter dem Hakenkreuz

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Ein Hauch von Freiheit

zur Staatsdoktrin erhobene, aber auch darüber hinaus in Westeuropa und den USA weitverbreitete Ideologie angeblicher biologischer Unterschiede zwischen den »Rassen« in ihrem Grundgesetz unter Strafandrohung und machte es sich zur ethischen Norm, dass »Rasse« keine Identifizierungskategorie mehr sei, und dass es keine Unterschiede zwischen Menschen gebe, abgesehen von ethnischen Differenzen. Die Ablehnung der biologisch fundierten Kategorisierungen bedeutete natürlich nicht, dass das Ausgrenzen des »Anderen« keine Geltung mehr gehabt hätte, als Deutsche nach der Erfahrung des Nationalsozialismus etablierte Denkmuster und Gewohnheiten überdachten und neu konzipierten. Obwohl »Rasse« nach 1945 also keine gültige Identifizierungskategorie mehr war, wurde (und wird) »Deutschsein« weiterhin im Allgemeinen als »Weißsein« verstanden. Es ist den Anstrengungen einer Gruppe von Schwarzen Deutschen im Laufe der 1980er Jahre sowie einer jungen Wissenschaftlergeneration zu verdanken, dass diese Sprachlosigkeit in Bezug auf die rassistische Ausgrenzung des »Anderen«, die bis vor kurzem noch umfassend war, langsam überwunden wird. Diese WissenschaftlerInnen lehnen die gängige Praxis ab, amerikanische Begriffe wie race oder racial difference zu benutzen, wenn Themen wie »Weißsein« oder »Schwarzsein« in Deutschland besprochen werden. In ihren Beiträgen zum Thema »Kritische Weißseinsforschung« haben sie neue Kategorien entwickelt, die es nun auch in deutscher Sprache möglich machen, diesen Themenbereich zu diskutieren, ohne Gefahr zu laufen, mit den rassistischen Ideologemen des Nationalsozialismus assoziiert zu werden. Wir werden uns daher im Folgenden der von diesen Wissenschaftlern erarbeiteten Kategorien bedienen. Die deutsche wie die amerikanische Gesellschaft ist bemüht, beleidigende Worte wie »Neger« oder »Mischlinge« aus dem Sprachgebrauch zu entfernen, und wir haben dies auch in diesem Buch getan. Wir haben uns zugleich aber auch bemüht, den »Tenor« der historischen Quellen zu erhalten und kritisch darzustellen. Wir haben das Wort »Negro« als »Neger« übersetzt, wenn der Begriff so in historischen Dokumenten benutzt wurde. Dies gilt auch für Deutschland, wo in historischen Quellen Afroamerikaner als »Neger«, »Negersoldaten« und »farbige Soldaten« beschrieben werden. Wir benutzen ansonsten den Begriff Afroamerikaner anstatt »Blacks« (Schwarze), es sei denn der Begriff »Blacks« wurde so in Quellen benutzt. In unserer Diskussion über die Schwarze Community in Deutschland haben wir uns von der von AktivistInnen geforderten Schreibweise »Schwarze Deutsche« oder »Schwarze Frauen« leiten lassen. Obwohl dieses Buch die Früchte der Forschung vieler Jahre darstellt, kann es doch nur einen kleinen Ausschnitt dieser transatlantischen Geschichte präsentieren. Auf der von uns betreuten Webseite (in englischer Sprache) finden

Vor wor t

sich noch eine Vielzahl weiterer Dokumente, Videos und Bildmaterialien, die laufend ergänzt werden. Maria Höhn und Martin Klimke, Sommer 2015

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In Dankbarkeit Leon Bass 1925 - 2015

Dank

Ohne die unermüdliche Unterstützung von drei kooperierenden Institutionen, die als transatlantisches Bindeglied unserer Arbeit fungierten, wären wir nicht in der Lage gewesen, dieses Projekt zu realisieren. Dies gilt insbesondere für das digitale Archiv des Projektes (www.aacvr-germany.org), welches kostenfreien Zugang zu einer Vielzahl von Primär- und Sekundärquellen (Dokumente, Zeitzeugeninterviews, Fotos, Videos, etc.) zum Thema bietet, als auch eine Ausstellung mit ca. 50 Exponaten, die bereits auf beiden Seiten des Atlantiks in 23 Städten gezeigt wurde. Unser Dank und unsere Wertschätzung geht daher an das Deutsche Historische Institut (DHI) in Washington, DC und seinen ehemaligen Direktor Hartmut Berghoff für sein Vertrauen in unser Projekt und seine vielfältige Unterstützung, unter anderem die Schaffung eines Forschungsschwerpunkts am Institut im Hinblick auf die Beziehungen zwischen Afroamerikanern und Deutschland. Ebenso sind wir den ehemaligen stellvertretenden Direktoren Uwe Spiekermann, Philipp Gassert, Verwaltungsdirektorin Sabine Fix, sowie unseren Kolleginnen Anke Ortlepp und Uta Balbier zu Dank verpflichtet. Am Vassar College konnten wir ebenso Präsidentin Catharine »Cappy« Hill und Jon Chenette, Dekan der Fakultät, von unserem Projekt begeistern. Ihre großzügige Unterstützung hat uns erlaubt, unsere Arbeit in entscheidenden Momenten fortzusetzen. Sowohl Präsident Hill und Dekan Chenette erkannten, dass ein Forschungsprojekt wie dieses nicht nur spannende neue Perspektiven für WissenschaftlerInnen schaffen konnte, sondern auch beispiellose Möglichkeiten generierte, Studenten in wissenschaftliche Forschung einzubeziehen. Wir danken ihnen für ihre mutige Unterstützung, die es ermöglichte, dass das Vassar College ein Teil dieses ehrgeizigen, grenzüberschreitenden Projekts werden konnte. An der Universität Heidelberg engagierten sich Detlef Junker, Gründungsdirektor des Heidelberg Center for American Studies (HCA), Wilfried Mausbach, Geschäftsführer des HCA, gleichermaßen für unser Projekt und schufen auf der anderen Seite des Atlantiks ein organisatorisches und intel-

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Ein Hauch von Freiheit

lektuelles Forum, um unsere Forschung deutschen WissenschaftlerInnen und deutschem Publikum zugänglich zu machen. Wir danken ebenfalls Ron E. Armstead, dem Geschäftsführer des Congressional Black Caucus Veterans Braintrust, für sein unermüdliches Engagement bei der Förderung der vernachlässigten Geschichte der afroamerikanischen Veteranen und unserem Projekt. Seine bewundernswerte Begeisterung, Ausdauer und Entschlossenheit haben viel dafür getan, um diese Geschichte ins öffentliche Bewusstsein zu bringen und ermöglichte es vielen Veteranen ihre Lebensgeschichten und Erinnerungen mit uns zu teilen. Wir sind ebenfalls dankbar für die Unterstützung anderer Institutionen. Im Juli 2009 überraschte uns Amerikas älteste und traditionsreiche Bürgerrechtsorganisation National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) mit der Verleihung des Julius E. Williams Distinguished Service Award als Anerkennung unserer Arbeit während ihres hundertjährigen JubiläumsKongresses in New York City. Im Laufe unseres Projektes wurde auch der Humanities Council von Washington, DC ein wunderbarer Partner, mit dem wir bei einer Vielzahl von Veranstaltungen und Initiativen zusammenarbeiten konnten. Ein gemeinsames Symposium über das globale Erbe von Dr. Martin Luther King Jr. im Herbst 2008 veranlasste uns, die oben erwähnte Fotoausstellung zu »African American Civil Rights und Deutschland « zu kurieren. Wir sind daher Direktor Joy Ford Austin, der ehemaligen Programmdirektorin Tyra Fenell sowie Donald Murray, Lisa Alfred, Eva Lucero und Albert Shaheen für ihre konsequente Unterstützung und Anregungen dankbar. Die Black German Heritage and Research Association und dessen Direktor Rosemarie Peña sowie die Black German Cultural Society sind bei der Unterstützung unseres Forschungsprojekts ähnlich großzügig gewesen. Mitglieder beider Organisationen haben bereitwillig ihre Erfahrungen mit uns geteilt und damit unsere Forschung mit einer afrodeutschen Perspektive entscheidend bereichert. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit und Vertiefung unserer Beziehung zu beiden Organisationen in den kommenden Jahren. Zusätzlicher Dank geht an Jeff Whatley, Ashtan Moore und Adam Rast an der National Geographic Society für die gekonnte Restauration einiger unserer Fotomaterialien; an The Collegium for African American Research (CAAR) und seine Präsident Sabine Broeck von der Universität Bremen; sowie CAAR Gründer und erste Präsidentin Maria Diedrich von der Universität Münster; Mark Donfried, Direktor des Institute for Cultural Diplomacy und Mitorganisator des Black History Month in Berlin; und dem Direktor des Goethe-Instituts Washington, DC, Ulrich Braess und der Koordinatorin des Kulturprogramms Sylvia Blume, die dabei geholfen haben, unsere Arbeit in einem transatlantischen Kontext zu unterstützen.

Dank

Die Geduld und Energie vieler Archivare, privater Sammler und Fotografen waren ein weiterer Schlüssel für das Gelingen dieses Projekts. Wir möchten unseren besonderen Dank an die Archive, die eine institutionelle Partnerschaft mit uns gebildet haben, und den Archivaren, die uns konstant, schnell und unkompliziert zur Seite standen, zum Ausdruck bringen: Oliver Sander, Martina Caspers und Monika Bringenberg-Laschet (Bundesarchiv Koblenz), Kerstin Risse und Peter Vier (Bundesarchiv Berlin), Michael Geib (docu center ramstein) und Roland Stolte (Marienkirche), dessen Leidenschaft und Hingabe hinsichtlich der Erforschung der Besuche von Dr. Martin Luther King Jr. und Ralph Abernathy in Ostdeutschland von unschätzbarem Wert für unser Projekt waren. Darüber hinaus möchten wir Romana Berg und Ulla Prigge (Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz), Barbara Schäche und Aileen Tomzek (Landesarchiv Berlin), Eva Herms (Berliner Verlag), Siegward Lönnendonker (APO-Archiv, Freie Universität Berlin), Reinhart Schwarz (Hamburger Institut für Sozialforschung) danken, sowie Klaus Rheinfurth und Claudia Schüßler (Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt a.M.), Katrin Merbach und Sarah Leyck (akg-images), Ines Wetterer und Karin Hellmann (dpa-picture alliance), Jörg Lampertius und Karin Buch (ullstein bild), Sabine Kokkelink (Picture Press), Sven Riepe (SZ-Foto), Florian Fottner (Stadtarchiv Zweibrücken), Sabine Timm (SPIEGEL-Verlag), Silka Quintero (The Granger Collection, New York), Lynn Slawson und Patricia L. Adams (NAACP), Diana Lee (The Philadelphia Tribune), John Gartrell (The Baltimore Afro-American), Caroline Waddell (United States Holocaust Memorial Museum) und Lisa Marine (Wisconsin Historical Society) für die Bereitstellung dieser seltenen fotografischen Materialien. Unser besonderer Dank geht an Helma Harrington und Christine Krüger, Witwen von Karikaturisten Ollie Harrington und Fotograf Siegfried Krüger, sowie an die Fotografen Barbara Klemm, Bruce Hartford, Matt Herron, Perry Kretz, und Manfred Tripp. Sie waren begeistert von diesem Projekt, und wir sind sehr dankbar für ihre Großzügigkeit hinsichtlich des Bereitstellens ihrer Fotos und Karikaturen. Zwei Kooperationspartner verdienen besondere Erwähnung. Der preisgekrönte Dokumentarfilmer Hans-Jürgen Hilgert produzierte mehrere Zeitzeugeninterviews für unsere Website und filmte eine Konferenz über die Rolle Deutschlands im afro-amerikanischen Bürgerrechtskampf des 20. Jahrhunderts. Der Direktor des Soldatenarchivs in Berlin, Dieter Brünn, war ebenfalls ein langjähriger Unterstützer unserer Forschung. Beide Individuen zeigten außergewöhnliche Leidenschaft, Energie und Großzügigkeit in der Zusammenarbeit mit uns. Tragischerweise verstarben beide plötzlich und unerwartet während unseres Projektes. Herzlichen Dank auch an alle unsere Interviewpartner für ihr Vertrauen, Zeit und Geduld, mit der sie die oft sehr bewegenden Einblicke in ihre persönlichen Erfahrungen mit uns teilten, vor allem Leon Bass, Angela Davis, Joe

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McPhee, Walter Patrice, Charlotte und Milton Johnson, Alcyone Scott, Thomas P. Stoney, Debra Tanner Abell, Thomas Ward, Garland Kern, Felix Goodwin, Harold Montgomery, Spencer Moore, A. William Perry, Reuben Horner, Fred Hurns, Denette Harrod, Lawrence Johnson, Charles Hanson, Jim Williams, Joe Stephenson, Joseph Hairston, Ogelsby Barrett und Karl Dietrich Wolff. Besonderer Dank gebührt ebenfalls Maggi Morehouse, die sich großzügig dazu bereit erklärt hat, dass wir die Interviews, die sie mit einer Reihe von Kriegsveteranen in den frühen 1990er Jahren durchgeführt hat, in unser digitales Archiv aufnehmen konnten. Wir möchten uns auch für die Hilfe, Rückmeldungen und Kommentare bedanken, die wir von vielen Kolleginnen und Kollegen erhalten haben: Uta Balbier, Manfred Berg, Thea Brophy, Philipp Gassert, Betsy Hauck, Alexander Holmig, Leroy Hopkins, Marina Jones, Natalie King, Sylvia Landau, Sara Lennox, Peggy Piesche, Sophie Lorenz, Wilfried Mausbach, Maggi Morehouse, Anke Ortlepp, Harvard Sitkoff, Judith Weisenfeld und Simon Wendt. Dieses Buch, unser digitales Archiv, sowie die dazugehörige Ausstellung wären nicht möglich gewesen ohne unser erstklassiges Forschungsteam in Washington, Poughkeepsie, Heidelberg und Berlin. Vor allem Laura Stapane, unsere Projektkoordinatorin, verdient größte Anerkennung für ihre gute Laune und exzellenten organisatorischen und administrativen Fähigkeiten, mit denen sie unser Projekt koordinierte, die Copyright-Rechte für die Bilder in diesem Buch organisierte und die Digitalisierung unserer Quellen leitete. Dank gebührt auch Alexander Knaak für sein sorgfältiges Lektorat und seine gelungene Übersetzung sowie dem transcript-Verlagsteam von Katharina Wierichs, Roswitha Gost und Kai Reinhardt für ihren Optimismus und ihr Engagement für unser Buch. Ein besonderes Vergnügen und eine neue Herausforderung für uns Wissenschaftler war auch die produktive Zusammenarbeit mit Broadview TV GmbH, seinem Produzenten Leopold Hoesch sowie dem begabten Regisseur Dag Freyer, welche die Geschichte der Veteranen des Zweiten Weltkriegs und deren Kampf um die Bürgerrechte durch den Dokumentarfilm Ein Hauch von Freiheit (2014) ebenfalls einem breiten Publikum in den USA und Deutschland zugänglich machten. Wir widmen unser Buch den afroamerikanischen Veteranen, die in Deutschland gedient haben, insbesondere aber der Generation des Zweiten Weltkrieges. Sie trugen dazu bei, Deutschland vom Nationalsozialismus zu befreien und sicherten nach dem Krieg die Freiheit und Demokratie, obwohl diese ihnen in ihrem eigenen Land noch verweigert wurden. Ihnen, und insbesondere Leon Bass (1925-2015), unserem Freund und Wegbegleiter, dessen Biographie in diesem Buch eine entscheidende Rolle spielt, gilt unser Dank und Anerkennung.

Einleitung

Zwischen 1945 und dem Truppenabbau der Amerikaner nach Ende des Kalten Krieges lebten zwischen fünfzehn und zwanzig Millionen US-Soldaten, ihre Familien, sowie Zivilangestellte des US-Verteidigungsministeriums in Deutschland. Mehr als zwei Millionen davon waren Afroamerikaner. Bis heute genießt diese Erfahrung im Nachkriegsdeutschland und der Bundesrepublik einen besonders hohen Stellenwert im kollektiven Gedächtnis der afroamerikanischen Veteranen und der afroamerikanischen Community in den USA. Bereits während seiner Dienstzeit im amerikanischen Sektor Berlins in der nach »Rassen« getrennten US-Armee schilderte der renommierte afroamerikanische Journalist und Schriftsteller William Gardner Smith was an der Erfahrung im Nachkriegsdeutschland für afroamerikanische Soldaten so besonders war. In seinem gesellschaftskritischen Romandebüt The Last of the Conquerors (1948) erzählt Gardner Smith die Beziehung zwischen einem afroamerikanischen GI und einer weißen deutschen Frau, und beschreibt die unerwartete Bewusstseinserweiterung Schwarzer GIs, die in ihrem eigenen Land bestenfalls als Bürger zweiter Klasse galten, in Deutschland aber erhebliches Renommee als Befreier und Besatzungssoldaten besaßen. Einer seiner Protagonisten erklärt, wie sehr ihn diese Erfahrung erschütterte: »Jetzt endlich weiß ich, was es bedeutet, wenn man in jeden Laden, und ich meine in jeden Laden gehen kann, ohne Angst zu haben, dass man nicht bedient wird. […] Weißt du was ich auch noch gelernt habe? Dass ein Nigger [sic!] nicht anders ist als alle anderen Menschen auch. Ich musste hierher kommen, um das zu lernen. Ich musste hierher kommen und mir das von den Nazis beibringen lassen. Das wird uns zuhause – im Land der Freiheit – nicht beigebracht.«1 Aufgrund dieser Erfahrungen in Deutschland, erinnerte sich Gardner Smith in einem Interview noch zehn Jahre später, waren afroamerikanische GIs nach dem Ende ihres Militärdienstes nicht mehr bereit, »sich wieder den althergebrachten Verhältnissen in den USA« unterzuordnen.2 Deutschland behielt seinen Ruf als »besonderer« Ort für schwarze Soldaten auch nach dem formellen Ende der amerikanischen Besatzung 1949, als die US-Streitkräfte eine neue Aufgabe als Schutzmacht der jungen Bun-

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desrepublik erhielten. Der ehemalige US-Außenminister Colin Powell machte eben diese Erfahrung, als er als junger Unterleutnant in Gelnhausen (Hessen) stationiert wurde. Im Rückblick beschreibt er dies folgendermaßen: Als ich 1959 erstmals nach Deutschland kam, hatte ich gerade meine Ausbildung in Fort Benning in Columbus, Georgia, beendet. Dort konnte ich die Kaserne nicht verlassen, ohne auf Rassentrennung und Diskriminierung zu stoßen. In Deutschland konnte ich mich überall frei bewegen. Für mich, als junger Leutenant, war das wie ein Hauch von Freiheit. Man muss sich vergegenwärtigen, wo wir zu dieser Zeit in den USA standen: In den späten Fünfzigerjahren hatten wir den Aufstieg Dr. Martin Luther Kings gesehen. Während wir zum Schutz gegen die Russen Truppen in Deutschland stationierten, musste Präsident Eisenhower Truppen in amerikanische Städte entsenden, um schwarze Studenten vor Rassismus zu schützen. Selbst in den Fünfzigerjahren, als der Kampf schon begonnen hatte, waren wir in Deutschland immer noch besser dran

als in den USA.3 Die Begegnung afroamerikanischer Soldaten in Deutschland mit einer Gesellschaft ohne tiefverwurzelte und gesetzlich institutionalisierte Rassentrennung im amerikanischen Sinne veranlasste viele von ihnen, die gleichen Rechte, wie sie ihre weißen Soldatenkameraden genossen, einzufordern. Viele dieser Soldaten schlossen sich nach ihrer Rückkehr in die USA der Bürgerrechtsbewegung an oder setzten ihre Bemühungen zur Gleichstellung der Afroamerikaner als Berufssoldaten innerhalb der US-Armee fort. Ihre Erfahrungen im Westdeutschland der Nachkriegszeit und des Kalten Krieges erwiesen sich somit als entscheidend für den Kampf gegen Rassendiskriminierung in den Streitkräften der USA und der amerikanischen Gesellschaft. Die Stationierung der afroamerikanischen Soldaten und ihrer Angehörigen veränderte jedoch zugleich auch die Bundesrepublik. Die positive Erfahrung der Soldaten und ihrer Familien im Nachkriegsdeutschland bedeutet natürlich nicht, dass die deutsche Gesellschaft zu dieser Zeit frei von Rassismus war. Ganz im Gegenteil: Rassistische Vorurteile gegenüber den Soldaten sassen tief und waren weitverbreitet. Die Realität der neuen Machtverhältnisse, wirtschaftliche Vorteile, die allgemeine Großzügigkeit der schwarzen Truppen gegenüber der Zivilbevölkerung, sowie die Attraktivität der afroamerikanischen Kultur, veranlassten allerdings so manchen, aus Einsicht oder Opportunismus, traditionelle, rassistische Stereotypen zu hinterfragen. Diese Entwicklung wurde auch von afroamerikanischen GIs wahrgenommen. Gardner Smith, der auch als Berichterstatter für die afroamerikanische Zeitung Pittsburgh Courier begeistert über Nachkriegsdeutschland berichtet hatte, erklärte später, dass die Deutschen natürlich »keine Engel« waren. »Sie waren Rassisten, aber wir waren die Eroberer, und der Blick in ihren Augen verriet Respekt.« 4

Einleitung

Obwohl das gegenseitige Verhältnis zwischen Deutschen und Afroamerikanern keinesfalls frei von Diskriminierung und Rassismus blieb, trug die Präsenz schwarzer Soldaten zu einer tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderung bei. Wie Colin Powell bemerkte: »Es war ein Hauch der Freiheit – nicht nur für mich, auch für die Deutschen, die ein besseres Bild von Schwarzen gewannen. Sie sahen, dass wir jeder Aufgabe gewachsen waren, und dass man uns nicht nach unserer Hautfarbe beurteilen sollte«.5 Herauszuarbeiten und erstmals in einen historischen Kontext zu stellen, inwieweit diese von Neugier, Ablehnung, Solidarität und Missverständnissen charakterisierte transatlantische Beziehung die amerikanische, afroamerikanische und deutsche Geschichte und Gesellschaft seit 1945 geprägt hat, ist das Hauptanliegen dieser Studie. Seit dem Fall der Berliner Mauer haben sich Historiker intensiv damit beschäftigt, wie die Prämissen der US-Außenpolitik und der Wettbewerb zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion in der nichtwestlichen Welt von den 1950er bis in die 1970er Jahre hochrangige Politiker in Washington dazu zwangen, dem Anliegen der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung Schritt für Schritt entgegenzukommen.6 Die lokalen Auswirkungen von Amerikas militärischer Präsenz in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, sowie die Bedeutung der weltweiten Expansion des Systems von US-Militärbasen während des Kalten Krieges für den afroamerikanischen Freiheitskampf fanden bisher jedoch weder in der Forschung noch in der Öffentlichkeit angemessene Beachtung.7 Das ist umso erstaunlicher, da die Verlegung rassengetrennter Militäreinheiten nach Westeuropa und Asien dazu führte, dass die Vereinigten Staaten ihre Rassenkonflikte und die beteiligten Akteure weltweit exportierten.8 Bislang gibt es jedenfalls kaum wissenschaftliche Untersuchungen, die sich mit den Erfahrungen und Aktivitäten der außerhalb der USA stationierten schwarzen Truppen im Hinblick darauf beschäftigen, wie diese die Bürgerrechtsbewegung im eigenen Land während des Kalten Krieges im 20. Jahrhundert förderten.9 Um den Anstoß zu einer, wie wir hoffen, intensiveren Beschäftigung mit der Beteiligung afroamerikanischer, im Ausland stationierter GIs an der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung zu geben, haben wir uns im Rahmen dieser ersten derartigen Fallstudie für Deutschland als regionales Teilgebiet des Forschungsgegenstands entschlossen, nicht zuletzt deswegen, weil die Bundesrepublik viele Jahrzehnte lang die größte Anzahl amerikanischer Truppen außerhalb der USA beherbergt hat. Bis zur umfassenden Reduzierung dieser Truppen im Gefolge des Zusammenbruchs der Sowjetunion 1991 waren im Schnitt jährlich über 250.000 amerikanische Soldaten in Westdeutschland stationiert, begleitet von ihren Familien und zehntausenden von Zivilangestellten des US-Verteidigungsministeriums. Außerdem war Westdeutschland

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aufgrund der Nachkriegs-Militärbesatzung und der ambitionierten amerikanischen Anstrengungen, die deutsche Gesellschaft nach der Niederlage des Nationalsozialismus neu zu formieren, den Auswirkungen amerikanischer Innenpolitik in weitaus stärkerem Maße ausgesetzt als andere Länder mit USMilitärbasen. Westdeutschland ist aber auch deshalb eine logische Wahl für eine derartige Studie, weil die amerikanischen Entscheidungsträger das Land als zentralen Eckpfeiler des westlichen Bündnissystems im Kalten Krieg mit der Sowjetunion auserkoren hatten. Angesichts der maßgeblichen Rolle Deutschlands in den strategischen Überlegungen der NATO und seiner Bedeutung als potenzielles Schlachtfeld der beiden Supermächte auf dem europäischen Kriegsschauplatz, kam der Politisierung der afroamerikanischen GIs in den 1960er und 1970er Jahren und der damit einhergehenden Schwächung der Einsatzbereitschaft ihrer Einheiten eine enorme Bedeutung zu. Und obwohl die Aktivitäten der Bürgerrechtsbewegung überall Widerhall fanden, wo USTruppen stationiert waren, führten sie gerade in Westdeutschland zu außergewöhnlichen gesellschaftlichen Allianzen, und damit zur Entstehung einer außerordentlichen Menge primären Quellenmaterials zu diesem wichtigen Kapitel der US-Geschichte, der Geschichte der Bundesrepublik, und der Geschichte der transatlantischen Beziehungen.10 Der Kampf der in der BRD stationierten schwarzen GIs um ihre Bürgerrechte war dabei nicht nur ein Nebeneffekt einer umfassenderen Protestbewegung und öffentlichen Auseinandersetzung, die sich in den USA entwickelte. Im Gegenteil: Die Widersprüche zwischen Amerikas Anspruch, Führungsmacht der freien Welt zu sein, und seinem eigenen institutionalisierten Rassismus traten gerade während der Besetzung des besiegten Nazideutschlands und dann im Westdeutschland des Kalten Krieges immer offener zu Tage. So erinnerte sich der bekannte Historiker David Brion Davis, als er auf seinen 1946 in Deutschland abgeleisteten Militärdienst zurückblickte, den er als 18-Jähriger in Mannheim ableistete, an das Nachkriegsdeutschland als »Mikrokosmos des Rassen- und Bürgerrechtskampfes, der die Vereinigten Staaten während der 1950er und 1960er Jahre dominierten sollte«. Deutschland war der Ort, an dem er erstmals »die Konturen der Vereinigten Staaten erblickte, wie sie künftig gültig sein würden«.11 Angesichts der amerikanischen Pläne, die deutsche Gesellschaft zu demokratisieren, kam den Protest- und Solidaritätsaktionen afroamerikanischer GIs auf westdeutschem Gebiet daher eine besondere geopolitische Bedeutung zu. Sie wurden somit zu einem integralen Bestandteil der Bürgerrechtsbewegung in den USA. Während US-Präsident Truman die de jure-Aufhebung der Rassentrennung im Militär anordnete, als er am 26. Juli 1948 die Executive Order 9981 (Präsidialerlass) unterzeichnete, kam die Rassenintegration der US-Truppen de facto jedoch erst mit dem Koreakrieg ab 1950 in Gang. Im Bereich des US-

Einleitung

Oberkommandos in Europa (USAEUR) wurde sie nicht vor Ende 1954 vollkommen erreicht.12 Dies gelang nicht zuletzt dank der unermüdlichen Agitation der afroamerikanischen Bürgerrechtsorganisationen und der afroamerikanischen Presse in den USA.13 Ihre Berichte über Fortschritte und Rückschläge der Armee bei der Demokratisierung Nachkriegsdeutschlands überzeugten weiße Liberale in den USA wie auch Vertreter des Außenministeriums davon, dass die fortdauernde de facto-Rassentrennung innerhalb des Militärs nicht mehr tragbar sei. Sie schadete nicht nur der US-Demokratisierungsmission in Deutschland, sondern machte die Vereinigten Staaten zur Zielscheibe sowjetischer und ostdeutscher Propaganda, die die rassistischen Praktiken im US-Militär benutzte, um die Doppelmoral der Vereinigten Staaten in Sachen Demokratie und Gleichberechtigung bloßzustellen. Bereits während der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs und in zunehmendem Maße in den Jahren danach hatten sich afroamerikanische GIs über die diskriminierenden Praktiken des Militärs, die Brutalität der zumeist von Weißen gestellten Militärpolizei, und über den Mangel an afroamerikanischen Offizieren beklagt. Ihre Proteste intensivierten sich, als weiße Kommandeure und Soldaten der US-Garnisonen damit begannen, in den umliegenden westdeutschen Gemeinden die in den USA praktizierte Rassentrennung durchzusetzen. Angesichts der immer stärker werdenden Bürgerrechtsbewegung in den USA während der 1950er Jahre fiel den in Übersee stationierten afroamerikanischen GIs eine immer wichtigere Rolle in diesem Kampf zu. Als es Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre zu den ersten Sit-Ins in den Südstaaten der USA kam, um immer noch nach Rassen getrennte Restaurants, Kinos, Schwimmbäder, Parks usw. allen Amerikanern – egal welcher Hautfarbe – zugänglich zu machen, gab es ähnliche Aktionen auch in den von Soldaten bevorzugten Gaststätten in deutschen Garnisonsstädten. Beginnend mit den späten 1940er Jahren hatten afroamerikanische GIs führende Protagonisten der Bürgerrechtsbewegung und Medienvertreter der schwarzen Presse immer wieder aufgefordert, nach Westdeutschland zu kommen, um sich ein eigenes Bild der verbreiteten Diskriminierung innerhalb des US-Militärs und zum System der »informellen« Rassentrennung, das die USGarnisonsstädte in Westdeutschland prägte, zu verschaffen. Diese Aktivitäten führten wiederum zu Untersuchungen seitens hochrangiger Regierungsstellen in Washington, wie sie etwa 1964 im »Abschlussbericht des Präsidialkomitees zur Chancengleichheit in den Streitkräften bezüglich der in Übersee stationierten Soldaten« festgehalten sind. Auch wenn US-Militärbasen in ganz Europa und Asien in der Untersuchung betrachtet wurden, so war dennoch die Bundesrepublik aufgrund ihrer wichtigen geostrategischen Position der Fokus dieses nachdrücklichen Versuchs, den tiefsitzenden Rassismus und die Diskriminierung in den Streitkräften endlich zu beenden.14

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Was die Situation der afroamerikanischen GIs auf US-Militärbasen in Westdeutschland von denen in anderen Teilen der Welt unterschied, war, dass sie in der Bundesrepublik Verbündete unter den Einheimischen fanden, die ihre umfassenden Anstrengungen um Gleichberechtigung unterstützten. Auch wenn die Dienstzeiten in anderen US-Militärbasen in der Regel ebenfalls zwei bis drei Jahre dauerten, so waren die in Westdeutschland stationierten afroamerikanischen GIs hier jedoch in besonderer Weise in der Lage, Kontakte und vielfach auch Freundschaften mit Einwohnern westdeutscher Gemeinden zu knüpfen.15 Besonders stark ausgeprägt war dieses Phänomen in westdeutschen Universitätsstädten mit US-Garnisonen. Hier ergaben sich die Kontakte häufig aus der gemeinsamen Vorliebe für afroamerikanische Musikformen wie Jazz und Blues, aber auch aus dem politischen Interesse der Studierenden an der aufkeimenden Bürgerrechtsbewegung in den USA. Dabei stießen die afroamerikanischen GIs sowohl auf gut informierte Gruppen westdeutscher Studierender, die bereits Zeit in den USA verbracht hatten, als auch auf Afroamerikaner, die an westdeutschen Universitäten studierten. Durch die Kontakte zu diesen Gruppen konnten die GIs seit den frühen 1960er Jahren die Ziele der Bürgerrechtsbewegung verstärkt verbreiten. Häufig schlossen sich Studierende aus nicht-westlichen Ländern, die an westdeutschen Universitäten studierten, diesen ungewöhnlichen Allianzen an.16 So kam es in Universitätsstädten wie Frankfurt a.M., Heidelberg und Westberlin zu Protestallianzen zwischen Soldaten und Studierenden, die gemeinsam gegen Rassismus protestierten und zur Unterstützung der Bürgerrechtsbewegung in den USA aufriefen. Nach dem Aufkommen der Black Power-Bewegung seit Mitte der 1960er Jahre, der Eskalation des Vietnam Krieges, und der Ermordung von Martin Luther King Jr. im April 1968 verstärkten die afroamerikanischen GIs in Westdeutschland ihre Zusammenarbeit mit den Studierenden, um den Rassismus sowohl im US-Militär als auch in westdeutschen Gemeinden noch intensiver zu bekämpfen. In allen Städten mit US-Garnisonen und Universitäten stiegen nun die Protestaktivitäten deutlich an. Zu den wichtigsten Ereignissen dieser Art zählte der Call for Justice-Tag am 4. Juli 1970 in der Aula der Universität Heidelberg. Diese gemeinsame Veranstaltung afroamerikanischer Soldaten und westdeutscher Studierender wurde auch vom Präsidenten der Universität Heidelberg unterstützt, der die Räumlichkeiten für die Veranstaltung zur Verfügung stellte, da das US-Militär solche Veranstaltungen auf ihren Militärstützpunkten selbst verboten hatte. Ähnliche Proteste fanden auch in kleineren Garnisonsstädten wie Kaiserslautern (80.000 Einwohner) statt, wo über 40.000 US-Soldaten stationiert waren. An der Universität Frankfurt a.M., zu deren Studentinnen 1965/66 auch Angela Davis gezählt hatte, wurden eine Reihe von Angela Davis-Solidaritätsveranstaltungen abgehalten, die von afro-

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amerikanischen Soldaten und westdeutschen Studenten gleichermaßen besucht wurden. Etwas anders stellte sich die Lage in Ostdeutschland dar. Auch in der DDR gab es in den 1960er und frühen 1970er Jahren eine breite Solidaritätsbewegung für die Anliegen der Afroamerikaner, allerdings in Form einer staatlich geförderten nationalen und internationalen Kampagne. Basierend auf der in der Staatsideologie festgeschriebenen Bekämpfung jeglicher Form von Imperialismus, Kolonialismus und Rassismus, wurden die Bürgerrechtsaktivisten hier als Helden des »anderen Amerika« gefeiert – dem Amerika der Unterdrückten. Doch die Kampagne ging noch sehr viel weiter. So hieß die DDR afroamerikanische US-Deserteure ebenso mit offenen Armen willkommen wie Repräsentanten der Bürgerrechtsbewegung.17 Das Regime veranstaltete etwa 1958 aufwendige Empfänge für W. E. B. Du Bois oder 1960 für den Sänger und Intellektuellen Paul Robeson. Darüber hinaus wurde seitens der staatlichen Medien und Verlage in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg eine Flut von Literatur zum schwarzen Freiheitskampf veröffentlicht. Das DDR-Regime erlaubte Martin Luther King 1964 und Ralph Abernathy 1971 sogar, in Ostberliner Kirchen zu predigen. Schließlich – und am erfolgreichsten – initiierte die DDR-Regierung zu Beginn der 1970er Jahre auch die bis heute unvergessene, wirkmächtige Solidaritätskampagne für die damals in den USA inhaftierte Angela Davis, die weite Teile der ostdeutschen Gesellschaft erfasste, und die aus der Bürgerrechtsaktivistin einen kommunistischen Popstar machte. Aber trotz dieser lautstarken DDR-Propagandaaktionen blieb es der Zusammenarbeit zwischen Black Panther-GIs und radikalen Studierenden in der Bundesrepublik vorbehalten, die umfassendste Reaktion seitens der amerikanischen wie der westdeutschen Regierung hervorzurufen, die entschieden dazu beitrug, wichtige Forderungen der Bürgerrechtsbewegung, insbesondere im Hinblick auf das US-Militär, umzusetzen. Denn die fortschreitende und teilweise schon die Autorität der weißen Offiziere untergrabende Radikalisierung schwarzer GIs aufgrund des Vietnam Krieges, sichtbar und hörbar gemacht durch die Unterstützung, die sie von Studierenden in ganz Deutschland erfuhren, führte nun zu umfassenden Untersuchungen seitens des Pentagon (Render Report, 1970) und der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP), Amerikas ältester und renommiertester Bürgerrechtsorganisation (The Search for Military Justice, 1971).18 Diese wiederum setzten substanzielle Reformen nicht nur in der Bundesrepublik sondern in den gesamten US-Streitkräften weltweit in Gang. Es waren also die Protestaktivitäten der in Westdeutschland stationierten, afroamerikanischen GI-Aktivisten, die in entscheidender Weise zu Veränderungen im US-Militär beitrugen, die es bis Mitte der 1970er (und bis heute) zur integriertesten Institution in den Vereinigten Staaten machten.

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Auch die westdeutsche Regierung, die aus sicherheitspolitischen Aspekten an einer uneingeschränkten Einsatzfähigkeit der in der Bundesrepublik zur Abwehr möglicher Angriffe des östlichen Militärbündnisses stationierten USStreitkräfte interessiert war, initiierte nun ihrerseits ein umfassendes Reformprogramm, um im Rahmen ihrer Möglichkeiten dem institutionalisierten Rassismus des US-Militärs und der individuellen Diskriminierung afroamerikanischer GIs im Gastgeberland zu begegnen. Im Rahmen dieses Programms sollten unter anderem US-Militärangehörige und ihre Familien (auch und gerade Afroamerikaner) mit adäquaten Kasernen und Wohnungen versorgt werden, was zu den wichtigsten Forderungen der politisierten afroamerikanischen GIs gehört hatte. Die Bundesregierung beschloss auch eine breit angelegte Informationskampagne, die sich gegen diskriminierende Praktiken deutscher Immobilien-, Disco- und Restaurantbesitzer richtete. Die NAACP eröffnete außerdem 1971 – erstmals ausserhalb der USA – ein eigenes Büro in Frankfurt a.M. als Anlaufstelle für die in der Bundesrepublik stationierten afroamerikanischen Soldaten. Angesichts der entscheidenden Rolle afroamerikanischer Soldaten in Übersee – und speziell in Westdeutschland – für die Geschichte der US-Bürgerrechtsbewegung ist es verwunderlich, dass bisher relativ wenig über dieses bedeutende Kapitel der amerikanischen, afroamerikanischen und transatlantischen Geschichte bekannt ist. Diese Forschungslücke hat mit einer grundsätzlichen Zurückhaltung von Geisteswissenschaftlern, die nicht als Militärhistoriker ausgebildet wurden, zu tun, militärische Themen zu erforschen. Ebenso wichtig ist der Umstand, dass WissenschaftlerInnen, die sich mit dem Militär beschäftigten, häufig die sozialen und kulturellen Aspekte ihres Untersuchungsgegenstandes übersehen. Sie konzentrieren sich oftmals auf Fragen von Strategie und Effizienz in globaler geopolitischer Perspektive, und übergehen dabei scheinbare Nebensächlichkeiten wie die Beschwerden einfacher GIs über Rassismus in der Kaserne und in den umgebenden Garnisonsstädten. Da sich die Geschichtsschreibung außerdem immer noch häufig innerhalb strikt festgelegter geographischer und chronologischer Grenzen bewegt, ist die transnationale Dimension vieler Bereiche der amerikanischen Geschichte im Allgemeinen wie auch der afroamerikanischen Geschichte im Besonderen bisher erst ansatzweise beleuchtet worden.19 Aus ähnlichen Gründen mangelt es der amerikanischen Militärpräsenz in der Bundesrepublik bisher an Aufmerksamkeit seitens der deutschen HistorikerInnen. Während im Hinblick auf den generellen Einfluss der USA auf die deutsche Gesellschaft die Forschungslage äußerst dicht und ausdifferenziert ist, führt die Stationierung der mehr als zwei Millionen afroamerikanischen GIs in Westdeutschland nach 1945 in vielerlei Hinsicht noch ein Schattendasein in der Geschichtswissenschaft.20

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Demgegenüber waren sich afroamerikanische Soldaten und Bürgerrechtsaktivisten der internationalen Auswirkungen ihres Tuns sehr wohl bewusst, und setzten diese wiederholt als Hebel ein, um die Reformen in den USA voranzubringen. Wenige Menschen erkannten diese Interdependenz der amerikanischen Geschichte und der Weltgeschichte klarer als Martin Luther King, der in seiner Rede zum Erhalt des Friedensnobelpreises am 11. Dezember 1964 in Oslo Amerikas Weg zu einer gerechten Gesellschaft für alle Rassen in einen globalen Kontext stellte: In einem bestimmten Sinn ist die Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten ein spezifisch amerikanisches Phänomen, das im Hinblick auf die amerikanische Geschichte verstanden, und mit dem unter den Bedingungen der amerikanischen Situation umgegangen werden muss. Aber auf einem anderen und weitaus bedeutenderen Niveau ist das, was heute in den USA passiert, nur ein relativ kleiner, unbedeutender Teil der weltweiten Entwicklungen. 21

In derselben Rede versicherte King, dass alle menschlichen Wesen in einem »weltweiten Bund« vereint seien, eine Überzeugung, die ohne Zweifel während seines Berlinbesuchs drei Monate zuvor verstärkt worden war. Auf Einladung des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt war King in jene Stadt gekommen, die nur ein Jahr zuvor dem US-Präsidenten John F. Kennedy einen triumphalen Empfang bereitet hatte. Hier verbrachte King zweieinhalb Tage voller dichtgedrängter Termine, von denen seine Predigt in der Berliner Waldbühne, einem großen Freilufttheater, vor 25.000 Menschen vielleicht der wichtigste war. Der zu diesem Zeitpunkt wohl prominenteste Protagonist der Bürgerrechtsbewegung benutzte diese Predigt, um seine spirituelle Botschaft der Brüderlichkeit mit der Situation Berlins in Verbindung zu bringen: »[Diese Stadt] ist ein Symbol für die Trennung von Menschen auf dieser Erde. Denn auf jeder Seite der Mauer leben Gotteskinder, und keine menschengemachte Barriere kann diese Tatsache vergessen machen«. King ging sogar noch einen Schritt weiter und verglich den Kampf um die Bürgerrechte in den Vereinigten Staaten mit den politischen Auseinandersetzungen um die geteilte Stadt. Er argumentierte, dass in dem gleichen Maße, wie die USA sich »als Prüfstein für das Zusammenleben der Rassen ungeachtet ihrer Unterschiede« herauskristallisiert hätten, die Einwohner Berlins »die Möglichkeit einer Koexistenz der beiden Ideologien«, die damals um die globale Vorherrschaft rangen, erprobten.22 Bedauerlicherweise ist der Besuch Martin Luther Kings in Berlin zu Zeiten des Kalten Krieges von der Geschichtswissenschaft ebenfalls weitgehend ignoriert worden. Selbst als sich am 24.  Juli 2008 mehr als 200.000 Menschen im Berliner Tiergarten versammelten, um eine Rede des damaligen US-Senators und Präsidentschaftskandidaten Barack Obama anzuhören, war

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nur wenigen Kommentatoren in den USA und in Deutschland dieser historische Hintergrund bewusst. Diese Leerstelle im kollektiven Gedächtnis ist besonders erstaunlich angesichts der Präsenz von Martin Luther King und der Bürgerrechtsbewegung in Obamas Wahlkampfrhetorik, die entscheidende Referenzpunkte seiner Kampagne bildeten. Tatsächlich liest sich Obamas Berliner Rede wie eine Antwort auf Martin Luther Kings Friedensnobelpreis-Rede über das »Weltgebäude« aus Sicht des 21. Jahrhunderts. Obama präsentierte sich zu Füßen der Berliner Siegessäule nicht nur als »Welt-Mitbürger«, sondern entwickelte, verbunden mit einer kleinen Anspielung auf Ernst Reuters berühmte Rede zur Berlin Blockade 1948, ähnliche transatlantische und globale Visionen: Völker der Welt – schaut auf Berlin, wo die Mauer fiel, ein Kontinent wiedervereinigt wurde, und die Geschichte bewies, dass es keine unüberwindbare Herausforderung für eine Welt gibt, die einig zusammensteht. […] Während das 20. Jahrhundert uns gelehrt hat, dass wir ein gemeinsames Schicksal teilen, hat das 21. Jahrhundert eine Welt enthüllt, die stärker als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit voneinander abhängig ist. 23

Die Geschichte, von der dieses Buches erzählt, ist daher eine Geschichte von gegenseitiger Verbundenheit, Verstrickungen und geteiltem Schicksal auf beiden Seiten des Atlantiks während des gesamten 20. Jahrhunderts. Obwohl der Schwerpunkt unserer Untersuchung zwischen 1945 und der Mitte der 1970er Jahre liegt, beginnen wir unsere Geschichte mit W. E. B. Du Bois, dem ersten afroamerikanischen Harvard Absolventen und führenden Vordenker des afroamerikanischen Freiheitskampfes, sowie der zentralen Rolle des Ersten Weltkrieges. Für Du Bois war sein Studium an der König Friedrich WilhelmUniversität im Berlin des ausgehenden 19. Jahrhunderts eine bedeutsame Erfahrung, die sein Denken über Rasse und Rassentrennung wegweisend veränderte. Der Erste Weltkrieg wiederum trug auf seine Weise zu einem massiven Erstarken der Bürgerrechtsbewegung der 1920er und 1930er Jahre bei. Diese Bewegung erhielt durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten und durch die Verurteilung des rassistischen NS-Staates durch das weiße, liberale Amerika großen Zulauf, und entwickelte sich so zu einem bedeutenden Faktor in der politischen und kulturellen Landschaft der USA in den darauffolgenden Jahrzehnten. Mit der Erforschung der Begegnungen zwischen Deutschen und Afroamerikanern hoffen wir, das Verständnis dafür zu vertiefen, wie sehr der Kampf der USA gegen Nazi-Deutschland und der amerikanische Führungsanspruch nach 1945 in Westeuropa und besonders in Westdeutschland die weitere Entwicklung der Bürgerrechte in den Vereinigten Staaten beeinflusste. Gleichzeitig ist es unser Ziel, die traditionelle Fokussierung auf die offizielle, »hohe«

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Politik und die politischen Entscheidungsträger in Washington und Bonn in der Geschichtswissenschaft durch die Betrachtung der AktivistInnen an der Basis aufzubrechen. Ihre Stimmen und die Reaktionen auf ihre Forderungen seitens der politischen und der militärischen Verantwortlichen und der Medien verdeutlichen, wie der Kampf um die Bürgerrechte begonnen und vorangetrieben wurde, und in welchem Maße Deutschland von allen beteiligten Parteien als Bezugspunkt herangezogen wurde. Indem wir die Geschichte der afroamerikanischen GIs in Westdeutschland schildern, hoffen wir, einen Anstoß dafür zu geben, ein genaueres und umfassenderes kritisches Bewusstsein davon zu entwickeln, welches Echo der Kampf für mehr Demokratie in den Vereinigten Staaten von Amerika in Ost- und Westdeutschland sowie weltweit erzeugte.24

A nmerkungen 1 | William Gardner Smith: The Last of the Conquerors, New York: The New American Library, 1948, S. 67f. 2 | Interview mit William Gardner Smith, in: New York Post, 29. September 1959. Bestand William Gardner Smith, Zeitungsausschnittsammlung, Schomburg Center for Research in Black Culture, New York. 3 | Auch Colin Powell Interview in der TV Dokumentation, Ein Hauch von Freiheit, 2014, produziert von Broadview TV. Die deutsche Übersetzung von Powells Kommentar wurde leicht redigiert, um den Sachverhalt klarer darzustellen. Zu seiner Zeit in Deutschland siehe auch Colin Powell: My American Journey, New York: Random House, 1995, S. 53. 4 | »An American in Paris-III«, in: New York Post, 29. September 1959 (Schomburg Clipping file William Gardner Smith). 5 | Colin Powell Interview, TV Dokumentation, Ein Hauch von Freiheit, 2014. 6 | Mary Dudziak: Cold War Civil Rights – Race and the Image of American Democracy, Princeton, NJ: Princeton University Press, 2000; Thomas Borstelmann: The Cold War and the Color Line – American Race Relations in the Global Arena, Cambridge, MA: Harvard University Press, 2001; Brenda Gayle Plummer: Rising Wind: Black Americans and U.S. Foreign Affairs, 1935–1960, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 1996. Für die Einschränkungen, die dem Kampf um die Bürgerrechte durch den Kalten Krieg gesetzt waren, etwa hinsichtlich des Themas Antikolonialismus oder panafrikanischer Solidarität, vgl. Penny von Eschen: Race Against Empire: Black Americans and Anticolonialism, 1937–1957, Ithaca: Cornell University Press, 1997; und Carol Anderson: Eyes Off the Prize: The United Nations and the African American Struggle for Human Rights, 1944–1955, Cambridge: Cambridge University Press, 2003; Manfred Berg: »Black Civil Rights and Liberal Anticommunism: The NAACP in the Early Cold War«, in: Journal of American History 94, Nr. 1 (2007), S. 75–96. Vgl. ebenfalls Maria Höhn: »›Ein Atemzug der Freiheit‹. Afro-amerikanische GIs, deutsche Frauen und die Grenzen der Demokra-

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Ein Hauch von Freiheit tie (1945–1968)«, in: Arnd Bauerkämpfer, Konrad H. Jarausch und Marcus Payk (Hg.): Demokratiewunder. Transatlantische Mittler und die kulturelle Öffnung Westdeutschlands, 1945–1970, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2005; und dies.: »›When Negro Soldiers Bring Home White Brides‹: Deutsche und amerikanische Debatten über die ›Mischehe‹ (1945–1967)«, in: Werner Kremp und Martina Tumalis (Hg.): Amerikaner in Rheinland-Pfalz. Alltagskulturelle Begegnungen, Trier: WVT Wissenschaftlicher Verlag, 2008. 7 | Erst in den letzten Jahren zeichnen sich erste Umrisse dieses neuen Forschungsfelds ab. Für einen Überblick siehe Maria Höhn: GIs and Fräuleins: The German-American Encounter in 1950s West Germany, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 2002; Petra Goedde: GIs and Germans: Culture, Gender and Foreign Relations, 1945-1949, New Haven: Yale University Press, 2003; Heide Fehrenbach: Race after Hitler: Black Occupation Children in Postwar Germany and America, Princeton: Princeton University Press, 2005; Tim Schroer: Recasting Race after World War II: Germans and African Americans in American-Occupied Germany, Boulder: University of Colorado Press, 2007; Robert Jefferson: Fighting for Hope: African American Troops of the 93rd Infantry Division in World War II and Postwar America, Baltimore: Johns Hopkins University Press, 2008; Maria Höhn: Amis, Cadillacs und »Negerliebchen«: GIs im Nachkriegsdeutschland, Berlin: Vbb, Verlag für Berlin-Brandenburg, 2008; Maria Höhn: »›We will Never Go Back to the Old Way Again‹: Germany in the African American Debate on Civil Rights«, in: Central European History, Vol. 41, Nr. 4 (Dezember 2008), S. 605-37; Christopher S. Parker: Fighting for Democracy: Black Veterans and the Struggle Against White Supremacy in the Postwar South, Princeton, NJ: Princeton University Press, 2009; Maria Höhn und Martin Klimke: A Breath of Freedom: African American GIs, the Civil Rights Struggle, and Germany, New York: Palgrave Macmillan, 2010; Maria Höhn und Seungsook Moon (Hg.): Over There: Living With the U.S. Military Empire, Durham: Duke University Press, 2010; Kevin M. Kruse und Stephen Tuck (Hg.): Fog of War: The Second World War and the Civil Rights Movement, Oxford: Oxford University Press, 2012; Kimberley Phillips: War, What Is It Good For? Black Freedom Struggles and the U.S. Military from World War II to Iraq, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 2012; Oliver Schmidt: Afroamerikanische GIs in Deutschland 1944 bis 1973: Rassenkriege, Integration und globale Protestbewegung, Münster: Monsenstein und Vannerdat, 2013; Christine Knauer: Let Us Fight as Free Men: Black Soldiers and Civil Rights, Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2014; Werner Sollors: The Temptation of Despair: Tales of the 1940s, Cambridge, MA.: Belknap und Harvard University Press, 2014. Für Großbritannien vgl. Graham Smith: When Jim Crow Met John Bull – Black American Soldiers in World War II Britain, New York: St. Martin’s Press, 1988; Neil A. Wynn: »»Race War« – Black American GIs and West Indians in Britain During the Second World War«, in: Immigrants & Minorities 24, Nr. 3 (2006), S. 324–346. 8 | Vgl. Maria Höhn: GIs and Fräuleins: The German-American Encounter in 1950s West Germany, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 2002; Heide Fehrenbach: Race After Hitler: Black Occupation Children in Postwar Germany and America, Prince-

Einleitung ton, NJ: Princeton University Press, 2005; Tim Schroer: Recasting Race After World War II: Germans and African Americans in American-Occupied Germany, Boulder: University of Colorado Press, 2007. 9 | Eine Ausnahme stellt die Untersuchung von Adriane Lentz-Smith dar, Freedom Struggles: African Americans and World War I, Cambridge, MA: Harvard University Press, 2009, die die Bedeutung zwischen französischen Zivilisten, afrikanischen Kolonialtruppen und afroamerikanischen Soldaten während des Ersten Weltkriegs auf den Bürgerrechtskampf in den USA hatte, unterstreicht, sowie Parker: Fighting for Democracy und Brenda Gayle Plummer: »Peace Was the Glue: Europe and African American Freedom: Europe and African American Freedom«, in: Manning Marable und Elizabeth Hinton (Hg.): The New Black History: Revisiting the Second Reconstruction, New York: Palgrave MacMillan, 2011, S. 99-122. 10 | Wir behaupten nicht, dass die Diskussion um die Bürgerrechte, die in den USA entstand, allein von den immer engeren Beziehungen zu Westdeutschland bestimmt wurde. Wie Glenda Elizabeth Gilmore in Defying Dixie: The Radical Roots of Civil Rights, 1919–1950, New York: W. W. Norton, 2008, gezeigt hat, waren die gemischtrassigen linksradikalen Allianzen im Süden in den 1920er und 1930er Jahren mit ihrem Kampf gegen den Faschismus wichtig im Hinblick auf die sich intensivierende Debatte um die Bürgerrechte. In How Far the Promised Land? World Affairs and the American Civil Rights Movement from the First World War to Vietnam, Princeton, NJ: Princeton University Press, 2006, zeigte Jonathan Rosenberg, wie der Kampf um die Kolonien die internationalistischen Ansichten afroamerikanischer Intellektueller beeinflusste und die Debatten um die Bürgerrechte bestimmte. Vgl. ebenfalls von ihm »›Sounds Suspiciously Like Miami‹: Nazism and the U.S. Civil Rights Movement, 1933–1941«, in: Frank A. Ninkovich und Liping Bu (Hg.): The Cultural Turn: Essays in the History of U.S. Foreign Relations, Chicago: Imprint Publications, 2001. Zu den Anfängen der Zusammenarbeit zwischen den jüdischen Organisationen in den USA und den Afroamerikanern in Bürgerrechtsfragen vgl. Harvard Sitkoff: »African Americans, American Jews, and the Holocaust«, in: William H. Chafe (Hg.): The Achievement of American Liberalism: The New Deal and Its Legacies, New York: Columbia University Press, 2003, S. 181–204. 11 | David Brion Davis: »The Americanized Mannheim of 1945–1946«, in: William E. Leuchtenburg (Hg.): American Places: Encounters With History. A Celebration of Sheldon Meyer, Oxford: Oxford University Press, 2000, S. 79–91, speziell S. 79, 91. 12 | Der vollständige Text der Executive Order 9981 Harry S. Trumans, vgl. www.trumanlibrary.org/9981a.htm. 13 | Zur Rolle der schwarzen Presse vgl. Lee Finkle: Forum For Protest: The Black Press During World War II, Rutherford, NJ: Fairleigh Dickinson University Press, 1975; sowie Patrick Washburn: A Question of Sedition: The Federal Government’s Investigation of the Black Press, New York und Oxford: Oxford University Press, 1986. Die Bedeutung der Presse bei der Politisierung der schwarzen Bevölkerung in den USA unterstreichen Gunnar Myrdal: An American Dilemma: The Negro Problem and Modern Democracy, New

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Ein Hauch von Freiheit York: Harper, 1944, Kap. 42; und Roi Ottley: New World A-Coming, New York: Houghton, Mifflin Company, 1943, Kap. 19. 14 | President’s Committee on Equal Opportunity in the Armed Forces: »Equality of Treatment and Opportunity for Negro Personnel Stationed Within the United States«, Washington, D.C., 1963 und President’s Committee on Equal Opportunity in the Armed Forces: »Final Report. Military Personnel Stationed Overseas«, 1964. In: Morris MacGregor und Bernhard Nalty (Hg.): Blacks in the United States Armed Forces. Basic Documents, Vol 12, Wilmington: Scholarly Resources, 1997. 15 | Auf US-Militärbasen im Pazifik, wo Navy und Marine Corps-Soldaten für kürzere Zeit stationiert waren, bevor sie an andere Militärbasen versetzt wurden, konnten solche Allianzen zwischen afroamerikanischen GIs und Zivilisten aus Zeitmangel nur selten entstehen. In Südkorea waren die US-Truppen strikter von der einheimischen Bevölkerung isoliert und wurden jeweils nur für ein Jahr dort stationiert. Zu diesen Unterschieden siehe auch Höhn und Moon (2010). 16 | Für die Beteiligung studentischer AktivistInnen aus Asien, Lateinamerika und Afrika an der Studentenbewegung siehe Quinn Slobodian: Foreign Front: Third World Politics in Sixties West Germany, Durham: Duke University Press, 2012. 17 | Peter Köpf: Wo ist Lieutenant Adkins? Das Schicksal desertierter Nato-Soldaten in der DDR, Berlin: Ch. Links Verlag, 2013. 18 | Vgl. Frank W. Render et al., Department of Defense, U.S. Assistant Secretary of Defense, Manpower and Reserve Affairs, Memorandum for the Secretary of Defense: U.S. Military Race Relations in Europe – September 1970; und Nathaniel R. Jones et al.: The Search for Military Justice: Report of an NAACP Inquiry Into the Problems of Negro Servicemen in West Germany, New York: NAACP, 1971. 19 | Globale Betrachtungen der US-Geschichte bieten beispielsweise Thomas Bender: A Nation Among Nations: America’s Place in World History, New York: Hill and Wang, 2006; und Ian Tyrrell: Transnational Nation: United States History in Global Perspective since 1789, Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2007. Die Entstehung der afroamerikanischen Diaspora-Studien und die zunehmende Bedeutung transnationaler Geschichtsbetrachtung haben die Grenzen amerikanischer und afroamerikanischer Geschichtsschreibung deutlich erweitert. Speziell von Bedeutung bei der Neubewertung der Bedeutung der europäischen und afrikanischen Verbindungen waren die Arbeiten von Paul Gilroy, beispielsweise ders.: The Black Atlantic: Modernity and Double Consciousness, Cambridge, MA: Harvard University Press, 1993, die zu einer Fülle neuer Studien, Diskussionen und Forschungsrichtungen führte. Eindrücke von diesem aufblühenden Forschungsfeld geben beispielsweise Brent Hayes Edwards: The Practice of Diaspora: Literature, Translation, and the Rise of Black Internationalism, Cambridge, MA: Harvard University Press, 2003; Michelle Wright: Becoming Black: Creating Identity in the African Diaspora, Durham: Duke University Press, 2004; Manning Marable und Vanessa Agard-Jones (Hg.): Transnational Blackness: Navigating the Global Color Line, New York: Palgrave Macmillan, 2008; Mary Dudziak: Exporting American Dreams: Thurgood Marshall’s African Journey, Oxford: Oxford University Press, 2008; Michael West,

Einleitung William Martin und Fanon Che Wilkins: From Toussaint to Tupac: The Black International Since the Age of Revolution, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 2009; Jason C. Parker: »›Made-in-America Revolutions‹? The ›Black University‹ and the American Role in the Decolonization of the Black Atlantic« in: Journal of American History, 96, Nr. 3 (Dezember 2009), S. 727–50; Andrew Zimmermann: Alabama in Africa: Booker T. Washington, the German Empire, and the Globalization of the New South, Princeton, NJ: Princeton University Press, 2010. Universitäre Netzwerke wie das Collegium for African American Research (CAAR), die Association of the Study of the Worldwide African Diaspora (ASWAD), das Black European Studies Program an der Universität Mainz (BEST), sowie die Society for Multi-Ethnic Studies: Europe and the Americas (MESEA), haben diese geographische Ausweitung des Forschungsgegenstandes gefördert und auch die inhaltliche Erweiterung solcher Studien auf das Gebiet jenseits von Sklaverei und ihren Folgen unterstützt. Fast alle diese Publikationen und Institutionen haben allerdings bisher die Geschichte der in Deutschland stationierten afroamerikanischen GIs unbeachtet gelassen. 20 | Zur Amerikanisierung der Jugendkultur siehe insbesondere Kaspar Maase: Bravo Amerika – Erkundigungen zur Jugendkultur der Bundesrepublik in den Fünfzigerjahren, Hamburg: Junius Verlag, 1992 und Uta Poiger: Jazz, Rock and Rebels: Cold War Politics and American Culture in a Divided German, Berkeley: University of California Press, 2000; Zum Einfluss der US-Truppen auf die deutsche Gesellschaft siehe Höhn (2002 und 2008); Detlef Junker und Philipp Gassert: The United States and Germany in the Era of the Cold War, 1946-1968: A Handbook, 2 Bände, Cambridge: Cambridge University Press, 2004. 21 | Der vollständige Text der Nobelpreis-Rede von Martin Luther King Jr. findet sich unter http://nobelprize.org/nobel_prizes/peace/laureates/1964/king-lecture.html. 22 | Martin Luther King Jr.: »East or West – God’s Children«, Predigt, 13. September 1964, 1, S. 4f., Papers of Dr. Martin Luther King, Jr., The King Center, Atlanta, GA. 23 | Der vollständige Text der Rede von Barack Obama in Berlin am 24. Juli 2008 findet sich unter http://my.barackobama.com/page/content/berlinvideo/ 24 | Gerald Horne: »Toward a Transnational Research Agenda for African American History in the 21st Century«, in: Journal of African American History 91.3 (2006), S. 288–303. Trotz der Forderung Hornes, haben bisher nur wenige Graduiertenprogramme ihre Mitglieder dazu ermuntert, die afroamerikanische Geschichte außerhalb der USA zu erforschen.

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Kapitel 1 Der Erste Weltkrieg und der Aufstieg Hitlers

Um alle Facetten der enormen Auswirkungen zu erkennen, die Amerikas Beteiligung am Ersten und Zweiten Weltkrieg im Hinblick auf die Bürgerrechtsbewegung hatte, bedarf es einer transnationalen Perspektive. Nur sie versetzt uns in die Lage, jene tiefgreifenden Veränderungen in ihrer Gesamtheit präzise zu benennen, die sich während des 20. Jahrhunderts im Kampf der afroamerikanischen Bürgerrechtsaktivisten um eine größere Gleichberechtigung ergaben. Amerikas Schlachtruf im Ersten Weltkrieg, »to make the world safe for democracy«, bot den US-Bürgerrechtsaktivisten eine willkommene Gelegenheit, auf dieser Grundlage auch mehr (demokratische) Rechte für die Afroamerikaner in den Vereinigten Staaten zu fordern. Der Aufstieg Hitlers und die Ablehnung des entstehenden Nazi-Rassenstaates durch das weiße Amerika erlaubte es den Aktivisten in der Folge, die Diskrepanz zwischen den offiziellen amerikanischen Idealen von Demokratie und Gleichheit auf der einen, und der sozialen Realität der afroamerikanischen Bürger auf der anderen Seite zu nutzen. Wenn also der nationalsozialistische Rassismus durch das weiße Amerika als verabscheuungswürdig dargestellt wurde, warum galt dann – so ihre Frage – Ähnliches nicht auch im Hinblick auf die diskriminierenden Jim-Crow-Rassengesetze in den Südstaaten der USA? Hinter Jim Crow verbarg sich ja nichts anderes als die bekannte Doktrin, derzufolge die weiße und die schwarze Bevölkerungsgruppe Amerikas nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes von 1896 separate, but equal seien (Gleichheit trotz Trennung der Rassen). Der damit verbundene Widerspruch gegen die Prinzipien, auf denen die amerikanische Demokratie angeblich aufgebaut worden war, lag auf der Hand, und wurde nun unermüdlich als zentrales Argument für die endgültige Abschaffung von Jim Crow benutzt. Blicken wir zunächst auf die Entwicklung, wie sie sich im ersten Viertel des 20.  Jahrhunderts darstellte. Der amerikanische Kriegseintritt 1917 hatte die afroamerikanische Bevölkerung und Intelligenzija nicht in Begeisterung

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versetzt. Um diese mangelnde Kriegseuphorie zu verstehen, muss man sich die Situation der afroamerikanischen Bevölkerung am Beginn des 20. Jahrhunderts vergegenwärtigen. Die afroamerikanische Bevölkerung war 1865 mit dem Ende des Bürgerkrieges aus der Sklaverei entlassen worden. Allerdings war damit keinerlei finanzielle oder materielle Entschädigung verbunden, und die neugewonnene »Freiheit« war eine Farce. Die Situation war besonders bedrückend in den Südstaaten, wohin die meisten versklavten Afrikaner nach ihrer Ankunft auf dem nordamerikanischen Kontinent verschleppt worden waren, und wo neunzig Prozent der afroamerikanischen Bevölkerung vor dem Ersten Weltkrieg noch immer lebten. Die große Mehrheit von ihnen fristete ihr Leben als Kleinpächter, Tagelöhner oder Dienstboten, oft in totaler Abhängigkeit von ihren ehemaligen Besitzern, und in Verhältnissen, die nicht viel besser waren als die Leibeigenschaft. Zudem war in den Südstaaten im Laufe der 1880er und 1890er Jahre eine ganze Reihe der bereits erwähnten Jim Crow-Gesetze erlassen worden, die selbst marginalste Schritte hin zu einer gesellschaftlichen Gleichstellung, wie sie die Afroamerikaner nach dem Sieg der Nordstaaten im Bürgerkrieg forderten, wieder rückgängig machten.1 Am Ende des 19. Jahrhunderts garantierten diese Landesgesetze einzelner Bundesstaaten, dass es Afroamerikanern so gut wie unmöglich war, in einem der Südstaaten ihr Wahlrecht auszuüben. Dies hatte zur Folge, dass sie auch nicht als Schöffen berufen werden konnten, um die von Weißen kontrollierte Justiz in Frage zu stellen. Jim Crow-Gesetze dienten vor Allem dazu, den Sozialkontakt zwischen den Rassen so weit wie möglich einzuschränken, und somit die Vorherrschaft der weißen Rasse unbegrenzt aufrechtzuerhalten. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA von 1896 im Verfahren »Plessy gegen Ferguson« zementierte die Verhältnisse in den Südstaaten, da es rassengetrennte Institutionen als verfassungsmäßig anerkannte, solange es »separate«, aber »gleiche« Einrichtungen für jede Rasse gab. Damit war dem Fortbestand der Rassentrennung Tür und Tor geöffnet. Schon bald beherrschte sie alle Facetten des Alltagslebens. Schulen, Restaurants, öffentliche Wasserspender zum Trinken, Kinos, der öffentliche Nah- und Fernverkehr, Krankenhäuser, ja sogar Friedhöfe wurden einer strikten Rassentrennung unterworfen. Um jeden Kontakt mit Afroamerikanern einzudämmen und die »Reinhaltung der weißen Rasse« zu garantieren, wurden auch Gesetze erlassen, die jegliche Liebesbeziehungen sowie die Ehe zwischen weißen und afroamerikanischen Menschen als miscegenation (Rassenmschischung) kriminalisierten. Speziell dieses Jim Crow-Gesetz zur »Reinhaltung« der weißen Rasse diente als Grundstein für die Fortführung der Rassentrennung sowie der weißen politischen, wirtschaftlichen, und sozialen Vorherrschaft. In der hasserfüllten Rhetorik des Südens wurde jeder afroamerikanische Mann als potenzieller Vergewaltiger weißer Frauen angesehen und als Gefahr für die Integrität der

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weißen Rasse hingestellt. Speziell das sexuelle Tabu sorgte somit dafür, dass schwarze Männer, egal ob sie Tagelöhner oder Professor an einer afroamerikanischen Universität waren, mit boy (Junge) statt mit Mister (Herr) angesprochen wurden. Angebliche Brüche des sexuellen Tabus wurden immer wieder vom Ku Klux Klan und weißen Lynchmobs als Anlass für brutale Gewalt und sogar Mord benutzt, um die schwarze Bevölkerung der Südstaaten in einem Zustand dauernder Angst und Bedrohung zu halten. Bis in die 1920er Jahre wurden jährlich zwischen fünfzig und hundert Afroamerikaner auf brutalste Weise umgebracht, weniger als ein Prozent der Täter kam vor Gericht.2 Ein komplexes Regelwerk informeller und nirgendwo schriftlich niedergelegter Verhaltenscodes half, das System der weißen Vorherrschaft innerhalb der alltäglichen Interaktionen der Rassen zu verstärken. Von Afroamerikanern wurde erwartet, dass sie überall und jederzeit Weißen nachdrücklichen Respekt entgegenbrachten. Sie mussten beim Anstehen in einer Schlange warten, bis alle Weißen drangekommen waren, weißen Autofahrern Vorfahrt geben, und auf dem Bürgersteig Platz machen. Die Häuser weißer Amerikaner durften sie zudem nur durch die Hintertür betreten. Afroamerikanische Männer mussten jeglichen Kontakt mit weißen Frauen meiden. Afroamerikaner, die diese Rassentrennungsgesetze und Verhaltenscodes missachteten, riskierten brutale Übergriffe örtlicher Sheriffs oder der Lynchmobs. Die »gesetzlichen« Regelungen und informellen Traditionen, die weiße Vorherrschaft aufrecht zu erhalten, waren derart untrennbar miteinander verbunden, dass der afroamerikanische Pädagoge William Henry Holtzclaw 1915 befand: »Es ist einigermaßen schwierig, gegenwärtig eine klare Trennungslinie zu ziehen, wo der Geist der Lynchjustiz endet, und der Geist der gesetzlichen Verfahren beginnt.«3 Hinzu kam: »Getrennt« entsprach keineswegs »gleich«, wie vehement auch immer die Befürworter der Rassentrennung dies behaupteten. Die wenigen Schulen, die für afroamerikanische Kinder errichtet wurden, befanden sich oft in einem beklagenswerten Zustand, und die Rate der Analphabeten blieb in den Südstaaten auf einem unerträglich hohen Niveau. Während gleichzeitig eine stolze, langsam wachsende, und vorerst kleine schwarze Mittelschicht von Lehrern, Geistlichen und Geschäftsleuten ein privilegierteres Leben als die armen Kleinpächter und Tagelöhner führte, waren auch sie der täglichen Diskriminierung und Demütigung durch die Jim Crow-Gesetze und die Rassentrennung ausgesetzt. »Schwarz zu sein war ein Teil unserer Atemluft«, erinnert sich der schwarze Aktivist Charles Evers: »Es war Teil der Sozialisation jedes schwarzen Jugendlichen. Unsere Mütter erzählten uns vom Tag unserer Geburt an, dass wir schwarz waren. Die weißen Leute seien kein Haar besser als wir, sagte Mama, aber sie seien überzeugt, dass sie es waren […] Wir bekamen eingehämmert, auf unsere Schritte zu achten, unsere gesellschaftlich verordnete

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Stellung nicht zu verlassen, und den Bürgersteig zu verlassen, wenn uns eine weiße Frau entgegenkam.« 4 Jenen zehn Prozent der schwarzen Gesamtbevölkerung, die Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts außerhalb des Südens lebten, erging es etwas besser, weil die diskriminierenden Jim Crow-Gesetze zur Rassentrennung dort nicht galten. Doch auch in den Nordstaaten und im amerikanischen Westen gab es einen tiefverwurzelten Rassismus und eine Trennung der Rassen, die zwar nicht gesetzlich definiert war, aber ebenfalls das Alltagsleben der schwarzen Bevölkerung entscheidend prägte.5 Das Gros der Afroamerikaner war hier wie dort gezwungen, im Niedriglohn-Sektor als einfache Arbeiter oder Tagelöhner zu arbeiten und in den ärmsten Wohngebieten zu leben. Selbst wohlhabende und gebildete Afroamerikaner aus dem Bürgertum wussten, welche Geschäfte, Hotels oder Restaurants ihnen offenstanden und welche nicht. Eine zunehmend integrierte nationale Marktwirtschaft sorgte außerdem dafür, dass tiefsitzende rassistische Stereotypen aus dem Süden landesweit durch Werbung und Populärkultur verbreitet wurden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Afroamerikaner am Vorabend des Ersten Weltkriegs in den gesamten Vereinigten Staaten bestenfalls Bürger zweiter Klasse waren. Trotz der misslichen Lage der schwarzen Bevölkerung waren viele ihrer intellektuellen Vordenker davon überzeugt, dass die Mitwirkung der Afroamerikaner am Ersten Weltkrieg sie letztlich den vollen Bürgerrechten näher bringen würde. Im emanzipatorischen Diskurs der Aktivisten bot die Uniform der US-Armee und die Bereitschaft, für das eigene Land zu kämpfen und zu sterben, die beste Chance, letztendlich als volle gleichwertige Bürger akzeptiert zu werden. Daher ermunterte W. E. B. Du Bois, einer der bekanntesten Sprecher der Bewegung zur Verbesserung der Lage der schwarzen Minderheit in Amerika und gleichzeitig Mitbegründer einer der ersten Bürgerrechtsorganisationen des Landes, der NAACP (National Association for the Advancement of Colored People/Nationaler Zusammenschluss zur Förderung farbiger Menschen), seine schwarzen Landsleute, die »Reihen zu schließen« und sich den Kriegsanstrengungen gegen Deutschland anzuschließen.6 Dieser Aufruf war Du Bois nicht leicht gefallen. Er hatte als Student in Harvard ein prestigeträchtiges Stipendium gewonnen, das es ihm ermöglichte, von Herbst 1892 bis Frühjahr 1894 an der Humboldt-Universität in Berlin zu studieren. Du Bois hatte seine Zeit in Deutschland genossen. Es war seine erste Begegnung mit einer Gesellschaft ohne color line, also ohne gesetzliche Rassentrennung. Bis zu seinem Lebensende erinnerte er sich an Deutschland als einen ganz besonderen Ort. In Berlin gelang es ihm, die kollektive afroamerikanische Erfahrung, ein »Problem« zu sein, zu überwinden, und er begann, »die Welt als Mensch zu sehen«.7 Er erinnerte sich später, wie diese Einflüsse und Erfahrungen ihn zu dem Intellektuellen formten, als der er in die Vereinigten Staaten zurückkehrte: »Wenn ich nicht nach Deutschland

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gegangen wäre, wäre ich in einer komplett farbigen Welt eingeschlossen geblieben, selbstzufrieden und provinziell«.8 Wegen seiner Freundschaften und Erfahrungen mit »Weißen« außerhalb der USA begann er, »den kulturellen Aspekt von Rasse« zu betonen, weil, so Du Bois, »die ewigen Mauern zwischen den Rassen nicht mehr so unerschütterlich und ausgrenzend erschienen«.9 Und doch, so sehr Du Bois die deutsche Kultur liebte, so sehr verabscheute er den deutschen Militarismus. Obwohl er den Ersten Weltkrieg als einen Machtkampf zwischen den europäischen Mächten um die Vorherrschaft in Afrika und Asien verstand, entschied er sich für Frankreich und Großbritannien, und gegen sein geliebtes Deutschland. Doch viele Afroamerikaner widersetzten sich Du Bois’ Aufforderung, die »Reihen zu schließen«. Roi Ottley, einer von Amerikas führenden schwarzen Journalisten, sprach für viele Schwarze, als er befand: »Die Wahrheit ist, Neger bekundeten wenig Enthusiasmus für den Krieg – ihre Augen waren eigentlich auf Washington gerichtet, nicht auf London, Paris oder Berlin«.10 Und ganz grundsätzlich wurde gefragt, warum Afroamerikaner überhaupt ihr Leben riskieren sollten, um die Demokratie in Europa zu verteidigen, wenn sie ihnen zuhause vorenthalten wurde. Nachdem während der blutigen Ausschreitungen in St. Louis im Bundestaat Missouri im Mai und Juli 1917 mehr als hundert Afroamerikaner ums Leben gekommen waren und über sechstausend aus ihren Wohnungen und Häusern vertrieben worden waren, trugen Demonstranten am 28. Juli 1917 während eines von der NAACP organisierten Schweigemarsches durch New York Plakate, die an Präsident Wilson appellierten: »Bring Demokratie nach Amerika, bevor du sie nach Europa trägst«, und: »Warum nicht zuerst in AMERIKA die Demokratie sichern?« 11 Trotz der Diskriminierung und der Demütigung, die ihr tägliches Leben prägten, und trotz der Warnungen anderer schwarzer Intellektuellen, dass Du Bois’ vorbehaltloser Aufruf zum Schulterschluss ein Fehler sei, folgten die Afroamerikaner massenweise seinem Aufruf. Mehr als 400.000 schwarze GIs dienten im Ersten Weltkrieg in den US-Streitkräften. Viele taten dies in der Hoffnung, nun endlich als Bürger »erster Klasse« anerkannt zu werden. Für andere bedeutete der Militärdienst eine Chance, der großen Armut im Süden zu entfliehen. Obwohl ihr Land diesen Beitrag zu den Kriegsanstrengungen dringend benötigte, waren die militärischen Führungskräfte – überproportional von Offizieren und Unteroffizieren aus den Südstaaten dominiert – jedoch keineswegs gewillt, den schwarzen Soldaten die volle »Mannesehre« zuteil werden zu lassen, und sie für Gefechtsaufgaben auszubilden. Daher wurden fast neunzig Prozent der afroamerikanischen Soldaten ausschließlich den Arbeits- und Nachschub-Einheiten zugeteilt statt den prestigeträchtigen Kampfeinheiten. Sogar Afroamerikaner mit Hochschulabschluss mussten mit unqualifizierten Posten vorlieb nehmen, wo sie ihre Talente oder erworbenen Fähigkeiten nicht anwenden konnten. Noch erniedrigender für

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die Soldaten in den Arbeitseinheiten war die Tatsache, dass sie anstatt militärischer Uniformen die blaue Kleidung der sogenannten chain gangs (Arbeitskolonnen von Strafgefangenen) erhielten, die im Süden der USA traditionell Schwerstarbeit als Teil ihrer Gefängnisstrafe verrichteten. Auch war das Militär darauf bedacht, ehemalige Aufseher dieser chain gangs als Vorgesetzte für die »schwarzen Arbeiter in Uniform« einzusetzen, da diese angeblich am Besten verstanden, wie mit schwarzen Rekruten »umzugehen sei«.12 Die Streitkräfte benutzten diese Verwendungsstrategie in der Hoffnung, dass damit die »Südstaaten-Sensibilitäten« (acht der neun Ausbildungs-Kasernen lagen in den südlichen Bundesstaaten der USA) davor bewahrt würden, schwarze Soldaten in regulärer Uniform sehen zu müssen. Einmal nach Übersee versetzt, wurden den schwarzen Rekruten die unbeliebtesten Arbeiten übertragen. So war es unter anderem die Aufgabe dieser »Arbeiter in Uniform«, wie die Offiziere sie nannten, die in Frankreich anlandenden Schiffe zu entladen, den Putzdienst in den Kasernen zu versehen, Kartoffeln zu schälen, Eisenbahnschienen zu verlegen, die Infrastruktur zu reparieren, Gräben und Latrinen auszuheben, und sich um die mitgeführten Herdentiere zu kümmern. Obendrein erhielten sie auch noch unterdurchschnittliche Verpflegung und wurden in primitivste Unterkünfte gesteckt. Zudem mussten viele auch die »beleidigende Sprüche, Tritte, Stöße und schmerzhafte Schläge« ihrer Vorgesetzten ertragen.13 Trotz dieser zusätzlichen Demütigung und den oft inkompetenten weißen Offizieren, die ihnen vorstanden, zeichneten sich viele der 200.000 Afroamerikaner, die in Übersee zum Einsatz kamen, durch herausragende Leistungen aus. Afroamerikanische Soldaten des ausschließlich mit schwarzen Soldaten besetzten 369. Infanterieregiments, die Harlem Hellfighters, erlangten besonderen Ruhm. Sie kämpften an der Seite französischer Einheiten, weil die weißen Offiziere ihres eigenen Landes sie nicht befehligen wollten. Zusammen mit ihren französischen Kameraden waren sie unter den ersten Einheiten, die den Rhein erreichten. Dafür wurden sie mit einigen der höchsten französischen Militärorden für ihre Tapferkeit ausgezeichnet. Ihr eigenes Land war den schwarzen Kampfeinheiten weniger dankbar. Nach dem Ende der Kampfhandlungen zogen ihre Kommandeure die schwarzen Einheiten umgehend wieder von deutschem Territorium ab, damit sie nicht Teil der Besatzungstruppen wurden und über eine weiße Bevölkerung befehligen konnten.14 Der Erste Weltkrieg hatte auch bedeutsame Rückwirkungen auf die Lebenssituation der Afroamerikaner in den Vereinigten Staaten. Bedingt durch den Krieg kam die Immigration europäischer Arbeiter fast völlig zum Erliegen. Deshalb war die US-Rüstungsindustrie vermehrt auf die Arbeitskraft schwarzer Amerikaner angewiesen. Da die meisten Industriezentren im Norden der Vereinigten Staaten lagen, verließen Hunderttausende von ihnen den landwirtschaftlich geprägten Süden, wohin ihre Vorfahren zur Zeit der Sklaverei

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verschleppt worden waren, und zogen in die Industriestädte des Nordens. Diese sogenannte Great Migration, angespornt vom Chicago Defender, einer der bedeutendsten afroamerikanischen Zeitungen Amerikas, setzte sich auch nach 1918 unvermindert fort. Angezogen von dem Versprechen einer Gesellschaft ohne gesetzliche Rassentrennung und ohne Lynchmob-Terror, verließen bis 1940 fast zwei Millionen Afroamerikaner den Süden. Zu den Gründen, warum er den Süden verlassen hatte, sagte ein Betroffener dem Vertreter des US-Landwirtschaftsministeriums bei einer Befragung: »Ich wollte einfach irgendwo hin, wo ich nicht ständig Angst haben musste.«15 Zu kämpfen und den beiden Großmächten Frankreich und Großbritannien dabei zu helfen, das Deutsche Kaiserreich, eine andere »weiße« Macht zu besiegen, hatte gleichzeitig auch dramatische Auswirkungen auf den einzelnen afroamerikanischen Soldaten. Ein Soldat fasste seine Erinnerungen an seine Zeit in Frankreich so zusammen: »Ich habe niemals zuvor erfahren, was es heißt, wirklich frei zu sein, wirkliche Freiheit zu spüren – in einem Satz, ›ein Mensch zu sein‹.«16 Denn in Frankreich und Belgien erlebte erstmals eine größere Zahl von Afroamerikanern eine weiße Gesellschaft, die sie nicht der gesetzlichen Jim Crow-Rassentrennung, Diskriminierung und wahllosen Gewalt aussetzte. Im Gegenteil, die afroamerikanischen Musiker in den USMilitärkapellen wurden von den Franzosen gefeiert, und in den Städten und Dörfern Frankreichs und Belgiens konnten afroamerikanische US-Soldaten erstmals Restaurants, Cafés und Gaststätten betreten, ohne sich – wie in den Vereinigten Staaten – von verhassten Schildern wie »Für Neger verboten« demütigen lassen zu müssen. Noch überraschender für diese Soldaten war der Umstand, dass weiße Frauen sie attraktiv und liebenswert fanden und bereit waren, mit ihnen romantische oder freundschaftliche Beziehungen einzugehen, ohne dass dies Lynchmob-Aktionen verursachte. Henry Berry, ein Veteran des Ersten Weltkriegs, schrieb, wie sehr ihn diese Erfahrungen in Europa bewegt hatten. In Frankreich »war er kein Wilder, kein kaum gezähmter Köter, sondern ein menschliches Wesen […] mit dem Recht, zu leben und glücklich zu sein«.17 Amerikas schwarze Soldaten kämpften darüberhinaus Seite an Seite mit Kolonialtruppen der britischen und französischen Streitkräfte. Sie wurden dadurch in die Lage versetzt, ihre eigene rassistische Unterdrückung und die Rassenpolitik ihres Landes in einem größeren internationalen Zusammenhang zu sehen. So führte der Erste Weltkrieg nicht nur dazu, weitaus urbanere, sondern auch hinsichtlich der Rassenfrage globaler und differenzierter denkende schwarze Bevölkerungsgruppen zu schaffen.18 Die Kriegsteilnahme afroamerikanischer GIs 1917/1918 verdeutlichte Vielen zudem wie niemals zuvor die Diskrepanz zwischen den von Amerika offiziell propagierten demokratischen Idealen auf der einen Seite, und der Lebensrealität der schwarzen Bevölkerung Amerikas auf der anderen. Dies sollte erhebliche Auswirkungen

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auf die Bürgerrechts-Aktivisten und ihren Umgang mit der systematischen Benachteiligung und Unterdrückung schwarzer Amerikaner haben. Als Du Bois 1918 afroamerikanische Soldaten in Frankreich besuchte, wurde ihm erneut, wie schon damals in Berlin während seiner Studienzeit, das volle Ausmaß der Scheinheiligkeit seines Heimatlandes deutlich. Blicke man von außerhalb auf die USA, erklärte Du Bois, kristallisiere sich das amerikanische »Rassenproblem« so klar wie nie zuvor heraus. Du Bois war empört darüber, dass schwarze Soldaten auch nach Kriegsende weiterhin die niedrigsten Arbeiten ausführen mussten. Nachdem sie während der Kampfhandlungen größtenteils von den tatsächlichen Kriegsschauplätzen ferngehalten worden waren, wurde ihnen nun auferlegt, die Leichen gefallener weißer US-Soldaten auf den Schlachtfeldern zu bergen und auf den ebenfalls von schwarzen GIs angelegten Soldatenfriedhöfen beizusetzen. Du Bois war auch empört, dass die US-Kommandeure nicht nur auf einer rigiden Rassentrennung innerhalb ihrer eigenen Truppen bestanden, sondern auch versuchten, den Franzosen die amerikanische Praxis der Segregation aufzunötigen. US-Offiziere wiesen ihre französischen Kollegen an, afroamerikanischen Offizieren nicht die Hand zu schütteln, und forderten die Zivilbevölkerung – besonders die Frauen – auf, keine Beziehungen zu schwarzen Soldaten aufzunehmen. Du Bois beklagte nach dem Krieg, eine »Nation mit einer schweren Krankheit« sei aufgebrochen, die Zivilisation zu retten; [und] habe damit »die Krankheit […] von Rassenhass und Vorurteilen […] nach Europa« gebracht.19 John Hope, ein Freund Du Bois’ und einer der herausragendsten schwarzen Intellektuellen seiner Zeit – er wurde später Präsident der Atlanta University in Atlanta, Georgia, einer der renommiertesten und ältesten afroamerikanischen Universitäten – drückte dieselbe Desillusionierung aus, als er beobachten musste, wie entwürdigend schwarze Soldaten in Frankreich von ihren eigenen Offizieren, aber auch von ihren weißen Kameraden, behandelt wurden: »Wenn Sie mich fragen, ob diese Vorurteile ein südliches oder nördliches Problem sind, wäre ich gezwungen zu sagen, dass es ein südliches und ein nördliches [Problem] ist, dass es ein amerikanisches [Problem] ist«. Für Hope erlaubte die Konfrontation mit dem amerikanischen Rassismus außerhalb der USA ebenfalls ein neues und schärferes Verständnis des amerikanischen »Rassenproblems«. Er schrieb 1919: »Ich sehe die Fehler meines Landes [jetzt] klarer, als vor meinem Aufenthalt in Frankreich.«20 Woodrow Wilsons Schlachtruf am Vorabend des US-Kriegseintritts, »to make the world safe for democracy«, ermöglichte es also afroamerikanischen Bürgerrechtsaktivisten, die Defizite ihrer eigenen, heimischen Demokratie klarer zu formulieren und konsequenter öffentlich anzuprangern. In einem Kommentar in The Crisis, der offiziellen Zeitschrift der NAACP, ermutigte Du  Bois 1919 deshalb die schwarzen »Kämpfer für Demokratie«, auch den »Kampf mit den Kräften der Hölle in unserem eigenen Land« aufzunehmen.

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Er pries die siegreich aus Europa zurückkehrenden schwarzen Kriegsveteranen und forderte sie auf, den Kampf in den USA fortzusetzen: »Wir kommen zurück. Wir kommen zurück aus dem Kampf. Wir schlagen zurück. Macht den Weg frei für Demokratie! Wir retteten sie in Frankreich, und im Namen des Großen Jehovah werden wir sie in den Vereinigten Staaten von Amerika retten.«21

Abb. 1.1: Afroamerikanische Soldaten des 505. Pionierbataillons führen vor, wie sie »die Hunnen fertig gemacht haben«, 5. Mai 1919 (NARA, College Park, MD) Siegreich von den europäischen Schlachtfeldern zurückkehrend, waren viele afroamerikanische Veteranen bereit, ihre Forderung nach einer umfassenderen Demokratisierung auch der USA öffentlich zu vertreten. Dazu sollte es jedoch nicht kommen. Noch während des Krieges erlebte die USA einen drastischen Anstieg der Gewalt gegen Afroamerikaner. Die Zahl der Lynchmorde in den Südstaaten nahm dramatisch zu, ebenso die Rassenunruhen im Norden, wo afroamerikanische Arbeiter nun mit Weißen um die Arbeitsplätze konkurrierten. Das Kriegsende und die nach der bolschewistischen Revolution in Russland verbreitete Angst vor dem kommunistischen Schreckgespenst machten die Lage für afroamerikanische Bürgerrechtler (die nun leichterdings mit dem Vorwurf, Kommunisten zu sein, diskreditiert wurden) zunehmend gefährlich. Weiße Südstaatler versuchten mit einer ungekannten Terrorwelle, die minimalen Verbesserungen, die die Afroamerikaner während des Krieges erreicht hatten, wieder rückgängig zu machen. Auf die reaktionären Südstaatler, befand der afroamerikanische Pädagoge Carter Woodson 1922, »wirkte ein schwarzer Mann in der Uniform der Streitkräfte der Vereinigten Staaten von

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Amerika wie ein rotes Tuch auf einen Kampfstier«.22 Ein Veteran aus Natchez in Mississippi beklagte: »Man konnte deutlich sehen, dass ihnen die Vorstellung eines bewaffneten Negers in Uniform Angst einjagte. Sie fürchteten, dass diese Neger nicht länger all die Beleidigungen wehrlos einstecken würden, die ihnen täglich von Weißen zugemutet wurden.«23 Den von »französischen Frauen ruinierten Neger-Soldaten«, wie James Vardaman, US-Senator aus Mississippi und einer der berüchtigtsten Rassisten, schwarze Veteranen nannte, sollten nun die gültigen Rassenhierarchien im Süden wieder nachdrücklich in Erinnerung gerufen werden. Als sich ein schwarzer Veteran weigerte, den Bürgersteig zu verlassen, wozu ihn eine weiße Frau aufgefordert hatte, musste er mit seinem Leben dafür büßen. Er wurde eines von 77 afroamerikanischen Lynchopfern des Jahres 1919 (davon zehn Veteranen).24 Wie die entmutigten Afroamerikaner bald einsehen mussten, hatte sich keine einzige der großen Hoffnungen erfüllt, die Du  Bois’ Aufruf »die Reihen zu schließen«, 1917 geweckt hatte. Die »Mannesehre« und die vollen Bürgerrechte, die der Militärdienst traditionell denjenigen gewährte, die bereit waren, für ihr Land zu kämpfen und zu sterben, wurden den Afroamerikanern auch nach ihrer Rückkehr weiterhin vorenthalten. Das US-Militär, das in erheblichem Maße auf den Beitrag der schwarzen Soldaten angewiesen gewesen war, um den Sieg über Deutschland zu erringen, verweigerte den schwarzen Freiwilligen, die dem US-Militär in den Friedenszeiten der 1920er und 1930er Jahre beitreten wollten, die Aufnahme. 1938 fanden sich unter den insgesamt 230.000 Angehörigen der US-Streitkräfte nur noch 4.500 Afroamerikaner. Reihenweise wurden schwarze Soldaten aus der Armee entlassen. Wer von den langsam zahlreicher gewordenen schwarzen Offizieren darum bat, sein Kommando behalten zu dürfen, wurde ebenfalls abgelehnt, denn – wie ein Untersuchungsausschuss befand – »Neger sind moralisch minderwertig, was sie ungeeignet für eine Lauf bahn als Offizier und Truppenführer macht«. Schon während des Ersten Weltkriegs hatte es im 1.359 Mann umfassenden Offizierskorps der US-Streitkräfte nur fünf Afroamerikaner gegeben. Von diesen fünf waren drei Militärpfarrer und der Vierte stand kurz vor dem Ruhestand.25 Entmutigt von dieser auf Vorurteilen beruhenden Behandlung, resignierte die Mehrheit der schwarzen Amerikaner und fand sich mit dem Status quo ab, so dass die Vorstöße zugunsten von mehr Bürgerrechten stark an Unterstützung verloren. In den 1930er Jahren bemühte sich die NAACP nichtsdestotrotz, dem System der Jim Crow-Rassentrennung mit Klagen vor Amerikas Gerichten die Stirn zu bieten. Amerikanische Sozialisten und Kommunisten engagierten sich ebenfalls in der Zwischenkriegszeit in besonderem Maße im Kampf um die Bürgerrechte im Norden und Süden der USA.26 Es bedurfte allerdings der konkreten Gefahr eines weiteren Weltkriegs und des amerikanischen Kriegseintritts im Dezember 1941, um die Bürgerrechtsdiskussion in den Vereinigten

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Staaten wiederzubeleben. Während Amerikas Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Kampf für die Demokratie gerechtfertigt worden war, ergab sich mit dem Zweiten Weltkrieg eine ganz neue Dimension, da das NS-Regime nicht nur als Bedrohung für die Demokratie wahrgenommen wurde, sondern als zutiefst rassistische Ideologie. Den afroamerikanischen Aktivisten war klar, dass der NS-Rassismus auch gegen Andersdenkende, Kommunisten, Sozialisten, körperlich und geistig Behinderte, Schwarze Deutsche und andere ethnische Minderheiten wie Roma und Sinti gerichtet war, aber sie diskutierten den von den Nationalsozialisten errichteten deutschen Rassenstaat hauptsächlich im Hinblick auf seine antisemitische Komponente. Sie taten dies, da die Roosevelt-Regierung ebenso wie die wichtigsten Medien, die Kirchen, Gewerkschaften und Staatsbürgerverbände sich hauptsächlich über die Rassengesetzgebung gegen die Juden und die auf sie zielende Gewalt empörten, nicht aber über die Gewalt gegen andere Minderheiten.27 Zwei Umstände machten die Vorgänge in Deutschland so bedeutsam für die Art und Weise, in der schwarze Aktivisten ihre Forderungen nach mehr Bürgerrechten nun vorbrachten: Zum einen wurde der Glaube des NS-Regimes an die Überlegenheit der »arischen Rasse« (nahezu identisch mit den Formulierungen bezüglich der »Überlegenheit der weißen Rasse«, die im Süden der USA propagiert wurden), einer harten Bewährungsprobe unterzogen, als der Afroamerikaner Jesse Owens bei der Olympiade 1936 in Berlin einige von NS-Deutschlands bekanntesten Athleten besiegte und vier Goldmedaillen gewann. Dasselbe geschah ein weiteres Mal 1938, als der Afroamerikaner Joe Louis seinen deutschen Gegner Max Schmeling in einem Box-Rückkampf im New Yorker Madison Square Garden in der ersten Runde K.o. schlug. Diese Siege über Angehörige der vermeintlichen »Herrenrasse« begeisterten die Afroamerikaner und brachten weiße Amerikaner dazu, wenn auch noch so widerwillig, schwarze US-Athleten zu feiern. Zum anderen ermöglichte es Hitlers Machtübernahme im Januar 1933, die Verabschiedung der »Nürnberger Gesetze« (September 1935), und die Ausgrenzung deutscher Juden aus der Gesellschaft den Aktivisten, Vergleiche zwischen der Lage der Juden in Deutschland und der der Afroamerikaner in den USA anzustellen. Schwarze Bürgerrechtsaktivisten waren entsetzt darüber, was den deutschen Juden angetan wurde, und sie erkannten früher als die meisten anderen Amerikaner den verbrecherischen Charakter des NS-Rassenhasses. Aber auch wenn sie Mitgefühl gegenüber den deutschen Juden zum Ausdruck brachten, so äußerten sie auch ihre tiefe Bestürzung darüber, dass weiße Amerikaner gewillt waren, sich für die Juden in Deutschland einzusetzen, nicht aber für die Rechte der Afroamerikaner in den Südstaaten der USA.

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Abb. 1.2: Karikatur: »Götterdämmerung/ Olympische Siege«, Juni 1936, The Crisis (NAACP, Baltimore, MD) Schwarze Bürgerrechtsaktivisten waren sich völlig im Klaren über den Unterschied zwischen dem staatlich sanktionierten Rassismus NS-Deutschlands und der ablehnenden Haltung der US-Regierung in Washington, stärker in den Südstaaten zu intervenieren, wo die diskriminierenden und entwürdigenden Jim Crow-Gesetze galten. Trotzdem argumentierten sie, dass »rassistische Vorurteile rassistische Vorurteile sind, wo auch immer sie auftreten. Es ist ebenso schäbig und grausam, wenn sie gegen einen Neger in Mississippi gerichtet sind, wie wenn sie gegen einen Juden in Deutschland gerichtet sind.«28 Die eskalierende Gewalt der SA-Horden gegen deutsche Juden in den 1930er Jahren und die lautstarke Empörung darüber in den USA erlaubte es den Aktivisten zudem, konsequent die Gewalt gegen Afroamerikaner im Süden der Vereinigten Staaten anzuprangern. Dieser Schritt wurde möglich, weil in den USA Ende der 1920er Jahre eine umfassende Kampagne gestartet worden war, Lynchmorde als Straftat im Rahmen der Bundesgesetze zu ahnden. Aus Deutschland emigrierte jüdische Wissenschaftler, die dem Nazi-Terror entkommen waren, unterstützten diesen Vorstoß besonders nachhaltig. Teilweise beruhte das auf ihrer eigenen Erfahrung mit der Nazi-Rassenideologie. Darüber hinaus wurde dies jedoch noch verstärkt durch den Schock, als sie erstmals mit der Jim CrowRassentrennung in den USA konfrontiert wurden, als sie an rein schwarzen Colleges im Süden der USA, wo viele von ihnen Arbeit fanden, zu unterrichten

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begannen, und dadurch den vollen Umfang des US-Rassenproblems erkannten.29 Dieser fast ein Jahrzehnt andauernde Kampf gegen die Lynchjustiz wurde auch von Millionen fortschrittlicher weißer Amerikaner unterstützt, schlug aber letztlich fehl, weil der US-Senat von rassistischen Südstaaten-Senatoren dominiert wurde, die befürchteten, dass eine Einmischung der US-Regierung in interne »Angelegenheiten« der Südstaaten (states’ rights) der erste Schritt hin zu einem nationalen Bürgerrechtsgesetz, und damit für die soziale und politische Gleichberechtigung der Afroamerikaner sein würde. 30 Die Ablehnung der Gesetzesvorlage gegen Lynchmorde im US-Senat 1938, verbunden mit der mangelnden Bereitschaft Präsident Roosevelts, Afroamerikaner durch eine Executive Order (Präsidialerlass) vor der wahllosen Gewalt weißer Lynchmobs zu schützen, löste eine neue Welle der Proteste schwarzer Bürgerrechtsaktivisten aus, die wiederum die Behandlung von Juden in Deutschland mit der Behandlung der schwarzen Minderheit in Amerika verglichen.31 Ein Beobachter fragte 1939 beispielsweise, was der Unterschied im Hinblick auf »einen ermordeten Mann« sei – »zwischen einer Regierung, die seine Ermordung per Dekret sanktioniert, oder einer Regierung die seine Ermordung zulässt« aus reiner Missachtung für sein Menschsein.32 Diese Art von Vergleichen reduzierte sich allerdings, als den afroamerikanischen Aktivisten das volle Ausmaß des Nazi-Rassenwahns klar wurde. So schrieb der Chicago Defender Ende 1942 beispielsweise, »falls Hitler gewinnt, werden die Südstaat-Rassisten, die jetzt den Lynchmord als Waffe des Terrors nutzen, ihn als Waffe der Vernichtung einsetzen«.33 Als klar wurde, dass die USA wieder in einen Krieg in Europa verwickelt werden könnte, entbrannte auch wieder die Debatte über eine mögliche Beteiligung der Afroamerikaner. Angesichts ihrer immer noch schwierigen Lage in der USA und in Erinnerung an die gebrochenen Versprechen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs waren viele Afroamerikaner wenig begeistert von der Aussicht, sich an einem weiteren »Krieg für die Demokratie« zu beteiligen, von dem sie ihrer Meinung nach nichts für sich selbst zu erwarten hatten. Charles Hanson, ein Veteran des Zweiten Weltkrieges erinnert sich noch Jahrzehnte später, dass er es merkwürdig fand, dass schwarze Zeitungen darauf bestanden, dass schwarze Soldaten diesmal auch für die prestigeträchtigen Kampfeinheiten und für den Frontdienst ausgebildet werden sollen, was eine verstärkte Motivation zum Eintritt in die Armee schaffen sollte. »Warum soll jemand, der täglich was auf den Kopf bekommt, darauf bestehen, dass er an die Front geschickt wird?«34 Ein anderer Afroamerikaner schrieb an die NAACP, »dass der Neger lieber sein Leben für ein Anliegen, das er versteht, zu Hause opfern möchte als gegen einen Feind zu kämpfen, dessen Prinzipien die gleichen sind wie die unserer sogenannten Demokratie«.35 Die schwarze Presse verlieh diesem Gefühl Ausdruck mit der Frage: »Warum für Demokratie in einem fremden Land sterben, wenn wir sie nicht mal hier zuhause haben?«36

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Abb. 1.3: Karikatur: »Deine Hände sind blutig«, Februar 1935, The Crisis (NAACP, Baltimore, MD)

Abb. 1.4: Karikatur (li.): »Noch ein Ku Klux Klan-Mann«, Juni 1939 (The Philadelphia Tribune); Abb. 1.5: Karikatur (re.): »So ein Widerspruch«, Februar 1938 (Amsterdam News)

Kapitel 1: Der Erste Weltkrieg und der Aufstieg Hitlers

In den Debatten am Vorabend des Krieges problematisierten die afroamerikanischen Aktivisten auch den Umstand, dass sie gebeten worden waren, bei der Rettung von Großbritannien und Frankreich zu helfen, zweier Kolonialmächte, die Millionen Menschen in Afrika versklavt hatten. Die schwarze Intelligentsija hatte Gandhis Kampf gegen die britischen Behörden in Indien mit großem Interesse verfolgt, und wollte nicht, dass ihr Kriegsbeitrag eine Verlängerung der Kolonialherrschaft ermöglichte. Freiheit für Afroamerikaner, so argumentierte sie, war unmittelbar mit dem Kampf um die Freiheit für Millionen versklavter Menschen in der nicht-westlichen Welt verbunden. In The Crisis nannte George Schuyler die britische Kolonialherrschaft einen »Hitlerismus ohne Hitler«, während Du Bois eloquent auf die Zwickmühle hinwies, in der sich die schwarzen Amerikaner befanden: »Wenn Hitler triumphiert, ist die Welt verloren; wenn England triumphiert, ist die Welt nicht gerettet.«37 Aber als Amerika begann, sich auf den Kriegseintritt vorzubereiten, erkannten afroamerikanische Bürgerrechtsaktivisten auch, dass der Krieg eine neue Chance bot, ihre Bürgerrechts-Agenda voranzubringen. Nie da gewesene Arbeitsmöglichkeiten ergaben sich in den Industriezentren des Nordens und der Westküste. Der akute Mangel an Arbeitskräften gab den Aktivisten ein neues Instrument an die Hand, um die Roosevelt-Regierung unter Druck zu setzen, bisher lediglich Weißen vorbehaltene Jobs in der Rüstungsindustrie auch für Schwarze zu öffnen. Als Folge der Great Migration waren seit dem Ersten Weltkrieg mehr als zwei Millionen Afroamerikanern in den Nordosten und Nordwesten der USA gekommen. Hier konnten sie wählen und wurden deshalb auch von politischen Parteien umworben. Die Demokratische Partei war eifrig darauf bedacht, diese neuen schwarzen Wählerschichten zu erreichen, die ja das Ende der Sklaverei mit den Republikanern unter der Führung Abraham Lincolns im amerikanischen Bürgerkrieg assoziierten. Um die schwarzen Wähler davon zu überzeugen, dass progressive New Deal-Nordstaaten-Demokraten ihre Interessen besser als die wirtschaftsfreundlichen Republikaner vertraten, ernannte Roosevelt eine Anzahl prominenter Afroamerikaner als Berater für einzelne Kabinettmitglieder seiner Regierung.38 Beginnend mit der Niederlage Frankreichs im Sommer 1940 verstärkten afroamerikanische Bürgerrechtsaktivisten ihre Aktivitäten, zumal die Veteranen des Ersten Weltkrieges unter ihnen gute Erinnerungen an das Land und seine Menschen hatten. Als im Dezember 1941 Pearl Harbor von der japanischen Luftwaffe attackiert wurde, waren die meisten von ihnen bereit, ihre Regierung vorbehaltlos zu unterstützen. Um nun auch die überwiegend zögerliche afroamerikanische Bevölkerung zum Schulterschluss zu bewegen, verkündeten die NAACP, die schwarze Presse, in der die schwarze Intelligenzija diese Dinge heftig debattierte, und Organisationen wie die Urban League, dass eine existentielle Entscheidung anstehe. Sie erinnerten die Afroamerikaner an Hitlers hasserfüllte Formulierungen in Mein Kampf, wo er sie mit Halbaffen ver-

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Ein Hauch von Freiheit

glichen hatte. »Wenn Hitler gewinnt, wird jedes einzelne Recht, das wir jetzt besitzen und für das wir hier in Amerika mehr als drei Jahrhunderte gekämpft haben, ausgelöscht […]. Wenn die Alliierten gewinnen, werden wir zumindest das Recht haben, den Kampf um unseren Anteil an der US-Demokratie fortzusetzen.«39 Angesichts der Bedrohung durch den Rassismus des NS-Regimes drängten führende Mitglieder der Bürgerrechtsbewegung die schwarze Bevölkerung, sich dem Kampf anzuschließen. Ihr Motto war: »Wir sind auch Amerikaner.« Aber sie hatten aus ihrem vorbehaltlosen patriotischen Schulterschluss während des Ersten Weltkriegs gelernt. Diesmal bestanden sie darauf, »dass es keine geschlossenen Reihen in der Rassenfrage geben kann, und kein Schweigen angesichts von Ungerechtigkeiten«. 40 Der wohl konsequenteste Ausdruck dieser neuen Haltung war die sogenannte Double-V[ictory]-Kampagne (Sieg an beiden Fronten). Begonnen im Januar 1942 vom Pittsburgh Courier, einer der einflussreichsten schwarzen Zeitungen des Landes, versprach diese Kampagne »eine Attacke mit doppelter Zielsetzung zu führen: gegen unsere Sklavenhalter zuhause und diejenigen in Übersee, die uns zu versklaven drohen«. 41 Ihre Forderung war, dass Afroamerikaner, die bereit waren, im Krieg ihr Leben für ihr Land zu riskieren oder an der Heimatfront wertvolle Arbeit in den Rüstungsfabriken leisteten, um den Kampf ihres Landes gegen Faschismus und Rassismus zu unterstützen, schlussendlich die vollen Bürgerrechte erhalten sollten. Die Double-V-Kampagne einte und politisierte die afroamerikanische Bevölkerungsgruppe wie nie zuvor, aber sie war auch dafür ausersehen, weiße Amerikaner darauf vorzubereiten, den »Widerspruch innerhalb ihrer eigenen Demokratie zu erkennen und sich dem Kampf um die Bürgerrechte für alle Bürger der Vereinigten Staaten« anzuschließen. 42 Schwarze Zeitungen, alle Bürgerrechtsorganisationen und fast jede schwarze Kirche unterstützten diese Kampagne. Die NAACP-Zeitschrift The Crisis wies nachdrücklich darauf hin, was auf dem Spiel stand, und es lohnt, aus dem folgenden Artikel eine längere Passage zu zitieren, um zu zeigen, welch zentrale Stellung der Kampf gegen Hitlerdeutschland innerhalb der Mobilisierungskampagne der schwarzen Bevölkerung einnahm: Hiermit erklären wir das vergossene Blut unserer Kämpfer und den Schweiß unserer Arbeiter zu einem Opfer für eine neue Welt, in der es keinen Hitler, aber auch keinen Hitlerismus mehr geben wird. Und für die dreizehn Millionen amerikanischer Neger bedeutet das, für eine Welt zu kämpfen, in der Lynchmorde, Brutalität, Terror, Demütigung und Degradierung durch Rassentrennung und Diskriminierung keinen Platz mehr haben werden – sowohl hier wie dort. Während wir kämpfen und sterben, müssen wir daher unsere Forderungen stellen. Wir müssen darauf bestehen, dass der Kampf gegen den Hitlerismus in Washington beginnt, der Hauptstadt unserer Nation, wo schwarze Amerikaner nur einen geringfügig höheren Stellenwert haben als Juden in Berlin. Wir müssen

Kapitel 1: Der Erste Weltkrieg und der Aufstieg Hitlers darauf bestehen: Wenn Zwangsarbeit in der Tschechoslowakei falsch ist, dann ist es auch die Leibeigenschaft in Georgia. Falls die Ghettos in Polen ein Verbrechen sind, dann sind es auch die Ghettos in Amerika.43

Indem sie NS-Deutschland als Spiegel benutzten, um Amerikas eigene Versäumnisse bei der Gleichstellung aller Bevölkerungsgruppen zu verdeutlichen, waren afroamerikanische Bürgerrechtsaktivisten in der Lage, so klar wie niemals zuvor zu artikulieren, dass die Trennung der Rassen, wie sie in Amerika gesetzlich festgelegt war oder weitläufig praktiziert wurde, den Menschenrechten Hohn sprach. Die gesetzlich festgelegte Doktrin des separate but equal (Gleichheit trotz Trennung der Rassen), die 1896 vom Obersten Gerichtshofs der USA für verfassungsmäßig befunden worden war, hatte in den zurückliegenden vier Jahrzehnten keineswegs die Gleichheit garantiert, sondern der schwarzen Minderheit noch stärkere Unterdrückung und Diskriminierung eingebracht. Separate but equal – dieser offizielle Grundpfeiler der auf Rassentrennung beruhenden amerikanischen Gesellschaftsordnung war durch den Kampf gegen Nazi-Deutschland ein für alle mal diskreditiert worden. Die Empörung des weißen Amerika über den NS-Rassismus und Amerikas Kriegseintritt 1941 schufen somit die Voraussetzung für eine umfassende Bürgerrechts-Diskussion, deren Akteure sich nicht länger damit zufriedengeben wollten, die Auswirkungen der Rassentrennung zu mildern, sondern darauf bestanden, sie zu beenden. Die Institution der Rassentrennung selbst, sowohl in ihrer legalisierten Form im Süden als auch in ihren informellen Manifestationen im Norden der USA, so die neue Forderung, sollte endgültig abgeschafft werden. Wie Roy Wilkins, Herausgeber der The Crisis, 1944 konstatierte: »Hitler hat die weiße Bevölkerung samt ihrer logisch unhaltbaren Position in die Ecke gedrängt. Gezwungen, ihm im Namen der Rettung der nationalen Ideale Kontra zu geben, wurden sie in die Opposition gegen seine Rassentheorien gezwungen – und zwar öffentlich.« Um den Krieg zu rechtfertigen, hatte die amerikanische Führung proklamiert: »Nieder mit dem Hitlerismus! Nieder mit der Herrenrassen-Theorie! Weg mit der rassistischen Intoleranz!« 44 Das ermutigte die Afroamerikaner, die nun entscheidend an den Kriegsanstrengungen zuhause und auf den Schlachtfeldern in Übersee beteiligt waren, nicht nur die bedingungslose Kapitulation Hitlerdeutschlands, sondern auch die von »Hitler« an der Heimatfront zu fordern. 45

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A nmerkungen 1 | Unter Jim Crow-Gesetzen werden in den Vereinigten Staaten Gesetze einzelner USBundesstaaten verstanden, die zwischen 1876 und 1965 die Rassentrennung von Afroamerikanern und Weißen begründeten. Daher heißt diese Epoche auch Jim-Crow-Ära. Der Ausdruck Jim Crow (»Jim, die Krähe«) steht in den USA für die Periode der offiziellen und institutionalisierten Rassendiskriminierung. Jim Crow selbst war die Standardfigur eines tanzenden, mit sich selbst zufriedenen, dummen Schwarzen in den amerikanischen Minstrelshows des 19. Jahrhunderts. Vgl. www.vastudies.pwnet.org/pdf/ jim_crow.pdf. 2 | Einen guten Überblick über die Lage in den Jim Crow-Südstaaten vor 1940 bietet beispielsweise Neil McMillen: Dark Journey – Black Mississippians in the Age of Jim Crow, Chicago: University of Illinois Press, 1990. Die Geschlechts- und Rassenproblematik im Süden diskutieren Tara McPherson: Reconstructing Dixie: Race, Gender, and Nostalgia in the Imagined South, Durham: Duke University Press, 2003; Hannah Rosen: Terror in the Heart of Freedom: Citizenship, Sexual Violence, and the Meaning of Race in the Postemancipation South, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 2009; Crystal N. Feimster: Southern Horrors: Women and the Politics of Rape and Lynching, Cambridge, MA: Harvard University Press, 2009. Die Geschichte der Rassentrennungsgesetze speziell für interrassische Beziehungen beleuchten Martha Hodes (Hg.): Sex, Love, Race: Crossing Boundaries in North American History, New York: NYU Press, 1999; Paul Spickard: Mixed Blood: Intermarriage and Ethnic Identity in Twentieth-Century America, Madison: University of Wisconsin, 1989; Werner Sollors: Interracialism: Black-White Intermarriage in American History, Literature, and Law, Oxford: Oxford University Press, 2000; Kevin Johnson: Mixed Race America and the Law, New York: New York University, 2003; Elise Lemire: ›Miscegenation‹: Making Race in America, Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2002; Renee Romano: Race Mixing: Black-White Marriage in Postwar America, Cambridge, MA: Harvard University Press, 2003; Peggy Pascoe: What Comes Naturally: Miscegenation Law and the Making of Race in America, Oxford: Oxford University Press, 2009. 3 | Zitiert in McMillen: Dark Journey, S. 197. 4 | Ebd., S. 26. 5 | Zur Rassendiskriminierung und Bürgerrechtsbewegung im Norden der USA siehe Thomas Sugrue: Sweet Land of Liberty: The Forgotten Struggle for Civil Rights in the North, New York: Random House, 2008. 6 | W. E. B. Du Bois: »Close Ranks«, in: The Crisis, Juli 1918. Zu diesem emanzipatorischen Glauben, siehe Christopher Parker: Fighting for Democracy. Black Veterans and the Struggle Against White Supremacy in the Postwar South, Princeton, NJ: Princeton University Press, 2008, Kapitel 2. 7 | Du Bois zitiert nach Sieglinde Lemke: »Berlin and Boundaries: Sollen versus Geschehen«, in: boundary 2, 27.3 (2000), S. 50.

Kapitel 1: Der Erste Weltkrieg und der Aufstieg Hitlers 8 | Kenneth Barkin: »Berlin Days 1892–1894 – W. E. B. Du Bois and German Political Economy«, in: boundary 2, 27.3 (2000), S. 79–101. 9 | W. E. B. Du Bois: Dusk of Dawn – An Essay Toward an Autobiography of a Race Concept, Oxford: Oxford University Press, 2007, S. 51. Zur Studienzeit in Berlin siehe auch W. E. B. Du Bois: The Autobiography of W .E .B. Du Bois, New York: International Publishers, 1968. Zu Du Bois’ Erfahrungen in Deutschland und deren Einfluss auf seine Weltsicht, vgl. Kenneth Barkin: »›Berlin Days‹, 1892–1894: W. E. B. Du Bois and German Political Economy«, boundary 2, 27.3 (2000): S. 79–101; Hamilton Beck: »W. E. B. Du Bois as a Study Abroad Student in Germany, 1892–1894,« www.frontiersjournal.com/ issues/vol2/vol2-03_beck.htm (abgerufen am 27. Oktober 2009). 10 | Theodore Kornweibel: »Investigate Everything«: Federal Efforts to Compel Black Loyalty During World War I, Bloomington: Indiana University Press, 2002, S. 81. 11 | Ebd., S. 81. 12 | Arthur Barbeau und Florette Henri: The Unknown Soldiers. African American Troops in World War I, Philadelphia: Temple University Press, 1974, S. 90. 13 | Ebd., S. 165-66. 14 | Zu den Erfahrungen afroamerikanischer Soldaten im Ersten Weltkrieg, vgl. auch Stephen Harris: Harlem’s Hell Fighters – The African American 369 th Infantry in World War I, Dulles: Potomac Books, 2002; Adriane Lentz-Smith: Freedom Struggles: African Americans and World War I, Cambridge, MA: Harvard University Press, 2009. Einen guten historischen Überblick zum Rassismus im Militär liefern Ulysees Lee: The Employment of Negro Troops, Washington, DC: Office of the Chief of Military History, U.S. Army, 1966; und Bernard C. Nalty: Strength for the Fight: A History of Black Americans in the Military, New York: Free Press, 1989. Vgl. auch die Sonderausgabe des The Journal of Negro Education 12 (Sommer 1943). 15 | McMillen: Dark Journey, S. 264. Für individuelle Geschichten dieser Migration siehe Isabel Wilkerson: The Warmth of Other Suns: The Epic Story of America’s Great Migration, New York: Random House, 2010. Zur Bedeutung der schwarzen Presse vgl. Lee Finkle: Forum For Protest, Rutherford, NJ: Associated University Presses, 1975; und Patrick Washburn: A Question of Sedition: The Federal Government’s Investigation of the Black Press, New York und Oxford: Oxford University Press, 1986. Die Bedeutung der schwarzen Presse im Hinblick auf die Schaffung und Aufrechterhaltung einer schwarzen Gemeinschaft bei Gunnar Myrdal: An American Dilemma: The Negro Problem and Modern Democracy, New York: Harper, 1944, Kap. 42; und Roi Ottley: New World A-Coming, New York: Houghton, Mifflin Company 1943, Kap. 19. 16 | Herman Graham: The Brothers’ Vietnam War. Black Power, Manhood, and the Military Experience, Gainesville: University of Florida Press, 2003, S. 8f. 17 | Zitiert in Lentz-Smith: Freedom Struggles, S. 129. 18 | Dazu siehe Lentz-Smith. 19 | W. E. B. Du Bois: »An Essay Toward A History of the Black Man in the Great War«, in: The Crisis, Juni 1919, S. 87. Vgl. ebenfalls Du Bois’ Artikel in der Sonderausgabe von

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Ein Hauch von Freiheit 1943 des The Journal of Negro Education. Siehe auch Barbeau und Henri: The Unknown Soldiers, S. 106. 20 | Ridgely Torrence: The Story of John Hope, New York: MacMillan, 1948, S. 207–240. 21 | W. E. B. Du Bois: »Returning Soldiers«, in: The Crisis, Mai 1919, S. 14. 22 | Zitiert nach Barbeau und Henri: The Unkown Soldiers, S. 175. Bezeichnenderweise griffen afroamerikanische Veteranen zu den Waffen, als weiße Mobs afroamerikanische Siedlungen angriffen, vgl. Simon Wendt: The Spirit and the Shotgun: Armed Resistance and the Struggle for Civil Rights, Gainesville: University Press of Florida, 2007.  23 | McMillen: Dark Journey, S. 306. 24 | Barbeau und Henri: The Unknown Soldiers, S. 177. 25 | Sherie Mershon und Steven Schlossman: Foxholes and Color Lines – Desegregating the U.S. Armed Forces, Baltimore: Johns Hopkins University Press, 1998, S. 8. 26 | Vgl. beispielsweise Glenda Gilmore: Defying Dixie: The Radical Roots of Civil Rights, 1919–1950, New York: W. W. Norton, 2008. 27 | Für eine detaillierte Diskussion der Vergleiche zwischen dem Nazi-Rassenhass und Jim Crow in der Zwischenkriegszeit vgl. Glenda Gilmore: Defying Dixie; Jonathan Seth Rosenberg: How Far the Promised Land? World Affairs and the American Civil Rights Movement from the First World War to Vietnam, Princeton, NJ: Princeton University Press, 2006, sowie seinen Aufsatz »›Sounds Suspiciously Like Miami‹ – Nazism and the U.S. Civil Rights Movement, 1933–1941«, in: Frank Ninkovich und Liping Bu (Hg.): The Cultural Turn: Essays in the History of Foreign Relations, Chicago: Imprint Publications, 2001. Vgl. hierzu ebenfalls die klassische Studie von Harvard Sitkoff: A New Deal For Blacks – The Emergence of Civil Rights As An Issue, Oxford: Oxford University Press, 1978. Vgl. ebenfalls Patricia Sullivan: Days of Hope Race and Democracy in the New Deal Era, Chapel Hill: University of North Carolina Press, 1996; und Maria Höhn: »›We Will Never Go Back to the Old Way Again‹: Germany in the African American Debate on Civil Rights«, in: Central European History, 41.4 (2008): S. 605–37 und Peter Kellogg: »Civil Rights Consciousness in the 1940s«, in: Historian, 42 (November 1979), S. 18-41. 28 | Elmer Anderson Carter: »On Racial Prejudice at Home and Abroad«, in: Opportunity: Journal for Negro Life, Bd. 17 (1939). 29 | Zur Rolle der deutsch-jüdischen Flüchtlinge in der Bürgerrechtsbewegung siehe Gabrielle Simon Edgcomb: From Swastika to Jim Crow, Malabar: Krieger Publishing Company, 1993. Siehe auch: www.mjhnyc.org/college. Zum Fall von Georg Iggers, der 1938 aus Deutschland fliehen konnte, als Professor am Philander Smith College in Little Rock, Arkansas, unterrichtete und zusammen mit seiner Frau Wilma 1950 aktives Mitglied des örtlichen NAACP-Ablegers wurde, vgl. Wilma und Georg Iggers: Two Lives in Uncertain Times: Facing the Challenges of the 20th Century and Scholars & Citizens, New York: Berghahn Books, 2006, S. 35–43, 61–87, 103–20. Einen entgegengesetzten Fall, die rassistische Beurteilung der afroamerikanischen Howard University durch den deutschen Ethnologen Julius Lips, der dort von 1937 bis 1939 arbeitete, schildert Berndt Ostendorf: »Forschungsreise in die Dämmerung: The Strange Transatlantic Career of Julius Lips between Howard University and Leipzig University«, in: Hartmut Keil

Kapitel 1: Der Erste Weltkrieg und der Aufstieg Hitlers (Hg.): Transatlantic Cultural Contexts: Essays in Honor of Eberhard Brüning, Tübingen: Stauffenburg, 2005, S. 115–27. 30 | Für eine detaillierte Diskussion der Ablehnung der Anti-Lynchjustiz-Gesetzesvorlage vgl. Harvard Sitkoff: A New Deal, 1978, S. 274–295. 31 | Ebd. 32 | Kate Stack: »Lily White Democracy«, in: The Crisis, Dezember 1939; Opportunity: Journal for Negro Life, Bd. 17 (1939). 33 | »Nazi Butchers«, in: Chicago Defender, 26. Dezember 1942. Eine Untersuchung der Haltung der schwarzen Presse im Hinblick auf den grassierenden Antisemitismus in Deutschland und das Vorhandensein antisemitischer Strömungen in der schwarzen Gesellschaft, vgl. Lunabelle Wedlock: The Reaction of Negro Publications and Organizations to German Anti-Semitism, Washington, DC: Howard University, 1942. 34 | Charles Hanson: »Plenty of Space to Exist In«, Interview von Maggi Morehouse, 1998, www.aacvr-germany.org/oralhistory. 35 | Lucille Milner: »Jim Crow in the Army«, in: New Republic, 13. März 1944, S. 339–42. 36 | Chicago Defender, 1940, zitiert in Mershon: Foxholes, S. 38. Für die Zurückhaltung der Schwarzen hinsichtlich einer Kriegsteilnahme siehe Sterling Brown: »Count Us In«, in: Rayford Logan (Hg.): What the Negro Wants, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 1944, S. 308–344. 37 | W. E. B. Du Bois: »As The Crow Flies«, in: Amsterdam News, 19. April 1941, zitiert nach Lee Finkle: Forum for Protest: The Black Press during WWII, Cranbury: Associated University Presses, 1975, S. 1 und 199; George Schuyler: »Hitlerism Without Hitler«, in: The Crisis, Dezember 1941, S. 384, 389. 38 | Für eine vertiefende Diskussion der kriegsbedingten Veränderung innerhalb der heimischen Politik in den Vereinigten Staaten vgl. Daniel Kryder: Divided Arsenal – Race and the American State During WWII, New York: Cambridge University Press, 2000. 39 | »Fight for Liberties Here While Fighting Dictators Abroad, NAACP urges«, in: The Crisis, Januar 1942. 40 | »Says Now is Time to Rap Hypocrisy«, in: Chicago Defender, 17. Januar 1942. 41 | »Bekanntmachung auf der ersten Seite«, in: Pittsburgh Courier, 14. Februar 1942. Siehe auch Rawn James: The Double V: How Wars, Protest, and Harry Truman Desegregated America’s Military, New York: Bloomsbury Press, 2013. Zu den Grenzen dieser Fortschritte siehe insbesondere Kevin Kruse und Stephen Tuck (Hg.): Fog of War. The Second World War and the Civil Rights Movement, New York: Oxford University Press, 2012. 42 | Finkle: Forum, S. 189. 43 | »Now is not the Time to Be Silent«, in: The Crisis, Januar 1942. Vgl. ebenfalls den 1944 hergestellten Propagandafilm »Negro Soldier«, den das Kriegsministerium bei Regisseur Stuart Heisel in Auftrag gegeben hatte. Zur schwarzen Presse siehe: Lee Finkle: Forum For Protest, Madison: Fairleigh Dickenson University Press, 1975 und Patrick Washburn: A Question of Sedition. The Federal Government’s Investigation of the Black Press, Oxford: Oxford University Press, 1986. Gunnar Myrdal: An American Dilemma.

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Ein Hauch von Freiheit The Negro Problem and Modern Democracy, New York: Harper, 1944, Kap. 42 und Roi Ottley: New World A-Coming, New York: Houghton, Mifflin Company, 1943, Kap. 19. Die Einleitung in Christopher De Santis (Hg.): Langston Hughes and the Chicago Defender. Essays on Race, Politics, and Culture, 1942-62, Chicago: University of Illinois Press, 1995 zeigt, wie wichtig der Chicago Defender war, um »race men«, also selbstbewusste Afroamerikaner heranzuziehen, die stolz auf ihre Hautfarbe waren. 44 | Roy Wilkins: »The Negro Wants Full Equality«, in: Logan (Hg.): What the Negro Wants, S. 115. 45 | »Revolution in Dixie«, in: Chicago Defender, 5. August 1944.

Kapitel 2 Kampf an zwei Fronten – Afroamerikanische GIs und der Zweite Weltkrieg

Amerikas Eintritt in den Zweiten Weltkrieg im Dezember 1941 rückte die Bürgerrechtsdebatte erneut in den Mittelpunkt. Doch es gab einen gravierenden Unterschied zur Situation vor dem Ersten Weltkrieg. War Amerikas Kriegsbeitrag damals als »Kampf für die Demokratie« bezeichnet worden, stellte nun das NS-Regime nicht nur eine konkrete Bedrohung für eben diese Demokratie dar, sondern gründete zudem noch auf der genozidalen Ideologie des Rassenhasses. Es war also Amerikas Krieg gegen den NS-Rassismus, der zuvor für unmöglich gehaltene Fortschritte an der Heimatfront ermöglichte. Aber es gab auch reale Grenzen dessen, was erreicht werden konnte. Die führenden Protagonisten der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung sahen – wie schon angesichts des Ersten Weltkriegs – in den neuen Konflikten in Europa und Asien ab 1939 eine Chance, die Anliegen der Schwarzen Bevölkerung deutlich voranzubringen. Erste Erfolge waren zum Beispiel die Rassenintegration innerhalb der Rüstungsindustrie der US-Nordstaaten und der Westküste 1941, sowie die Berufung einiger afroamerikanischer Berater für einzelne Kabinettsmitglieder der Regierung Roosevelts. Doch grundsätzlich blieb das Problem fortwährender Diskriminierung und fehlender Gleichberechtigung für die überwiegende Mehrheit der Afroamerikaner ungelöst. Die damaligen Zustände innerhalb der amerikanischen Streitkräfte verdeutlichten unübersehbar, dass dem Reformwillen der US-Regierung enge Grenzen gesetzt waren. Denn trotz aller Debatten über die Bürgerrechte im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs war das US-Militär, das Deutschland im Mai 1945 gemeinsam mit den sowjetischen, britischen, französischen und polnischen Streitkräften besiegte, noch genauso der Rassentrennung unterworfen wie 1940, als die USA anfingen, ihre Bevölkerung für den kommenden Konflikt zu mobilisieren. Trotzdem hatte der Aufruf, in einem Krieg zu kämpfen, dessen explizites Ziel es war, den NS-Rassenstaat zu besiegen, fundamentale Auswirkun-

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gen auf die amerikanische Bürgerrechtsdebatte. Wie ihre Vorgänger im Ersten Weltkrieg erlebten die zunächst in Großbritannien stationierten und dann in Frankreich und Italien kämpfenden schwarzen GIs erstmals Gesellschaften ohne gesetzlich vorgeschriebene Rassentrennung, hatten Umgang mit Weißen, die sie nicht nur als siegreiche Befreier, sondern auch als Amerikaner (anstatt als »Neger«) ansahen. Diese Erfahrung fern der US-Landesgrenzen erlaubte es vielen afroamerikanischen GIs, erstmals in vollem Umfang zu begreifen, was Neil McMillen den »Abgrund ihrer eigenen degradierten Staatsbürgerschaft« genannt hatte.1 Deshalb waren auch viele nicht mehr gewillt, nach Kriegsende nach Hause zurückzukehren, um dort unter denselben unwürdigen Bedingungen weiterzuleben wie vor ihrem Kriegsdienst. Sie wurden zu den Vorkämpfern der langsam erstarkenden Bürgerrechtsbewegung.

W ieder eine J im C row -A rmee Zwischen Mai und Oktober 1940 begann die Roosevelt-Administration einen möglichen Kriegseintritt in Europa und Asien vorzubereiten. Die beteiligten Militärstrategen waren überwiegend weiße Veteranen des Ersten Weltkriegs, und ihre Auffassungen waren stark geprägt durch in der Vergangenheit im US-Militär übliche Verwendung schwarzer Rekruten als »Arbeiter in Uniform«, sowie durch die ihrer Auffassung nach enttäuschenden Einsätze afroamerikanischer Kampftruppen im Ersten Weltkrieg. Die Militäranalysten ignorierten dabei jene Einheiten, die sich unter feindlichem Feuer sehr gut geschlagen hatten, und machten ihre Beurteilung einzig an den Ereignissen rund um die (schwarze) 93. Infanteriedivision fest, die keine größeren Erfolge an der Front vorweisen konnte. Ignoriert wurde dabei, dass die Einheiten, die unterdurchschnittliche Fronterfolge vorzuweisen hatten, zumeist unzureichend ausgestattet, kaum oder nur wenig trainiert, und von inkompetenten und/oder rassistischen weißen Offizieren kommandiert worden waren. Während die Militärpolitiker widerwillig die Notwendigkeit anerkannten, afroamerikanische Rekruten anzuwerben, bestanden sie darauf, dass die strikte Rassentrennung fortzuführen sei, angeblich, um die Moral der Truppe und ihre militärische Effizienz zu sichern. Der Chef des US-Generalstabs, General George Marshall, unterstützte zwar erste Versuche, die offene Diskriminierung in der Armee zu beenden, aber er stellte sich konsequent gegen Versuche von Seiten der Bürgerrechtsaktivisten (von denen viele ebenfalls Veteranen des Ersten Weltkriegs waren), das Militär insgesamt der Rassenintegration zu öffnen. Dies würde, so Marshall, gleichbedeutend sein mit der Lösung eines sozialen Problems, welches das amerikanische Volk während des gesamten Verlaufs der Geschichte dieser Nation bisher nicht zu

Kapitel 2: Kampf an zwei Fronten lösen vermochte. Die Armee kann eine solche Lösung nicht herbeiführen, und sollte damit auch nicht beauftragt werden. Der Versuch, solch komplexe Rassenprobleme jetzt auf die Schnelle zu lösen, würde die ungeheuren Aufgaben des Kriegsministeriums in fahrlässiger Weise erschweren und gleichzeitig Disziplin und Moral untergraben.

Kriegsminister Henry Stimson glaubte ebenfalls nicht an die Praktikabilität der Rassenintegration in der Armee, und unterstützte daher seine Generäle. Obwohl er die »individuelle Tragödie« konstatierte, die diese Art von Politik dem »farbigen Mann« auf bürdete, drängte er nichtsdestotrotz Roosevelt dazu, »einer Rasse, die nicht bekannt dafür ist, in der Schlacht allzu viel Initiative zu entwickeln«, nicht mehr Verantwortung als nötig anzuvertrauen.2 Roosevelt schlug sich auf die Seite des Militärs. Im Oktober 1940 wurde bestimmt, dass das Militär die Rassentrennung beibehalte, analog zum Ersten Weltkrieg. Gleichzeitig wurden den Bürgerrechtsaktivisten, die den nationalen Notfall als Mittel benutzten, ihr Anliegen voranzutreiben, einige Konzessionen zugestanden. Als Teil der nationalen Mobilisierung im Gefolge des japanischen Angriffs auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 reaktivierte die US-Armee auch die beiden traditionell afroamerikanischen Infanteriedivisionen (92. und 93.), im Volksmund Buffalo Soldiers und »Blauhelme« genannt. Vor Beginn des Zweiten Weltkriegs war Afroamerikanern der Dienst beim US Army Air Corps (dem Vorläufer der US-Luftwaffe) grundsätzlich verwehrt gewesen. Erst massiver Protest seitens der afroamerikanischen Presse zwang die Regierung Roosevelt im Sommer 1941, der Etablierung einer rein schwarzen Luftwaffeneinheit, den Tuskegee Airmen, zuzustimmen. Am Tuskegee Institute in Alabama, einer der ältesten und prestigeträchtigsten Bildungseinrichtungen für Afroamerikaner, wurde nun damit begonnen, Piloten und Flugpersonal auszubilden. Die Tuskegee Airmen bildeten die 332. Fighter Group des U.S. Army Air Corps, und ihre vier Schwadronen, die 99., die 100., die 301. und die 302., flogen über 1.500 Einsätze in Europa.3 Trotz dieser Konzessionen der US-Regierung an die afroamerikanische Bevölkerung setzte sich der Unmut der Bürgerrechtsaktivisten über die fortdauernde Rassentrennung in der Armee gemäß Jim Crow fort. Verstärkt wurde ihr Ärger noch durch die im Januar 1942 getroffene Entscheidung des Kriegsministers, des Marineministers, der Führung des amerikanischen Roten Kreuz, sowie der Generaloberststabsärzte des Heeres und der Marine, die Blutbanken für weiße und schwarze Soldaten rigide zu trennen. Unermüdlich zogen die Bürgerrechtler Vergleiche zwischen den Rassenbestimmungen in der amerikanischen Jim Crow-Armee und im NS-Deutschland. A. Philipp Randolph, ein militanter Gewerkschaftsführer, der Roosevelt 1941 mit einem Marsch auf Washington gedroht hatte, sollte die Regierung die Rassentrennung in der Rüstungsindustrie nicht aufheben, verhöhnte die Beibehaltung der Jim CrowRassentrennung in der US-Armee als »fantastische Situation innerhalb einer

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Armee, die sich dazu erkoren hatte, den Nazi-Rassismus auszulöschen. Und dennoch, wie können wir etwas anderes erwarten, wenn die Befehlshaber des Heeres und der Marine diese Hitlersche Doktrin als ihre offizielle Politik übernehmen?« 4 Die Aktivisten argumentierten, dass kaum ein Unterschied zwischen Nazi-Deutschland und dem amerikanischen Süden erkennbar sei: »Hitlers ›nordische Überlegenheit‹ –nichts anderes als ›Die Überlegenheit der weißen Rasse‹ in der Sprache der weißen Südstaatler – ist die offizielle Politik der amerikanischen Streitkräfte.« Sarkastisch formulierten sie: »Rassismus wird im Hinblick auf Deutschland als monströs angeprangert, ist aber völlig in Ordnung innerhalb der US-Armee.«5

Abb. 2.1: General John K. Cannon, Kommandeur der 12. USAFF, gratuliert Hauptmann C.B. Hall von der 99. Fighter Squadron, nach seinem Abschuss von zwei deutschen Flugzeugen über einem Brückenkopf südlich von Rom, Italien, 29. Januar 1945 (NARA, College Park, MD) Die Weigerung, das Militär zu integrieren, ermöglichte es den Bürgerrechtsaktivisten, ihre verbalen Attacken zu verschärfen, da die Bundesregierung in Washington durch die Mobilisierung rassengetrennter Einheiten einmal mehr das südstaatliche System der Jim Crow-Rassentrennung, das ja auf bundesstaatlichem (und nicht nationalem) Recht basierte, offiziell sanktionierte. Diese Entscheidung führte dazu, dass das US-Militär jetzt die SüdstaatenGesetze zur Rassentrennung und Rassendiskriminierung auf Militärbasen und in ihrem unmittelbaren Umfeld auch in andere Bundesstaaten der USA exportierte, wo diese Gesetze und Praktiken nicht die Norm waren. Zur selben Zeit wurden Afroamerikaner aus den Nordstaaten – die keine gesetzliche

Kapitel 2: Kampf an zwei Fronten

Rassentrennung kannten – zur Ausbildung auf Truppenübungsplätze verlegt, die zumeist im Süden der USA lagen. Auf den Militärbasen und in den umliegenden Gemeinden wurden die schwarzen Rekruten aus dem Norden erstmals in vollem Umfang mit der brutalen und entwürdigenden Realität der Jim Crow-Gesetzgebung des Südens konfrontiert. Diese Entscheidungen der US-Militärführung politisierte in vorher ungekanntem Maße eine ganze Generation von Afroamerikanern, von denen vielen bis zu diesem Zeitpunkt nicht voll bewusst gewesen war, um wie viel schlimmer die Situation für Schwarze außerhalb der Nordstaaten war. Veteranen wie Walter Patrice und Spencer Moore, die sich freiwillig zum Militärdienst gemeldet hatten, beschrieben mit Entsetzen, dass die Jim Crow-Rassentrennung zur Geltung kam, sobald ihre Züge aus den Städten des Nordens in der Hauptstadt der USA, Washington, DC, eintrafen. Auf ihrer Weiterfahrt in die Südstaaten wurden die afroamerikanischen Rekruten in Jim Crow-Waggons transportiert, meistens in den ersten Wagen hinter der Lokomotive. In diesen Waggons gab oftmals keine Klimaanlage, was zur Folge hatte, dass die Soldaten rußbedeckt an ihren Bestimmungsorten ankamen, weil sie die Fenster geöffnet halten mussten, um die drückende Hitze zu lindern. Beim Umsteigen gab es oft kein Wasser und keine Verpflegung für sie an den Bahnhöfen, und sie erhielten erst dann Sitzplätze, wenn alle weißen Soldaten im Zug untergebracht waren.6 Andere Veteranen, die im Bus zu den Truppenübungsplätzen des Südens anreisten, waren gezwungen, über hunderte von Kilometern im Bus zu stehen, auch wenn in den vorderen »weißen« Sitzreihen noch Plätze frei waren. Leon Bass aus Philadelphia, der sich ebenfalls als Freiwilliger gemeldet hatte, erinnert sich noch Jahrzehnte später nur zu gut an diese Demütigungen.7 Mit der vollen Realität von Jim Crow konfrontiert zu werden, war für afroamerikanische Soldaten aus dem Norden wie A. William Perry »wie ein Schlag ins Gesicht«.8 Nach einer besonders entwürdigenden Behandlung schwarzer Soldaten auf dem Weg in den Süden, schrieb die NAACP-Zeitschrift The Crisis deshalb empört: Da waren sie nun, Soldaten der Demokratie, nicht in Hitlerland, sondern in der größten Demokratie der Welt, in ihrem eigenen Geburtsland, gebrandmarkt, herzlos misshandelt, gedemütigt. In Anbetracht der Situation in North Carolina fragt man sich, wie viel Enthusiasmus sie dafür aufbringen würden, die ›Herrenrasse‹ zu vernichten – in Berlin und Tokio!9

Joe Stephenson, der bereits einen Universitätsabschluss hatte, als er sich freiwillig zur Armee meldete, war schockiert über die weitverbreitete Armut der schwarzen Minderheit und die hohe Rate der Analphabeten unter den Rekruten aus dem Süden. Er war voller Wut, als er sah, »was mein Land diesen Menschen angetan hatte«. Angefacht wurde die Wut der schwarzen Soldaten

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zusätzlich durch den Umstand, dass ihnen nur spartanische Jim Crow-Waggons zur Verfügung standen, während deutsche Kriegsgefangene denselben Komfort und dieselbe Verpflegung wie die weißen US-Soldaten genossen. Der Veteran Joe Hairston erinnert sich noch heute an seinen Schock und seine Wut, als er kapierte, »dass deutsche Kriegsgefangene auf den Militärbasen in denselben Kantinen wie die weißen US-Soldaten speisten, während schwarze GIs dort keinen Zutritt hatten« und sich mit schäbigeren Unterkünften und Freizeiteinrichtungen zufrieden geben mussten.10 Hinzu kam, dass viele Trainingsoffiziere und die heimische Polizei die Soldaten grundsätzlich mit »Junge« oder – noch schlimmer – mit »Nigger« ansprachen. Sie ließen die afroamerikanischen Soldaten unmissverständlich wissen, dass ihre »überhebliche« (uppity) Nordstaaten-Manieren hier nicht erlaubt seien und dass sie sich gefälligst an die Spielregeln des Südens halten sollen. Reuben Horner, der damals ein junger Leutnant war, wurde seiner Erinnerung nach von seinen Vorgesetzen, »wie ein Hund« behandelt, dem jeder Respekt verweigert wurde. Seinen Kameraden ging es nicht besser. Joe Hairstons Vorgesetzer drohte ihm direkt nach seiner Ankunft im Süden, dass man wisse, wie mit »aufmüpfigen Nordstaaten-Niggers« umzugehen sei.11 Noch problematischer für die USA war der bereits erwähnte Umstand, dass das amerikanische Militär die institutionalisierte Rassentrennung auch nach Übersee mitnahm, immer im Namen des Kampfes für die Demokratie und gegen den Nazi-Rassenstaat. Eine solche »Nationalisierung« und »Export« der aus den Südstaaten stammenden Jim Crow-Gesetze hatte es auch schon während des Spanisch-Amerikanischen Krieges 1898 und im Ersten Weltkrieg gegeben. Aber 1941 sah sich die US-Regierung einer städtischeren, besser ausgebildeten, sowie stärker politisierten und organisierten afroamerikanischen Bevölkerung gegenüber. Deren Vertreter konnten nun ebenso unüberhörbar wie überzeugend argumentieren, dass die unter dem Namen Jim Crow bekannten »südstaatlichen Traditionen« keineswegs nur ein marginaler Mangel innerhalb eines ansonsten bewundernswerten demokratischen Systems waren, wie weiße Liberale aus den Nordstaaten gerne behaupteten. Die Bürgerrechtsaktivisten argumentierten nun – genau wie John Hope nach dem Ersten Weltkrieg –, dass Rassismus und Rassendiskriminierung kein regionales Südstaaten-Problem, sondern ein »amerikanisches Problem« seien. Der bekannte afroamerikanische Dichter Langston Hughes kritisierte beispielweise die USGesellschaftsordnung, indem er die Ähnlichkeiten zwischen den amerikanischen Rassengesetzen und denen Hitlers hervorhob. Hughes bemängelte unmissverständlich, dass »die Armee Jim Crow ihren offiziellen Segen verliehen hatte, und damit die Südstaaten imitierte, wo Gesetze, die Neger und Weiße voneinander trennen, ebenso Teil der Regierungspolitik sind wie Hitlers Gesetze in Deutschland, die die Juden der Rassentrennung unterwerfen«.12 The Crisis bestand darauf, dass die Vorurteile, die das Fundament der Rassentren-

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nung sind, »ausgemistet werden müssen, sei es in Hitlers Mein Kampf, oder in dem Memorandum, das aus der Feder des Adjutant General [dem höchstrangigen Offizier, der mit Personalfragen beauftragt ist] der US-Armee geflossen ist«.13 Wie amerikanische Militärhistoriker aufzeigten, verharrte die US-Armee in Bezug auf die Rassentrennung während des Zweiten Weltkriegs auf jener Linie, wie sie seit den amerikanischen Unabhängigkeitskriegen galt. Afroamerikaner waren in der Armee unerwünscht, und sollten daher nur in einer absoluten nationalen Notlage oder unter nachhaltigem öffentlichen Druck rekrutiert werden. Außerdem durften schwarzen Soldaten keine weißen Einheiten unterstellt werden. Falls Schwarze höhere Dienstgrade erreichten, sollten sie nur schwarze Einheiten kommandieren. Auch wenn einige progressive Militärbefehlshaber zugaben, dass afroamerikanische Soldaten mit denselben Ausbildungsmöglichkeiten ebenso große Kampfleistungen wie weiße Soldaten erreichen könnten, insbesondere wenn sie der festen Führung durch einen weißen Offizier unterstellt würden, so glaubte die übergroße Mehrheit der Kommandeure, dass »bei Kampftruppen der Neger als zweitklassiges Material bezeichnet werden muss, und zwar aufgrund seiner niedrigeren Intelligenz und dem Mangel an geistigen und moralischen Qualitäten«.14 Das 1936 herausgegebene Army War College-Handbuch für Offiziere behauptete etwa, »der Neger« sei »nachlässig, träge und verantwortungslos, […], unmoralisch, lügnerisch und sein Sinn für korrektes Verhalten sei relativ unterentwickelt«. Zudem sei die »Schädelwölbung« der Schwarzen angeblich kleiner als die von Weißen, was die Militärautoren 1940 zu dem Schluss brachte, dass »der Neger dem Weißen im Hinblick auf die Fähigkeit, Dienstanweisungen zu verstehen, bei weitem unterlegen« sei.15 Wie tief die militärische Führungsschicht von Rassismus und Südstaatenmentalität geprägt war, zeigt ihre Anordnung, dass schwarze Soldaten von weißen Soldaten und Zivilisten, und besonders von weißen Frauen zuhause und im Ausland strikt ferngehalten werden sollten.16 Im 1944 überarbeiteten Ausbildungshandbuch für Offiziere präsentierte die Armee zumindest nach außen hin schon eine etwas progressivere Sichtweise, indem sie bekannt gab, dass sie »keine Doktrin rassischer Über- oder Unterlegenheit« akzeptiere. Die Rassentrennung im US-Militär werde nur aus Gründen »militärischer Zweckmäßigkeit« und Effizienz praktiziert und stelle »keine Übernahme des Glaubens an Rassenunterschiede« dar. Dennoch zöge letztlich weniger Kontakt zwischen den Rassen auch weniger »interrassische Spannungen« nach sich.17 Während das Handbuch also versuchte, die Haltung der US-Armee im Hinblick auf die Rassenproblematik progressiv und gerecht aussehen zu lassen, ging aus ihm schlussendlich jedoch eindeutig die Überzeugung hervor, dass schwarze und weiße Truppen inkompatibel waren, und dass eine rassenintegrierte Armee niemals eine effektive Streitmacht sein könne.18 Das Militär

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stand damit nicht allein, sondern es verlieh mit dieser Sichtweise weitverbreiteten Überzeugungen innerhalb der weißen Bevölkerung Amerikas Ausdruck. Untersuchungen des Office of War Information vom Juli 1943 zeigten, dass 96 Prozent der weißen Bewohner der Südstaaten und 85 Prozent der weißen Einwohner der Nordstaaten in den USA die Rassentrennung innerhalb der Armee unterstützten. Die Haltung der schwarzen Bevölkerung hierzu hätte unterschiedlicher nicht sein können: 90 Prozent der schwarzen Nordstaaten-Einwohner und 67 Prozent der schwarzen Südstaatler wollten in rassenintegrierten Einheiten ausgebildet und eingesetzt werden.19 Obwohl die US-Regierung den Großteil der dreizehn Millionen Afroamerikaner zu Kriegsbeginn 1941 davon zu überzeugen vermochte, dass es auch in ihrem Interesse sei, sich dem Kampf gegen den Nazismus anzuschließen, setzte das Militär 90 Prozent der afroamerikanischen Soldaten ausschließlich in frontfernen Arbeits- und Service-Einheiten ein, und hielt sie damit erneut von den prestigeträchtigeren Kampfeinheiten fern. Insgesamt fast eine Million schwarzer GIs dienten im US-Militär während des Zweiten Weltkriegs. Ihr Einsatz war entscheidend für die militärischen Erfolge an den verschiedenen Fronten. Aber viele der in Europa und Übersee eingesetzten afroamerikanischen Soldaten beklagten sich bitter, dass sie der Aufforderung gefolgt waren, für demokratische Ideale zu kämpfen, die ihnen zuhause vorenthalten wurden. Ein Soldat verlieh diesem Gefühl 1944 sehr eloquent Ausdruck: Die Wahrheit ist, es gibt keinen Neger hier, der Deutschland oder Japan als seinen größten Feind ansieht. Das kommt immer wieder heraus während der Orientierungsgespräche, in denen uns suggeriert wird, wofür wir kämpfen. […] Die Verbrechen der Nazis und der Japaner erscheinen ihnen irreal und weit weg, während die Verbrechen der Südstaatler in unserem Land jedem von ihnen nur allzu gut bekannt sind. Viele der Jungs […] die vom Süden kommen, können Geschichten darüber erzählen, wie es ist, aus einer Stadt vertrieben, bedroht, und eingeschüchtert zu werden. Für jede Nazigräuel-Geschichte, die vorgetragen wird, können sie eine ähnlich grauenhafte, wahre Geschichte von der Unmenschlichkeit der Südstaatler anführen. 20

Die Armee und das Kriegsministerium waren sich der Existenz solcher Haltungen bewusst. Die bereits erwähnte Studie vom Juli 1943 führte in besorgtem Tonfall aus, dass nur 39 Prozent der Afroamerikaner glaubten, der Krieg gegen Deutschland und Japan sei vorrangig, während 37 Prozent der Ansicht waren, dass die Vereinigten Staaten zuerst »die Demokratie zuhause auf Vordermann« bringen sollten. 24 Prozent gaben an, beide Ziele sollten zur selben Zeit verfolgt werden.21 Daher beobachtete das Kriegsministerium die afroamerikanische Presse und die dort abgedruckten Briefe von in Europa stationierten schwarzen Soldaten sehr genau, um einen Eindruck der »Rassensituation«, wie sie es nannten, zu bekommen. Zusätzliche Informationen erhielt das Mi-

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nisterium aus der Postzensur, der alle Briefe unterlagen, die von Frontsoldaten nach Hause geschickt wurden, sowie aus Berichten, die die Kommandeure der Kampfeinheiten zur Stimmung der Soldaten übermittelten. Die aus diesen Quellen gewonnenen Stimmungsbilder stehen in scharfem Gegensatz zu den üblichen glorifizierten Schilderungen von Amerikas sogenannter »größter Generation« (Greatest Generation), die die Welt vor Hitler bewahrte.22 Sie geben sehr detailliert darüber Auskunft, wie der Aufenthalt in Großbritannien oder Frankreich es den schwarzen Soldaten ermöglichte, »erstmals zu erfahren, wie es ist, als menschliche Wesen behandelt zu werden«.23 Diesen positiven Erfahrungen stehen oftmals die Demütigungen und Gewalttaten von Seiten weißer Offiziere und Soldaten gegenüber, die mit Übergriffen reagierten, wenn sie sahen, dass schwarze Soldaten mit weißen britischen oder französischen Frauen ausgingen.24 Walther White, einer der führenden Protagonisten innerhalb der NAACP, der den europäischen Kriegsschauplatz (European Theater of Operations/ETO) 1944 kurz vor der Invasion Deutschlands besuchte, berichtete, dass er »sehr beunruhigt war über die entmutigte Haltung« vieler schwarzer Soldaten. »Einige von ihnen sind mittlerweile so verbittert, dass sie ihre weißen Regimentskameraden als ›den Feind‹ bezeichnen. Viele von ihnen fragten mich, ›Wofür kämpfen wir? Wurden wir nach Europa geschickt, um die Nazis zu bekämpfen – oder die weißen Soldaten?‹«25 Trotz der Missachtung seitens ihrer weißen Kameraden und der Militärführung erfüllten afroamerikanische Soldaten ihre Pflicht. Vernon Baker, dem erst 1997 für seine Tapferkeit die Medal of Honor, Amerikas höchste militärische Auszeichnung, verliehen wurde, war der einzige Afroamerikaner unter 443 Soldaten, die diese Auszeichnung erhielten – mehr als fünfzig Jahre nach dem Krieg. Bei der Ordensverleihung erinnerte er sich: »Ich war ein wütender junger Mann. Wir waren alle wütend. Aber wir hatten eine Mission zu erfüllen, und das taten wir auch«.26 Weil sie trotz der fortwährenden strukturellen Diskriminierung ihre Pflicht taten, war die afroamerikanische Bevölkerung unwahrscheinlich stolz auf »ihre Soldaten«. Vor der Landung der Alliierten in Sizilien fasste beispielsweise der afroamerikanische Künstler Charles Alston diese Haltung in einer Zeichnung für das Office of War Information zusammen, die in vielen afroamerikanischen Zeitungen veröffentlicht wurde. Von Afrika nach Italien blickend, waren die schwarzen Soldaten bereit, den europäischen Kontinent zu retten, der zu diesem Zeitpunkt dabei war, sich selbst zu zerstören. Der »schwarze Kontinent« Afrika wurde von Alston in der Unterzeile als Ursprung der Zivilisation bezeichnet.27

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Abb. 2.2: Karikatur »Wieder das Sprungbrett der Zivilisation«, Charles Alston 1943 (NARA, College Park, MD) Schwarze GIs leisteten einen entscheidenden Beitrag zum Sieg über Nazi-Deutschland. Die Buffalo Soldiers der 92. Infanteriedivision kämpften in Italien äußerst mutig, trotz der oftmals mittelmäßigen Führung durch ihre weißen Offiziere und der minderwertigen Ausrüstung, mit der sie zurecht kommen mussten.28 Nach der Landung in der Normandie im Juni 1944 sorgten die schwarzen LKW-Fahrer des Red Ball Express in Frankreich dafür, dass 28 alliierte Kampfdivisionen ihren täglichen Nachschub von über 750 Tonnen an Gütern bekamen. Da die Eisenbahnstrecken in Frankreich von den Alliierten umfassend zerstört worden waren, stellten die knapp 6.000 Lastwagen des Red Ball Express das einzig vorhandene Transportmittel dar, um den dringend benötigten Nachschub an die Front zu bringen. Afroamerikaner machten mehr als Dreiviertel der Soldaten dieser lebensnotwendigen Nachschubund Kommunikationseinheit aus. Das berühmte, rein afroamerikanische 761. Panzerbataillon, die Schwarzen Panther, durchbrach als erste US-Einheit die schwerbefestigten deutschen Verteidigungsstellungen der »Siegfried-Linie« und erzielte entscheidende Erfolge während der Ardennenschlacht.29 Die schweren Verluste dieser Schlacht sorgten dafür, dass rund 2.500 schwarze GIs der Transporteinheiten nun zu ihrem bisher vergeblich angestrebten Kampfeinsatz an der Seite weißer GIs kamen, wo die stark gelichteten Reihen der US-Infanterie eiligst wieder aufgefüllt werden mussten. Das

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Kriegsministerium lehnte in diesem Zusammenhang den Vorschlag einiger Kommandeure ab, schwarze Soldaten generell in bisher rein weiße Divisionen zu integrieren, und gestattete dies nur auf der Zug-Ebene. Dennoch waren die schwarzen Soldaten, die ihren bisherigen militärischen Rang aufgeben mussten, um sich für die Kampfeinheiten zu bewerben, begeistert, dass sie zuguterletzt doch noch die Chance bekommen sollten, »wie Männer zu kämpfen«. Wilson Evans war einer dieser Freiwilligen, und er erinnerte sich, dass er sich »nie so frei von der Bürde der Hautfarbe gefühlt« habe, da dies »das erste Mal in 27 Monaten Militärdienst war, dass ich mich als amerikanischer Soldat fühlte«.30

Abb. 2.3: Afroamerikanische Freiwillige für den Fronteinsatz machen eine kurze Pause, 28. März 1945 (NARA, College Park, MD) In voller Kenntnis der extremen Spannungen zwischen weißen und schwarzen US-Soldaten sowohl in den USA wie auch im Ausland war das US-Kriegsministerium sehr darauf bedacht, der amerikanischen Öffentlichkeit ein anderes Bild vom Zustand der Armee zu präsentieren. Viele Bilder, die das Signal Corps (Fernmelde-Truppe) von afroamerikanischen Soldaten während des Kampfes gegen Nazi-Deutschland aussendete, waren daher Propagandafotos, die einen Eindruck von Rassenharmonie verbreiten, und die Kriegsbegeisterung der schwarzen Bevölkerungsgruppe aufrecht erhalten sollten.31

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Abb. 2.4: Afroamerikanische Soldaten des 761. PanzerBattalion und Infantrieeinheiten des 3. Battalion, 409. Regiments, 103. Division der 7. Armee braten Pfannkuchen in der Nähe von Reisdorf, 3. April 1945 (NARA, College Park, MD) Aber diese Fotos enthüllen auch die tiefverwurzelte Haltung des Militärs, derzufolge es keine »Neger-Helden« geben durfte. Wo außerordentliche Tapferkeit schwarzer Soldaten erwähnt werden müsste, sollten diese Berichte möglichst davon handeln, dass die schwarzen Soldaten »den Nachschub und andere Militärgüter am Laufen hielten, und damit das Leben Militärangehöriger – besonders weißer Offiziere – retteten, statt von heroischem Einsatz schwarzer Einheiten unter feindlichem Feuer an der Front«.32 Daher zeigten die meisten der in den USA veröffentlichten Fotos schwarze Soldaten meist als »Helfer« statt als Kampfsoldaten. Selbst diese Fotos vermochten es allerdings, der schwarzen Bevölkerungsgruppe die entscheidende Bedeutung zu vermitteln, die ihre Söhne, Ehemänner und Brüder in diesem Krieg spielten, und besonders im Kampf gegen das Nazi-Regime.33

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Abb. 2.5: Unteroffizier William E. Thomas und Gefreiter Joseph Jackson am Ostersonntag, 10. März 1945, mit »Ostereiern für Hitler« (NARA, College Park, MD)

Abb. 2.6: Gefreiter Eugene Davis (375. Pionierbataillon) streicht das Hakenkreuz auf einem Bahnwaggon in Pallenberg (Deutschland) durch, undatiert (NARA, College Park, MD) Ebenso bedrohlich für die etablierte Sozialordnung schien die Vorstellung, dass schwarze GIs das Kommando über weiße Soldaten bekommen könnten, auch wenn es sich bei diesen Soldaten um (deutsche oder italienische) Kriegsgefangene handelte. Dass schwarze Einheiten dennoch auch deutsche WehrmachtsSoldaten gefangennahmen oder bewachten, beunruhigte daher einige Beamte im US-Kriegsministerium. Ihre Befürchtungen wurden umgehend Realität,

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als ausnahmsweise ein Foto zur Veröffentlichung freigegeben wurde, das einen afroamerikanischen Soldaten zeigte, hinter dem eine Gruppe von Wehrmachtssoldaten mit erhobenen Händen stand, die sich in einem Waldstück ergeben hatten. Dieses Foto, so berichtete ein mit der Beobachtung der »NegerPresse« beauftragter Beamter, wurde von nicht weniger als sieben größeren Zeitungen der afroamerikanischen Presse auf der Titelseite abgedruckt. Statt der Original-Bildunterschrift der Armee-Bildstelle wurde eine neue Unterzeile gewählt: »Supermänner ergeben sich.«34 Der afroamerikanische GI hielt dabei stolz einen Offiziersdolch in der Hand, den er einem gefangengenommenen oder getöteten deutschen Wehrmachts-Offizier abgenommen hatte.

Abb. 2.7: Ein afroamerikanischer Soldat der 12. USPanzerdivision bewacht eine Gruppe gefangengenommener deutscher Soldaten, April 1945 (NARA, College Park, MD) Der Kampf gegen und der Sieg über Nazi-Deutschland, aber auch die Erkenntnis des vollen Ausmaßes des Nazi-Rassenwahns brachte viele weiße Liberale in den USA dazu, die Gültigkeit und die moralische Berechtigung der Rassenhierarchien ihres eigenen Landes nachdrücklich in Frage zu stellen.35 Die rigide Hierarchisierung der Rassen in den US-Südstaaten war ohnehin, trotz der Jim CrowRegelungen innerhalb des Militärs, während des Krieges langsam aber sicher durch Bilder von der Front, die bewaffnete schwarze Soldaten zeigten, untergraben worden. Jene Fotografien wirkten jedoch auf all jene Amerikaner bedrohlich, die entschlossen waren, die Prinzipien der weißen Vorherrschaft um jeden Preis aufrecht zu erhalten. Rassisten fürchteten, dass den afroamerikanischen Soldaten durch das Tragen der Uniform ihres Landes die Zugehörigkeit zur Nation – wenn auch nur symbolisch – verliehen worden war. Einen afroamerikanischen Mann bewaffnet und schussbereit zu sehen, wurde als Bedrohung für das Fortbestehen der weißen Vorherrschaft in den US-Südstaaten aufgefasst, deren

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gesellschaftliches Selbstverständnis auf der Einschüchterung und der »Entmannung« afroamerikanischer Männer (die nicht als normale, Weißen ebenbürtige Männer gezeigt werden sollten) beruhte. Auch Bilder wie jenes, das schwarze Soldaten bei der Eroberung Coburgs zeigt, sind deshalb eine Rarität.

Abb. 2.8: Afroamerikanische Soldaten der 12. Panzerdivision der 7. US-Armee bewachen eine Gruppe deutscher Soldaten, die sich im Schutze eines Bauernhofes ihrer Uniformen entledigt und offenbar gerade versucht hatten, unterzutauchen, April 1945 (NARA, College Park, MD)

Abb. 2.9. Afroamerikanische GIs warten auf den Befehl, die verbliebenen Wehrmachtseinheiten in Coburg zu zerschlagen, 25. April 1945 (NARA, College Park, MD)

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Obwohl es erst mit Hilfe schwarzer Soldaten gelungen war, die Wehrmacht beim abschließenden Vorstoß auf deutschem Boden zu besiegen, gab sich die US-Militärführung zunächst fest entschlossen, die zeitweise ausgesetzten, traditionellen »Rassenhierarchien« nach dem Ende der Kampfhandlungen sofort wiederherzustellen. So wurden etwa schwarze Freiwillige, die wegen der hohen Verluste im Verlauf der deutschen Ardennen-Offensive als schwarze Züge (Platoons) weißen Kampfeinheiten angeschlossen worden waren, anschließend ohne weitere Zeremonien wieder zu ihren alten Arbeits- und Serviceeinheiten in dem nun zur Besatzungsarmee gewordenen US-Militär in Deutschland geschickt. Anders als nach dem Ersten Weltkrieg wurden solche Demütigungen diesmal aber nicht mehr schweigend hingenommen, denn die schwarze Presse war während des Zweiten Weltkriegs zu einem effektiven Fürsprecher der afroamerikanischen Bevölkerung geworden und erreichte mittlerweile Millionen Afroamerikaner. Schwarze Zeitungen berichteten jetzt ebenso aufgebracht wie ausführlich über diese neue Demütigung der schwarzen Soldaten. Der Chicago Defender beispielsweise formulierte diese Empörung folgendermaßen: Für hunderte schwarzer Freiwilliger der Infanterie, die in den letzten Wochen […] während der Schlussoffensive auf deutschem Boden Richtung Berlin in die vorderste Kampflinie eingerückt waren, hieß es diese Woche ›zurück zu Töpfen und Pfannen‹. Wie abgetragene alte Schuhe wurden diese heldenhaften schwarzen Draufgänger, die weiße Kampfeinheiten in einem nie da gewesenen Bruch mit der Rassentrennung in der Army verstärkt hatten, aus den weißen Kampfeinheiten entlassen und sind nun zurück in ihren elenden Küchen- und Arbeiterjobs. 36

Diese entwürdigende Behandlung widerfuhr auch einem Absolventen der Fordham Law School aus New York. Obwohl er über einen Universitätsabschluss als Jurist verfügte und mit einem Bronze Star und einem Purple Heart [hohe US-Orden] für militärische Tapferkeit ausgezeichnet wurde, teilte ihn die Armee nach Abschluss der Kampfhandlungen wieder dem Küchendienst zu. Wie in diesem und vielen anderen Fälle hatte das zur Konsequenz, dass schwarze Soldaten nach ihrer Rückkehr in die USA nicht zusammen mit den angesehenen Kampfeinheiten in den Siegesparaden mitmarschieren durften. Feldwebel Albert Clark aus Taylor (Texas) war wütend als ihm eben dies widerfuhr, obwohl er geholfen hatte, Nazi-Deutschand zu besiegen. Er schrieb einer schwarzen Zeitschrift, dass er sich freiwillig zu den Kampfeinheiten gemeldet habe, um es den Bilbos und Eastlands zu zeigen [zwei Senatoren aus Mississippi und South Carolina, die als die schärfsten Rassenfanatiker im US-Oberhaus bekannt waren], und dass er nun gerne dabei wäre, bei der Siegesparade mit der Infanterie zu marschieren, genau so, wie er es vor kurzem auf der anderen Seite des Rheins gemacht hatte.37

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Eine Frage stellte sich schon bald vielen Beobachtern, je nach Standpunkt entweder angstvoll oder zuversichtlich: »Welche Gedanken zur Gleichberechtigung wird der Neger-GI nach Hause bringen?«, wie der Chicago Defender 1946 titelte.38 Der berühmte afroamerikanische Dichter und Schriftsteller Langston Hughes, der regelmäßig als Kolumnist im Chicago Defender publizierte, beantwortete dies eindeutig. Er hoffte, dass die Erfahrungen der Soldaten in Übersee dazu beitragen könnten, den Kampf um die Demokratie in den USA zum siegreichen Ende zu führen. Als er Klagen einiger schwarzer Soldaten hörte, dass weiße Soldaten nach dem Krieg sofort nach Hause geschickt wurden, während schwarze Soldaten in den Arbeits- und Service-Einheiten in Deutschland bleiben mussten, um die Zerstörung und das Chaos des Krieges zu beseitigen, antwortete Hughes, dass eine Dienstzeit in Deutschland keine schlechte Sache sei: »Wenn ich schon Soldat sein müsste, wäre ich auf alle Fälle lieber ein Soldat in Deutschland oder Asien als in Camp Claiborne« – einem Militärstützpunkt in Louisiana, der von schwarzen Soldaten wegen des weit verbreiteten Rassismus dort besonders gefürchtet war. Hughes betonte, was für eine wichtige Entwicklung es für schwarze GIs war, aus ihrer engen, von Rassentrennung und Diskriminierung geprägten Welt herausgekommen zu sein. Er zeigte sich zudem optimistisch, dass die Soldaten »Praxis [in Demokratie] in Deutschland bekommen und Dinge lernen, die sie bei ihrer Rückkehr in die USA anwenden können«. 39 Die Entwicklung, die Hughes sich wünschte, trat an vielen Stellen ein. Interviews, die der US-Militärgeheimdienst mit weißen GIs bei ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst führte, belegen, welche Befürchtungen viele von ihnen hegten in Bezug auf die Erfahrungen, die afroamerikanische GIs außerhalb Amerikas gemacht hatten. Ein weißer Offizier berichtete besorgt, dass »die Autorität, die von [schwarzen] Einheiten als Eroberungs- und Besatzungskräfte ausgeübt wurde, zu bestürzenden außerdienstlichen Anwandlungen von Arroganz gegenüber Weißen geführt hat«, und dass er und andere Weiße »sehr besorgt über die ernsthaften Probleme sind, die entstehen werden, wenn diese Truppen in die USA zurückkehren, wo ihre Aktivitäten wieder durch soziale und gesetzliche Restriktionen eingeschränkt sein werden«. 40 Welche Auswirkungen würde also die Rückkehr der durch ihre Fronterfahrung und den Aufenthalt in Ländern ohne offizielle Rassentrennung veränderten schwarzen GIs in die USA mit sich bringen? Eines stand fest: Sie waren nicht länger bereit, sich als »boys« oder »Nigger« behandeln zu lassen, und waren in ihrer Selbstwahrnehmung durch den Krieg zu »Männern« geworden. Dabney Hamner, der während eines Einsatzes seiner 125. Infanteriedivision in Deutschland verwundet worden war, erinnert sich, dass »die einzige Zeit, in der ich mich als wirklicher Mann fühlte, in Europa war«. 41 Ein anderer afroamerikanischer Soldat zeigte sich überzeugt, dass

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Ein afroamerikanischer Veteran berichtete freimütig, dass ihn die Kampferfahrung im Ausland von Grund auf verändert habe: »Ich ging als Nigger in die Armee; ich verlasse sie als Mann«. 43 Auch andere schwarze Soldaten formulierten derartige Meinungen bei ihren Entlassungsinterviews, wenn auch in zurückhaltenderer Form. Hauptmann Richard Middelton, ein Militärgeistlicher aus Mississippi, sagte beispielsweise: »Wenn ich zuhause die Straße runter gehe mit meiner Frau und meiner Familie, werden eben diese [weißen] Leute [die gemeinsam mit ihm an der Front kämpften] in einem überraschten und schockierten Ton sagen, laut genug, dass wir es hören: ›Wie kann ein Nigger Hauptmann in der Armee werden?‹« Aber er wies gleichzeitig darauf hin, dass die »Neger-Soldaten ihre Belange bei ihrer Rückkehr in die USA besser artikulieren können, und ich weiß, dass ich es auf jeden Fall kann«. 44 Weiman Tyus, ein anderer afroamerikanischer Militärgeistlicher, war der Ansicht, dass »der Negersoldat [als Resultat seiner Übersee-Erfahrungen] schweren Herzens, aber auch mit einer unerschütterlichen, festen Entschlossenheit in sein Geburtsland zurückkehrt, bereit, einen neuen Kampf zu beginnen, wie hoffnungslos er auch immer sein mag, um endlich die Gleichberechtigung zu erlangen, die sein Geburtsrecht ist«. 45 Ein anderer Veteran namens Johnnie Stevens kommentierte, dass der Zweite Weltkrieg, »obwohl wir in dieselben Umstände zurückkehrten, die wir verlassen hatten, dennoch gut für den schwarzen Soldaten und die schwarzen Menschen war, und zwar aus einem einfachen Grund: Weil wir eine Menge gelernt hatten. Wir lernten, was es bedeutet, ohne Vorurteile zu leben. Und glauben Sie es oder nicht, wir lernten es von anderen Ländern«. 46 Die Erfahrung als Frontsoldaten im Zweiten Weltkrieg erweiterte nicht nur ihr Weltbild in erheblichem Maße, sondern trug ebenso zu einer erheblichen Steigerung des Selbstbewusstseins der afroamerikanischen GIs bei. Von besonderer Bedeutung war dabei, dass sie geholfen hatten, den verbrecherischen Nazi-Staat zu zerschlagen. Sie hatten mit eigenen Augen das Ausmaß von Folter und Tod gesehen, das Antisemitismus, Antibolschewismus und Rassismus angerichtet hatten, und waren davon über alle Maßen schockiert. Ebenso wie für weiße GIs war es schwer für sie, das ungeheure Ausmaß des Nazi-Rassenwahns und die weit verbreitete Gleichgültigkeit der deutschen Bevölkerung in Anbetracht dieser Gräueltaten zu verkraften. Der Anblick der toten, gefolterten Körper und die Begegnung mit ausgemergelten und gebrochenen Überlebenden der Nazi-Vernichtungslager ging

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schwarzen Soldaten auf einer sehr persönlichen Ebene nahe. Die »Doppel-VKampagne«, die den Sieg der Demokratie in Übersee und in den USA gefordert hatte, zog oftmals den Vergleich zwischen der Rassenverfolgung in NaziDeutschland und den Jim Crow-Südstaaten, um die Diskrepanz zwischen dem Kampf für Demokratie im Ausland und der fortdauernden Diskriminierung der Afroamerikaner zuhause zu verdeutlichen. Daher bewerteten viele Afroamerikaner ihre Erlebnisse in Deutschland unter dem Blickwinkel der eigenen Diskriminierung in den Vereinigten Staaten. William A. Scott, Angehöriger des 183.  Pionier-Kampf bataillons, sagte: »Obwohl meine Vorfahren aus Afrika als Sklaven in Ketten [in Amerika] angekommen sind und Folter und Tod ausgesetzt waren auf ihrer langen Reise durch die Jahrhunderte der Sklaverei, schien das alles zu verblassen angesichts des entsetzlichen Eindrucks dessen, was ich in Buchenwald sah«. 47 Die Erlebnisse in KZs wie Buchenwald und Dachau verstärkten allerdings auch die Überzeugung der schwarzen GIs, dass ihr Anliegen, Rassentrennung und Rassismus auch in den Vereinigten Staaten zu bekämpfen, nur zu berechtigt war. Der Kriegsveteran Leon Bass erinnert: Am Tag, als ich durch das KZ-Tor von Buchenwald ging […], war ich völlig unvorbereitet auf das, was ich sah. […] Ich sagte zu mir: ›Mein Gott, was ist das? Das ist eine Art Wahnsinn! Wer sind diese Leute? Was haben sie angestellt, das so falsch war?‹ Und dann habe ich verstanden, dass es Juden und Zigeuner waren, einige waren Zeugen Jehovas, einige Gewerkschaftler, einige Kommunisten, einige Homosexuelle. […] Es gab so viele verschiedene Gruppen, die von den Nazis in dieses KZ verschleppt worden waren. Und was benutzten die Nazis als Messlatte, um festzulegen, wer dort hinein sollte? Sie sagten, dass Menschen, die nicht gut genug waren, die minderwertig waren, deshalb rassisch verfolgt werden durften. Verstehen Sie was ich meine? Rassentrennung, Rassismus können zum Schlimmsten führen, zu dem, was ich in Buchenwald sah.48

Das Kriegsministerium bekam nur langsam das ganze Ausmaß der drastischen Veränderungen mit, die durch den Einsatz afroamerikanischer GIs in Europa und Asien in Gang gesetzt wurden. US-Kommandeure berichteten dem Ministerium, dass Angehörige solcher schwarzer Einheiten, »da sie dort in Europa von Rassendiskriminierung frei waren, die in unserem Land existiert, und sich mehr oder weniger unbeschränkt mit weißen Frauen einlassen konnten«, mittlerweile von der Überzeugung geprägt waren, dass es eine Enttäuschung wäre, nach Hause zurückzukehren. Aus diesem Grund hätten vierzig Prozent der Interviewten den Wunsch geäußert, in Übersee stationiert zu bleiben, auch nach dem Ende der Kriegshandlungen. 49 Noch beunruhigender für das Ministerium waren Befunde, dass ernste Konflikte nach dem Krieg zu erwarten waren, da »farbige Soldaten versuchen werden, für ihre Rasse die Gleichbehandlung zu erreichen, die sie in fremden Ländern erfahren haben«.50 Die Ministerialbeamten

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lasen mit Entsetzen Briefe junger Soldaten, die versicherten, dass »ein neuer Neger nach Hause kommen wird, angefüllt mit mehr Hass als jemals zuvor«. Ebenso beunruhigt war das Ministerium über Warnungen in den afroamerikanischen Medien, die Konflikte voraussagten für den Fall, dass »schwarze Veteranen in großer Zahl nach Hause kommen und erkennen müssen, dass – während sie für die Demokratie in fernen Ländern kämpften und starben – die Rassensituation immer noch dieselbe war wie vor ihrer Einberufung«.51 Tatsächlich kehrten zwei Drittel der schwarzen Veteranen notgedrungen wieder nach Hause, in die US-Südstaaten zurück. Die populäre afroamerikanische Illustrierte Ebony feierte die Veteranen, indem sie schrieb, dass diese Männer »nicht dieselben Neger sind, die nach Pearl Harbor die Uniform anzogen. Der Krieg war ein Lehrmeister […] Auslandserfahrung, bessere Gesundheits- und Lebensbedingungen [im Militär], selbst höhere Einkommen haben die jüngere Neger-Generation zur bewusstesten, eloquentesten und militantesten in der ganzen US-Geschichte gemacht«.52 Eine 1947 erschienene Publikation über zurückkehrende schwarze Veteranen kam zu ähnlichen Schlüssen. Ihre Autoren kommentierten, dass die Lage der Afroamerikaner in den USA nicht besser oder schlechter war als vor dem Krieg, aber dass die Veteranen aufgrund ihrer Erfahrung von Gleichberechtigung in Übersee »sehr viel unruhiger und unzufriedener« ins Zivilleben zurückkehrten.53

Abb. 2.10: KZ Buchenwald: Afroamerikanische und weiße US-Soldaten des 183. Pionierbataillons, 8. Korps, 3. USArmee, stehen während eines Rundgangs entsetzt vor aufgestapelten Leichen am Krematorium (Leon Bass ist der dritte von links), April 1945 (United States Holocaust Memorial Museum)

Kapitel 2: Kampf an zwei Fronten

Abb. 2.11: Afroamerikanische Soldaten vor einem Verbrennungsofen des KZ Ebensee, Österreich, zwischen 6. und 30. Mai 1945 (United States Holocaust Memorial Museum)

D ie R ückkehr der S oldaten Die Rückkehr in die USA war für viele schwarze Soldaten eine deprimierende Erfahrung, wie sich der Veteran Chester White erinnert: Für die weißen Soldaten »waren wir einfach Nigger. Ich werde nie den Typen vergessen, der schrie: ›Warte nur, bis der Krieg vorbei ist, wir wissen, wie man mit euch Nigger-Bastarden umgehen muss‹.« Einer von Whites Freunden war »entsetzlich verbittert«. Er »hatte alle möglichen militärischen Auszeichnungen« erhalten, aber für die weißen Amerikaner in den Südstaaten »schien es keinerlei Unterschied zu machen, ob du gekämpft hast oder nicht; [für sie] war er einfach ein schwarzer boy«.54 Dabney Hammer war ebenfalls entsetzt. Er hatte »für die amerikanischen Ideale von Demokratie und Freiheit« an fünf großen Gefechten während des Krieges teilgenommen und trug voller Stolz seine dort erworbenen Auszeichnungen an seiner Uniform. Von einem weißen Südstaatler zuhause in Clarksdale, Mississippi, bekam er aber zu hören, er solle nicht vergessen, dass er »immer noch ein Nigger« sei.55 Der Geistliche Hosea Williams, später die rechte Hand von Dr. Martin Luther King Jr., bekam den vollen Umfang des Hasses zu spüren, als er auf seinem Rückweg aus dem Krieg durch den Bundesstaat Georgia reiste. Trotz aller Orden an seiner Uniform wurde er von einem weißen Mob in der Kleinstadt Americus fast totgeschlagen, weil er am Bahnhof in einem Wartesaal für Weiße um ein Glas Wasser bat. Er brauchte Monate, um sich von seinen schweren Verletzungen zu erholen, und er erin-

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nerte sich sehr viel später noch, wie er »acht Wochen weinend dagelegen hatte, und sich wünschte, Adolf Hitler hätte den Krieg gewonnen«.56 Bezeichnend ist, dass Gewalt gegen zurückkehrende Veteranen in Uniform nicht nur eine Sache einzelner rassistischer Mobs war, sondern auch von Polizisten, den so genannten Gesetzeshütern verübt wurde. Als Henry Murphy, ein hochdekorierter Veteran in seine Heimatstadt Hattiesburg (Mississippi) zurückkehrte, riet ihm sein Vater, die Uniform auszuziehen und Zivilkleidung anzulegen, bevor er die Kaserne, wo er ausgemustert wurde, verließ. »Er trug mir auf, die Uniform überhaupt nicht mehr zu tragen, weil die Polizei gezielt schwarze GIs suchte und verprügelte. Wenn der [Soldat] ein Bild einer weißen Frau [die er möglicherweise in Europa kennengelernt hatte] in der Tasche hatte, brachten sie ihn um«.57 Das neue Selbstwertgefühl und die neue »Männlichkeit«, die schwarze GIs in Übersee erworben hatten, musste ihnen nach Meinung weißer Rassisten schleunigst wieder entzogen werden: Und damit sich die afroamerikanischen Veteranen wieder gefügig in die SüdstaatenGesellschaftsordnung eingliederten, war es ihnen weder erlaubt, militärische Uniform zu tragen, noch irgendein Andenken zu besitzen, das belegte, dass das zentrale Tabu der Rassentrennung, nämlich intime Liebesbeziehungen zwischen weißen Frauen und schwarzen Männern, in Übersee gebrochen worden war.58 Besonders schlimm erging es Veteranen, die nach Alabama zurückkehrten. Eugene ›Bull‹ Connors, der Polizeichef von Birmingham, der 1963 einen weltweiten Skandal auslöste, als er Bürgerrechtsdemonstranten (unter ihnen auch Frauen und Kinder) mit Wasserwerfern und Polizeihunden attackieren ließ, initiierte nach dem Krieg eine Welle der Polizeigewalt gegen rückkehrende Veteranen. Innerhalb von sechs Wochen wurden fünf schwarze Veteranen allein in seiner Stadt totgeprügelt.59 Sogar schwarze Veteranen, die in die Nordstaaten der USA zurückkehrten, waren bitter enttäuscht darüber, wie wenig sich verändert hatte. Oliver Harrington, der bekannte politische Karikaturist und Kriegskorrespondent des Pittsburgh Courier, notierte folgendes über seine eigene Rückkehr: »Als Neger hattest Du dafür gekämpft, die Schilder ›Für Juden verboten‹ in Deutschland zu zerstören«, nur um festzustellen, »dass die Schilder ›Für Neger verboten‹«, zu Hause immer noch da waren.60 Ein anderer Veteran, Henry Peoples, war nach all den Jahren immer noch erbittert über die Erlebnisse bei seiner Rückkehr: »Ich tötete Menschen – ich sag es noch einmal, ich tötete andere Menschen im Namen der Demokratie. Bin ich jetzt der Dumme, weil ich naiv genug war, meiner Regierung Glauben zu schenken?«61 Viele Veteranen fanden sich zwangsläufig wieder mit ihrem früheren Leben ab, besonders wenn sie aus dem Süden kamen. Der oben erwähnte Veteran Henry Murphy folgte beispielsweise dem Rat seines Vaters und trug fortan wieder Latzhose, die »Uniform« der Tagelöhner – die »einzige Uniform [für Afroamerikaner], die weiße Südstaatler tolerierten«, wie er es ausdrückte.

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Aber viele andere taten dies eben nicht. Sie formten in der Folge eine Bewegung, die die USA in den kommenden zwei Jahrzehnten entscheidend verändern sollte. Oliver Harrington schloss sich dieser Bürgerrechtsbewegung an und trat zu diesem Zweck nach seiner Entlassung 1945 der NAACP bei (er verließ später die USA und siedelte in die DDR über, wo er ein anerkannter Karikaturist und Kommentator wurde). Auch der Geistliche Hosea Williams trat 1952 der NAACP bei und wurde in der Folge zu einer prominenten Leitfigur in der Southern Christian Leadership Conference, wo er erstmals Martin Luther King begegnete und sich ihm als Freund und Mitstreiter im Kampf um die Bürgerrechte anschloss. Viele andere, weniger berühmte Veteranen waren ebenso bereit, für ihre Sache einzustehen: »Ich hab die Kämpfe auf dem ETO (European Theater of Operations [Europäischen Kriegsschauplatz]) überstanden«, sagte einer dieser GIs, »und jetzt kämpfe ich auf dem STO (Southern Theater of Operations [Kriegsschauplatz im Süden])«.62 Ein weiterer Veteran sagte im Rückblick auf seine Entscheidung, sich der Bürgerrechtsbewegung anzuschließen, dass schwarze Veteranen »zusammengestanden und neuen Stolz und neue Einheit gewonnen haben«, und als der »Augenblick kam, […] wurden die Männer zur Speerspitze einer Bewegung, die ganz Amerika verwandelte«.63 Als die NAACP von Rassisten in den USA wegen ihres Einsatzes für afroamerikanische Soldaten und Veteranen als Aufwiegler-Organisation abgestempelt wurde, stellte Roy Wilkins korrekt fest, dass die Veteranen die NAACP nicht dazu brauchten, um zu erkennen, dass es »blödsinnig war, gegen Parkbänke mit der Aufschrift Jude in Berlin, aber für Parkbänke mit der Aufschrift Farbige in Tallahassee, Florida zu sein«.64 Für viele Veteranen war die NAACP aufgrund ihres Einsatzes für die Veteranen während des Krieges die beste Chance, ihren Kampf zuhause fortzuführen. Die Zahl der NAACP-Ortsverbände zwischen 1940 und 1946 verdreifachte sich, und die Mitgliederzahlen der NAACP stiegen von 50.556 auf 450.000. Viele dieser neuen Mitglieder waren Veteranen.65 Tatsächlich waren es die Veteranen des Zweiten Weltkriegs, auf die sich die NAACP verlassen konnte, um einige der Hauptkläger in einer Serie von Prozessen zu stellen, die die gesetzliche Rassentrennung im amerikanischen Süden in den späten 1940 und den 1950er Jahren Stück für Stück zu Fall brachten. Veteran Oliver Brown zum Beispiel erzwang die Aufhebung der Rassentrennung des Jim Crow-Schulsystems 1954, als er zustimmte, dass die NAACP den Fall seines Kindes in dem revolutionären Verfahren Brown vs. Board of Education vor das US-Verfassungsgericht (Supreme Court) brachte. Mit der richterlichen Entscheidung wurde das Prinzip des separate but equal (Gleichheit trotz Trennung der Rassen), das seit 1896 der Grundstein für die gesamte Jim Crow-Gesetzgebung war, für verfassungswidrig erklärt.66

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Veteranen waren auch Teil der sogenannten GI-Revolte im Süden der USA, wo sie in ihren Gemeinden versuchten, die tief verwurzelte und oft auch korrupte Politik der rassistischen Ausgrenzung zu beenden. Wie der Veteran Jim Williams sich erinnerte, gab es nach dem Krieg »Nester des Widerstandes in vielen Teilen der USA«.67 Aufgrund der Aktionen dieser Veteranen stieg die Wählerregistrierung für die Vorwahlen der Demokratischen Partei 1946, der ersten, bei der Afroamerikaner im Süden der USA abstimmen durften, steil an, nachdem der Oberste Gerichtshof 1944 rein weiße Vorwahlen für verfassungswidrig erklärt hatte. In Atlanta (Georgia) sorgten die Aktivitäten der Veteranen dafür, dass die Zahl der registrierten Wähler von 5.000 auf 25.000 stieg. Insgesamt stimmten über 100.000 Afroamerikaner bei diesen Vorwahlen ab.68 Während der Vorwahlen in Alabama, schrieb ein stolzer Beobachter, seien mehr als 100 aus dem Krieg zurückgekehrte afroamerikanische Veteranen aus Birmingham in Zweierreihen und in Uniform zum Jefferson Country Gerichtsgebäude marschiert und hätten dort ihre Entlassungspapiere vorgelegt, als Beweis dafür, dass sie keine Analphabeten seien (was sie von der Wahl ausgeschlossen hätte).69 Veteranen in vielen anderen Staaten waren ebenso bereit, die etablierten politischen Kräfte herauszufordern.70 Sie waren auch federführend in den Nordstaaten, wo schwarze Veteranenverbände dafür kämpften, die während des Krieges gewonnen Fortschritte im wirtschaftlichen Sektor weiterauszubauen und Afroamerikanern die Mitgliedschaft in weißen Gewerkschaften zu ermöglichen.71 Tragischerweise scheiterten viele dieser Versuche, die ihnen zustehenden Bürgerrechte einzufordern, und im Süden der USA endeten diese Bemühungen für viele Veteranen sogar tödlich. Während der Vorwahlen 1946 wurden sechs afroamerikanische Veteranen gelyncht, andere fand man tot im Mississippi treibend oder verstümmelt in den Wäldern. Andere waren gezwungen, den Süden fluchtartig zu verlassen und sich in die relative Sicherheit der Nordstaaten zu flüchten.72 Trotz der Lebensgefahr, die ihnen ihr politisches Engagement einbrachte, wurden viele Südstaaten-Veteranen in den 1950er und 1960er Jahren zur treibenden Kraft der sich herauskristallisierenden Bürgerrechtsbewegung. Groben Schätzungen zufolge waren 30 Prozent der Führer in der Bürgerrechtsbewegung Veteranen des Zweiten Weltkriegs und des Koreakriegs (1950-1953).73 Prominente Bürgerrechtsaktivisten wie Medgar Evers, Amzie Moore, Hosea Williams, und Aaron Henry kommen einem hierbei in den Sinn, aber viele andere, weniger bekannte, waren ebenso entschlossen nach ihrer Heimkehr den Kampf für die Demokratie zuhause in den USA fortzuführen.74 Wie viele der afroamerikanischen Soldaten, die während des Zweiten Weltkriegs an der Front gekämpft und dann in der Besatzungsarmee gedient hatten, kehrten auch viele der afroamerikanischen Soldaten, die in den 1950er und 1960er Jahren in Westdeutschland stationiert waren, mit einer neuen Ent-

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schlossenheit in die USA zurück, auch dort für einen fundamentalen Wandel zu sorgen. Das nachfolgende Bild zeigt solche Veteranen beim berühmten Selma Montgomery-Marsch 1965.

Abb. 2.12: Beim Protestmarsch von Montgomery nach Selma (1965) nahm auch ein Veteran (vorne links) teil, der 1958 in Deutschland seinen Wehrdienst abgeleistet hat (Take Stock/Matt Herron) Aber auch Veteranen, die aus dem Norden der USA kamen, waren durch ihre Erfahrungen in Übersee geprägt. Joe McPhee, ein bekannter Jazzmusiker, war einer dieser Veteranen, der Anfang der 1960er Jahre in seine Heimatstadt Poughkeepsie in New York zurückkehrte. Er trat der NAACP bei, weil er den Gegensatz zwischen seinen Erfahrungen in Deutschland und in den USA »mehr als befremdlich empfand«. Nachdem er während seines Militärdienstes die Rechte und Privilegien der Menschen in Deutschland und Europa gesichert hatte, kam er nach Hause und hatte diese Rechte immer noch nicht.75 Wie David Brion Davis, der renommierte Historiker des US-Rassismus, der 1946 als Achtzehnjähriger in Mannheim stationiert war, resümierte: Die afroamerikanischen Soldaten waren ohne Frage stolz darauf, Teil des triumphalen Sieges über ein faschistisches Land zu sein, das für die ›arische Vorherrschaft‹ stand. In England, Frankreich und sogar in Deutschland erlebten sie eine Art Rassenfreiheit, die in

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Ein Hauch von Freiheit den Vereinigten Staaten gänzlich unbekannt war, und sie waren entschlossen, sich gegen die Jim Crow-Ordnung aufzulehnen, in die ihre Väter und Großväter nach dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt waren. Es ist großartig, dass sie in der Lage waren, eine große Rolle in der Bürgerrechtsrevolution der nächsten Generation zu spielen, die den heuchlerischen Graben zwischen demokratischer Rhetorik und sozialer Realität verringerte.76

Die Herzen und die Köpfe der Menschen im Land umfassend zu verändern, sollte sich jedoch als eine mühsame und langandauernde Aufgabe herausstellen. Wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, änderten all die geschilderten Ereignisse nichts daran, dass die US-Militäreinheiten, die zum Sieg über Deutschland beitrugen und anschließend die deutsche Gesellschaft in ihrer Besatzungszone entnazifizieren und umerziehen sollten (1945-1955), noch ebenso der Rassentrennung unterworfen wie beim amerikanischen Kriegseintritt 1941.

A nmerkungen 1 | Neil McMillen: »Fighting For What We Did not Have – How Mississippi Veterans Remember World War II«, in: Neil McMillen: Remaking Dixie. The Impact of World War II on the American South, Jackson: University of Mississippi Press, 1997, S. 102. 2 | Morris MacGregor: Integration of the Armed Forces 1940–1965, Washington, DC: Center for Military History, 1981, S. 20f. Vgl. ebenfalls Sherie Mershon und Steven Schlossman: Foxholes and Color Lines – Desegregating the U.S. Armed Forces, Baltimore: Johns Hopkins University Press, 1998; L. D. Reddick: »The Negro Policy of the American Army Since World War II«, in: The Journal of Negro History 38.2 (1953), S.194–215; Ulysses Grant Lee: The Employment of Negro Troops, Washington, DC: Office of the Chief of Military History, U.S. Army, 1966; Maggi M. Morehouse: Fighting in a Jim Crow Army: Black Men and Women Remember World War II, Lanham, MD: Rowman and Littlefield, 2000. 3 | Vgl. beispielsweise Lawrence P. Scott und William M. Womack: Double V: The Civil Rights Struggle of the Tuskegee Airmen, East Lansing: Michigan State University Press, 1994; Todd J. Moye: Freedom Flyers: The Tuskegee Airmen of World War II, New York: Oxford University Press, 2010. Roscoe Brown, der als Pilot der Tuskegee Airmen gegen Deutschland gekämpft hat, erzählt in dem Dokumentarfilm Ein Hauch von Freiheit von seinen Erfahrungen als Tuskegee Pilot. 4 | Nancy und Dwight MacDonald: The War’s Greatest Scandal! The Story of Jim Crow in Uniform – March on Washington Movement, Frühjahr 1943, S. 3. 5 | Ebd., S. 4. 6 | Spencer Moore: »No Time to Think About Civil Rights«, Interview mit Maggi Morehouse, 1998; Walter Patrice, Interview mit Maria Höhn, 2010, beide auf www.aacvrgermany.org/oralhistory. 7 | Leon Bass, Kommentar, in: Ein Hauch von Freiheit.

Kapitel 2: Kampf an zwei Fronten 8 | A. William Perry: »Like a Slap in the Face«, Interview von Maggi Morehouse, Cleveland, OH, 1998, auf www.aacvr-germany.org/oralhistory. 9 | »Meanest Trick«, in: The Crisis, April 1943, S. 105. Zum Verhältnis von schwarzen Soldaten und deutschen Kriegsgefangenen in den USA siehe Matthias Reiss: »Die Schwarzen waren unsere Freunde« – Deutsche Kriegsgefangene in der amerikanischen Gesellschaft 1942–1946, Paderborn: Ferdinand Schöningh Verlag, 2002. 10 | Joe Stephenson: »I Put Blinders On and Shut Out Bad Things«, Interview von Maggi Morehouse, Washington, DC, 1998; Joseph Hairston: »We Structured the March on Washington Like an Army Formation«, Interview von Maggi Morehouse, Washington, DC, 1998; Reuben Horner: »Fighting against My White Superiors«, Interview von Maggi Morehouse, Tucson, AZ, 1998, alle auf www.aacvr-germany.org/oralhistory. Siehe auch Parker: Fighting for Freedom, Kapitel 3 und Reiss: Die Schwarzen waren unsere Freunde. 11 | Joe Stephenson: »I Put Blinders On and Shut Out Bad Things«, Interview von Maggi Morehouse, Washington, DC, 1998; Joseph Hairston: »We Structured the March on Washington Like an Army Formation«, Interview von Maggi Morehouse, Washington, DC, 1998; Reuben Horner: »Fighting against My White Superiors«, Interview von Maggi Morehouse, Tucson, AZ, 1998, alle auf www.aacvr-germany.org/oralhistory. 12 | Langston Hughes: »My America«, in: Rayford Logan (Hg.): What the Negro Wants, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 1944, S. 301, 303. 13 | Editorial: »The Negro in the United States Army,« The Crisis, Februar 1942, S. 47– 49, 49. 14 | L.D. Reddick: »The Negro Policy of the American Army Since World War II«, in: The Journal of Negro History, Bd. 38, Ausgabe 2 (April 1953), S. 195f. Vgl. ebenfalls Lee: The Employment of Negro Troops; Morris MacGregor: Integration of the Armed Forces 1940–1965, Washington, D.C.: Center for Military History, 1981, S. 16; Maggi Morehouse: Fighting in a Jim Crow Army – Black Men and Women Remember WWII, Lanham, MD: Rowman & Littlefield, 2000. 15 | Mershon und Schlossman: Foxholes, S. 15. 16 | Zu den Bemühungen des US-Militärs, schwarze Soldaten von der weißen Bevölkerung in Großbritannien fernzuhalten, vgl. Graham Smith: When Jim Crow met John Bull – Black American Soldiers in World War II in Britain, New York: St. Martins Press, 1987. 17 | US-Kriegsministerium: Kommandeur der Neger-Truppen. Verlautbarung Nr. 20-6, Washington, DC: Kriegsministerium, Februar 1944, S. 13. Vgl. ebenfalls Mershon und Schlossman: Foxholes, Kap. 1. 18 | Ebd. 19 | NARA, RG 165/390 Box 472 Folder Negroes and Negro race, »The Negroes’ Role in the War« from the Office of War Information, 8. Juli 1943, S. 45. 20 | NARA, RG 107/ Box 261 – Office of Army Sec. Of War/Civ. Aide, Headquarter First Service Command Field Office, Security and Intelligence Division, 20. Dezember 1944, Brief von Soldat James N. Williams, S. 2. 21 | NARA, RG 165/390 Box 472 Folder Negroes and Negro Race. Office of War Information, »The Negroes’ Role in the War«, 8. Juli 1943, S. 17.

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Ein Hauch von Freiheit 22 | Der Mythos der Greatest Generation (größten Generation) wurde erst in den 1990er Jahren mit dem fünfzigsten Jahrestages des Sieges im Zweiten Weltkrieges geprägt. Popularisiert wurde der Begriff durch Tom Brokaws Buch, The Greatest Generation, New York: Random House, 2001. Die Beteiligung afroamerikanischer Soldaten fehlt fast komplett in dieser Darstellung, ebenso wie die Tatsache, dass die US-Armee mit rassengetrennten Truppen in den Kampf zog, und dass viele Mitglieder dieser Greatest Generation verbissene Rassisten waren und blieben. 23 | Walter White: A Rising Wind, New York: Doubleday, Doran, 1945, S. 21. Das Buch schildert eindringlich die Erfahrungen der schwarzen Soldaten in Europa und Afrika. Siehe auch Whites Bericht über die Reise in NARA, RG 107 Box 221, NAACP Mappe. Siehe auch Mark Huddle (Hg.): Roi Ottley’s World War II: The Lost Diaries of an American Journalist, Lawrence, KS: University Press of Kansas, 2011, in denen Ottley die positiven Erfahrungen afroamerikanischer GIs in Großbritannien beschreibt, und wie schlecht sie von ihren weißen Kameraden und Offizieren behandelt worden waren. Solche Berichte aus Großbritannien finden sich auch in NARA, RG 107/ CA Box 265: Army Service Forces Technical Intelligence Report: Relations of Negro Troops with U.S. and British Soldiers; 21. Dezember 1944 und RG 498/Box 43 – HQ ETO. Für eine Geschichte der afroamerikanischen Soldaten in Großbritannien siehe Graham Smith: When Jim Crow Met John Bull, New York: Tauris, 1987. 24 | Die Aufhebung des Südstaaten-Tabus gegen Schwarz-Weiße romantische oder sexuelle Beziehungen in Übersee war eines der aufsehenerregendsten Ereignisse innerhalb des Militärs, vgl. beispielsweise NARA, RG 498 Box 43, HQ ETO; RG 165 War Dept General Staff Decimale File 46-46/Box 443, 16. Februar 1945, Racial Situation in the United States, 20. Januar bis 3. Februar 1945. 25 | NARA, RG 107, Box 221 – NAACP Folder I Observations and Recommendations of Walter White on Racial Relations in the ETO, 11. Februar 1944, S. 3–4. 26 | Richard Goldstein: »Vernon Baker, Medal of Honor Recipient Dies at 90«, in: New York Times, 15. Juli 2010, B 17. 27 | Was auf die damals schon bekannte historische Tatsache anspielt, dass Afrika als die Wiege der Menschheit anzusehen ist, da hier die bis dato frühesten Exemplare anthropomorpher Lebensformen nachweisbar sind. Zu Alston siehe Harry Amana: »The Art of Propaganda: Charles Alston’s World War II Editorial Cartoons fort the Office of War Information and the Black Press«, in: American Journalism, 21.2 (2004), S. 79–111. 28 | Zur Geschichte der 92. Division siehe Maggi M. Morehouse: Fighting in a Jim Crow Army: Black Men and Women Remember World War II, Lanham, MD: Rowman and Littlefield, 2000. Auch Spike Lees film Mircale at Santa Anna und der Roman von James McBride, auf dem der Film basiert. 29 | Trevzant Anderson: Come out Fighting. The Epic Tale of the 761th Tank Battalion, 1942–45, Salzburg: Salzburger Druckerei und Verlag, 1945, wurde von einem Kriegsreporter und Bügerrechtsaktivisten verfasst, und unmittelbar nach dem Ende des Krieges in Europa gedruckt. 30 | Zitiert in McMillen: »Fighting for What We Didn’t Have«, S. 100.

Kapitel 2: Kampf an zwei Fronten 31 | George H. Roeder Jr.: »Censoring Disorder – American Visual Imagery of World War II«, in: Lewis A. Erenberg und Susan E. Hirsch (Hg.): The War in American Culture – Society and Consciousness During World War II, Chicago: University of Chicago Press, 1996, S. 46–70. Die Armee erließ ebenfalls ein Verbot, Fotos zu publizieren, die schwarze Soldaten in der Begleitung weißer Frauen zeigten. 32 | Reddick 1998, S. 196. 33 | Zur Angst des höheren US-Militärs vor sozialen Unruhen in der Heimat wegen dem Krieg in Übersee, vgl. Roeder Jr.: »Censoring Disorder«, S. 46–70. 34 | NARA, RG 165 Box 260, War Dept General Staff Decimale File: 11. Juni 1945. Report of Trends in the Negro Press (Woche vom 26. Mai–2. Juni 1945), S. 4. 35 | Siehe Kapitel 4. 36 | »Combat Units Oust Tan GIs. Volunteers for Frontline Infantry Sent Back to Kitchen«, in: Chicago Defender, 11. August 1945. 37 | »Halt Purge of GIs in Combat Units«, in: Chicago Defender, 18. August 1945. 38 | Werbeanzeige, in: Chicago Defender, 14. September 1946, S. 7. 39 | »Simple and the GIs«, in: Chicago Defender, 9. Februar 1946. 40 | NARA, RG 107, Kriegsminister, Zivilberater des Ministers, Haltungen der Negersoldaten, Box 265, Interview mit Major George Gitskin, 28. Juni 1945. 41 | Zitiert in Neil McMillen: »Fighting for What We Didn’t Have«, S. 103. 42 | RG 107/ Box 261 – Office of Army Secretary Of War/Civilian Aide, Headquarter First Service Command Field Office, Security and Intelligence Division, 20. Dezember 1944, Brief des Pvt. James N. Williams, S. 2. 43 | Zitiert in Steven Estes: I am a Man! Race, Manhood, and the Civil Rights Movement, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 2005, S. 11. 44 | NARA RG 107, Kriegsminister, Zivilberater des Ministers, Haltungen der Negersoldaten, Box 265, Interview mit Major Richard Middleton. 45 | NARA, RG 107, Zivilberater des Ministers, Haltungen der Negersoldaten, Interview mit Pfarrer Weiman Tyus. 46 | Zitiert in Lou Potter: Liberators – Fighting on Two Fronts in World War II, New York: Harcourt, Brace, Jovanovich, 1992, S. 270. Zur Kontroverse um Potters Buch und den Film Liberators, siehe Phyllis Klotman: »Military Rights and Wrongs: African Americans in the US Armed Forces«, in: Jacqueline Bobo, Cynthia Hudley und Claudine Michel (Hg.): The Black Studies Reader, New York: Routledge, 2004, S. 113–37. 47 | Abrufbar auf www.aacvr-germany.org/liberation_camps. 48 | Leon Bass/Pam Sporn: »›Saw The Walking Dead‹ – A Black Sergeant Remembers Buchenwald«, Interview von Pam Sporn und Studenten, Dokumentation »Blacks and Jews – Are They Really Sworn Enemies?«, produziert vom Educational Video Center, abgerufen auf History Matters. 49 | NARA, RG 107/ CA Box 265: Army Service Forces Technical Intelligence Report: Operations of a Negro Engineer Dump Truck Company; Report Nr. 855, 4. Juli 1945.

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Ein Hauch von Freiheit 50 | NARA, RG 107/ Box 265: Military Intelligence Division: Military Attaché Report: Relations Between White and Negro – United States Troops in England; Report Nr. 84, 7. September 1944 51 | NARA, RG 319 Box 380 »Negroes«, Overviews of the racial situation in the US from the War Department, April 1944. 52 | »The Negro Veteran Tests America«, Ebony, März 1947. 53 | Charles Bolte und Louis Harris: Public Affairs Pamphlet No 128 – Our Negro Veterans, Washington, DC: Public Affairs Committee, 1947, S. 5–8. 54 | Ralph G. Martin: »Where is Home?«, in: New Republic, 31, Dezember 1945. Der Begriff »Junge« (boy) wurde im Süden der USA benutzt, um schwarze Männer zu demaskulieren. Selbst Mitglieder des afroamerikanischen Bildungsbürgertums wurden oft von weißen Amerikanern so betitelt. 55 | McMillen 1998, S. 103. 56 | Zitiert in Richard Wormser: The Rise and Fall of Jim Crow, New York: St. Martin‘s Press, 2003, S. 166. Hosea Williams Kommentare auch in: Ein Hauch von Freiheit, TV Dokumentation. Zu weiteren gewalttätigen Vorfällen, denen Veteranen zum Opfer fielen, und weiteren Aktivitäten des Ku Klux Klan, vgl. James Cobb: »World War II and the Mind of the Modern South«, in: McMillen (Hg.): Remaking Dixie, S. 6–7;  Adam Fairclough: Race and Democracy: The Civil Rights Struggle in Louisiana, 1915–1972, 2. Aufl., Athens, GA: University of Georgia Press, 2008, S. 106–34. 57 | McMillen: »Fighting for What We Didn’t Have«, S. 99. 58 | Im neunzehnten Jahrhundert betraf dieses Tabu allerdings nicht die sexuelle Gewalt, die Plantagenbesitzer gegenüber versklavten Frauen und Mädchen ausübten. Zur Geschichte des sexuellen Tabus siehe zum Beispiel Martha Hodes (Hg.): Sex, Love, Race – Crossing Boundaries in North American History, New York: NYU Press, 1999. 59 | Wormser: The Rise and Fall, S. 166. Siehe auch Parker: Fighting for Democracy, S. 115. 60 | Oliver Harrington: »Frontiers Still Left in America – The Negro’s Part«, in: The Struggle for Justice as a World Force – Report of the New York Herald Tribune Annual Forum, New York: Herald Tribune, 1945, S. 52. 61 | Zitiert in Morehouse: Fighting in a Jim Crow Army, S. 197. 62 | Ebd., S. 52. 63 | Zitiert in Estes: I am a Man, S. 38. Siehe auch Parker: Fighting for Democracy. Zur Bedeutung der Veteranen siehe die TV Dokumentation Ein Hauch von Freiheit und insbesondere die Rolle von Medgar Evans. 64 | Roy Wilkins: »The Negro Wants Full Equality«, in: Logan: What the Negro Wants, S. 130. 65 | Estes: I am a Man, S. 36. Zur Rolle der Veteranen innerhalb der Bürgerrechtsbewegung vgl. McMillen: »Fighting for What We Didn’t Have«; Borstelman: The Cold War, S. 54 nennt Veteranen die »Rollkommandos« der Bürgerrechtsbewegung. Davis: »The Americanized Mannheim«, S. 88. Zum massenhaften Eintritt von Veteranen in die NAACP vgl. Mary White Ovington: The Walls Came Tumbling Down, New York: Harcourt, Brace and

Kapitel 2: Kampf an zwei Fronten Co., 1947, S. 280; Zum Anwachsen der NAACP siehe Manfred Berg: ›The Ticket to Freedom‹: The NAACP and the Struggle for Black Political Integration, Gainesville: University Press of Florida, 2005, S. 109–15. 66 | Trotz fortgesetzter Diskriminierung der Afroamerikaner am Arbeitsplatz, waren die erweiterten Wahlmöglichkeiten bei Aus- und Weiterbildung für rückkehrende Veteranen durch den 1944 GI Bill und das kurz danach erschienene Veterans Adjustment Act of 1952, sehr wichtige Entwicklungen, die ihren Forderung nach Gleichberechtigung stärkten. Vgl. David H. Onkst: »›First a Negro ... Incidentally a Veteran‹: Black World War Two Veterans and the G.I. Bill in the Deep South, 1944–1948«, in: Journal of Social History, 31 (Frühjahr 1998), S. 517–44; Suzanne Mettler: Soldiers to Citizens: The G.I. Bill and the Making of the Greatest Generation, Oxford: Oxford University Press, 2005, S. 136–43. 67 | Jim Wiliams: »They Treated the German POWs Better than Us«, Interview von Maggi Morehouse in Philadelphia, 1998, auf www.aacvr-germany.org/oralhistory. 68 | Estes: I am a Man, S. 263. Ebenfalls Ovington: The Walls Came, S. 280. 69 | Jack Pollack: »Literacy Tests, Mai 1947«, in: Reporting Civil Rights, Part One – American Journalism 1941–1963, New York: The Library of America, 2003, S. 87. Die renommierte amerikanische Journalistin Michelle Norris beschreibt in ihrem Buch eindringlich, wie ihr Vater nach dem Krieg versuchte, sich in die Wahlliste einzuschreiben, und daraufhin von der Polizei in Birmingham, Alabama verhaftet wurde. Siehe insbesondere ihr Kapitel »The War at Home«, in: The Grace of Silence, New York: NYU Press, 2010, S. 103–107. 70 | Für einen Überblick zu den Veteranen-Aktivitäten, siehe »Arkansas GIs Threat New Riots. Say Athens, Tenn., Outbreak May Be Mild In Comparison«, in: The Knoxville Journal, 10. August 1946, vgl. www.constitution.org/mil/tn/batathen_press.htm. 71 | Zur Rolle der Veteranen siehe z. B. Christine Knauer: Let Us Fight as Free Men. Black Soldiers and Civil Rights, Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2014, besonders Kapitel 2. 72 | Charles Bolte und Louis Harris: Public Affairs Pamphlet Nr. 128 – Our Negro Veterans, Washington, DC: Public Affairs Committee, 1947, S. 5, 6, 8. Neil Wynn: The Afro American and the Second World War, New York: Holmes & Meier Publ., 1975, Kapitel 6 und 7. Zur Stärkung der politischen Entschlossenheit unter Afroamerikanern in Louisiana. vgl. Adam Fairclough: Race and Democracy. The Civil Rights Struggle in Louisiana 1915–1972, Atlanta: University of Georgia Press, 1999, S. 106–34. Zu dieser Gewalt siehe auch Michelle Norris: The Grace of Silence. 73 | Zur Rolle der Veteranen siehe Parker: Fighting for Democracy. 74 | Für die zentrale Rolle der Veteranen des Zweiten Weltkriegs im Kampf um die Bürgerechte, siehe auch die Dokumentation Ein Hauch von Freiheit (2014), die von diesem Buch inspiriert wurde. Medgar Evers, Aaron Henry und Amzie Moore zählten zu den berühmtesten Bürgerrechtsführern im Mississippi-Delta. Der bekannte Bürgerechtsfotograf Matt Herron, der in den frühen 1960er Jahren die Aktivitäten der Bürgerrechtsbewegung in Mississippi dokumentierte, betonte in einem Vortrag 2009 am Vassar

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Ein Hauch von Freiheit College die entscheidende Rolle der Südstaaten-Veteranen des Zweiten Weltkriegs. Vgl. ebenfalls Joseph Hairston: »We Structured the March on Washington Like an Army Formation«, Interview von Maggi Morehouse, Washington, DC, 1998, www.aacvr-germany. org/oralhistory. Zum Kampf um die Bürgerrechte in Mississipi, siehe John Ditmer: Local People: The Struggle for Civil Rights in Mississippi, Urbana und Chicago: University of Illinois Press, 1994, und Charles M. Payne: I’ve Got the Lighty of Freedom: The Organizing Tradition and the Mississippi Freedom Struggle, Berkeley: University of California Press, 1995; Für Biographien von Evers und Henry, vgl. beispielsweise Medgar Wiley Evers: Myrlie Evers-Williams und Manning Marable (Hg.): The Autobiography of Medgar Evers: A Hero’s Life and Legacy Revealed through His Writings, Letters, and Speeches, New York: Basic Civitas Books, 2005; und Aaron Henry und Constance Curry: Aaron Henry: The Fire Ever Burning, Jackson: University Press of Mississippi, 2000. 75 | Joe McPhee, Interview von Maria Höhn, Poughkeepsie, NY, 2010, auf www.aacvrgermany.org/oralhistory. 76 | Davis 1998, S. 88.

Kapitel 3 »Das werden wir uns nie mehr bieten lassen« – Afroamerikanische GIs und die Besetzung Deutschlands

Mehr noch als die Kampfeinsätze des Zweiten Weltkriegs brachten die Besetzung der amerikanischen Zone Nachkriegsdeutschlands durch US-GIs und das Umerziehungsprogramm einen enormen Schub für die Belange der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Gerade die ersten Jahre der Besatzungszeit (1945-1949) ermöglichten es, unmissverständlich und wirkungsvoll wie selten zuvor die Botschaft der Gegner der Rassentrennung öffentlich zu verbreiten. Amerikas politisches und militärisches Engagement im Nachkriegsdeutschland war natürlich nicht der einzige Grund, warum Bürgerrechtsaktivisten in den USA signifikante Fortschritte mit ihren Kampagnen erzielten, aber es stellt ein entscheidendes und bis jetzt wenig erforschtes Kapitel innerhalb der Geschichte der Bürgerrechtsbewegung dieser Zeit dar. Zwei bedeutende Kritiker des US-Rassismus, die sich damals in Deutschland aufhielten, bekamen dort nicht nur Amerikas Rassenproblem als Zeitzeugen in ganz besonderer Weise zu spüren, sondern entwickelten hier auch Lösungsansätze. Roi Ottley, ein bekannter afroamerikanischer Journalist, der Nachkriegsdeutschland ausgiebig bereiste, um über die afroamerikanischen US-Truppenteile zu berichten, fand, dass »auf deutschem Boden der amerikanische Rassismus in dramatischer Weise sichtbar wurde«.1 David Brion Davis, der als achtzehnjähriger Soldat in Deutschland diente und später einer der renommiertesten Rassismus-Forscher werden sollte, sah »die frühen Jahre der Besetzung als ein Vorspiel der Auseinandersetzung um die Rassengleichheit und die Bürgerrechte, die Amerika in den 1950er und 1960er Jahren dominieren sollte, und das schließlich dazu führte, viele Missstände des Jim Crow-Südens zu überwinden«.2 Wie nachfolgend beschrieben wird, erlebten afroamerikanische Soldaten ihre Zeit im Nachkriegsdeutschland als einen »Hauch von Freiheit«, und sowohl afroamerikanische Bürgerrechtler als auch die afroamerikanische Presse waren bereit, diese neuartige Erfahrung in den USA zu verbreiten. Die afro-

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amerikanische Presse berichtete ausführlich über das zerstörte und besiegte Land, und schilderte es als eine Art Eldorado oder Utopia der Rassengleichheit, wo Afroamerikaner ein besseres Leben führen konnten als in ihrer eigenen Heimat.3 Zur gleichen Zeit enthüllte ihre Berichterstattung den Rassismus und die Gewalt gegen afroamerikanische Soldaten, die weiße US-Offiziere und die Mannschaften vor den Augen der einheimischen Deutschen praktizierten. Nach und nach fanden diese Meldungen auch den Weg in die weißen Mainstream-Medien der USA.

A merik as B esat zungsarmee Nach dem Ende der Kampfhandlungen in Deutschland 1945 waren dort zunächst insgesamt 1,6 Millionen US-Soldaten disloziert, von denen rund zehn Prozent Afroamerikaner waren. Die Gesamttruppenstärke wurde jedoch rasch reduziert, als der erwartete militärische Untergrundkrieg in Deutschland ausblieb. Mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8./9. Mai 1945 begann die Verlegung von US-Kampftruppen aus Europa an die Pazifikfront, um dort den Kampf gegen Japan zu unterstützen. Andere Einheiten wurden demobilisiert und in die USA zurück transportiert. Ende 1945 waren nur noch 614.000 GIs in Deutschland verblieben, und 1946 kehrten weitere 400.000 GIs in die USA zurück. Angesichts der überwiegend kooperierenden und gefügigen deutschen Bevölkerung wurden 1948 sogar nurmehr knapp 90.000 Soldaten als notwendig angesehen, um die Ziele der Besatzungsphase zu erreichen. 4 Darunter waren noch rund 10.000 Afroamerikaner. Diese Truppen blieben in Westdeutschland stationiert, um jegliches Aufflammen von Widerstand seitens untergetauchter Nazis zu unterbinden. Gleichzeitig war ihnen die Aufgabe übertragen worden, das ehrgeizige Demokratisierungsprojekt in Westdeutschland voranzutreiben. Auf den Konferenzen von Teheran im November 1943 und Jalta im Februar 1945 hatten die Alliierten entschieden, Deutschland in vier Besatzungszonen aufzuteilen, von denen jeweils eine den USA, der Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich unterstehen sollte. Die Alliierten waren auch übereingekommen, dass es ihre Aufgabe sein würde, Deutschland von allen Überresten des Nationalsozialismus zu säubern und das Land und seine politischen Strukturen zu demokratisieren. In ihrer eigenen Besatzungszone konzentrierten sich die Amerikaner zunächst auf die Entmilitarisierung der Rüstungsindustrie und auf die Verfolgung der NS-Kriegsverbrecher. Schon ein Jahr später, 1946, war es jedoch klar geworden, dass eine bloße Ausmerzung nationalsozialistischer Ideologie unzureichend war. Eine weitaus umfassendere Umerziehung war notwendig, um den institutionellen, sozialen und psychologischen Rahmen herzustellen, der ein demokratisches Deutschland ermöglichen würde. Mit diesem Politik-

Kapitel 3: »Das werden wir uns nie mehr bieten lassen«

wechsel machte die US-Militärregierung auch klar, dass der einzelne GI eine wichtige Rolle dabei spielen sollte, die Deutschen zu guten Demokraten zu machen. Tatsächlich sah die Armee ihre Soldaten als die besten Botschafter der Demokratie an. Trotz dieser hehren Mission sahen das Kriegsministerium und die meisten US-Kommandeure keinen Widerspruch darin, eine Jim Crow-Armee zu verwenden, bei diesem Demokratisierungsprozess aktiv mitzuwirken. Das USMilitär blieb so seinen bisherigen Grundsätze treu: Die in Deutschland eingesetzen Truppen blieben einer strengen und umfassenden Rassentrennung unterworfen. Die in den US-Streitkräften dienenden Afroamerikaner wurden, trotz ihrer Proteste und denen ihrer Fürsprecher in den USA, auch während der Besatzungsjahre überwiegend als Arbeiter, Küchenpersonal und Fahrer eingesetzt. Sie waren weder zur angesehenen Constabulary Force (Sicherheitspolizei zur Kontrolle der deutschen Bevölkerung), noch zum Postdienst oder in Positionen zugelassen, bei denen sie deutsche Arbeiter anleiteten oder bewachten. Kein einziger afroamerikanischer Offizier diente im Stab des militärischen Hauptquartiers in Frankfurt a.M., und kein einziger afroamerikanischer Soldat war unter den Angehörigen der Militärregierung zu finden.5 Die Armee verteidigte ihre Personalpolitik mit dem Argument, dass afroamerikanische GIs »normalerweise nicht in befriedigender Weise in Einheiten eingesetzt werden können, denen deutsches Personal unterstellt ist, da sie selbst so viel Kontrolle benötigen«.6 Das US-Oberkommando deutete darüberhinaus an, dass es entwürdigend für die Deutschen sei, von afroamerikanischen Soldaten angeleitet oder bewacht zu werden.7 Mit Verweis auf die Rheinlandbesetzung nach dem Ersten Weltkrieg, bei der keine afroamerikanischen US-Soldaten zum Einsatz kamen, versuchten einige Militärkommandeure sogar, afroamerikanische GIs komplett aus der Besatzungsarmee auszuschließen. Nur die Furcht vor einem Aufschrei seitens der afroamerikanischen Bürgerrechtsgruppen verhinderte eine Umsetzung dieses Plans in großem Maßstab.8 Tatsächlich wurde die fortgesetzte Verminderung der Zahl afroamerikanischer GIs innerhalb der Besatzungstruppen erst während der Berliner Luftbrücke (Juni 1948 – Mai 1949) mit ihrem massiven Personalbedarf, besonders bei den Transport- und Versorgungseinheiten, gestoppt. Die amerikanische Zone Westdeutschlands wurde nach dem Zweiten Weltkrieg also von einer rigide rassengetrennten und zutiefst rassistischen USArmee besetzt und verwaltet. Ausgerechnet sie sollte jetzt – wie es die Kommandeure formulierten – das »wichtigste Vorhaben ausführen, das je von den Vereinigten Staaten unternommen wurde«, nämlich die Entnazifizierung und Demokratisierung des besiegten Landes. Die Schizophrenie der Situation trat umgehend zu Tage, etwa als die in den Reihen der Besatzungsarmee dienenden afroamerikanischen Soldaten offizielle Anweisungen des Militärs lesen mussten, denen zufolge das Besatzungspersonal den Deutschen beibringen

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solle, dass »das Konzept der Überlegenheit […] und der Intoleranz gegenüber anderen verabscheuungswürdig ist […]«, und dass Amerika die »lebende Widerlegung von Hitlers absurden Theorien einer überlegenen Rasse ist«.9 Die tiefe Kluft zwischen dieser hochtrabenden Rhetorik von Demokratie und Rassenharmonie und der düsteren Realität der Jim Crow-Besatzungsarmee war selbst für oberflächliche Beobachter kaum zu übersehen.10 Hohe Offiziere der Militärregierung verkündeten sogar öffentlich, wie sehr sie der Umstand störte, dass afroamerikanische GIs überhaupt in Deutschland eingesetzt wurden. General Geoffrey Keyes, Kommandeur der 3. Armee, ließ nichts unversucht, um die Zahl der afroamerikanischen Truppen zu minimieren. General Joseph McNarney, Militärgouverneur der Amerikanischen Besatzungszone, ging 1946 sogar so weit, zu behaupten, »dass noch hundert Jahre vergehen werden, bevor der Neger sich bis zu dem Punkt entwickeln wird, an dem er gleichauf mit den weißen Amerikanern sein wird«.11 Generalmajor Ernest Harmon, der 1946 zum Kommandeur der 38.000 Mann starken Constabulary Force in der amerikanischen Zone ernannt wurde, erklärte im selben Jahr vor angetretenen weißen Soldaten, dass es Amerikas größter Fehler gewesen sei, »farbige Truppen nach Deutschland zu schicken«. Er sagte den laut applaudierenden weißen Soldaten, dass er »Washington davor gewarnt habe, Nigger zu schicken, die jetzt ein viel größeres Problem seien als die Deutschen«.12 Als McNarney und Harmon im Januar 1947 in die USA zurückkehrten, verbesserte sich die Situation für die afroamerikanischen GIs allerdings kaum. Generalleutnant Lucius D. Clay, der General McNarney ablöste, glaubte ebenfalls, dass afroamerikanische GIs am prestigeträchtigen Standort Berlin – wenn überhaupt – am ehesten als Paradetruppen eingesetzt werden sollten.13 Trotz dieser diskriminierenden Behandlung seitens der Militärführung bot das Mitwirken der Afroamerikaner an der Demokratisierung und dem Wiederauf bau Westdeutschlands der afroamerikanischen Gemeinschaft Nordamerikas ungeahnte Möglichkeiten, die Leistungen ihrer Soldaten zu feiern. Der Chicago Defender betonte, dass sie eine »vitale Rolle beim Wiederauf bau« spielten, und rühmte besonders ihren Beitrag zur Demokratisierung der westdeutschen Jugend durch die Mitarbeit in den German Youth Activities (GYA/Deutsche Jugendaktivitäten)-Clubs. Einige der afroamerikanischen Frauen, die zum Women’s Army Corps (WAC) gehörten, gingen mit ihren nach Rasse getrennten Einheiten ebenfalls nach Deutschland, um als Teil der Besatzungsstreitmacht zu dienen. Die afroamerikanische Presse pries diese jungen WAC-Frauen ebenso wie die vielen jungen afroamerikanischen GIs, die in der US-Besatzungszone dienten, wieder und wieder, um die Bedeutung ihrer Tätigkeiten zu hervorzuheben, die gleichwertig zu denen weißer SoldatInnen seien.14

Kapitel 3: »Das werden wir uns nie mehr bieten lassen«

Abb. 3.1: Angehörige des Women’s Army Corps erhalten bei ihrem Eintreffen am EUCOM-Hauptquartier in Nürnberg einen Orientierungsvortrag von Jack Casey, 17. Oktober 1949 (Library of Congress, Washington, DC) Da der Krieg die afroamerikanische Bevölkerung Amerikas wie nie zuvor politisiert und mobilisiert hatte, reisten Vertreter verschiedener afroamerikanischer Organisationen und Gruppierungen während der Besatzungszeit und in den 1950er Jahren wiederholt nach Westdeutschland und informierten mit ihren Reiseberichten die afroamerikanische Community in den USA, was ihre GIs dort leisteten. Die afroamerikanische Presse entsandte sogar eigene Korrespondenten nach Deutschland, und der Pittsburgh Courier, eine der wichtigsten afroamerikanischen Zeitungen, etablierte eine eigene Kolumne mit dem Titel »Zuhause und in Übersee mit unseren GIs«. Ihre aktuellen Berichte aus Westdeutschland, aber auch die Rückblicke der Soldaten auf ihre Zeit dort, lieferten ein notwendige Korrektiv zu den in Amerika vorherrschenden Jubelberichten, die die Veteranen des Zweiten Weltkriegs seit den 1990er Jahren unkritisch als Amerikas Greatest Generation feiern; sie ermöglichten auch wichtige neue Einsichten darüber, wie entscheidend die Besetzung Deutschlands dafür war, die Grenzen der US-Demokratie aufzuzeigen.

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D ie E rfahrungen afroamerik anischer GI s im N achkriegsdeutschl and Was unterschied die Erfahrungen afroamerikanischer Soldaten im NachkriegsWestdeutschland von denen während des Zweiten Weltkriegs? Viele Berichte stimmen darin überein, dass die afroamerikanischen GIs ihren Militärdienst in Deutschland als Zeit der Befreiung erlebten. Afroamerikanische Soldaten, die 1942 in Großbritannien vor der geplanten Invasion Frankreichs stationiert wurden, und die in Frankreich nach der Landung in der Normandie, oder in Italien kämpften, berichteten ebenfalls von diesem Gefühl der Befreiung. Die afroamerikanischen GIs im Nachkriegsdeutschland hatten jedoch nicht erwartet, diese positiven Erfahrungen in einem Land zu machen, in dem – wie ein Beobachter schrieb – »die totalitäre ›Arier‹-Ideologie noch bis vor kurzem Triumphe feierte«.15 Außerdem wurden die Soldaten nach der deutschen Kapitulation meist für längere Zeit an einem bestimmten Ort eingesetzt, so dass sie sich nicht nur mit ihrem Umfeld vertraut machen konnten, sondern auch enge Kontakte und Beziehungen zur Zivilbevölkerung aufnehmen konnten. Sie besuchten die örtlichen Gottesdienste, tanzten in den Dorfkneipen, und gingen in die Theatern und Opernhäusern der bombenzerstörten deutschen Städte.16 Diese Friedenserfahrungen waren besonders bedeutsam für die afroamerikanischen GIs aus dem Süden der USA, aber auch afroamerikanische GIs aus dem Norden oder Westen der USA waren erstaunt darüber, erstmals eine Gesellschaft ohne institutionalisierte Rassentrennung zu erleben. Einige der eloquentesten Beschreibungen jener transformativen Auswirkungen, die ihre Erlebnisse in Westdeutschland auf die afroamerikanischen Soldaten hatten, verfasste der bekannte afroamerikanische Schriftsteller William Gardner Smith, der 1946/1947 in Westberlin seinen Militärdienst ableistete. Während seiner Zeit in Deutschland machte er sich bereits einen Namen als Korrespondent des Pittsburgh Courier; er schrieb auch, wie bereits erwähnt, einen der meistgelesenen Romane über eben diese Nachkriegserfahrungen, The Last of the Conquerors (Der letzte der Eroberer, 1948). Über Berlin schrieb Gardner Smith eine Passage, die an W. E. B. Du Bois’ Bericht über seine Zeit in dieser Stadt am Ende des 19. Jahrhunderts erinnerte. Gardner Smith betonte, dass viele afroamerikanische Soldaten in Deutschland erstmals die Erfahrung machten, wie es ist, als normales menschliches Wesen und als normaler Mann behandelt zu werden: »Viele schwarze Amerikaner lebten […] in den Ruinen Berlins auf. […] Als Angehörige einer siegreichen Armee erlebten sie […] Respekt und Anerkennung – von ihren Feinden«. Mehr als zwanzig Jahre nach dem Krieg erinnerte sich Gardner Smith sich noch daran, dass »schwarze Soldaten oft wie Babys weinten, wenn ihre Dienstzeit [in Deutschland] zu Ende ging und sie wieder ›nach Hause‹ zurückkehren mussten«.17

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Abb. 3.2: Waschtag für Corporal James Doughty auf dem Marktplatz von Coburg, das von der 71. Infantriedivision der Dritten US-Armee eingenommen wurde, 16. Mai 1945 (NARA, College Park, MD) Es war eine ebenso unerwartete wie zuvor unbekannte Erfahrung für die afroamerikanischen Soldaten, nun im Nachkriegsdeutschland jede Gaststätte betreten, in jedem Geschäft einkaufen zu können, ohne dem demütigenden Schild »Nur für Weiße« zu begegnen. Einer der Protagonisten in Gardner Smiths Roman The Last of the Conquerors verleiht der Bedeutung dieser Erfahrung für ihn und zahllose andere afroamerikanische GIs Ausdruck: »Jetzt weiß ich, wie es ist, überall hin, überall hin gehen zu können, ohne sich darum zu kümmern, ob sie dort Farbige bedienen oder nicht. […] Wissen Sie, was zum Teufel ich lernte? Dass ein Nigger sich von niemand sonst unterscheidet. Ich musste da rüber gehen, um das zu lernen. Ich musste da rüber gehen und mir das von den Nazis beibringen lassen. Im ›land of the free‹ [i.e. den USA] bringen sie dir so was nicht bei«.18 Diese Sätze bringen zum Ausdruck, was viele afroamerikanische US-Soldaten zu dieser Zeit dachten, wie es ein Veteran kurz und bündig formulierte: »Die Nazis in Deutschland behandelten mich besser als die Weißen in Virginia, wo ich geboren wurde.«19

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Der Militärdienst in Deutschland erweiterte also den Erfahrungshorizont vieler afroamerikanischer GIs auf dramatische Weise und half ihnen, ihren Platz in der Welt anders zu sehen. Ein Soldat namens Andrew Bowman erinnerte sich: »Bevor ich nach Deutschland ging, fühlte ich mich wie ein Gefangener in den Vereinigten Staaten. Deutschland öffnete mir die Augen für die ganze Bandbreite an [positiven] Reaktionen, die ein Schwarzer erwarten konnte, wenn er mit Weißen zu tun hatte«.20 Ein anderer Soldat wunderte sich noch Jahre danach, dass »wir von der Zivilbevölkerung dort besser behandelt wurden als in Amerika. Sehen Sie, in unserem Land konnten wir keinen Hotdog kaufen, selbst wenn wir in Uniform waren, mussten wir im hinteren Teil der Busse sitzen, selbst wenn wir in Uniform waren – aber da drüben wurdest du wie ein König behandelt. Wir aßen zusammen, schliefen miteinander. Als der Krieg vorüber war und [die Deutschen] wieder Tanzveranstaltungen organisierten, erhielten wir Einladungen. Deshalb schieden viele Schwarze in Europa aus der Armee aus. Sie sagten, ›Amerika ist für mich erledigt‹.«21 Dass die afroamerikanischen Soldaten ihren Militärdienst in Westdeutschland in so angenehmer Erinnerung behielten, bedeutet natürlich nicht, dass die Deutschen jeglichen Rassismus mit der Niederlage Hitlers abgelegt hatten. Rassismus gegenüber Schwarzen Menschen hat eine lange Tradition in Deutschland, die bis ins Mittelalter zurückreicht und die sich im 19. Jahrhundert im Zuge der deutschen Kolonialpolitik erheblich verstärkte. Als Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg Kolonialtruppen aus Afrika in den von ihm besetzten Gebieten in Deutschland stationierte, kam es von deutscher Seite zu rassistischen Tiraden über die »Schwarze Schmach am Rhein«, und zwar nicht nur bei Rechtskonservativen und anderen »völkischen« Parteien, sondern auch bei vielen demokratischen Politikern.22 Das Naziregime richtete ab 1933 zwar seinen tödlichen Rassenhass vor allem auf Juden, aber Schwarze Deutsche unterlagen ebenfalls den »Nürnberger Rassegesetzen« und der Verfolgung durch das Regime, ohne dass es von der übrigen Bevölkerung größere Proteste dagegen gegeben hätte. Es überrascht daher wenig, dass die Wahrnehmung afroamerikanischer GIs nach 1945 deutscherseits selbst in den Erinnerungen von Zeitzeugen, die positiv auf die Besatzungsjahre zurückblicken, noch eindeutig von fremdenfeindlichen Hierarchien und rassistischen Stereotypen durchdrungen ist. Historiker, die sich mit Nachkriegsdeutschland beschäftigen, konnten in den letzten Jahren vermehrt Belege beibringen dafür, wie tief der Rassismus gegen Menschen anderer Hautfarbe saß und wie entsetzt viele Deutsche darauf reagierten, wenn deutsche Frauen freundschaftliche oder gar sexuelle Beziehungen mit afroamerikanischen GIs aufnahmen.23 Während die US-Soldaten also innerhalb der US-Kasernen weiterhin den gesetzlichen Jim Crow-Bestimmungen zur Rassentrennung in den USA unterlagen, fehlten diese Schranken völlig im Umgang der afroamerikanischen GIs

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mit der deutschen Zivilbevölkerung. Es war besonders dieser Umstand, der viele afroamerikanische Soldaten beeindruckte. Die positiven Berichte der afroamerikanischen Soldaten über ihre Erfahrungen in Deutschland sagen deshalb viel mehr darüber aus, wie schlimm die Dinge für sie in den USA und im US-Militär standen, als über den Grad der Toleranz und Akzeptanz der Deutschen in jenen Jahren. Außerdem hatte die Mehrheit der Deutschen bis zu diesem Zeitpunkt wenig Berührungspunkte mit Menschen anderer Hautfarbe gehabt. Viele Deutsche waren erschrocken, als sie den ersten afroamerikanischen GIs begegneten und erinnern sich noch heute, dass ihnen diese »fremdartigen« Menschen »unheimlich vorkamen«.24 Andere wiederum waren von der »exotischen Andersartigkeit« der afroamerikanischen Soldaten fasziniert. Einige Soldaten erinnerten sich daran, wie die Einheimischen sie »Schokoladen-Soldaten« nannten und ganz offen ihre braunen Augen, weißen Zähne und dunkle Hautfarbe bewunderten. Die Deutschen starrten die Soldaten an, so Gardner Smith, »aber nicht voller Abscheu, wie in Amerika«, sondern »aus Neugierde«.25 Eine Deutsche, die einen afroamerikanischen GI heiratete, sagte ihren Kindern, dass die Deutschen die dunkle Hautfarbe ihres Vaters als sichtbaren Beweis dafür angesehen hätten, dass er ein US-Soldat sei.26 Hinzu kommt, dass die afroamerikanischen GIs als Angehörige der Besatzungsmacht Autorität über die deutsche Zivilbevölkerung hatten, und damit automatisch respektiert wurden. Wie die Briten und Franzosen sahen auch die Deutschen die afroamerikanischen Soldaten zuerst und hauptsächlich als Amerikaner oder Yankees – als Eroberer, die die Uniform der siegreichen Nation trugen – und nicht als »Neger«. William Gardner Smith schrieb später, dass die Deutschen traditionell sehr den Prinzipien von Macht und Unterordnung (»Untertanengeist«) verhaftet waren. Sie waren »keine Engel« […] »Sie waren Rassisten, aber wir waren die Sieger, und ihr Blick verriet Respekt«.27 Anfängliche Ängste hinsichtlich der afroamerikanischen Soldaten wurden auch dadurch gemildert, dass die afroamerikanischen GIs die freigiebigsten aller Besatzer waren. Zumeist von der Militärführung in Nachschub-, Arbeits- und Service-Einheiten eingesetzt, verschaffte gerade dieser Dienst den afroamerikanischen Soldaten freien Zugang zu jenen Lebensmitteln und Konsumgütern, nach denen die hungernden Deutschen sich am meisten sehnten. Die Militärführung beobachtete diese Entwicklung mit einiger Sorge: »Die Deutschen hatten schnell herausgefunden, dass das Fraternisieren mit Negern größere materielle Vorteile versprach als mit weißen GIs.« Die afroamerikanischen Soldaten ihrerseits »verbrüderten sich [mit den Deutschen] voller Enthusiasmus«.28 Besonders Kinder waren von den afroamerikanischen Soldaten angetan, die Süßigkeiten verteilten und fast jedem Wunsch nachkamen.

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Abb. 3.3: James Allen, der einzige afroamerikanische Motorradpolizist der 90. Militärpolizei-Einheit in Kitzingen, undatiert (NARA, College Park, MD)

Abb. 3.4: Afroamerikanischer GI verteilt Süßigkeiten an deutsche Kinder, 1945 (bpk) Dieses Bild der großzügigen, kinderlieben afroamerikanischen Soldaten hat geradezu ikonische Qualitäten in der kollektiven deutschen Erinnerung an das Kriegsende und die ersten Begegnungen mit Amerikanern angenommen. Vie-

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le weiße US-Soldaten teilten ebenfalls ihre Rationen mit dem Verlierervolk, aber in den Erinnerungen der Deutschen überragt die Generosität der afroamerikanischen GIs bis heute alles andere. Hans Massaquoi, Autor von Neger, Neger, Schornsteinfeger und langjähriger Herausgeber des Magazins Ebony, der als Kind einer weißen deutschen Mutter in den 1920er Jahren geboren wurde und während der Nazi-Zeit als afrodeutsches Kind mit dem unstillbaren Verlangen danach, dazuzugehören, aufwuchs, traf ebenfalls erstmals Schwarze Menschen, als er einem Trupp afroamerikanischer GIs in seiner in Trümmern liegenden Heimatstadt Hamburg begegnete. Massaquoi war so erschrocken wie die verblüfften GIs, die ihn fragten, »was um alles in der Welt« er mitten unter den »Krauts« mache, bevor sie ihm aus dem Jeep einen Helm voller Schokolade, Essensrationen und Zigaretten herüberreichten.29 Die ernste Nahrungsmittelknappheit der ersten Besatzungsjahre trug ganz gewiss zur Beliebtheit der afroamerikanischen Soldaten bei. Wie ein Soldat sich erinnerte, waren es oft die Kinder, die den ersten Kontakt mit den fremden Soldaten herstellten, was oft auch zu Freundschaften mit den Familien der Kinder führte: Sie waren hungrig, also gaben wir ihnen zu essen. Es ist schwer zu ertragen, mitanzusehen, wie Kinder in den Mülltonnen nach Eßbarem wühlen. Also ging ich dazu über, mein Essgeschirr zu nehmen, Essen hineinzufüllen und es einem Kind zu geben. Am nächsten Tag kam das Kind natürlich wieder und sah nach, ob ich wieder da war, und dann lud es mich zu sich nach Hause ein. Man brachte Essen und Alles Mögliche mit. Und so begannen sie, uns zu lieben. 30

Zur Beliebtheit der afroamerikanischen GIs trug neben allem anderen sicher auch bei, dass sie den besiegten Deutschen oftmals auch nicht mit jener Art Arroganz begegneten, die manche weiße US-Soldaten an den Tag legten, wie unzählige Deutsche sich noch heute erinnern. Tatsächlich ergab eine Untersuchung des Militärs, dass siebzig Prozent der Deutschen afroamerikanische Soldaten freundlicher als weiße GIs fanden.31 Irmgard Achatz, eine Deutsche, die sich 1947 in einen afroamerikanischen GI verliebte und ihn später heiratete, erklärte die Popularität der afroamerikanischen Soldaten ihren Kindern gegenüber so: Sie sorgten für Freude in der Bevölkerung. Die waren so froh, hier zu sein […]. Sie waren nett und höflich und fürsorglich und bescheiden. Alles an denen war erfrischend, ganz anders als die weißen GIs, die die Deutschen als Besiegte und Verlierer behandelten. […] Die Schwarzen GIs kamen mit Geschenken und Blumen und Sachen aus der PX. […]. Und deren Jazz-Musik war der Inbegriff dieser erfrischenden Art und Weise der Schwarzen. Es war toll, sich nicht immer als Besiegte fühlen zu müssen. 32

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Deutsche und afroamerikanische Zeitzeugen verwiesen in diesem Zusammenhang übereinstimmend darauf, dass es für afroamerikanische Soldaten, angesichts ihres eigenen »Zweite-Klasse-Status« in den USA, naheliegend war, für die besiegten und hungernden Deutschen Mitleid zu empfinden.33 Ollie Stewart schrieb in der renommierten Zeitschrift Negro Digest: Die dunkelhäutigen Yankees (Tan Yanks) brachten Europa viele Dinge bei: wie Demokratie nicht nur gepredigt, sondern gelebt werden sollte, Großzügigkeit und Aufmerksamkeit gegenüber den Besiegten, die sich drastisch von der Arroganz anderer Männer unterschied, die die US-Uniform trugen. 34

Wie das Beispiel von Irmgard Achatz zeigt, entstanden auch romantische Beziehungen zwischen afroamerikanischen GIs in Deutschland – aber auch in anderen europäischen Ländern, in denen sie stationiert waren – und einheimischen weißen Frauen. Selbst wenn diese Beziehungen machmal für mürrische Kellner in den Gastwirtschaften und unhöfliches Starren auf der Straße sorgten, führten sie für die afroamerikanischen Soldaten nicht zu Inhaftierungen oder zu körperlicher Gewalt durch Lynchmobs, wie dies zu diesem Zeitpunkt in den amerikanischen Südstaaten noch regelmässig der Fall war. Es erstaunt daher nicht, dass die afroamerikanische Presse von diesem Phänomen fasziniert war, da diese Schwarz-Weissen Liebesbeziehungen das zentrale Tabu der weißen Vorherrschaft in den US-Südstaaten brachen. Roi Ottley etwa nannte die »Kombination von norddeutschem Blond und Mississippi Schwarz« die »spektakulärste rassenpolitische Entwicklung« jener Zeit.35 Natürlich trug die Freiheit der afroamerikanischen Soldaten, sich in weiße Frauen zu verlieben und von ihnen ebenso zurückgeliebt zu werden, dazu bei, Gefühle von Männlichkeit, Gleichheit und Demokratie in ihnen hervorzurufen, die ihnen in ihrer eigenen Heimat verboten waren. Das auch von den Afroamerikanern in den USA notgedrungen internalisierte Tabu der sexuellen »Rassenmischung«, welches der Grundstein der rassistischen Ordnung vieler US-Bundesstaaten war, brach damit zusammen. Erneut soll hier einer von William Gardner Smiths Protagonisten zitiert werden, der eindringlich artikulierte, was solche Erfahrungen für afroamerikanische GIs bedeuteten: Ich war oft am Strand gewesen, aber niemals zuvor mit einem weißen Mädchen […]. Niemand starrte uns an, als wir nahbeieinander am Strand lagen, bei allem Kontrast unserer Hautfarben schlugen unsere Herzen im gleichen Rhythmus und wir trugen beide Nasen in der Mitte unserer Gesichter. Es schien mir sehr seltsam, dass ich hier, im Land des Hasses, diesen höchstwichtigen Teil echter Demokratie finden sollte. Und plötzlich fühlte ich Bitterkeit. 36

Kapitel 3: »Das werden wir uns nie mehr bieten lassen«

Der einer solchen Beziehung entsprungene Sohn erinnert sich an die Beschreibungen seiner Eltern von ihrem Leben in Deutschland während der späten 1940er Jahre. Sie erzählten ihm von einer »Erfahrung frei von sichtbaren Rassenvorurteilen, besonders im Vergleich mit der seh- und hörbaren Vorurteilen, die ihnen bei ihrer Rückkehr in die USA Anfang der Fünfzigerjahre entgegenschlugen«. Er erinnerte sich auch daran, wie sein Vater sich über die Unbeschwertheit wunderte, mit der er und seine Frau im Nachkriegsdeutschland zusammen sein konnten: »Dinge, die für ein Schwarz-Weißes Paar in den USA oder in einer US-Kaserne [in Deutschland] undenkbar waren, konnten wir mit allergrößter Selbstverständlichkeit in fast jeder westdeutschen Stadt und auf dem Land tun. Wir konnten zusammen eine Wohnung mieten, konnten im Bus und im Zug in denselben Abteils sitzen, vorne oder hinten, in allen Restaurants essen.« Als sie nach Amerika zurückkehrten, konnte die Familie nur noch nachts im Auto durch die Südstaaten reisen, um nicht der Gewalt von weißen Rassisten ausgesetzt zu sein. Sie konnten in keinem Restaurant zusammen essen und in keinem Hotel zusammen übernachten.37

D ie N euigkeit verbreiten Während also afroamerikanische GIs solche ungeahnten Freiheiten geniessen konnten und – meistens – von der deutschen Zivilbevölkerung darin akzeptiert, oder zumindest geduldet wurden, intensivierte die afroamerikanische Presse ihre Bemühungen, die Berichte über solche ungekannten Freiheiten zu verbreiten, um damit die Grenzen der »Demokratie« in ihrem eigenen Land (USA) anzuprangern. 1946 brachte das Magazin Ebony einen sechsseitigen Bildbericht mit dem Titel »Deutschland begegnet dem Neger-Soldaten«, der sich als besonders folgenschwer erwies und vom Chicago Defender als unbedingt lesenswert empfohlen wurde. Repräsentativ für die allgemeine Berichterstattung der afroamerikanischen Presse über die Erfahrungen »ihrer GIs« in Deutschland, zeigte dieser Bildbericht das ganze Spektrum möglicher Beziehungen zwischen afroamerikanischen GIs und deutschen Zivilisten. Fotos von Schwarz-Weißen Pärchen standen neben solchen von neugegründeten Schwarz-Weißen Familien (also ein stolzer Vater, der mit seiner Partnerin und dem Neugeborenen spazierenging), Arbeitssituationen (von afroamerikanischen Soldaten in ihren Büros mit weißen Sekretärinnen), und von afroamerikanischen GIs, die mit sie bewundernden deutschen Kindern scherzten.38 Die afroamerikanischen Zeitungen wiesen nachdrücklich auf die Ironie hin, die mit dem verhältnismäßig respektvollen Umgang ausgerechnet der Deutschen mit den afroamerikanischen Soldaten verbunden war. Der Chicago Defender unterstrich das »Paradoxe in den Rassenbeziehungen«: »In Berlin … Einst die Festung des Rassenhasses … Negersoldaten leben hier in einer neuen

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Welt der sozialen Gleichheit … Hitler nannte sie ›Halbaffen‹, aber deutsche Frauleins [sic!] finden die Neger-GIs liebenswert und menschlich« – und suggerierten zugleich, dass das Bild der Schwarz-Weißen Paare, wie sie von Ebony publiziert worden waren, vermutlich in den Südstaaten »zu wutschnaubender Empörung« führen werde, während sie gleichzeitig so massiv wie nie zuvor »Amerika zum Nachdenken« aufforderten.39 Auch im Defender wurde erstaunt vermerkt, dass Deutsche »sehr wenig Vorurteile an den Tag legen« gegenüber afroamerikanischen Soldaten, trotz ihres Antisemitismus in der jüngeren Vergangenheit. 40 Ebony berichtete 1946 Ähnliches: »Es ist schon einigermaßen merkwürdig, dass Neger hier, wo die Arier-Ideologie so totalitär regierte, mehr Freundschaft, mehr Respekt und mehr Gleichheit erfahren als zuhause – ob in Dixie [=Südstaaten] oder am Broadway [=New York, Nordstaaten]«. Ebony schloss daraus, dass viele der afroamerikanischen GIs »auf der Wilhelmstraße [Berlin] deutlich mehr Demokratie erleben als auf der Beale Street in Memphis«. 41 Männliche Leser der afroamerikanischen Presse reagierten enthusiastisch auf diese Art Berichterstattung – besonders was die Schwarz-Weißen Paare anging. Ihre Zuschriften zeigen, dass diese Geschichten aus Nachkriegsdeutschland auch zuhause die Hoffnung auf mehr Demokratie und Gleichbehandlung in den USA weckten. Ein Ebony Leser schrieb beispielsweise, dass die Bilder und Berichte »über die GIs in Deutschland toll sind […], weil sie unwiderlegbar beweisen, dass der Neger ein menschliches Wesen ist, eine Kreatur, die liebt und geliebt wird«. Er sprach auch die Forderung aus, dass »wir Neger als freie Menschen das Recht haben, zu leben wo auch immer wir wollen und wo wir die Miete zahlen können; Beziehungen zu haben, den Hof machen und zu heiraten, wen auch immer wir möchten […].Wenn ein Neger-Junge und ein weißes Mädchen Gemeinsamkeiten entdecken und zusammensein möchten, dann sollten wir als gläubige freiheitsliebende Demokraten ihr demokratisches Recht, genau das zu tun, unterstützen.« 42 Der Chicago Defender merkte in diesem Zusammenhang schmunzelnd an, dass die »Fähigkeit der farbigen Soldaten, auf der Tanzfläche zu brillieren, ohne Zweifel erheblich zu ihrer Popularität unter den ›Frauleins‹ beitrug«. Aber die Zeitung beschrieb auch mit großem Erstaunen, dass »viele der Jungs weiße Freundinnen haben, die sie auch zuhause besuchen, während ihres Ausgangs. Die Eltern der Mädchen behandeln die Soldaten mit Respekt.« 43 Diese respektvolle Behandlung afroamerikanischer GIs durch die Eltern eines weißen Mädchens war umso erstaunlicher, als so etwas in den USA zu dieser Zeit, und nicht nur in den Südstaaten, unvorstellbar war.

Kapitel 3: »Das werden wir uns nie mehr bieten lassen«

Abb. 3.5: Irmgard Achatz aus Kollbach, Bayern (zweite von links) und ihr zukünftiger Ehemann James W. Tanner (rechts) aus Philadelphia mit Freunden, späte 1940er Jahre (Debra Tanner Abell, Pittsburgh) Viele Eltern deutscher Mädchen und Frauen waren nicht begeistert, wenn ihre Töchter schon so kurz nach dem Krieg ein Verhältnis mit einem weißen US-Soldaten, dem ehemaligen Feind, anfingen. Noch größer konnte die Ablehnung sein, wenn die junge Frau sich in einen afroamerikanischen GI verliebte. Rassistische Vorurteile saßen tief, und viele der Frauen, die mit einem afroamerikanischen GI befreundet waren, wurden in der Gesellschaft als »Negerliebchen« oder noch schlimmer, als »Negerhuren« verschrien. Viele Eltern weigerten sich, den afroamerikanischen Partner zu akzeptieren, und stellten ihre Töchter vor die Wahl, sich zwischen Mann und Eltern zu entscheiden. Solche Eltern und gesellschaftliche Gruppierungen mit Rassenvorbehalten fühlten sich dadurch bestärkt, dass das US-Militär ebenfalls solche Beziehungen nicht tolerierte, und mit allen Mittel versuchte, den jungen Schwarz-Weißen Paaren die Heiratserlaubnis zu verweigern, da solche Ehen 1948 noch in 30 der damals 48 US-Bundesstaaten illegal waren. 44 Erst 1967 erklärte der höchste Gerichtshof der USA solche Gesetze, die zu der Zeit immer noch in 16 Staaten galten, für verfassungswidrig. 45 Aufgrund der bestehenden Rassengesetze in den USA, aber oft auch wegen tiefsitzender rassistischer Vorurteile, überwanden viele deutsche Eltern ihre ablehnende Haltung erst, wenn ein Enkelkind geboren wurde. Aber es gab auch Eltern, die nach anfänglicher Ablehnung der Beziehung zustimmten, solange der US-Partner der gleichen Konfession wie die Familie angehörte. So erhielten die Mütter von Ron Noble und Debra Abell die Einwilligung zur Heirat von ihren Eltern nur, weil ihre ausersehenen Partner ebenfalls katholisch waren. 46

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Eine weitere Kontaktmöglichkeit zwischen afroamerikanischen GIs und Deutschen, die von der afroamerikanischen Presse hervorgehoben wurde, war die Musik, und insbesondere der Jazz. Unter deutschen Großstadtbewohnern gab es seit den Zwanzigerjahren viele Jazzfans. Aber da die Nazis 1933 den verachteten afroamerikanischen Kulturimport umgehend verboten hatten, hatten die Deutschen nach 1945 laut Berichterstattung der afroamerikanischen Presse »keinen Beat in ihrer Musik«. Doch die afroamerikanischen GIs waren nur allzu bereit, den Deutschen beizubringen, »wieder zu swingen«. 47 Ein Bericht im Chicago Defender, in dem die Musik der Deutschen als »entweder zu militaristisch oder so traurig, dass es dir die Tränen in dein Bier tropfen lässt«, beschrieben wird, betonte die entscheidende Rolle der »Dunkelhäutigen Yankees« (Tan Yanks) innerhalb der deutschen Unterhaltungsmusikszene. Sie brachten »den deutschen Mädels nicht nur die spezielle Kunst des Jitterbug« bei, sondern improvisierten auch mit den »langhaarigen [deutschen] Musikern«, die deshalb nun »den Boogie-Woogie und populäre Musik aus den USA mit Geschmack und Temperament spielen konnten«. Der Verfasser fügte hinzu, dass wenn Hitler noch lebte, »würde ihn nichts schneller töten«, als sehen zu müssen, wie die Deutschen jene Kultur begeistert annahmen, die die afroamerikanischen GIs nach Deutschland brachten. Die afroamerikanische Presse bezog einen Gutteil ihres Stolzes aus der Tatsache, dass Schwarze GIs nicht nur die Demokratie nach Deutschland brachten, sondern den Deutschen auch eine andere Art zu leben vermittelten. 48

Abb. 3.6: Jam Session im Kleinen Theater, Frankfurt a.M., zirka August 1947 (Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt a.M.)

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Abb. 3.7: Jam Session in Lipmanns Hotel Continental, Frankfurt a.M., zirka 1946 (Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt a.M.) Afroamerikanischen Zeitungen berichteten auch verstärkt darüber, dass die Kontakte zwischen afroamerikanischen Soldaten und den Bewohnern der westdeutschen Gemeinden rund um ihre Garnisonen sich erheblich ausgeweitet hätten, seit Frauen und Kinder der Soldaten in größerer Zahl nach Deutschland gebracht worden seien. 49 Solche Geschichten dienten zweierlei Absichten: Einmal unterstrichen sie den Beitrag der afroamerikanischen Amerikaner zur Mission ihres Landes in Westdeutschland, zum andern führten sie den Lesern Beispiele Schwarz-Weißer Freundschaften vor, die in den Vereinigten Staaten während dieser Jahre nur schwer möglich gewesen wären. In einer dieser Geschichten beschrieb das Magazin Ebony, dass afroamerikanische Soldatenfamilien als Arbeitgeber beliebt waren, weil sie in der Regel großzügiger waren als weiße Amerikaner, etwa im Hinblick auf die den Deutschen überlassenen Essensrationen und Kleidung, auf die die deutschen Frauen, die für sie als Dienstmädchen oder Kinderbetreuerin arbeiteten, besonders erpicht waren. Ebony berichtete weiter, dass afroamerikanische Familien sich regelmäßig mit deutschen Freunden trafen, einander zuhause besuchten, zur Kirche gingen, und Ausflüge zum Badesee machten. Natürlich spielten auch ihre Kinder zusammen.50 Offizielle Regierungsvertreter, die Westdeutschland mit der Erwartung bereisten, auf rassistische Behandlung afroamerikanischer Soldaten durch die Deutschen zu stoßen, waren sprachlos über die entspannte, völkerverbindende Situation vor Ort. Marcus Ray, Afroamerikaner und Berater des Kriegsministers für die Angelegenheiten afroamerikanischer Soldaten, berichtete nach einem seiner Besuche 1946, dass »Neger von der einheimischen Bevölkerung auf gleiche Weise akzeptiert werden wie Weiße, und dass es überhaupt kein Probleme mit den Deutschen selber gibt«.51 Walter White, Generalsekretär der NAACP,

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hatte Ähnliches erlebt. Er zitierte eine Umfrage, die 1946 unter afroamerikanischen GIs in Deutschland durchgeführt worden war. Dieser Umfrage zufolge erfuhren die Soldaten »mehr Freundschaft und Gleichheit von Menschen, die kurz zuvor noch Versuchskaninchen für Hitlers Rassentheorie gewesen waren, als in jener ›Demokratie‹, die eigentlich den Krieg gewonnen hatte«.52 Gleichermaßen beeindruckt zeigte sich der Journalist Roi Ottley, der nach 1945 ausgiebig durch Westdeutschland reiste und dessen Reportagen regelmäßig im Chicago Defender erschienen. Afroamerikanische GIs, mit denen er gesprochen hatte, stellten die deutsche Akzeptanz afroamerikanischer Soldaten den Misshandlungen und Demütigungen gegenüber, denen sie regelmäßig durch ihre weißen Kameraden und Offiziere ausgesetzt waren. Ottley fügte hinzu, dass sogar jene Soldaten, die vor ihrem Dienst in Westdeutschland bereits in Frankreich gedient hatten, einhellig erklärten, »dass die deutsche Bevölkerung freier von Vorurteilen gegenüber Farbigen ist als die Franzosen«.53 Ein weiteres Phänomen, über das die afroamerikanische Presse mit Vorliebe berichtete, war der starke Anstieg der Zahl afroamerikanischer GIs, die es nicht mehr eilig hatten, in die USA zurückzukehren. Der Prozentsatz afroamerikanischer Soldaten, die ihre Dienstzeit in Europa freiwillig verlängerten, war dreimal so hoch als bei weißen GIs.54 Der Pittsburgh Courier informierte seine Leser beispielsweise darüber, dass 37 Prozent der afroamerikanischen Soldaten des berühmten 761. Panzerbataillons sich dazu entschieden hatten, ihre Dienstzeit in Westdeutschland zu verlängern.55 Als Erklärung für diesen Trend wies die Presse wiederholt auf die Diskrepanz zwischen dem Leben in Deutschland und dem Leben in den Vereinigten Staaten für afroamerikanische GIs hin: Da sie im Ausland eine demokratischere Behandlung erfahren hatten als jemals zuvor, deprimierte diese Männer der Gedanke, wieder in die USA zurückkehren zu müssen, und dort wieder der Ungerechtigkeit, der Entwürdigung und den vielen Demütigungen ausgesetzt zu sein, die fester Bestandteil ihrer Staatsbürgerschaft zweiter Klasse sind. Durch die Verlängerung ihrer Dienstzeit wird ihnen […] die Fortsetzung des Militärdiensts in Ländern ermöglicht, wo sie aufgrund ihrer Fähigkeiten und ihrer Persönlichkeit akzeptiert werden, statt wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert zu werden. 56

Bezüglich der rückkehrenden afroamerikanischen GIs schrieb James Baldwin, einer der berühmtesten afroamerikanischen Schriftsteller und Intellektuellen, dass die Soldaten in jenem fremden Land sehr viel freier waren als jemals zuhause. Zuhause! Das Wort selbst hat mittlerweile schon eine deprimierende, teuflische Aura entwickelt. Man muss berücksichtigen, was diesen Menschen widerfährt, wenn sie – nach allem, was sie in der Armee mitgemacht haben – nach Hause zurückkehren: Keine Arbeit, Rassentrennung in

Kapitel 3: »Das werden wir uns nie mehr bieten lassen« den öffentlichen Verkehrsmitteln, dabei wird zwischen ›weißen Damen‹ und ›farbigen Frauen‹ unterschieden, stellen Sie sich vor, wie er sich fühlen muss, wenn er seiner Frau in die Augen schauen muss, seinem Sohn in die Augen schauen muss, mit eigenen Ohren anhören muss, wenn Politiker in den Nord- und Südstaaten daherschwadronieren, stellen Sie sich vor, was es dann heißt, wenn man gesagt bekommt, man müsse auf eine bessere Zukunft warten. 57

Abb. 3.8: Afroamerikanische Soldaten, die ihren Militärdienst in Deutschland verlängerten, Nürnberg, 1. November 1948 (NARA, College Park, MD) Obwohl die US-Armee zu diesem Zeitpunkt also noch eine zutiefst rassistische Institution war, verlängerten, wie Walter White im Chicago Defender berichtete, afroamerikanische GIs nur zu gern ihre Militärzeit »weil dieser Schritt es ihnen ermöglichte, als Teil der Besatzungsmacht egal wo auch immer auf der Erde leben zu können, anstatt zuhause in den Vereinigten Staaten«.58 Gemäß einer Studie zu dieser überraschenden Entwicklung blieben die afroamerikanischen Soldaten also vermehrt im Ausland »nachdem sie Gleichberechtigung, oder Liebe und/oder Ehe« in Europa und speziell in Deutschland »erleben durften«.59 Dass Deutschland ein gastfreundlicheres Land für afroamerikanische GIs war als die USA und selbst als das lang bewunderte Frankreich, machte in den USA binnen kurzer Zeit die Runde. Ein Artikel im Chicago Defender vom Juni 1946 berichtete, dass mittlerweile 85 Prozent der Afroamerikaner, die sich freiwillig zum Militär meldeten, eine Stationierung in Europa beantragten. Weil die Hauptmasse dieser Gesuche Deutschland betraf, stoppte das Militär deshalb die bisher geltende Regelung, wonach die Neuverpflichteten ihren Dienstort frei wählen konnten, wenn sie nach Übersee geschickt wurden. Der hohe Anteil jener, die nach Deutschland wollten, hatte zu diesem Zeitpunkt bereits

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die bestehende Regelung der US-Armee gefährdet, wonach der Anteil der Afroamerikaner an den dort stationierten Truppen nicht mehr als zehn Prozent betragen durfte.60 Deutschland entwickelte sich aber nicht nur zum bevorzugten Standort für den Militärdienst in Übersee. Die afroamerikanische Presse berichtete auch voller Überraschung, dass afroamerikanische GIs sich immer häufiger entschlossen, Westdeutschland trotz all der Zerstörung und Armut zu ihrer neuen Heimat zu machen. Der Pittsburgh Courier titelte im Februar 1947: »In Deutschland Freiheit gefunden – Wenige GIs bereit, in die USA zurückzukehren«.61 Viele der afroamerikanischen GIs, die in Deutschland blieben, fanden Arbeit als Zivilangestellte der US-Militärregierung oder bei der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration/Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen). Der ehemalige GI Fez Roundtree aus Lancaster (Pennsylvania) dagegen verdiente sich seinen Lebensunterhalt in den auf blühenden Jazzclubs der mitten im Wiederauf bau befindlichen westdeutschen Städte.62 Andere beendeten ihren Wehrdienst in den USA und kehrten anschließend nach Deutschland zurück, wie der Negro Digest 1949 in einer Reportage mit der Überschrift: »Warum Neger Amerika verlassen – Viele GIs finden in Übersee mehr Freiheit als in ihrem Geburtsland«, berichtete. Einer dieser Soldaten erzählte dem Reporter: »Ich bin glücklich in Deutschland […] Ich war es leid, Bürger zweiter Klasse zu sein. Ich fühle mich jetzt als Mensch, und die Leute behandeln mich als Menschen – was mehr ist, als ich über das Land sagen kann, in dem ich geboren wurde«.63 Ein anderer afroamerikanischer GI konstatierte warum so viele afroamerikanische Soldaten in Europa ihren Abschied vom US-Militär nahmen: »Ich habe mit Amerika nichts mehr am Hut […] ich kann keinen anständigen Job bekommen […], ich darf nicht mal wählen gehen. Also warum zum Teufel sollte ich zurückgehen?«64 Blieb auch die Gesamtzahl der afroamerikanischen Soldaten, die sich zu diesem Schritt entschlossen, relativ klein im Vergleich zu den Soldaten, die nach Hause zurückkehrten, so dienten ihre Erlebnisse jedoch dazu, die Afroamerikaner erneut daran zu erinnern, dass außerhalb der USA Länder ohne Jim Crow-Rassentrennung existierten.65 William Gardner Smith formulierte eindrucksvoll, in welchem Maße afroamerikanische Soldaten im Nachkriegsdeutschland »in einen Freiheitsrausch« verfielen. Wissen Sie, was es für einen Neger bedeutet, zu den ›Eroberern‹ statt zu den Besiegten zu gehören? Wir erfuhren dies erstmals, als wir Deutschland besetzten und keiner von uns kam je [über diese Erfahrung] hinweg. Wir schworen uns damals, dass wir uns die Verhältnisse in den USA nie wieder bieten lassen würden. Es war das erste Mal, dass wir überhaupt dem sozialen Alptraum in den Vereinigten Staaten entkamen und in einer Situation waren, in der wir Gleiche waren, in der Tat sogar gleicher als die Deutschen.66

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J im C row in D eutschl and Deutschland bietet sich als Objekt zum Studium des amerikanischen Kampfes für die Gleichstellung aller Amerikaner deswegen an, weil das US-Militär buchstäblich einen Teil Amerikas ins Herz Europas exportiert hatte. Während die meisten weißen Amerikaner schlicht damit zufrieden waren, dass die USMilitärregierung den Nazismus ausgerottet und den Deutschen den American way of life gebracht hatte, so waren einige bereit zuzugeben, dass auch die Schattenseiten Amerikas exportiert worden waren. Das US-Militär hatte den institutionellen sowie gelebten Jim Crow-Rassismus in eben das Land transferiert, dem es die Demokratie beibringen wollte. Während die weiße Mainstream-Presse in den USA daher die Demokratisierungsfortschritte in der amerikanischen Besatzungszone feierte, waren die afroamerikanischen Zeitungen voller Schlagzeilen wie »Nazi-Methoden weißer Soldaten« oder »Amerikanische Offiziere fördern Rassismus in Übersee«. Die zugehörigen Artikel warnten davor, dass die Vereinigten Staaten dabei seien, »den Frieden zu verlieren«, weil »amerikanische Rassenvorurteile in Deutschland das Bild bestimmen«.67 Zur selben Zeit stellten die Sowjets, wie die afroamerikanische Presse berichtete, entlang der Interzonenautobahn von Westberlin nach Westdeutschland große Plakatwände auf, die verkündeten, dass es im östlichen Teil Europas, unter der Vorherrschaft der ruhmreichen Sowjetunion, keine Rassentrennung gebe, sondern eine gesetzlich garantierte, umfassende Gleichheit aller Bürger. »Diese Plakate hingen an jeder Straßenecke Berlins und entlang der Autobahnen, so wie die Barbersol-Werbung [Rasierschaumwerbung in den USA jener Jahre] zuhause.«68 Die afroamerikanische Presse betonte, dass es bei den rassistischen Vorfällen innerhalb der US-Besatzungsarmee in Westeuropa nicht nur um Vorfälle im Verantwortungsbereich einzelner rassistischer Kommandeure ging, sondern um ein generelles Problem von institutionalisiertem Rassismus innerhalb des Jim Crow-Militärs. In den USA waren rassengetrennte US-Einheiten und Militärstützpunkte »normal« – im besetzten Deutschland aber verunsicherte eben diese in den USA gängige Trennung der »Rassen« jene Menschen, die die Amerikaner vom Rassenwahn befreien und zu Demokraten erziehen wollten. Der NAACP und die afroamerikanische Presse konzentrierten alle Anstrengungen darauf, diese widersprüchliche Situation für ihre Zwecke zu nutzen. So berichtete 1948 der Chicago Defender, die Deutschen hätten mit Erstaunen festgestellt, dass der GI-Club gegenüber von US-General Clays Berliner Hauptquartier für afroamerikanische Soldaten verboten ist, dass das Schwimmbad in den Kasernen »von Negern und Weißen an verschiedenen Tagen benutzt werden muss«, und dass das Wasser erneuert werde, nachdem die afroamerikanischen Soldaten das Schwimmbad benutzt hatten.69

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Als ein rassengetrennter Truppenübungsplatz in der US-Besatzungszone in Westdeutschland eingerichtet wurde, prangerte Albert Barnett, der Gründer der Associated Negro Press, das US-Militär in einem Kommentar mit der Überschrift »›US-Demokratie‹ in Deutschland und zuhause« an: Die militärrechtlichen Bestimmungen der US-Armee auf dem Gebiet des früheren Nazideutschland haben die bundesstaatliche Jim Crow-Formel aus Dixie-Amerika auf den berühmten Truppenübungsplatz Kitzingen [Bayern] übertragen. […] Es ist eine Ironie der Geschichte, dass [diese rassengetrennte Einrichtung] überhaupt existiert, weil die amerikanischen Stellen im besetzten Deutschland ihre Kampagne ›Bringt den Deutschen Demokratie bei‹ genannt haben. Sie sollte geändert werden in ›Bringt den Deutschen Demokratie amerikanischen Stils‹ bei. Mit anderen Worten, bringt die Deutschen dazu, Neger – Soldaten wie Zivilisten – der Rassentrennung zu unterwerfen [und] sie in abgetrennten Sperrgebieten zu halten. […] Es ist und bleibt Jim Crow, wie auch immer man die Sache betrachtet oder zu erklären versucht.70

Barnett schloß seine Anklage mit der Frage eines Veteranen des Zweiten Weltkriegs, der wissen wollte: Warum darf sich ein schwarzer Soldat Seite an Seite mit einem weißen Soldaten der Todesgefahr in der Schlacht aussetzen, aber nicht mit ihm zusammensitzen und sich verbrüdern, wenn der Krieg vorbei ist? Warum benötigen wir als Rasse einen ›Sonderberater für Neger-Angelegenheiten‹? Juden, Atheisten und Katholiken brauchen keinen. Auch die in Amerika geborenen Polen, Griechen, Chinesen, Japaner, Iren, Briten oder Italiener nicht. Warum sind die Neger so wichtig, dass der Kriegsminister von einem Sonderberater unterstützt werden muss? Warum sind Negerprobleme unlösbarer oder schwieriger als die anderer Rassen? Warum gibt es zuhause und in Übersee weiße und schwarze Vorschriften? Wenn der Neger gut genug dafür ist, kämpfend in Übersee für Amerika zu sterben, warum ist dann sein Bruder nicht gut genug, die Bürgerrechte zuhause zu genießen? […] Amerika kann nicht gleichzeitig im Ausland Demokratie predigen und zuhause Rassendiskriminierung praktizieren. Diese beiden Praktiken sind unvereinbar.71

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Abb. 3.9: Karikatur »Jim Crow«, 1949, vom Komitee gegen Jim Crow im Militärdienst und Training klagt an in welchem Maße das US-Militär die Gepflogenheiten der amerikanischen Rassengesetze nach Deutschland gebracht hat (Wisconsin Historical Society) Das US-Militär brachte amerikanische Praktiken der Rassentrennung auch in das westdeutsche Umfeld der Militärstützpunkte, und forcierte somit ein getreues Abbild der Rassencodices in den Südstaaten der USA. In diesem Prozess prallten deutsche und amerikanische Rassismusnarrative und Praktiken aufeinander, rieben sich, und verstärkten sich oftmals.72 Gleich zu Beginn der Besetzung Deutschlands wurde rund um die US-Garnisonen in allen westdeutschen Vergnügungslokalen, deren Kundschaft ausschließlich aus GIs bestand, die Rassentrennung eingeführt. Viele US-Kommandeure, die aus den Südstaaten stammten, hielten diese Regelung aus grundsätzlichen Erwägungen für sinnvoll, zumal diese »Tradition« ihrem eigenen Weltbild entsprach. Auch Kommandeure aus den Nordstaaten oder dem Westen der USA, wo es keine »gesetzlichen« Jim Crow-Regelungen gab, befürworteten diese erweiterte Rassentrennung ausserhalb der Kasernen. Sie fürchteten Rassenkonflikte zwischen ihren Mannschaften, besonders wenn Alkohol oder Wettstreit um die Gunst von heimischen Frauen im Spiel waren, die sich negativ auf ihre weitere Militärkarriere auswirken könnten. Analog zu den Bestimmungen, wie sie für US-Garnisonen und ihre Umgebung auch schon in Grossbritannien, Frankreich und Italien erlassen worden waren, instruierten Kommandeure

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die westdeutschen Gaststättenbesitzer, kein »gemischtrassiges« Publikum in ihren Vergnügungslokalen zuzulassen. Weiße Soldaten und Offiziere unterstützten diese Politik, und die US-Militärpolizei wurde angehalten bei ihren Kontrollen der Lokale diese Trennung aufrechtzuerhalten. Wirtschaftliche Sanktionen in Form von »Off-Limits« (Zutrittsverbot für US-Soldaten egal welcher Hautfarbe) wurden den Betreibern von Vergnügungslokalen für GIs für den Fall der Nichtbeachtung angedroht.73 Viele von ihnen ließen sich nur zu bereitwillig auf dieses Spiel ein, weil sie ebenfalls keine afroamerikanischen Gäste in ihren Lokalen wollten.74

Abb. 3.10: Karikatur von Oliver Harrington: Achtung! Attention! Kein Zutritt für Schwarze Soldaten. »Als ich meinem Oberst davon erzählte, hat er nur gegrinst. Sagte, ich soll‹ keine kommunistische Propaganda verbreiten«, undatiert (Dr. Helma Harrington)

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Afroamerikanische Soldaten beschwerten sich immer wieder, dass »ihre« Lokale (aber nicht die Stammlokale der weißen Soldaten) dauernd von der USMilitärpolizei kontrolliert wurden: »Man kann nicht auf der Strasse gehen, ohne von ihnen belästigt zu werden, wenn wir in Clubs gehen, fragen sie einen, warum man da ist, und fordern einen gleich auf, zu gehen, weil einer Gruppe von Offizieren deine Anwesenheit nicht passt.«75 Ein anderer Soldat klagte, dass durch die Massnahmen der Militärpolizei »farbige Soldaten nicht nur vor den Deutschen gedemütigt werden, sondern auch öffentlich blamiert werden durch die ewigen Kontrolle ihrer Papiere und Durchsuchungen ihrer Person, als wären sie gemeine Kriminelle«. Die Soldaten verstanden dies als konzertierte Aktion der Militärpolizei, die Deutschen davon zu überzeugen, sich nicht mit afroamerikanischen Soldaten zu befreunden.76 Nicht zufrieden damit, die Rassentrennung zwischen weißen und afroamerikanischen US-Soldaten aufrechtzuerhalten, versuchte so mancher USKommandeur sogar, die afroamerikanischen Soldaten völlig von der deutschen Zivilbevölkerung fernzuhalten. Immer wieder kam es daher zu Beschwerden von afroamerikanischen GIs, dass man sie davon abzuhalten versuche, sich mit Einheimischen zu treffen.77 Die US-Befehlshaber hintertrieben solche Treffen, indem sie den afroamerikanischen GIs, die deutsche Gastwirtschaften oder einen deutschen Gottesdienst besuchen wollten, den Ausgang verweigerten. Sie versetzten rein afroamerikanische Einheiten auch bevorzugt in völlig abgelegene Gegenden. Ein bemerkenswerter Vorfall spielte sich bei Mannheim ab, wo eine große Zahl afroamerikanischer Soldaten abseits der Stadt mitten in dichten Wäldern untergebracht worden war. Der Lagerplatz entbehrte jeglicher sanitärer Einrichtungen, so dass die afroamerikanischen GIs gezwungen waren, unter primitivsten Umständen in Zelten und provisorischen Anbauten zu leben.78 Aber die findigen Kommandeure fanden noch andere Wege, unerwünschte soziale Interaktionen zwischen den afroamerikanischen GIs und der deutschen Bevölkerung zu unterbinden: sie schrieben den Einheimischen vor, dass sie sich an die amerikanische »Rassenordnung« zu halten hätten. Roi Ottley berichtete, dass ein weißer US-Offizier in Teisendorf, einem oberbayrischen Städtchen (bei Freilassing am Grenzübergang nach Salzburg) die Einheimischen instruierte, dass sie dafür zu sorgen hätten, dass deutsche Frauen sich von den afroamerikanischen Armee-Einheiten fernzuhalten hätten: »›Ich warne Sie,‹ sagte er ohne diplomatische Umschweife, ›die Frauen dürfen keinen Umgang mit Negern haben‹.« Als die Einheimischen daraufhin verwirrt reagierten und von ihm eine Klarstellung verlangten, sagte er ihnen »mit offensichtlicher Verärgerung«, dass sie verstehen müssten, »dass Neger in den USA denselben Status haben wie Juden in Deutschland«.79 Die Militärbehörden waren ganz offensichtlich darüber alarmiert, dass sich Amerikas traditionelle Rassenschranken außerhalb der Kasernentore in

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Luft auflösten, und waren daher nur allzu bereit, alle Mittel einzusetzen, um dies wieder rückgängig zu machen. Die US-Journalistin Grace Halsell, die nach dem Krieg als Korrespondentin in Westdeutschland für die Zeitung Fort Worth Star Telegram arbeitete, schrieb, »dass die US-Offiziere aus den Südstaaten, ausgesandt in die Welt, um den American Way of Life zu retten, darunter verstanden, den südstaatlichen Way of Life zu retten, und damit die Reinheit des weißen Blutes«.80 Sorgen über die Aufweichung der Rassenschranken beschäftigten auch Kriegsminister Robert Patterson, der damals eine Beschwerde eines afroamerikanischen Zeitungsherausgebers auf den Tisch bekam, dass afroamerikanische GIs und ihre weißen Freundinnen regelmäßig von der USMilitärpolizei belästigt und drangsaliert würden. Sein damaliger Aktenvermerk daraufhin war: »Sollen wir etwa die Mischung der Rassen zulassen?«81 Nachdem das Heiratsverbot zwischen GIs und deutschen Frauen Ende 1946 aufgehoben worden war, nutzten die US-Kommandeure ihre gesamte Autorität, um solche Ehen weiterhin zu verhindern, falls der betreffende GI Afroamerikaner war. Aber auch weiße GIs waren sehr darauf bedacht, afroamerikanische Soldaten bei jeder denkbaren Gelegenheit daran zu erinnern, dass sie es sich zur Aufgabe gemacht hatten, die vom Krieg erschütterte althergebrachte Sozialordnung wiederherzustellen. Die fortschreitende Auflösung der Rassenschranken vor den Kasernentoren machte so manche weißen GI nur noch wütender und gewalttätiger in ihren Aktionen. Vor den Augen der erstaunten westdeutschen Bevölkerung zwangen sie afroamerikanische GIs, die ihnen auf dem Bürgersteig entgegenkamen, den Bürgersteig zu verlassen. Sie belegten sie mit oft wüsten Schimpfworten, und verprügelten sie nicht selten, beispielsweise weil ein afroamerikanischer GI es (möglicherweise versehentlich) gewagt hatte, ein von weißen GIs frequentiertes Lokal zu betreten. The Crisis berichtete angewidert, dass die weißen GIs, statt den Deutschen demokratische Grundwerte bezubringen, jede Gelegenheit nutzten, um den Einheimischen die Jim Crow-Regeln beizubringen. Weiße GIs instruierten »ahnungslose« deutsche Teenager beispielsweise, die »Rassengrenzen« zu beachten, und fügten hinzu, dass der »Neger seinen abgesonderten Platz in der Gesellschaft zu behalten habe, speziell was weiße Frauen angehe«.82 In der Tat war die schnelle Zunahme der Zahl afroamerikanisch-weißer Liebespaare rund um die US-Garnisonen in Westdeutschland für diese Kreise alarmierend. Wieder und wieder wurden solche Paare in der Öffentlichkeit von weißen GIs beschimpft oder attackiert. Bei einem dieser Vorfälle schrie ein weißer GI seinen afroamerikanischen »Kameraden« und dessen weiße Freundin an: »Ein schwarzer Hundesohn mit einer weißen Frau, mir scheißegal ob wir in Deutschland, Japan oder sonstwo sind, du gehörst gekillt. Ich werd Dir deine verdammte Kehle durchschneiden!« Er zog daraufhin ein Messer aus seinem Stiefel und griff den afroamerikanischen Soldaten an.83 Alvin Owsley, der ehemalige Vorsitzende der konservativen Veteranorganisation American

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Legion war so empört über die Entwicklungen in Deutschland, dass er 1946 einen wütenden Brief an General Eisenhower schrieb, um sich über den Kollaps der Rassengrenzen zu beschweren. Er warnte, dass die afroamerikanischen GIs, die in Deutschland so viele neue Freiheiten erfahren hatten, »auf dem besten Weg waren, von den weißen Männer der Südstaaten aufgehängt oder bei öffentlichen Lynchings verbrannt zu werden«.84 Angesichts der offiziellen amerikanischen Demokratisierungsmission im Nachkriegsdeutschland konnten die Einheimischen solche Wutausbrüche weißer Rassisten nur ungläubig bestaunen. David Brion Davis schrieb, »ehemalige Angehörige der Hitlerjugend waren überrascht von dem kryptofaschistischen Rassismus der weißen US-Offiziere und Mannschaften, die völlig ausrasteten, wenn sie weiße Mädchen sahen, die mit afroamerikanischen GIs ausgingen«.85 Angesichts der anhaltenden Jim Crow-Vorfälle außerhalb der US-Kasernen überrascht es nicht, dass die Vereinigung der afroamerikanischen Zeitungsverleger (Negro Newspaper Publishers Association) bei ihrer Rundreise durch die US-Besatzungszone in Deutschland 1946 speziell solchen Beschwerden afroamerikanischer GIs nachging und herausfand, dass die US-Kommandeure vor Ort eine Vielzahl von Maßnahmen erlassen hatten, um soziale Interaktion über die Rassengrenzen hinweg zu unterbinden; teilweise mit »handfesten« Methoden, etwa dadurch, daß US-Militärpolizisten Schwarz-Weiße Paare, die sich in der Öffentlichkeit zeigten, auseinandertrieben.86 Ein afroamerikanischer GI beschwerte sich bei der NAACP, dass die Militärpolizei »bei deutschen Familien, die freundschaftlichen Umgang mit Negersoldaten pflegten«, regelmäßig Hausdurchsuchungen durchführte. Das war eine wirksame Maßnahme, um solche Freundschaften zu unterbinden, da sowohl die Deutschen wie die Soldaten die reaktionären Militärpolizisten und deren demütigendes Schikanen fürchteten.87 Vorfälle dieser Art schlugen Wellen bis in die USA, wo die afroamerikanische Presse ihre Leserschaft ausführlich darüber unterrichtete. Der Chicago Defender berichtete etwa, dass »weiße Offiziere, mit wenigen Ausnahmen, alles daransetzten, Schwarz-Weiße Liebschaften zu verhindern, wie dies in England nach der Stationierung von US-Truppen [nach 1942] bereits passiert war, wie auch im US-Sektor von Berlin [nach 1945]; und nun setzten sie das auch in der Besatzungsarmee in Westdeutschland durch«.88 Mit der zunehmenden Auflösung der Rassenschranken außerhalb der USKasernen stiegen die Spannungen zwischen rassistischen weißen GIs und ihren afroamerikanischen »Waffenbrüdern«. Das Militär versuchte offiziell, die Vorfälle herunterzuspielen und so gut wie möglich unter den Teppich zu kehren, aber die Vielzahl entsprechender Berichte einzelner Soldaten, Soldatengruppierungen und Veteranen, die als Zivilangestellte für die US-Militärregierung arbeiteten, konnten auf Dauer nicht unterdrückt werden. Diese Kreise unterrichteten sowohl ihre Vorgesetzten als auch die afroamerikanische Presse und Bürgerrechtsorganisationen über die unwürdige Behandlung, die ihnen

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von ihren weißen Kameraden aufgezwungen wurde. So erhielt das Büro des Generalstabs detailierte Berichte über hasserfüllte Bemerkungen und rassistische weiße Offiziere, die ihre Untergebenen dazu ermunterten, afroamerikanische Soldaten zu misshandeln. So beschrieb eine Gruppe afroamerikanischer Besatzungsangehörige die »Mob-Gewalt« weißer Amerikaner, verbunden mit der für die Militärführung beschämenden Anmerkung, dass »andere Verbündete uns in vollem Umfang akzeptierten […], sogar die Deutschen, der gemeinsame Feind, die Männer, die wir während des Kriegs bekämpften […]. Wenn wir [von weißen Soldaten] zusammengeschlagen werden, kommt uns nicht unsere Militärpolizei zu Hilfe, sondern die Deutschen«.89 Eine andere Gruppe unterrichtete die NAACP über eine neue »Welle von Einschüchterungsmaßnahmen« der Militärpolizei gegenüber afroamerikanischen Soldaten und drängte die Organisation, etwas dagegen zu unternehmen.90 Andere Berichterstatter erinnerten die Militärführung daran, dass die USA mit der Tolerierung solcher Verhaltensweisen ihre Entnazifizierungsmission in Deutschland untergruben. Sie belegten das – wie die afroamerikanischen Bürgerrechtsaktivisten der 1930er Jahre – durch Vergleiche mit Nazi-Deutschland. »Eines der Ziele der US-Streitkräfte in Europa ist es, dem deutschen Volk demokratische Lebensweisen beizubringen. Farbige Soldaten zu schlagen, derbe Schimpfworte und Bemerkungen, diskriminierende Aktionen der Militärpolizei usw. sind garantiert ein Rückschritt auf dem Weg, dieses Ziel zu erreichen«. Die 18 Zivilangestellten der US-Armee, die diesen Brief unterschrieben, konstatierten: »Wir als Ex-Frontsoldaten haben diesen Krieg nicht für so eine entwürdigende Behandlung und eine so unfaire Praxis geführt«.91 Sie illustrierten den von ihnen beklagten amerikanischen Rassismus, in dem sie berichteten: »Die meisten Deutschen hier haben das Gefühl, dass das, was amerikanische Soldaten farbigen Zivilisten antun, kein bisschen besser ist als das, was die Nazis mit den Juden [nur ein paar Jahre zuvor] in denselben Straßen gemacht haben […]. Wenn wir diese Menschen im Sinne der Demokratie erziehen wollen, sollten wir die [Demokratie] täglich praktizieren, und keinen Miniatur-Faschismus.«92 Afroamerikanischen GIs, die nicht bereit waren, sich auch in Westdeutschland den »Südstaatentraditionen« zu unterwerfen, drohten drakonische Strafmaßnahmen. Obwohl sie nur ihre demokratischen Rechte in Anspruch nahmen, wurden afroamerikanische GIs, die Beziehungen zu weißen Mädchen unterhielten, häufig der Vergewaltigung angeklagt, selbst wenn die betroffenen Mädchen schworen, dass es sich um eine einvernehmliche Beziehung handele.93 Angesichts dieser Einstellung vieler US-Offiziere aus den Südstaaten ist es nicht überraschend, dass afroamerikanische GIs in knapp der Hälfte der über sechshundert Vergewaltigungsfälle, die vor den US-Militärgerichten zwischen der Invasion 1944 und Juni 1946 zur Anklage gebracht worden waren,

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auch verurteilt wurden, obwohl sie nur zehn Prozent der Mannschaftsstärke darstellten. Ähnliche Verstörung lösten Berichte aus, nach denen 83 Prozent der wegen Vergewaltigung auf dem europäischen Kriegsschauplatz zum Tod verurteilten US-Soldaten Afroamerikaner waren. Die rassistischen Vorurteile, die solchen Urteilen zugrunde lagen, belegen die Anstrengungen des amerikanischen Militärjustizsystems, die Praxis der US-Rassentrennung mit allen Mitteln auch außerhalb der USA durchzusetzen.94

A froamerik anische GI s und die weisse P resse Die afroamerikanischen Medien der USA nutzten natürlich ihre Berichterstattung aus dem Nachkriegsdeutschland, um Amerikas afroamerikanische Bevölkerung weiter zu mobilisieren und zu politisieren. Aber ihre unermüdliche, und teilweise wohl auch etwas verklärte Beschreibung der positiven Erfahrungen afroamerikanischer GIs in Deutschland fanden auch ihren Weg in die USMainstream-Medien. Obwohl die Zahl der Berichte darüber natürlich weitaus geringer war als in der afroamerikanischen Presse, lässt sich an ihnen ein seit Kriegsbeginn verstärktes Interesse auch unter den weißen Journalisten am Schicksal und der aktuellen Situation der afroamerikanischen GIs in Übersee ablesen. Ablesen lässt sich daran auch, wie unwohl sich viele Weiße angesichts der ungelösten US-Rassenprobleme fühlten, die jetzt in Europa eskalierten. Das Newsweek-Magazin, damals eine der renommiertesten Zeitschriften der USA, griff einen Bericht von Ebony aus dem Jahr 1946 auf, und druckte ein Foto ab mit der Unterzeile »Deutschland trifft den Negersoldaten«, das in der afroamerikanischen Community Furore gemacht hatte. Erstaunt stellte Newsweek fest, dass viele Amerikaner in ihrem Verhalten gegenüber afroamerikanischen GIs reaktionärer waren als die Deutschen. Angesichts der ungewohnten Toleranz, mit der den afroamerikanischen GIs in Deutschland begegnet wurde, endete der Artikel mit dem Hinweis, dass es eine riesige Flut von Anträgen afroamerikanischer Wehrpflichtiger gäbe, die ihren Wehrdienst in Europa, und speziell in Deutschland ableisten wollten.95 Liberale weiße Medien berichteten ausführlich über die beunruhigenden Berichte der hochkochenden Rassenauseinandersetzungen rund um die USKasernen in der amerikanischen Besatzungszone. Eine Reportage in der Dezember-Ausgabe 1945 der New Republic, einer renommierten politischen Zeitschrift, widmete sich den Demütigungen, die afroamerikanische GIs bei ihrer Rückkehr in die USA ertragen mussten. Sie stellte diesen Demütigungen die Beobachtungen gegenüber, die afroamerikanische GIs gemacht hatten, und die sich in ihren Anträgen auf Fortsetzung des Wehrdienstes in Deutschland spiegelten: »Man hört eine Menge darüber, wie groß das Heimweh unter den jungen weißen GIs nach dem ›guten alten Amerika‹ ist. Es gibt jedoch keine

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vergleichbaren Berichte über junge Negersoldaten. Und wonach in Dreiteufelsnamen sollten diese auch Heimweh haben? Heimweh nach Jim Crow, nach Ausschluss von Wahlen und rassengetrennten Slums? Heimweh nach Lynchjustiz und Rassenverfolgung?«96 William Gardner Smith verarbeitete solche Erfahrungen auch in seinem Roman The Last of the Conquerors, und viele Rezensionen in der weißen Presse griffen die Thematik auf. Von seinem Buch waren in kurzer Zeit fast dreihunderttausend Exemplare verkauft worden; es wurde gelesen, es wurde diskutiert, und das nicht nur, weil der Autor Afroamerikaner war, sondern weil es einer der wenigen neuen Kriegsromane war. Das Buch und seine Rezensionen sorgten dafür, dass weite Teile der Öffentlichkeit erstmals von diesen Problemen erfuhren, von den Auswirkungen der »plötzlichen Freiheit« afroamerikanischer GIs im Nachkriegsdeutschland. Wie es einer seiner Protagonisten des Romans im Hinblick auf seine Gefühle für Deutschland formulierte: »Ich mag dieses gottverdammte Land. Wirklich. Ich mag es irrsinnig. Es ist der erste Ort, an dem ich wie ein verdammter Mann behandelt werde.«.97 Die Rezension des Buches in der New York Times folgte dem allgemeinen Muster. Sie betonte den »Hauch von Freiheit«, das Maß an Würde und Gleichheit, dem sich afroamerikanische Soldaten in Deutschland erfreuten. Und das ausgerechnet im »Land der Pogrome«. Der Rezensent pries den Roman dafür, »wie intensiv er die Gefühle des afroamerikanischen Soldaten wiedergebe, seine Gedanken, seine Hoffnungen. Und dass er ein Stück vom Paradies gefunden hatte – ironischerweise im falschen Land«.98 Die Saturday Review of Literature kontrastierte in ihrer Rezension das neugewonnene Bewusstsein des afroamerikanischen Soldaten, »dass es einen Platz auf Gottes Erdboden gab ohne Rassendiskriminierung«, mit der Zukunft, die ihn zuhause erwartete, mit der Jim Crow-Ordnung, die sein künftiges Leben wieder bestimmen würden.99 In einer anderen Rezension wurde betont, dass das Leben der »Negersoldaten« in Deutschland nicht einfach war, da sie die verschiedensten Eindrücke verarbeiten mussten: Im Zusammenleben mit den Deutschen, wo sie [vollwertige] Männer sein konnten, und dann im Alltag in der Truppe, ausgenutzt als »Arbeitstiere, um ihren weißen Offizieren eine möglichst schnelle Karriere zu ermöglichen«.100 Ein anderer Rezensent schrieb voller Erstaunen, als er neben dem Buch den täglichen Bericht der Presseagentur AP über die Erfahrung eines afroamerikanischen Soldaten im besetzten Deustchland gelesen hatte: »Wie wahr kann Kunst sein! […] Ein afroamerikanischer GI sagte gerade heute, dass ihm Deutschland eine bessere Zukunft biete als Amerika.« 101 Verstörende Berichte über amerikanischen Rassismus auf deutschen Strassen gab es auch von Seiten weißer GIs, die sich mit diesen Missständen nicht abfinden wollten. David Brion Davis schrieb seinen Eltern 1946 einen Brief, in dem er sich schockiert zeigte über die Aktionen seiner weißen Kameraden: »Die Rassenfrage bringt mich zur Verzweiflung. Das mag sich für euch etwas

Kapitel 3: »Das werden wir uns nie mehr bieten lassen«

übertrieben anhören, aber es ist wirklich schwer, nicht zu verzweifeln, wenn nicht ein oder zwei, sondern Dutzende von Männern öffentlich ihren Hass auf die schwarze Rasse hinausbrüllen und jede Gelegenheit nutzen, um auf farbige Soldaten zu schießen, sie zu verhaften oder zusammenzuschlagen.« 102 In ihrem vielgelesenen Bericht über die US-Besatzungszone in Deutschland unter dem Titel Conqueror’s Peace, schilderten die renommierten Journalisten Bud Hutton und Andy Rooney die offene Gewalt, mit der weiße Militärpolizisten afroamerikanische GIs vor den Augen deutscher Einwohner der Garnisonsstädte misshandelten. Sarkastisch beschrieben sie nach einem solchen Vorfall die »blutigen Überreste eines leuchtenden Beispiels amerikanischer Demokratie«. Die Autoren betonten, dass Amerikas prominente Rolle in Deutschland das in Amerika bisher ignorierte, ungelöste Rassenproblem ans Tageslicht gebracht habe. Angesichts der US-Umerziehungsziele in Deutschland fragten sie, was die Deutschen wohl über solche aberwitzigen Beispiele ungebremsten Rassenhasses gegenüber afroamerikanischen GIs denken sollten. »Zwölf Jahre hatte Hitler und die Nazis ihnen beigebracht, andere Rassen zu verachten und zu hassen. Dann wurden sie von einer Armee besiegt, zu deren offizieller Ideologie gehörte, dass solche Verachtung und solcher Hass falsch seien und zerstört werden müssten. Im Alltag aber lebt ihnen diese Armee genau denselben Rassenhass, dieselbe Verachtung für eine andere Rasse vor.«103 In einem letzten Kommentar, der hier zitiert werden soll, heißt es, dass »diese Rassenhass-Vorfälle innerhalb der US-Armee in Deutschland arroganten US-Nationalisten zu Gehör gebracht werden sollten, die weiße US-Soldaten nur und ausschließlich als hehre Demokratisierungskrieger auf einer heiligen Mission betrachteten«.104 *** Die amerikanische Besetzung Deutschlands warf ein grelles Licht auf den offiziell weithin abgestrittenen amerikanischen Rassismus, genauso wie Roi Ottley es prophezeit hatte. Amerikas ungelöste Rassenfrage konnte nicht länger als Südstaatenproblem abgetan werden. Die afroamerikanischen Soldaten wiederum wurden durch die Begegnung mit einer Gesellschaft, die keineswegs frei von Rassismus war, aber die keine Rassentrennung im US-Stil kannte, für immer verändert. Von den Deutschen als freundlich und freigiebig angesehen, kehrten diese Soldaten in die USA zurück und berichteten in ihren Familien, an ihren Arbeitsplätzen, in den Umkleideräumen ihrer Sportclubs und bei den Treffen ihrer Veteranenorganisationen von ihren überraschenden Erfahrungen im Nachkriegsdeutschland. Diese Erzählungen von einer mehr oder weniger toleranten Gesellschaft ohne legale Trennung der Rassen und ohne offene Rassendiskriminierung gingen in die kollektive Erinnerung der afroamerikanischen Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika ein und

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wirken dort bis heute fort.105 Die afroamerikanische Presse und die Bürgerrechtsaktivisten verstanden nur zu gut Deutschlands wichtige Rolle als Laboratorium der amerikanischen Demokratisierungsmission. Berichte über Nachkriegsdeutschland als eine Art Utopie der Rassengleicheit erlaubten es den Aktivisten also, eine afroamerikanische Zukunftsvision einer Gesellschaft von Freiheit und Gleichheit zu entwerfen, die seitdem zu den gesellschaftlichen Veränderungen in den USA beiträgt. Wenn so eine Art des freien Zusammenlebens in einem Land möglich war, in dem kurz zuvor noch die Nazi-Ideologie geherrscht hatte, dann – so ihre Überlegungen – sollte dies doch auch in den USA möglich sein. Gleichzeitig wurden sich weiße Amerikaner immer stärker darüber im Klaren, dass die Demokratisierungsmission ihres Landes im Nachkriegswesteuropa es immer angreif barer im Hinblick auf die gelebte Doppelmoral der Vereinigten Staaten von Amerika machte. Das Alltagsleben im besetzten Nachkriegsdeutschland enthüllte – weitaus mehr noch als der militärische Kampf gegen das »Dritte Reich« – die Widersprüche im Staatsgefüge der USA, die Widersprüche zwischen den öffentlich propagierten demokratischen Idealen und der gesetzlichen und täglich gelebten Diskriminierung und Unterdrückung der afroamerikanischen Minderheit. Nachkriegsdeutschland wurde so zu einem Hauptschauplatz für die Fortsetzung des afroamerikanischen Kampfes für die Freiheit und Bürgerrechte.

A nmerkungen 1 |  Roi Ottley, Auszug aus seinem Buch No Green Pasture, New York: Charles Scribner’s Sons, 1951, in: Chicago Defender, 15. Dezember 1951. Eine detailliertere Beschreibung der Nachkriegs-Entwicklung bei Maria Höhn: »»We will Never Go Back to the Old Way Again« – Germany in the African American Debate on Civil Rights«, in: Central European History, Bd. 41, Nr. 4 (Dezember 2008), S. 605–637. Vgl. ebenfalls Maria Höhn: GIs and Fräuleins: The German-American Encounters in 1950s West Germany, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 2002, Kapitel 3, wo erstmals darauf hingewiesen wird, wie der Kampf um die Bürgerrechte durch das US-Besatzungsregime eine ungeahnte Intensivierung erfuhr. Vgl. ebenfalls Heide Fehrenbach: Race After Hitler, Princeton, NJ: Princeton University Press, 2007, Kapitel 1; und Timothy L. Schroer: Recasting Race after World War II: Germans and African Americans in American-Occupied Germany, Boulder: University Press of Colorado, 2007, besonders Kapitel 2. 2 | David Brion Davis: »The Americanized Mannheim of 1945–1946«, in: William E. Leuchtenburg (Hg.): American Places: Encounters With History. A Celebration of Sheldon Meyer, Oxford: Oxford University Press, 2000, S. 79. 3 | William Gardner Smith benutzte den Begriff »Shangri-La« in seinem Buch Return to Black America, Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall, 1970, S. 63. Zu William Gardner

Kapitel 3: »Das werden wir uns nie mehr bieten lassen« Smith siehe besonders Georg Schmundt-Thomas: America’s Germany: National Self and Cultural Other After World War II, PhD Diss. Northwestern University, 1992, der den Begriff »Rassen-Utopia« in die Diskussion um Smiths Roman eingeführt hatte. Zuletzt äußerste sich noch Werner Sollors: The Temptation of Despair: Tales of the 1940s, Cambridge: Belknap Press, 2014, zu diesem Themenkreis. 4 | Johannes Kleinschmidt: »Do not fraternize«. Die schwierigen Anfänge der deutschamerikanischen Freundschaft 1944–1949, Trier: WVT, 1997, S. 133. 5 | Zu den Anstrengungen seitens des US-Militärs, afroamerikanische Soldaten von Positionen fernzuhalten, in denen sie Polizeigewalt über weiße Deutsche ausübten oder weiße Arbeiter überwachten, vgl. Margaret Geis: »Negro Personnel in the European Command, 1 January 1946–30 June 1950«, Office of the Chief Historian of Military History, European Command, Historical Division, 1952, S. 54–56. Vgl. ebenfalls Morris MacGregor: Integration of the Armed Forces 1940–1965, Washington, D.C.: Center for Military History, 1981. Timothy L. Schroer: Recasting Race after World War II: Germans and African Americans in American-Occupied Germany, Boulder: University Press of Colorado, 2007. 6 | Geis: »Negro Personnel«, S. 56. 7 | MacGregor: Integration of the Armed Forces, S. 214. 8 | Zu den Bemühungen, afroamerikanische GIs aus Deutschland herauszuschaffen, vgl. Joseph Starr: Fraternization with the Germans in WWII, 1945–46, Occupation Forces in Europe Series, Frankfurt a. M.: Office of the Chief Historian, 1947, S. 153; John Willoughby: Remaking the Conquering Heroes, New York: Palgrave Macmillan, 2001, S. 53–55, und Schroers eingehende Betrachtung in Kapitel 2 seines Buches Recasting Race. 9 | U.S. Army War College, Carlisle, »Orientation Program for Dependents«, U.S. Army War College, Carlisle, Occupation of Germany 1944–48, Misc. Files, S. 7 und 17. 10 | Zur Rassentrennung in der US-Armee vgl. Morris Mc Gregor: Integration of the Armed Forces 1940-1965, Washington 1980 und Historical Division, »Integration of Negro and White Troops in the U.S. Army, Europe, 1952–1954«, Heidelberg: Headquarters United States Army, Europe, 1956. Vgl. ebenfalls Roy Wilkins: »Still a Jim Crow Army«, in: The Crisis, April 1946, S. 106–125. Für einen Überblick über den Rassismus, den afroamerikanische Soldaten während ihrer Dienstzeit in Deutschland erfuhren, vgl. Negro Newspaper Editors’ Report to the Secretary of War, Juli 1946, NARA, RG 407, Box 719, sowie Höhn: GIs and Fräuleins (2002), besonders Kapitel 3 und 8. 11 | Zu McNarneys Ansichten vgl. auch Meader Report, 22. November 1946, Special Senate Committee Investigating the National Defense Program, vorgestellt von George Meader, Chief Counsel. Zur Berichterstattung der afroamerikanischen Presse über den Bericht vgl. beispielsweise »The Meader Report. Another Black Eye«, in: Chicago Defender, 14. Dezember 1946 und »Racial: Mädchen and Negro«, in: Newsweek, 16. September 1946, S. 30. 12 | Davis: »The Americanized Mannheim«, S. 91. Vgl. ebenfalls »American Officers Abroad Propagating Race Hatred«, in: Pittsburgh Courier, 8. Juni 1946.

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Ein Hauch von Freiheit 13 | Meader Report, 22. November 1946, Special Senate Committee Investigating the National Defense Program, vorgestellt von George Meader, Chief Counsel. 14 | Vgl. beispielsweise »Negroes Play Vital Reconstruction Role«, in: Chicago Defender, 10. April 1948; »Negro Troops Win Praise on ›Operation Vittles’. Truck Goods Flown in by Air Lift«, in: Chicago Defender, 16. Oktober 1948, S. 4; Lou Swarz: »›Harlem Tigers,‹ Veteran QM. Co., become German Occupation Troops«, in: Chicago Defender, 13. Oktober 1945, S. 14. Vgl. ebenfalls Hon. Helen Gahagan Douglas: »The Negro Soldier: A Partial Record of Negro Devotion and Heroism in the Cause of Freedom Gathered from the Files of the War and Navy Department«. Douglas’ Beurteilungen wurden in den Kongressbericht vom 1. Februar 1946 aufgenommen. Zum WAC und der Kriegsbeteiligung afromerikanischer Frauen vgl. Martha S. Putney: When the Nation Was in Need: Blacks in the Women‘s Army Corps During World War II, Metuchen, NJ: Scarecrow, 1992; Brenda L. Moore: To Serve My Country, To Serve My Race: The Story of the Only African American WACS Stationed Overseas During World War II, New York: NYU Press, 1996; Charity Adams Earley: One Woman’s Army: A Black Officer Remembers the WAC, College Station: Texas A & M University Press, 1996; Kathryn S. Dobie und Eleanor Lang (Hg.): Her War: American Women in WWII, New York: Universe, 2003, S. 115–26; Nikki Brown: Private Politics and Public Voices: Black Women’s Activism from World War I to the New Deal, Bloomington: Indiana University Press, 2006; Doris Weatherford: American Women During World War II: An Encyclopedia, New York: Routledge, 2010, S. 8–12. Vgl. ebenfalls die Homepage www.aacvr-germany.org/wacs; dort finden sich noch mehr Abbildungen und weitere Informationen zum Thema. Die universitäre Forschung hat gerade erst begonnen, sich mit dem Thema der Rolle der weiblichen Armeeangehörigen in Übersee zu beschäftigen. Felicitas Jaima arbeitet derzeit an der New York University an einer Dissertation zum Thema (The African Diaspora in Germany: The Experiences of African American Servicewomen and Military Wives in Germany, 1945–1970). 15 | »Germany Meets the Negro Soldier: GIs Find More Friendship and Equality in Berlin than in Birmingham or Broadway«, in: Ebony, Bd. 2, Nr. 10, 10. Oktober 1946, S. 5–11. 16 | Bill Smith (William Gardner Smith): »Found Freedom in Germany: Few GIs Eager to Return to States«, in: Pittsburgh Courier, 22. Februar 1947, S. 1. Siehe auch das Interview mit Richter Johnson in der Dokumentation Ein Hauch von Freiheit über seine Besuche in Garmisch und der Festspiele in Oberammergau. 17 | William Gardner Smith: Return to Black America – A Negro Reporter’s Impressions after 16 Years of Self-Exile, Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall, 1970, S. 62. Zu Smith siehe Thomas Schmundt: America’s Germany: National Self and Cultural Other after WWII, PhD Diss., Northwestern University, 1992. Zuletzt hierzu Werner Sollors: The Temptation of Despair, Kapitel 5. 18 | Gardner Smith: The Last, S. 67f. Vgl. ebenfalls Monroe Little, Jr.: »The Black Military Experience in Germany – From the First World War to the Present«, in: David McBride (Hg.): Crosscurrents – African-Americans, Africa, and Germany in the Modern World, Columbia, SC: Camden House, 1998, S. 192. 19 | »Fighters for Christian Brotherhood«, in: Chicago Defender, 4. Juli 1953, S. 2.

Kapitel 3: »Das werden wir uns nie mehr bieten lassen« 20 | Andrew Bowman, zitiert in Little, Jr.: »The Black Military Experience«, S. 192. 21 | Zitiert in Lou Potter: Liberators – Fighting on Two Fronts in World War II, New York: Harcourt, Brace, Jovanovich, 1992, S. 257ff. 22 | Zum deutschen Rassismus siehe, Pascal Grosse: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland 1850-1918, Frankfurt a. M.: Campus Verlag, 2000, und Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche und Susan Arndt (Hg.): Mythen, Masken und Subjekte, Münster: Unrast, 2005. Zur Pfalz und der Kampagne gegen die französischen Kolonialsoldaten nach dem Ersten Weltkrieg, siehe Gerhard Gräber: Die Revolver-Republik am Rhein – Die Pfalz und ihre Separatisten, Landau: Pfälzische Verlagsgesellschaft, 1992; Gisela Lebzelter: »›Die Schwarze Schmach‹: Vorurteile – Propaganda – Mythos«, in: Geschichte und Gesellschaft, 11 (1985). Siehe auch Tina Campt: Other Germans. Black Germans and the Politics of Race, Gender, Memory in the Third Reich, Ann Arbor: University of Michigan Press, 2004; Iris Wiggers: »Die Schwarze Schmach am Rhein«: Rassistische Diskriminierung zwischen Geschlecht, Klasse, Nation und Rasse, Münster: Westfälisches Dampfboot, 2006; Dick van Galen und Ralf Futselaar: Black Shame: Afrcian Soldiers in Europe 1914-1922, London: Bloomsbury, 2015. 23 | Vgl. beispielsweise Höhn: Amis, Cadillacs (GIs and Fräuleins 2002); Fehrenbach: Race After Hitler und Schroer: Recasting Race. Dazu Yara Collette Lemke Munzia de Faria: Zwischen Fürsorge und Ausgrenzung. Afro-deutsche Besatzungskinder im Nachkriegsdeutschland, Berlin: Metropol, 2002; David Posner: Afro-America in West German Perspective, 1945–1966, PhD. diss., Yale University, 1997. 24 | Höhn: Amis, Cadillacs, Kapitel 3. 25 | William Gardner Smith: »Found Freedom in Germany«. Interview mit Richter Johnson und Ingrid Linton, in: Ein Hauch von Freiheit. Ebenso Debra Abel-Interview auf aacvr-germany.org. 26 | E-Mail Ronald Noble, 14. April 2001 (Archiv Maria Höhn). Im Hinblick auf Europäer, die afroamerikanische GIs als »Yankees« ansahen, vgl. Lawrence Johnson: »A Lot of Pleasure in Berlin«, Interview von Maggi Morehouse, Cleveland, OH, 1998. Walter Patrice, ein Veteran, der ebenfalls für unsere Forschungen interviewt worden war, hatte nur ein paar Wochen in Deutschland verbracht und war keineswegs von den Deutschen beeindruckt; er empfand die Belgier als freundlicher. Walter Patrice, Interview von Maria Höhn, Poughkeepsie, NY, 2010. Beide Interviews lassen sich auf aacvr-germany.org/ oralhistory nachlesen. 27 | William Gardner Smith: »An American in Paris – III«, in: New York Post, 29. September 1959 (Schomburg Clipping file William Gardner Smith). Vgl. ebenfalls Gardner Smiths: Return to Black America. 28 | Starr: »Fraternization with the Germans«, S. 89. 29 | Hans Massaquoi: Destined to Witness: Growing up Black in Nazi Germany, New York: William Morrow, Co. 1999, S. 271. 30 | Preston McNeil, zitiert in Kleinschmidt: »Do not fraternize«, S. 176f. Zu anderen Beschreibungen, wie schnell solche Freundschaften entstanden, vgl. Roi Ottley: »No

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Ein Hauch von Freiheit Color Lines for Frauleins«, in: Negro Digest, Februar 1946: S. 11f. (zusammengefasst in: Pittsburgh Courier, 8. Dezember 1945). Vgl. die Fotos afroamerikanischer Soldaten und deutscher Kinder in »Germany Meets the Negro Soldier«, in: Ebony, S. 6. 31 | Die Untersuchung wird zitiert in Schroer: Recasting Race, S. 46. 32 | Interview mit Dr. Debra Abell, Pittsburgh, 12. Juni 2008. Siehe dazu auch den Kommentar von Dieter Hildebrandt in Ein Hauch der Freiheit und den Film Die Ehe der Maria Braun (Fassbinder). 33 | Vgl. Rosemarie Lester: Trivialneger – Das Bild des Schwarzen im westdeutschen Illustriertenroman, Stuttgart: Akademischer Verlag Heinz, 1982, besonders Kapitel 2, in dem sie argumentiert, dass in vielen der Illustrierten-Fortsetzungsromane der Nachkriegszeit in Westdeutschland Deutsche ihr eigenes Leid mit dem der Afroamerikaner in den USA vergleichen. Vgl. ebenfalls Kleinschmidt: »Do not fraternize«, S. 184. 34 | »What Negro GIs learned from Women in Europe«, in: Negro Digest, September 1947, S. 24-27, 25. Siehe auch die Dokumentation Ein Hauch von Freiheit, Kommentare von Dieter Hildebrandt, Milton Johnson und Colonel Linton. 35 | Ottley, in seinem Buch No Green Pasture, in: Chicago Defender, 15. Dezember 1951, S. 13. Viele Deutsche waren entsetzt über diese Entwicklung, auch wenn sie das Paar in Ruhe ließen. Judge Johnson, in: Ein Hauch von Freiheit. Siehe z. B. auch für die 1950er Jahre Höhn: Cadillacs, Kapitel 4, 6 und 8; man beschwerte sich viel lauter, ließ die Soldaten selbst aber in Ruhe. Der Ärger über diese Liebschaften wurde meist an den deutschen Frauen durch böse Kommentare ausgelassen. 36 | Smith: The Last of the Conquerors, S. 35. Siehe dazu auch Bemerkungen von Richter Johnson und Lonnie Bunch (dessen Vater in Deutschland stationiert war), der der erste Direktor des 2016 startenden Smithsonian Museum of African American History in Washington, DC ist, in der Dokumentation Ein Hauch von Freiheit. 37 | Ronald Noble, Interview von Maria Höhn, 4. April 2001 (E-Mail/Archiv Maria Höhn). Wir danken Ronald Noble für seine bewegenden Geschichten über die Erfahrung seiner Eltern in Deutschland und nach ihrer Rückkehr in die USA. Siehe auch das Interview mit Charlotte und Milton Johnson, aacvr-germany.org/oral histories. 38 | »Germany Meets the Negro Soldier«, in: Ebony, S. 5–11; »Racial: Mädchen and Negro«, S. 29–30. Vgl. ebenfalls Georg Schmundt-Thomas: America’s Germany: National Self and Cultural Other After World War II, PhD Diss., Northwestern University, 1992. Zu damaligen US-Studien zu diesem Thema vgl. Negro Newspaper Editors’ Report to the Secretary of War, July 1946, RG 407 Box 719, NARA. 39 | Werbeanzeige, in: Chicago Defender, 14. September 1946, S. 7. 40 | Louis Martin: »Tan Yanks in Germany Destroy Last of Nazi ›Culture‹: Swing Music Big Favorite«, in: Chicago Defender, 8. Mai 1948, S. 5. 41 | »Germany Meets the Negro Soldier – GIs Find More Friendship and Equality in Berlin than in Birmingham or Broadway«, in: Ebony, Bd. 2, Nr. 10, 10. Oktober 1946, S. 5–11. Für Beispiele solcher Geschichten in anderen Publikationen vgl. »The Negro GI in Germany«, in: Stars and Stripes, 12. August 1945; »Racial – Mädchen and Negro«, in: Newsweek, 16. September 1946, S. 29f. Ebenfalls Schmundt-Thomas: America‘s

Kapitel 3: »Das werden wir uns nie mehr bieten lassen« Germany. Zu zeitgenössischen US-Studien dieses Phänomens vgl. »Report of the Negro Publishers Association to the Honorable Secretary of War, Judge Robert Patterson, on Troops and Conditions in Europe«, 18. Juli 1946 und »Memorandum, Sec. Of War Robert Patterson for deputy chief of staff«, 7. Januar 1947, abgedruckt in: Bernard Nalty und Morris MacGregor: Blacks in the Military – Essential Documents, Wilmington: Scholarly Ressources, 1981, S. 211 und 217. 42 | Briefe an den Herausgeber, in: Ebony, März 1947, Bd. 2, Nr. 5, S. 3–5. Afroamerikanische Frauen waren viel reservierter, weil sie fürchteten, dass die Bilder von Verbindungen zwischen Afroamerikanern und Weißen den Rassisten in Amerika bestätigen würden, dass es den afroamerikanischen Männern nur um den Geschlechtsverkehr mit weißen Frauen ging, wenn sie die Gleichberechtigung verlangten. Eine Frau brachte die Gefühle vieler zum Ausdruck, als sie schrieb, sie sei nicht per se gegen diese Beziehungen, sah sich selbst aber als »Fortschrittsopfer«, da jede neue »Kriegsbraut« einen Afroamerikaner weniger auf dem heimischen Heiratsmarkt bedeutete. Auch stimmten nicht alle afroamerikanischen Frauen der These zu, dass gemischtrassige Beziehungen ein Beleg für eine funktionierende Demokratie seien. Eine von ihnen schrieb wütend an Ebony, dass die Zeitschrift funktionierende Gleichberechtigung afroamerikanischer Männer an deren Möglichkeiten festmachte, mit weißen Frauen auszugehen. Sie hatte natürlich völlig recht, überging diese Sichtweise doch völlig die Bemühungen afroamerikanischer Frauen um volle Gleichberechtigung. Vgl. »Are White Women Stealing Our Husbands?«, in: Negro Digest, 15. April 1951, S. 55; und Leserbriefe, in: Ebony, November 1947. Wie Renee Romano zeigen konnte, argumentierten in den Fünfziger- und Sechzigerjahren nur wenige Angehörige der afroamerikanischen Community, dass Schwarz-Weiße Beziehungen einen »Verrat an ihrer Rasse« darstellten. Die meisten Einwände wurden damit begründet, dass das Erlauben solcher Beziehungen das Leben afroamerikanischer Männer in den USA nur noch schwerer machen werde. Vgl. Renee Romano: Race Mixing: Black-White Marriage in Postwar America, Cambridge, MA: Harvard University Press, 2003, S. 89. Zu einem Vergleich um die Debatten zu afroamerikanisch-weißen Ehen in Amerika und Deustchland, siehe Maria Höhn: »Love Across the Color-Line: The Limits of German and American Democracy, 1945-68«, in: Larry Greene und Anke Ortlepp (Hg.): Germans and African Americans: Two Centuries of Exchange, Jackson: University Press of Mississippi, 2010, S. 105-125. 43 | »Tan Yanks in Germany Destroy last of Nazi ›Culture‹. Swing Music Big Favorite«, in: Chicago Defender, 8. Mai 1945. 44 | Um afroamerikanisch-weiße Eheschließungen zu verhindern, wurden afroamerikanische Soldaten oft kurzfristig innerhalb Deutschlands zu einem anderen Stützpunkt versetzt, oder sogar zurück in die Vereinigten Staaten geschickt. Diese Strategie kam auch dann zur Anwendung, wenn die deutsche Frau schwanger war, was den afroamerikanischen GIs (zu Unrecht) den Ruf einbrachte, ihre Kinder im Stich zu lassen. Afroamerikanische Soldaten, die bei ihrer weißen Freundin blieben und diese heirateten, konnten nach ihrer Rückkehr nicht mehr ihre Familie in den Südstaaten besuchen. Wegen der existierenden Gesetze gegen die »Mischehe« durften Soldaten mit weißen

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Ein Hauch von Freiheit Ehefrauen auch nicht auf einer Militärbasis im Süden der USA stationiert werden, wo sich allerdings die meisten Garnisonen der USA befanden. Alle US-Soldaten, die eine weiße Frau aus Übersee mitbrachten wurden zu ihrer eigenen Sicherheit und der ihrer Familien in Fort Leavenworth Kansas stationiert, wo sich eine Art Subkultur von afroamerikanischen Veteranen and weißen deutschen Frauen formte. 1949 erhielten von 280 afroamerikanischen Soldaten, die Antrag auf Erteilung einer Heiratserlaubnis gestellt hatten, nur 22 (7,9 Prozent) eine Genehmigung. 110 Bewerbungen wurden noch bearbeitet, 57 Soldaten erhielten niemals eine Antwort, und 91 Anträge wurden abgelehnt. Im Gegensatz dazu hatten bis 1948 immerhin 64,3 Prozent der weißen Soldaten, die heiraten wollten, die Erlaubnis dafür erhalten. Der Rest der Anträge war so gut wie genehmigt und war lediglich noch nicht durch alle Instanzen gelaufen. Siehe Patricia Hough: The Socio-Cultural Integration of German Women Married to American Military Personnel, PhD Diss., Freie Universität Berlin, 1979, S. 92. 45 | Phyl Newbeck: Virginia Hasn’t Always Been for Lovers. Interracial Marriage Bans and the Case of Richard and Mildred Loving, Carbondale: Southern Illinois Press, 2004; Werner Sollors: Interracialism. Black-White Intermarriage in American History, Literature, and Law, Oxford: Oxford University Press, 2000; Kevin Johnson: Mixed Race America and the Law, New York: NYU Press, 2003. Zum Vergleich der Debatte über solche Heiraten siehe Maria Höhn: »Love Across the Color-Line: The Limits of German and American Democracy, 1945-68«, in: Greene und Ortlepp (Hg.): Germans and African Americans, S. 105-125. Ebenso, Höhn: »›When Negro Soldiers Bring Home White Brides‹: Deutsche und amerikanische Debatten über die ›Mischehe‹ (1945-1967)«, in: Werner Kremp und Martina Tumalis (Hg.): Amerikaner in Rheinland-Pfalz. Alltagskulturelle Begegnungen. Trier: WVT Wissenschaftlicher Verlag, 2008, S. 147-164. 46 | Für die verschiedenen Reaktionen deutscher Eltern, siehe den Kommentar von Ron Noble und das Interview von Debra Abell auf aacvr-germany.org. Siehe auch Interviews Charlotte und Milton Johnson (ebd.); und Ingrid Linton, in der Dokuemntation Ein Hauch von Freiheit. Für eine detaillierte Besprechung der afroamerikanisch-weißen Beziehungen und der deutschen Widerstände gegen sie, siehe Maria Höhn: GIs and Fräuleins, (2002) und Amis, Cadillacs, (2008). 47 | »Song of Girls and GI’s«, in: Ebony, Oktober 1946, S. 10f. 48 | Louis Martin: »Tan Yanks in Germany Destroy Last of Nazi ›Culture‹«, 5, und »Negro GIs Play Vital Reconstruction Role«, in: Chicago Defender, April 10, 1948. Vgl. ebenfalls Willie Lee Wong: »Nazis Gone, Germans Rave Over ›Sweethearts of Rhythm‹ Band«, in: Chicago Defender, 8. September 1945, S. 14, über eine Band afroamerikanischer Frauen, die auf Tournee in Westdeutschland waren. Zu jam sessions zwischen deutschen Jazzfans und afroamerikanischen GIs, vgl. Schroer: Recasting Race, S. 175. Vgl. ebenfalls die 1957 ausgestrahlte deutsche TV-Sendung »Wie Toxi wirklich lebt«, die eine Szene enthält, die in einer nur von afroamerikanischen GIs frequentierten Bar spielt, die auch von weißen deutschen Frauen und weißen deutschen männlichen Teenagern besucht wird, die die Musik sehr genossen und die für sie neuartigen Tanzbewegungen

Kapitel 3: »Das werden wir uns nie mehr bieten lassen« der afroamerikanischen GIs bewunderten. Zum Thema Jazz siehe auch Uta Poiger: Jazz, Rock und Rebels. 49 | Nur wenige afroamerikanische Familien lebten während der Besatzungszeit in Westdeutschland, da anfangs nur die Frauen und Familien von Offizieren und Unteroffizieren nachkommen durften. Die Zahlen stiegen nach der Verstärkung der Truppenpräsenz in den Fünfzig jahren stark an; zu diesem Zeitpunkt waren rund 30.000 afroamerikanische GIs regulär in Deutschland stationiert. Dieser Aspekt der US-Präsenz muss noch erforscht werden. Vgl. das bereits erwähnte Dissertationsprojekt von Felicitas Ruetten Jaima (NYU). 50 | »The New Germany and Negro Soldiers«, in: Ebony, January 1952. Vgl. »Germany’s Tragic War Babies«, in: Ebony, Dezember 1952, S. 78, und »Wives of Negro GIs Still Draw Stares in Germany«, in: Chicago Defender, 16. Juli 1955. Zu den Besatzungsjahren vgl. »Christmas Finds these Americans in Germany«, in: Baltimore Afro American, Dezember 1947. Der Artikel betonte, dass viele afroamerikanische Familien zwar deutsche Freunde hatten, aber dass Kontakt mit weißen Amerikanern sehr viel seltener sei. Zu dem Rassismus weißer Amerikaner gegenüber den Frauen und Kindern der afroamerikanischen Soldaten vgl. »Mr. Jim Crow and I.«, in: The Crisis, Januar 1956, Vgl. ebenfalls »Report From Germany. Integrated GIs Jim Crow Selves When off Duty«, in: Chicago Defender, 23. Juli 1955; und »Wives of Negro GIs still draw Stares in Germany«, in: Chicago Defender, 16. Juli 1955. 51 | »Ray defends GIs Serving Overseas«, in: Chicago Defender, 28. Dezember 1946. 52 | Walter White: »People, Politics, Places«, in: Chicago Defender, 18. Mai 1946. 53 | Ottley, Auszüge aus seinem Buch No Green Pasture, in: Chicago Defender, 15. Dezember 1951. Ein weiterer Bericht, der behauptet, dass die Deutschen den afroamerikanischen Soldaten gegenüber liberaler eingestellt seien als die Franzosen, findet sich unter dem Titel »Wives of Negro GIs Still Draw Stares in Germany«, in: Chicago Defender, 16. Juli 1955. 54 | Frank E. G. Weil: »The Negro in the Armed Forces«, in: Social Forces, 26.1 (1947), S. 95–98, bes. S. 98. Vgl. auch das Interview mit Lieutenant General Clarence Huebener, zit. in MacGregor: Integration of the Armed Forces, S. 214; und »Racial: Mädchen and Negro«, S. 29–30. 55 | Trezzant W. Anderson: »Germans Gradually Accepting Colored Occupational Troops«, in: Pittsburgh Courier, 2. Februar 1946, S. 13. 56 | Trends of the Negro Press, 2, War Dept. General Staff Decimale File, April 22, 1946, RG 165 Box 262, NARA. Zu einer Untersuchung dieses Sachverhalts vgl. »Racial: Mädchen and Negro«, S. 29–30. 57 | James Baldwin: »The Fire Next Time« (1962), in: Reporting Civil Rights, Part One American Journalism 1941-1963, New York: The Library of America, 2003, S. 733. 58 | Walter White: »People, Politics, and Places«, in: Chicago Defender, 18. Mai 1946. 59 | Frank Weil: »The Negro in the Armed Forces«, in: Social Forces 26, Nr. 1 (1947), S. 98. Vgl. ebenfalls das Interview mit Generalleutnant Clarence Huebener, zitiert in Mac-

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Ein Hauch von Freiheit Gregor: Integration of the Armed Forces, S. 214, und »Racial – Mädchen and Negro«, in: Newsweek, 16. September 1946, S. 29f. 60 | »More Negroes Expected to Enlist in Army«, in: Chicago Defender, 15. Juni 1946, und »Choice of Station Ends as GIs Select Europe«, in: Chicago Defender, 6. Juli 1946. 61 | »Found Freedom in Germany – Few GIs Eager to Return to States«, in: Pittsburgh Courier, 22. Februar 1947. Vgl. ebenfalls »Nothing to Go Back For«, in: The Crisis, Februar 1949. 62 | »Many Ex-GIs Taking Jobs in Germany«, in: Chicago Defender, 30. März 1946. 63 | »Why Negroes leave America: Many GIs find more freedom overseas than in their native land [sic]«, in: Negro Digest, 19. März 1949, S. 10f. Zur Zahl der Soldaten, die im Ausland bleiben wollten, vg. »GIs Come Home Older and Wiser«, in: Chicago Defender, 8. September 1945, und »White, People, Politics, and Places«. 64 | Lou Potter: Liberators: Fighting on Two Fronts in WWII, New York: Houghton Mifflin Harcourt, 1992, S. 259. 65 | Die Nürnberger Nachrichten vom 28. Mai 1949 berichteten sogar von diesem Phänomen in »Ein Negersoldat erlebt Deutschland«. Der Artikel beruhigte die Leser, dass trotz dieser guten Erfahrungen in Deutschland »keine Einwanderungswelle amerikanischer Neger nach Deutschland einsetzen wird«. William Gardner Smith und Ollie Stewart kehrten nach kurzer Zeit in den USA nach Europa zurück und machten Paris zu ihrer neuen Heimat, wo sich bereits nach dem Ersten Weltkrieg eine bedeutende Gruppe afroamerikanischer Intellektueller, Künstler und Musiker niedergelassen hatte. 66 | William Gardner Smith: »An American in Paris-III«, in: New York Post, 29. September 1959 (Schomburg Clipping file William Gardner Smith). Vgl. ebenfalls Smiths: Return to Black America. Vgl. auch den Kommentar von Judge Johnson in Ein Hauch der Freiheit. 67 | »American Prejudice Rampant in Germany«, in: Pittsburgh Courier, 1. März 1947; »American Officers Abroad Propagating Race Hatred«, in: Pittsburgh Courier, 8. Juni 1946; und »Nazi Attitudes of White Soldiers«, in: Pittsburgh Courier, 29. September 1945. Vgl. ebenfalls »GIs in Germany Ashamed, Confused by Dixie Hate«, in: Chicago Daily Defender, 23. Mai 1959. »Germany’s Tragic War Babies«, in: Ebony, Dezember 1952, S. 74–78, berichtet ebenfalls von dem Rassismus, den weiße US-Soldaten unter den Westdeutschen zu verbreiten versuchten. 68 | Edward Toles: »Where is Hitler? German-Born Negroes Free in Berlin«, in: Chicago Defender, 14. Juli 1945, S. 1. 69 | »Bishop Walls Blasts Army German Jim Crow Policy«, in: Chicago Defender, 1. November 1947. 70 | »›U.S. Democracy,‹ in Germany and at Home«, in: Chicago Defender, 21. Januar 1950. 71 | Ebd. 72 | Höhn hat diesen Prozess in Amis, Cadillacs detailliert beschrieben, insbesondere Kapitel 3, 5 und 8.

Kapitel 3: »Das werden wir uns nie mehr bieten lassen« 73 | Für England siehe Roi Ottley: War, S. 98 und 104. Max Neiman (UCLA) berichtete, dass sein Vater, ein polnischer Überlebende des Holocausts, eine Reihe von rein-weißen und rein-afroamerikanischen Bars nach 1945 in München betrieben hatte, später auch in Baumholder während der Fünfzigerjahre. Die örtlichen US-Kommandeure befahlen ihm, rassengetrennte Lokale einzurichten, und drohten ihm, dass seine Lokale off limits erklärt würden, falls er die Rassentrennung nicht aufrecht erhalten würde. (Interview von Maria Höhn, Mai 2010). Vgl. auch die Erörterung dieser Politik der USKommandeure in Kapitel 4 dieses Buchs. Siehe auch Maria Höhn und Moon (Hg.): Over There. Living With the U.S. Military Empire, im Hinblick auf einen Vergleich zwischen Entwicklungen dieser Rassentrennung in den Zivilgemeinden in Westdeutschland, Südkorea und Okinawa/Japan, besonders Einleitung und Kapitel 11. Zu einer Beschreibung, wie sich diese Politik der Rassentrennung im Detail in den Garnisonsstädten Baumholder und Kaiserslautern in den 1950er Jahren abspielt, siehe Höhn (2002) und (2008), Kapitel 3, 4, 7 und 8. 74 | Zum Thema deutscher und jüdischer Displaced Persons als Barbesitzer, die afroamerikanischen GIs den Zugang verbieten wollten, siehe Höhn: Amis, Cadillacs, Kap. 8 und das Kapitel 8 in diesem Buch. 75 | NARA, RG 498/Box 85, Folder 291.2 To Commanding General, Headquarters, USFET Thru G-2 Division, Civilian Personnel Branch, AT TN: Col Meehan. APO 757 c/o US Army, 27. August 1946. Vgl. auch Interview mit Tom Ward, aacvr-germany.org. 76 | NARA, RG 407 Army Adjudant General File 1953-54, Box 129 (291.2), 12. November 1954, Brief von Sgt. Hely R. Harrell an den Kongressabgeordneten Adam Clayton Powell, Jr. den dieser an den Verbindungsoffizier zum Kriegsministerium weitergeleitet hatte (7. Dezember 1954). 77 | »Report of the Negro Newspaper Publishers Association to the Honorable Secretary of War, Judge Robert P. Patterson, on Troops Conditions in Europe, 18 July 1946,« NARA, RG 407, Adjutant General, Box 719, 6. Zu Großbritannien siehe: Ottley: War, S. 95–102. 78 | Bill Smith: »McNarney Ignores Report, Isolates GIs«, in: Pittsburgh Courier, 26. Oktober 1946, S. 1, 4; und Smith: The Last of the Conquerors; »Report of the Negro Newspaper Publishers Association to the Honorable Secretary of War, Judge Robert P. Patterson, on Troops Conditions in Europe, 18. Juli 1946«, S. 8, RG 407, Adjutant General, Box 719, NARA. 79 | Ottley: No Green Pastures, S. 159. Zum Thema der Beziehungen zwischen weißen deutschen Frauen und afroamerikanischen GIs gibt es mittlerweile einige Abhandlungen. Siehe etwa Höhn: GIs and Fräuleins (2002); Petra Goedde: Germans and GIs. Culture, Gender and Foreign Relations, New Haven: Yale University Press, 2002; Annette Brauerhoch: Fräuleins und GIs, Frankfurt a. M.: Stroemfeld Verlag, 2006; Heide Fehrenbach (2007); Timothy Schroer (2007). Für Frankreich, siehe Mary-Louise Roberts: What Soldiers Do. Sex and the American GI in World War II, Chicago: University of Chicago Press, 2013. 80 | Grace Halsell: Black / White Sex, New York: William Morrow, 1972, S. 144.

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Ein Hauch von Freiheit 81 | Report to the Secretary of War, July 1946, 6, RG 407 Box 719, NARA. Die größte Verleumdungskampagne gegen afroamerikanische Soldaten, die mit weißen deutschen Frauen fraternisierten, kam vom so genannten Meader Report, in dem Abscheu angesichts dieser Entwicklung bekundet wurde, vgl., »Smearing our Soldiers«, in: The Crisis, Januar 1947, S. 9. 82 | Alfred Werner: »Germany’s New Pariahs«, in: The Crisis, Mai 1952, S. 296. Wie die Frauen der weißen US-Offiziere ihre deutschen Bekannten im Hinblick auf Jim Crow indoktrinierten, wird ausführlich beschrieben in Dorothy Otis Wyre: »Mr. Jim Crow and I«, in: The Crisis, Januar 1956, S. 11–14, 11. 83 | Complaint by War Department Civilians to Military Personnel Branch, Headquarters, US Forces, European Theater, APO 747, 27. August 1946, RG 498/Box 85/1, Folder 291.2, NARA. 84 | Owsley’s Brief zitiert in: Richard Dalfiume: Desegregation of the U.S. Armed Forces: Fighting on Two Fronts, 1939-53, Columbia: University of Missouri Press, 1975, S. 133. 85 | Davis: »The Americanized Mannheim«, S. 79. 86 | Negro Newspaper Editors’ Report to the Secretary of War, Juli 1946, S. 6, RG 407 Box 719, NARA. Kriegsminister Patterson schrieb seine Bemerkung: »are we going to mix races?« an den Rand des Beschwerdeschreibens. Die Taktik wurde auch schon in Großbritannien benutzt. Siehe Roy Ottleys’ World War II, S. 97–98. 87 | Bericht vom August 1946, Teil 9: Discrimination in the U.S. Armed Forces, 1918– 1955, Series C, Reel 10, NAACP (Name und Signatur nicht lesbar). Zur Weigerung von Kommandeuren, Eheerlaubnisse zu erteilen, vgl. Negro Newspaper Editors’ Report to the Secretary of War, 8. Juli 1946, RG 407 Box 719, NARA. 88 | Olly Stewart: »How War Brides Fare in America«, in: Negro Digest, April 1948, 26. Vgl. ebs. »Bishop Walls Hits Army Bias«, in: Washington Afro-American, 25. Oktober 1947, S. 8. 89 | NARA, RG 498 ETO Secretary General Staff, Box 20. 90 | Brief vom 19. August 1946, Part 9: Discrimination in the U.S, Armed Forces, 1918–1955, Series C, Reel 10, NAACP (Name und Signatur nicht lesbar). Für die Gewalt gegenüber afroamerikanischen Soldaten siehe auch Höhn: GIs und Fräuleins, Kapitel 3 und Kommentare von Dieter Hildebrandt und Michael Georg in Ein Hauch von Freiheit. Solche Hausdurchsuchungen wurden noch während der Fünfziger- und Sechzigerjahre praktiziert. Oft wurde als Grund der Verdacht auf steuerfreie Ware oder angeblicher Besitz amerikanischer Zigaretten benutzt. Zur Beschwerde eines Soldaten dagegen in Kaiserslautern, vgl. das Schreiben vom 12. November 1954, von Sgt. Hely R. Harrell an den Kongressabgeordneten Adam Clayton Powell, Jr., weitergeleitet an den ArmeeVerbindungsoffizier am 7. Dezember 1954, RG 407, Box 129, NARA; und Höhn: GIs and Fräuleins, Kapitel 4, 7 und 8 für eine ausführliche Beschreibung der Gewalt und wie Rassentrennung aufrecht erhalten wurde. 91 | NARA, RG 498 ETO Secretary General Staff, Box 20 Classified Decimal File, 27. August 1946, Beschwerde von Zivilangestellten des Kriegsministeriums.

Kapitel 3: »Das werden wir uns nie mehr bieten lassen« 92 | NARA, RG 498 ETO Secretary General Staff, Box 20. 93 | »Negro GIs Fraternize – But Wisely!«, in: Chicago Defender, 21. Juli 1945; »A Double Standard of Morals«, in: Chicago Defender, 28. April 1945. 94 | Geis: »Morale and Discipline«, S. 27; idem: »Negro Personnel«, S. 138; J. Robert Lilly: »Dirty Details: Executing U.S. Soldiers During WWII« und idem: »Executing U.S. Soldiers in England during WWII: The Power of Command Influence and Sexual Racism«, zeigt, wie heuchlerisch die US-Militärjustiz vorging. Die Artikel sind auch auf der Homepage der University of Alaska, Anchorage Justice Center, zu finden: http://sun.soci.niu. edu/ ~critcrim/dp/dppapers/lil.dirty.details. 95 | »Racial: Mädchen and Negro«, S. 29–30. 96 | Ralph G. Martin: »Where is Home?«, in: New Republic, 31. Dezember 1945, S. 898– 900, 898. Ebenso Lt. Colonel John Sherman: »A Communication: Our Negro Soldiers«, in: The New Republic, 19. November 1945, S. 678, und Thomas Sancton: »Big Brass and Jim Crow«, in: The Nation, 2. Oktober 1948, S. 365–66. See also Max Lerner: »The Negroes and the Draft«, in: PM, 11. April 1948 (nachgedruckt in: The Crisis, Mai 1948), S. 140, 150–55; und Vernon Stone: »Baby Crop«, in: Survey, 1949, S. 579–80. 97 | Smith: The Last of the Conquerors, S. 57. 98 | David Dempsey: »American Dilemma«, in: New York Times, 5. September 1948, Rezension, S. 6. 99 | »Land of Freedom?«, in: Saturday Review of Literature, S. 15 (Schomburg Clipping File William Gardner Smith). 100 | Abner Berry: »Last of the Conquerors, Important First Novel against Army Jimcrow«, in: Daily Worker, 31. August 1948 (Schomburg Clipping File William Gardner Smith). 101 | James Fenwick: »Novel Explores Theme of Negro GIs in Germany«, 15. August 1949 (Schomburg Clipping File William Gardner Smith). 102 | Davis: »The Americanized Mannheim«, S. 88. 103 | Bud Hutton and Andy Rooney: Conqueror’s Peace: A Report to the American Stockholder, New York: Doubleday, 1947, S. 54. 104 | Jack Conroy: »Negro Soldier and a Fraulein [sic]«, in: Chicago Sun-Times, 17. August 1948, S. 17. 105 | Der Militärdienst ist oft eine Familientradition in der afroamerikanischen Bevölkerung. So kann man heutzutage Soldaten in Deutschland treffen, deren Grossvater und Vater schon in Deutschland gedient haben. Maria Höhns Forschungen zum Themenkomplex afroamerikanische Soldaten im Nachkriegsdeutschland wurde hauptsächlich durch die eindrucksvollen Geschichten afroamerikanischer Veteranen über die dort erfahrene Toleranz inspiriert.

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Kapitel 4 Amerikas Mission in Deutschland und die Fortschritte in der Bürgerrechtsfrage

Die Teilnahme am Zweiten Weltkrieg und ihr Einsatz in der US-Besatzungsarmee im Nachkriegsdeutschland hatten tiefgreifende Auswirkungen auf afroamerikanische GIs. Ihre Erfahrungen sollten sich nicht nur auf ihr individuelles Selbstwertgefühl und ihre Identität auswirken, sondern auch eine grundsätzliche Debatte innerhalb der afroamerikanischen Gesellschaft über den entscheidenden Kriegsbeitrag dieser Bevölkerungsminderheit für ihr Land in Gang setzen, zu einer Zeit, als ihnen die Vereinigten Staaten nur eine Staatsbürgerschaft zweiter Klasse zugestand. Bezeichnenderweise war es der Kampf gegen Nazi-Deutschland sowie die Entnazifizierung und Umerziehung Deutschlands nach 1945, die vielen weißen Amerikanern erstmals die internationale Relevanz des »amerikanischen Dilemmas« zwischen freiheitlich-demokratischen Idealen und der Realität rassistischer Unterdrückung verständlich machte, wie es der schwedische Ökonom und Soziologe Gunnar Myrdal bereits 1944 beschrieben hatte.1 Der unablässige Kampf gegen Jim Crow seitens der afroamerikanischen Bürgerrechtsaktivisten und Presse zwischen 1933 und 1945 sowie ihre Strategie, Jim Crow mit dem Nationalsozialismus gleichzusetzen, öffneten vielen liberal eingestellten Weißen die Augen für das volle Ausmaß der Diskriminierung der Afroamerikaner. Sie vermochten nun mehr und mehr Myrdals Auffassung nachzuvollziehen, nach der es unabdingbar war, die amerikanische Rassenfrage zu lösen, um das Überleben der Demokratie sowie Amerikas Anspruch als globale Führungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg zu gewährleisten.2 Diese grundlegende intellektuelle Kurskorrektur gewann an Fahrt während der amerikanischen Besetzung Deutschlands, als afroamerikanische Bürgerrechtsaktivisten und Medien den Druck aufrechterhielten, um sicherzustellen, dass der Beitrag des afroamerikanischen Amerikas zum Sieg über NS-Deutschland nicht umsonst gewesen war. Weiße Liberale waren zunehmend beschämt über den Umstand, dass eine der Rassentrennung nach Jim

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Ein Hauch von Freiheit

Crow unterworfene US-Armee nach Deutschland geschickt worden war, um dort die Entnazifizierung und Umerziehung des Landes in Angriff zu nehmen. Sie waren nun ebenfalls entschlossen, sich dem Kampf um die Bürgerrechte anzuschließen und einen grundsätzlichen gesellschaftlichen Wandel einzuleiten. Daher hatte die Besetzung Deutschlands nach Kriegsende – mehr noch als der Kampf gegen Nazi-Deutschland während des Zweiten Weltkriegs – das amerikanische Rassenproblem nationalisiert, und es zu einem amerikanischen statt nur einem Südstaatenproblem gemacht.

E ine neue E inigkeit in B ürgerrechtsfr agen Genau wie es die afroamerikanische Community gehofft hatte, wurden vielen weißen Amerikanern erst durch die »Doppel-V-Kampagne« während des Zweiten Weltkriegs klar, wie groß die Diskrepanz zwischen Amerikas Kampf gegen den Nationalsozialismus und der Fortdauer der Jim Crow-Rassentrennung zuhause war. Wieder und wieder hatten afroamerikanische Aktivisten und Medien dem weißen Amerika vorgehalten, dass der Kampf gegen den Nazi-Rassismus »weitaus größere moralische Autorität« für sich beanspruchen könne, wenn er sich gleichzeitig »auch gegen Rassenunterdrückung zuhause« richte.3 Diese Strategie zahlte sich langfristig aus. Ein Beispiel für deren Wirksamkeit ist die Frage, die der weiße Abgeordnete der Demokratischen Partei, Samuel Dickstein aus New York seinen Kollegen im Repräsentantenhaus 1941 stellte: »Welchen Zweck hat es, die Demokratie gegen Angriffe von außen zu verteidigen, wenn wir es zulassen, dass die Grundprinzipien der Demokratie hier in unserem eigenen Land mit Füßen getreten werden?«4 Nach Ausbruch des Krieges boten progressive Mainstream-Publikationen wie New Republic, The Nation, Common Sense, Atlantic Monthly, P. M. und Survey Graphic afroamerikanischen Bürgerrechtsaktivisten eine Plattform, ihr Anliegen vorzustellen. Um Amerika für die Ungerechtigkeiten, unter denen die afroamerikanischen Amerikaner litten, zu sensibilisieren, beschrieb Charles Houston, afroamerikanisches Mitglied des Fair Employment Practices Committee (FEPC/Komitee für faire Einstellungspraktiken) unter der Schirmherrschaft des US-Präsidenten, empört, wie Afroamerikaner gegen die Nazis zu den Waffen gerufen worden waren, aber dann von der US-Armee »in Uniformen gesteckt, in den Süden transportiert wurden« und dort »sich selbst überlassen blieben, ausgesetzt den Prügeleien, Fesselungen und sogar Mordversuchen seitens der weißen Zivilisten, die immer straffrei ausgingen«. All dies während (weiße) deutsche Kriegsgefangene in den USA deutlich respektvoller und würdevoller behandelt wurden als afroamerikanische GIs.5 Kommentatoren unterstrichen allerdings auch die Tatsache, dass die Gewalt gegen Afroamerikaner kein bloßes »Südstaaten-Problem« darstellte. Von

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Edwin Embree, dem ehemaligen Vizepräsident der Rockefeller Stiftung und einem der frühen weißen Mitstreiter im Kampf um die Bürgerrechte, erfuhr die weiße Leserschaft beispielsweise dass afroamerikanische Arbeitnehmer und ihre Familien, die in weiße Wohngebiete in den Nordstaaten zu ziehen versuchten, dort für dieses Vorhaben von der Polizei terrorisiert und von den neuen Nachbarn mit Steinen beworfen wurden. 6 Die zugespitzten Vergleiche, die die afroamerikanische Presse zwischen dem Nazi-Rassenstaat und der weißen Vorherrschaft in den USA gezogen hatte, begannen langsam ihre Wirkung innerhalb des weißen Amerika zu zeigen. Wenige Monate nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor ließ die Zeitschrift Common Sense in einem Leitartikel verlauten, dass »wir bis jetzt sehr wenig getan haben um die schändliche Behandlung unserer afroamerikanischen Minderheit zu überwinden. Und doch ist dies ein nötiger Schritt hin zum Sieg über diejenigen, die die Juden auf dieselbe Weise behandeln.«7 Als afroamerikanische Familien 1943 von einem Mob misshandelt wurden bei dem Versuch, in eine Reihenhaussiedlung in Detroit einzuziehen, befand die New Republic, dass der weiße Mob »selbstsicher Hitlers Arbeit verrichtete«.8 Diese Leitartikel in den liberal-intellektuellen Medien betonten außerdem, genau wie die afroamerikanischen Presseorgane, dass der Kampf gegen den Faschismus den fundamentalen Widerspruch im Herzen der amerikanischen Demokratie enthülle. »Wir können nicht den Faschismus anderswo bekämpfen«, befand The Nation, »und gleichzeitig unsere Augen verschließen vor dem Faschismus zuhause. Wir können ja schlecht auf unser Banner schreiben ›Für Demokratie und ein Kastensystem‹.«9 Auf diese Weise erschütterte der Zweite Weltkrieg und speziell der Sieg der USA über den NS-Rassenstaat die intellektuelle Basis von Jim Crow; die Bürgerrechte wurden so zu einem Thema, welches das progressive Amerika zunehmend zur Kenntnis nehmen und diskutierten musste. Roy Wilkins, Chefredakteur von The Crisis, kommentierte 1944: Hitler zwang unsere weißen Mitbürger in ihre von der Logik her unhaltbare Position. Gezwungen, ihm um des Überlebens der Nation willen entgegenzutreten, wurden sie dazu gezwungen, sich öffentlich gegen seine rassistischen Theorien auszusprechen«. Tatsächlich musste Amerika, um den Krieg zu rechtfertigen, erklären: »Nieder mit dem Hitlerismus! Nieder mit der Herrenrassen-Theorie! Weg mit dem rassistischen Fanatismus!10

Der Philanthrop und Bürgerrechtsaktivist Anson Phelps Stokes stimmte Wilkins zu, als er über das nachdachte, was viele Amerikaner als zwangsläufiges Ergebnis des Kampfes gegen den Nazi-Rassismus ansahen:

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Ein Hauch von Freiheit Wir alle verurteilen die Herrenvolk-Idee sowohl als unwissenschaftlich als auch als unchristlich. Aber letztlich ist [Amerikas] ›weiße Vorherrschaftsdoktrin‹ […] ihr in der Theorie sehr verwandt. […] Daher ist der Krieg, indem er die Herrenvolk-Diskussion im Falle Deutschlands aufbrachte, uns bis nach Hause in die Vereinigten Staaten gefolgt; wir sind sehr verwundbar aufgrund von Widersprüchen und Heucheleien, falls wir als Demokratie nicht endlich die Sache mit der Gleichberechtigung regeln.11

Solche reformorientierten Kommentatoren und Bürgerrechtsaktivisten verstanden auch, dass die Dinge nicht wieder auf die Vorkriegssituation zurückgeschraubt werden konnten. Die Auswirkungen des Krieges waren zu umfassend: »Die gesamte junge Männergeneration dieser Volksgruppe wird sich nie mehr in die Leibeigenschaft (serfdom) des Südstaaten-Feudalismus oder den Zweiter-Klasse-Status in den Nordstaaten-Industriemetropolen eingliedern. Es ist zu spät, um die Neger auf ihrem ›angestammten‹ Platz zu halten. Wenn wir das wollten, hätten wir sie nie in die Kriegsproduktion hereinholen oder ihnen die umfassende Ausbildung in den Streitkräften angedeihen lassen dürfen.« 12 Einige weiße Soldaten waren durch die Erfahrung, Seite an Seite mit afroamerikanischen Soldaten zu kämpfen und zu sterben, dazu gebracht worden, ihre traditionellen Überzeugungen von der weißen Überlegenheit zu überdenken. Die New Republic etwa zitierte einen Offizier, der seiner Zuversicht Ausdruck verlieh, dass »Tausende von weißen Südstaatenoffizieren einen soliden Respekt gegenüber ihren Negertruppen entwickelten und daher nunmehr überzeugt davon sind, dass diese in unserem Land die Rechte, Privilegien und Chancen erhalten müssen, die sie für den Rest von uns zu erhalten entscheidend geholfen haben«.13 Der Kampf gegen Nazi-Deutschland hatte vielen weißen Offizieren auch die Unzulänglichkeiten ihres eigenen Landes klarer als bisher vor Augen geführt. Oberstleutnant John Sherman schrieb beispielsweise: »Wir müssen eingestehen, dass das bisherige Leben des Negers in Amerika ihm wenig gegeben hat, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Als einer mich fragte, ›Wie kommt es, dass weiße [Amerikaner] Hitler dafür bekämpfen, wie er die Juden behandelt hat, wenn sie uns genauso behandeln?‹, konnte ich in den vielen Armee-Vorschriften und Geschichtsbüchern keine adäquate Antwort finden.« 14 Ein weißer, »in Mississippi zum Negerhasser erzogener GI« schrieb einen Brief an das Yank Magazine und stellte eine ähnlich verunsicherte Frage: »Wenn die Deutschen also Freiheit bekommen […], warum können die Neger sie dann nicht ebenfalls bekommen, sie haben doch dafür gekämpft! Ich denke, sie sollten es bekommen, und viele Südstaaten-GIs sind derselben Überzeugung.«15 Derartige Leitartikel in liberal orientierten Publikationen und Aussagen von Zeitzeugen belegen, dass der Zweite Weltkrieg tatsächlich die Vorstellungen vieler weißer Amerikaner entscheidend verändert hatte. Allerdings können solche Solidaritätserklärungen mit der Lage der Afroamerikaner kaum als

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repräsentativ gelten, wie Fortgang und Dauer der Bürgerrechtsauseinandersetzungen in den kommenden Jahrzehnten nur zu sehr verdeutlichen sollten.16 Zuviele weiße Amerikaner waren, wie in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben, fest dazu entschlossen, die Schranken der Jim Crow-Rassentrennung, die während des Krieges abgeschwächt worden waren, wieder aufzurichten. Welche Fortschritte die Afroamerikaner auch immer durch den Krieg erzielt hatten, sie sollten nun wieder rückgängig gemacht werden. Trotz allem hatten der Zweite Weltkrieg und der Kampf gegen NaziDeutschland die Chance auf einen grundlegenden Wandel eröffnet. 1942 wurde die Organisation CORE (Congress for Racial Equality/Kongress für Rassengerechtigkeit) gegründet, die erste Sit-Ins ins Leben rief, um die auch in den Nordstaaten weitverbreitete Trennung der Rassen in Restaurants, Kantinen und Kinos anzuprangern und zu überwinden. Schon in den letzten Kriegsjahren wurden auf Betreiben des American Council on Race Relations (Amerikanischer Rat für Rassenbeziehungen) hunderte von integrierten Komitees im ganzen Land gegründet. Ihren Anstrengungen ist es zu verdanken, dass in zahlreichen Bundesstaaten und Kommunen gegen Ende der 1940er Jahre per Erlass Bürgerrechtsgesetze eingeführt wurden, die die Gleichheit für Afroamerikaner garantieren sollten. Andere fortschrittlich gesonnene Gruppen, die sich mit der Überwindung des amerikanischen Rassismus befassten, waren die American Civil Liberties Union (ACLU/Amerikanische Bürgerrechtsunion), der American Jewish Congress (Amerikanischer jüdischer Kongress) und die National Catholic Welfare Conference (Nationale katholische Wohlfahrtskonferenz). Besonders die Aufdeckung des gesamten Ausmaßes des Holocaust brachte liberale weiße Amerikaner dazu, integrierte Organisationen gemeinsam mit Afroamerikanern aufzubauen. Die lange Zeit verfolgte Strategie der NAACP, durch Gerichtsverfahren und gesetzgeberische Maßnahmen sozialen Wandel herbeizuführen, begann sich ebenfalls auszuzahlen. Mit dem Jahr 1944 gelang es der Organisation erstmals, eine Reihe wichtiger Prozesse zu gewinnen, wodurch der graduelle, aber noch viele Jahre andauernde Prozess der Aufhebung der Rassentrennung auf dem Immobilienmarkt, beim überregionalen öffentlichen Fernverkehr, sowie bei den weiterführenden Schulen eingeleitet werden konnte. Außerdem gelang es der NAACP 1944, den Obersten Gerichtshof davon zu überzeugen, dass die »weißen Vorwahlen«, wie sie noch in vielen Staaten der USA gängig waren, und die Afroamerikaner gänzlich von der Wahl ausschlossen, nicht verfassungsmäßig waren.17 Bezeichnenderweise wurde dieser Wandel durch Präsident Truman gefördert, der viele seiner Zeitgenossen damit überraschte, dass er die Verbesserung der Bürgerrechtssituation ganz oben auf seine politische Agenda setzte. Hintergrund dieser Entscheidung war auch der Versuch, in einem politischen Schachzug die Strategie der Republikaner zu durchkreuzen, Bürgerrechts-

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themen ins Zentrum ihres Wahlkampfes für das Jahr 1946 zu stellen. Doch handelte Truman ebenfalls aus Prinzip. Der Präsident war, wie viele andere Amerikaner, entsetzt über die Gewalttätigkeiten, mit denen zurückkehrende afroamerikanische Veteranen in den Südstaaten empfangen wurden. Obwohl die Gewalt gegen heimkehrende afroamerikanische Veteranen zu keinem Zeitpunkt die Ausmaße der Ausschreitungen nach dem Ersten Weltkrieg erreichte, führte insbesondere eine brutale Attacke im Februar 1946 auf den hochdekorierten Veteran Isaac Woodward, der dabei sein Augenlicht verlor, zu einer nationalen Welle der Empörung, nachdem sich die NAACP seines Falles angenommen hatte. Woodwards Erlebnisse waren keineswegs schlimmer als andere Vorfälle von Mob-Gewalt und Lynchjustiz gegenüber zurückkehrenden Veteranen, aber die Tatsache, dass er in Uniform Opfer brutaler Gewalt geworden war, verschärfte die Empörung. Nach einer Militärdienstzeit von drei Jahren zurückgekehrt, hatte ein Busfahrer in South Carolina sich über den uniformierten Veteranen beschwert, weil er angeblich auf dem Rastplatz die Herrentoilette zu lange benutzt hatte. Ein herbeigerufener Sheriff, der den Veteranen daraufhin festnahm, prügelte sofort derartig brutal mit einem Totschläger auf ihn ein, dass Woodward erblindete. US-Präsident Truman war schockiert, als ihn Walter White, der Generalsekretär der NAACP, über diesen jüngsten Vorfall von Gewalt gegen afroamerikanische GIs informierte. »Gütiger Gott«, rief Truman, »ich hatte keine Ahnung dass es so schlimm steht. Wir müssen dringend etwas tun.« 18 Aus Sicht Trumans war es völlig inakzeptabel, dass ein »Neger-Sergeant« in South Carolina aus einem Bus verwiesen und von einem »Hüter des Gesetzes« brutal zusammengeschlagen werden konnte, und dass dies »in keinster Weise zu einer Reaktion der bundesstaatlichen Autoritäten führte«. Wenn so etwas passieren kann, sagte er einem Freund, der mit ihm im Ersten Weltkrieg gedient hatte, »dann ist etwas in unserem System furchtbar im Argen«.19 Nach diesem Vorfall entschloss sich Truman, zu reagieren. Am 5. Dezember 1946 gab er die Executive Order 9808 (Präsidialerlass Nr. 9808) heraus, mit der das unter der Schirmherrschaft des Präsidenten stehende Committee on Civil Rights (Komitee für Bürgerrechte) ins Leben gerufen wurde. Auftrag des Komitees war es, Wege zu finden, die Gleichheit aller Amerikaner sicherzustellen. Der von diesem Komitee erstellte Bericht To Secure these Rights (»Diese Rechte sichern«) wurde ein Jahr später, im Dezember 1947, mit einer langen Liste von Empfehlungen veröffentlicht. To Secure These Rights war eine umfassende Bestandsaufnahme aller Aspekte der Diskriminierung und der Ungleichheit, der sich Amerikas afroamerikanische Minderheit ausgesetzt sah. Er listete auch die ökonomischen, moralischen und politischen Gründe dafür auf, warum diese Missstände unbedingt überwunden werden mussten, und enthielt ein detailliertes Programm, wie dies zu bewerkstelligen sei.

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Die Sprache des Berichts war klar und unmissverständlich, und seine Vorschläge von weitreichender Natur. Seine Autoren empfahlen, die offizielle Zuständigkeit für den gesamten Bürgerrechtskomplex im Justizministerium anzusiedeln. Außerdem forderten sie ein nationales Anti-Lynch-Gesetz, die Einrichtung einer permanenten Bürgerrechtskommission, sowie die Formulierung eines Gesetzes, um die von Präsident Roosevelt eingerichtete Fair Employment Practices Commission (FEPC/Kommission für gleichberechtigte Einstellungskriterien) mit Gesetzgebungskompetenz auszustatten, Gesetzgebungsinitiativen, um die Entziehung des Wahlrechts für Minderheiten zu stoppen, und schließlich das Ende der Rassentrennung in der Armee. Ganz offen beklagte das Komitee damit den bisherigen Umgang des US-Militärs und der Gesellschaft mit den Bürgerrechten und kritisierte die Jim Crow-Bestimmungen, die weiterhin in der US-Armee galten. Hinterfragt wurde besonders die »Ungerechtigkeit«, Afroamerikaner dazu aufzufordern, »für die Freiheit zu kämpfen, und sie gleichzeitig demütigender Rassendiskriminierung in den Streitkräften auszusetzen«.20 Um dem amerikanischen Volk sein Engagement für die Bürgerrechte zu verdeutlichen, hielt Truman als erster US-Präsident seit der Gründung der NAACP 1909 bei deren jährlichem Bundeskongress im Juni 1947 eine Rede. Er war auch der erste US-Präsident, der im überwiegend von Afroamerikanern bewohnten New Yorker Stadtteil Harlem eine Wahlkampfveranstaltung unter persönlicher Mitwirkung abhielt. Da er sich bewusst war, dass er nicht in der Lage sein würde, den US-Kongress davon zu überzeugen, viele der Empfehlungen von To Secure These Rights in die Tat umzusetzen, nutzte Truman erneut das Instrument der Executive Order. Am 26. Juli 1948 unterzeichnete er die Executive Order 9980, mit der die Rassentrennung in allen Ministerien der USRegierung aufgehoben wurde. Am selben Tag – und gegen den expliziten Willen des Heeresministers (Secretary of the Army) und dem Großteil der hohen Offiziere – erließ Truman auch die historische Executive Order 9981, die die Rassentrennung in der US-Armee aufhob. Als Teil dieses Erlasses wurde das präsidiale Committee on Equality of Treatment and Opportunity in the Armed Services (»Komitee für Gleichbehandlung und Aufstiegsmöglichkeiten in den Streitkräften«) ins Leben gerufen, um Empfehlungen auszuarbeiten, wie die Rassenintegration am besten realisiert werden könne. Der Präsidenten-Erlass konstatierte, dass es »Politik des Präsidenten« sei, »Gleichbehandlung und gleiche Aufstiegschancen für alle Menschen in den Streitkräften herzustellen, ohne Rücksicht auf Rasse, Hautfarbe, Religion oder Herkunft«.21 Diese historische Entscheidung half ihrerseits den Boden zu bereiten für die wegweisende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA im Verfahren Brown vs. Board of Education, das 1954 die Grundlagen schuf für die weiteren Bürgerrechtsfortschritte der 1950er und 1960er Jahre.

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D ie I nternationalisierung des K onflik tes um die B ürgerrechte Ausgewiesene Experten für die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung haben die genaue Abfolge dieser Ereignisse im Detail dargestellt. Sie gaben auch einen umfassenden Einblick in die Gemengelage, in der innenpolitische Faktoren Truman zu diesem Schritt bewegten, speziell im Hinblick auf seine Entscheidung, die Rassentrennung im Militär aufzuheben.22 1948 war ein Wahljahr. Truman befürchtete, dass die afroamerikanischen Wähler im Nordosten seiner Demokratischen Partei die Stimme verweigern würden, besonders, nachdem Henry Wallace die Partei wegen deren lauwarmen Unterstützung der Bürgerrechtsbewegung verlassen hatte. Wallace bewarb sich in der Folge als Präsidentschaftskandidat der neugegründeten Progressiven Partei, die aus dem linken Flügel der Nordstaaten Demokraten entstanden war, und die die Rassenintegration im Militär entschieden unterstützte. Auch Thomas Dewey, der republikanische Präsidentschaftskandidat, machte die Rassenintegration im Militär zu einem zentralen Anliegen innerhalb des Wahlprogramms seiner Partei. Zusätzlichen Druck auf Truman übte auch der radikale afroamerikanische Arbeiterführer A. Philip Randolph aus. Zusammen mit dem afroamerikanischen Bürgerrechtsaktivisten Grant Reynolds, der als US-Militärgeistlicher im Zweiten Weltkrieg gedient hatte, gründete Randolph 1947 das Committee against Jim Crow in Military Service and Training (Komitee gegen Jim Crow im militärischen Personal- und Ausbildungsbereich). Während eines Treffens am 22. März 1948 teilten beide Truman unmissverständlich mit, dass Afroamerikaner »in keinster Weise gewillt sind, erneut die Gewehre für die Demokratie in Übersee schultern, während ihnen Demokratie zuhause vorenthalten wird«. Randolph und Reynolds kündigten vor dem Armed Services Committee (Streitkräfte-Komitee) des US-Senats während einer Anhörung neun Tage später auch an, dass sie afroamerikanischen wie weißen Jugendlichen davon abraten werden, den Einberufungsbefehlen Folge zu leisten, falls die Jugendlichen weiterhin in einer rassengetrennten Armee dienen müssten. Als die NAACP in einer Untersuchung herausfand, dass 75 Prozent der afroamerikanischen Jugendlichen bei Fortsetzung der Rassentrennung im Militär planten, ihre Aufnahme in das Wehrpflichtigen-Register für die Friedenszeit-Armee zu verweigern, war das Maß voll.23

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Abb. 4.1: Der größte Skandal dieses Krieges. Die Geschichte von Jim Crow in Uniform, March on Washington Movement, 1943 (Dwight Macdonald, Nancy Macdonald und March of Washington: The War‘s Greatest Scandal: The Story of Jim Crow in Uniform, New York: March on Washington Movement, 1943) Jüngere Darstellungen der Bürgerrechtsbewegung seit dem Ende des Kalten Krieges haben diese Geschichte um einen faszinierenden neuen Blickwinkel erweitert, in dem sie nachwiesen, wie außenpolitische Überlegungen der USA nach 1945 dazu beitrugen, innenpolitische Fortschritte im Kampf um die Bürgerrechte zu erzielen. Durch diese Internationalisierung der Forschungen zur Bürgerrechtsbewegung haben sich die weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen zumeist auf den Wettlauf mit der Sowjetunion in der nicht-westlichen Welt konzentriert. Sie haben sich speziell mit den Bemühungen der USA oder amerikanischen Diplomaten auseinandergesetzt, die aus dem Kolonialismus entlassenen Länder Afrikas und Asiens für das westliche Lager zu gewinnen. Es sei im ureigensten Interesse dieser Länder, so die damalige Argumentation offizieller Stellen in Washington, sich kulturell, politisch und wirtschaftlich dem »freien Westen« zu öffnen und sich diesem Bündnis unter der Führung der USA anzuschließen.

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Wie die US-Regierung jedoch bald herausfand, stellte dies ein schwieriges Unterfangen dar, so lange die Sowjetunion jene Länder mit ständigen Berichten über Lynchmorde, fortdauernde Rechtlosigkeit der Afroamerikaner in den Südstaaten sowie die Rassentrennung, die einen großen Teil des Alltagslebens in den Vereinigten Staaten durchzog, überschwemmen konnte. Der US-Regierung fiel es besonders schwer, frisch akkreditierten Diplomaten aus Afrika zu erklären, warum ihnen der Besuch einiger der feinsten Hotels und Restaurants in der US-Hauptstadt Washington, D. C. aufgrund der geltenden Jim Crow-Bestimmungen verweigert wurde. Die Sowjetunion, der sehr daran gelegen war, die entkolonialisierten Länder in Afrika und Asien in den östlichen Machtblock zu ziehen, benutzte solche Vorfälle natürlich ebenso wie die fortdauernde Rassentrennung und Gewalt gegen Afroamerikaner, um Amerikas demokratisches Staatssystem als bloßen Schwindel darzustellen.24 Das Engagement der USA in Europa und speziell in Deutschland seit 1945 wurde im Hinblick auf die Entwicklungen der Bürgerrechtsbewegung bisher nicht mit derselben Aufmerksamkeit untersucht. Die kulturellen und politischen Folgewirkungen für Mensch und Gesellschaft auf beiden Seiten des Atlantiks, die die Etablierung des Systems von Militärbasen und die Verlegung einer immensen Zahl von US-Soldaten in die Bundesrepublik nach sich zog, wurden bisher weitgehend ignoriert.25 Und doch ist es gerade diese Entwicklung in der Nachkriegsgeschichte Amerikas und speziell in der Geschichte der Bürgerrechtsbewegung, der – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – eine zentrale Bedeutung für den Fortgang der Auseinandersetzungen zukommt. Nicht zuletzt stellte Amerikas ungelöste Rassenfrage in den Augen vieler Deutscher eine schwere Belastung für die selbstgewählte Rolle Amerikas als Vorreiter der Entnazifizierung und demokratischen Umerziehung ihres eigenen Landes dar. Ihre rassengetrennte Jim Crow-Armee brachte den USA Vorwürfe der Doppelmoral aus ganz Europa und Asien ein, aber am problematischsten erwies sich der Einsatz dieser Armee in Deutschland – erst um es zu erobern, dann um es zu besetzen und zu verwalten. Afroamerikanische Bürgerrechtsaktivisten, die afroamerikanische Presse und ihre weißen liberalen Verbündeten im Nordosten der USA erkannten Amerikas missliche Lage nur zu gut und waren darauf bedacht, daraus ihre Vorteile zu ziehen. Angesichts des beginnenden Kalten Krieges mit der Sowjetunion, bei dem es auch um die Frage ging, wer Deutschlands und Europas künftiges Schicksal bestimmen würde, waren die USA in Deutschland, durch das die Frontlinie der beiden ideologischen Blöcke verlief, neben Südkorea und Japan am stärksten engagiert. Deutschland war nicht nur ökonomisch und strategisch von größter Bedeutung, ihm kam auch als Mitgliedsland der »Ersten Welt« – anders als Japan –stärkere propagandistische Bedeutung zu. Hier, im Brennpunkt der internationalen Öffentlichkeit, noch dazu angesichts der in Westdeutschland eingeleiteten Entnazifizierungsund Demokratisierungsmission der USA, war gleichzeitig auch jener Schau-

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platz des Kalten Krieges, an dem die USA am ehesten in Gefahr liefen, der Heuchelei und Doppelmoral angeklagt zu werden.26 Diese Konstellation hatte weitreichende Folgen. Auf der nationalen Ebene führte die Besetzung Deutschlands durch Amerika mehr als der gesamte Zweite Weltkrieg dazu, die sogenannte »Rassenfrage« in den USA zu einem »amerikanischen«, statt nur zu einem »Südstaaten-Problem« zu transformieren. Gleichzeitig »internationalisierte« Amerikas Status als globale Hegemonialmacht die »Rassenfrage« des Landes. Ansatzweise war Ähnliches auch schon im Gefolge des Ersten Weltkriegs geschehen als Amerika »die Welt für die Demokratie sicher machen« wollte. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten sich die USA jedoch ziemlich rasch von der internationalen Politik zurückgezogen und stattdessen eine Politik des Isolationismus betrieben. Zwanzig Jahre später hatte man in Washington mitten im heraufziehenden Zweiten Weltkrieg beschlossen, nach dem Krieg eine aktivere Rolle in der Welt zu spielen, um vergleichbare Entwicklungen frühzeitiger beeinflussen oder bekämpfen zu können. Der ausbrechende Kalte Krieg mit der Sowjetunion bestärkte Washington in diesem Entschluss noch. Das besetzte Deutschland war zu diesem Zeitpunkt – nur zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs – zu dem potenziellen Kriegsschauplatz eines Entscheidungskampfes mit der Sowjetunion geworden. Dieser Kampf wurde auch auf propagandistischem Gebiet ausgetragen. In der Konsequenz war es Amerika nicht länger möglich, seine ungelöste »Rassenfrage« zu ignorieren oder herunterzuspielen, wollte es sich nicht der östlichen Propaganda wehrlos aussetzen. Im ideologischen Wettkampf um die Zukunft Europas in den unmittelbaren Nachkriegsjahren war diese Konfrontation mit der Sowjetunion noch keineswegs zugunsten der USA entschieden; Nachkriegs-Wahlen in Italien und Frankreich hatten erhebliche Stimmengewinne für die kommunistischen Parteien erbracht. Es ist daher wenig überraschend, dass die ideologische Rivalität zwischen der USA und der Sowjetunion sich in Deutschland am schärfsten manifestierte. Der Eiserne Vorhang, der Europa teilte, verlief mitten durch das Land, und die geteilte Stadt Berlin, die mitten im sowjetisch dominierten Ostdeutschland lag, sollte zu der Kalten Kriegs-Metapher par excellence werden. Ebenso wichtig war die Rolle der Bundesrepublik innerhalb der sich herauskristallisierenden Militärstrategie der USA, den weiteren Vormarsch des Kommunismus einzudämmen, ihn im Idealfall sogar zurückzudrängen oder gar zu besiegen. Um ihre strategische Position vis-à-vis der Sowjetunion zu verstärken, stoppten die USA ihren Truppenrückzug aus Europa und reaktivierten die 7. Armee; 1950/51 wurden rund 250.000 US-Soldaten, zumeist Kampfeinheiten, nach Westdeutschland verlegt und blieben dort in dieser Truppenstärke bis 1991. Ergänzt durch zehntausende französische und britische Soldaten (zu denen noch 16.500 belgische und einige tausend niederländische Soldaten kamen), wähnten sich die USA nun vorbereitet, den möglichen Angriff der rund

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350.000 Sowjetsoldaten, die jenseits der Grenze in Ostdeutschland stationiert waren, aufzuhalten.

D er K ampf um die B ürgerrechte im S pannungsfeld des K alten K rieges Die Direktheit des bereits erwähnten, im Dezember 1947 veröffentlichten Berichts To Secure These Rights mit seinem umfangreichen Empfehlungskatalog für tiefgreifende Veränderungen in den US-Streitkräften im Hinblick auf Diskriminierung kann in allen seinen Bedeutungsfacetten nur innerhalb der Entwicklungen des Kalten Krieges in jenem Jahr in Europa voll verstanden werden. Im März 1947 hatte der Präsident die so genannte Truman-Doktrin erlassen, die den »freien Völkern« in ihrem Kampf gegen kommunistische Unterdrückung US-Hilfe versprach. Um die griechischen Kommunisten daran zu hindern, die totalitäre griechische Monarchie zu stürzen, die von den Briten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder an die Staatsspitze gesetzt worden war, mobilisierte Truman umfangreiche finanzielle Mittel, die Griechenland in die Lage versetzen sollten, eine »ordentliche Demokratie« zu werden. Die kommunistische Machtübernahme in Griechenland zu verhindern wurde als unabdingbar angesehen, auch um eine ähnliche Entwicklung in der Türkei abzuwenden, welche die US-Interessen in der ölreichen Region des Nahen Ostens und die strategische Position der US-Militärbasen wie Incirlik in der Türkei direkt an der Südwestflanke der UdSSR (Georgien, Armenien etc.) als Teil der Containment-Strategie gefährdet hätte. Um das amerikanische Volk von dieser Eindämmungsstrategie als Teil der US-Außenpolitik im Kalten Krieg zu überzeugen, wurde die Truman-Doktrin zum Mittel deklariert, das sicherstellen sollte, dass Griechenland – und weitere vom Kommunismus »bedrohte« Länder –dem Vorbild der Vereinigten Staaten nachfolgen würden: um sie zu Staaten zu machen, in denen »freie Institutionen, eine parlamentarische Regierungsform, freie Wahlen, die Garantie individueller Freiheitsrechte […] und Freiheit von politischer Unterdrückung« gewährleistet seien.27 Afroamerikanische Bürgerrechtsaktivisten erkannten umgehend, dass dies eine kaum der Wirklichkeit entsprechende Beschreibung der amerikanischen Demokratie war, mit der sie sich nicht identifizieren konnten. Außerdem stellten sie die folgenschwere Frage, warum die Regierung Truman glaube, dass die USA mächtig genug seien, dem weitentfernten Griechenland Demokratie zu bringen, aber nicht in der Lage sei, »freie Wahlen und Freiheit von politischer Unterdrückung« für Afroamerikaner im eigenen Land zu garantieren. Warum konnten also die Prinzipien der Truman-Doktrin nicht auch auf die

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afroamerikanische Bevölkerung angewendet werden, um ihr die legale und faktische Gleichberechtigung als Bürger der Vereinigten Staaten zu sichern?28 In die gleiche Kerbe schlug die NAACP im Oktober 1947, als sie der UNKommission für Menschenrechte eine Resolution mit dem Titel An Appeal to the World (»Ein Aufruf an die Welt«) überreichte. Das Dokument schilderte detailliert, wie Afroamerikanern in ihrer Heimat demokratische Grundrechte vorenthalten wurden. Hauptautor des hundertfünfzigseitigen Textes war W. E. B. Du Bois. Ein Aufruf an die Welt beklagte den »barbarischen Rassismus« in den USA, und seine Autoren forderten die US-Regierung auf, ihre Anstrengungen auf die Demokratisierung des eigenen Landes zu konzentrieren. »Nicht Russland bedroht die Vereinigten Staaten, sondern der Bundesstaat Mississippi, nicht Stalin und Molotow, sondern [rassistische weiße Politiker im US-Kongress wie] Bilbo und Rankin.«29 Die US-Mitglieder der UN-Kommission für Menschenrechte weigerten sich (wie vorherzusehen war), den Aufruf entgegenzunehmen, aus Angst, damit der antiamerikanischen Propaganda der Sowjetunion in die Hände zu spielen. Der Bericht To Secure These Rights, zwei Monate später veröffentlicht, sollte Abhilfe auf jenem Gebiet schaffen, das Ein Aufruf an die Welt ins Licht der Öffentlichkeit gerückt hatte, ohne Amerikas »schmutzige Wäsche« vor den Augen der gesamten Welt auszubreiten. Dessen Autoren, die Mitglieder der von Präsident Truman ernannten Kommission, gaben sich überzeugt von der amerikanischen Sache und wiederholten mit einigem Stolz, dass die sich abzeichnende US-Außenpolitik in Zeiten des Kalten Krieges dazu geeignet war, die USA zu einem »wichtigen, positiven Förderer von Frieden und Fortschritt auf der ganzen Welt« zu machen. Aber sie warnten auch davor, dass es schwierig sei, eine solche Kraft des Guten zu sein angesichts innenpolitischer Missstände im Hinblick auf die Bürgerrechte. Die Autoren von To Secure These Rights erklärten offen, dass »ein Lynchmord in einer ländlichen amerikanischen Gemeinde nicht nur ein Problem für das Gewissen dieses Bundesstaates« sei. Die Auswirkungen eines solchen Verbrechens betrafen die ganze USA, und hallten »auf der ganzen Welt« wider.30 Das Komitee wusste wovon es sprach. Wie besorgte Mitarbeiter des USAußenministeriums mitteilten, waren die populärsten Titel in den Bibliotheken der Amerikahäuser und anderer US-Informationszentren in Übersee solche, die sich mit der US-Rassenproblematik beschäftigten.31 Senator Henry Cabot Lodge nannte die Rassenbeziehungen »unsere Achillesferse gegenüber der Welt«, und das Außenministerium äußerte zustimmend: »Kein amerikanisches Problem« erfahre mehr Aufmerksamkeit rund um den Globus »als unsere Behandlung von Rassenminderheiten, speziell der Neger«.32 Insbesondere in Europa war das Interesse an der Entwicklung der US-Rassenspannungen groß. Allein im Jahr 1948 zählte The Crisis, das offizielle Organ der

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NAACP, mehr als 500 Artikel zu Themen wie US-Rassenbeziehungen und Diskriminierung in zehn großen, überregionalen europäischen Zeitungen.33 Afroamerikanische Bürgerrechtsaktivisten in den USA waren sich der globalen Dimension von Amerikas ungelöster Rassenfrage durchaus bewusst, wie sich auch aus ihren Debatten in den 1930er und 1940er Jahren über die Verbindung zwischen der Lösung des Rassenproblems in den USA und der Forderung nach dem Ende kolonialer Ausbeutung erkennen lässt. Im Gefolge des Zweiten Weltkriegs und inmitten des Prozesses der Dekolonialisierung der »Dritten Welt« beobachteten sie daher sehr genau derartige Entwicklungen in der nicht-westlichen Welt und insbesondere den eskalierenden Wettbewerb zwischen der Sowjetunion und den USA in diesen Gebieten. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung soll der Fokus jedoch darauf gerichtet bleiben, wie die afroamerikanischen und weißen Bürgerrechtsaktivisten in den USA die Entwicklungen in Deutschland nutzten, das sich immer mehr zum Hauptschauplatz des Kalten Krieges entwickelte. Für Amerika war die Frage, wie Freiheit und Demokratie in dem der USVerwaltung unterstehenden Teil Deutschlands zu sichern sei, die dringendste Angelegenheit angesichts der zentralen geopolitischen Lage des Landes im Herzen des Kontinents. Hinzu kam, dass Deutschland das bevölkerungsreichste Land Mitteleuropas war, sowie nicht zuletzt die stärkste Wirtschaftskraft der Region. Um die auch in ideologischer Hinsicht eminent wichtige wirtschaftliche Entwicklung Westeuropas unter amerikanischer Führung zu sichern, mussten die von den westlichen Alliierten kontrollierten Teile Deutschlands nach den großen Kriegszerstörungen daher nun umgehend wirtschaftlich wiederbelebt werden. Zudem betrachtete Amerika das geschlagene Land als eine Art sozialwissenschaftliches Laboratorium, in dem ein neues, demokratisches Deutschland aus den Ruinen des »Dritten Reiches« erschaffen werden sollte. Um dieses Ziel zu erreichen, investierten die USA hier in bis dato beispiellosem Umfang Geld, Menschen und Ideen. Der seit Ende der 1940er Jahre stetig eskalierende Kalte Krieg verstärkte zunehmend die Dringlichkeit dieser Mission. In Deutschland wollten die Vereinigten Staaten der Sowjetunion und der gesamten restlichen Welt die Überlegenheit des American way of life beweisen. Die Sowjets wiederum waren ebenso entschlossen, die Unzulänglichkeiten und Doppelmoral der USA aufzuzeigen. Ironischerweise eröffneten so die tiefgreifenden Differenzen der USA mit der Sowjetunion darüber, wie den Deutschen in den jeweiligen Besatzungszonen am besten die Demokratie näherzubringen sei, den Bürgerrechtsaktivisten ungeahnte Möglichkeiten, die Rassenprobleme in den Vereinigten Staaten auf die politische Tagesordnung zu setzen. Als US-Außenminister General George C. Marshall sich mit seinem sowjetischen Amtskollegen Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow im März 1947 in Moskau traf, kritisierte er die Sowjets beispielsweise dafür, in ihrer Besat-

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zungszone keine freien Wahlen zuzulassen. Marshall ließ Molotow wissen, dass er sich bewusst sei, dass »das Wort ›Demokratie‹ viele verschiedene Interpretationen« zulasse, aber dass das amerikanische Volk und seine Regierung davon überzeugt seien, dass Demokratie beinhalte, dass »Menschen bestimmte, unaufhebbare Rechte haben –also Rechte, die weder erteilt noch entzogen werden können«. Marshall fuhr fort, dass für Amerikaner »eine Gesellschaft nicht frei ist, wenn rechtssuchende Bürger in der Angst leben müssen, dass ihnen das Recht auf Arbeit vorenthalten wird, oder das Leben, die Freiheit und das Streben nach Glück insgesamt«. Während Marshall also im Gespräch mit seinem sowjetischen Pendant die Ideale der amerikanischen Demokratie pries, nutzte die NAACP umgehend diese Gelegenheit, um auf die Kluft hinzuweisen, die sich zwischen diesen international propagierten Idealen und der Lebensrealität vieler Afroamerikaner im Alltag auftat. Ein Leitartikel in The Crisis wies eben auf diesen Widerspruch hin und spekulierte, dass Marshall natürlich »bei der Verlesung dieser Passagen gestottert haben« müsse, da die Sowjets nur zu gut wüssten, »dass in den USA Neger nicht jene demokratischen Rechte besitzen, die Mr. Marshall bei jeder Gelegenheit aufzählt«. Vielen von ihnen bleibe das Wahlrecht verwehrt, sie lebten in ständiger Angst vor Lynchmorden und sie dürften nicht einmal einen Hamburger im Restaurant des Flughafens der US-Hauptstadt Washington, D. C. bestellen.34 Bürgerrechtsaktivisten ließen keine Gelegenheit aus, immer wieder auf das mangelnde innenpolitische Engagement der US-Regierung in Sachen Bürgerrechte in den Vereinigten Staaten selbst hinzuweisen. Langston Hughes beschrieb bissig-ironisch in seiner regelmäßigen Kolumne im Chicago Defender, wie Amerikas Ehrgeiz, Europa zu demokratisieren, so gut wie keine Energie mehr dafür übrig lasse, zuhause ernsthafte Reformen anzustoßen. Mit bitterem Sarkasmus riet Hughes den Afroamerikanern zu mehr Geduld, da die Regierung in Washington gegenwärtig damit beschäftigt sei, »dem Rest der Welt Demokratie beizubringen«. Angesichts der hochgesteckten außenpolitischen Ziele der USA mahnte Hughes, dass Afroamerikaner »nicht so unhöflich sein sollten, in absehbarer Zeit demokratische Verbesserungen zuhause zu erwarten«. Schließlich müsse die afroamerikanische Minderheit in den USA doch verstehen, »dass die Deutschen und die Griechen« zuerst dran seien. Die wirkliche Frage für Hughes war jedoch: »Können die Deutschen von Leuten mit Südstaaten-Manieren wirklich etwas lernen?« Wie sollten die Deutschen angesichts der rassengetrennten US-Armee »lernen, demokratisch zu sein, etwa von Herren, die selbst nur die Südstaaten-Demokratie kennen?«35 Führende Repräsentanten der Bürgerrechtsbewegung waren entschlossen, Amerikas Doppelmoral anzuprangern, die mit der amerikanischen Mission in Deutschland einherging, um ihr eigenes Anliegen voranzutreiben. Das USKriegsministerium beobachtete deshalb genau, was in der afroamerikanischen

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Presse vor sich ging und legte eine Sammlung aller entsprechenden Artikel an. Einer dieser kritischen Leitartikel stammte von Lester Granger, einem Mitglied der National Urban League (Nationalen Städtischen Vereinigung) und Berater der US-Regierung in Sachen Rassenintegration im Militär. Grangers bittere Schlussfolgerung lautete, dass die Vereinigten Staaten »keine Chance« hätten, »die Führung darin zu übernehmen, Demokratie in Europa oder wo auch sonst immer aufzubauen«, so lange es nicht möglich sei, in den USA selbst »demokratisch zu leben«.36 The Crisis befand ebenfalls voller Sarkasmus, dass »Amerika die Demokratie und unwiderrufliche Grundrechte im Senat predige«, während jegliche Gesetzesinitiative gegen Lynchmorde oder die Vorschläge der Kommission für Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt konsequent unterdrückt würden. »Aber die Predigten in Übersee über die Vorteile der Demokratie, während zuhause gelyncht wird, schlagen dem Fass den Boden aus.«37 In einem Leitartikel für den Minneapolis Spokesman beschrieb Nell Dodson Russell ebenfalls in äußerst eloquenter Form, wie Amerika seine außenpolitischen Ziele selbst durch die Unfähigkeit ad absurdum führte, den notwendigen Wandel zuhause in Angriff zu nehmen. Die US-Besatzungsarmee, so schrieb er, sei dafür gedacht, »den Deutschen alles über Demokratie beizubringen, während voreingenommene und vorurteilsbehaftete Mitglieder dieser Armee den Deutschen täglich vermittelten, Neger zu hassen. Kein Wunder, dass die Deutschen ihre Lektion [bezüglich Demokratie] nicht gerade schnell erlernen!«38 Es steht zweifelsfrei fest, dass die Deutschen die tiefe Kluft zwischen der offiziellen amerikanischen Rhetorik und den konkreten Handlungen des Landes bemerkten. Roi Ottley berichtete, dass Deutsche »ernsthaft irritiert vom amerikanischen Rassismus« seien, und dass sie »schmerzhafte und verständliche Fragen stellten: ›Wie falsch lag denn der Führer mit seinem Judenhass […], wenn eure weißen Amerikaner uns ermutigen, Schwarze zu hassen – ihre eigenen Armeekameraden!‹«39 Walter White informierte seine Leser in seiner Kolumne, dass »die Deutschen über scheinheilige Fragen der Amerikaner zum NS-Rassismus und wie die Deutschen da jemals darauf reinfallen konnten, spötteln«. Ihre Antwort auf solche Fragen sei unwiderlegbar: »Wie könnt ihr über deutschen Rassismus sprechen, während ihr eure Armee in eine weiße und ein schwarze Abteilung getrennt haltet?« 40

R assenintegr ation in der A rmee Präsident Trumans Direktive aus dem Jahre 1948, das Militär zu integrieren, war unzweifelhaft ein Meilenstein im Kampf gegen die Diskriminierung, auch wenn der Kampf noch lange nicht vorbei war. Im Vorfeld dieser Entscheidung kristallisierte sich die NAACP als diejenige Bürgerrechtsorganisation heraus, die sich am lautstärksten für die rechtliche Gleichstellung der afroamerikanischen

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Soldaten einsetzte und die am unermüdlichsten ein Ende der Jim Crow-Armee forderte. Beginnend mit dem Zweiten Weltkrieg weiteten sich ihre Aktivitäten mit Hilfe einer anderen Aktivistengruppe, der Negro Newspaper Publishers Association (NNPA/Vereinigung der Herausgeber von Zeitungen für Afroamerikaner) deutlich aus. Der NNPA war es zu verdanken, dass die Regierung in den USA und das Volk regelmäßig Meldungen über die neuesten Entwicklungen in Deutschland hinsichtlich der Verletzung der afroamerikanischen Bürgerrechte erreichten. Gegründet als dezidierter Lobby-Verband, waren dreizehn Vertreter der afroamerikanischen Presse bereits im Februar 1944 von Präsident Roosevelt empfangen worden, um ihm ein 21-Punkte-Programm zu überreichen, das die Ziele des Verbandes während des Krieges und nach dem Krieg beinhaltete, sowie ihre Absicht, »für jedes in der Verfassung garantierte Recht zu kämpfen«. 41 Vertreter der NNPA reisten 1946 nach Deutschland, um sich mit afroamerikanischen Soldaten der Besatzungsarmee auszutauschen. Dort wurden sie mit den schmerzlichen und demoralisierenden Auswirkungen der rassengetrennten Armee konfrontiert. Nach ihrer Rückkehr überreichten die NNPAVertreter dem US-Kriegsminister einen umfangreichen Katalog vorgefundener Missstände. Sie warnten auch, dass in Anbetracht der Lage in Deutschland Amerika der Doppelmoral bezichtigt werden könne, und dass dadurch die ganze Mission der Demokratisierung Deutschlands in Frage gestellt werde. Als Teil ihrer Aufklärungskampagne informierten sie ihn, dass die Deutschen, welche die Besatzungsarmee zu demokratisieren versuchte, sich der Armeepolitik der Rassentrennung in Afroamerikanisch und Weiß nur allzu bewusst seien. Die Menschen in Deutschland würden sich fragen, wie die Amerikaner ihnen demokratische Werte beibringen können, wenn sie solche selbst nicht praktizieren. Die Verleger insistierten, dass die USA größere Anstrengungen unternehmen müssten, die »eigenen Streitkräfte darin zu unterrichten, was der wirkliche Sinn und Geist der Demokratie ist, und den Menschen überall zu zeigen, dass wir das selbst auch praktizieren können und wollen«. 42 Als die Verleger 1948 erneut nach Deutschland reisten, um die anhaltenden Beschwerden afroamerikanischer Soldaten zu untersuchen, hatten sie eine neue Trumpfkarte in der Hand – den eskalierenden Kalten Krieg als Antwort auf Entwicklungen in der sowjetischen Einflusssphäre. Im Februar 1948 hatten einheimische Kommunisten mit Unterstützung Moskaus die Macht in der Tschechoslowakei übernommen. Am 31. März 1948 stoppte die Sowjetunion den gesamten Zugverkehr (samt den Nachschub-Güterzügen) zwischen den westdeutschen Besatzungszonen und der »Frontstadt« Westberlin. Die USA waren jedoch nicht gewillt, den von ihnen kontrollierten Teil Berlins aufzugeben. Im Juni 1948 wurde daher die »Berliner Luftbrücke« begonnen, um die westlichen Teile der Stadt durch eine Güterversorgung aus der Luft vor einer allgemeinen Hungerepidemie und der Integration in den sowjetischen Machtbereich zu bewahren. Da die große Mehrheit der afroamerikanischen Soldaten weiterhin in

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Service- und Transporteinheiten eingesetzt wurde, konnte kein einziger dieser Lufttransporte ohne ihre Beteiligung ausgeführt werden. Angesichts der eskalierenden Krise und dem erklärten amerikanischen Ziel, Deutschland auf der Seite des Westens zu halten, fiel den Verlegern neues und wirkungsstarkes Argumentationsmaterial in die Hände, um die Rassentrennung im Militär zu kritisieren. Die Situation, die die Verleger bei ihrer Deutschland-Reise im April 1948 vorfanden, gefiel ihnen ganz und gar nicht. Während sie einräumten, dass das Militär afroamerikanischen Soldaten ein besseres Leben bot als die meisten zuhause in den USA im Zivilleben erwarten konnten, waren die Besucher gleichzeitig zutiefst frustriert über die andauernde Rassentrennung und ihre katastrophalen Auswirkungen auf die Stimmung der afroamerikanischen Truppen. Trotz der von To Secure These Rights ausgesprochenen Empfehlungen hatte sich nämlich nur wenig innerhalb der Besatzungsarmee zum Besseren gewandelt. Schlimmer noch, hatte es die US-Luftwaffe sogar geschafft, sich fast aller afroamerikanischer Mannschaften »zu entledigen«. Die Verleger wiesen erneut darauf hin, dass afroamerikanische Soldaten in den Gemeinden Westdeutschland absolute Bewegungsfreiheit und freien Umgang mit der weißen Bevölkerung hätten, während sie in ihren eigenen US-Kasernen einer strikten Rassentrennung unterworfen seien, und sich zudem noch mit minderwertiger Unterbringung zufrieden geben müssten. Sie erinnerten die US-Regierung daran, dass es eine der wichtigsten Funktionen der Militärregierung in Westdeutschland sei, der Bevölkerung nachvollziehbare Lektionen in gelebter Demokratie zu erteilen. Unter den gegebenen Umständen, so die Verleger, werde die Bevölkerung nicht umhin können, Amerikas Demokratie in Frage zu stellen, die Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe zulasse. Ein »wichtiger Schritt auf dem Weg zur ideologischen Vereinnahmung der deutschen Bevölkerung wäre es«, argumentierten die Verleger, »wenn die Rassentrennung in der Armee umgehend und vollständig« aufgehoben würde. 43 Nach ihrer Rückkehr in die USA entschieden sich die Verleger für eine härtere Gangart gegenüber Truman. Sie schlossen sich einer Gruppe bekannter afroamerikanischer Persönlichkeiten an, die alle Aufforderungen, als Berater für Verteidigungsminister General Kenneth Clayborne Royall zu arbeiten, abgelehnt hatten, da dieser darauf bestand, dass jegliche Verbesserungen zur Gleichstellung afroamerikanischer Soldaten »innerhalb der bestehenden Rassentrennung« vorzunehmen seien. 44 Die Forderung der NNPA nach einem Ende der Jim Crow-Armee wurde in allen ihren Zeitungen veröffentlicht. Die Repräsentanten der NNPA versicherten aber gleichzeitig ihre rückhaltlose Unterstützung für die Truman-Doktrin der Eindämmung des Kommunismus, und teilten mit, dass die sowjetische Bedrohung sie davon überzeugt habe, dass eine starke Truppenpräsenz in Deutschland unumgänglich sei. Dennoch bestanden sie darauf, dass »diese nicht Jim Crow unterliegen darf«. 45

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Eine schnelle Aufhebung der Rassentrennung in der Armee sei entscheidend, da »den Deutschen« die Realität der rassengetrennten Armee bekannt sei, und da eine derartige rassengetrennte Armee »keine Hilfe dabei ist, die so genannte demokratische Lebensart bei den Deutschen einzuführen«. 46 In einem ihrer Leitartikel betonten sie, dass »vielen Männern in hohen Positionen und im öffentlichen Leben bewusst ist, dass eine der Hauptschwächen dieser Nation bei ihrer Zusammenarbeit mit anderen Ländern in dem Widerspruch zwischen der von uns gepredigten Demokratie auf der einen und der von uns praktizierten Doppelmoral auf der anderen Seite steckt«. 47 Angesichts der Herausforderungen, denen sich die USA im Nachkriegsdeutschland gegenüber sahen, wurde die Rassentrennung in der Armee zu einem immer größeren Problem für die US-Regierung und weite Teile der liberal eingestellten Bevölkerung. David Dempsey, ein ehemaliger Kriegskorrespondent des Marine Corps, erläuterte in der New York Times, dass die USArmee, »ein Instrument zur Bewahrung unserer demokratischen Ideale und zur Weitergabe derselben« an andere Länder, kompromittiert, und damit Amerikas »schlechtester Demokratie-Propagandist« sei. Nicht nur seien afroamerikanische GIs in Westdeutschland einer rigiden Rassentrennung entsprechend ihrer Hautfarbe unterworfen, sie seien auch Opfer »einer rassistischen Mentalität (cracker mentality), die nicht aufhört, unsere Verbündeten – und unsere Feinde – zu verblüffen«. 48 Die deutsche Emigrantin Erika Mann, vor dem NSTerror in Deutschland geflohen, fühlte sich ebenfalls verpflichtet, ihre neuen Landsleute davor zu warnen, dass der Rassenhass der US-Offiziere innerhalb der Besatzungsarmee auch eine Freude für die ehemaligen Nazis sei, die noch nicht zur Demokratie bekehrt worden seien. 49 Ein anderer Beobachter der Ereignisse in Deutschland kommentierte, dass man lernt, dass die Diskrepanzen zwischen den Idealen und der Realität der amerikanischen Lebensart, wie jener, die es uns erlaubt, den schwarzen GIs die schlechtesten und verhasstesten Jobs in der Armee zuzuweisen, wie es im Zivilleben der Brauch ist, nicht länger als eine Privatangelegenheit der Nation betrachtet werden können, wenn diese Gepflogenheiten uneingeschränkt vor den Augen jener Deutschen praktiziert werden, die wir umzuerziehen hoffen.50

Eine »wachsende Zahl [weißer] US-Offiziere in Deutschland« sei ebenfalls dieser Ansicht, berichtete Walter White, Generalsekretär der NAACP nach einem Besuch dort. Sie seien zwar eine Minderheit und verweigerten öffentliche Stellungnahmen aus Angst vor Repressalien seitens ihrer vorgesetzten Offiziere, seien aber dennoch zutiefst besorgt »über das Bild, das die amerikanische Demokratie vor einer zunehmend skeptischen Welt abgibt«.51 Wie die Diskussionen über die Entwicklungen im besetzten Deutschland verdeutlichen, muss Trumans Executive Order 9981, mit der er 1948 die Auf-

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hebung der Rassentrennung im Militär anordnete, im Zusammenhang mit den Entwicklungen außerhalb der kontinentalen USA gesehen werden. Sicherlich handelte Truman auch aufgrund heimischen Drucks, wie zu Beginn dieses Kapitels dargestellt wurde, aber die »amerikanische Innenpolitik« hatte automatisch internationale Auswirkungen, seit die Vereinigten Staaten Soldaten in großer Zahl außerhalb der Landesgrenzen stationierten, und einen Führungsanspruch für die »gesamte freie Welt« einforderten. Die Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung verstanden diese untrennbare Verbindung zwischen Innenund Außenpolitik, und waren bereit, sich diesen Umstand zunutze zu machen. Tatsächlich verschaffte ihnen die amerikanische Besetzung Westdeutschlands ein starkes Argument gegen Vertreter des Status quo. Hanson W. Baldwin, der langjährige und Pulitzer-Preis prämierte Militärkorrespondent der New York Times, argumentierte beispielsweise in seiner Kritik von Trumans Executive Order wie viele hochgestellte Militärs. Das alte Mantra wiederholend, dass die Armee »kein Werkzeug für Sozialreformen« sei, schlussfolgerte Baldwin, dass die Armee sich nur dann verändern werde, wenn die Nation insgesamt sich in der Rassenfrage verändere. Aber die NAACP war nicht länger bereit, dieses Argument zu akzeptieren. In einem offenen Brief erwiderte Walter White, Generalsekretär der NAACP, Baldwin und den Generälen, die sich ähnlich geäußert hatten: »Was tut unsere Armee im besetzten Deutschland anderes, als einen Auftrag auszuführen, hin zu einer Sozialreform – einer Reform eben jenes Rassismus, den die Sterne-Generäle jetzt als normale ArmeePolitik rechtfertigen?«52

D ie de facto I ntegr ation wird erreicht Im Gefolge von Trumans Executive Order begann die gerade erst aus dem Heer ausgegliederte Luftwaffe ebenso wie die Marine den langsamen Prozess der Rassenintegration innerhalb ihrer Einheiten. Nur das Heer selbst widersetzte sich entschieden bis starrköpfig diesen Veränderungen. Erst die hohen Verluste und der unerwartete Mangel an einsatzfähigen Soldaten während des Koreakriegs (1950-1953) erzwangen die Rassenintegration als militärische Notwendigkeit auch in der Armee. Trotz dieser Entwicklung im Kriegseinsatz vollzog sich die Rassenintegration in den Kasernen, den Kantinen, den Soldatenclubs, den Kinos wenn überhaupt, dann nur im Schneckentempo. Obwohl die Heeres-Kommandeure bereit waren, integrierte Kampfeinheiten in Korea zu akzeptieren, standen sie einer »sozialen Integration« in den Vereinigten Staaten und Westeuropa unvermindert ablehnend gegenüber. Während sie noch akzeptieren konnten, dass unverheiratete afroamerikanische und weiße Soldaten in den gleichen Kasernen untergebracht sein würden, stellten verheiratete Soldaten eine viel größere Herausforderung dar. Sollten in

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den riesigen US-Garnisonen etwa weiße und afroamerikanische Soldatenfamilien im selben Wohnblock leben, ihre Kinder dieselbe Schulbank drücken? Sollten weiße Soldatenfrauen und ihre Kinder etwa im selben Schwimmbad schwimmen wie afroamerikanische GIs und deren Familien? Noch verzwickter waren ihrer Meinung nach gesellschaftliche Feierlichkeiten und Tanzveranstaltungen, die auf den Militärbasen regelmäßig zur Unterhaltung der Soldaten veranstaltet wurden. Zu diesen Veranstaltungen wurden oft lokale Honoratioren und ihre Familien eingeladen, ebenso wie ledige Frauen aus den Nachbargemeinden, damit alleinstehende Soldaten Tanzpartner hatten. Da die meisten der großen Garnisonen und Truppenübungsplätze der USA in den Südstaaten lagen, war es der Führungsspitze der Streitkräfte fast unmöglich, sich vorzustellen, wie solche »gemischten« Veranstaltungen von der einheimischen Bevölkerung akzeptiert werden könnten. Aber auch außerhalb des Südens stellte die soziale Integration, aufgrund der inoffiziellen Schranken zwischen den Rassen, ein Dilemma dar. Die Armeeführung brachte sogar den prestigeträchtigen Militärstandort Westdeutschland ins Gespräch, um ihre Gegenargumente zu formulieren. Dort ginge es ja nicht nur um das Verhältnis zwischen den Soldaten, sondern auch um das Verhältnis der US-Streitkräfte zur deutschen Zivilbevölkerung, deren Sensibilitäten zu bedenken seien. Die Militärführung schien der Vorstellung anzuhängen, dass das deutsch-amerikanische Verhältnis durch die Integration der Rassen beschädigt werden könne.53 Während der Auseinandersetzungen um die Durchsetzung der Integration des Militärs nach dem Erlass der Executive Order schalteten die Generäle schlichtweg auf stur. Immer wieder fokussierten sie ihre Gegenargumente auf die sozialen Auswirkungen der geplanten Integration, und ließen dabei die weitaus bedeutenderen potenziellen militärischen Auswirkungen außer Acht. Als Argument für den Widerstand gegen die Integration benutzten die Kommandeure gerne eine »Schlafzimmer-Szene«, wie der Historiker Lee Nichols schreibt, um vor der unausweichlichen Konsequenz der Integration zu warnen: der afroamerikanisch-weißen Ehe und der »Mischung der Rassen«.54 Interessanterweise wurden Befürchtungen hinsichtlich der »sozialen Auswirkungen« der geplanten Integration besonders von Heereskommandeuren in Westdeutschland geäußert. Sie sprachen sich gegen die Integration aus, weil »die Konkurrenz zwischen weißen und schwarzen GIs« um die Aufmerksamkeit der »deutschen Mädchen« die Lage dort bereits unnötig kompliziert habe. In Reaktion auf derartige sexuelle Szenarien fragte der Vorsitzende des Präsidialkomitees zur Gleichheit in Behandlung und Aufstiegsmöglichkeiten in den Streitkräften, Charles Fahy, während einer Anhörung General Omar Bradley deutlich verärgert: »Herr General, führen Sie eine Armee oder einen Tanzschuppen?«55 Trotz ihrer leidenschaftlich vorgetragenen Argumente gegen die Integration der Truppen mussten die Kommandeure sich 1951 dem Befehl

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ihrer Vorgesetzten im Heeresministerium (Department of the Army) fügen. Die Ereignisse in Deutschland dienten auch hier erneut als Referenzpunkt für die Befürworter dieses Schrittes hin zu mehr Gleichberechtigung. Im Dezember 1949, fast achtzehn Monate nach Trumans Executive Order, war die European Study Mission of the Foreign Affairs Committee (ESMFAC/ Europäische Studienkommission des Ausschusses für Auswärtige Politik) des US-Senats nach Deutschland gereist, um die Lage innerhalb der noch immer rassengetrennten Armee zu überprüfen. Zu ihrem großen Entsetzen hatte sie feststellen müssen, dass sich bisher nicht viel geändert hatte. Aber die politische Situation in Deutschland war nun eine grundsätzlich andere. Am 21. September 1949 hatte die US-Militärregierung in Westdeutschland ihre Arbeit beendet, mit amerikanischer Unterstützung war bereits am 23. Mai 1949 die Bundesrepublik Deutschland (Westdeutschland) aus den drei westlichen Besatzungszonen als halbsouveräner Staat gebildet worden, der zu einem großen Teil immer noch dem »Büro des Hohen Kommissars« (Office of the High Commissioner in Germany/HICOG) unterstand, das vom US-Außenministerium eingerichtet worden war. Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs war am 7. Oktober 1949 unter der Ägide der Sowjetunion die Deutsche Demokratische Republik gegründet worden, unter noch strengerer Kontrolle des dortigen »Mentors«. Die Teilung Deutschlands und damit die Teilung Europas in Ost und West war somit auch offiziell Realität geworden. Die einsetzende KalteKriegs-Hysterie wurde zusätzlich noch verstärkt, als die chinesischen Kommunisten unter Mao Tse-Tung den Bürgerkrieg gewannen und am 1. Oktober 1949 die Volksrepublik China ausriefen. Angesichts dieser Entwicklungen waren die ESMFAC-Kommissionsmitglieder besonders erstaunt darüber, was sie auf den Militärbasen in Westdeutschland vorfanden. Kaum ein afroamerikanischer Soldat diente in integrierten Einheiten, und afroamerikanische Offiziere musste man mit der Lupe suchen. Jacob Javits, Senator aus New York und Leiter der Delegation, warnte das US-Verteidigungsministerium, dass eine rassengetrennte Armee ein schweres Hindernis im ideologischen Wettkampf in dem Land war, das für ihn die »Hauptkampflinie des Kalten Kriegs« bildete. Auf seinen Reisen durch Westdeutschland, so berichtete Javits, hatte er Gelegenheit, zu beobachten, wie die Menschen, die so nahe an der Grenze zum Ostblock lebten, Amerikas Rassenpolitik im Alltag empfanden. Er versicherte den Westdeutschen, dass viele der Vorwürfe, die die Sowjetunion den USA bezüglich der Rassensituation gemacht habe, übertrieben seien. Er musste jedoch zugeben, dass es genügend Missstände gebe, die »unserer Sache schaden«, speziell unter den Rahmenbedingungen des Kalten Kriegs. Javits konstatierte unzweideutig, dass »die Aufhebung der Rassentrennung und das Ende der Diskriminierung […] mittlerweile zu einer außenpolitischen Frage« geworden seien.56

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Im Oktober 1950 reiste auch Raymond Pace Alexander, der renommierte Rechtsanwalt und langjährige Bürgerrechts-Aktivist, der Thurgood Marshall im Brown-Verfahren 1954 beistehen sollte, nach Westdeutschland. Fortdauernde Beschwerden von afroamerikanischen Einheiten gegenüber der NAACP und der afroamerikanischen Presse über die Unwilligkeit der Kommandeure in Westdeutschland, die Rassenintegration systematisch durchzusetzen, waren neben dem eskalierenden Kalten Krieg der Anlass seines Besuches. Seit Juni 1950 kämpften US-Truppen in Korea gegen kommunistische Verbände aus China. Dieser weitentfernte Krieg schien auch die amerikanische Position in Deutschland zu gefährden, denn erst die militärische Konfrontation in Korea veranlasste Truman, weitere Truppen nach Europa zu verlegen, was die Stationierung der reaktivierten 7. Armee in Westdeutschland und den Austausch sämtlicher Besatzungstruppen durch Kampfeinheiten nach sich zog. Nach einer ausführlichen Rundreise zu allen Garnisonen schickte Alexander einen langen Bericht an General George Marshall, den ehemaligen USAußenminister, der mittlerweile Verteidigungsminister geworden war, und plädierte ebenfalls für eine konsequente und vollständige Integration der Streitkräfte.57 Alexander schrieb Marshall, dass die afroamerikanischen GIs stolz auf ihren Dienst in der Armee seien, und dass viele von ihnen bereit seien, ihr gesamtes Berufsleben der Armee zu widmen. Jedoch seien die Einheiten demoralisiert durch die Rassentrennung und durch den eklatanten Mangel an afroamerikanischen Führungsoffizieren. Im Oberkommando der US-Streitkräfte in Europa (EUCOM/European Command), das dem Verteidigungsministerium direkt unterstand, war kein einziger afroamerikanischer Offizier zu finden. Auch in den höheren Rängen der US-Hohen Kommission (HICOG), die dem US-Außenministerium unterstand, gab es keine afroamerikanischen Offiziere höheren Dienstgrads oder leitende Zivilangestellte.58 Alexander vermerkte nachdrücklich, dass diese Situation schädlich für die Moral der Truppe sei. Noch wichtiger sei allerdings, dass sie die amerikanische Mission der Verbreitung von Demokratie und Freiheit gefährde. Eine integrierte Armee, so schrieb Alexander, »ist die stärkste und wirkungsvollste Antwort auf die oft wiederholten Anschuldigungen und die Propaganda unserer kommunistischen Feinde, dass wir falsche und unehrliche Darstellungen eines angeblich liberalen und freien Amerikas abgäben«. Er warnte seine Regierung, dass die USA »weder den Kommunismus eindämmen noch seine zerstörerischen Kräfte zuhause bekämpfen« könnten, »wenn zur selben Zeit die fundamentalen Werte, die unsere Existenz als Nation begründen, kompromittiert werden«.59 Die ausufernden Ängste innerhalb der US-Regierung im Zusammenhang mit dem Kalten Krieg nutzend, fügte Alexander hinzu, dass die vorherrschende Situation im Militär auch die strategischen Planungen Amerikas für Europa gefährdeten, insbesondere die zu diesem Zeitpunkt stattfindenden Verhandlungen mit Frankreich und Großbritannien über die mögliche Schaffung einer

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vereinten europäischen Streitmacht. Eine solche europäische Armee würde – das war die Absicht – eine Wiederbewaffnung Westdeutschlands lediglich fünf Jahre nach dem Sieg über den Nazi-Faschismus ermöglichen sowie gleichzeitig britische und französische Ängste vor einer wieder aufkeimenden, militärischen Vorherrschaft Deutschlands entkräften. Daher argumentierte Alexander, dass die Aufrechterhaltung zweier getrennter US-Streitkräfte in Europa […], eine mit weißen Soldaten, eine mit Negern, besonders im Hinblick auf unsere Pläne, eine einzige große, demokratische Streitmacht in Europa aufzustellen, die alle Nationen der NATO [North Atlantic Treaty Organization/Nordatlantische Vertragsorganisation] umfasst, ein schändlicher Betrug an den Gründern und den Fundamenten der Demokratie sein würde.

Die Fortsetzung dieses Kurses, so fügte er hinzu, würde ein »grober Fehler sein, den Russland sofort für seine täglich verbreitete Propaganda über unsere Rassenprobleme« nutzen werde. Er unterstrich ein weiteres Mal, dass dies auch eine Bedrohung der amerikanischen Pläne in Deutschland darstelle. Um Amerika in die Lage zu versetzen, diesen Kampf um die Herzen und die Köpfe der Menschen zu gewinnen, nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt, sei eine dramatische, tiefgreifende Kursänderung von äußerster Wichtigkeit. »Wir können nicht zu ein und demselben Zeitpunkt die Doktrin von der Unverletzlichkeit des Individuums predigen, und gleichzeitig stillschweigend die Unterdrückung von fünfzehn Millionen unserer eigenen, loyalen, patriotischen Neger-Amerikaner hinnehmen.«60 Ironischerweise sollten sowohl die afroamerikanischen Bürgerrechtsaktivisten wie auch die afroamerikanischen GIs Hilfe von unerwarteter Seite bekommen, nämlich von der westdeutschen Bevölkerung. Als Teil der USBemühungen, die Deutschen zu Demokraten umzuerziehen, hatte die US-Militärregierung und, nach der westdeutschen Staatsgründung 1949, das Büro des Hohen Kommissars Lesungen, Ausstellungen und Gesprächsabende organisiert, um die Bürger der noch jungen Bundesrepublik über die Prinzipien der amerikanischen Demokratie zu unterrichten. Das Programm zielte darauf ab, den Deutschen zu helfen, ihre rassistische NS-Vergangenheit zu überwinden und sie gleichzeitig zum Kampf gegen die neue totalitäre Diktatur, den Sowjetkommunismus, motivieren. Es war vorhersehbar, dass solche Veranstaltungen hinsichtlich der Rassenfrage teilweise zu peinlichen Situationen führten. An der Universität Heidelberg hatten die Amerikaner beispielsweise Anfang der 1950er Jahre eine Veranstaltung mit dem neuen Universitätspräsidenten, Karl Heinrich Bauer, organisiert, der seiner studentischen Zuhörerschaft erläutern sollte, dass es im neuen Deutschland keinen Unterricht mehr »basierend auf Diskriminierung« geben werde. Der afroamerikanische Journalist Roi Ottley war unter den Zu-

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hörern an diesem Tag und berichtete mit einer gewissen Schadenfreude, dass ein »aufmüpfiger Jugendlicher« die daraufhin errötenden amerikanischen Organisatoren gefragt habe: »Glauben Sie in den USA denn nicht an die Überlegenheit der weißen Rasse?«61 Diese kritische Haltung gegenüber den amerikanischen Beteuerungen von Demokratie scheint weiter verbreitet gewesen zu sein, als amerikanische Offizielle es anzuerkennen bereit waren. Eine Befragung westdeutscher Jugendlicher beispielsweise, durch die Abteilung für Zivilangelegenheiten (Civil Affairs Division/CAD) des HICOG zum größten Hindernis im Hinblick auf Weltfrieden produzierte einige beunruhigende Antworten.62 Die Auswertung dieser Meinungsumfrage veranlasste William Harlan Hale, der als ehemaliger Journalist für die New Republic nun für Civil Affairs arbeitete, zu konstatieren, dass die Rassendiskriminierung dem Ansehen Amerikas bei westdeutschen Jugendlichen ernsthaften Schaden zufüge. Diese Entwicklung war keine Kleinigkeit, da es speziell die westdeutsche Jugend war, die als künftige demokratische Führungsschicht ihres Landes erzogen werden sollte. Hale berichtete, dass »viele der Jugendlichen fragten, wie Amerikaner mit der [amerikanischen Rassendiskriminierung] klarkommen, bei gleichzeitiger Verurteilung der Nazi-Rassenansichten«. Ein Jugendlicher formulierte es wie folgt: »Sollten Sie nicht erst zuhause aufräumen, bevor Sie sich anmaßen, uns zu erzählen, was richtig und falsch ist?« Dies war eine Frage, die laut Hale von keinem Amerikaner ignoriert werden konnte.63 Natürlich zielten die Aussagen einiger westdeutscher Jugendlicher nicht nur auf die Rassendiskriminierung in den USA im Allgemeinen, sondern insbesondere auf den amerikanischen Rassismus ab, der in Deutschland im Hinblick auf die Diskriminierung afroamerikanischer GIs durch weiße Militärangehörige demonstriert wurde: »Es wird oft berichtet, dass amerikanische Militärpolizisten ihre schwarzen Kameraden zusammenschlagen«. Jugendliche wie dieser fragten sich, »wie die Amerikaner dem Nazi-Regime und der SS Vorwürfe machen können«, angesichts solcher Verhaltensweisen innerhalb der US-Besatzungsarmee.64 Ein anderer junger Deutscher schrieb einen Brief an den Herausgeber einer amerikanisch finanzierten Zeitung in Westdeutschland und fragte: »Was für ein Eindruck wird Ihrer Meinung nach bei meinen Landsleuten hinterlassen, wenn weiße Soldaten ihre schwarzen Waffenbrüder zusammenschlagen oder gar auf sie schießen? Wie, glauben Sie, können Sie die Deutschen so davon überzeugen, mit dem unsinnigen Rassenhass aufzuhören?«65 Westdeutsche Jugendliche waren nicht die einzigen, die ihrem Unbehagen über die Rassentrennung in der US-Armee Ausdruck verliehen. Ihre älteren Landsleute waren ebenso besorgt, aber diejenigen, die darüber sprachen, tendierten dazu, weniger zynisch zu sein. Aus vielerlei Gründen waren nur wenige von ihnen bereit, sich mit der US-Armee anzulegen. Einige waren der Ansicht, dass es den Deutschen nicht zustehe, die Amerikaner zu kritisieren,

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nach all den Verbrechen, die im Nationalsozialismus von den Deutschen begangen worden waren. Aber noch verbreiteter war die Ansicht, dass es nicht klug war, Amerika anzugreifen, angesichts der Tatsache, dass sowohl die Sowjets als auch die ost- und westdeutschen kommunistischen Parteien unaufhörlich die amerikanischen Rassenprobleme anprangerten, um Amerikas Führungsanspruch in Westeuropa zu untergraben. Wenn Deutsche daher ihre Gedanken über das ungelöste Rassenproblem äußerten, taten sie dies zumeist im privaten Kreis oder in privaten Unterhaltungen mit Amerikanern. Selbst für antikommunistisch eingestellte Kritiker war die rassengetrennte Armee ein belastendes Hindernis, welches dem Erfolg und der Attraktivität der USA in Europa entgegenstand, und damit auch die westdeutsche Sicherheit gegenüber der Sowjetunion im Kalten Krieg gefährdete. Der bereits erwähnte Raymond Pace Alexander berichtete nach seiner Rundreise, dass Bürgermeister und Kommunalbeamte in ganz Westdeutschland die Frage nach dem rassengetrennten Heer mit ihm besprechen wollten. Ob in den kleinsten Dörfern oder in Großstädten, überall wurde er danach gefragt. Die Leute wollten wieder und wieder von ihm wissen: »Warum sagen die, dass Amerika so ein freies, liberales und demokratisches Land sei, so gut zu seinen Einwohnern, dass wir ihre Lebensart übernehmen sollen, wenn ihr weiterhin zwei getrennte Armeen unterhaltet, wenn ihr eure eigenen Soldaten der Rassentrennung unterwerft?« Alexander gab zu, dass es ihm schwerfiel, auf solche Fragen eine überzeugende Antwort zu finden.66 Dr. Dorothy Ferebee, Präsidentin des National Council of Negro Women (Nationalkongress afroamerikanischer Frauen), die im Mai 1951 im Auftrag des Außenministeriums nach Deutschland reiste, tat sich ebenfalls schwer, auf solche Fragen zu antworten. Ferebee versicherte den US-Regierungsbeamten, dass sie von der gerechten amerikanischen Mission im Kalten Krieg völlig überzeugt sei, aber auch sie müsse eingestehen, dass die Kritiker der US-Demokratie in diesem Punkt recht hätten. Die Westdeutschen wunderten sich, wie es möglich sei, dass »Neger in Korea für die Freiheit kämpfen und in Deutschland die westliche Freiheit verteidigen, während sie zuhause nur eine eingeschränkte Freiheit zugestanden bekommen«.67 Deutliche Worte der Warnung richtete auch Edith Sampson an die US-Regierung. Als prominente afroamerikanische Anwältin war sie ebenfalls Führungsmitglied des National Council of Negro Women und nicht-ständiges Mitglied der US-Delegation bei den Vereinten Nationen. 1949 wurde sie gebeten, an Townhall-Meetings (öffentlichen Foren) auf der ganzen Welt teilzunehmen, die vom US-Außenministerium organisiert worden waren, um die stetige Sowjetpropaganda zum Rassismus in den Vereinigten Staaten zu kontern. Ihre Aufgabe war es, die Reformfähigkeit Amerikas und die Fortschritte hervorzuheben, die den Afroamerikanern bereits zugestanden worden seien. Sampson war eine überzeugte Patriotin und der festen Ansicht, dass Amerikas Freiheits-

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potenzial (und nicht der Kommunismus) am ehesten die Ziele der Afroamerikaner auf Gleichstellung erfüllen könnten. Im Kampf der Weltanschauungen sah sie die USA als das Land, das den »farbigen Menschen« auf der ganzen Welt Glück und Zufriedenheit bringen würde. Sampson war in Westdeutschland sehr beliebt, da sie sich bei den Vereinten Nationen für Hunderttausende deutscher Kriegsgefangener in der Sowjetunion eingesetzt hatte. Trotz dieser Wertschätzung musste sich auch Sampson einige deutliche Worte anhören, als sie 1951 während ihrer dreimonatigen Europatournee an einer Reihe von öffentlichen Diskussionsveranstaltungen teilnahm. »Westdeutsche Zivilisten«, so berichtete sie an das Büro des Hohen Kommissars, äußerten sich häufig zum Kontrast zwischen unseren demokratischen Ansprüchen und der bei uns praktizierten Rassentrennung in der Besatzungsarmee. Sie baten mich oft, diesen Widerspruch zu erläutern. Es war offensichtlich für mich, dass unser Hauptanliegen, den demokratischen Geist in Deutschland zu entwickeln, definitiv durch unsere fortdauernde Rassentrennung und Diskriminierung behindert wird.68

Angesichts der Frequenz und Intensität derartiger Berichte aus Nachkriegsdeutschland begannen Regierungsvertreter in Washington, das Problem verstärkt anzugehen. Mit Hinweis auf die Reputation und Rolle der USA in Deutschland sowie die geostrategische Position des Landes drängte das USAußenministerium den Armeestaatssekretär im US-Verteidigungsministerium, Druck auf die Kommandeure in Westdeutschland auszuüben. 1951 gab das Pentagon schließlich nach. Es zwang die Kommandeure am Oberkommando EUCOM in Heidelberg, die Rassentrennung in der Armee umgehend zu beenden, weil sie den Erfolg Amerikas internationaler Pläne gefährde. Anna Rosenberg, stellvertretende Verteidigungsministerin, die entscheidend daran beteiligt war, dieses bedrohliche Szenarium für das US-Heer zu formulieren, sah diesen Schritt als absolut notwendig an, da die integrierten Streitkräfte »ein lebendes Beispiel für Demokratie in Aktion sind – die einzig sinnvolle Antwort auf kommunistische Propaganda«.69 William Gardner Smith äußerte sich weitaus nüchterner, als er feststellte, dass ohne ausländischen Druck weder Afroamerikaner mit prominenten Stellen in der Regierung betraut worden wären noch die de facto Integration der Streitkräfte erreicht worden wäre. In einem Essay mit dem Titel Average European Visualizes U.S. as Being a »Land of Terror« (Der durchschnittliche Europäer hält die USA für einen »Terrorstaat«) witzelte er dennoch triumphierend, dass »die Blamage der Regierung ein Gewinn für den amerikanischen Neger« sei.70 Es ist vielleicht ironisch, dass die Vereinigten Staaten bei ihrem Versuch, den Nationalsozialismus zu besiegen und die Deutschen umzuerziehen, gezwungen wurden, die Situation in ihrem eigenen Land einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Afroamerikaner hatten viele Jahrzehnte lang die gravierenden

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Mängel der amerikanischen Demokratie moniert. Ab den frühen 1950er Jahren fanden diese Hinweise nun zunehmend Gehör. James Goodnight, einer der ständigen Offiziere des HICOG, konstatierte den seiner Meinung nach entscheidenden deutschen Beitrag zu dieser Entwicklung. Bei einer vom USAußenministerium organisierten öffentlichen Diskussionsveranstaltung in der Bundesrepublik referierte er über die Fortschritte, die die Afroamerikaner in den vergangenen Jahrhunderten errungen hatten und beschrieb den ehrlichen Umgang mit den Defiziten der US-Demokratie als den einzigen Weg hin zu Wiedergutmachung und nationaler Versöhnung.71 Er unterstrich und lobte die Deutschen für ihre Unterstützung dabei, dies zu ermöglichen. Ihr »Wissen um die Lage des amerikanischen Negers« und ihre Bereitschaft, weißen Amerikanern entgegenzutreten, die ihnen Lektionen über Rassismus erteilen wollten, hatten »dabei geholfen, eine Welle der ›Nachdenklichkeit‹ auszulösen, die dazu beitrug, den Stand der Rassenbeziehungen in den Südstaaten zu verändern«.72

E in noch nicht beende tes G eschäf t Mit der Integration der Streitkräfte und den Veränderungen, die damit verbunden waren, entwickelte sich das US-Militär zur fortschrittlichsten Institution Amerikas in Bürgerrechtsangelegenheiten. Die US-Army bot Afroamerikanern berufliche Möglichkeiten und Aufstiegschancen wie kein anderer Gesellschaftsteil der USA. Zugleich wurde das Militär auch zu einer Art »Sicherheitszone« für afroamerikanische GIs, die weiße deutsche – oder auch andere weiße europäische – Frauen geheiratet hatten. Diesen afroamerikanisch-weißen Paaren boten die Militärbasen in den USA und in Deutschland wegen der durchgesetzten Integration und der hierarchischen Struktur des Militärs relative Sicherheit vor den extremsten Formen des Rassismus. Allerdings konnte das Militär afroamerikanisch-weiße Paare – wegen der dort immer noch bestehenden Gesetze gegen die afroamerikanisch-weiße Ehen – nicht in den Süden der USA versetzen.73 Trotz der Verbesserungen im Leben der Afroamerikaner und trotz der relativen Schnelligkeit, mit der die de facto Integration des Militärs durchgesetzt wurde, blieb die Situation für afroamerikanische GIs und deren Familien schwierig. Zum einen galt im Süden der USA in den Zivilgemeinden außerhalb der Militärbasen bis Mitte der 1960er Jahre immer noch die gesetzliche Jim Crow-Rassentrennung. Obwohl die Schranken zwischen den Rassen in Deutschland faktisch bereits seit Ende des Krieges außer Kraft gesetzt worden waren, solange die GIs sich im deutschen Umfeld bewegten, hegten aber viele Offiziere, Mannschaften und deutsche Einheimische immer noch tiefe Vorurteile gegenüber Afroamerikanern. Die de facto Integration der Streitkräfte wurde in etwas mehr als zwei Jahren zwischen 1951 und 1953 erreicht, sowohl in Westdeutschland als auch in

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den USA. Das Militär war bei entsprechendem Druck aufgrund seiner hierarchischen Struktur in der Lage, diese Transformation mehr oder weniger konsequent und zeitnah umzusetzen und der gesamte Prozess vollzog sich ohne größere Zwischenfälle.74 Interessanterweise wurde in der Medienberichterstattung hierüber betont, dass die Aufhebung der Rassentrennung in der Armee in Westdeutschland leichter vollzogen werden konnte als in den USA. In Westdeutschland war das US-Militär in Gemeinden wie Kaiserslautern, Ramstein und Landstuhl in der Lage, etwas geradezu problemlos angehen, was in reaktionären Südstaatengemeinden wie Fort Hood (Texas) oder Fort Rucker (Alabama) undenkbar schien. Die in der Umsetzung befindliche Integration der Streitkräfte sei deshalb so reibungslos vor sich gegangen, berichtete die Saturday Evening Post, weil »in Westdeutschland kein externer sozialer Druck ausgeübt wurde, um den Integrationsvorgang zu erschweren«.75 Ein Offizier, der mit der erfolgreichen Umsetzung des Programms betraut war, erklärte: Es sei »schwierig, so ein Programm beispielsweise in Mississippi ins Laufen zu bringen, wenn man dort in der Kaserne den ganzen Tag Gleichberechtigung praktiziert, nur um dann nach Feierabend vor den Kasernentoren prompt in eine der rigidesten Jim Crow-Innenstädte zu geraten. In Europa sind die Menschen eher dazu bereit, die Rassentrennung zu überwinden.« Wenn also Soldaten in Westdeutschland die Kasernen verließen, waren sie nicht mit Jim Crow-Verkehrsmitteln, rassengetrennten Restaurants oder Kinos in den umliegenden Gemeinden konfrontiert.76 Dort mussten sie auch nicht – wie etwa in Fort Bragg, North Carolina – bis in die Mitte der 1960er Jahre noch provozierende Plakatwände außerhalb ihrer Kasernen ertragen: »Willkommen im Geburtsort des Ku Klux Klan. Bekämpft den Kommunismus und die Integration«.77 Das US-Verteidigungsministerium war ebenfalls überrascht über die Leichtigkeit, mit der die Integration in Westdeutschland von statten ging. Die Behörde begründete dies ebenfalls mit der fehlenden Jim Crow-Rassentrennung außerhalb der US-Kasernen und befand abschließend, dass es »paradox« sei, dass »der Neger-Bürger in Uniform in Übersee eher willkommen geheißen wird als in seiner US-Heimatstadt«.78 Derlei Berichterstattung suggerierte, dass die Leichtigkeit, mit der die Integration in Westdeutschland von statten ging, auch positive Auswirkungen auf Denken und Prozesse in den USA haben könnte. Die Saturday Evening Post brachte dieses Thema folgendermaßen zur Sprache: »Angesichts der speziellen Situation [in Westdeutschland] stellt sich die Frage, ob die Effekte der Integration sich auch auf das Leben derer auswirken, die ihr im Europäischen Oberkommando ausgesetzt sind. Werden sie dauerhafte Auswirkungen haben auf ihre Art zu denken und ihre Verhaltensweisen, wenn sie in die Vereinigten Staaten zurückkehren?« Ein Oberst aus Chicago meinte hierzu, er habe zunächst Zweifel gehabt an dem ganzen Programm, sei aber schnell eines Besseren belehrt worden, und natürlich sei es »[in Westdeutschland] einfacher ge-

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wesen«. Er fügte hinzu, dass es schlicht und einfach funktioniere, und er sehr überrascht wäre, wenn die gemachten Erfahrungen nicht in die Vereinigten Staaten durchsickerten und dort einen Effekt hätten.79

Abb. 4.2: Deutsche Frauen mit ihren amerikanischen Partnern im NCO Club Ramstein, Ende der 1950er Jahre. Solche Freundschaften zwischen weißen Amerikanern und Afroamerikanern waren außerhalb der USA viel einfacher (docu center ramstein) Führende US-Militärs wiesen zu Recht darauf hin, dass die Integration in Deutschland leichter zu erreichen war als in den USA. Trotzdem konnte sie auch dort keineswegs lückenlos umgesetzt werden. Während des gesamten Jahrzehnts und noch in den 1960er Jahren verbrachte die überwiegende Mehrzahl der in Westdeutschland stationierten US-Truppen, und besonders die ledigen Soldaten, ihre Freizeit strikt nach Rassen getrennt. Auf der Militärbasis blieben viele der afroamerikanischen GIs den Soldatenclubs fern, weil dort oft nur Country und Western und keine afroamerikanische Musik gespielt wurde. Dies war eine häufig vorgebrachte Beschwerde. Aber auch in den westdeutschen Gemeinden, wo GIs Unterhaltung und Ablenkung von der Tristesse des Armeelebens suchten, lebte, wie in allen Ländern mit US-Truppen, die Trennung der Rassen fort. Das Argument des Militärs, dass dies geschehe, weil die Afroamerikaner aus den Südstaaten sich gerne selbst abgrenzten, lässt sich jedoch durch die historischen Quellen nicht belegen.

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Die Vorgehweise der Kommandeure während der Besatzungszeit, die Besitzer der Vergnügungslokale der Soldaten anzuhalten, ihre Einrichtungen streng nach Rassen zu trennen, war bis Anfang der 1960er Jahre noch oft die Norm. Viele US-Kommandeure in Westdeutschland waren nicht bereit, auch die soziale Integration der Truppen durchzusetzen. Im Gegenteil, viele von ihnen waren der Meinung, dass die Rassentrennung außerhalb der Kasernen notwendig sei, um den Frieden unter den Mannschaften und die öffentliche Ordnung zu sichern. Spezielle Untersuchungen brachten ans Licht, dass eine Reihe von Kommandeuren sogar ihre Befehlsgewalt dazu nutzte, die Rassentrennung und andere Formen von Rassendiskriminierung außerhalb der Kasernen durchzusetzen.80 Weiße GIs nutzten auch die Stärke des Dollars, um den Eigentümern oder Geschäftsführern der deutschen Bars und Clubs damit zu drohen, ihre Lokale zu boykottieren, falls afroamerikanische GIs dort Eintritt fänden. Da afroamerikanische GIs nur zehn Prozent der Truppenstärke darstellten, war die Abwägung für die Betreiber nicht allzu schwer. Oft genug reichte es schon, dass die aus Amerika mitgebrachten Hill-Billy oder Country & Western Schallplatten gespielt wurden, um zu verhindern, dass sich afroamerikanische Soldaten in eine solche Gaststätte verirrten. Die Vorgehensweise der US-Kommandeure half zum Teil sogar, westdeutsche Formen des Rassismus zu unterstützten. Da das Militär nie genug Wohnraum für seine verheirateten Soldaten bereitstellte, war man auf den deutschen Wohnungsmarkt angewiesen. Ende der 1950er Jahre gab eine Reihe von Beschwerden, dass Wohnungsvermieter sich weigerten, an afroamerikanische Soldaten zu vermieten. Laut Aussagen der Soldaten drohten weiße US-Soldaten dem Vermieter damit, auszuziehen, falls afroamerikanische Mieter ins Haus kamen. Gleichzeitig hegte so manch westdeutscher Vermieter selbst rassistische Vorurteile. Obwohl der Dollar der GIs beliebt war, entschied sich so mancher deshalb nicht an afroamerikanische Soldaten zu vermieten. In den Garnisonsgemeinden bedeutet dies oft, dass in der Bundesrepublik, wie in den USA, afroamerikanischen Soldaten und ihren Familien nur minderwertige Wohnungen in den ärmeren Wohngebieten der umliegenden Gemeinden zur Verfügung standen. Beschwerten sich die afroamerikanischen Soldaten hierüber, so weigerten sich die US-Militärbehörden häufig, einzuschreiten. 1955 konstatierte das USVerteidigungsministerium, dass es nicht zugunsten der afroamerikanischen GIs intervenieren könne, da »die örtlichen Gepflogenheiten in Sachen der Rassenbeziehungen variieren […] und solche Angelegenheit weit jenseits der Zuständigkeit des Verteidigungsministeriums« lägen.81 Das Ministerium blieb bei diesem Argumentationsmuster, als ein westdeutscher Vermieter sich 1959 weigerte, einen afroamerikanischen GI als Mieter zu akzeptieren, und noch in den frühen 1960er Jahren mussten Untersuchungsbeamte feststellen, dass »örtliche Militärkommandeure unwillig zu sein scheinen, die Angelegenheit [der Rassendiskriminierung] ernst zu nehmen«.82 Konkretes Drängen von

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Bürgerrechtlern, solche Missstände abzustellen, wurde seitens der Kommandeure durchweg abschlägig beschieden.83 Die Weigerung der amerikanischen Militärbefehlshaber, sich in den westdeutschen Gemeinden zugunsten ihrer afroamerikanischen Soldaten einzusetzen, hatte jedoch nichts damit zu tun, dass es diesen darum ging, sich als höfliche Gäste zu verhalten. Tatsächlich hat das US-Militär westdeutschen Gemeinden immer wieder Unannehmlichkeiten zugemutet, beispielsweise bei der Durchführung von Manövern. Die Weigerung vieler Kommandeure, und nicht nur jener aus den Südstaaten, in dieser speziellen Angelegenheit anderslautenden Befehlen Folge zu leisten, hing größtenteils mit dem eigenen rassistischen Glauben an die Trennung der Rassen zusammen. Aber noch wichtiger war die Tatsache, dass das US-Militär prinzipiell bis Mitte der 1960er Jahre in Westdeutschland Einmischungen in die inneren Angelegenheiten deutscher Gemeinden vermied, da solch ein Kurswechsel das Militär gezwungen hätte, auch in den noch immer rassengetrennten Gemeinden im Umfeld der Garnisonen in den USA, insbesondere in den Südstaaten, einzuschreiten. Tatsächlich stand die Weigerung der Kommandeure, zu handeln, in scharfem Kontrast zu der sonst üblichen Fürsorglichkeit der US-Streitkräfte für ihre Truppen. Das US-Militär deklarierte beispielsweise gelegentlich westdeutsche Freibäder als gesperrt (off-limits) für GIs und ihre Familien, wenn die Wasserqualität nicht »US-Standards« entsprach. Dies traf ebenso für westdeutsche Kneipen zu, falls diese nicht den Hygienestandards des US-Militärs entsprachen (obwohl dieser Vorwurf ebenfalls oft benutzt wurde, um von afroamerikanischen GIs frequentierte Bars zu schließen).84 Es wurde jedenfalls nicht eingeschritten, wenn örtliche Gaststättenbetreiber afroamerikanischen GIs den Zutritt verweigerten oder wenn westdeutsche Immobilieneigentümer sich weigerten, an afroamerikanische Familien zu vermieten.85 Es ist daher offensichtlich, dass deutscher und amerikanischer Rassismus sich in westdeutschen Garnisonsgemeinden teilweise gegenseitig verstärkten und einen erheblichen Anteil an der Diskriminierung afroamerikanischer Soldaten und ihren Familien in der Bundesrepublik hatten. Die Deutschen bestanden vielfach darauf, dass sie selbst nichts gegen afroamerikanische GIs hätten, aber von weißen Amerikanern zu derartigen Handlungen gezwungen wären. Falls es Rassismus in den Garnisonstädten gegenüber den afroamerikanischen GIs und ihren Familien gab, so wehrten sich die Deutschen, war es hauptsächlich ein »Import« aus den USA. Das amerikanische Militär schützte auch Hilflosigkeit vor, mit dem Argument, dass sie nur Gäste in Deutschland seien, und dass es dem Militär unmöglich sei, den Deutschen zu befehlen, wen sie zu bedienen hätten oder an wen sie ihre Wohnung vermieten sollten.86 In Anbetracht dieses fortwährenden Widerstandes gegen die wirkliche und gelebte Integration überrascht es wenig, dass die Proteste der Bürgerrechtsbewegung in den USA in den 1950 und 1960er Jahren auch ihre Auswirkungen in

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der Bundesrepublik hatten. Um ihre Degradierung zu vermeiden, waren weiße Soldaten, die sich gegen die Integration stellten, gezwungen, ihre Kompromisslosigkeit außerhalb der Kasernen in den umliegenden westdeutschen Gemeinden zu leben. Afroamerikanische Soldaten brachten ebenfalls außerhalb der Kasernen in denselben Gemeinden ihren Unmut über die langsamen Fortschritte bei der Integration der Streitkräfte und dem weit verbreiteten Widerstand gegen die aufkeimende Bürgerrechtsbewegung in den USA zum Ausdruck.87 Wann immer es in den USA zu größeren Konfrontationen im Zusammenhang mit den Forderungen der Bürgerrechtsbewegung kam, wurden auch die deutschen Behörden und die US-Militärpolizei in der Bundesrepublik in Alarmbereitschaft versetzt, um auf die zu erwartenden Zusammenstöße zwischen den US-Soldaten verschiedener Hautfarbe vorbereitet zu sein. Einen solchen Gewaltausbruch erlebten die westdeutschen US-Garnisonsstädte beispielsweise 1956, als afroamerikanische GIs ihrem Ärger über die Weigerung der Universität Alabama Luft machten, die afroamerikanische Studentin Autherine Lucy zum Studium zuzulassen.88 Die Krise in Little Rock (Arkansas) im Herbst 1957 brachte weitere schwere Straßenkrawalle zwischen weißen und afroamerikanischen Soldaten in der Bundesrepublik mit sich.89 So konnten die Westdeutschen in den Garnisonsgemeinden, wenn sie in ihrer Zeitung von den neuesten Entwicklungen hinsichtlich der Bürgerrechtsbewegung in den USA lasen oder im Fernsehen darüber berichtet wurde, wie weiße Mobs in den Vereinigten Staaten afroamerikanische Schulen, Bürger oder Aktivisten attackierten, sich auch auf Krawalle in ihrer jeweiligen Heimatstadt einstellen.90

Abb. 4.3: Protest in den frühen 1960er Jahren, Orange County, South Carolina. Das Bild verdeutlicht, in welchen Maße die Bürgerrechtsbewegung den Kalten Krieg in Deutschland nutze um ihre Anliegen voranzutreiben (Archiv Bruce Hartford)

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Als die Bürgerrechtsbewegung in den 1950er Jahren an Stärke deutlich zulegte und mit Dr. Martin Luther King jr. einen prominenten und medienwirksamen Repräsentanten bekam, begannen afroamerikanische GIs auch, sich gegen Jim Crow-Gepflogenheiten in ihren US-Kasernen und Garnisonsstädten in der Bundesrepublik zu wehren. In Baumholder, einer westdeutschen Kleinstadt von nur 5.000 Einwohnern, die eine Garnison von über 30.000 Soldaten beherbergte, veranstalteten afroamerikanische GIs 1958 beispielsweise eine Art Sit-in in einer Bar, deren Besitzer auf Anordnung des örtlichen Militärkommandeurs ein Schild aufgehängt hatte, dass »farbige Soldaten« nicht bedient würden. Die Soldaten wussten, dass derartig offene Diskriminierung in Deutschland nicht erlaubt war, und ließen ihrem Ärger freien Lauf. Die Kellnerin erklärte den protestierenden Soldaten, dass der Eigentümer doch nur getan habe, was alle in den Vereinigten Staaten täten, als er ihnen den Besuch seines Lokals verweigerte. Die wütenden Soldaten schrien daraufhin: »Wo denkst du denn, wo wir hier sind. Etwa in Little Rock?« Als die afroamerikanischen GIs darauf bestanden, bedient zu werden, rief der Geschäftsführer die USMilitärpolizei. Statt die Rechte der Soldaten auf Gleichbehandlung (die von der westdeutschen Verfassung garantiert wurde) durchzusetzen, verhafteten die Militärpolizisten die GIs wegen Ruhestörung. Als die westdeutschen Medien herausfanden, dass der Major der Militärpolizei die Soldaten im Gefängnis mit einem Wasserschlauch und seinem Schlagstock misshandelt hatte, protestierten sie scharf und forderten, dass ein derartiger Rassenhass in einer demokratischen Gesellschaft nicht akzeptabel sei.91 Mit dem Erstarken der Bürgerrechtsbewegung in den USA und den immer lauter werdenden Beschwerden aus Übersee, dass das US-Militär Jim Crow in alle Welt exportiert habe, war ein langsamer, wenn auch nicht konsequenter Wandel innerhalb des US-Verteidigungsministeriums erkennbar. 1961 erließ Verteidigungsminister Robert McNamara eine Vielzahl von Richtlinien, die die letzten Überreste des Rassismus innerhalb des Militärs endgültig abschaffen sollten. Im Juli 1963, am 15. Jahrestag der von Präsident Truman erlassenen Executive Order, wurde die Bürgerrechts-Direktive des Verteidigungsministeriums erweitert, um nunmehr auch die volle Integration in den Garnisonsgemeinden der Südstaaten zu garantieren.92 Beginnend mit dem Jahr 1964 drohte das US-Verteidigungsministerium nun auch Geschäftsinhabern und Vermietern in diesen Gemeinden wirtschaftliche Sanktionen an, um das Vorhaben durchzusetzen. Dieselben Sanktionen sollten auch in Deutschland und den anderen Stationierungsländern mit US-Truppen gelten. Aber nachdem eine Reihe von Vorschriften erlassen worden waren, die diskriminierendes Verhalten im Hinblick auf Mietwohnungen, Ladengeschäfte außerhalb der Kasernen, Restaurants und Clubs abstellen sollten, wandte das Pentagon seine Aufmerksamkeit, wie Verteidigungsminister McNamara rückblickend zugab, anderen Dingen zu, insbesondere dem Krieg in Vietnam.93

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Es war der Krieg in Vietnam in den 1960er Jahren, der die ungelöste Rassenfrage und die anwachsenden Rassenspannungen innerhalb der US-Streitkräfte zu einer nie gekannten Zuspitzung brachte. Die Auswirkungen dieser Krise betrafen US-Garnisonen auf der ganzen Welt – außer Vietnam und den USA war Deutschland am härtesten betroffen, und machten das US-Militär fast handlungsunfähig. Bis zu dieser Krise, die eine fundamentale Transformation der US-Streitkräfte nach sich zog, blieb den Westdeutschen die laissez faire-Haltung des US-Militärs im Hinblick auf die Erlangung der vollen Rassengleichheit jedoch nicht verborgen. Vor der detaillierten Untersuchung jener Krise im Kapitel 8 sollen jedoch in den nächsten drei Kapiteln die verschiedentlichen Auswirkungen der Bürgerrechts- und Black Power-Bewegung auf die Bundesrepublik und die DDR näher beleuchtet werden.

A nmerkungen 1 | Gunnar Myrdal: An American Dilemma: The Negro Problem and Modern Democracy. New York: Harper & Bros., 1944. Vgl. auch Junfu Zhang: »Black-White Relations: The American Dilemma«, in: Perspectives 1, Nr. 4 (29. Februar 2000) auf www.oycf.org/ oycfold/httpdocs/Perspectives2/4_022900/black_white.htm. 2 | Peter Kellogg: »Civil Rights Consciousness in the 1940s«, in: Historian, 42 (November 1979), S. 18–41. 3 | Elmer Anderson Carter: »On Racial Prejudice at Home and Abroad«, in: Opportunity, 17/1939. Zum Umstand, dass viele Afroamerikaner der Kriegsunterstützung zögerlich gegenüberstanden, vgl. Sterling A. Brown: »Count Us In«, in: Rayford W. Logan (Hg.): What the Negro Wants, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 1944, S. 308–344. 4 | Kellogg: »Civil Rights«, S. 31. 5 | Charles Houston: »The Negro Soldier«, in: The Nation, 21. Oktober 1944, S. 496f. 6 | Edwin Embree: »Balance Sheet in Race Relations«, in: The Atlantic Monthly, Mai 1945, Bd. 175, Nr. 5, S. 87–91, hier S. 87. 7 | »Propaganda and the War«, in: Common Sense, Februar 1942. Zitiert nach Kellogg: »Civil Rights«, S. 32. 8 | Ebd., S. 32. 9 | Zitiert nach ebd., S. 33. 10 | Roy Wilkins: »The Negro Wants Full Equality«, in: Logan: What the Negro wants, S. 115. 11 | Anson Phelps Stokes: »American Race Relations in War Time«, in: The Journal of Negro Education 14.4/1945, S. 535–551, bes. S. 537f. 12 | Embree: »Balance Sheet«, S. 87 und 91. Vgl. ebenfalls Houston: »The Negro Soldier«, S. 496f.

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Ein Hauch von Freiheit 13 | Lt. Colonel John Sherman: »A Communication – Our Negro Soldiers«, in: The New Republic, 19. November 1945, S. 678. Vgl. ebenfalls James Cobb: »World War II and the Mind of the Modern South«, in: Neil McMillen (Hg.): Remaking Dixie – The Impact of World War II on the American South, Jackson: University of Mississippi Press, 1997, S. 3–20 zu den Auswirkungen des Krieges auf weiße US-Soldaten. 14 | Sherman: » A Communication«, S. 678. 15 | »Takes War to Make Dixie GIs lose Hate for Negroes«, in: Chicago Defender, 22. September 1945. 16 | Cobb: »World War II«, S. 6. Vgl. hierzu auch insbesondere Kevin Kruse und Stephen Tuck (Hg.): Fog of War. The Second World War and the Civil Rights Movement, New York: Oxford University Press, 2012, die die Grenzen dieser neuen Reformwilligkeit zeigen. 17 | Jack Greenberg: Crusaders in the Court: How a Dedicated Band of Lawyers Fought for the Civil Rights Revolution, New York: Basic Books, 1994; Kevin McMahon: Reconsidering Roosevelt on Race: How the Presidency Paved the Road to Brown, Chicago: University of Chicago Press, 2004. 18 | Truman, zitiert in Bernard Nalty: Strength for the Fight – A History of Black Americans in the Military, New York: The Free Press, 1986, S. 205. 19 | Ebd., S. 237. 20 | President’s Committee, To Secure These Rights, 162, aufgerufen am 1. Februar 2010 unter www.trumanlibrary.org/civilrights/srights1. 21 | Nalty: Strength, bes. S. 204–254 und MacGregor: Integration, bes. S. 291–314. Zum vollständigen Text vgl. MacGregor: Integration, S. 312. 22 | Siehe zuletzt Jon E. Taylor: Freedom to Serve: Truman, Civil Rights, and Executive Order 9981, New York: Routledge, 2012. 23 | L. D. Reddick: »The Negro Policy of the American Army Since World War II«, in: Journal of Negro History, Bd. 38, Nr. 2 (April 1953), S. 194–215, hier S. 200. Reddick, ein Bürgerrechtsaktivist und Kurator des Schomburg Archivs, war in diese Debatten sehr involviert. Zur Rolle Trumans siehe Harvard Sitkoff: »Harry Truman and the Election of 1948: The Coming of Age of Civil Rights in American Politics«, in: Journal of Southern History 37 (November 1971), S. 597–616; Steven F. Lawson (Hg.): To Secure These Rights: The Report of Harry S. Truman’s Committee on Civil Rights, Boston: Bedford/St. Martin’s, 2004; Patricia Sullivan: Lift Every Voice: The NAACP and the Making of the Civil Rights Movement, New York: New Press, 2009, S. 352–67; Raymond H. Geselbracht (Hg.): The Civil Rights Legacy of Harry S. Truman, Kirksville, MO: Truman State University Press, 2007; Steven Lawson: Running for Freedom: Civil Rights and Black Politics in America Since 1941, 3. Aufl., Malden, MA: Wiley-Blackwell, 2009, S. 36–71. 24 | Mary Dudziak: Cold War Civil Rights – Race and the Image of American Democracy, Princeton, NJ: Princeton University Press, 2000; Thomas Borstelmann: The Cold War and the Color Line – American Race Relations in the Global Arena, Cambridge, MA: Harvard University Press, 2001; Brenda Gayle Plummer: Rising Wind – Black Americans and U.S. Foreign Affairs, 1935–1960, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 1996. Vgl. ebenfalls Penny von Eschen: Race Against Empire: Black Americans

Kapitel 4: Amerikas Mission in Deutschland and Anticolonialism, 1937–1957, Ithaca, NY: Cornell University Press, 1997 und Carol Anderson: Eyes Off the Prize – The United Nations and the African American Struggle for Human Rights, 1944–1955, Cambridge: Cambridge University Press, 2003. 25 | Höhn: GIs and Fräuleins (Amis, Cadillacs) hat diesen Zusammenhang in Bezug auf die Fortschritte innerhalb der Armee im Kapitel 3 aufgezeigt. Dort wurde auch beschrieben, in welchem Maße die Erfahrung der afroamerikanischen GIs ihnen die Möglichkeit gab, ihr eigenes Land in einem neuen Licht zu sehen. 26 | Es gab zahlreiche Gründe dafür, warum Amerikas Demokratisierungsvorhaben in Japan als unwichtiger angesehen wurde als jenes in Westdeutschland. Wichtig ist der Umstand, dass ein Großteil der US-Truppen dort auf der Insel Okinawa (ehemals Ryūkyū Königreich) stationiert waren, die hunderte von Kilometer von den japanischen Hauptinseln entfernt ist und im 19. Jahrhundert von Japan annektiert und kolonisiert worden war. Nach dem Sieg über Japan, blieb Okinawa bis 1972 unter US militärischer Besatzung, und große Teile der Insel sind bis heute als Teil der US-Garnison militärisches Sperrgebiet. Die rassengetrennte Armee war daher in Japan weitaus weniger sichtbar im japanischen Alltag präsent, während Okinawa die US-Präsenz als »doppelte« Kolonisierung empfand. In Westdeutschland lieferte die Sowjetische Militärmission, die regelmäßig die US-Truppen inspizierte, das Material für einen unaufhörlichen Strom antiamerikanischer Propaganda. Es bleibt ein weiteres Desiderat der Forschung auch zu überlegen, inwieweit Amerikas Blick auf Japan als ein Land mit einer »nicht-weißen« Bevölkerung die US-Politik der Nachkriegszeit beeinflusst hat. Die Beiträge in Höhn und Moon (2010) geben einige Ansatzpunkte. 27 | Carol Anderson: »From Hope to Disillusion: African Americans, the United Nations, and the Struggle for Human Rights, 1944-47«, in: Diplomatic History, Bd. 20, Nr. 4 (Herbst 1996), S. 531–563, 557. 28 | Anderson: »From Hope to Disillusion«, S. 557. 29 | Dudziak: Cold War, S. 45. Also Anderson: »From Hope«, S. 559. 30 | President’s Committee: To Secure these Rights, S. 101f. 31 | Lee Nichols: Breakthrough on the Color Front, New York: Random House, 1954, S. 173. 32 | Zitiert in Borstelmann: The Cold War, S. 76. 33 | James Ivy: »American Negro Problem in the European Press«, in: The Crisis, Juli 1950, S. 413–418. 34 | Editorials: »Democracy Defined at Moscow«, in: The Crisis, April 1947, S. 105. Also, Editorials: »Democratic Elections – In Poland«, in: The Crisis, März 1947, S. 73. 35 | Langston Hughes: »US Likes Nazis and Franco Better Than its Own Negroes«, in: Chicago Defender, 30. Oktober 1948. 36 | Trends in the Negro Press, 15. April 1946, 2, War Dept, General Staff, Decimale File, RG 165, Box 262, NARA. 37 | Editorials: »Democracy Defined at Moscow«, in: The Crisis, April 1947, S. 105. 38 | Report of Trends in the Negro Press, 16. Januar 1946, 2, War Dept., General Staff, Decimale File, RG 165 Box 261, NARA.

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Ein Hauch von Freiheit 39 | Ottley: No Green Pastures, S. 159. 40 | White: »What Negro GIs Are Doing in Germany«. Vgl. ebenfalls »Bishop Walls Praises Negro Troops in Germany«, in: Chicago Defender, 23. August 1947. 41 | Lee Finkle: Forum For Protest. Rutherford, N. J.: Fairleigh Dickinson University Press, 1975, S. 85. 42 | Frank L. Stanley, President Negro Newspaper Publishers Association »Report of the Negro Newspaper Publishers Associations to the Honorable Secretary of War, Judge Robert P. Patterson on Troops and Conditions in Europe, 18. Juli 1946, RG 319, Box 175, NARA. 43 | »Prattis Tells General Clay: Jim Crow Blights Army in Germany«, in: Pittsburgh Courier, 9. April 1948. 44 | Reddick: »The Negro Policy,« S. 202f. Vgl. ebenfalls »The Forrestal Record«, in: The Crisis, Juli 1949. 45 | »Editors’ Confidential Army Report«, in: Chicago Defender, 17. April 1948. Aber auch den Leitartikel der Philadelphia Tribune, 5. Juni 1948. In einem Leitartikel der Amsterdam News (einer viel konservativeren Zeitung als z.B. der Chicago Defender und der Pittsburgh Courier) desselben Tages wurde die Jim Crow Armee als negativ dargestellt, aber der Umstand, dass diese Untersuchung überhaupt möglich geworden war (im Unterschied zur Sowjetunion) gepriesen. Vgl. »Work of Occupation Troops in Germany Affected by Lack of Officers, Racial Bars«, in: Baltimore Afro-American, 22. Juni 1948, über den Effekt darauf, wie sehr den Deutschen die Jim Crow Bestimmungen des US-Militärs bewusst wurden. 46 | »Work of Occupation Troops in Germany Affected by Lack of Officers, Racial Bars«, in: Baltimore Afro-American, 22. Juni 1948. 47 | Leitartikel, in: Philadelphia Tribune, 5. Juni 1948. 48 | David Dempsey: »American Dilemma, Army Model«, in: New York Times, 5. September 1948, Rezensionsseiten, 6. 49 | »American Officers Abroad Propagating Race Hatred«, in: Pittsburgh Courier, 8. Juni 1946. Vgl. ebenfalls Joseph Starr: Fraternization with the Germans in WWII, 194546, Occupation Forces in Europe Series, Frankfurt a. M.: Office of the Chief Historian, 1946, S. 153. 50 | Robert Engler: »The Individual Soldier and the Occupation« in: The Annals of the American Academy of Political and Social Science, 1948, Bd. 244, S. 85. 51 | Walter White: »What Negro GIs are Doing in Germany«, in: Chicago Defender, 23. Oktober 1948, S. 7. 52 | Walter White, Secretary NAACP: »Segregation in the Army«, in: New York Times, 17. August 1948, S. 20. 53 | »Report from Professor Eli Ginzberg from Columbia University«, 6, RG 338 Historical Division USAREUR, 314.7, NARA. 54 | Zitiert in Lee Nichols: Breakthrough on the Color Front, New York: Random House, 1954, S. 180. 55 | McGregor: Integrating the Army, S. 410.

Kapitel 4: Amerikas Mission in Deutschland 56 | Brief von Javits an den Verteidigungsminister Louis Johnson, 22. Dezember 1949, RG 330, Box 591, NARA. Vgl. auch seine Presseerklärung, RG 330, Box 591, NARA. 57 | Brief von Raymond Pace Alexander an George Marshall, Verteidigungsminister, 3. Oktober 1950, RG 330, Box 591, NARA. 58 | Brief von Raymond Pace Alexander an George Marshall, 3. Oktober 1950. 59 | Ebd. 60 | Ebd. 61 | Roi Ottley: No Green Pastures, New York: Sribner’s Sons, 1952, S. 159. 62 | David Posner: Afro-America in West German Perspective, 1945–1966, PhD Diss., New Haven: Yale University Press, 1997, S. 139. 63 | Ebd., S. 141. 64 | Ebd., S. 141. 65 | NAACP, Part 9, Series A, Reel 11. 66 | Brief von Raymond Pace Alexander an George Marshall. 67 | »Yanks Hear Dr. Ferebee in Germany«, in: Chicago Defender, 19. Mai 1951. 68 | Sampson Brief ist abgedruckt in Posner: Afro America, S. 60. Zu Sampson vgl. Helen Laville und Scott Lucas: »The American Way: Edith Sampson, the NAACP, and African American Identity in the Cold War«, in: Diplomatic History, Bd. 20, Nr. 4 (Herbst 1996), S. 565–590. 69 | Nichols: Breakthrough, S. 179. 70 | William Gardner Smith: »Average European Visualizes U.S. as Being a ›Land of Terror‹«, in: Pittsburgh Courier, 26. Januar 1952. 71 | Dudziak: Cold War. Civil Rights, insbesondere S. 47–78. 72 | Posner: Afro-America, S. 150. 73 | Vgl. Höhn: GIs and Cadillacs, sowie Moon: Over There. Living with the US Military Empire. 1957 wurden eine Reihe afroamerikanischer GIs mit deutschen Frauen in Texas wegen des »Verbrechens« der »Rassenmischung« (miscegenation) verhaftet, nachdem ihre Einheit von Deutschland nach Ft. Hood verlegt wurden. Das Militär konnte sie nur aus dem Gefängnis »befreien« nachdem versprochen wurde, dass die Soldaten und ihre weißen Ehefrauen aus dem Staat entfernt würden. Sie wurden in eine sichere Garnison (Fort Riley) in Kansas geschickt. Zu diesem Vorfall und Hanna Arendts Protest gegen diesen Skandal siehe Hanna Arendt: »Reflections on Little Rock«, in: Dissent, 6.1 (Winter 1959), S. 45-56 und die Gegenargumente von David Spitz und Melvin Tumin in Dissent, Vol. VI, Nr. 1 (Winter 1959), S. 56-71. Ebenso, Höhn: »Love Across the Color Line«; David Hollinger: »Amalgation and Hypodescent: The Question of Ethnoracial Mixture in the History of the United States«, in: American Historical Review, Vol. 108, Nr. 5 (Dezember 2003), S. 1363-1365; Werner Sollors: »Of Mules and Mares«, S. 167–190. Siehe auch Kommentare von Milton Johnson in Ein Hauch von Freiheit. 74 | Historical Division. Headquarters United States Army, Europe, »Integration of Negro and White Troops in the U.S. Army, Europe, 1952-54 (U)«, Heidelberg: 1956. 75 | »For Negroes It’s a New Army Now«, S. 112. 76 | Ebd., S. 112.

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Ein Hauch von Freiheit 77 | James Westheider: Fighting on Two Fronts. African Americans and the Vietnam War, New York: NYU Press, 1999, S. 68. Der Veteran Reuben Horner berichtete, wie bedrückend die Situation rund um viele Garnisonen in den USA war. Vgl. Reuben Horner: »Fighting against My White Superiors«, Interview von Maggi Morehouse, Tucson, AZ, 1998. Zur Rassenintegration in den USA und Westdeutschland, vgl. ebd., sowie Felix Goodwin: »I Didn’t Care Whether Their Daddy Was the Head of the Ku Klux Klan«, Interview von Maggi Morehouse, Tucson, AZ, 1998, beide auf www.aacvr-germany.org/ oralhistory. Ebenso Colin L. Powell: »Guest Speaker Address«, November 6, 1986, 18 th USAEUR Equal Opportunity Conference, »The Value of ›EO‹ in Today’s Army«, November 3-7, 1986, AFRC Garmisch, im HQ USAREUR Archive, Heidelberg über sein Erfahrungen in Fort Bennington, Georgia. Siehe auch Powells Kommentare in Ein Hauch von Freiheit. 78 | »Service Abolish All-Negro Units«, in: New York Times, 31. Oktober 1954, S. 23. 79 | »For Negroes It’s a New Army Now,« S. 112. 80 | Mershon: Foxholes, S. 277f.; »The Digg’s Report«, S. 331, in: MacGregor: Blacks in the Armed Forces, Bd. 12; »The President’s Committee on Equal Opportunity in the Armed Forces«, S. 5f. Vgl. ebenfalls den Brief vom 23. April 1964 von Benjamin Muse an Gerhard Gesell, abgedruckt in MacGregor: Integration, Bd. 13, S. 122. 81 | United States Department of Defense: Integration, S. 7. Vgl. ebenfalls MacGregor: Integration, S. 479. 82 | MacGregor: Integration, S. 479 und 552. 83 | Gropman: The Air Force Integrates, S. 167. 84 | NARA RG 338, LRO 4 October 1956. Der Ortskommandant in Mainz beispielsweise erklärte 1956 drei nur für afroamerikanische GIs reservierte Bars in der Innenstadt off limits für die Soldaten. Zu diesem Thema siehe auch Höhn: GIs und Fräuleins, Kapitel 3 und 8. 85 | Siehe Kapitel 8 in diesem Buch zur Eskalation der Situation in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren. 86 | Zu einer ganz ungewöhnlichen Ausnahme dieser Norm, siehe Höhn, GIs and Fräuleins, Kapitel 8. Dort geht es um ein off-limits für eine ganze Stadt, nachdem eine deutsche »Notvereinigung« in Kaiserslautern 1957 die Amerikaner gebeten hatte, die Steinstraße, ein Viertel, das hauptsächlich schwarze GIs anzog, off-limits für die Soldaten zu machen. Der Kommandeur, Oberst Breden, war keineswegs empört über dieses rassistische Anliegen als er das off-limits erließ. Viel mehr ging es ihm darum, die SPDStadtverwaltung und SPD-Mitglieder im Landrat zu bestrafen, weil sie Stimmung gegen die anstehende Stationierung von NIKE-Raketen machten. Breden war auch sauer weil Oberbürgermeister Sommer ihm gedroht hatte, die US-Frauenverbände über die Ausschreitungen in den Vergnügungslokalen der US-Soldaten (weiß wie schwarz) zu informieren. Die Unruhe innerhalb der Truppen wegen der andauernden Krise in Little Rock, Arkansas in den USA war ein weiterer Grund, warum Oberst Breden in dieser Instanz so konsequent handelte. 87 | NARA, RG 338, Committee on Interracial Relations«, 22. September 1953, wo die Militärführung behauptet, Rassenkonflikte träten fast ausschließlich außerhalb der US-

Kapitel 4: Amerikas Mission in Deutschland Kasernen auf. Vgl. ebenfalls Moskos: The American Enlisted Man, S. 122; Gropman: The Air Force Integrates, S. 166f.; Mershon und Schlossman: Foxholes and Color Lines, S. 278. 88 | »Baumholder: Wer ist das nächste Opfer dieser Willkür? – Jeder farbige amerikanische Soldat trägt ein Messer mit sich. Wirken sich die Vorfälle an der Uni Alabama bis nach Baumholder aus?«, in: Rheinzeitung (RZ), 9. März 1956. 89 | »Steinstraße, Absperrung mit militärischer Pünktlichkeit«, in: Pfälzische Volkszeitung (PV), 9. September 1957, mit Beschreibungen von Rassenkonflikten während der Little Rock Krise. Fritz Licht, Gerd und Ingrid Schwerdtner, Georg Fasching und der ehemalige Polizeichef Haag in Baumholder berichten ebenfalls über diese Gewaltausbrüche unter den Truppen im Gefolge der Ereignisse in den USA. 90 | Westdeutschen Polizeiberichten zufolge verzeichneten während der Fünfzigerjahre alle US-Garnisonsgemeinden der Bundesrepublik einen signifikanten Anstieg an Gewalt und Sachschäden, »meist verursacht durch Besatzungssoldaten (US Army)…« Die große Mehrheit dieser Vorfälle ließ die Westdeutschen allerdings unbeteiligt, aber traten auf wegen der Rassenspannungen zwischen den weißen und schwarzen GIs im Gefolge der Spannungen, die aus den Integrationsmaßnahmen des US-Militärs hervorgingen und den intensivierten Auseinandersetzungen um die Bürgerrechte in den USA. Vgl. Geschichte der Polizei des Birkenfelder Landes, Birkenfeld, Kreisverwaltung, 1987, S. 374. 91 | »Rassenhass und Schlägermethoden bei der Militärpolizei?«, in: PV, 19. Dezember 1958. Zu weiteren Protesten gegen die von amerikanischen Dienststellen verlangte Rassentrennung vgl. den Brief von Sgt. Hely R. Harrell an den Kongressabgeordneten Adam Clayton Powell, Jr., vom 12. November 1954, weitergeleitet an den Verbindungsoffizier am 7. Dezember 1954, RG 407, Box 129, NARA. Viele der von den GIs besuchten Bars gehörten – wie im vorliegenden Fall – aus Osteuropa stammenden Juden, die den Holocaust überlebt hatten. Die Ortsbehörden waren sehr darauf bedacht, dass in deren Lokalen (oft auf Anweisung der US Kommandeure) angebrachte Rassentrennungsschilder entfernt wurden, da diese Art der Diskriminierung in der Bundesrepublik verboten war. Zu einer Kritik der jüdischen Barbesitzer, die afroamerikanischen GIs den Zutritt zu ihren Etablissements verweigerten, vgl. »Wir wollen die Dinge beim Namen nennen«, in: RZ, 21. und 28. Juli 1959; »Amerikanern den Begriff des Hausrechts klar machen«, in: PV vom 14. Mai 1957; und »Das sind keine Rassenstreitigkeiten«, in: RZ, 13. Oktober 1959. Zur Thematik der sogenannten »jüdischen Barbesitzer« im Umfeld der US Garnisonen in den 1950er und 1960er Jahren, siehe Höhn: Amis, Cadillacs, Kapitel 3, 4 und 8. 92 | 1962 wiesen 24 Prozent der Garnisonen in den Vereinigten Staaten immer noch rassengetrennte Schulen auf, 34 Prozent rassengetrennte Restaurants und 31 Prozent rassengetrennte Kinos in den zugehörigen Gemeinden. Vgl. The President’s Committee, S. 45 und Richard Stillman: Integration of the Negro in the U.S. Armed Forces, New York: Praeger, 1968, S. 90. 93 | Zu McNamaras Selbstkritik vgl. Alan M. Osur: »Black White Relations in the U.S. Military 1940–1972«, aufgerufen unter www.airpower.maxwell.af.mil/airchronicles.ayreview/1981/nov-dec/osur.htm.

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Kapitel 5 Bürgerrechte für Ost und West: Martin Luther King in Berlin, 1964 Die Kirche ist brechend voll […] Und während der gesamten Zeit, die Dr. King spricht, ist es mucksmäuschenstill. Niemand hustet, niemand niest. […] Diese Menschen sind gegen ihren Willen in einer Art Gefängnis eingeschlossen. Sie haben kein Anrecht auf irgendeine Freiheit. Und er spricht zu ihnen über passiven Widerstand. Mit anderen Worten, er gesteht ihnen zu, dass »ihr in einer Situation seid, in der Widerstand geleistet werden muss«. Und das war radikal – nicht nur dort, sondern überhaupt.

Mit diesen Worten beschreibt Alcyone Scott, eine der örtlichen Dolmetscherinnen von Dr. Martin Luther King Jr. bei seinem Berlin-Besuch im Herbst 1964, die Predigt eines der prominentesten Repräsentanten der Bürgerrechtsbewegung am Abend des 13. September in der Ostberliner Marienkirche, einer der größten und ältesten evangelischen Kirche in der damals geteilten Stadt. Dieser Berlin-Besuch Kings im September 1964, nur einen Monat bevor ihm der Friedensnobelpreis verliehen wurde, ist eine der bedeutendsten Wegmarken in der Rezeption der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in Deutschland. King betrat einen der Brennpunkte des Kalten Krieges, um seine Botschaft von Gewaltlosigkeit und Brüderlichkeit zu verbreiten. Er unterstrich dabei nicht nur die globale Dimension des Kampfes um Gleichstellung der Rassen, sondern übte auch eine besondere Wirkung auf die Bürger Berlins aus, im Osten wie im Westen. Der afroamerikanische Kampf um die Bürgerrechte nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Nachkriegsdeutschland bereits seit seinen Anfängen aufmerksam verfolgt. Während die offizielle DDR-Presse zu revolutionärer Solidarität mit unterdrückten Teilen der US-Bevölkerung aufrief, führte dieser Kampf in Westdeutschland zu Kritik und Zweifeln an der demokratischen »Mission« der USA und ihrer Führung der »freien Welt«. Westdeutsche Me-

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Ein Hauch von Freiheit

dien berichteten ausführlich und detailliert über die wichtigsten Ereignisse der Bürgerrechtsbewegung: über die wegweisende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Verfahren Brown vs. Board of Education, die die Rassentrennung in öffentlichen Schulen 1954 aufhob, Rosa Parks mutige Weigerung, ihren Sitz in einem Bus der Stadt Montgomery (Alabama) für einen Weißen zu räumen, die zum Montgomery-Busboykott von 1955 führte, und die turbulenten Ereignisse rund um das erste Schuljahr nach Aufhebung der Rassentrennung in einer bisher rein-weißen Highschool in Little Rock (Arkansas) 1957. All diese entscheidenden Wendepunkte der Bürgerrechtsbewegung lösten großflächige Berichterstattung und Kommentare über die Fortschritte in der Frage der Rassenbeziehungen jenseits des Atlantiks aus.1 Die Berichterstattung weitete sich zu Beginn der 1960er Jahre noch aus, als Augenzeugenberichte, historische Analysen und Beiträge prominenter Repräsentanten der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung immer öfter ihren Weg in bundesrepublikanische Zeitungen und Zeitschriften fanden.2 Sabine Lietzmann, US-Korrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), war eine besonders aufmerksame Beobachterin der Ereignisse. Lietzmann betonte immer wieder die Bedeutung der in den USA stattfindenden sozialen und politischen Veränderungen und prognostizierte: »Die zwanzig Millionen amerikanischer Neger, auf deren Seite das Gesetz ist, finden sich nicht mehr mit Brocken ab, die ihnen widerwillige Gesetzestreue hinwirft. […] Das schwarze Selbstbewusstsein ist erwacht, seit dem Zweiten Weltkrieg, den Gesetzessprüchen der Nachkriegszeit und dem Auftritt der schwarzen Welt von Afrika.« Aus ihrer Sicht war der amerikanische Süden ein »Pulverfass« kurz vor der Explosion, und »kein Amerikaner kann mehr sagen, dass er die Sturmzeichen nicht gesehen habe«.3 Lietzmann ging so weit, das Jahr 1963 im Rückblick als »Jahr des Negers« zu bezeichnen: Im Frühjahr hatten Gesetzeshüter in Birmingham abgerichtete Polizeihunde auf Demonstranten losgelassen; am 28. August waren Hunderttausende zu einem »Marsch auf Washington« zusammengekommen, um Dr.  Kings »Ich habe einen Traum«-Rede zu hören, während sie für Gleichstellung und Versöhnung zwischen den Rassen demonstrierten; und am 15. September wurden – ebenfalls in Birmingham – vier junge afroamerikanische Mädchen bei einem Bombenanschlag des Ku Klux Klan auf eine afroamerikanische Kirche getötet. Obwohl sie die künftigen Herausforderungen realistisch einschätzte, gab sich Lietzmann optimistisch: »Die Weißen können Auge und Herz nicht mehr vor dem verschließen, was dem schwarzen Volksteil geschieht. Diesem aber hat ›das Jahr der Revolution‹, wie es 1963 schon nach seiner ersten Hälfte vielfach genannt wurde, ein neues Selbstbewußtsein gebracht.«4 Andere Kommentatoren in der Bundesrepublik teilten diese Einschätzung und stimmten darin überein, dass die Bewegung, die zuvor von religiösen Leitfiguren dominiert worden war, nun auf dem Weg

Kapitel 5: Bürgerrechte für Ost und West

war, eine politische Massenbewegung zu werden, die das Land fundamental verändern würde.5 Nicht nur Journalisten, sondern auch Teile der bundesrepublikanischen Gesellschaft begannen nun, aktiv und öffentlich die Bürgerrechtsbewegung zu unterstützen. Als Präsident John F. Kennedy am 25. September 1963 Frankfurt a.M. besuchte, bildete sich eine parteiübergreifende Koalition von Konservativen, Sozialdemokraten und linksgerichteten deutschen Studenten, sowie amerikanischen und afrikanischen Studenten, um für gleiche Bürgerrechte für alle Bevölkerungsgruppen in den Vereinigten Staaten zu demonstrieren. Diese Gruppe von mehr als hundert Demonstranten lief in einem Schweigemarsch durch die Innenstadt und hielt Transparente hoch mit der Aufschrift »Gleiche Rechte für alle Amerikaner«, »Gib mir Freiheit oder Tod« und »1963: Zeit, die Bürgerrechte zu praktizieren, die 1865 beschlossen wurden«. An ihrem Ziel, dem US-Konsulat, angekommen, übergaben sie eine von vierhundertfünfzig Personen unterschriebene, an den US-Präsidenten gerichtete Petition. Darin wurden Kennedys vergangene Bemühungen in Sachen Bürgerrechte für Afroamerikaner anerkannt, aber auch weitere Maßnahmen zur Bekämpfung heimischen Rassismus’ und Diskriminierung gefordert.6 Ähnlichen Gedanken und Erwartungen Ausdruck verleihend war in der Menge, die sich Kennedys Rede am selben Tag auf dem Frankfurter Römerberg anhörte, ein Transparent zu lesen, auf dem »Für farbige Menschen stehen wir hinter Präsident Kennedy« stand.

Abb. 5.1: Schweigemarsch für gleiche Bürgerrechte für Afroamerikaner, Frankfurt a.M., 25. September 1963 (Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt a.M.)

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U rsprung und G rund für K ings B esuch Martin Luther Kings Berlin-Besuch 1964 mitten im Kalten Krieg fand im Kontext dieser erhöhten Aufmerksamkeit der Deutschen bezüglich der Bürgerrechtskämpfe in den Vereinigten Staaten und den Solidaritätserklärungen hierzu statt. Die Initiative für den Besuch war von Willy Brandt ausgegangen, damals Regierender Bürgermeister Westberlins und später Außenminister und Bundeskanzler der Bundesrepublik. Während seines Washington-Besuchs im Mai 1964 hatte Brandt bei einer Veranstaltung, die von der Gruppierung Americans for Democratic Action initiiert worden war, King von seinem »Traum eines Amerikas, das die Rassentrennung überwunden hat« sprechen gehört. Bei dieser Gelegenheit sprach Brandt seine Einladung an King aus, Deutschland zu besuchen.7 Ein weiterer wichtiger Förderer von Kings Besuch war Propst Heinrich Grüber, der ehemalige Pfarrer der Ostberliner Marienkirche. Grüber war aktiv im Widerstand gegen das Nazi-Regime gewesen und hatte 1961 für internationale Aufmerksamkeit erregt, als er in Jerusalem als einziger Nicht-Jude im Prozess gegen Adolf Eichmann aussagte, einen der führenden Organisatoren des Holocaust. Eingeladen von amerikanischen Kirchen, begann Grüber in den folgenden Jahren die USA zu bereisen, um zu predigen und Kontakte zu einer Vielzahl jüdischer und afroamerikanischer Theologen zu pflegen. Bei diesen Besuchen sammelte Grüber aus erster Hand Eindrücke über die Bürgerrechtsbewegung und traf im September 1962 u.a. auch mit Justizminister Robert Kennedy zusammen.8 Im Laufe des Jahres 1963 begann Grüber dann eine Korrespondenz mit King und lud ihn nach Berlin ein. Wie er in seinem ersten Brief erläuterte, sah Grüber Kings Forderung nach einer Rassengleichberechtigung auf einer Ebene mit seinem eigenen Widerstand gegen den Faschismus: Ich erinnerte mich an die Zeiten unter dem Hitler-Regime, als meine geliebte Frau und meine Familie mit mir und für mich kämpften, und ich entschied mich, Ihnen zu schreiben. Ich schreibe in der Verbindung desselben Glaubens, derselben Hoffnung, im Bewusstsein, dass Ihre Erfahrungen die gleichen sind wie unsere. Als Hitler die so genannten ›Nürnberger Gesetze‹ veröffentlichte, schloss ich mich mit vielen anderen Pfarrern der Bekennenden Kirche zusammen, im Widerstand gegen diese Gesetze und eröffnete ein Büro, um den Unterdrückten und Diskriminierten zu helfen; dieses Büro trug meinen Namen. Daher ließ mich Eichmann 1940 in ein Konzentrationslager einweisen: zuerst nach Sachsenhausen, dann nach Dachau. 9

Seine Zeit in den Nazi-KZs und seine Teilnahme am Eichmann-Prozess schildernd, erläuterte Grüber die Motive seiner Unterstützung und seiner Solidarität wie folgt: »Während der Hitlerzeit habe ich mich oft dafür geschämt, ein

Kapitel 5: Bürgerrechte für Ost und West

Deutscher zu sein, so wie ich mich heute schäme, ein Weißer zu sein. Ich bin Ihnen dankbar, lieber Bruder, und all denen, die mit Ihnen in diesem Kampf um Gerechtigkeit stehen, den Sie im Geiste Jesus Christus führen.«10 In seiner Antwort dankte King seinerseits Grüber für die zum Ausdruck gebrachte Unterstützung und für die Einladung, und schrieb, dass er sich »freue, nach Berlin zu kommen«, sobald sich die Gelegenheit dazu ergebe und sein Terminkalender dies erlaube.11

Z wischen F est wochen und K irchentag Es dauerte nicht lange, bis sich eben diese Gelegenheit bot. Nur einige Monate später reiste King nach Berlin, um an den 14.  Berliner Festwochen teilzunehmen, die vom 12. bis 14. September 1964 stattfanden und deren Thema Die europäischen Beziehungen zu Afrika waren.12 Gleich nach seiner Ankunft in Berlin war King einem Terminplan unterworfen, der ihn von einer offiziellen Veranstaltung zur nächsten trieb. Nach ihrer Landung auf dem Flughafen Tempelhof in Westberlin am Nachmittag des 12. September wurden King und Pfarrer Dr. Ralph Abernathy, sein enger Mitarbeiter und Vizepräsident der Southern Christian Leadership Conference (SCLC), der King vorstand, von Propst Grüber begrüßt, sowie von Regierungsvertretern und kirchlichen Würdenträgern (unter anderem von dem Westberliner Wissenschaftssenator Walter Stein und dem Generalsuperintendent der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Hans-Martin Helbich). Der amerikanische Bürgerrechtler war sofort umringt von einer großen Zahl deutscher und internationaler Journalisten, die ihn mit Spannung erwarteten.13 Unmittelbar danach wurde King zu seiner ersten Pressekonferenz eskortiert und anschließend zu seiner Unterkunft, dem Gästehaus des Westberliner Senats am Wannsee im Berliner Stadtteil Grunewald. Der nächste Morgen begann mit der Eintragung Kings in das Goldene Buch der Stadt im Rathaus Schöneberg (damals Sitz des Regierenden Bürgermeisters und des Senats) sowie einem Empfang, der vom Regierenden Bürgermeister Willy Brandt ausgerichtet wurde. Als Geschenk überreichte Brandt King eine kleine Replik der Berliner Freiheitsglocke, einer zehn Tonnen schweren Glocke, die der Stadt 1950 von den Vereinigten Staaten geschenkt worden war als Teil einer Initiative von General Lucius D. Clay, die von der US-Regierung unterstützt wurde. Angelehnt an die Philadelphia Liberty Bell sowie Abraham Lincolns Gettysburg Address, war der Glocke als Motto That this world under God shall have a new birth of freedom (Dass diese Welt vor Gott in Freiheit neu geboren werden möge) eingraviert worden, welches angesichts des Kalten Krieges als Anspielung auf den Wettkampf zwischen Demokratie und Kommunismus gemünzt war. Zusammen mit einer »Freiheitserklärung«, die von sechzehn Millionen Amerikanern unterschrieben worden war, wurde sie im Westberliner Rathaus

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installiert, und sandte von dort täglich ihr Geläut über die geteilte Stadt. Die Stadt ließ daraufhin kleine Reproduktionen der Freiheitsglocke anfertigen, um sie berühmten amerikanischen Staatsgästen zu überreichen als Zeichen der Dankbarkeit für die amerikanische Verteidigung der Freiheit der Stadt mittels der Luftbrücke während der sowjetischen Berlin-Blockade 1948/1949 und während des Mauerbaus 1961.14 Dem Empfang im Rathaus schloss sich die offizielle Eröffnungsfeier des jährlichen Westberliner Kulturfestivals in der Philharmonie an. In diesem Jahr war die Eröffnungsveranstaltung zu Ehren des kürzlich ermordeten USPräsidenten zu einer von vier internationalen Chören musikalisch begleiteten Trauerfeier für John F. Kennedy umgewandelt worden.15 Nur ein Jahr zuvor hatte Kennedy der Stadt seinen historischen Besuch abgestattet. Unter dem Jubel von Tausenden Westberlinern hatte er erklärt »Ich bin ein Berliner«, und damit Amerikas Engagement für Westberlin angesichts der kommunistischen Bedrohung unterstrichen.16 Mit Bezug auf Kennedys Entschlossenheit schilderte Brandt in seiner Ansprache während der Eröffnungszeremonie den Kampf der Stadt innerhalb des globalen Kampfes um Frieden und Freiheit: Hier in Berlin ist ein Wunder geschehen, versicherten sich die Menschen gegenseitig, umgeben von bedrohlicher Macht, aber bestärkt durch das Bewusstsein, dass Freiheit stärker ist. Dies war und wird entscheidender sein als eine rein nationale Aufgabe. Wir wissen, dass es hier um Freiheit für alle geht. Alle Menschen, ungeachtet ihrer Hautfarbe, ihres Glaubens, ihrer sozialen Herkunft, ihrer Nationalität. In diesem Sinne beginnen wir diese Festwochen 1964.

Gerechtigkeit und die Gleichstellung der Rassen waren integrale Bestandteile von Brandts Verständnis von Freiheit. Dies war auch eine Quelle der Bewunderung gegenüber seinem amerikanischen Gast, der »sein Leben seiner großen Aufgabe mit Mut und Entschlossenheit gewidmet hat: Die Sache der Freiheit voranzutreiben und seinem Land zu helfen.« Brandt zufolge waren die Festwochen 1964 als Signal der Freiheit gedacht, von einem Ort aus, an dem sich – gegen alle Wahrscheinlichkeit – »der Anspruch auf Menschlichkeit und Weltoffenheit zu behaupten weiß«. Brandt verstand Freiheit als fundamentales Menschenrecht für Menschen überall auf der Erde, und besonders für die, die in der Vergangenheit und der Gegenwart Opfer von Diskriminierung und Unterdrückung geworden waren. Er bezog somit den Kampf gegen den Kommunismus, den Entkolonialisierungsprozess und nationale Befreiungsbewegungen ebenso wie die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung in das übergeordnete Verlangen nach Freiheit weltweit ein: Ich würde mich freuen, wenn eine Botschaft des Selbstvertrauens und der Hoffnung von diesem Platz und von unserem Festival für viele Menschen ausginge. Besonders natür-

Kapitel 5: Bürgerrechte für Ost und West lich auch für die Menschen Afrikas. Und in Übersee. Aber auch in den stillen Straßen jenseits der Mauer, von denen Kennedy sprach. Für alle Menschen, die danach streben, jenseits der zeitweise eher engen Agenda der Politik zu gelangen und ihr Leben in Frieden und Freiheit und Würde zu verleben.17

Abb. 5.2: Martin Luther King Jr. und der Regierende Bürgermeister von Westberlin, Willy Brandt, während der Eröffnungsfeier der Berliner Festwochen am 13. September 1964 (SZ Photo) King unterstützte diese globale Sichtweise des Kampfes um Gleichberechtigung und Gerechtigkeit, die eine der rhetorischen Erkennungszeichen seines Aufenthaltes in Berlin werden sollte, in seinen eigenen Ausführungen zu John F. Kennedy während der Eröffnungsveranstaltung. King zufolge hatte der Präsident verstanden, dass »die Menschenrechte das zentrale Anliegen der Welt« geworden waren, und dass »der Kampf der Neger« in den Vereinigten Staaten »ein Teil dieses weltweiten Kampfes war«. Obwohl »am amerikanischen PolitHorizont Gewitterwolken aufzogen, die darauf hinwiesen, dass die Wurzeln von Gewalt und Extremismus noch immer sehr tief reichten« in seinem Land, blieb King optimistisch, dass »letztlich die Kräfte des Guten siegen werden«.18 Im Herbst 1964 verkörperte republikanische Präsidentschaftskandidat Barry Goldwater eine jener bedrohlichen Wolken. Schon durch seine Goldwater-Kommentare während der Pressekonferenz am Vortag hatte King deutliches Befremden in Washington provoziert. Nach den bevorstehenden US-Wahlen befragt, hatte der Bürgerrechtler erklärt, dass die Kandidatur des Senators der Republikaner ein »Anzeichen für Hitlerismus« darstelle. Sollte Goldwater gewinnen, so prophezeite King, werde die USA »eine dunkle Nacht der sozialen Brüche« und Gewalt »in einem […] nie zuvor gesehenen Maßstab erfahren«.19 King zu-

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folge war Goldwater selbst nicht notwendigerweise ein »Rassenfanatiker«, aber er »symbolisiert eine Philosophie, die dem Faschismus den Weg ebnet und den Rassenfanatikern – wie in Mississippi – eine Heimat gibt und ihnen hilft«. Eine mögliche Konsequenz, so behauptete King, sei »die Gefahr eines Dritten Weltkriegs«. Pointiert fasste King seine Einschätzung in dem folgenden, drastischen Satz zusammen: »Nationalistische Gefühle und Chauvinismus – von Goldwater genährt – könnten zur totalen Vernichtung führen«.20 Es erscheint verblüffend, dass sowohl Brandt wie auch King gegenseitig Bezüge zur jeweiligen Geschichte Deutschlands und den USA herstellten, um ihre eigene Definition von Freiheit in dieser Zeit zu untermauern. Während einer programmatischen Kirchentags-Rede am Nachmittag wurde diese Strategie Kings umso deutlicher. Vor 20.000 in einem Freilufttheater versammelten Berlinern verglich er die Konfliktlinien in seiner Heimat mit der Teilung Berlins, der Stadt, die laut King zu einem »Symbol der Teilungen der Menschen auf dem Angesicht der Erde« geworden war.21 Als einer der Brennpunkte des Kalten Krieges sei die Stadt nicht nur in den Fokus weltweiter Aufmerksamkeit geraten, sondern habe auch größere historische Bedeutung gewonnen: Hier in Berlin kommt man nicht darum herum, zu verstehen, dass ihr im Zentrum der Weltgeschichte steht. So wie wir [in den USA] uns als Testgelände für das Zusammenleben der Rassen trotz ihrer Unterschiede beweisen, so seid ihr ein Beweis für die Möglichkeit der Ko-Existenz der beiden Ideologien, die nun die Welt dominieren. Wenn es Menschen gibt, die sich jeder Zeit ihrem Schicksal gegenüber sehr bewusst sein sollten, dann ist es die Bevölkerung von Berlin, im Osten wie im Westen. 22

Abb. 5.3: Martin Luther King Jr. predigt vor mehr als 20.000 Berlinern in der Waldbühne, Westberlin, 13. September 1964 (ullstein bild-dpa)

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King war sich natürlich der grundlegenden Unterschiede zwischen der Situation in Berlin und in den Vereinigten Staaten bewusst. Er bekräftigte, dass er – aufgrund der mangelnden Vertrautheit mit den örtlichen Gegebenheiten und der Kürze der Zeit, die er in der geteilten Stadt verbringen konnte – nicht gekommen sei, um »zu versuchen, euch das Wort Gottes für eure Lage zu bringen«. Seiner Ansicht nach war sein Aufenthalt »nicht lang genug […], um Gottes Plan für euch und seine Bestimmung für euch zu erkennen«.23 Dennoch nutzte King seine Zeit im geteilten Deutschland, um seine Botschaft der Brüderlichkeit, zur Überwindung nationaler Gegensätze gedacht, näher zu erläutern: Ungeachtet der Schranken, die mit der Rasse, dem Glauben, der Ideologie oder der Nationalität verbunden sind, gibt es ein unausweichliches Schicksal, das uns verbindet. Es gibt eine gemeinsame Menschlichkeit, die uns empfindsam macht gegenüber den Leiden, die wir teilen. Und für viele von uns gibt es einen Gott, einen Glauben und einen Taufsegen, der uns in einer gemeinsamen Geschichte verbindet, eine gemeinsame Bestimmung, und eine gemeinsame Hoffnung auf die Rettung der Welt.

Angesichts der globalen Spaltung in zwei ideologische Machtblöcke, die sich in Berlin manifestierte, bedeute dies für King, dass auf jeder Seite der Mauer Gottes Kinder sind, und keine menschengemachte Barriere kann diesen Umstand auslöschen. Ob im Osten oder im Westen, Männer und Frauen suchen nach Sinn, hoffen auf Erlösung, sehnen sich nach Glauben an etwas außerhalb von ihnen selbst, und bitten verzweifelt um Liebe und Gemeinschaft, um sie auf dieser Pilgerreise zu unterstützen.

King verwendete den größten Teil seiner Waldbühnen-Predigt darauf, seine deutsche Zuhörerschaft mit den Bürgerrechtskämpfen in den USA vertraut zu machen – vom Bus-Boykott in Montgomery und den Sit-ins in Greensboro (North Carolina), bis hin zu der SCLC-Kampagne in Birmingham 1963 und der Verabschiedung des Bürgerrechtsgesetzes durch den US-Kongress im Jahr 1964. Ausgehend von seiner Überblicksdarstellung der wichtigsten Ereignisse der Bewegung skizzierte King seine Vision davon, wie »die klirrenden Misstöne zwischen den Nationen zu einer wunderschönen Symphonie der Brüderlichkeit« transformiert werden könnten.24 Kings Auftritt als Hauptredner des Kirchentags wurde von Publikum und den kirchlichen Würdenträgern enthusiastisch gefeiert. Unmittelbar vor seiner Predigt, als Hans-Martin Helbich, Generalsuperintendent der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg, ankündigte, dass der amerikanische Gast an diesem Abend auch noch in Ost-Berlin sprechen werde, gab es stürmischen Applaus. Ein weiterer protestantischer Kirchenoberer, Otto Dibelius, Bischof der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg, erläuterte die

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politischen Implikationen von Kings Botschaft: »Um unserer Seelen Seligkeit willen muss die Mauer weg.« Sich direkt an King wendend, versprach Dibelius ihm die Unterstützung der Christen in Berlin und Deutschland, sollte King bei seinem gewaltlosen Kurs bleiben: »Wenn Sie Ihren Kampf um Freiheit mit dem festen Vorsatz beginnen, einen Kampf ohne Gewalt zu führen und im Geist der Versöhnung den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen, dann steht die ganze Christenheit in Berlin und Deutschland neben Ihnen und erklärt: Wir wollen den gleichen Kampf ohne Gewalt führen.«25 Aber die kirchlichen Würdenträger brachten ihre Bewunderung für King noch auf andere Weise zum Ausdruck: durch die Verleihung der Ehrendoktorwürde seitens der Theologischen Hochschule der Evangelischen Kirche BerlinBrandenburg. Sie wurde King nach der Veranstaltung in der Waldbühne im privaten Wohnhaus Dibelius’ überreicht. In der Begründung hieß es, dass ihm diese Ehre als »ein leuchtendes Beispiel christlicher Verantwortung« und als einem »mutigen und selbstlosen Führer im Kampfe um das Recht und die Freiheit unterdrückter Menschen« zuteil werde. Der Text der Verleihungsurkunde erläuterte darüber hinaus, dass King gewürdigt werde als jemand, »der die Frage der Bedeutung christlicher Liebe für das politische Leben und das Verständnis von Liebe und Gewalt mit Ernst und in gelehrter Weise durchdacht und damit der Teilnahme der Christen am politischen Leben neue Wege gewiesen hat«.26 King hatte zuvor die politischen Realitäten bei einer Stadtführung drastisch vor Augen geführt bekommen. An diesem Morgen hatte der junge ostdeutsche Jockey Michael Meyer versucht, über die Berliner Mauer in den Westen zu fliehen, was zu einem Schusswechsel zwischen DDR-Grenzsoldaten auf der einen und US-Soldaten auf Wache auf der westlichen Seite der Mauer führte. Die DDRGrenzsoldaten hatten das Feuer eröffnet und Meyer getroffen, nachdem er an der Stallschreiber Straße in Berlin-Mitte unter dem Stacheldraht durchgekrochen war. Es gelang einigen Westberlinern und dem US-Gefreiten Hans Puhl, ihn zu retten. Während Anwohner und Feuerwehrleute den Stacheldraht durchschnitten, warf Puhl eine Handgranate in Richtung der DDR-Soldaten und erwiderte das Feuer solange, bis er es schaffte, Meyer mit einem Seil über die Mauer zu ziehen. Meyer überlebte den Vorfall, musste aber zunächst in ein Krankenhaus. Ein DDR-Grenzsoldat wurde bei dem Schußwechsel ebenfalls verwundet.27 Als King nachmittags von diesem Vorfall hörte, ließ er sich zum Ort des Geschehens bringen, sah sich die Fluchtstelle an und sprach mit Westberliner Anwohnern, deren Wohnhaus von Schüssen der DDR-Grenzsoldaten getroffen worden war. Als ihm das ganze Ausmaß der Befestigungen klar wurde, die die beiden Teile der Stadt voneinander trennten, sah er den »unfassbaren« Vorfall als weiteren Beleg für die Notwendigkeit einer Entspannung zwischen den beiden Supermächten an.28 Bei einer anschließenden Pressekonferenz befragt, was er persönlich tun könne, um den Menschen jenseits der Mauer in der gegenwärtigen Situation Frieden und Freiheit zu bringen, gab King zwar

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zu, dass er keine konkrete Antwort habe, dass er aber Gewaltlosigkeit als die einzige Methode mit Aussicht auf Erfolg bevorzuge.29

Abb. 5.4: Martin Luther King Jr. im Gespräch mit Familie Grossman in der Stallschreiberstrasse, deren Wohngebäude bei einem Schusswechsel an der Berliner Mauer zwischen DDR-Grenzsoldaten, Westberliner Polizei und US-Soldaten getroffen worden war, 13. September 1964 (akg-images)

Abb. 5.5: Martin Luther King Jr. und Ralph David Abernathy an der Berliner Mauer, Ecke Bernauer Straße und Schwedter Straße, 13. September 1964 (Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 Nr. 0099676 / Karl-Heinz Schubert)

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M it der S checkk arte durch den eisernen V orhang Nur ein paar Stunden später hatte King die Gelegenheit, sich direkt an Ostberliner Bürger zu wenden, als er den Eisernen Vorhang am Checkpoint Charlie überquerte, um seine Predigt im kommunistischen Ostberlin zu halten, die Helbich am Nachmittag angekündigt hatte. Maßgeblich verantwortlich für Kings Auftritt in der Marienkirche war Propst Grüber. Seit seinem USABesuch war Grüber zu einem passionierten Unterstützer von Kings Aktivismus geworden. Er half bei der Übersetzung der wichtigsten Texte Kings ins Deutsche mit, um die Bürgerrechtsbewegung zu unterstützen: wie etwa Kings »Brief aus dem Gefängnis in Birmingham« von 1963 und die Aufrufe zu Versammlungen im ganzen Land. In einem Nachwort zur deutschen Ausgabe von Kings Schriften, deren Veröffentlichung genau in den Zeitraum von Kings Deutschlandbesuch fiel, betonte Grüber, dass die Rassentrennung »eine der größten Sünden unserer Zeit« sei. Aufgrund ihrer Vergangenheit hätten deutsche Christen seiner Ansicht nach eine besondere Verantwortung, gegen diese Form der Diskriminierung zu protestieren: Wir haben es im Dritten Reich schmerzhaft empfunden, wenn Theologen, die sich christlich nannten, Brüder und Schwestern, die nach den Nürnberger Gesetzen als Juden galten, auch im Gottesdienst separieren wollten und einen eigenen Gottesdienst, ja eigene Kirchen für sie forderten. Wir wissen nicht, wie dies zu vereinbaren ist, wenn Menschen eine allgemeine heilige Kirche bekennen und das Lied singen: ›Eine Herde und ein Hirte‹. Diese Schizophrenie ist in Amerika zur Zeit noch viel stärker verbreitet, als sie es seinerzeit bei uns war. 30

Angesichts seiner dezidierten Haltung im Hinblick auf die Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung in den Vereinigten Staaten hatte Grüber nicht nur eine schriftliche Einladung an King übersandt, sondern sich auch innerhalb der örtlichen Kirchenverwaltung dafür eingesetzt, King eine Rede in Grübers früherer Kirche, der ehrwürdigen, um 1250 erbauten Marienkirche am Alexanderplatz, mitten im Zentrum Ostberlins zu ermöglichen, in der schon der Reformator Martin Luther im 16. Jahrhundert gepredigt hatte.31 Am Ende hielt King sogar zwei Predigen, weil so viele Menschen ihm zuhören wollten. Hinweise darauf, dass King in Ostberlin sprechen werde, waren von den westlichen Medien schon vor seiner Ankunft in der geteilten Stadt bekannt gemacht worden.32 Obwohl es keine offizielle Ankündigung seitens der DDR-Regierung gegeben hatte, verbreitete die Mund-zu-Mund-Propaganda das Gerücht rasch in der kommunistischen Hälfte der Stadt. Zwei Stunden vor der Veranstaltung mussten die Türen der Marienkirche bereits geschlossen werden, da das Gebäude nicht mehr als jene rund 2.000 Ostberliner aufnehmen konnte, die sich zu diesem Zeitpunkt schon versammelt hatten, um King

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zu sehen. Als der Zustrom der Menschen auch eine Stunde vor der Veranstaltung nicht aufhörte, waren die Kirchenleiter gezwungen, eine zweite Predigt in der nahegelegenen Sophienkirche anzusetzen.33 Die Ankunft des amerikanischen Gastes wurde jedoch durch Probleme an der Grenzübertrittsstelle verzögert. Begleitet von dem amerikanischen Pastor Ralph Zorn und seiner Gemeindemitarbeiterin Alcyone Scott war King am Checkpoint Charlie ohne Reisepass eingetroffen. Scott, eine 25jährige Absolventin der Universität von Chicago, war bereits Anfang 1963 nach Berlin gekommen, um für die Lutheranische Weltstiftung in Zorns Gemeinde in Berlin-Wedding zu arbeiten. Nachdem sie von Zorn gebeten worden war, ihn zu begleiten und als Übersetzerin für Dr. King während seiner Zeit in Ostberlin auszuhelfen, musste Scott nun über die Einreise der Gruppe nach Ostdeutschland mit den Grenzpolizisten verhandeln, die sie von einem früheren Grenzübertritt her kannte. Da King keinen Identitätsnachweis bei sich hatte, weigerte sich der DDR-Grenzbeamte hartnäckig, ihnen die Einreise nach Ostberlin zu gestatten. Nachdem er King jedoch erkannt hatte, hielt er Rücksprache mit seinen Vorgesetzten und verlangte dann einen alternativen Identitätsnachweis. Der Bericht, der hierüber für das Ministerium für Staatssicherheit angefertigt wurde, beschreibt das Ereignis wie folgt: Befragt, ob er irgendeine andere Art von Ausweise bei sich habe, zeigte Dr. King eine Scheckkarte der USA vor (ähnlich einer Identity Card). […] Außerdem merkte Z[orn] an, dass K[ing] selbst die Predigt in der Marienkirche halten werde. Daraufhin wurden den drei Bürgern – nach Rücksprache mit dem diensthabenden Offizier – die Einreise gestattet. […] Dr. King und die anderen drückten wiederholt ihre Dankbarkeit aus und fuhren dann gegen 19 Uhr 52 ins demokratische Berlin hinein. 34

Das Magazin Ebony berichtete später, »es war das erste mal in der Geschichte des Staates, dass jemand anderem als einem Überläufer gestattet wurde, nach Ostberlin einzureisen, ohne ein offizielles Ausweisdokument vorweisen zu können«.35 Da die Menschenmenge vor der Kirche nun bereits schon geraume Zeit auf King hatte warten müssen, war sie schwierig im Zaum zu halten, als er schließlich eintraf. Die Leute umschwärmten sofort den Kleinbus. Scott erinnert sich wie folgt diese Szene: »Ich konnte nicht aussteigen, weil die Menschen so gegen die Türen drückten, um King zu sehen. Man kam sich vor wie die Beatles, weil die Leute ihn erdrückten, ihn buchstäblich erdrückten. Sie alle wollten ihn entweder berühren oder ein Autogramm bekommen; sie gaben ihm Streichholzschachteln oder irgendwas anderes und sagten ›Bitte signieren Sie das‹. Es war einfach phänomenal!«36 Die teilweise chaotische Situation wurde noch verschärft durch den Umstand, dass die Marienkirche zu dieser Zeit keinen eigenen Pfarrer hatte, der

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die Pfarrei führte, und der einen etwas ordnungsgemäßeren Empfang für King hätte vorbereiten können. Propst Grüber, der diese Position früher einmal innehatte, war die Einreise in die DDR Ende August 1961 wegen der Kritik am ostdeutschen Staat, die er in seinen Predigten hatte verlauten lassen, endgültig untersagt worden. Seit damals waren bereits zwei Nachfolger gekommen und wieder gegangen: Pastor Martin Helmer war kurz darauf aus der DDR geflohen, und Pastor Werner Arnold war festgenommen und inhaftiert worden, nachdem er dreißig Ostdeutschen die Flucht ermöglicht und Westprodukte und Medizin nach Ostberlin geschmuggelt hatte.37 Daher wurde King von Gerhard Schmitt willkommen geheißen, dem kurz zuvor ernannten Generalsuperintendenten der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburgs, dem es nur mit großer Mühe gelang, seinen Gast durch die Menge in die Kirche zu schleusen.38 Die Anmerkungen seiner westdeutschen Kollegen Grüber und Helbich aufgreifend, unterstrich Schmitt in seinen einführenden Bemerkungen zu King für das Auditorium in der Marienkirche Deutschlands einzigartige Verantwortung im weltweiten Kampf gegen Diskriminierung: »Wir wissen um unsere Schuld als deutsches Volk. Aber wir haben auch einen besonderen Nerv dafür bekommen, im Völkergeschehen darauf zu achten, wenn irgendwo auf der Welt Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder auch ihres Glaubens um ihre Rechte und Menschenwürde kämpfen müssen.«39 Als King auf die Kanzel stieg, richtete er seinen Zuhörern nicht nur Grüße von den »christlichen Brüdern und Schwestern in den Vereinigten Staaten«, sondern auch von denen in Westberlin aus, wo er gerade – in seinen Worten – »einen der wertvollsten Tage meines Lebens« verbracht habe. 40 Nach kurzen einführenden Bemerkungen hielt King prinzipiell dieselbe Ansprache wie im Westen der Stadt, gab dabei eine Übersicht über den Bürgerrechtskampf in den USA und rühmte in diesem Zusammenhang die Tugenden der Gewaltlosigkeit in den Bemühungen um gesellschaftlichte Veränderungen. Während Kings Plädoyer für passiven Widerstand in Westberlin bereits auf breite Zustimmung gestossen war, rief sie auf der anderen Seite der Mauer noch weitaus größere emotionale Reaktionen hervor. Ein Journalist der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beschrieb die Szene so: Gebannt, man kann es kaum anders nennen, hörten die Tausende, die zu seinen Füßen saßen, zu. Vielmehr: Sie sahen zu ihm auf. […] Mehr als alles, was er hätte sprechen können, sagte ihnen die Tatsache, dass er zu ihnen gekommen war, nach Ost-Berlin. […] Es war der Wunsch spürbar […], einem Mann zu begegnen, der Revolution und Menschlichkeit verbindet, einem Führer, der auf Gewalt wie auf Ideologie verzichtet, einem Menschen von legendärem Ruf.41

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Abb. 5.6: Martin Luther King Jr. in der Ostberliner Marienkirche mit Pastor Ralph Zorn, 13. September 1964 (Landesarchiv Berlin, F Rep. 290-02-23 Nr. 330 / Dieter und Vera Breitenborn) In Ostdeutschland, wo Rede- und Reisefreiheit derartig streng reglementiert waren, konnte niemand in der Zuhörerschaft die politischen Implikationen von Kings Predigt überhören. Dies wurde besonders deutlich, als direkt nach Kings ersten Worten »Meine lieben Christenfreunde von Ostberlin« der Chor den Spiritual Go Down Moses auf deutsch und auf englisch anstimmte, dessen Refrain den Satz beinhaltet »lass mein Volk ziehen« (Let my people go). Scott erinnerte sich an die Reaktion auf King in der Kirche: Es war die Kraft einer Botschaft, und es war in unmissverständlicher christlicher Terminologie formuliert. [King] war ganz offensichtlich ein Mann des Glaubens mit einer grundlegenden Überzeugung von Humanität und Versöhnung. Er glaubte daran, und man konnte es spüren. Für die Zuhörer in seinem Publikum, die für sich selbst keine Zukunft sahen angesichts des heißen Kalten Krieges (niemand konnte sich zu diesem Zeitpunkt vorstellen, dass er jemals enden würde) war sein Vortrag über Hoffnung elektrisierend. 42

King erzielte dieselbe Wirkung bei seiner zweiten Predigt in Ostberlin an diesem Abend. Als er gegen 21 Uhr in der Marienkirche zu Ende war, waren

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bereits weitere rund 2.000 Menschen in die nahegelegene Sophienkirche geströmt. Als auch der letzte Sitzplatz belegt war, kamen immer noch mehr Besucher, die sich mittlerweile auch in den Seitenschiffen, rund um den Altar und neben dem Weihwasserkessel drängten. Sie waren gekommen mit Einkaufstüten, Aktentaschen, und manche hatten sogar etwas zu essen eingepackt. Eine Westberliner Tageszeitung schrieb später darüber, es habe sich »nicht mehr um einen Gottesdienst, sondern um eine politische Veranstaltung gehandelt, eine Versammlung um den Mann aus dem Westen«. 43 Das Auditorium belagerte King nach seiner Predigt, er wurde umarmt, man schüttelte seine Hand, bat ihn, wieder zu kommen. Ebony zufolge war Kings Versuch, Ostberlin zu verlassen, »fast von größeren Schwierigkeiten begleitet als die Einreise, da hunderte von Menschen seinen Weg versperrten«. 44 Aber King beantwortete geduldig alle ihre Fragen und gab Autogramme, bevor er weggeführt wurde, um sich mit den örtlichen Kirchenvorständen im Hospiz Albrechtstraße anläßlich eines kleinen Empfangs zu treffen. Kurz vor Mitternacht kehrte King schließlich in das elegante Gästehaus des Westberliner Senats am Wannsee zurück und verließ die Stadt am nächsten Morgen Richtung München.

Abb. 5.7: Martin Luther King Jr. spricht mit ostdeutschen und afrikanischen Studenten der Humboldt-Universität nach seiner Predigt in der Ostberliner Marienkirche, 13. September 1964 (Siegfried Krüger)

B ürgerrechts - und F reiheitsk ampf in O st und W est Kings Besuch in der DDR ist aus zwei Gründen bedeutsam. Erstens weil der Bürgerrechtsaktivist – abgesehen von seiner abenteuerlichen Einreise – keine DDR-Regierungsvertreter traf, und zweitens, weil sein Besuch in der DDR-Pres-

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se nur am Rand erwähnt wurde. 45 Es muss Spekulation bleiben, ob die fehlenden diplomatischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) für diese Art der Behandlung verantwortlich waren. Die USA hatten die DDR nach ihrer Gründung 1949 nicht diplomatisch anerkannt. Beide Staaten nahmen erst 1974 umfassende diplomatische Beziehungen auf. Amerikas Beziehungen zur DDR waren geprägt durch die stabile Allianz mit der BRD und hingen stark vom wechselhaften Verhältnis zwischen Washington und Moskau ab. 46 In den Augen der US-Regierungsvertreter war die DDR kein ernstzunehmender Gegner für die Bundesrepublik, weder in strategischer noch in wirtschaftlicher oder politischer Hinsicht. Die rigide kommunistische Staatsdoktrin verankerte den Staat unauflöslich im sowjetischen Machtblock, so dass selbst nur auf das Kulturelle beschränkte Beziehungen zwischen der DDR und der USA erst ab 1966 zustande kamen. 47 Ostberliner Regierungsvertreter wiederum sahen im »US-Imperialismus« die größte Bedrohung für den globalen revolutionären Prozess seit dem Faschismus. In Übereinstimmung mit der Sowjetideologie zeichnete die Ostberliner Propaganda ein Bild der USA als Vorreiterin der internationalen Reaktion und als erklärtem Staatsfeind. Neben diesen offiziellen Stellungnahmen gab es jedoch ein reiches Reservoir von Bildern und Wahrnehmungen der USA in der DDR, das von materiellen Wünschen, intellektueller Neugier und historischen Verbindungen geprägt war. Solche private und intellektuelle Faszination gegenüber dem transatlantischen Feind stand meist in offenem Kontrast zur Parteilinie in der DDR, obwohl das Regime seine Haltung in diesen Fragen nach und nach veränderte. 48 Nichtsdestotrotz hatte sich das »andere Amerika« der Unterdrückten und Verfolgten immer weitverbreiteter Sympathie unter den DDR-Entscheidungsträgern erfreut. Tatsächlich machte die offizielle Propaganda Vertreter dieser unterdrückten Minderheiten, etwa den afroamerikanischen Sänger und Schauspieler Paul Robeson, zu öffentlich angepriesenen Heldenfiguren. Die Korrespondenz zwischen Gerald Götting, dem Vorsitzenden der christlich-konservativen Blockpartei CDU in der DDR, und King zeigt, wie dieser Prozess verlief. Wie Propst Grüber begann Götting damit, King 1963 zu schreiben, und betonte dabei von vornherein, dass das ostdeutsche Volk eine besondere Verbindung zu King empfinde und hinter ihm stehe in seinem Kampf gegen den »Rassistenterror«. 49 Dennoch ließen die DDR-Regierungsvertreter – aus welchen Gründen auch immer – die Gelegenheit verstreichen, Kings Besuch als Gelegenheit zu nutzen, das Bild des »anderen Amerika« erneut zu propagieren. Obwohl ihnen Kings bevorstehende Einreise bekannt war, waren die Funktionäre in Ostberlin entweder zu überrascht über den Verlauf der Dinge während seines Besuchs in Westberlin, oder zu besorgt über mögliche, unerwünschte politische Auswirkungen seiner Rhetorik und seines Charismas auf die Bevölkerung der DDR, um seinen Besuch in Ostberlin ideologisch und propagandistisch aus-

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zunutzen. Hauptsächlich dürften sie jedoch befürchtet haben, dass King die Ostdeutschen dazu verleiten könnte, unter Berufung auf die von ihm gepriesenen gewaltfreien Methoden der Bürgerrechtsbewegung von der offiziellen Staatsdoktrin abweichende Meinungen zu artikulieren.50 Wie es scheint, waren solche Befürchtungen jedoch unbegründet, da es noch mehr als zwanzig Jahre dauern sollte, bevor DDR-Bürger in größerer Zahl sich solcher Taktiken bedienten. Kurzfristig waren die Nachwirkungen von Kings Besuch hauptsächlich in kirchennahen Kreisen spürbar. DDR-Verlage hielten es für politisch ungefährlich, in den folgenden Jahren eine große Anzahl Texte von und über King zu veröffentlichen. Auf diesem Weg halfen die Verlage, King in die offizielle Staatsdoktrin zu integrieren, indem sie bekräftigten, dass Christentum und die humanistischen Ziele des Sozialismus keine Gegensätze seien.51 Von dieser ideologischen Inbesitznahme abgesehen, dienten Kings Schriften und Handlungen unzweifelhaft langfristig als Inspiration für die DDR-Oppositionsbewegung.52 Auf welche Weise seine Rezeption und die Bürgerrechtsbewegung der früher 1960er Jahre neben vielen anderen Einflüssen zur Entstehung des passiven Widerstands als Protestform beitrugen, die schließlich in der Lage war, das kommunistische Regime 1989 zu stürzen, bleibt jedoch weiterhin ein Desiderat der zeitgeschichtlichen Forschung. Angesichts der Bedeutung, die Kings Besuch für Zeitgenossen hatte, ist es verwunderlich, dass sich bisher nur wenige Historiker und Kommentatoren mit seinem Aufenthalt in Berlin beschäftigt haben.53 Mögliche Gründe dafür sind, dass Kings Reise in die geteilte Stadt zum einen von seiner Privataudienz bei Papst Paul VI. im Vatikan, die kurz vor seiner Rückkehr in die USA stattfand, überschattet wurde, und zum anderen auch von der wenig später erfolgten Verleihung des Friedensnobelpreises an King im Dezember 1964.54 King selbst jedoch kehrte aus Deutschland mit der Gewissheit in die USA zurück, dass das deutsche Volk in Ost und West die Sache der Bürgerrechtsbewegung nachdrücklich unterstützte. Wie er bei seiner Rede anlässlich der Verleihung der theologischen Ehrendoktorwürde formulierte: »Ich werde diesen Augenblick in Ehren halten, solange ich lebe. Wenn ich nach Hause zurückkehre, werde ich mir bewusst sein, dass wir nicht allein kämpfen, sondern dass Millionen Menschen hinter uns stehen.«55 Anlässlich der Publikation eines seiner Texte in einem DDR-Verlag konstatierte er sogar, dass er sich »sowohl verlegen wie geehrt« fühle, »in Gesamtdeutschland« dazu beigetragen zu haben, »die Entwicklung – zumindest was die geistige Haltung angeht – zu beschleunigen, in unserem Vorankommen hin zu einer Morgendämmerung einer Welt in Frieden«.56 Im Gegensatz zu Historikern und Kommentatoren verfolgte die afroamerikanische Presse Kings Berlin-Besuch mit größter Aufmerksamkeit und verbuchte ihn nicht nur als großen Erfolg, sondern auch als Zeichen für den entscheidenden Fortschritt, den Deutschland im Hinblick auf die Rassenbe-

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ziehungen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs errungen hatte. Ebony zufolge hatten die Deutschen buchstäblich … den roten Teppich ausgerollt und King mit den enthusiastischsten Willkommensgrüßen überschüttet, die jemals ein Amerikaner in der geteilten Stadt erfahren hat, seit der verstorbene Präsident Kennedy die geteilte Stadt besuchte […]. Vor zwanzig Jahren hätte man nicht einmal mit der wildesten Vorstellungskraft voraussehen können, was Tausende von Berlinern sahen: ein Neger, der von höchsten deutschen Volksvertretern geehrt wird, darunter Regierungsmitgliedern und kirchlichen Würdenträgern. Aber die Zeiten haben sich geändert, und damit auch die Deutschen. 57

Etwas unverblümter drückte es die New Yorker Amsterdam News aus, als sie schrieb, dass King »doch sehr anders behandelt wurde als Lauflegende Jesse Owens, der von Adolph [sic!] Hitler und seinen Henkern damals 1936, während der Olympiade in Berlin, offen brüskiert worden war«.58 In der Berichterstattung über Kings Besuch fehlte das Thema der Rassendiskriminierung afroamerikanischer Soldaten durch westdeutsche Geschäftsmänner und in westdeutschen Restaurants jedoch völlig, obwohl King in einem Interview vor der Reise versprochen hatte, sich ein Bild von der Lage zu verschaffen und möglicherweise sogar US-Regierungsstellen von eventuellen Problemen in diesem Bereich zu verständigen.59 Teilweise war dieses Manko zweifellos der für viele afroamerikanische Kommentatoren überraschenden Tatsache geschuldet, dass King im Ausland auf umfassende Zustimmung gestoßen war. Wie die Tageszeitung Baltimore Afro-American zynisch anmerkte: »Der Gedanke daran ist Dr. King zweifelsohne in den Sinn gekommen, dass, nachdem er in Deutschland willkommen geheißen wurde, das grosse Ausmaß amerikanischer Vorurteile es ihm unmöglich macht, in einer der großen Kirchen der Südstaaten auf der Kanzel zu stehen.«60 Kings Besuch eines der Brennpunkte des Kalten Krieges in Europa verschaffte ihm neue Perspektiven, an die er anknüpfen konnte, als er nach seiner Rückkehr den Bürgerrechtskampf zuhause fortsetzte. So wie er Amerikas Rassenprobleme mit den ideologischen Grabenkämpfen in Deutschland verglichen hatte, als er in der Waldbühne predigte, so verglich er jetzt die Berliner Mauer mit den Mauern der Rassentrennung in den USA. Im August 1965 protestierte King gegen die Rassentrennungsbestimmungen am Girard College in Philaldelphia, einer rein-weißen Internatschule für Schüler, die mitten in einer afroamerikanischen Nachbarschaft lag und von einer Steinmauer umgeben war: »In unserem Abschnitt des 20. Jahrhunderts stellt die Mauer, die das Girard College umgibt, hier in dieser Stadt, die als Wiege der Freiheit bekannt ist, dasselbe dar wie die Berliner Mauer. Diese Mauer, diese Schule sind symbolisch für den Krebs im gesellschaftlichen Körper, der beseitigt werden muss, bevor es in diesem Land Freiheit und Demokratie geben kann.«61

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Obwohl es immer Kings Hauptziel gewesen war, die Lage in den USA zu verbessern, war er sich jedoch der globalen Dimension des Bürgerrechtskampfes in seinem Land bewusst, wie sein Besuch in Berlin und seine Kommentare eindeutig belegen. Er erinnerte daran nicht nur in seiner Dankesrede für die Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo Ende 1964, wo er über »ein großes Welt-Gebäude« sprach, »in dem wir notwendigerweise zusammen leben müssen – schwarz und weiß, Ost und West, Christen und Juden, Katholiken und Protestanten, Muslims und Hindus.«62 Kurz vor seiner Ermordung am 4. April 1968 sagte er auch zu einem seiner Mitarbeiter, dass »wir in unserer nächsten Kampagne Gewaltlosigkeit zentral verankern müssen und das international«.63 Im Falle Deutschlands hatte er dies bereits getan.

A nmerkungen 1 | Zusätzlich zu den Auslandskorrespondenten sorgten auch deutsche Emigranten in den USA und Journalisten, die in Deutschland studiert hatten, für weitere Berichterstattung. Vgl. beispielsweise Manfred George: »Die sanfte Gewalt der dunklen Menschen«, in: Die Zeit 16/1956, S. 27; Theo Sommer: »Aufruhr in Arkansas«, in: Die Zeit 37/1957, S. 3. Vgl. ebenfalls Robert Sackett: »Press Coverage and Analysis in West Germany, 1949–1967«, Vortrag auf der Tagungsveranstaltung African American Civil Rights and Germany in the Twentieth Century, Vassar College, Poughkeepsie, New York, 1.–4. Oktober 2009. 2 | Zu frühen Berichten über die Situation der Afroamerikaner vgl. beispielsweise Henri Pavre: »Comeback in Afrika«, in: Konkret 4/April 1962, S. 12f.; Francis Randall/Laura Randall: »Tagebuch einer Bürgerrechts-Fahrt«, in: Frankfurter Hefte 9/1961, S. 747– 756; Francis B. Randall: »Der Kampf um Rassengleichheit in Amerika (I)«, in: Frankfurter Hefte 6/1962, S. 369–376; ders.: »Der Kampf um Rassengleichheit in Amerika (II)«, in: Frankfurter Hefte 7/1962, S. 467–474; Martin Luther King: »Onkel Tom’s Snackbar«, in: Konkret, Juni 1963, S. 7–9, 17; S. W. Wahrhaftig: »Die unbewältigte Vergangenheit der Amerikaner – Das Rassenproblem in den USA«, in: Frankfurter Hefte 11/1963, S. 746– 757; Robert Scipion: »Black & White Blues – Von Greenwich Village bis Birmingham«, in: Konkret, November 1963, S. 11–14. 3 | Sabine Lietzmann: »Nächstes Mal das Feuer«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1. Juni 1963. 4 | Sabine Lietzmann: »Das Jahr der Neger«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. Januar 1964. 5 | Vgl. beispielsweise Rolf Zundel: »Die Neger wollen nicht länger warten«, in: Die Zeit, 25. September 1964. 6 | Wolfgang Kraushaar (Hg.): Frankfurter Schule und Studentenbewegung – Von der Flaschenpost zum Molotowcocktail / 1946–1995, 3 Bde., Frankfurt a. M.: Rogner & Bernhard, 1998, Bd. 1, S. 201. Zum Hintergrund der internationalen Migration nach

Kapitel 5: Bürgerrechte für Ost und West Ost- und Westdeutschland in den 1960er Jahren vgl. beispielsweise Patrice Poutrus: »An den Grenzen des proletarischen Internationalismus – Algerische Flüchtlinge in der DDR«, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 2/2007, S. 162–178; Quinn Slobodian: »Dissident Guests – Afro-Asian Students and Transnational Activism in the West German Protest Movement«, in: Wendy Pojmann (Hg.): Migration and Activism in Europe since 1945, New York: Palgrave Macmillan, 2008, S. 33–56. 7 | Willy Brandt: Erinnerungen, Frankfurt a. M.: Propyläen, 1989, S. 401; Willy Brandt: Begegnungen und Einsichten. Die Jahre 1960-1975, Hamburg: Hoffmann und Campe, 1976, S. 87; Stenographisches Protokoll, Pressekonferenz mit Willy Brandt, West Berlin, 21. Mai. 1964, 13-14, B-Rep. 002, 3 169, Landesarchiv Berlin. 8 | Heinrich Grüber an Robert F. Kennedy, 15. Juli 1963, VI HA, 485, 32, Dokumente von Heinrich Grüber, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin (in Folge GStA PK abgekürzt). Vgl. ebenfalls Heinrich Grüber: Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1968; ders.: Bevollmächtigt zum Brückenbau – Heinrich Grüber, Judenfreund und Trümmerpropst / Erinnerungen, Predigten, Berichte, Briefe, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 1991, S. 264f.; Hartmut Ludwig: An der Seite der Entrechteten und Schwachen – Zur Geschichte des »Büro Pfarrer Grüber«, 1938 bis 1940, und der Evangelischen Hilfsstelle für ehemals Rasseverfolgte nach 1945, Berlin: Logos-Verl., 2009. 9 | Heinrich Grüber an Dr. Martin Luther King, 15. Juli 1963, VI HA, 485, 42, Dokumente von Heinrich Grüber, GStA PK. 10 | Vgl. ebenfalls Dr. Martin Luther King an Heinrich Grüber, 7. Oktober 1963; Heinrich Grüber an Dr. Martin Luther King, 16. Dezember 1963, beide VI HA, 485, 1, 36, Dokumente von Heinrich Grüber, GStA PK. 11 | Dr. Martin Luther King an Heinrich Grüber, 1. Mai 1964, VI HA, 485, 2, Dokumente von Heinrich Grüber, GStA PK. 12 | Kings Besuch fand zur gleichen Zeit statt wie die Publikation der deutschen Übersetzung seines Buches Why We Can’t Wait in den ersten Septemberwochen 1964. Vgl. Martin Luther King: Warum wir nicht warten können [Übers. Hans Lamm] Wien/ Düsseldorf: Econ Verlag, 1964. Zu Jahresbeginn war schon ein anderes seiner Bücher auf Deutsch erschienen, ders.: Freiheit – Aufbruch der Neger Nordamerikas / Bericht über den Busstreik in Montgomery, Kassel: Oncken, 1964. 13 | »Dr. King arrives in West Berlin«, in: Washington Post, 13. September 1964, S. A20. 14 | Vgl. Veronika Liebau und Andreas Daum: The Freedom Bell in Berlin, Berlin: Jaron, 2000. 15 | Die Chöre waren von der Berliner Hedwigs-Kathedrale, Les petits chanteurs à la croix de bois aus Paris, und der Chor der Abtei von Grottaferrata (Rom), sowie der Chor der Black Nativity Play aus New York. Vgl. e.g.: »Würdiger Start der Festwochen – Sehnsucht nach Freiheit«, in: B.Z., 14. September 1964; Margarete Roemer: »Die Afrikaner haben das Wort – Die Eröffnung galt dem Andenken John F. Kennedys«, in: Bild, 14. September 1964, S. 8.

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Ein Hauch von Freiheit 16 | Zur Rolle Berlins während des Kalten Krieges und dem Kontext des Kennedy-Besuchs vgl. Andreas Daum: Kennedy in Berlin, New York: Cambridge University Press, 2008. 17 | Willy Brandt: »Rede zur Eröffnung der Berliner Festwochen«, in: Pressedienst des Landes Berlin, Nr. 180 (14. September 1964), S. 2. 18 | Martin Luther King Jr.: Comments on John F. Kennedy at the Berlin Festival, 13. September 1964, 1, 6, Dokumente von Dr. Martin Luther King, Jr., The King Center, Atlanta (Georgia) (TKCAG). Vgl. ebenfalls Martin Luther King Jr.: »John F. Kennedy«, in: Transition 15/1964, S. 27f. Während die politische Bedeutung der Eröffnungszeremonie allgemein anerkannt wurde, bemängelten andere den verfehlten kulturellen Fokus des Festivals, der zu einem Mangel an Harmonie und Kohärenz geführt habe, wie S. M.: »Eine Stunde mit politischer Bedeutung«, in: Der Tagesspiegel, 15. September 1964. 19 | »Rioting Seen by Dr. King if GOP wins«, in: Los Angeles Times, 13. September 1964, S. 4. See also »Dr. King Foresees ›Social Disruption‹ If Goldwater Wins«, in: New York Times, 13. September 1964, S. 66; »King Compares Goldwaterism to Hitlerism«, in: Daily Defender, 14. September 1964, S. 2; »Dr. King Arrives in West Berlin«, in: The Washington Post, 13. September 1964. 20 | Uwe Simon-Netto: »Wir sprachen mit dem Negerführer Dr. Luther King«, in: Welt am Sonntag, 13. September 1964. Kritik an der Person Kings in Zeitungen und Leserbriefen gab es ebenfalls, vgl. »An Unfortunate Remark«, in: Washington Post, 15. September 1964; Munroe Howard: »King’s Words«, in: Los Angeles Times, 16. September 1964. 21 | »Berlin ehrte Martin Luther King«, in: Tagesspiegel, 15. September 1964; King: »Die Menschen schreien nach Gemeinschaft«, in: Der Abend, 14. September 1964; »Kirchliche Nachrichten – Waldbühne diesmal mit Martin Luther King«, in: Pressestelle der evangelischen Kirchenleitung, 4. September 1964; »Martin Luther King beim ›Tag der Kirche‹«, in: Morgenpost, 11. August 1964; »Martin Luther King in der Waldbühne«, in: Welt am Sonntag, 6. September 1964. 22 | Martin Luther King Jr.: »East or West – God’s Children«, Predigt, 13. September 1964, S. 4f., Papers of Dr. Martin Luther King, Jr., TKCAG. 23 | Ebd., S. 2. 24 | Ebd., S. 16. 25 | Dibelius: »Die Mauer muss weg – Kundgebung in der Waldbühne mit Dr. Martin Luther King«, in: Die Welt, 14. September 1964; »Waldbühne: Zwanzigtausend hörten Matin Luther King«, in: Kurier, 14. September 1964; »Berliners Promise Support to Dr. King«, in: New York Times, 14. September 1964, S. 36. 26 | »Ehrendoktortitel für Martin Luther King«, in: Pressestelle der evangelischen Kirchenleitung, 11. September 1964. Vgl. ebenfalls »Dr. King in Berlin mit dem Theologischen Ehrendoktortitel ausgezeichnet«, in: Evangelischer Pressedienst (1964); »Laudatio der Ehrenurkunde«, Berlin, Kirchliche Hochschule, 1964. 27 | Für eine detaillierte Beschreibung des Vorfalls vgl. »Es ging um das Leben eines jungen Menschen«, in: Berliner Kurier, 14. September 1964; »West Berlin Police Fire on East German Guards«, in: Chicago Tribune, 13. September 1964, S. 1; »40-Minute Gun

Kapitel 5: Bürgerrechte für Ost und West Battle Rages at the Berlin Wall«, in: The Victoria Advocate, 14. September 1964, S. 1, 7; Stefan Appelius: »Martin Luther King in Ost-Berlin«, in: Der Tagesspiegel, 6. September 2009; »Durch einen Kugelhagel in die Freiheit«, in: B.Z., 4. Oktober 2009. 28 | »Rev. Martin Luther King in West Berlin«, in: Chicago Daily Defender, 14. September 1964; »Dr. King: ›Unfaßbar!‹«, in: Telegraf, 15. September 1964; »Berlin ehrte Martin Luther King«, in: Der Tagesspiegel, 15. September 1964. 29 | »Dr. Luther King: Um Berlin dreht sich heute die Weltgeschichte«, in: Bild, 14. September 1964, S. 3; Simon-Netto: »Wir sprachen mit dem Negerführer Dr. Luther King«. 30 | Heinrich Grüber, Nachwort zu Freiheit: Aufbruch der Neger Nordamerikas. Bericht über den Busstreik in Montgomery, von Martin Luther King Jr., Kassel: Oncken, 1964, S. 203–205. Grübers große Bewunderung gegenüber King lässt sich auch daran ablesen, dass er King in die Dedikation seiner Memoiren aufnahm. Heinrich Grüber, Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten, Berlin/Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1968, S. 6. 31 | »Martin Luther King in Berlin«, in: Der Tagesspiegel, 13. September 1964, S. 1. 32 | »Two Berlins to Hear King«, in: The Washington Post, 12. September 1964, B9; AP: »Martin Luther King to Preach in East Berlin«, in: The Cedar Rapids Gazette, 12. September 1964, S. 1; »Martin Luther King to Preach to Reds«, in: The Victoria Advocate, 12. September 1964, S. 1. 33 | »Andrang zu Kings Predigt«, in: Spandauer Volksblatt, 15. September 1964; »Alle wollten King hören – Kirchen in Ost-Berlin waren überfüllt«, in: Morgenpost, 15. September 1964, S. 2. 34 | Ministerium für Staatssicherheit, Hauptbüro für Passkontroller und Durchsuchungen, Friedrich-/Zimmer Strasse, Berlin, 13. September 1964, Behörde der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BSTU). Vgl. ebenfalls »No Passport, But King Goes to E. Berlin«, in: The Kokomo Morning Times, 14. September 1964, S. 1. 35 | »Red Berlin Admits Popular Rights Leader Without Pass«, in: Ebony, November 1964, S. 44. 36 | Alcyone Scott, Interview von Martin Klimke, 8. Juni 2009. 37 | Arnold wurde im Herbst 1963 verhaftet, aber weniger als ein Jahr später von der BRD freigekauft (im Juli 1964), und heimlich nach Westdeutschland abgeschoben. Die Wiedereinreise nach Ostdeutschland war ihm verboten worden. Vgl. Roland Stolte: »Dr. Martin Luther King 1964 in Berlin«, Vortrag bei der Tagung African American Civil Rights and Germany in the Twentieth Century, Vassar College, Poughkeepsie, NY, 1.-4. Oktober 2009. 38 | Stefan Appelius wies darauf hin, dass die DDR-Staatssicherheit mehrere Informanten rund um Schmitt positioniert hatte. Vgl. Stefan Appelius: »My Dear Christian Friends in East Berlin«, in: Chrismon Plus (September 2009), S. 2. 39 | Zitiert in Appelius: »My Dear Christian Friends«, S. 2. 40 | Martin Luther King Jr., Sermon in St. Mary’s Church, Manuskript, 13. September 1964, auf www.aacvr-germany.org/king.

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Ein Hauch von Freiheit 41 | Dieter Hildebrandt: »Auf jeder Seite der Mauer Gottes Kinder«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. September 1964, S. 7. 42 | Alcyone Scott, Interview von Martin Klimke, 8. Juni 2009. 43 | »Alle wollten King hören – Kirchen in Ost-Berlin waren überfüllt«. Als Journalist der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ergänzte Dieter Hildebrandt dies mit der Feststellung: »Der Wunsch … dem Mann zu begegnen, der Revolution und Humanismus zu vereinen verstand, einen Anführer, der der Gewalt ebenso wie der Ideologie abgeschworen hatte, eine legendäre Gestalt, war nachvollziehbar«. Dieter Hildebrandt: »Auf jeder Seite der Mauer Gottes Kinder«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. September 1964, S. 8. Für weitere Erinnerungen von Zeitzeugen wie Eva Christine Poeschel, Hannelore und Winfried Weist, sowie Irmtraut Streit, siehe RBB Online: »Eine überwältigende Begegnung mit diesem Mann der Freiheit«, 14. September 2014, www.rbb-online.de. 44 | »Red Berlin Admits Popular Rights Leader Without Pass«, in: Ebony, November 1964, S. 44. 45 | Zu den Ausnahmen gehört »Kurz und knapp: Martin Luther King kommt«, in: B.Z. am Abend [Ostberlin], 12. September 1964, S. 2; »Dr. Martin Luther King in der DDRHauptstadt«, in: B.Z. am Abend, 14. September 1964, S. 1; »Martin Luther King in der Marienkirche«, in: Neues Deutschland, 14. September 1964, S. 2; »›Wir werden eines Tages frei sein‹«, in: Neue Zeit, 15. September 1964, S. 1, 7; »Westberliner Unbehagen«, in: Neue Zeit, 17. September 1964, S. 2; »Aus den Kräften des Glaubens«, in: Die Kirche, 27. September 1964. 46 | Christian Ostermann: »Die USA und die DDR«, in: Ulrich Pfeil (Hg.): Die DDR und der Westen. Transnationale Beziehungen 1949–1989, Berlin: Ch. Links Verlag, 2001, S. 165–83. 47 | Heinrich Bortfeldt: »In the Shadow of the Federal Republic: Cultural Relations Between the GDR and the United States – Cultural Relations Before Diplomatic Recognition«, in: Detlef Junker et al. (Hg.): The United States and Germany in the Era of the Cold War, 1945–1990: A Handbook, Vol. 2, New York: Cambridge University Press, 2004, S. 305–11. 48 | Rainer Schnoor: »The Good and the Bad America,« in: Junker et al. (Hg.): The United States and Germany, Bd. 2, S. 618–26. Die Erforschung der ambivalenten Beziehungen zwischen der DDR und den USA, speziell hinsichtlihc der kulturellen Beziehungen, steckt noch in den Kinderschuhen. Einen Überblick zum Forschungsstand und künftigen Arbeitsansätzen bieten Uta Balbier und Christiane Rösch (Hg.): Umworbener Klassenfeind: Das Verhältnis der DDR zu den USA, Berlin: Ch. Links Verlag, 2006. Für den weiteren Zusammenhang dieser Beziehungen mit der Debatte um das »Andere« in Ostdeutschland vgl. Jan Behrends, Thomas Lindenberger und Patrice Poutrus: Fremde und Fremd-Sein in der DDR, Berlin: Metropol, 2003. 49 | Quoted in Roland Stolte: Martin Luther Kings Predigt in der St. Marienkirche, 13.09.1964, auf www.marienkirche-berlin.de/c_2_73_0.php?ID=150. 50 | Günter Wirth, ein DDR-CDU-Politiker und Chefredakteur des staatlichen UnionVerlags von 1964 bis 1970, war der Auffassung, dass trotz der heimlichen Bewunderung

Kapitel 5: Bürgerrechte für Ost und West für King bei einigen der DDR-Chefkader seine Gewaltlosigkeit als eine Art »schwächliche Form des Pazifismus« angesehen wurde, die mit der DDR-Staatsideologie nicht zu vereinen war. Vgl. Günter Wirth: »›Die neue Richtung unseres Zeitalters – Martin Luther Kings Traum von Gerechtigkeit, Gleichheit und Gewaltlosigkeit‹: Martin Luther King und seine Bedeutung für uns heute«, 15. Januar 1999, Martin-Luther-King-Zentrum, Werdau, e. V., www.king-zentrum.de. 51 | Emil Fuchs: »Nachwort«, in: Warum wir nicht warten können, von Martin Luther King, Berlin: Union Verlag, 1967, S. 196. Die Veröffentlichung von Kings Texten hatte unzweifelhaft einen »affirmativen Charakter« im Verständnis der Ostberliner Offiziellen, welche die globale Solidarität und die Offenheit ihres Landes zu belegen versuchten. Vgl. Günter Wirth: Erinnerungen, unveröffentlichtes Manuskript, Dezember, 2008, S. 59. Zu den vielen Publikationen, die Günter Wirth in der einen oder anderen Weise betreute, gehörte auch Martin Luther King: »Mein Weg zur Gewaltlosigkeit«, in: Die Zeichen der Zeit [Evangelische Monatsschrift für Mitarbeiter der Kirche], (19) 1965, S. 41–47; Martin Luther King: Die neue Richtung unseres Zeitalters: Nobelpreisrede in der Aula der Universität Oslo am 11. Dez. 1964, Berlin: Union Verlag, 1965/1966; King: Warum wir nicht warten können; Günter Wirth: Martin Luther King, Christ in der Welt, Berlin: Union Verlag, 1965 [8. Auflage 1989]; Theo Lehmann: Blues and Trouble, mit einem Vorwort von Martin Luther King, Berlin: Henschel-Verlag, 1966; Anneliese Vahl: Martin Luther King: Stationen auf dem Wege. Berichte und Selbstzeugniss, Berlin: Evangelische Verlagsanstalt, 1968; Coretta Scott King: Mein Leben mit Martin Luther King [Übersetzung Christa Wegen], Berlin: Union Verlag, 1971; Stanislav N. Kondraschow: Martin Luther King: Leben und Kampf eines amerikanischen Negerführers [Übersetzung Gisela Lehmann], Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, 1972. 52 | Vgl. beispielsweise den Fall Gregor Meusel, in: Gregor Meusel: »Träumer und schöpferischer Extremist: Martin Luther King und dessen Ausstrahlung auf die Friedens- und Bürgerrechtsbewegung in der DDR«, Martin-Luther-King-Zentrum Werdau e.V., www. king-zentrum.de/. Vgl. ebenfalls Deutscher Bundestag (Hg.): Materialien der EnqueteKommission »Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland«, Baden-Baden: Nomos, 1995, Bd. 7.1, S. 221ff.; Erhart Neubert: Geschichte der Opposition in der DDR 1949–1989, 2. Aufl., Berlin: Ch. Links Verlag, 1997, S. 193, 393. Zu Kings Einfluß auf den Bürgerrechtsaktivisten, ersten Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen und späteren Bundespräsidenten Joachim Gauck siehe Norbert Robers: Joachim Gauck. Die Biografie einer Institution, Berlin: Henschel, 2000, S. 71f.; Joachim Gauck: Winter im Sommer – Frühling im Herbst: Erinnerungen, München: Siedler, 2009, 210f.; Joachim Gauck: »Freiheit – Verantwortung – Gemeinsinn: Wir in unserem Staat«, Rede, Deutsches Theater Berlin, 22. Juni 2010, www.joachim-gauck.de. 53 | Neben den oben zitierten Texten geben die folgenden Publikationen ein umfassendes Bild von Kings Berlin-Besuch: Lerone Bennett: What Manner of Man: A Biography of Martin Luther King, Jr., 3. Überarb. Auflage, Chicago: Johnson, 1968, S. 224; Helmut Giese: »Steine der Hoffnung vom Berg der Verzweiflung«, in: Berliner Sonntagsblatt, 2. April 1978, S. 5; David Lewis: King: A Biography, 2. Auflage. Urbana: University of

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Ein Hauch von Freiheit Illinois Press, 1978, S. 254; Georg Meusel: »Mit Kreditkarte über die Mauer«, in: Der Freitag, 24. September 2004; Kanishk Tharoor: »Martin Luther King in Berlin: Marienkirche or the Brandenburg Gate?«, auf www.opendemocracy.net, 8. April 2008; Jane Dailey: »Obama’s Omission«, in: Chicago Tribune, 30. Juli 2008; Stefan Appelius: »Let My People Go«; auf: einestages, SPIEGEL online, 13. September 2009. Anläßlich der Feierlichkeiten und Veranstaltungen zum 50. Jahrestag von Kings Besuch in Berlin im September 2014 war eine erneute, wenn auch begrenzte und eher journalistisch und künstlerisch geprägte Publikationswelle zu verzeichnen. Siehe repräsentativ: Andreas Conrad: »Ohne Pass in den Osten«, Der Tagesspiegel, 11. September 2014; Morten Freidel: »Martin Luther King in der DDR: Und die Stasi nahme die Predigt auf«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. September 2014; Christine Xuân Müller: »Vor 50 Jahren predigte Martin Luther King in Ost-Berlin«, in: evangelisch.de, 14. September 2014. Siehe auch den Fernsehbericht »Als der Bürgerrechtler von der Kanzel sprach«, in: MDRMagazin, 18. August 2015; oder das mehrfach ausgezeichnete multimediale Schul-/Jugendprojekt »King-Code«, www.king-code.de, und die Dokumentation »Der King Code. Martin Luther King in Berlin« (2014), gefördert von der Bundesstiftung Aufarbeitung. 54 | Obwohl bereits während Kings Berlin-Aufenthalt Gerüchte über die mögliche Verleihung des Nobelpreises an ihn aufkamen, wurde die endgültige Entscheidung erst einen Monat später, im Oktober 1964, verkündet. Vgl. Ernst Luuk: »Ist die Bank der Gerechtigkeit bankrott?«, in: Berliner Stimme, 12. September 1964. 55 | »Red Berlin Admits Popular Rights Leader Without Pass«. 56 | Martin Luther King, Jr., Brief an Günter Wirth, Faksimile, in: King: Warum wir nicht warten können, S. 197. 57 | »Noble Prize Winner’s Triumph in Europe«, in: Ebony, November 1964, S. 6. 58 | »Germans Acted Different on King’s Visit«, in: New York Amsterdam News, 21. November 1964, S. 39. 59 | Simon-Netto: »Wir sprachen mit dem Negerfuehrer Dr. Luther King«. 60 | »Speaking of Walls«, in: Baltimore Afro-American, 17. Oktober 1964. Bereits im Sommer hatte King eine Einladung eines Doktoranden des Morris Brown College erhalten, der in der Poststelle des Truppenübungsplatzes der 7. US-Armee in Grafenwöhr (Bayern) stationiert war und ihn einlud, die Verhältnisse vor Ort zu studieren, mit dem Hinweis, dass die Garnison zahlreiche »Neger-Offiziere« in verantwortungsvollen Positionen aufzuweisen habe. Es ist unklar, ob King dieser Einladung während seines Aufenthaltes in München nachkam. Vgl. Brief von Thomas J. Holman an Dr. Martin Luther King, Jr., 1. Juni 1964, Dokumente von Dr. Martin Luther King, Jr., TKCAG. 61 | Zitiert nach William Weart: »Dr. King Assails Policy at Girard«, in: New York Times, 4. August 1968, S. 19. Diese »Abart der Berliner Mauer um die farbigen Kinder Gottes draußen zu halten« (so Martin Luther King) wurde schließlich 1968 abgerissen, nachdem der Oberste Gerichtshof der USA die Aufhebung der Rassentrennung an dieser Hochschule verfügt hatte, und damit vorherige Entscheidungen niedrigerer Gerichte bestätigte, dass ein Ausschluss der afroamerikanischen Studenten eine Verletzung des 14. Verfassungszusatzes darstelle; die ersten afroamerikanischen und asiatischen Stu-

Kapitel 5: Bürgerrechte für Ost und West denten wurden am Girard College im Herbst 1968 zugelassen. Vgl. Jesse Lewis: »King Supports NAACP In Girard College Drive«, in: Washington Post, 4. August 1965, A6; Commonwealth of Pennsylvania v. Revelle W. Brown, United States Court of Appeals, Third Circuit, 392 F.2d 120, Entschieden am 7. März 1968. Für weitere Beispiele dieses Vergleichs siehe Paul Farber: Boundaries of Freedom: An American History of the Berlin Wall, PhD Diss., University of Michigan, 2013, Kapitel 1. 62 | Zu Kings Nobelpreis-Rede vgl. http://nobelprize.org/nobel_prizes/peace/laureates/1964/king-lecture.html. 63 | Zitiert nach Taylor Branch: »Globalizing King’s Legacy«, in: New York Times, 16. Januar 2006, S. A15. Zu weiteren Beispielen von Kings globalem Bewusstsein vgl. Thomas Borstelmann: The Cold War and the Color Line, S. 110, 160, 167; Dudziak: Cold War Civil Rights, S. 254.

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Kapitel 6 Revolutionäre Allianzen – Der Aufstieg der Black Power

Am 17. Februar 1968 war das Auditorium der Technischen Universität in Westberlin überfüllt. Mehr als 5.000 internationale Gäste waren in die geteilte Stadt gekommen, um am »Vietnamkongress« teilzunehmen, einem Treffen von Intellektuellen, Aktivisten und Studenten, die entschlossen waren, ihrer Empörung über den Krieg in Südostasien an einem der Brennpunkte des Kalten Krieges lautstarken Ausdruck zu verleihen. Einer von ihnen war Dale Smith, Delegierter des Student Nonviolent Coordinating Committee (Gewaltfreies studentisches Koordinierungskomitee/SNCC). In seiner Rede auf dem Kongress erläuterte Smith die Fortschritte und Veränderungen innerhalb der Bürgerrechtsbewegung seit Mitte der 1960er Jahre und hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für einen Strategiewechsel von Protest zu Widerstand: »Wir haben zugelassen, dass die Formen unseres Protestes von anderen bestimmt werden. […] Wir glauben, dass der Krieg in Vietnam ausschließlich gegen die Vietnamesen geführt wird, aber auch wir sind die Opfer. […] Das ist nicht nur ein Krieg gegen das vietnamesische Volk. Das ist ein Krieg gegen uns und gegen das bisschen Menschlichkeit, dass uns bleibt.« Die einzige Reaktion darauf lag für Smith in größerer Militanz und Entschlossenheit. Er rechtfertigte diesen Schritt mit folgendem Argument: »Solange die Eltern in Vietnam um ihre Kinder weinen, sollen auch die Eltern in den USA um ihre Kinder weinen«.1 Smiths Auftritt brachte ihm enthusiastischen Applaus seitens der Kongressteilnehmer ein. Bei seinem Gastgeber, dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), fiel seine Interpretation der Lage ebenfalls auf fruchtbaren Boden. Einer der SDS-Repräsentanten, Rudi Dutschke, verlieh in seiner Rede derselben Dringleichkeit Ausdruck mit dem Hinweis: »In Vietnam werden auch wir tagtäglich zerschlagen, und das ist nicht ein Bild und ist keine Phrase.« Genau wie Smith argumentierte auch Dutschke, dass dieser Krieg in Südostasien unmittelbare Auswirkungen für die politische Auseinandersetzung zuhause habe und möglicherweise sogar »eine lange Periode autoritärer Weltherrschaft von Washington bis Wladiwostok« einläute. Es sei daher an den Menschen, die

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sich dieser drohenden Entwicklung widersetzen wollen, sich in einer »zweiten Front« gegen den unter maßgeblicher Führung der USA agierenden »globalen Imperialismus zusammen zu schließen, um damit Einfluß auf den Ausgang dieser historisch höchst bedeutsamen Situation zu nehmen.«2 Dieses revolutionäre Bündnis zwischen Bürgerrechtlern und Black PowerAktivisten, wie es sich auf dem Vietnamkongress darstellte, war jedoch kein Zufallsprodukt, sondern lediglich der Höhepunkt einer seit langem bestehenden Solidaritätsbewegung linker Studentenaktivisten in der Bundesrepublik mit afroamerikanischen Aktivisten. Von Anfang an hatten afroamerikanische Aktivisten ihren Kampf für die Bürgerrechte in internationaler Perspektive und als Teil einer größeren Kampagne gegen Kolonialism in Afrika, Asien und Südamerika gesehen. Mit ihren Aktionen für Menschenrechte und koloniale Unabhängigkeit trugen Organisationen wie die NAACP, der Council of African Affairs (CAA), und der National Negro Congress (NNC) bereits während des Zweiten Weltkriegs und den frühen Nachkriegsjahren dazu bei, auf Diskriminierung weltweit aufmerksam zu machen und sie zu bekämpfen. Doch der Kalte Krieg sowie die antikommunistische Hysterie des McCarthyismus verhinderten eine durchgängige Fortsetzung dieser global orientierten Agenda. Politischer Druck zur Herstellung einer harmonischen Front gegen die Sowjetunion und Kommunismus weltweit veranlassten die NAACP, beispielsweise, ihre internationale Ausrichtung in den Hintergrund zu drängen zugunsten einer Konzentration auf die innenpolitische Situation in den USA. Öffentliche Kritiker des Zusammenlebens der Rassen in den USA wie W. E. B. Du Bois und Paul Robeson wurden abgelehnt oder an den Rand gedrängt, und ihre internationale Reisefreiheit von Seiten des US-Außenministeriums massiv eigeschränkt.3 Obwohl eine große Anzahl afroamerikanischer Aktivisten und führende Repräsentanten von Bürgerrechtsorganisationen aus taktischen Gründen diesem Druck nachgaben und ihren Fokus in der Öffentlichkeit auf die USA selbst legten, blieb der Blick auf die globale Situation, insbesondere im Rahmen der weitreichenden Dekolonialisierungsprozesse, dennoch ungebrochen. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre durchbrach die Black Power-Bewegung dezidiert und bewußt diesen Kalten-Kriegs-Konsens, indem sie die Verbindung zwischen rassistischer Diskriminierung innerhalb der Vereinigten Staaten und imperialistischer Unterdrückung in der »Dritten Welt« explizit machte und somit wieder an die Debatten der Zwischenkriegszeit der 1920/30er Jahre anknüpfte. Dale Smiths Präsenz und seine Argumentation auf dem Vietnamkongress stellen ein gutes Beispiel für diesen Richtungswechsel dar. 4

Kapitel 6: Revolutionäre Allianzen

V on C ivil R ights zu B lack P ower Informationen über die Bürgerrechtsbewegung kamen während der 1960er Jahre jedoch nicht nur durch derartige Auftritte oder den Besuch Martin Luther Kings 1964 in der Bundesrepublik, sondern wurden auch durch die generelle Medienberichterstattung und durch die Stationierung von und den daraus resultierenden Kontakten zu afroamerikanischen GIs einem breiten Publikum vermittelt. Emigranten, Touristen und Deutsche, die in den USA arbeiteten, aber auch Austauschstudenten sorgten darüber hinaus für einen stetigen Informationsfluss bezüglich der Entwicklungen auf der anderen Seite des Atlantiks. Wenige Monate nachdem King Deutschland wieder verlassen hatte, berichtete beispielsweise der Frankfurter Student Günter Amendt in der neuen kritik über seine Eindrücke anlässlich seines jüngsten USA-Besuchs samt Aufenthalt an der University of California in Berkeley. Amendt erlebte die Begeisterung weißer Studenten aus den Nordstaaten für die Bürgerrechtsbewegung während des »Freedom Summer« 1964 aus erster Hand und berichtete über eine Veränderung in der Bewegung, die nun »mehr als nur eine Rassenbewegung« geworden sei, »die um Integration kämpft«. Seiner Meinung nach waren die afroamerikanischen Bürgerrechtsaktivisten zu der Erkenntnis gekommen, dass es einen engen Zusammenhang »zwischen schwarzer Hautfarbe und wirtschaftlicher Situation« gebe, und hätten daher ihre Ziele entsprechend angepasst: »Die Negerbewegung will eine Veränderung der amerikanischen Gesellschaft an der Wurzel.«5 Diese Kurskorrektur wurde auch von der bürgerlichen Presse wahrgenommen. Die westdeutsche Wochenzeitung Die Zeit schrieb beispielsweise, dass, obwohl »die Ketten der gesetzlichen Segregation und der Degradierung« formell »gesprengt« seien, »die Rassentrennung […] de facto geblieben« sei, und in den städtischen Ghettos im Norden wie im Widerstand gegen nationale Integrationsgesetze im Süden der Vereinigten Staaten ungebrochen fortlebe.6 Dennoch wurden das Bürgerrechtsgesetz von 1964 und das Wahlrechtsgesetz im Jahr darauf in der bundesrepublikanischen Presse als große politische Errungenschaften gepriesen, die es schwierig machen würden, den institutionalisierten Rassismus beizubehalten, da Afroamerikaner durch diese Gesetzgebung nun als bedeutender Bestandteil der US-Politik anerkannt seien.7 Trotz dieser juristischen Fortschritte äußerten viele Journalisten jedoch große Sorge über den Anstieg der Gewalt und die gespannte Lage in amerikanischen Großstädten. Sie befürchteten: »Was als Streit um die Grundrechte der Neger begann, geht über in einen latenten Bürgerrechtskrieg.«8 Besonders nach den Unruhen in Watts, einem afroamerikanischen Stadtviertel von Los Angeles, im August 1965 und den Auseinandersetzungen in Newark und Detroit im Juli 1967 stieg die Angst, dass der Konflikt und seine Eskalation unkontrollierbar geworden seien. Ein Journalist fragte ganz offen: »Ist das noch einer

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jener ›heißen Sommer‹, die seit fünf Jahren sporadisch die Bevölkerung der Vereinigten Staaten für eine Weile beunruhigen? Oder ist es bereits die offene Rebellion, der Bürgerkrieg zwischen Schwarz und Weiß?«9

Abb. 6.1: Der Delegierte des SNCC, Dale Smith, und der westdeutsche Studentenführer Rudi Dutschke während des Vietnamkongresses in Westberlin, 17. Februar 1968 (ullstein bild - Klaus Mehner) Der Aufstieg von Black Power wurde in den Medien von ähnlichen Ängsten begleitet. Angesichts der militanten Ideologie von Malcolm X und einem sich graduell radikalisierenden Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC) und seiner Repräsentanten wie Stokeley Carmichael wurde Dr. King unterstellt, die Kontrolle über die generelle Ausrichtung der Bürgerrechtsbewegung verloren zu haben.10 Daraus resultierte die Frage vieler Journalisten, ob die Bewegung zerbrechen und – zumindest teilweise – zum politischen Establishment auf »Konfrontationskurs« gehen könne, was die Grundidee der Rassenintegration existenziell gefährden würde.11 Zusammenfassend läßt sich sagen, dass die etablierten Medien in der Bundesrepublik damals ein Bild der USA zeichneten als ein Land, dessen Rassenprobleme sich in bedrohlicher Weise zugespitzt

Kapitel 6: Revolutionäre Allianzen

hatten. Angefacht durch die innere Opposition gegen den Vietnamkrieg, die Entstehung einer Gegenkultur (counter culture) und die Verfügbarkeit der Pille schien dieser Konflikt sogar das Potenzial zu besitzen, die Sozialstruktur der amerikanischen Nation zu zerstören.12 Die Bundesrepublik war Mitte der 1960er Jahre jedoch von eigenen Problemen in Beschlag genommen. Seit der Staatsgründung 1949 hatte das Land einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Die junge westdeutsche Demokratie fand durch ihren Beitritt zum westlichen Allianzsystem bald ihren Weg zurück in die internationale Gemeinschaft während des Kalten Krieges. Innenpolitisch wurde es geprägt von der 14 Jahre währenden Kanzlerschaft Konrad Adenauers (1949-1963), der Westdeutschland in konservativer Manier hin zu politischer und sozialer Stabilität steuerte. Gleichzeitig führte Adenauers außenpolitische Westorientierung und die drohende und 1951 bzw. 1955 tatsächlich begonnene Wiederbewaffnung jedoch trotz Zustimmung weiter Teile der Bevölkerung auch dazu, dass eine nicht geringe Zahl bundesrepublikanischer Bürger während der 1950er Jahre auf die Straße ging, um ihrem Unmut gegen eben diese Politik Ausdruck zu verleihen. Hinzu kam, dass man nur langsam zu einem konstruktiven Umgang mit den Hinterlassenschaften des Nationalsozialismus fand und die politische Kultur der Bundesrepublik oftmals von autoritärem und traditionellen Gedankengut geprägt blieb.13 Der vorherrschende Antikommunismus führte beispielsweise 1956 zum Verbot der westdeutschen Kommunistischen Partei (KPD). Ähnlich gelagert war der als »Spiegel-Affäre« bekannt gewordene Vorgang aus dem Jahre 1962, als es aus nichtigem Anlass zu einem Showdown zwischen der Presse und dem Regierungsapparat kam, nachdem Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß in Überschreitung seiner Kompetenzen die illegale Verhaftung von Journalisten des Spiegel wegen angeblichem Landesverrat anordnete. Viele einheimische und ausländische Beobachter fragten sich daher, wie der deutsche Philosoph Karl Jaspers im Titel eines seiner erfolgreichen Werke Mitte der 1960er Jahre, in welche Richtung die Bundesrepublik in Zukunft treiben würde.14

S tudentenbe wegung und afroamerik anischer F reiheitsk ampf Die Debatte um die Notstandsgesetzgebung war ebenfalls Wasser auf die Mühlen derer, die die Angst vor einer unmittelbar bevorstehenden Aushöhlung der bundesrepublikanischen Demokratie umtrieb. Dieses Gesetzesvorhaben sah vor, im Falle eines nur vage definierten Eintretens innen- oder außenpolitischer Notstände den exekutiven Machtbereich auf Kosten des Parlaments drastisch auszuweiten. Als Reaktion hierauf kam es zu einem Zusammenschluss von Vertretern der Gewerkschaften, pazifistischer Vereinigungen und Teilen

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der Sozialdemokratischen Partei (SPD), der sich als überparteiliche Koalition zum Ziel setzte, die verfassungsmäßigen Rechte zu bewahren und sich jedwedem Angriff auf verfassungsmäßige Grundrechte und demokratische Abläufe, welche vom Ende der Weimarer Republik noch tief im kollektiven Gedächtnis verankert waren, zu widersetzen. 15 Ihnen schloss sich auch eine kleine, aber lautstarke Gruppe westdeutscher Studenten an, die das Fehlen demokratischer Strukturen innerhalb des bundesdeutschen Universitätssystems kritisierten, ebenso wie eine Kalte Kriegs-Mentalität, die die innenpolitische Diskussionen abschnürte und außenpolitische Handlungsmöglichkeiten einschränkte. Diese Ansichten wurden insbesondere vom SDS vorgetragen. Der SDS war nach 1945 als formal unabhängige, inhaltlich jedoch der SPD nahestehende Studentenorganisation gegründet worden. 1961 kappte ein Unvereinbarkeitsbeschluss, der eine gleichzeitige Mitgliedschaft in der SPD und im SDS ausschloss, jegliche offizielle Verbindung beider Organisationen. Der SDS hatte sich inhaltlich zu diesem Zeitpunkt bereits der »Frankfurter Schule« und der »Kritischen Theorie« angenähert und verstand sich als Teil einer international zunehmend an Boden gewinnenden Neuen Linken. Seit den Anfängen der 1960er Jahre unterhielten der SDS und seine führenden Repräsentanten bereits enge Verbindungen zu ihren Verbandskollegen in den USA und wurden stark von den politischen Strategien und Techniken der amerikanischen Neuen Linken und der Bürgerrechtsbewegung beeinflußt.16 Karl-Dietrich Wolff, Vorsitzender des SDS in den Jahren 1967 und 1968, kann als exemplarisches Beispiel für Art und Pflege dieser Beziehungen gelten. Geboren im ländlichen Hessen, fand Wolffs erster Kontakt mit den Vereinigten Staaten in Form von vorrückenden US-Truppen im Frühjahr 1945 in Marburg statt. Wie für einen Großteil seiner Generation war es die Begegnung mit der Großzügigkeit afroamerikanischer GIs, die einen bleibenden Eindruck hinterließ: [Ein] Panzer rollt in den Schlosshof, der Turm mit der Kanone dreht sich einmal herum, und ein großer schwarzer GI mit schweißglänzendem Gesicht springt herunter. Die Mütter, die Kindermädchen, die Kinder beobachten ihn aus sicherer Distanz. Plötzlich hält der GI Kaugummis und kleine Cadbury-Schokoriegel in der Hand. Es war uns verboten zu ›fraternisieren‹, daher halten die Mütter uns Kinder zurück. Ich kann mich aus ihren Armen winden. Der GI lässt am Boden eine Orange auf mich zurollen, die erste meines Lebens.17

Beeinflusst von den kulturpolitischen Anstrengungen der USA, wie sie sich in den Amerika-Häusern spiegelten, die Westdeutschland mit einem umfangreichen Angebot amerikanischer Literatur versorgten, war Wolff 1959 als Austauschstudent im Rahmen des von der US-Regierung geförderten Programms Youth for Understanding (Jugend für Verständigung) nach Michigan gereist. Dort begegnete er zum ersten Mal der Bürgerrechtsbewegung in Form der

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Freedom Rides und der Sit-Ins in von Quäkern betriebenen, örtlichen Jugendclubs. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland blieb Wolff weiterhin interessierter Beobachter der Bürgerrechtsauseinandersetzungen in den USA. Nach seinem Wehrdienst begann er sein Studium zunächst im heimischen Marburg, wechselte dann nach Freiburg i.Br. und schließlich nach Frankfurt a.M., wo er Kontakt mit dem SDS aufnahm. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Organisation nicht nur bereits der Kampagne gegen die Notstandsgesetze angeschlossen, sondern wurde immer mehr zu einem Teil der internationalen Opposition gegen den Krieg in Vietnam. Der SDS organisierte Antikriegs-Demonstrationen, Teach-ins, aber auch Kongresse über den Krieg in Südostasien mit Vortragenden wie Herbert Marcuse (1965/66). Die steigenden Kriegsanstrengungen der USA wurden von Kriegsgegnern in der Bundesrepublik mit verstärkten Aktivitäten und Widerstand beantwortet. Am Ende des Jahres 1966 hatte sich der SDS somit erfolgreich als die führende Organisation im Widerstand gegen den Vietnamkrieg in der Bundesrepublik etabliert. Besonders der Berliner SDS-Verband und die so genannte antiautoritäre Fraktion um Rudi Dutschke, Soziologiestudent an der Freien Universtität Berlin, gewann mehr und mehr Anhänger innerhalb des SDS. Dutschke und andere spitzten ihre Interpretation dieses Krieges dahingehend zu, dass sie die Auseinandersetzung als ein weiteres Beispiel interpretierten für den Versuch des globalen Imperialismus in Form des US-Militärpotentials, revolutionäre Kräfte und Freiheitsbewegungen in unterentwickelten Ländern rund um den Globus zu unterdrücken. Angesichts dieser Situation sei es die Aufgabe der Widerstandsbewegungen in den Industrieländern des Westens, als Akt der Solidarität mit der »Dritten Welt« den Imperialismus von innen heraus zu schwächen. Zusätzlich zu Demonstrationen, politischer Aufklärungsarbeit und Kampagnen mit direkten Aktionen schloss diese Strategie auch die klare und präzise koordinierte Unterstützung der Opposition in den USA ein.18 Seit Mitte der 1960er Jahre hatte der deutsche SDS die Radikalisierung der Bürgerrechtsbewegung und seiner Protagonisten sehr genau beobachtet. Der Verband übernahm von afroamerikanischen AktivistenInnen nicht nur bestimmte Protestmethoden, sondern auch häufig politische Ideen und Slogans des Bürgerrechtskampfes.19 Während seines Deutschlandtreffens im September 1967 erklärte der SDS offiziell seine Solidarität mit der aufstrebenden Black Power-Fraktion innerhalb der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Aus Sicht der Studenten hatte sich die Strategie der Gewaltlosigkeit, wie sie von Martin Luther King propagiert worden war, als ungeeignet erwiesen, einen realen sozialen Wandel für die Mehrheit der Afroamerikaner herbeizuführen, da diese Strategie die mit der Rassentrennung verbundenen ökonomischen Probleme ignorierte. SDS-Mitglied Gerhardt Amendt resümierte den Stand nach einem zweimonatigen Aufenthalt im New Yorker Stadtteil Harlem

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1967 so: »Die publizistisch gefeierten Erfolge der Bürgerrechtsbewegung haben nachweislich nur die kleine Gruppe des schwarzen Mittelstandes erreicht und an den Lebensbedingungen der Ghettobewohner nichts verändert. »20 Protagonisten des »schwarzen Nationalismus« wie Malcolm X betrachteten ihrerseits die Bürgerrechtsauseinandersetzungen in den USA als Teil des internationalen Klassenkampfes, der in Solidarität mit den weltweiten Befreiungsbewegungen ausgetragen werden sollte. Diese Sichtweisen fanden auch Unterstützung durch SDS-Mitglieder in Westdeutschland. Wie die Organisation in einer ihrer Resolutionen auf der Bundesversammlung 1967 erklärte: »Durch den gewaltsamen Kampf der sich als ›Afro-Amerikaner‹ begreifenden Schwarzen in den USA wird die Solidarität mit den nationalen Befreiungsbewegungen der Dritten Welt konkret. Indem sie in den USA selbst ein zweites Vietnam schaffen, verbindet sich ihr Kampf gegen den amerikanischen Kapitalismus mit dem internationalen Klassenkampf gegen den Imperialismus.«21 In den Augen der westdeutschen Aktivisten waren die Veränderungen innerhalb des SNCC und der Ruf nach »Black Power« ein Beleg für die Entstehung einer weiteren Front im Kampf gegen den US-Imperialismus, diesmal von innen heraus. Mitglieder des SDS hatten sich in den USA nicht nur während ihrer Besuchsreisen oder studentischen Austauschjahre mit Schlüsselfiguren der Black Power-Bewegung getroffen, sondern waren ihnen auch auf internationalen Konferenzen begegnet. Im Juli 1967 reiste beispielsweise eine SDS-Delegation nach London, um an einem Kongress zum Thema »Dialektik der Befreiung« teilzunehmen, wo sie einen Vortrag von Stokeley Carmichael besuchte.22 Für Bernward Vesper, ein Mitglied dieser Delegation, hatte diese Begegnung tiefgreifende Auswirkungen: Ein paar Stunden später Carmichael. Das Auditorium ist jetzt schwarz und braun. Dockarbeiter, Studenten. Und Carmichael hämmert ihnen ein, ›zurückschlagen‹. ›Wenn wir schon sterben müssen, dann werden wir zurückschlagen!‹ Und zum ersten Mal höre ich: ›Wir sind die Mehrheit, wir, die farbigen Völker der Welt! Wir werden dem Imperialismus in seinem Herzland entgegentreten, und wenn wir nicht die Freiheit bekommen, Menschen zu sein, werden wir Amerika niederbrennen von einer Küste zur anderen!‹23

Nach dem Kongress begann Vesper, deutsche Übersetzungen von Black Power- und Black Nationalism-Literatur in seinem Verlag Studio Neue Literatur zu veröffentlichen, und kam damit einem steigenden Bedürfnis innerhalb der bundesrepublikanischen Neuen Linken nach.24 Seine Verlobte Gudrun Ensslin, später eines der führenden Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF), unterstützte ihn hierbei. Ensslin hatte in den USA studiert, war aktiv in der GIDesertierungs-Kampagne in Westdeutschland und half bei der Übersetzung dieser Texte. Sowohl Vesper als auch Ensslin verstanden Black Power als herausragendes Beispiel für die globale Dimension des revolutionären Kampfes

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am Ende der 1960er Jahre. Insbesondere hinsichtlich Militanz und Entschlossenheit sahen sie Black Power als Bezugspunkt und Vorbild für ihre eigenen Bemühungen innerhalb der industrialisierten Staaten des Westens. Wie Vesper formulierte: »So ist der Freiheitskampf der Farbigen in der ganzen Welt die Hoffnung auch für die von ihrer Zukunft abgeschnittenen Weißen.«25 Einer der eindrucksvollsten Belege für diese Art transnationaler, rassenübergreifender Allianz gegen Imperialismus war der erwähnte Vietnamkongress in Westberlin, der am 17. und 18. Februar 1968 stattfand. In einer bunten Vielfalt von Vollversammlungen, Workshops und Demonstrationen erprobten die an diesen beiden Tagen versammelten internationalen Antikriegs-AktivistInnen Wege, um den aus ihrer Sicht mit Hilfe traditioneller westlicher Bündnissysteme international operierenden Imperialismus und seine Kriegsmaschinerie zu stoppen. Gleichzeitig sollte ein globales Oppositionsnetzwerk geschaffen werden. In einer der Eröffnungsveranstaltungen zeigte sich der österreichische Dichter Erich Fried beispielsweise davon überzeugt, dass in den urbanen Zentren der westlichen Welt eine Opposition, die von ihrer Form und ihren Zielen her vereint war, entstanden sei. Fried zufolge teilten die studentischen Aktivitäten in Westdeutschland und speziell der afroamerikanische Kampf gemeinsame Grundzüge: sie wurden beide von einer breiten Öffentlichkeit geschmäht und konnten dennoch als »eine Weiterentwicklung des antiimperialistischen Kampfes im Herzen der großen Städte« angesehen werden, »die man hier und in aller Welt noch für unmöglich gehalten hätte und nun mit Worten wie ›rassistisch und faschistisch‹ abtun will, um den Mördern der Neger freie Bahn zu schaffen!«26 Die Ermordung Martin Luther Kings am 4. April 1968, nur sechs Wochen nach dem Kongress, schien die Erfolglosigkeit gewaltloser Aktionsformen und die Legitimität der Black Power nur zu bestätigen. Während bei offiziellen Trauerfeiern, Schweigemärschen und anderen Beileidsbekundungen in der gesamten Bundesrepublik Kings Verdienste um gewaltlose soziale und politische Veränderungen in den USA betont wurden, zogen die studentischen AktivistInnen um den SDS andere Schlüsse aus diesem Attentat. Trotz ihrer vorherigen Kritik an Kings Strategie wurde seine Ermordung nun das Signal für revolutionäre Aktionen zur Rettung seines geschichtlichen Erbes. Der Berliner SDS-Vertreter Ekkehart Krippendorff erklärte: Wir sind es, die auf unsere Weise seiner Forderung nach einer wirklichen revolutionären Veränderung auch unserer Gesellschaft Genüge tun müssen. Von seinen Methoden haben wir gelernt und auch von seinen eigenen Erkenntnissen über die Natur der Gesellschaft, in der wir selbst hier leben. Das Erbe Martin Luther Kings ist für uns die Weiterführung seines sozial-revolutionären Kampfes mit seinen, aber auch mit unseren Methoden, hier in unserem eigenen Lande. 27

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Das Attentat auf einen der prominentesten Wortführer der westdeutschen Studentenbewegung, Rudi Dutschke, nur sieben Tage später verlieh dieser Aufgabe noch größere Dringlichkeit. Der Attentäter Josef Bachmann erklärte sogar, er habe sich bei seinem Anschlag von der Ermordung Martin Luther Kings inspirieren lassen, was die Erkenntnis unter den Aktivisten verstärkte, dass sowohl die Bürgerrechtsbewegung in den USA als auch die Studentenbewegung in der Bundesrepublik einer ähnlichen Gefahr von reaktionärer Gegengewalt ausgesetzt waren. Diesem Vergleich wurde, kaum war er erstmals öffentlich vertreten worden, sogleich heftigst widersprochen. Wie eine Hamburger Zeitung schrieb: »Berlin ist nicht Memphis, und die Bundesrepublik ist nicht Amerika. Hier gibt es nicht das dort ein ganzes Volk zerreißende Rassenproblem mit seinen tiefgreifenden sozialen Aspekten. Hier gibt es auch keinen Ku-Klux-Klan und fanatisierte Rassengegner auf beiden Seiten.«28 Trotz dieser Einwände baute die westdeutsche Studentenbewegung ihre Allianz mit der Black Power-Bewegung systematisch aus. Besonders Karl-Dietrich Wolff kommt das Verdienst zu, diese Beziehungen am Ende der 1960er Jahre erheblich intensiviert zu haben. Nach seiner Amtszeit als SDS-Vorsitzender trat Wolff auf Einladung des amerikanischen SDS im Februar 1969 eine Lesereise durch Kanada und die USA an. In Kalifornien besuchte er im Rahmen dieser Reise auch das Hauptquartier der Black Panther-Partei in Oakland und ihren Vorsitzenden Bobby Seale. Mit dieser ersten Kontaktaufnahme legte er den Grundstein für eine intensive Verbindung zu dieser Gruppe, die sich in den nächsten Jahren durch Korrespondenz, gegenseitige Besuche und Veröffentlichung von Texten in den jeweiligen Zeitschriften vertiefte. Während seines Aufenthaltes in den USA bekam Wolff auch die Chance, diese Verbindung an prominenter Stelle publik zu machen, nämlich als er zu einer Anhörung vor dem Unterausschuß für Innere Sicherheit des US-Senats vorgeladen wurde. Als Wolff bei diesem Anlaß von Senator Strom Thurmond aus South Carolina, einem berüchtigten Anhänger der Rassentrennung, gedrängt wurde, Details zu den transatlantischen Verbindungen des deutschen SDS preiszugeben, erklärte er emphatisch, dass »die Siege der Bewegung in den Vereinigten Staaten als unsere Siege angesehen werden […], die Unterdrückung der radikalen Bewegung in den USA, die gerade verschärft wird, verstehen wir als Unterdrückungsversuch an uns.«29 Wolff prangerte ebenso die systematische Verfolgung der Black Panther-Partei in den USA vor dem Ausschuß an und erwiderte unter grossem Beifall aus dem Zuschauerraum, als er in bewusst provozierender Art gefragt wurde, ob er dabei von »einer Tierart« oder »Menschen« spreche: »Nun, ich würde dazu gerne in einem Satz antworten: Ich bevorzuge Panther gegenüber Schweinen.«30

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S olidarität mit der B lack Panther -Partei , der K rieg in V ie tnam und die V er änderung des A merik abildes Nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik gründete Wolff im November 1969 das Black Panther-Solidaritätskomitee in Frankfurt a.M. als Teil des internationalen Solidaritätsnetzwerks für die Partei, die – bedingt durch Eldridge Cleavers Exil seit 1969 – auch ein internationales Büro in Algerien eröffnet hatte.31 Die Ziele des Komitees wurden folgendermaßen definiert: »1) Aufklärung über den Kampf der Partei und über den faschistischen Terror der herrschenden Klasse in den USA. 2) Agitation und Propaganda unter den in Deutschland stationierten GIs. 3) Materielle Unterstützung der Black Panthers.«32 In der Praxis stellte sich das so dar, dass das Komitee deutsche Übersetzungen von Schlüsseltexten der Partei herstellte und verkaufte, sowohl um über die Partei zu informieren als auch um Geld zu sammeln. Dies geschah mit Hilfe von Wolffs Verlag Roter Stern, der die Schriften von Eldridge Cleaver, Huey Newton und anderen einem westdeutschen Publikum zugänglich machte.33 Ergänzend organisierte das Komitee Solidaritätsdemonstrationen, Filmvorführungen und ging in die örtlichen Schulen, um Schüler und Lehrer über die Geschichte des afroamerikanischen Freiheitskampfes und die Black Power-Bewegung zu informieren. Wolff gründete ausserdem einen Lesekreis, der sich »Rote Panther« nannte, der jungen Auszubildenden und Praktikanten aus der Region die Texte der Black Panthers und andere Literatur des sozialistischen Kanons vorstellte. Aber es war nicht nur der gemeinsame Kampf gegen den Vietnamkrieg oder eine generelle antiimperialistische Ideologie, die westdeutsche Studenten mit den Black Panthers am Ende der 1960er Jahre verband. Eine weitere entscheidende Gemeinsamkeit war die umfassende Desillusionierung über Rolle und Ziele der Vereinigten Staaten auf internationaler Ebene wie auch in den USA selbst. Die junge Generation in der Bundesrepublik hatte nicht nur die materiellen Annehmlichkeiten, die mit dem Marshall-Plan zum Wiederaufbau dieses Landesteils verbunden waren, mit offenen Armen empfangen, sondern sich auch für die amerikanische Populärkultur begeistert, die im Zuge der Besetzung durch US-Truppen ins Land gekommen war. Egal ob es sich um Konsumartikel, Mode, Musik oder Filme handelte, der American way of life übte eine starke Anziehungskraft und einen großen Einfluß auf die westdeutsche Jugend aus, insbesondere, da diese Lebensart oft von der Elterngeneration eher kritisch beurteilt wurde. Jazz, GIs und Hollywood brachten eine neue kulturelle Offenheit und Individualismus in die Bundesrepublik und unterzogen damit die gesellschaftlichen Konventionen und traditionellen Hierarchien einer heftigen Belastungsprobe.34

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Abb. 6.2: Austauschstudenten der traditionsreichen, afroamerikanischen Lincoln University auf einer Black Panther Solidaritätskundgebung an der Universität Frankfurt a.M., 1971 (Barbara Klemm) In politischer Hinsicht waren die USA entsprechend ihrer eigener Propaganda (Amerika-Häuser, USIA, Voice of America, American Forces Radio etc.) zunächst als vorbildlicher Vertreter von Demokratie und Freiheit wahrgenommen worden, als ein Beispiel, dem die Bundesrepublik nacheifern sollte. Gerade wegen dieser positiven Rezeption waren die Entdeckung des Jim Crow-Rassismus in der USArmee und in den Vereinigten Staaten samt den medialen Zeugnissen der brutalen Reaktionen auf die Rassenintegrationsansätze und Bürgerrechtsdemonstrationen in Little Rock oder Birmingham geradezu ein Schock und führten zu einer massiven Verschlechterung des Images der USA unter jungen Westdeutschen. Einer von ihnen erinnert sich: »Wenn man gesehen hat, Schwarze haben weniger Rechte und weiße Amerikaner kommen hierher und erzählen uns, alle Leute seien gleich vorm Gesetz, musste man plötzlich eingestehen, dass hier ein erheblicher Widerspruch zwischen Anspruch und Realität existierte […].«35 Die Enttäuschung wuchs parallel zur Eskalation des Vietnamkriegs, und rief Wut, Zynismus und Frustration über die Schere hervor, die sich zwischen der offiziellen Sichtweise, derzufolge die USA die Führungsnation innerhalb des »freien Westens« war, und den tatsächlichen politischen Verhältnissen sowohl im eigenen Land als auch jenseits seiner Grenzen, auftat. Als die Konflikte in den USA zunahmen und der Krieg in Südostasien sich intensivierte, bröckelte das positive Image der amerikanischen Regierung zusehends. Hinzu kam, dass westdeutsche Aktivisten unter dem Eindruck dieser Vorgänge begannen, Amerikas Politik als »faschistisch« zu bezeichnen und sie mit Nazi-Deutschland verglichen: »Wir übten Kritik, die mit der Erkenntnis einsetzte, das z.B. Rassismus zum Judenmord in den Konzentrationslagern geführt

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hatte. Man sah, dass Schwarze in Amerika knallhart wie der letzte Dreck behandelt werden, man erkannte, man muss hier Partei ergreifen, und zwar für die Schwarzen, für die Bürgerrechtsbewegung und nicht für den Ku-Klux-Klan und ähnliche Wirrköpfe samt der amerikanischen Regierung.«36 Diese historischen Bezüge wurden nicht nur im Hinblick auf Vietnam hergestellt, das immer öfter innerhalb der westdeutschen Antikriegs-Bewegung mit Auschwitz verglichen wurde.37 Das Erbe der NS-Ideologie und der deutschen Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg wurden auch an der Art und Weise deutlich, mit der Teile der jungen Generation in der Bundesrepublik die Diskriminierung von Afroamerikanern in den Vereinigten Staaten wahrnahmen. Während seines High School-Jahres in Michigan hatte der spätere westdeutsche SDS-Vorsitzende Wolff beispielsweise seine Gastgeber, den örtlichen Rotary Club, schockiert, als er bei einer Veranstaltung nach dem üblichen Fahneneid der örtlichen Pfadfinder – »Ich schwöre Treue auf die Fahne der Vereinigten Staaten von Amerika und die Republik, für die sie steht, eine Nation unter Gott, unteilbar, mit Freiheit und Gerechtigkeit für jeden« – »mit einer vor Anspannung schrillen Stimme dazwischen rief: ›Außer für Juden, Neger und all die anderen dämlichen Ausländer!‹«38 Dagmar Schultz, die Mitte der 1980er Jahre den ersten Verband für Schwarze Frauen und Schwarze Menschen in der Bundesrepublik mitbegründen sollte, beschrieb ähnliche Gefühle während der 1960er Jahre, als sie sich als weiße Frau im amerikanischen Süden aktiv in der Bürgerrechtsbewegung engagierte.39 In einem Bericht aus dem Jahre 1965 schilderte sie, wie die öffentliche Reaktion auf ihre Zusammenarbeit mit Afroamerikanern bei ihr unweigerlich Assoziationen an die Zeit des Nationalsozialismus entstehen ließ und sie für das Phänomen der Kollektivschuld sensibilisierte. Als sie mit politischen Schikanen für ihre Aktivitäten abgestraft wurde, verbanden sich für Schultz beispielsweise die Belästigungen durch die lokalen Polizeibehörden in den Südstaaten assoziativ mit dem Hass und dem Sadismus der Aufseher in deutschen Konzentrationslagern. 40 Im Rückblick auf diese Erfahrungen erklärte sie: »Die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Hitlers Deutschland und Mississippi sind oft diskutiert worden, aber ein gemeinsames Ergebnis ist sicher: Die Ausübung eines Systems, das auf Rassenherrschaft begründet ist, wirkt sich verheerend sowohl auf Individuen als auch auf die Menschheit im Allgemeinen aus.«41 In der westdeutschen bürgerlichen Presse fanden sich solche Vergleiche umgekehrt in kritischen Betrachtungen der Black Power-Bewegung; dort wurde beispielsweise Malcolm X als »schwarzer Goebbels« dargestellt, oder eine Ansprache von Rap Brown mit der Rhetorik von Goebbels’ »Wollt ihr den totalen Krieg?«-Rede vom 18. Februar 1943 verglichen. 42 Diese Darstellungen flossen teilweise mit rassistischen Vorurteilen und oberflächlichen Stereotypen zusammen, die auf den deutschen Kolonialismus zurückverwiesen, so etwa in der Charakterisierung der städtischen Rassenunruhen in den USA als »Ausbruch

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von Dschungeltum« oder in der Beschreibung von Menschen afrikanischer Herkunft als von Natur aus emotional und zu ekstatischem und inkonsequenten Handeln neigend. 43 Aber auch aufgeklärtere Beobachter der afroamerikanischen Kultur äußerten ihre Vorbehalte gegenüber Vorgängen, die sie als radikal-militante Exzesse innerhalb des Bürgerrechtskampfes unter dem Banner des Black Nationalism ansahen. Joachim-Ernst Behrendt, als Musikjournalist und Produzent eine der berühmtesten Autoritäten der Bundesrepublik in Sachen Jazz, klagte beispielsweise 1970 Eldridge Cleaver und Leroi Jones an, sie verbreiteten eine Ideologie, die Züge faschistischer Tendenzen aufwiese. 44 Für die Mitglieder der Black Panther-Solidaritätskomitees und die Vertreter der studentischen Linken blieben die Frontlinien ebenfalls klar. Ihr Vergleich der aktuellen Rassendiskriminierung in den USA mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands verstärkte ihre Solidarität mit Black Power und diente auch im eigenen Land als Antrieb zu größerer Militanz. Auf diesem Wege konnten eigene Aktionen und Kampagnen innerhalb des weltweiten revolutionären Auf begehrens der unterdrückten Klassen verortet werden, und als Widerstand gegen Ungerechtigkeiten, die für sie vergleichbar mit dem Nazi-Terror waren; all dies als Teil eines Versuches, sowohl die eigene Viktimisierung zu verhindern als auch aktive Reue für die Sünden ihrer Eltern zu demonstrieren. Durch die Imitation der Black Panthers, aber auch durch revolutionäre Vorbilder wie Che Guevara oder Frantz Fanon, kamen Einzelne an den Punkt, Gewalt als legitimes Mittel zur individuellen Befreiung und Stärkung der Bewegung anzusehen. Ihrer Sichtweise zufolge war die afroamerikanische Minderheit eine »innere Kolonie« der Vereinigten Staaten. Die Verbindung der USA zur Bundesrepublik und der NATO wurden als »externe Kolonialbeziehungen« gedeutet, die Westdeutschland zum Komplizen jener Verbrechen mache, die vom »US-Imperialismus« weltweit begangen würden. Als Konsequenz wurde der Kampf gegen dieses Bündnis, seine Repräsentanten in Westdeutschland, und die US-Regierung zu einer zwingenden politischen und moralischen Notwendigkeit. 45 Diese Überzeugung wurde besonders evident innerhalb terroristischer Gruppen in der Bundesrepublik der 1970er Jahre. Im Juni 1970 veröffentlichte die Rote Armee Fraktion (RAF) ihr Gründungsmanifest mit dem Titel Die Rote Armee auf bauen! in der Untergrundzeitschrift Agit 883, dessen Titel ein schwarzer Panther und ein sowjetisches Maschinengewehr Marke Kalaschnikow zierten (letzteres wurde später Teil des Logos der Gruppe). 46 In ihren Schriften bezog sich die Gruppe häufig auf die Black Panther und übernahm teilweise sogar deren Nomenklatur, beispielsweise in der Bezeichnung der Polizisten als pigs (das englische Wort benutzend). 47 Am wichtigsten war jedoch, dass die RAF den Gewaltausbruch während der städtischen Rassenunruhen in den USA bewunderte und ihn als Vorbild für ihre eigenen Aktionen nahm: »Die Afro-Amerikaner und ihre Verbündeten haben vorher nicht das

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Kräfteverhältnis der Klassen gewogen und die Divisionen der Konterrevolution gezählt. Sie haben ihre Chancen nicht kalkuliert. Sie haben nur einen Augenblick von sich selbst abgelassen und ihre Gewalttätigkeit gegen ihre Unterdrücker gekehrt. In den Straßen von Watts haben sie das Feuer der Revolution entzündet, das bis zu ihrem endgültigen Sieg nicht ausgehen wird.« 48 In den Augen der RAF wurden die Black Panther zu einem Vorbild und einem Partner in einem als internationalen revolutionären Kampf angesehenen Konflikt, der sich von Vietnam über Afrika und Südamerika bis hinein in die Industriestaaten des Westens erstreckte. Zusätzlich zu diesen politischen Allianzen rührte diese Affinität gegenüber den Afroamerikanern auch von einer tiefen Faszination gegenüber dem »Authentischen« her, das für weiße Deutsche in dem Konzept von Black Culture aufging. Afro-Frisuren, Blues- und Soulmusik, aber auch eine Reihe von Konsumgütern wurden mit »Schwarzsein« assoziiert und häufig in Werbespots mit afroamerikanischen Modeln beworben. Dies sind nur ein paar Beispiele kultureller Topoi, mit denen sich junge Leute in Westdeutschland in den 1960er und 1970er Jahren nur allzu gerne identifizierten. 49 Für sie wurde die weiße Hautfarbe zum Inbegriff von Vernunft und Anpassung, während schwarze Hautfarbe als stellvertretend für Emotionalität, Erfüllung, Freiheit und Stärke angesehen wurde. Durch die Bewunderung für und die Nachahmung von afroamerikanischen Vorbildern bemühten sie sich, die Zwänge der eigenen Gesellschaft zu überwinden und eine neue Identität in der Solidarität mit den schwarzen Völkern weltweit zu gewinnen. Angela Davis, eine der unbestrittenen Ikonen des Black Power-Kampfes in der Bundesrepublik zu Beginn der 1970er Jahre, war das beste Beispiel für diese Projektion von Wünschen und Traumvorstellungen auf afroamerikanische Aktivisten und Aktivistinnen.

A ngel a D avis in der B undesrepublik Geboren 1944 in Birmingham (Alabama) als Tochter einer afroamerikanischen Mittelklassefamilie entwickelte Angela Davis schon früh in ihrem Leben eine besonders enge und persönliche Bindung an Deutschland. Als Studentin von Herbert Marcuse an der Brandeis Universität in Waltham (Massachusetts) wurde ihr Interesse für deutsche Philosophie geweckt. Sie verbrachte daher die Jahre 1965 bis 1967 an der Universität Frankfurt a.M., wo sie Lehrveranstaltungen Theodor W. Adornos, einer anderen Schlüsselfigur der Frankfurter Schule, sowie seiner Assistenten Jürgen Habermas und Oskar Negt besuchte. Während dieser Zeit und durch Adornos Seminare lernte Davis auch Mitglieder des deutschen SDS kennen und nahm an Demonstrationen gegen den Krieg in Vietnam teil. Sie besuchte sogar zusammen mit der bereits erwähnten SDS-Delegation den »Dialektik der Befreiung«-Kongress in London im Juli

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1967, und entschloss sich daraufhin, in die USA zurückzukehren, um dort aktiv die Black Power-Bewegung zu unterstützen.50 Sie setzte ihr Studium bei Herbert Marcuse in Kalifornien fort, da dieser mittlerweile von Brandeis an die University of California in San Diego gewechselt hatte. Dort trat sie dem SNCC und der Kommunistischen Partei der USA bei und avancierte rasch zu einer der prominentesten Führungspersönlichkeiten der Black Power-Bewegung. Aber auch ihre akademische Karriere machte weiter Fortschritte und sie erhielt 1969 einen Lehrauftrag an der University of California in Los Angeles, aus dem sie jedoch im folgenden Jahr auf Betreiben des Aufsichtsrates (Board of Regents) der Universität von Kalifornien unter erheblichem öffentlichen Druck entlassen wurde. Auch in politischer Hinsicht kam es 1970 zu einem dramatischen Umschwung in ihrem Leben, als ihre Verbindung zu den »Soledad-Brüdern«, einer Gruppe von drei afroamerikanischen Häftlingen aus dem Gefängnis im kalifornischen Soledad (Monterey County), ihr internationale Berühmtheit verschaffte. Davis hatte die Verteidigung der drei Gefangenen, die des Mordes an einem Gefängniswächter angeklagt waren und die Todesstrafe erwarteten, unterstützt. Sie hielt Vorträge über das Gefängnissystem in Kalifornien, leistete Rechtshilfe, und traf die Familie von George Jackson, einem der Insassen. Im August 1970 betrat sein jüngerer Bruder Jonathan Jackson bewaffnet einen Gerichtssaal in Marin County und nahm den Vorsitzenden Richter sowie den stellvetretenden Bezirksstaatsanwalt und Mitglieder der Jury als Geiseln, um die drei Gefangenen freizupressen. Sowohl Geiselnehmer als auch einige Geiseln starben in einem anschliessenden Schusswechsel mit der Polizei, die in der Folge feststellte, dass die von Jonathan Jackson verwendete Waffe auf Angela Davis’ Namen zugelassen war. Die Behörden klagten Davis daraufhin wegen Teilnahme an einer kriminellen Verschwörung, Entführung und Mord an und erliessen Haftbefehl. Sie wurde nach zweimonatiger Flucht im Oktober 1970 verhaftet und im Anschluss an eine insgesamt knapp zweijährige Untersuchungshaft auf Kaution entlassen. Der Prozess endete im Juni 1972 mit ihrem Freispruch.51 Die Reaktion auf diese Ereignisse unter ihren Freunden und ehemaligen Kommilitionen in der Bundesrepublik waren geprägt von Schock, Wut und Ungläubigkeit.52 Die Empörung wurde noch durch Herbert Marcuses Analyse der Situation verstärkt. Nur einen Monat nach ihrer Verhaftung, während Davis schon auf der Liste der zehn meistgesuchten Verbrecher des FBI stand, veröffentlichte Marcuse einen Solidaritätsaufruf, in dem er konstatierte: »Die Geschichte der Angela Davis ist die Geschichte einer dreifachen politischen Repression: gegen eine Frau, gegen eine militante Negerin, gegen eine linke Rebellin.« Marcuse wies darauf hin, dass Davis ungeachtet ihrer tatsächlichen Schuld oder Unschuld der Prozess gemacht werde, und dieser Prozess werde »der Prozess einer Gesellschaft der Gewalt und Ungerechtigkeit sein, einer Gesellschaft, die verantwortlich ist für die Situation, in der sich Angela heute

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befindet.« Marcuse zufolge »kämpft sie um ihr Leben« und »nur ein mächtiger Protest, ein Protest, der überall gegenwärtig ist und nicht erstickt werden kann, kann ihr Leben retten.« 53 Genau diese Art von Protesten schwebte den Anhängern von Angela Davis in der Bundesrepublik vor. Das Black Panther-Solidaritätskomitee in Frankfurt a.M. hatte bereits im September 1970 damit begonnen, Informationen über die Soledad-Brüder zu verteilen, um damit über die Hintergründe für die Verhaftung Angela Davis’ zu informieren.54 Die Strategie des Solidaritätskomitees bestand darin, durch diese Informationskampagne internationalen Druck aufzubauen, der die vorzeitige Entlassung von Davis beschleunigen sollte.55 Am 24. November 1970 kamen rund tausend Studenten an der Universität Frankfurt zusammen, um an einem Teach-in für ihre Freilassung (u.a. mit Karl-Dietrich Wolff und Daniel Cohn-Bendit) teilzunehmen. Am 22. Dezember 1970 publizierten Fakultätsmitglieder der Universität Frankfurt a.M. mit der Unterstützung des Rektors eine Solidaritätserklärung für Davis in überraschend deutlicher Sprache. Den »US-Imperialismus« verurteilend, drückten die Wissenschaftler ihre Sorge darüber aus, dass Angela Davis »angeklagt und verurteilt wird wegen ihrer Beteiligung an der Organisation des Widerstandes gegen ein System, das die farbige Bevölkerung Amerikas seit Jahrhunderten rücksichtslosester ökonomischer und kultureller Ausbeutung unterwirft. In diesem System dienen hunderttausend ermordete Vietnamesen demselben Ziel wie der zu befürchtende Justizmord an Angela Davis: Der Aufrechterhaltung verrotteter, geschichtlich überholter Macht und Privilegien.«56

Abb. 6.3: Am 13. März 1971 organisierten Frauengruppen in Frankfurt a.M. eine Frauen-und-Kinder-Demonstration für Angela Davis, während der ungefähr 200 Teilnehmerinnen zum US-Generalkonsulat marschierten, um dort eine Petition abzugeben57 (Manfred Tripp/Archiv: Hamburger Institut für Sozialforschung)

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Die meisten dieser Solidaritätsbekundungen waren getragen von der Überzeugung, dass der Fall Angela Davis einen konzertierten Versuch der US-Behörden darstellte, die Black Power-Bewegung »in präfaschistischer Weise« zu kriminalisieren und zum Schweigen zu bringen.58 Das Angela Davis-Solidaritätskomitee, welches im Mai 1971 gegründet wurde, teilte diese Auffassung. Als überparteiliche Organisation war es das Ziel des Komitees, alle Unterstützungsmaßnahmen für Angela Davis in der Bundesrepublik zu koordinieren.59 Zu diesem Zwecke wurden Basisinformationen über Davis’ Leben, ihr Studium bei Marcuse, ihre Zeit in Frankfurt a.M., ihre Arbeit in der afroamerikanischen Bewegung, aber auch über ihren bevorstehenden Prozess, gesammelt und zusammengestellt. Angesichts der nationalsozialistischen Vergangenheit sah es das Komitee als besonderes Anliegen an, sich dem Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus weltweit zu widmen: »Besonders das deutsche Volk hat ein Recht auf Aufklärung über den fortwirkenden Rassismus in der Welt. Und gerade jene, die ihren inneren Frieden mit den Juden geschlossen haben, sollten bedenken, dass ihre Glaubwürdigkeit von ihrer Bereitschaft abhängt, die gesellschaftlichen Ursachen der Rassendiskriminierung, wo immer sie auftritt, kompromisslos zu bekämpfen.« Dem Komitee zufolge war die Solidarität mit Angela Davis nicht nur ein Ausdruck von Opposition gegen »ein durch den Völkermord in Vietnam jeglicher Legitimation entschleiertes unmenschliches System«. Es war darüber hinaus auch ein Indikator, wie weit die Westdeutschen schon mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit vorangekommen waren, angesichts dieser Gelegenheit, sich gegen eine vermeintliche Rückkehr des Faschismus im eigenen Land oder im Ausland auszusprechen.60 Die deutsche Vergangenheit wurde also als Interpretationshilfe benutzt, mittels derer die Situation der Afroamerikaner der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit nahegebracht wurde. Deswegen war jegliche Unterstützung für Davis genauso bedeutend für die Situation in der Bundesrepublik wie für die Situation in den USA. Eine Aktivistengruppe am John F. Kennedy-Institut der Freien Universität in Westberlin brachte diese Doppelbindung auf den Punkt: »In den USA wie in der Bundesrepublik müssen wir es verhindern, dass politische Organisationen durch Propagandafeldzüge des Staatsapparates und der bürgerlichen Presse kriminalisiert und damit ohne Legitimationszwang physisch liquidiert werden können. […] Der Kampf für die Befreiung von Angela Davis steht also in direktem Zusammenhang mit dem Kampf für unsere eigenen demokratischen Rechte.«61

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Abb. 6.4: Sogar das deutsche Wochenmagazin Der Spiegel stellte in einem Titelbild mit Angela Davis im November 1970 die Frage nach einem bevorstehenden »Faschismus in Amerika?« 62 (Der Spiegel 46/1971)

Am 3. und 4. Juni 1972 organisierte das Angela Davis-Solidaritätskomitee den Kongress »Am Beispiel Angela Davis« in Frankfurt a.M., der mehr als 10.000 Teilnehmer für die Eröffnungsveranstaltung auf dem Opernplatz versammelte. Die Redebeiträge der Kongressteilnehmer betonten einmal mehr, dass der Fall Angela Davis ein internationales und kein individuelles Problem war, ein Problem also, das sich überall dort manifestiere, wo Minderheiten unterdrückt und der Vietnamkrieg unterstützt würden. Daher repräsentiere die Kampagne für einen fairen Prozess für Angela Davis gleichzeitig eine Kampagne für die Stärkung der Demokratie im eigenen Land. Wolfgang Abendroth, Politologieprofessor aus Marburg, formulierte es so: »Wer gegen den Justizmord im Fall Angela Davis helfen will, hilft sich selbst gegen die Aushöhlung der demokratischen Freiheiten auch in der Bundesrepublik. Wer gegen die Auflösung der demokratischen Freiheiten in der Bundesrepublik eintreten will, muss im eigenen Interesse gleichzeitig helfen, die Weltöffentlichkeit für Angela Davis zu mobilisieren.«63 Zusätzlich zu diesen Analogien wurde auf dem Kongress auch die Frage der Legitimität von Gewalt im Kampf um soziale Wandel diskutiert. Nur weni-

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ge Tage vor dem Beginn des Kongresses waren einige führende Mitglieder der RAF (Andreas Baader, Holger Meins, Jan-Carl Raspe) verhaftet worden. Die RAF hatte im Mai 1972 ihre Aktivitäten intensiviert und eine Reihe terroristischer Aktionen gestartet. Hierzu gehörten Bombenanschläge auf ein US-Armeegebäude in Frankfurt a.M., Gerichtsgebäude in Augsburg und München, das Verlagsgebäude der Axel Springer AG in Hamburg und das europäische Hauptquartier der US-Streikräfte in Heidelberg, aber auch der Mordversuch an einem Richter des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe. Durch diese Anschläge waren vier US-Soldaten getötet und 74 Personen verletzt worden. Als Konsequenz fand der Kongress also in einer Atmosphäre statt, die von bundesweiten Polizeifahndungen, einer Medienhysterie und einer tiefgreifenden Beunruhigung der Öffentlichkeit begleitet war. Diese innenpolitische Situation 1972 machte so aus einer Solidaritätsveranstaltung für eine afroamerikanische Black Power-Aktivistin ein zentrales Forum für die Diskussion von Terrorismus, der Legitimität gewalttätiger Aktionen und dem Gewaltmonopol des Staates in der Bundesrepublik. Herbert Marcuse beispielsweise bezog eindeutig gegen jegliche individuelle Terroranschläge Position und bezeichnte diese als absurd und konterrevolutionär.64 Andere ehemalige Lehrer und Kollegen von Angela Davis in Frankfurt, wie etwa Lothar Menne, Detlev Claussen und Claus Offe stimmten damit überein und warnten vor falschen Analogien. Für sie konnte Gewalt, wenn überhaupt, nur in einer revolutionären Situation gerechtfertigt werden, und dies auch nur, falls die Unterstützung der Bevölkerungsmehrheit gegeben war.65 Insbesondere Oskar Negt unterzog terroristische Gewalt einer vernichtenden Kritik, indem er sie als ein Zeichen von politischer Ignoranz, Verzweiflung und Narzissmus bezeichnete. Seiner Meinung nach waren die Gewalttaten der RAF aus einer konfusen Sichtweise der politischen Realitäten entstanden und würden sowohl die Linke in der Bundesrepublik als auch die gesamte Solidaritätsbewegung für Angela Davis diskreditieren. Negt wies insbesondere jene Art »erpresserischer Solidarität« zurück, die die RAF als Lackmustest für revolutionäre Gesinnung und internationale Solidarität benutzte, indem er eine andere Einschätzung bot: Wir können unsere Solidarität mit Angela Davis, mit allen politischen Gefangenen des Rassenterrors und der Unterdrückung nicht besser demonstrieren als durch die Überwindung unserer eigenen Zersplitterung, durch die Zusammenfassung unserer Kräfte mit dem Ziel, gesellschaftliche Bedingungen zu schaffen, damit solche Kongresse nicht mehr im Zeichen der Gewalt stehen müssen.66

Negt zufolge waren der Zusammenschluss aller progressiven Kräfte und die Ablehnung von Gewalt die effektivste Strategie für politischen Wandel und um Solidarität mit Angela Davis zu demonstrieren.

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Im Kongress »Am Beispiel Angela Davis« ging es daher ebenso sehr um eine Selbstanalyse und Gewissensprüfung innerhalb der westdeutschen Linken zu Beginn der 1970er Jahre wie um den afroamerikanischen Kampf in den Vereinigten Staaten. Trotz ehrlichem Mitgefühl und Sorge um ihr Schicksal fungierte Angela Davis für westdeutsche AktivistInnen als eine weitere Ikone der Black Power-Bewegung, auf die sie die Utopie einer internationalen revolutionären Allianz projizieren konnten. Wie Herbert Marcuse 1969 erläutert hatte, war Davis das »ideale Opfer«: »Sie ist schwarz, sie ist militant, sie ist Kommunistin, sie ist hochintelligent, und sie ist hübsch – und diese Kombination ist mehr, als das System ertragen kann!«67 Die Kombination dieser Faktoren wie auch ihre persönlichen Verbindungen in die Bundesrepublik waren die entscheidenden Faktoren innerhalb einer Solidaritätsbewegung, die vielen Beobachtern sogar aktiver erschien als die Unterstützung für Angela Davis in den USA. Doch waren auch diese Solidaritätsbekundungen keinesfalls vergleichbar mit der offiziellen, staatlichen Solidaritätskampagne für die Bürgerrechtsbewegung und die »Heldin des anderen Amerika« jenseits der Berliner Mauer, in der DDR.

A nmerkungen 1 | SDS Westberlin/Internationales Nachrichten- und Forschungsinstitut (INFI) (Hg.): Der Kampf des vietnamesischen Volkes und die Globalstrategie des Imperialismus – Internationaler Vietnam-Kongress 17./18. Februar 1968, Westberlin, Berlin: SDS, 1968, S. 139f. 2 | Rudi Dutschke: »Internationaler Emanzipationskampf«, S. 123. 3 | Siehe Carol Anderson: »From Hope to Disillusion: African Americans, the United Nations, and the Struggle for Human Rights, 1944–1947,« in: Diplomatic History 20.4 (Fall 1996), S. 531–63; idem: Eyes Off the Prize: The United Nations and the African American Struggle for Human Rights, 1944–1955, Cambridge: Cambridge University Press, 2003. Für die wichtigsten Arbeiten aus einem extrem dynamischen Forschungsfeld siehe Gerald Horne: Black and Red: W. E. B. Du Bois and the Afro-American Response to the Cold War, 1944–1963, Albany: State University of New York Press, 1986; Penny von Eschen: Race against Empire: Black Americans and Anticolonialism, 1937–1957, Ithaca: Cornell University Press, 1997; Mary Dudziak: Cold War Civil Rights: Race and the Image of American Democracy, Princeton, NJ: Princeton University Press, 2000, S. 61ff.; James Meriwether: Proudly We Can Be Africans: Black Americans and Africa, 1935–1961, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 2002; Nikihil Pal Singh: Black Is a Country: Race and the Unfinished Struggle for Democracy, Cambridge, MA: Harvard University Press, 2005, S. 134–84; Manfred Berg: »Black Civil Rights and Liberal Anticommunism: The NAACP in the Early Cold War«, in: Journal of American History 94.1 (2007), S. 75–96; Glenda Gilmore: Defying Dixie: The Radical Roots of Civil Rights,

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Ein Hauch von Freiheit 1919–1950, New York: W. W. Norton, 2008; Carol Anderson: »International Conscience, the Cold War, and Apartheid: The NAACP’s Alliance with the Reverend Michael Scott for South West Africa’s Liberation, 1946–1951«, in: Journal of World History 19.3 (September 2008), S. 297–325; Manning Marable und Vanessa Agard-Jones (Hg.): Transnational Blackness: Navigating the Global Color Line, New York: Palgrave Macmillan, 2008; Minkah Makalani: In the Cause of Freedom: Radical Black Internationalism from Harlem to London, 1917-1939, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 2011; Manning Marable und Elizabeth Kai Hinton (Hg.): The New Black History: Revisiting the Second Reconstruction, New York: Palgrave Macmillan, 2011; Brenda Gayle Plummer: In Search of Power: African Americans in the Era of Decolonization, 1956–1974, New York: Cambridge University Press, 2012; Nico Slate: Colored Cosmopolitanism: The Shared Struggle for Freedom in the United States and India, Cambridge, MA: Harvard University Press, 2012; idem (Hg.): Black Power beyond Borders: The Global Dimensions of the Black Power Movement, New York: Palgrave Macmillan, 2012; Carol Anderson: Bourgeois Radicals: The NAACP and the Struggle for Colonial Liberation, 1941-1960, New York: Cambridge University Press, 2014. 4 | Siehe beispielsweise Singh: Black Is a Country, S. 184–93; Besenia Rodriguez: »›Long Live Third World Unity! Long Live Internationalism!‹ Huey P. Newton’s Revolutionary Intercommunalism«, in: Manning Marable and Vanessa Agard-Jones (Hg.): Transnational Blackness: Navigating the Global Color Line, New York: Palgrave Macmillan, 2008, S. 149–73; Robyn Spencer: »Merely One Link in the Worldwide Revolution: Internationalism, State Repression, and the Black Panther Party, 1966–1972«, in: Michael West, William Martin und Fanon Che Wilkins (Hg.): From Toussaint to Tupac: The Black International since the Age of Revolution, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 2009, S. 215–31. 5 | Günter Amendt: »Die Studentenrevolte in Berkeley«, in: Neue Kritik 28 (Februar 1965), S. 7. 6 | Joachim Schwelien: »Nach der Freiheit die Gleichheit«, in: Die Zeit, 22. Oktober 1965, S. 32. Vgl. auch Imanuel Geiss: »Freisein im Lande der Freiheit – Zur Geschichte der Bürgerrechtsbewegung in den USA«, in: Atomzeitalter 5/6, Juni/Juli 1965, S. 190–196. 7 | »Die politische Szenerie im Süden wird sich ändern. Ein Kandidat, der seinen (weißen) Wählern verspricht, bis zum Umfallen für die Beibehaltung der Rassentrennung zu kämpfen, wird keine Chance mehr haben, gewählt zu werden«, in: Hanns Krammer: »Das Neger-Elend bleibt Amerikas Bürde«, in: Süddeutsche Zeitung, 17. August 1965, S. 3. 8 | Joachim Schwelien: »Weiße Übermacht – schwarze Macht«, in: Die Zeit, 19. August 1966, S. 3. 9 | »Der Rassenkampf wird zum Bürgerkrieg...«, in: Süddeutsche Zeitung, 26. Juli 1967, S. 3. 10 | Herbert von Borch: »Als Schwarzer in Vietnam sterben?«, in: Süddeutsche Zeitung, 21. Juni 1966, S. 9; Manfred Riedel: »Die ‚Schwarze Macht‘ pocht auf ihr Recht«, in: Die Welt, 28. Juni 1966, S. 5.

Kapitel 6: Revolutionäre Allianzen 11 | »Was und warum«, in: Der Spiegel, 7. August 1967, S. 67–73, hier S. 73. 12 | Philipp Gassert: »Blick über den Atlantik: DIE ZEIT und Amerika in den 1960er Jahren«, in: Christian Haase und Axel Schildt (Hg.): DIE ZEIT und die Bonner Republik. Eine meinungsbildende Wochenzeitung zwischen Wiederbewaffnung und Wiedervereinigung, Göttingen: Wallstein, 2008, S. 65–83. 13 | Siehe u.a. Philipp Gassert und Alan Steinweis (Hg.): Coping with the Nazi Past: West German Debates on Nazism and Generational Conflict, 1955–1975, New York: Berghahn Books, 2006; Peter Reichel: Vergangenheitsbewältigung in Deutschland: Die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur in Politik und Justiz, München: C. H. Beck, 2007; Peter Reichel, Harald Schmid und Peter Steinbach (Hg.): Der Nationalsozialismus – Die zweite Geschichte: Überwindung – Deutung – Erinnerung. München: C. H. Beck, 2009; Norbert Frei: Vergangenheitspolitik: Die Anfänge der Bundesrepublik und die NSVergangenheit, München: C. H. Beck, 2012. 14 | Karl Jaspers: Wohin treibt die Bundesrepublik? Tatsachen, Gefahren, Chancen, München: Piper, 1966. Für jüngste Gesamtdarstellungen bundesrepublikanischer Geschichte siehe Edgar Wolfrum: Die geglückte Demokratie: Geschichte der Bundesrepubik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart: Klett-Cotta, 2006; Eckart Conze: Die Suche nach Sicherheit: eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, München: Siedler, 2009; Manfred Görtemaker: Kleine Geschichte der Bundesrepublik, Frankfurt a. M.: Fischer, 2012. 15 | Siehe Boris Spernol: Notstand der Demokratie: Der Protest gegen die Notstandsgesetze und die Frage der NS-Vergangenheit, Essen: Klartext, 2008. 16 | Für eine detaillierte Diskussion dieses Sachverhalts vgl. Martin Klimke: The Other Alliance – Student Protest in West Germany & the United States in the Global Sixties, Princeton, NJ: Princeton University Press, 2010. 17 | K. D. Wolff: »›Amis‹ und ›Naner‹ – Mit Amerikanern in Hessen seit 1945«, in: Gundula Bavendamm: Amerikaner in Hessen – Eine besondere Beziehung im Wandel der Zeit, Hanau: Cocon-Verlag, 2008, online abrufbar unter www.aacvr-germany.org/ online_publications. 18 | Zum weiteren Kontext dieser internationalen Solidarität siehe Niels Seibert: Vergessene Proteste. Internationalismus und Antirassismus 1964–1983, Unrast Verlag: Münster, 2008; Christopher Kalter: Die Entdeckung der Dritten Welt. Dekolonisierung und neue radikale Linke in Frankreich, Frankfurt a. M.: Campus, 2011; Quinn Slobodian: Foreign Front: Third World Politics in Sixties West Germany, Durham: Duke University Press, 2012. 19 | Der Text des Flugblattes »Von diesem Gespräch haben wir nichts zu erwarten«, das von einer Gruppe um Rudi Dutschke während des Konflikts um die Reformen an der Freien Universität zusammengestellt worden war, war inspiriert von einer Rede von Stokeley Carmichael. Vgl. Siegward Lönnendonker, Bernd Rabehl und Jochen Staadt: Die antiautoritäre Revolte – Der Sozialistische Deutsche Studentenbund nach der Trennung von der SPD, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2002, S. 164.

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Ein Hauch von Freiheit 20 | Gerhardt Amendt: »Das Elend der amerikanischen Neger«, in: Frankfurter Rundschau, 27. Januar 1968, Supplement Zeit und Bild, S. 1. 21 | Die XXII. ordentliche Delegiertenkonferenz des SDS / Resolutionen und Beschlüsse, S. 26, in: Bestand Ronny Loewy, Band 1, SDS 1966–1970, HIS, S. 27. 22 | Vgl. auch die deutsche Übersetzung seiner Rede in Stokeley Carmichael: »Black Power«, in: Kursbuch 16, März 1969, S. 111–130. 23 | Bernward Vesper: Die Reise, Reinbek: Rowohlt, 1989, S. 588f. 24 | Vgl. beispielsweise Bernward Vesper (Hg.): Black Power – Ursachen des GuerillaKampfes in den Vereinigten Staaten, Voltaire Flugschriften, 14, Berlin: Voltaire, 1967; Michael Schneider (Hg.): Malcolm X – Schwarze Gewalt. Reden, Frankfurt: Edition Voltaire, 1968; Stokeley Carmichael: Die Dritte Welt, unsere Welt – Thesen zur Schwarzen Revolution, Voltaire Flugschriften 29, Berlin: Voltaire, 1969; Robert F. Williams und Robert B. Bigg: Großstadtguerilla, Voltaire Flugschriften 24, Berlin: Voltaire, 1969. 25 | Vesper: Black Power, S. 3. 26 | Erich Fried, in: SDS Westberlin: Der Kampf des vietnamesischen Volkes, S. 96. 27 | Ekkehart Krippendorff: »Über Martin Luther King«, in: Berliner Extra-Dienst 29/11, 10. April 1968, S. 10. 28 | Zitiert nach: »Eine Krankheit ist ausgebrochen«, in: Bild am Sonntag, 14. April 1968, S. 6. Wie der Historiker Aribert Reimann im Hinblick auf das Attentat auf Dutschke und der Ermordung Martin Luther Kings zeigt, waren für Mitglieder der Kommune dieser Vergleich sowie eine dementsprechende Strategie der Polarisierung und Provokation handlungsbestimmend. Vgl. Aribert Reimann: Dieter Kunzelmann – Avantgardist, Protestler, Radikaler, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2009, S. 188–190. 29 | Zeugenaussage von Karl Dietrich Wolff: Hearings before the Subcommittee to Investigate the Administration of the Internal Security Act and other Security Laws of the Committee on the Judiciary, US-Senat, 91st Congress, 1st Session, 14. und 18. März 1969, Washington, D.C.: US-Government Printing Office 1969, S. 7. 30 | Ebd., S. 15f. 31 | Zur internationalen Dimension der Black Panther Party siehe Jennifer B. Smith: An International History of the Black Panther Party, New York: Garland, 1999; Michael L. Clemons und Charles E. Jones: »Global Solidarity: The Black Panther Party in the International Arena«, in: Kathleen Cleaver und George Katsiaficas (Hg.): Liberation, Imagination, and the Black Panther Party: A New Look at the Panthers and Their Legacy, New York: Routledge, 2001, S. 20–39; Besenia Rodriguez: »›Long Live Third World Unity! Long Live Internationalism!‹ Huey P. Newton’s Revolutionary Intercommunalism«; Robyn Spencer: »Merely One Link in the Worldwide Revolution«. 32 | Black Panther Solidaritätskomitee: »Solidaritätskomitee für die Black-PantherPartei«, in: Sozialistische Correspondenz-Info 24, 6. Dezember 1969, S. 11. Vgl. ebenfalls Maria Höhn: »The Black Panther Solidarity Committee and the Trial of the Ramstein 2«, in: Belinda Davis, et al. (Hg.): Changing the World, Changing the Self – Political Protest and Collective Identities in 1960/70s West Germany and the United States, New York: Berghahn Books, 2010, S. 215–239.

Kapitel 6: Revolutionäre Allianzen 33 | Bobby Seale: Der Prozeß gegen Bobby Seale – Rassismus und politische Justiz in den USA, Frankfurt a. M.: Roter Stern, 1970; Eldridge Cleaver: Zur Klassenanalyse der Black Panther Partei – Erziehung und Revolution, Frankfurt a. M.: Roter Stern, 1970; Michael Tabor: Harlem – Kapitalismus & Heroin = Völkermord, Frankfurt a. M.: Roter Stern, 1970; Huey Newton: Selbstverteidigung, Frankfurt a. M.: Roter Stern, 1971. Vgl. ebenfalls die Artikelserie von Helmut Reinicke über die revolutionären Bewegungen in den USA, Helmut Reinicke: »berichte aus ameriKKKa (1)«, in: Sozialistische Correspondenz-Info 34/35, 28. Februar 1970, S. 29–34; ders.: »berichte aus ameriKKKa (2)«, in: Sozialistische Correspondenz-Info 37, 14. März 1970, S. 23–25. Ein Lesebuch mit diesem Titel erschien beim Verlag Roter Stern (Hg.): LERNEN – subversiv. AmeriKKKa – ein Lese-Bilder-Buch, Frankfurt a. M.: Roter Stern, 1974. Zur finanziellen Lage des Komitees vgl. Karl-Dietrich Wolff: »Überlegungen zur Internationalismusfrage«, in: Sozialistische Correspondenz-Info 34/35, 28. Februar 1970, S. 26–28, hier S. 27. 34 | Siehe Uta Poiger: Jazz, Rock and Rebels: Cold War Politics and American Culture in a Divided Germany, Berkeley: University of California Press, 2000. 35 | Bommi Baumann und Till Meyer (Hg.): Radikales Amerika. Wie die amerikanische Protestbewegung Deutschland veränderte, Berlin: Rotbuch Verlag, 2007, S. 15. 36 | Ebd., S. 15. 37 | Wilfried Mausbach: »Auschwitz and Vietnam: West German Protest Against America’s War During the 1960s«, in: Andreas Daum, Lloyd Gardner und Wilfried Mausbach (Hg.): America, the Vietnam War and the World: Comparative and International Perspectives, New York: Cambridge University Press, 2003, S. 279–98. Für die generelle Rolle der NS-Vergangenheit generell im Hinblick auf die Neue Linke siehe auch Hans Kundnani: Utopia or Auschwitz: Germany’s 1968 Generation and the Holocaust, New York: Columbia University Press, 2009; Wolfgang Kraushaar: »Hitler’s Children? The German 1968 Movement in the Shadow of the Nazi Past«, in: Ingo Cornils und Sarah Waters (Hg.): Memories of 1968: International Perspectives, Bern: Peter Lang, 2010, S. 79–101. 38 | Am nächsten Tag wurde Wolff zum Vorstand des Rotary Club gebeten. Er erinnert sich an seine Reaktion auf die Frage des Präsidenten, wie er eine solche Bemerkung angesichts des Holocaust machen könne: »Damals fand ich die Frage unverschämt – je älter ich werde, desto wichtiger finde ich sie, und das ist mein ganzes restlichen Leben seither so geblieben«. In: KD Wolff: ›Amis‹ and ›Naner‹: With Americans in Hesse since 1945, Online-Version. 39 | Schultz studierte und arbeitete von 1963 bis 1972 in den USA und war während dieser Zeit in der Bürgerrechtsbewegung aktiv. Im September 1965 nahm sie einen Lehrauftrag dem historisch afroamerikanischen Rust College in Holly Springs, Mississippi, wo sie begann, bei der Mississippi Freedom Democratic Party (MFDP) mitzuarbeiten. Für ihre Rolle in den 1980ern siehe May Ayim, Katharina Oguntoye und Dagmar Schultz (Hg.): Farbe bekennen: Afrodeutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte, Berlin: Orlanda Frauenverlag, 1986.

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Ein Hauch von Freiheit 40 | Dagmar Schultz: »Seltsam schönes Land – Land der Ungerechtigkeit,« in: Frankfurter Hefte 9 (1966), S. 627–634, 633. 41 | Ebd., 634. Vgl. ebenfalls Dagmar Schultz: »Witnessing whiteness – Ein persönliches Zeugnis«, in: Maureen Maisha Eggers et al. (Hg): Mythen, Masken und Subjekte: kritische Weissseinsforschung in Deutschland, Münster: Unrast, 2005, S. 514–529. 42 | Klaus Harpprecht: »Der schwarze Tribun«, in: Christ und Welt, 5. August 1966, 28; N.B.: »Schwarze Demagogie«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. Juli 1968, »Ereignisse und Gestalten«, Supplement 160. Zu diesem Punkt siehe auch Sabine Broeck: »The Erotics of African-American Endurance, Or: On the Right Side of History? White (West)-German Public Sentiment between Pornotroping and Civil Rights Solidarity«, in: Larry Greene und Anke Ortlepp (Hg.): Germans and African Americans: Two Centuries of Exchange, Jackson: University Press of Mississippi, 2010, S. 126–140. 43 | Hans Steinitz: »Wie krank ist Amerika?«, in: Rheinischer Merkur, 4. August 1967, S. 24; N. B.: Schwarze Demagogie. 44 | Joachim E. Berendt: »Den Schwarzen der USA fehlen die Politiker«, in: Frankfurter Hefte, 5 (1970), S. 339–342, 340. 45 | Vgl. Black Panther Solidaritätskommitee: »Solidaritätsveranstaltung mit der Black Panther Partei: Connie Matthews«, Flugblatt, 18. April 1970, in: USA BPP, Black Panther Party, APO-Archive; Brigitte Heinrich: »Die Unterstützung des US-Imperialismus durch die BRD und die Auswirkungen im Innern«, in: Angela Davis Solidaritätskomitee (Hg.): Am Beispiel Angela Davis: Der Kongreß in Frankfurt, Frankfurt a. M.: Fischer 1972, S. 159–169, bes. 164. 46 | RAF: »Die Rote Armee aufbauen!«, in: Agit 883 62 (5. Juni 1970), S. 6. Vgl. ebenfalls Michael Hahn: »Land der Superpigs: Wie Agit 883 mit Black Panthers und Weathermen die ›zweite Front in den Metropolen eröffnete«, in: Rotaprint 25, ed., agit 883: Bewegung, Revolte, Underground in Westberlin, 1969–1972, Hamburg: Assoziation A, 2006, S. 141–155. 47 | RAF: »Das Konzept Stadtguerilla«, in: ID-Verlag (Hg.): Rote Armee Fraktion: Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, Berlin: ID-Verlag, 1997, S. 35. 48 | RAF: »Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa«, in: ID-Verlag: RAF: Texte und Materialien, S. 71. 49 | Moritz Ege: Schwarz werden: ›Afroamerikanophilie‹ in den 1960er und 1970er Jahren, Bielefeld: transcript, 2007; Detlef Siegfried: »White Negroes: The Fascination of the Authentic in the West German Counterculture of the 1960s«, in: Davis, et al. (Hg.): Changing the World, S. 191-214. 50 | Angela Davis: An Autobiography, New York: Random House, 1974, S. 133-145. 51 | Zum Prozess selbst siehe Bettina Aptheker: The Morning Breaks. The Trial of Angela Davis, Ithaca: Cornell University Press, 1999. 52 | Siehe Detlev Claussen: »Zur Verhaftung von Angela Davis«, in: Sozialistische Correspondenz-Info 56/57 (11. November 1970), S. 18–20. Zur frühen Rezeption in Westdeutschland vgl. Jürgen Leinemann: »Sind schwarze Häftlinge in USA Kriegsgefangene?«, in: Frankfurter Rundschau am Abend, 20. August 1970. Zur Davis Rezeption in der

Kapitel 6: Revolutionäre Allianzen Bundesrepublik generell siehe Johanna Meyer-Lenz: »Angela Davis und Ulrike Meinhof: Ein biographischer Vergleich im Kontext unterschiedlicher Protestkulturen«, in: Karl Christian Führer, Karen Hagemann, und Birthe Kundrus (Hg.): Eliten im Wandel. Gesellschaftliche Führungsschichten im 19. und 20. Jahrhundert, Münster: Westfälisches Dampfboot, 2004, S. 314–35; Johanna Meyer-Lenz und Nina Mackert: »Angela Davis. Zur Konstruktion einer afroamerikanischen Identität im Kontext der 68er-Bewegung«, in: Burghart Schmidt (Hg.): Menschenrechte und Menschenbilder von der Antike bis zur Gegenwart, Hamburg: Dobu Verlag, 2006, S. 255–276; Katrina M. Hagen: Internationalism in Cold War Germany, PhD Diss., University of Washington, 2008, S. 325–350; Klimke: The Other Alliance, S. 134–139; Katharina Gerund: Transatlantic Cultural Exchange: African American Women‘s Art and Activism in West Germany, Manuskript, 2013, S. 123–156. 53 | Herbert Marcuse: »Helft Angela«, in: Neues Forum 17 (November 1970), S. 1020, zitiert nach: Kraushaar: Frankfurter Schule und Studentenbewegung, Bd. 2, 727f. 54 | Black Panther Solidaritätskomitee: »Zum Prozeß gegen die Soledad Brothers«, in: »Letter to the Government of FRG«. Letter, 1970, 10/22, 5-8, in: USA BPP, Black Panther Party, Box, German SDS Papers, APOB. 55 | Wie der öffentliche Brief erläutert: »Die Soledad Brothers werden im Gericht von Salinas nur Gerechtigkeit finden, wenn wir, durch unsere Aktionen, es dem Staat unmöglich machen, sie hinzurichten«, in: Ebd., S. 8. 56 | »Solidarität mit Angela Davis«, in: Frankfurter Rundschau, 22. Dezember 1970. 57 | »Angela Davis Frauen und Kinder Solidaritäts-Demonstration«, Flugblatt, 1971, 03/13, in USA BPP, Black Panther Party, Box, German SDS Papers, APOB; vgl. ebenfalls Kraushaar: Frankfurter Schule und Studentenbewegung, Bd. 1, S. 506. 58 | Oskar Negt: »Der Fall Angela Davis«, in: Konkret, 28. Januar 1971, S. 52–54, zitiert nach Kraushaar: Frankfurter Schule und Studentenbewegung, Bd. 2, S. 732. 59 | Angela Davis Solidaritätskomitee (Hg.): Am Beispiel Angela Davis: Der Kongreß in Frankfurt, Frankfurt a.M.: Fischer, 1972, S. 2. Das Komitee wurde von Manfred Clemenz, Lothar Menne, Oskar Negt, Claudio Pozzoli und Klaus Vack gegründet. 60 | Angela Davis Solidaritätskomitee: »Freiheit für Angela Davis!«, Spruchband, 1971, 11, in USA BPP, Black Panther Party, Box, German SDS Papers, APOB. 61 | Initiativgruppe Angela Davis am John F. Kennedy Institut. »[Aufruf zur Solidarität mit Angela Davis]«, undatiertes Flugblatt, in: USA BPP, Black Panther Party, Box, German SDS papers, APOB. 62 | »Angeklagte Angela Davis: Faschismus in Amerika?«, in: Der Spiegel, 8. November 1971. 63 | Angela Davis Solidaritätskomitee: »Rede von Wolfgang Abendroth bei der Tagung ›Am Beispiel Angela Davis‹«, Pressemitteilung, 1972, 06/03, in: USA BPP, Black Panther Party, Box, German SDS Papers, APOB. 64 | Angela Davis Solidaritätskomitee: Am Beispiel Angela Davis, S. 16. Vgl. ebenfalls Herbert Marcuse: »Dieser Terror ist konterrevolutionär«, in: Konkret, 15. Juni 1972, S. 15, zitiert nach Kraushaar: Frankfurter Schule und Studentenbewegung, Bd. 2, S. 759.

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Ein Hauch von Freiheit 65 | Ebd., S. 98, 127. 66 | Angela Davis Solidaritätskomitee: »Rede von Oskar Negt bei der Tagung ›Am Beispiel Angela Davis‹«, Pressemitteilung, 3. Juni 1972, S. 5, in: USA BPP, Black Panther Party, Box, German SDS papers, APOB. Das Ende dieser Version unterscheidet sich leicht von der edierten Version in Angela Davis Solidaritätskomitee: Am Beispiel Angela Davis, S. 27. 67 | Herbert Marcuse: Rede während der Angela Davis Demonstration in Berkeley, 24. Oktober 1969, in: Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt a. M., Herbert-MarcuseArchiv, zitiert nach: Kraushaar: Frankfurter Schule und Studentenbewegung, Bd. 2, S. 689. Zur Rolle von Frauen in der Bürgerrechts-, Black Power-, sowie verwandten sozialen Bewegungen jener Zeit, siehe Dayo F. Gore, Jeanne Theoharis und Komozi Woodard (Hg.): Want to Start a Revolution? Radical Women in the Black Freedom Struggle, New York: NYU Press, 2009; Faith S. Holsaert, et al. (Hg.): Hands on the Freedom Plow: Personal Accounts by Women in SNCC, Urbana: University of Illinois Press, 2010; Dayo F. Gore: Radicalism at the Crossroads: African American Women Activists in the Cold War, New York: NYU, Press 2011; Erik S. McDuffie: Sojourning for Freedom: Black Women, American Communism, and the Making of Black Left Feminism, Durham: Duke University Press, 2011.

­­K apitel 7 Helden des anderen Amerika – Die Solidarität mit dem afroamerikanischen Freiheitskampf in der DDR

Die Deutsche Demokratische Republik (DDR), entstanden auf den Ruinen Nazi-Deutschlands innerhalb der Grenzen der sowjetischen Besatzungszone, wurde –ein halbes Jahr nach der Bundesrepublik – offiziell am 7. Oktober 1949 gegründet. Sie war ebenso wie ihr westliches Pendant ein Produkt der Spaltung Deutschlands nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs inmitten des aufflammenden Kalten Krieges. Innerhalb der DDR stellte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), im April 1946 aus dem unter Zwang durchgeführten Zusammenschluss der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) hervorgegangen, die zentrale Machtgruppierung dar. Mit Beginn der 1950er Jahre nahm sie, unterstützt von der nach wie vor mit Hunderttausenden von Soldaten im Land stationierten sowjetischen »Schutzmacht«, eine mehr oder weniger unangefochtene Spitzenstellung innerhalb der politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und administrativen Bereiche der Gesellschaft wie auch der Medien in der DDR ein. Dieses Herrschaftsmonopol und der entsprechende gesetzgeberische Rahmen, der mittlerweile ausgearbeitet worden war, um ihre Dominanz dauerhaft abzusichern, erlaubte es der Partei, das Wahl- und Regierungssystem zu kontrollieren. Obwohl die staatlichen Institutionen samt weiteren »Blockparteien« innerhalb der »Nationalen Front« also auf dem Papier denen einer parlamentarischen Demokratie ähnelten, war der Staatsapparat fest in der Hand der SED und ihrer zahlreichen Unterorganisationen.1 Geführt wurde die Partei zwischen 1950 und 1971 vom »Ersten Sekretär des Zentralkomitees«, Walter Ulbricht.2 Als Satellitenstaat der Sowjetunion war die DDR fest in das Bündnissystem des Warschauer Vertrages eingebunden, ideologisch der marxistisch-leninistischen Ideologie verbunden, und dem politischen Selbstverständnis nach ein Staat, der den »real existierenden Sozialismus« verkörperte. Bereits in den ersten Jahren der sowjetischen Besatzung war ein Großteil der Industrie ver-

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staatlicht, die Agrarwirtschaft in »Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften« (LPG) kollektiviert, und die gesamte Wirtschaft einer zentralen Planung unterstellt worden. Darüber hinaus griff der Staat mittels Zensur massiv in das kulturelle Leben ein, und verfügte mit dem Ministerium für Staatssicherheit über eine mächtige Geheimpolizei, die nahezu alle Bereiche des Alltagslebens in der DDR durchdrang, das politisch-gesellschaftliche Verhalten seiner Bürger kontrollierte, und über ein immenses Netz informeller Mitarbeiter verfügte. Ein im Juni 1953 mit Hilfe sowjetischer Panzer niedergeschlagener Arbeiteraufstand stellte sich rückblickend als einzige ernstzunehmende Herausforderung der SED-Herrschaft vor 1989 heraus. Die wirtschaftliche Entwicklung blieb trotz aller Anstrengungen hinter dem Niveau der Bundesrepublik zurück, was Hunderttausende von DDR-Bürgern – neben politischen Motiven – dazu brachte, nach Westdeutschland überzusiedeln. Dieser Ortswechsel war vor August 1961 noch relativ einfach durch einen Wechsel vom östlichen in die westlichen Sektoren Berlins möglich, wurde nach dem Bau der Berliner Mauer als »antifaschistischen Schutzwall« jedoch stark reglementiert und bis auf wenige Ausnahmen verboten. Was folgte, war eine kurze Periode begrenzten innenpolitischen »Tauwetters«, die ihr Ende mit dem 11. Plenum des ZK der SED 1965 fand, welches alle Formen der Liberalisierung im Bereich der Kultur und der Politik wieder aufhob und diese Bereiche erneut der strikten ideologischen Aufsicht der Partei unterstellte. In den Jahren danach betrieb die DDR einen verschärften Kampf gegen den »schädlichen Einfluss westlicher Kultur« und beteiligte sich auch am sowjetischen Einmarsch in der Tschechoslowakei 1968 zur Niederschlagung des »Prager Frühlings«. In diesem Kontext stieg Erich Honecker zum ersten Mann im Staat auf und trat 1971 die Nachfolge Walter Ulbrichts als Staats- und Parteichef an.3

I deologie und P r a xis ostdeutscher S olidarität Dem afroamerikanischen Kampf um Bürgerrechte wurde in der DDR mindestens ebenso große Aufmerksamkeit zuteil wie in der Bundesrepublik. Der Hauptunterschied zur westdeutschen Rezeption lag jedoch darin, dass die DDR-Solidaritätsbewegung von Beginn an von staatlicher Seite gesteuert wurde. Seit der Geburtsstunde des Regimes nahm der Kampf gegen Rassismus generell einen hohen Stellenwert in der DDR-Ideologie ein, war er doch ein probates Mittel in der propagandistischen Auseinandersetzung mit den »Westmächten«. So waren »Rassen-« und »Völkerhass« explizit in der Verfassung der DDR geächtet und unter Strafe gestellt. Offizielle Stellen ließen zudem verlautbaren, dass Rassismus in der DDR schlichtweg nicht existiere. 4 Da Rassismus soziale Hierarchien noch zusätzlich zu der Entstehung gesellschaftlicher

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Klassen verfestige und die so »Unterdrückten« davon abhalte, sich gegen ihre »Unterdrücker« zusammenzuschließen, wurde Rassismus als dem Kommunismus diametral entgegengesetzt angesehen. In der staatlichen Ideologie der DDR wurden daher Rassismus, Imperialismus und Antikommunismus als unauflöslich miteinander verwoben und als Gegenpol zu Frieden und Fortschritt verstanden. Darüber hinaus legten die schrecklichen Folgen rassistischer Ideologie in der deutschen Geschichte in dieser Perspektive dem jungen kommunistischen Regime besondere Verpflichtungen auf: »Wir Deutsche, deren Land unter der Herrschaft des Imperialismus Ausgangspunkt grausamer Rassenverfolgungen gewesen ist, haben ganz besonders die Pflicht gegenüber der internationalen Arbeiterbewegung und allen friedliebenden Kräften in der Welt, gegen den Rassismus Stellung zu beziehen und ihn kompromisslos zu bekämpfen.« Aus Sicht der DDR war dies von besonderer Dringlichkeit, da der westdeutsche »Imperialismus« mit »seiner aggressiven, nationalistischen Politik« ebenfalls auf Rassismus beruhe.5 Es ist angesichts dieser Interpretation und Kontextualisierung von Rassismus wenig überraschend, dass die Situation der Afroamerikaner schon früh die Aufmerksamkeit von DDR-Funktionären auf sich zog. Bereits 1951 wurde in Ostberlin die Übersetzung einer Petition des Civil Rights Congress (Bürgerrechts-Kongress) – einer amerikanischen Bürgerrechtsorganisation mit Verbindungen zur Kommunistischen Partei der USA (KPUSA) – an die Vereinten Nationen bezüglich der schwarzen Minderheit in den Vereinigten Staaten veröffentlicht.6 Diese Petition wurde von der DDR-Führung dazu benutzt, die Ostdeutschen auf diese Thematik aufmerksam zu machen und ideologisch zu sensibilisieren. So beschuldigten die staatlichen Presseorgane die »US-Monopolisten«, für die fortdauernde Existenz der Jim Crow-Gesetze verantwortlich zu sein, die, so der Vorwurf, Rassendiskriminierung als »Mittel zur Aufsplitterung und Schwächung der Arbeiterklasse« aufrecht erhielten, inklusive der Instrumentalisierung von afroamerikanischen Arbeitern als »Lohndrücker und Streikbrecher«. In den Augen ostdeutscher Funktionäre trug die unfaire und vorurteilsbeladene Behandlung, die Afroamerikaner seitens der US-Gewerkschaften erfuhren, entscheidend zu dieser Situation bei.7 Angesichts der prominenten Rolle der Vereinigten Staaten im Kalten Krieg und der globalen Reichweite ihrer politischen und militärischen Macht kam dem institutionalisierten Rassismus in den Südstaaten der USA in den Augen der DDR-Führung eine besondere Bedeutung zu: »Die amerikanische Negerfrage ist nicht eine Angelegenheit nur der Amerikaner. Sie geht uns alle an, weil Diskriminierung, Unterdrückung und Terror in der Innenpolitik eines Landes zur Übertragung solcher Methoden auf andere Länder führen können und schon geführt haben.«8 Die Bedeutung, die die ostdeutsche Diktatur der Rassendiskriminierung in den Vereinigten Staaten beimaß, gründete sich ebenso sehr auf ihrer Interpretation der deutschen Geschichte wie auf den Er-

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fordernissen der Gegenwart. Daher wurde das Thema Rassendiskriminierung westlicher Länder in der ostdeutschen Innen- und Außenpolitik gerne dazu benutzt, das westliche System von Demokratie und Kapitalismus mit dem Argument zu diskreditieren, dass die Rassenfrage in den USA »einen Testfall für das Bollwerk des Imperialismus« darstelle, der dessen »ganze Lüge und Hohlheit« enthülle.9 Ostdeutsche Solidarität mit Afroamerikanern beschränkte sich aber nicht nur auf reine Rhetorik. Im Oktober 1958 empfing das kommunistische Deutschland W. E. B. Du Bois, einen der Gründerväter der modernen Bürgerrechtsbewegung in den USA, zu einem Staatsbesuch. Seit seinen Studententagen, als er von 1892 bis 1894 an der damaligen Kaiser Friedrich Wilhelm-Universität Berlins studierte, war Du Bois einige Male nach Deutschland gereist, etwa im Olympiade-Sommer 1936, als Berlin schon seit drei Jahren die Hauptstadt des nationalsozialistischen Deutschlands war.10 Seit Mitte der 1950er Jahre hatte sich jedoch der einstige Mitbegründer der NAACP mehr und mehr von der Organisation entfremdet, sich stattdessen stärker für die afrikanischen Befreiungsbewegungen interessiert und Sympathien für den Sozialismus als möglicher Lösung von Rassentrennung auf internationaler und nationaler Ebene entwickelt. Dieser politische Linksruck, und vor allem die öffentliche Kritik an der rassistischen Diskriminierung der Afroamerikaner in den USA hatte ihm auch die Aufmerksamkeit des US-Außenministeriums und der CIA beschert, die seine Aktivitäten sorgfältig überwachten.11 1868 geboren und mittlerweile neunzig Jahre alt, wurde Du Bois für sein Lebenswerk von seiner alten, mittlerweile nach Wilhelm und Alexander von Humboldt benannten Universität ausgezeichnet. Sie verlieh ihm den Ehrendoktor der Wirtschaftswissenschaften »für seine bedeutenden Leistungen als Gelehrter« und für »seinen außergewöhnlichen Einsatz im Kampf zur Befreiung der afroamerikanischen Menschen und zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens.«12 Unter Betonung der Tatsache, dass »diese neue, sozialistische Universität« des Jahres 1958 sich fundamental von derjenigen unterscheide, an der Du Bois mehr als sechzig Jahre zuvor studiert hatte, merkte Heinz Mohrmann, der Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, in seiner Rede zur Verleihung Ehrendoktorwürde an, dass »die fortschrittliche Tradition« hier mittlerweile »eine Heimat gefunden« habe, und dass die Universität stolz darauf sei, »ihre Verbindung mit einem so bedeutenden amerikanischen Gelehrten« zu erneuern.13 Ostdeutsche Offizielle versuchten diese Verbindung auch nach Du Bois’ Besuch zu halten und besuchten ihn in seiner neuen Heimat in Ghana im April 1963 kurz nach seinem 95. Geburtstag. Nach seinem Tod nur vier Monate später kondolierten sie seiner Witwe und legten einen Kranz an seinem Grab nieder.14 Wenige Jahre später besuchte ein weiterer afroamerikanischer Bürgerrechtsaktivist mit Verbindungen zur NAACP die DDR. Im Gegensatz zu

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Du  Bois ließ er sich dort jedoch dauerhaft nieder. Oliver Harrington hatte in den späten 1930er Jahren landesweite Anerkennung in den USA für seine Arbeit als politischer Karikaturist für verschiedene Blätter der afroamerikanischen Presse gewonnen, u.a. für die New York Amsterdam News, den Baltimore Afro-American und den Pittsburgh Courier. Speziell seine Figur Bootsie, die Verkörperung eines durchschnittlichen Afroamerikaners, der sich mit dem alltäglichen Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft herumzuschlagen hatte, erfreute sich größter Beliebtheit.15 1943 schickte der Pittsburgh Courier Harrington auch als Kriegskorrespondent nach Europa. In Begleitung von NAACP-Generalsekretär Walter White besuchte er die US-Truppen in Italien und berichtete aus erster Hand über die Situation der afroamerikanischen GIs. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Harrington Direktor der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der NAACP. 1951 verließ er jedoch die USA und zog nach Frankreich, wo er Teil der afroamerikanischen Exil-Gemeinde wurde und mit Schriftstellern wie James Baldwin, Richard Wright und William Gardner Smith Freundschaft schloss. 1961 reiste Harrington nach Ostberlin, um im Auftrag des Auf bau-Verlags eine Reihe deutscher Übersetzungen berühmter afroamerikanischer Werke zu illustrieren. Obwohl er der DDR-Kulturpolitik kritisch gegenüberstand, entschloss sich Harrington, für die nächsten drei Jahrzehnte dauerhaft in der DDR zu bleiben und erst 1991 erstmals wieder die USA zu besuchen.16 Harrington arbeitete für den Sender Radio Berlin International der DDR an Sendungen, die gezielt für die US-Truppen in der Bundesrepublik hergestellt wurden. Auch in der DDR wurden seine Fähigkeiten und Arbeit als politischer Karikaturist zur politischen Situation in Amerika, sowie weltweitem Rassismus, Armut und Imperialismus rasch anerkannt. Sowohl das Humorblatt Eulenspiegel als auch die Zeitschrift Das Magazin, eine der populärsten Publikationen Ostdeutschlands, nahmen seine Dienste regelmäßig in Anspruch. Doch die Verbindungen von Afroamerikanern zur DDR waren nicht nur auf intellektuelle Vertreter der Bürgerrechtsbewegung beschränkt. Von 1953 bis 1963 bot die DDR einer kleinen Gruppe von fünf afroamerikanischen Deserteuren Aufenthalt in Bautzen, einem mittelalterlichen Städtchen in Ostsachsen, welches ab 1956 berüchtigt wurde für seine Haftanstalt, in der DDR-Regimegegner inhaftiert wurden. Ähnlich wie rund vierzig andere amerikanische Deserteure waren die fünf Afroamerikaner ihrem Militärdienst bei der US-Armee entkommen, indem sie die Zonengrenze zwischen West- und Ostberlin überquerten, die in den 1950er Jahren noch keine verstärkten Sicherungseinrichtungen aufwies.17 Die Gründe dafür, aus der US-Armee zu desertieren, reichten für GIs von Liebesbeziehungen bis hin zur Angst vor der Verschiffung an die Front nach Korea. Die DDR-Regierung brachte die Deserteure im »Haus der internationalen Solidarität« unter, das die Washington Post als »Spionage-, Propaganda- und Sabotageschule« bezeichnete. Dort lernten sie Deutsch und be-

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kamen politischen Unterricht in Marxismus und Kommunismus, aber auch die Gelegenheit, ein Handwerk oder einen Industrieberuf zu erlernen.18 Den fünf afroamerikanischen Deserteuren erging es verhältnismäßig gut in der DDR. Charles Lucas, geboren 1916 in Xenia (Ohio), der erste afroamerikanische Deserteur in Bautzen, erhielt beispielsweise Arbeit in einer verstaatlichten Bäckerei und avancierte nebenbei noch zum lokalen Box-Star.19 Arthur Boyd aus Long Island heiratete eine Frau aus Ostberlin und wurde Metallarbeiter; Raymond H. Hutto aus Georgia machte eine Ausbildung und arbeitete später in einem Kohle- und Gaskombinat bei Dresden; der frühere Sergeant Willie Avent erhielt sogar die »Silberne Nadel der Nationalen Front« und wurde prominentes Mitglied der »Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft«.20 Derjenige von den fünf afroamerikanischen Deserteuren, der am stärksten öffentlich in Erscheinung trat, war James W. Pulley. 1936 in Philadelphia geboren, gelang es ihm, in der DDR eine erfolgreiche Karriere als Schlagersänger zu starten. Nachdem er 1955 seine Einheit in Augsburg verlassen hatte, um mit seiner ostdeutschen Freundin nach Halberstadt zu flüchten, erhielt Pulley 1955 eine Ausbildung als Metallarbeiter in Bautzen und arbeitete dann als Kesselschmied in Görlitz, als seine Gesangstalente auf einem Tanz-Wettbewerb 1957 entdeckt wurden. In den folgenden Jahren ging er mit dem Schwarz-Weiß Tanzorchester aus Dresden auf Tour, zu dessen Ensemble u.a. ostdeutsche Showstars wie Dagmar Frederic gehörten. Pulleys Repertoire umfasste amerikanische Songs wie Blueberry Hill und eine Auswahl von Gospel-Stücken, Rock’n’Roll und Harry-Belafonte-Lieder, aber auch deutsche Hits.21 Obwohl die Mehrzahl der afroamerikanischen Deserteure sich in die Gesellschaft der DDR integrierten, wurden sie selbst und ihre sozialen Kontakte vom Staatsapparat, der Staatssicherheit und den sowjetischen Geheimdiensten umfassend überwacht. Im April 1954 zog ein sowjetischer Bericht eine erste Bilanz über den Aufenthalt der amerikanischen Soldaten in Bautzen. Er beschrieb die Situation der Deserteure als einigermaßen isoliert von der übrigen Bevölkerung und wies auf Schwierigkeiten bei der politischen Erziehung und der Berufsausbildung hin. Außerdem, so hielt der Bericht fest, zeigten sich lokale Behörden teilweise sehr unaufmerksam den Bedürfnissen und Sorgen der Deserteure gegenüber, ebenso wie gegenüber den relativ häufigen Vorfällen von Diskriminierung, die die Deserteure erdulden mussten.22 Nach dem Fall der Mauer 1989 ließ das Pentagon – mit Hilfe deutscher Behörden – die Namen und die Adressen dieser amerikanischen Deserteure, die sich nach wie vor auf dem Gebiet der früheren DDR aufhielten, feststellen, verhängte jedoch keine Strafen gegen sie wegen der vorzeitigen, illegalen Beendigung ihres Militärdienstes. Die staatlich sanktionierte Begeisterung für die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung lässt sich jedoch nicht nur an solchen Einzelschicksalen oder offizieller Propaganda ablesen, sondern spiegelte sich auch in der Beschreibung von Afroamerikanern in der DDR-Literatur dieser Zeit. Max Zimmerings Ge-

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dicht Schwarz-Weiße Liebesballade (1949) beschreibt beispielsweise die Probleme, denen sich ein schwarzer GI und seine weiße englische Frau nach dem Zweiten Weltkrieg bei ihrer Rückkehr nach Virginia gegenübersahen, einem US-Bundesstaat, in dem gemischtrassige Ehen zu diesem Zeitpunkt noch verboten waren.23 Anna Seghers’ Der erste Schritt (1953) berichtet von der Hinwendung zweier Afroamerikaner unterschiedlicher sozialer Herkunft zum Sozialismus. In der Geschichte kehrt Pat aus Mississippi, Sohn eines reichen Anwalts, nach seinem Militärdienst im Zweiten Weltkrieg nach Hause zurück, um dort festzustellen, dass in seinem Geburtsort die Jim Crow-Rassentrennung immer noch in Kraft ist. Zusammengeschlagen von einem weißen Mob (»Damit ihr nicht glaubt, ihr seid was besseres geworden, nur weil ihr im Krieg wart«), beschließt Pat endgültig, Sozialist zu werden.24 Der zweite Protagonist, Richard aus Detroit, ist seinerseits Arbeiter in einer Fabrik und wird Zeuge, wie schwarze Arbeiter gegen ihre weißen Kollegen ausgespielt werden, indem sie als Streikbrecher während eines Arbeitskonfliktes benutzt werden. Als zwei weiße Arbeiter, die Kommunisten sind, Richard später in Diskussionen mit dem Management verteidigen, übernimmt er ihre politische Überzeugung, da er nun versteht, dass auch sie unter Diskriminierung leiden (für ihre politischen Ansichten). Seghers’ Geschichte, und viele ähnliche Veröffentlichungen in der DDR – sowohl fiktionaler als auch nicht-fiktionaler Natur – versuchten die Verbindung zwischen Rassismus und klassenbedingter Ausbeutung zu illustrieren, und wie beide dafür benutzt wurden, ein ungerechtes ökonomisches und politisches System aufrecht zu erhalten. Andere ostdeutsche Werke zum Thema Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre wie Wolf Biermanns populäre Ballade vom Briefträger William L. Moore (1963) spiegeln eine ähnliche inhaltliche Stoßrichtung wider. Neben dem Thema der Rassentrennung in den USA selbst wurde jedoch auch häufig ihre mögliche Überwindung thematisiert. Insgesamt erschien bis in die frühen 1970er Jahre in der DDR die überraschend hohe Zahl von rund 250 Werken (einschließlich Übersetzungen und wissenschaftlicher Publikationen), die sich mit der Situation der Afroamerikaner beschäftigten.25 Andere Aspekte afroamerikanischer Kultur, wie beispielsweise Jazz, wurden ebenso in den 1950er und 1960er Jahren in der DDR rezipiert und innerhalb der sozialistischen Ideologie verortet. Wie in Westdeutschland provozierten die Debatten über Jazz in Ostdeutschland immer auch gleichzeitig eine Diskussion über Rasse, Kultur, sexuelle Ausschweifungen und Kommerzialisierung.26 Noch zu Beginn der 1950er Jahre hatte die staatliche Propaganda Jazz generell als westlich-degenerierte Importwarte gebrandmarkt, um dessen ostdeutsche Anhänger zu dezimieren. Die Fans dieser Musikrichtung führten jedoch eine subtile Unterscheidung zwischen »authentischem« (also Dixieland und Blues) und »kommerziellem« Jazz (also Swing, Sweet und Bebop) in die Diskussion ein. Ersterer wurde als Teil der originalen«schwarzen Tradition« und jenseits der Massenvermarktung positioniert angesehen und

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seit 1971 in Dresden mit dem Internationalen Dixieland Festival eine bis heute fortgeführte, eigene, jährliche Großveranstaltung gewidmet. Letzterer galt als reines Produkt der kapitalistischen Musikindustrie und des US-Imperialismus und wurde daher als »dekadent« oder »degeneriert« abgelehnt.27 SED-Funktionäre waren von dieser Argumentation nur teilweise überzeugt und erklärten sich schließlich dazu bereit, Musikrichtungen wie den Blues, den Dixieland und auch Swing offiziell zuzulassen.

S taatsempfänge : Paul R obeson und R alph A bernathy Afroamerikanische Volksmusik und Spirituals sowie ihre Protagonisten wie Paul Robeson waren hingegen vom Regime hochgeschätzt, da sie als authentischster und wahrhaftigster musikalischer Ausdruck der unterdrückten Minderheit in den USA galten. Daher empfing Ostberlin Vertreter dieser Musik wie Volkshelden. Paul Robeson, einer der ersten großen Bühnenstars, der diese Musik international popularisierte, ist ein besonders gutes Beispiel hierfür. Robeson war Schauspieler, Intellektueller und ein Aktivist, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg öffentlich gegen Rassismus und Faschismus äußerte und kein Geheimnis aus seinen Sympathien für den Sozialismus, die Sowjetunion, die russische Kultur und die afrikanischen Befreiungsbewegungen machte. 1951 wurde Robeson daher auch zur Teilnahme an den vom »Weltbund der demokratischen Jugend« veranstalteten »Weltfestspielen der Jugend und Studenten« in Ostberlin eingeladen. Im Rahmen der antikommunistischen Hysterie der McCarthy-Ära hatte die US-Regierung Robesons Pass jedoch von 1950 bis 1958 eingezogen und verhinderte so seine Teilnahme. Trotz seiner persönlichen Abwesenheit wuchs Robesons Popularität auch in der DDR, die ihn zu seinem sechzigsten Geburtstag am 9. April 1958 mit einem Konzert im Friedrichstadt-Palast ehrte.28 Nachdem das US-Außenministerium Robeson seinen Pass zurückgegeben hatte, begann er im Juli 1958 eine Rundreise durch Europa und die Sowjetunion, die bis Dezember 1963 dauerte. In dieser Zeit besuchten er und seine Frau auch mehrfach die DDR. Eslanda Robesons erster Besuch fand im September 1959 statt, während ihr Ehemann den Othello beim Shakespeare-Festival in Stratford-upon-Avon spielte. Sie hielt eine Rede in Ostberlin bei einer Versammlung zu Ehren der Opfer des Nationalsozialismus, besuchte das Konzentrationslager Ravensbrück und traf sich mit Rosa Thälmann, der Witwe des im KZ Buchenwald ermordeten deutschen Kommunistenführers Ernst Thälmann (1886-1944).29

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Abb. 7.1: Paul Robeson spricht vor der Humboldt-Universität Unter den Linden am 6. Oktober 1960 (BArch, Bild 183-76822-0009-T1 - T6 / Horst Sturm) Robeson selbst kam im Oktober 1960 nach Ostberlin, eine Reise die ihm eine Vielzahl von Auszeichnungen sowie enorme Bewunderung einbrachte. Er gab zahlreiche Konzerte, die Tausende von Zuschauern begeisterten. So sang Robeson, flankiert von ostdeutschen Professoren, beispielsweise im Rahmen der Festlichkeiten zur Verleihung seiner Ehrendoktorwürde von der Philosophischen Fakultät der Humboldt-Universität Unter den Linden vor einer großen Menschenmenge John Brown’s Body und Ol‹ Man River. Der Deutsche Friedensrat verlieh Robeson die Deutsche Friedensmedaille, SED-Parteiführer und DDRStaatschef Walter Ulbricht ehrte ihn mit dem »Großen Stern der Völkerfreundschaft«, und er wurde zum Korrespondierenden Mitglied der Akademie der Künste der DDR ernannt. Helene Weigel, die Witwe Bertolt Brechts, schenkte Robeson ein Seidentuch mit der Friedenstaube des Logos des Berliner Ensembles. Die Freie Deutsche Jugend (FDJ), Jugendorganisation der SED, lud Robeson zu einer Veranstaltung mit ca. 5.000 Besuchern ein, während der Folksongs und Tänze zu seinen Ehren vorgeführt wurden. Robeson ging spontan auf die Bühne und musizierte mit einer Gruppe afrikanischer Studenten der Universität Leipzig. Anschließend teilte er dem Publikum mit, dass »dies einer der bewegendsten Tage seines zweiundsechzigjährigen Lebens« gewesen sei.30 Robesons Besuch verschaffte den DDR-Funktionären nicht nur die Gelegenheit, ihre Solidarität mit dem Kampf der Afroamerikaner um ihre Bürgerrechte und den afrikanischen Befreiungsbewegungen unter Beweis zu stellen. Sie nutzten das Ereignis auch, um gleichzeitig die Bundesrepublik zu diskreditieren und die Einstellung der DDR gegenüber Menschen afrikanischer Herkunft weltweit herauszustellen. So klagte Albert Norden, Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED, beispielsweise in einer Rede zu Ehren von Robesons Verdiensten um den Weltfrieden die BRD an, die Apartheid in Südafrika zu unterstützen und immer noch Generäle zu ehren, die am Völkermord an den Herero und Nama im damaligen »Deutsch-Südwestafrika« zwischen 1904 und 1907 beteiligt gewesen seien. Norden kontrastierte so in klaren Worten die Solidarität der DDR mit den »Unterdrückten« weltweit gegenüber der Politik des imperialistischen Westen:

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Ein Hauch von Freiheit Wir in der DDR […] empfinden tiefe Sympathie zu allen Völkern, egal welcher Hautfarbe, die um ihre nationale Befreiung und Unabhängigkeit kämpfen, und wir ehren daher den Mann, der nicht müde wird, an den Ketten zu rütteln, die bis heute zwanzig Millionen Neger in den Vereinigten Staaten und Millionen anderer in Afrika in Sklaverei und Unfreiheit halten. 31

Abb. 7.2: Paul Robeson wird am 6. Oktober 1960 mit dem »Großen Stern der Völkerfreundschaft« in Silber von Walter Ulbricht, Vorsitzender des Staatsrats der DDR, in Ost-Berlin ausgezeichnet (Picture-Alliance / dpa) Robeson selbst war überwältigt von dem enthusiastischen Empfang, der ihm in der DDR bereitet wurde. Sein Besuch stärkte erneut seinen Glauben an das Potential des Sozialismus, internationalen Frieden und nationale Gleichberechtigung zu schaffen. Zur selben Zeit unterließ er es jedoch nicht, auch die »vielen tapferen Kämpfer in Westdeutschland« zu erwähnen, die »trotz großer Schwierigkeiten gegen Rassendiskriminierung kämpfen«. Er verlieh seiner großen Bewunderung für das sozialistische Experiment Ausdruck, wies aber dennoch darauf hin, dass er »gerade von einem Ostberliner Standpunkt

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aus« sich grundsätzlich als Amerikaner betrachte: »Ich hänge, als Amerikaner, an meinem Land, an den jüngeren Traditionen Amerikas, und […] ich bin ein Freund, war ein Freund, und werde immer Freund sein der sowjetischen Völker und der Völker des demokratischen Sozialismus.«32 Wegen seines sich verschlechternden Gesundheitszustandes kehrte Robeson im September 1963 in die DDR zurück, um sich in einer Klinik in Ostberlin vor seiner Rückkehr in die USA am Ende des Jahres behandeln zu lassen. Während dieses Aufenthaltes und darüber hinaus blieb seine Freundschaft zur DDR ungebrochen und wurde auch weiterhin vom Staat erwidert.33 Neben zahllosen anderen offiziellen Auszeichnungen wurden eine Straße und eine Schule in Ostberlin nach ihm benannt, 1965 ein Paul Robeson-Archiv an der Akademie der Künste eröffnet, und viele Symposien zu seinen Ehren in den 1970er Jahren veranstaltet.34 Mehr noch als W. E. B. Du Bois, der ebenfalls 1958 zum Ehrendoktor der Humboldt-Universität ernannt worden war, wurde Robeson, in den Worten Albert Nordens, als beliebtester »schwarzer Vorkämpfer der Humanität« in der DDR gefeiert.35 Auch nach seinem Tod 1976 setzten sich die Auszeichnungen fort und 1983 wurde zu seinen Ehren in der DDR eine Briefmarke mit der Inschrift »Für Frieden, gegen Rassismus, Paul Robeson 1898-1976« herausgegeben. Angesichts von Robesons Status als ein derart gefeierter »schwarzer Pionier der Humanität«, kam es bei einem internationalen Symposium zu seinen Ehren im April 1971 zu Diskussionen unter hochrangigen DDR-Parteifunktionären, wie das Thema Rassismus am besten in der generellen ideologischen Arbeit hervorzuheben sei.36 Eine erste Gelegenheit ergab sich beim Besuch von Ralph Abernathy, damals Nachfolger von Martin Luther King als Präsident der Southern Christian Leadership Conference, in Ostberlin vom 27. bis 29. September 1971. Abernathys Besuch war Teil einer längeren Rundreise von SCLC-Offiziellen durch kommunistische Länder. Vor seinem Aufenthalt in Ostberlin war er bereits in Moskau gewesen und hatte die Sowjetunion eine Woche lang bereist. Auf dem Rückweg in die USA machte er auch noch einen Zwischenstopp in der tschechoslowakischen Hauptstadt Prag, um an der Christian Peace Conference teilzunehmen. Die Gründe seines Besuchs waren, Abernathy zufolge, sein Wunsch, »Kommunismus in der Praxis« zu erleben, da »die Hoffnung der Welt auf der Koexistenz« beruhe und es daher »engere Verbindungen zwischen den Menschen aller Nationalitäten, Ideologien und Überzeugungen« geben solle.37 Im Unterschied zu seinem Deutschland-Besuch von 1964, auf dem Abernathy Martin Luther King nach West- und Ostberlin begleitet hatte, besuchte Abernathy im Herbst 1971 nur den Ostteil der geteilten Stadt. Diesmal waren die DDR-Funktionäre besser darauf vorbereitet, den Besuch für propagandistische Zwecke zu nutzen. Gemeinsam mit Pfarrer Dr. Joseph Lowery (Atlanta) und Pfarrer Dr. Wyatt Walker (Harlem), wurde er von den Vertretern der DDR-

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Regierung mit großem Aufwand empfangen.38 Während seines zweitägigen Besuchs trug sich Abernathy ins Goldene Buch Ostberlins ein, hielt einen Vortrag an der Humboldt-Universität und predigte während einer Messe in der Marienkirche.39 Genau an derselben Stelle, von der aus Martin Luther King sieben Jahre zuvor zur Kirchengemeinde gesprochen hatte, setzte Abernathys Besuch in Ostdeutschland nahtlos die Reihe der Besuche Du Bois’, Robesons und Kings fort. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern schreckte Abernathy nicht davor zurück, die fortdauernden ökonomischen Spaltungen und Rassendiskriminierung in den USA in besonders markigen Worten anzuprangern. Unterbrochen von begeistertem Applaus rief er zum Rückzug der US-Truppen aus Vietnam auf, zur Freilassung von Angela Davis, aber auch zur Beendigung der Apartheid in Südafrika. Er forderte die Freilassung der politischen Gefangenen und vollständige Bürgerrechte für Afroamerikaner: Es wäre eine gute Nachricht für die Welt, wenn in Marion County in Kalifornien bekanntgegeben würde, dass Angela Davis frei ist. [Applaus] Es wäre eine gute Nachricht für die Welt, wenn wir in den Überschriften lesen könnten, dass die Vereinigten Staaten von Amerika nicht dreißig Milliarden Dollar ausgeben, um jemand auf den Mond zu schicken, sondern um in Südafrika Rassismus und Ungleichheit zu beenden. [Applaus] Es wäre eine gute Nachricht, die beste Nachricht für die Welt, wenn die Vereinigten Staaten von Amerika alle politischen Gefangenen freiließen und die schwarzen Menschen an den Segnungen unserer Demokratie teilhaben ließen [Applaus].40

Mit solch harscher Kritik an den Vereinigten Staaten rief Abernathy natürlich bei DDR-Funktionären große Zustimmung und Freude hervor. 41

Abb. 7.3: Ralph Abernathy auf dem Weg zur HumboldtUniversität in Ost-Berlin zusammen mit Joseph Lowery und Rektor Karl-Heinz Wirzberger am 28. September 1971 (BArch, Bild 183-K0928-036 / Rainer Mittelstädt)

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Nach seiner Predigt wurde Abernathy während eines anschließenden Abendessens mit Regierungsvertretern die »DDR-Friedensmedaille« verliehen. 42 In seiner begleitenden Ansprache nutzte Albert Norden die Gelegenheit, noch einmal die ideologische Botschaft des DDR-Regimes zu unterstreichen: Er rühmte Abernathy als »engen Freund und Mitstreiter« und begründete die Unterstützung des afroamerikanischen Bürgerrechtskampfes seitens der DDR mit der Lehre und der Verpflichtung, wie sie sich aus der jüngeren deutschen Vergangenheit ergäben: »Wir sind gegen Rassismus, weil er Teil jenes Aggressionskrieges ist, dem bis 1945 zwanzig Millionen Sowjetbürger, sechs Millionen polnische Menschen und viele andere Menschen zum Opfer gefallen sind.« Norden dehnte die Traditionslinie zum nationalsozialistischen Faschismus noch weiter aus, indem er feststellte, dass die Menschen der DDR aufgrund des Krieges in Vietnam und der Ausbeutung und Unterdrückung der afroamerikanischen Bevölkerung die US-Regierung und das Pentagon als »Erben Hitlers« betrachteten. Daher verdiene der Kampf für ein »anderes, besseres Amerika« jene prominente Stellung, die ihm in den Lehrplänen der Kindergärten, Universitäten und Massenmedien der DDR zukam, jenes Staates, der innerhalb seiner Grenzen im Gegensatz zum Westen jegliche rassistische Ideologie rigoros beseitigt habe. 43 Angesichts derartig ideologisch aufgeladener Ehrungen blieb es natürlich nicht aus, dass Abernathys DDR-Besuch in den Vereinigten Staaten eine politische Debatte auslöste. Obwohl Abernathy es konsequent vermied, während seines Besuchs in der DDR diese Vergleiche mit dem Nationalsozialismus zu kommentieren, so versicherte er seinen Gastgebern jedoch, »erfüllt von Freude« und »zu Tränen gerührt« zu sein durch die ihm verliehene Medaille, die er »im Gefängnis und in den Kämpfen auf der Straße« zu tragen versprach, um zu beweisen, dass er »dieser Ehre wert« sei. 44 Er versprach auch, sich nach seiner Rückkehr in die USA für die internationale Anerkennung der DDR einzusetzen, und erklärte, dass er das Land verlasse im Wissen darum, »dass wir in der Deutschen Demokratischen Republik zahllose Freunde haben, die uns helfen werden, Angela Davis zu befreien und die Probleme von Rassismus, Armut und Krieg in der Welt zu lösen«. 45 Wie vorauszusehen war, kritisierten konservative US-Kommentatoren Abernathys Ostberliner Äußerungen und empörten sich insbesondere über den hergestellten Bezug zwischen Rassendiskriminierung und Nationalsozialismus; sie stellten ihrerseits den ostdeutschen Staat in eine Traditionslinie mit den Unterdrückungsmechanismen des Nationalsozialismus. Der bekannte rechtskonservative Kommentator William Buckley Jr. schrieb beispielsweise, Abernathys Vorstellung in Ostberlin stelle sich dar, »als ob der amerikanische Direktor der Anti-Diffamierungsliga einen Orden von Hitler entgegengenommen und ihm versprochen habe, Hitler im Kampf um die Rassenbeziehungen nicht im Stich zu lassen«. 46

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»A ngel a -M ania« Trotz des Erfolgs, den Abernathys Besuch im September 1971 für die DDR darstellte, wurde er von der weitaus umfassenderen, staatlich geförderten Kampagne für Angela Davis in den Schatten gestellt, die seinen Besuch an ideologischer Signifikanz für das DDR-Regime bei weitem überstieg. Ein paar Tage vor Abernathys Ankunft hatten sich bereits rund 700 Studenten und andere junge Leute in der Humboldt-Universität versammelt, um als Teil des internationalen »Kampftages für Angela Davis« am nächsten Tag ihrer Solidarität mit Davis Ausdruck zu verleihen. Ein Telegramm von dieser Veranstaltung an das New Yorker Komitee zur Befreiung von Angela Davis lautete: »Die Jugend der Deutschen Demokratischen Republik erhebt ihre Stimme zum Protest gegen die Terror-Justiz in den USA, die die aufrechte Kommunistin und Patriotin Angela Davis seit zwölf Monaten hinter Kerkermauern gefangen hält.« 47 Veranstaltungen wie diese waren eingebettet in eine landesweite Aktion des Regimes, die darauf abzielte, Solidarität mit Angela Davis in allen Teilen der ostdeutschen Gesellschaft zu mobilisieren. Gemeinsam mit W. E. B. Du Bois, Paul Robeson und Martin Luther King, wurde Davis als »Heldin des anderen Amerika« gefeiert. An ihrem 27. Geburtstag – dem 26. Januar 1971 – versammelten sich beispielsweise rund 2.000 Menschen in der Ostberliner Kongresshalle am Alexanderplatz mit Bannern und skandierten Slogans wie »Freiheit für Angela Davis«, »Entreißt Angela dem Gas-Tod« oder »Imperialismus = Tod der Völker«. 48 Auf ihrem achten Parteitag im Juni 1971 rief die SEDFührung unter dem Motto »Eine Million Rosen für Angela Davis« offiziell zu einer allgemeinen, öffentlichen Solidaritätskampagne auf. 49 Im Februar 1972 veröffentlichte eine Gruppe prominenter ostdeutscher Funktionäre, Akademiker, Sportler, Schriftsteller sowie Schauspielerinnen einen Solidaritätsaufruf unter dem Titel »Rettet Angela Davis!« Sie erklärten, dass Davis die »besten Traditionen Amerikas« repräsentiere und stellten unter klarem Bezug auf die politische Verfolgungen unter dem Nationalsozialismus fest, dass der Prozess gegen Davis ein Versuch sei, einer in der Sache unschuldigen Kommunistin um jeden Preis etwas anzuhängen, was ihrer Ansicht nach ein eindeutiges Anzeichen für »die wachsenden faschistischen Tendenzen in Amerika« war.50 Mitglieder der »Befreit Angela Davis«-Komitees in den USA wie Gastprofessor Wallace Morgan oder Fania Davis, Angela Davis’ Schwester, hielten ebenfalls Ansprachen auf offiziellen Solidaritätsveranstaltungen in Ostberlin und an anderen Orten in der DDR.51 Alle diese Veranstaltungen wurden vom Zentralkomitee der SED geplant und diskutiert, das auch die Berichterstattung darüber in den DDR-Medien koordinierte.52 Die DDR, bis zu diesem Zeitpunkt ohne offizielle diplomatische Anerkennung oder Beziehungen zu den USA, empfing zeitgleich verschiedene Repräsentanten amerikanischer Friedensorganisationen sowie Abgesandte der

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KPUSA, um ihre prinzipielle Unterstützung von deren Anliegen zu verdeutlichen und diese Gruppen gleichzeitig dazu zu bewegen, sich für die internationale Anerkennung des Staates einzusetzen.53 Das Regime unternahm ebenso umfangreiche Anstrengungen, um es dem Auslandskorrespondenten des SED-Parteiblattes Neues Deutschland in Verhandlungen mit der US-Regierung zu ermöglichen, als Augenzeuge vom Prozess in Kalifornien gegen Angela Davis zu berichten. Neben Zeitungsberichten gab es eine Welle anderer Publikationen, Lieder und Hörspiele über Davis, die in der DDR veröffentlicht wurden, als die Solidaritätskampagne zum Beginn ihres Prozesses im Januar 1972 noch einmal deutlich verstärkt wurde.54 Verblüfft durch die Intensität dieser Kampagne, urteilte das US-Magazin Time, dass die DDR offenbar von einer«Angela-Mania« erfasst worden sei.55 Ostdeutsche Bürger unterzeichneten Petitionen zugunsten Davis’, sammelten »Solidaritätsbeiträge« für »Befreit Angela Davis«-Komitees in den USA, und Kinder malten »Sonnenblumen für Angela Davis«. Jugendklubs und Arbeitsbrigaden wurden nach Davis benannt, Schulen sandten Solidaritätspostkarten an ihr Gefängnis und Protestbriefe an US-Präsident Richard Nixon und den kalifornischen Gouverneur Ronald Reagan.56 Eines der Kinder erinnerte sich später an die Bedeutung, die diese Kampagne zu diesem Zeitpunkt hatte: Mit heißem Herzen malten wir in der Schule bunte Postkarten, immer unterzeichnet mit der Forderung an Präsident Nixon: Freiheit für Angela. Die Karten wurden eingesammelt mit der Versicherung unserer Lehrer, dass alle an das Weiße Haus geschickt werden. Wir waren überzeugt von der Gerechtigkeit der Sache, um die sie stritt, ohne eigentlich die Umstände zu kennen, die zu ihrer Verhaftung geführt hatten. […] Dass meine Postkarte etwas bewirkt haben muss, wurde ein Jahr später klar. Angela Davis wurde aufgrund meiner und der übrigen weltweiten Proteste freigelassen. 57

Bereits kurz nachdem die Nachricht von Davis’ Freispruch durch ein kalifornisches Gericht am 4.  Juni 1972 die DDR erreichte hatte, gratulierte Erich Honecker selbst, als neu ernannter Erster Sekretär (ab 1976 Generalsekretär) des Zentralkomitees der SED, ihr per Telegramm und betonte die uneingeschränkte Solidarität der Bürger der DDR: »Dein Name, liebe Angela, wurde zu einem Symbol des Kampfes gegen imperialistische Willkür und Unterdrückung. Dein Mut und deine Standhaftigkeit als Kommunistin und Vertreterin der afroamerikanischen Bevölkerung deines Landes, haben dich zu einem leuchtenden Vorbild der Jugend werden lassen.«58

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Abb. 7.4: Erich Honecker empfängt Angela Davis am 11. September 1972 in Ost-Berlin und überreicht ihr eine Einladung zu den Weltfestspielen der Jugend und Studenten im Jahr 1973 (BArch, Bild 183-L0911-029 / Peter Koard) Wenige Monate später begab sich Angela Davis auf eine Tour durch Osteuropa und die Sowjetunion, um sich für die internationale Solidaritätskampagne zu bedanken, die zu ihren Gunsten in Gang gesetzt worden war. In der DDR wurden ihr zu Ehren Massenkundgebungen mit Tausenden von Teilnehmern abgehalten, sie wurde von Regierungsvertretern empfangen und bereiste die Universitäten und Industriezentren des Landes. Günther Jahn, Erster Sekretär des Zentralrates der Freien Deutschen Jugend (FDJ), charakterisierte die herzliche Stimmungslage für die kommunistische Genossin und Repräsentantin des »anderen Amerika« so: »Im Land von Kant und Hegel, deren Philosophie Angela Davis studierte, im Land von Schiller und Goethe, deren Werke Angela Davis in der Originalsprache las, im befreiten Heimatland von Marx und Engels schlagen Millionen Herzen für sie und ihre amerikanischen Genossen.«59 Während ihres Aufenthaltes in der DDR vom 10. bis zum 17. September 1972 erhielt Davis auch einen Ehrendoktor der Karl-Marx-Universität Leipzig, darüber hinaus wurde ihr die Ehrenbürgerschaft der Stadt Magdeburg verliehen, außerdem durfte sie sich mit Grenzsoldaten der DDR an der Berliner Mauer unterhalten. Wie Paul Robeson 1960 wurde auch Davis nun von Walter Ulbricht, dem Staatsratsvorsitzenden der DDR, mit dem »Großen Stern der Völkerfreundschaft« ausgezeichnet. In ihrer Erwiderung auf all diese Ehrungen betonte Davis ihre Bewunderung für die sozialistischen Staaten und ihre gegenseitige Solidarität. Sie unterstrich, dass sie sich während ihres Aufenthaltes in Ostdeutschland wie »in einer völlig neuen Dimension von Raum und Zeit« gefühlt habe, die eine neue und gerechtere Weltordnung vorwegnehme: »Wir befinden uns tatsäch-

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lich in einer neuen historischen Ära, wenn wir das Leben in den sozialistischen Ländern mit dem in den USA vergleichen. Wir sehen hier, was es für die Arbeiterklasse bedeutet, die Macht innezuhaben.«60 Bei einem Treffen mit Erich Honecker richtete sie Grüße der Führung der KPUSA (Kommunistische Partei der USA) aus und lobte den Sieg über die rassistischen und faschistischen Ideologien in ihrem Gastgeberland als »eine der größten Errungenschaften der Arbeiterklasse und der SED Deutschlands«. Sie pries die Partei dafür, »jene von Hitlers brutaler Herrenrassenideologie herrührenden Rassenvorurteile, durch die das deutsche Volk korrumpiert worden war«, überwunden zu haben, und »den Samen der internationalen Freundschaft in die Herzen der Menschen« eingepflanzt zu haben.«61 In ihrem Dank an das ostdeutsche Volk für seine Unterstützung und die Briefkampagnen, hob Davis hervor, dass die internationale Solidarität unter den sozialistischen Ländern einer der Hauptfaktoren gewesen sei, der zu ihrer Freilassung beigetragen habe, die für sie »ein Sieg des proletarischen Internationalismus und der Klassensolidarität der Arbeiter weltweit ist, die durch die Anstrengungen so vieler Menschen im Gericht von San José erreicht wurde.«62 Davis’ perfekt inszenierter Besuch 1972 machte aus ihr einen kommunistischen Superstar in der DDR. Ihr Aufenthalt hatte auch offiziellen Stellen gefallen, die die Wahrnehmung und Bewertung ihres Besuchs seitens der Einwohnerschaft genau beobachteten. 63 Die DDR-Funktionäre nutzten den Aufenthalt von Davis zusätzlich, um ihre Beziehungen zur Führungsebene der KPUSA zu intensivieren. Der Film Angela Davis besucht die DDR, hergestellt vom DDRFernsehen, war sogar dazu ausersehen, von der KPUSA als Propagandamaterial während der US-Wahlen 1972 benutzt zu werden. Um zusätzliche Finanzmittel für die KPUSA zu generieren, ließ das DDR-Regime auch eine Postkarte mit der Unterschrift von Angela Davis drucken, die über die Zweigstellen der Jugendorganisationen FDJ und Junge Pioniere verkauft wurde.64 Davis besuchte die DDR nur ein Jahr später auf Einladung Erich Honeckers als Leiterin der US-Delegation bei den 10. Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Ostberlin 1973 erneut. Das Festival, welches rückblickend als«Rotes Woodstock« oder »Sommer der Liebe« bezeichnet wurde, brachte mehr als 25.000 ausländische Gäste aus aller Welt, Jugendliche und Studentengruppen nach Ostberlin. Unter dem Slogan »Für antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft« hielten die Organisatoren zwischen 28.  Juli und 5. August 1973 mehr als 1.500 Veranstaltungen ab (Seminare, Massendemonstrationen, Konzerte usw.). Während dieser neun Tage präsentierte sich die DDR der Welt als offene, fortschrittliche und tolerante Gesellschaft. Die Stasi hatte die Parole ausgegeben, »maximale Großzügigkeit« zu zeigen im Hinblick auf politische Aktionen ausländischer Delegationen, die von der offiziellen DDRDoktrin abwichen. Diese plötzliche Liberalisierung und Toleranz im Hinblick auf Aktionen und Musikauswahl überraschte die DDR-Jugend.65

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Abb. 7.5: Angela Davis wird am 11. September 1972 in OstBerlin von über 3000 Jugendlichen empfangen (BArch: Bild 183-L0911-041 / Peter Koard) Erich Honecker nutzte das Festival als Test für seine Politik einer »kontrollierten Öffnung«, durch die er die ostdeutsche Bevölkerung schrittweise ausländischen Einflüssen aussetzen und gleichzeitig den Boden für die internationale Anerkennung der Souveränität der DDR bereiten wollte.66 Hinter den Kulissen hatten die staatlichen Stellen sorgfältige Pläne ausgearbeitet, um die Sicherheit während des Festivals zu gewährleisten. Unter anderem waren seit Anfang des Jahres 1973 im Vorfeld der Festspiele potenziell Subversive, Vorbestrafte sowie geistig Behinderte verhaftet und abgeurteilt worden.67 Diese krude Mischung aus oberflächlichem politisch-kulturellem Tauwetter und andauernder, engmaschiger Kontrolle der eigenen Bevölkerung erwies sich in den folgenden Jahren als gangbarer Weg für die DDR-Führung. Unter diesen Umständen wurde der Auftritt von Angela Davis während der Weltjugendfestspiele noch stärker als ihr vorheriger Besuch für Propagandazwecke genutzt. Das US-Außenministerium sah Davis bei diesem Anlass beispielsweise als »eine farbenfrohe Propagandafeder am Hut des ostdeutschen Regimes und von Erich Honecker insbesondere«.68 Begrüßt mit »Angela, Angela«-Sprechchören, hielt Davis bei den Weltjugendfestspielen eine engagierte Rede auf dem Alexanderplatz zugunsten von internationaler Solidarität und war der unangefochtene Star vieler anderer Veranstaltungen. DDR-Regierungsvertreter lobten ihre Anwesenheit und ihren Auftritt, insbesondere ihre starke Unterstützung für die Politik des Warschauer Paktes und ihre Kritik am Vorgehen der USA in Vietnam. Davis selbst bezeichnete ihren Besuch als eine »von drei unvergesslichen Erfahrungen ihres Lebens«, neben ihrem Eintritt in die Kommunistische Partei und ihrer Freilassung aus dem Gefängnis.69

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Trotz aller Kritik, die Angela Davis für ihre Nähe zum im Westen verachteten DDR-Regime erfuhr, blieb sie dem kommunistischen Staat eng verbunden. 1975 half sie bei der Gründung des »US-Komitees für Freundschaft mit der Deutschen Demokratischen Republik«, welches die explizite Aufgabe hatte, Unterstützung für die diplomatische Anerkennung der DDR zu sammeln.70 In den folgenden Jahren blieb Ostberlin bei seiner Strategie, sich stets um eine Allianz mit den afroamerikanischen Bürgerrechtsaktivisten und Black Power-Vertretern zu bemühen. Diese Bemühungen intensivierten auch die Verbindungen zur KPUSA und halfen propagandistisch dabei, »imperialistische« US-Politik national wie international anzuprangern. Weitere Solidaritätskampagnen wie im Fall von Ben Chavis und den »Wilmington 10« kamen jedoch nicht mehr an die Intensität und das Ausmaß der Kampagnen für Angela Davis zu Beginn der 1970er Jahre heran.71 Dennoch blieben die Auswirkungen der ostdeutschen Solidaritätsbekundungen mit der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung seit 1945 sowohl in den USA wie auch international spürbar. Als die SED im Mai 1975 sechzehn afroamerikanische Chefredakteure und Herausgeber zu einer zehntägigen Reise durch die DDR einlud, erzielte sie nach Abschluss der Reise einen bleibenden, positiven Eindruck bei den Teilnehmern. Die Gruppe, von denen sich die meisten weder als Sozialisten noch Kommunisten bezeichneten, traf sich mit führenden Parteivertretern, aber auch mit Oliver Harrington, dem afroamerikanischen Cartoonisten, der seit 1961 im Lande lebte und mit vielen Mitgliedern der Delegation befreundet war. Die Teilnehmer waren besonders überrascht über den Bekanntheitsgrad führender Vertreter der afroamerikanischen Gemeinde der USA in ihrem Gastland. Einer von ihnen berichtete nach seiner Rückkehr über zahlreiche solcher Fälle und über die hohe Meinung, die die Ostdeutschen von ihnen hätten: »Paul Robeson gewann ihre Herzen als Sänger und Friedensaktivist. Angela Davis wurde von den Studenten wegen ihres Kampfes für die Unterdrückten als Volksheldin angenommen, und auch an Dr. Ralph Abernathy […] erinnert man sich gerne zurück. Das sind alles völlig vertraute Namen in der DDR. Ihre Bilder sind häufig zu sehen, besonders die von Robeson und Angela.«72 *** Die Solidarität der DDR mit der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung muss im Kontext der übergreifenden staatlichen Intentionen gesehen werden: Abgestimmt auf die offizielle SED-Parteidoktrin, war sie Teil der antirassistischen und antikolonialistischen Komponente der sozialistischen Staatsideologie. Außerdem lieferte sie als Ausdruck internationaler Solidarität mit den »Unterdrückten« einen Anknüpfungspunkt zu den Bemühungen der KPUSA und ihrer Repräsentanten. Weiterhin konnte die DDR oftmals auf das Interesse

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der afroamerikanischen Bürgerrechtsaktivisten am sowie ihre Sympathie und ihr Engagement für den Kommunismus zählen, am prominentesten im Fall von W. E. B. Du Bois, Paul Robeson und Angela Davis. Gleichzeitig nutzten die DDR-Funktionäre diese Solidarität, um sich von Westdeutschland zu distanzieren und die Vereinigten Staaten zu diskreditieren, indem sie auf die Fehlschläge und Doppelmoral der liberal-kapitalistischen Demokratien des Westens und deren internationalem Bündnissystem hinwiesen. Daher wurden die Beweise von »gelebter Solidarität« mit den afroamerikanischen Bürgerrechtsaktivisten zu einem fundamentalen ideologischen Werkzeug für die DDR im Propagandawettlauf des Kalten Krieges.73 Im Laufe der 1960er Jahre wurde so der Darstellung der Vereinigten Staaten als imperialistischem, transatlantischen Feind ein nahezu gleichberechtigtes Narrativ des »anderen Amerika« des Protests und des Widerstands hinzugefügt. Neben der Antikriegsbewegung dominierten nun die afroamerikanische Bürgerrechts- und Black Power-Bewegung dieses Bild und vermochten sogar die Populärkultur der DDR zu beeinflussen. Diese Dualität von Bewunderung und Solidarität mit dem »anderen Amerika« auf der einen Seite, und der profunden Kritik und marxistisch-leninistischen Ablehnung der Grundprinzipien der wirtschaftlichen und politischen Strukturen der USA auf der anderen Seite förderten nicht nur das Forschungsgebiet der Amerika-Studien in der DDR, sondern wurden zu einem der wirkungsvollsten Propagandawerkzeuge des SED-Regimes. Darüber hinaus produzierte sie eine Vielzahl äußerst langlebiger ideologischer Memorabilien, die bis heute im kollektiven Gedächtnis Ostdeutschlands verankert sind.74 Die ostdeutsche Solidarität mit dem afroamerikanischen Bürgerrechtskampf kann jedoch nicht den Umstand überdecken, dass die DDR selbst kaum als eine von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit freie Gesellschaft bezeichnet werden kann. Beides waren keineswegs exklusiv westdeutsche Phänomene oder unwillkommene »Importe«, wie DDR-Funktionäre häufig argumentierten und wie eine (n)ostalgisch angehauchte Art von Erinnerungspolitik bis heute beharrlich behauptet. Stattdessen handelte es sich bei der Xenophobie in der DDR um ein spezifisches Phänomen, welches unter anderem ein Resultat der Dominanz des Antifaschismus als ideologischem Überbau des kommunistischen Systems und dem dezidierten Schweigen zum Holocaust in der Erinnerungspolitik im Hinblick auf den Nationalsozialismus war. Antifaschismus und eine marxistisch-leninistische Geschichtssicht wurden zum allumfassenden Integrationsrahmen, der es der DDR erlaubte, individuelle Schuld und Verantwortung auf führende Repräsentanten des Nazi-Regimes zu projizieren oder sie auf Westdeutschland abzuschieben. Das Scheitern der DDR bei dem Versuch, persönliche Verwicklungen und die historischen Kontinuitäten des Landes mit einem kriminellen Regime anzuerkennen und öffentlich zu ma-

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chen, verhinderte so eine tiefergehende öffentliche Debatte über die antisemitischen und rassistischen Verbrechen der deutschen Vergangenheit.75 In ideologischer Hinsicht wurden Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auf diese Weise in der DDR gleichzeitig verurteilt und unterdrückt. Angesichts der weitreichenden Kontrolle der SED über die öffentliche Sphäre waren diese sozialen und interkulturellen Probleme nicht immer klar sichtbar. Aber für die Menschen, die unter ihren Folgen litten, wie ausländische Studenten, Arbeiter, Besucher oder Flüchtlinge aus Afrika und Asien, waren sie dennoch spürbar, schwerwiegend und eine wohlbekannte Tatsache, die höchstens zufällig oder unter vorgehaltener Hand zur Sprache kam. In der Folge erreichten Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der DDR der späten 1980er Jahre und dann in aufsehenerregendem Umfang nach der deutschen Wiedervereinigung eine neue Qualität mit der Entstehung eines organisierten Rechtsextremismus.76 Afroamerikaner, die sich besuchsweise oder dauerhaft in der DDR aufhielten, waren sich der dort vorhandenen Vorurteile durchaus bewusst. Der international berühmte Sänger Aubrey Pankey, der von 1954 bis zu seinem Tod 1971 in der DDR lebte, beklagte sich beispielsweise über eine »unglückliche Variante von Jim Crow«, der er in der DDR begegnet sei. 1959 eingeladen, ein Programm amerikanischer Musik, dirigiert von dem US-Dirigenten Earl Robinson in der Ostberliner Staatsoper aufzuführen, sollte Pankey von den vielen Rollen, die zu verteilen waren, ausgerechnet die kleinere Rolle eines schwarzen Predigers übernehmen; eine Bitte, von der er annahm, dass sie mit seiner Hautfarbe zu tun hatte. In seinen Augen war dies die Art von Ideen, die in »jedem anderen Land«, und sogar in den USA »einen sofortigen Protest seitens aller fortschrittlich gesonnenen Menschen« hervorgerufen hätte.77 Alfred Kurella, Leiter der Kulturkommission des Politbüros des ZK der SED, war ebenfalls erbost über diesen Vorschlag und versprach Pankey eine umgehende Untersuchung des Vorfalls. Er entschuldigte sich für diese Form von Rassendiskriminierung, die seiner Ansicht nach auf den ostdeutschen »Pseudosympathien« für Schwarze basierte.78 In einem Schreiben an seinen Kollegen Albert Norden ging Kurella sogar noch weiter und stellte fest, dass sich »hinter der laufstark proklamierten Propaganda für den ›armen Neger‹ und seine ›Kultur‹, die von bestimmten Leuten vorgetragen wird, ein ›Rassenhass mit umgekehrten Vorzeichen‹« verberge.79 Ähnlich argumentierte auch Oliver Harrington, der die Kluft zwischen der offiziellen Staatsdoktrin und der Alltagsrealität als »besondere Vorbedingung« für den »verborgenen« und »untergründigen« Rassismus der DDR beklagte. Harrington kritisierte 1991 beispielsweise, dass in Ostdeutschland zu leben in seinem Fall bedeute, »ungefähr fünf Mal am Tag auf der Straße beleidigt zu werden«.80 Aussagen wie diese schmälern keinesfalls die Solidaritätsbewegung in der DDR zugunsten des anderen Amerikas. Aber sie helfen dabei, diese Bewegung in einen Kontext zu stellen, bei dem die Bemühungen des DDR-Re-

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gimes um internationale Anerkennung, seine interne Dynamik sowie Politik und Traditionen eine Rolle spielen, die es künftig weiter zu erforschen gilt. Die revolutionären Allianzen, die in den 1960er und 1970er Jahren in Ostund Westdeutschland zwischen den Bürgerrechts- und Black Power-Aktivisten entstanden, waren in vieler Hinsicht unterschiedlich: Auf der einen Seite gab es eine staatliche geförderte Solidaritätskampagne, die auf der offiziellen Ideologie einer Diktatur und ihrer Propaganda beruhte. Auf der anderen Seite gab es eine von Studenten und Intellektuellen getragene Bewegung, die sich mit den Prämissen von Black Power identifizierte, während sie gegen ihre eigene Regierung und deren transatlantische Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten opponierte. Was den Kampagnen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs gemeinsam war, war der extensive rhetorische Rekurs auf die nationalsozialistische Vergangenheit als negativer Projektionsfläche und als einer der Antriebspunkte für ihre Bemühungen und ihre politische Instrumentalisierung der Bürgerrechtsbewegung hinsichtlich trans-/internationaler Beziehungen und innenpolitischer Debatten während des Kalten Krieges. Obwohl jede der Kampagnen völlig eigenständigen Zielsetzungen folgte, können beide in ihrer Gesamtdimension, gemeinsam mit ihren heimischen Auswirkungen, als integraler Bestandteil der globalen Dimension des afroamerikanischen Freiheitskampfes bezeichnet werden.

A nmerkungen 1 | Die Einparteien-Herrschaft der SED wurde ergänzt um eine »Einheitsfront«, im politischen System der DDR »Nationale Front« genannt, auf dem Papier eigenständiger, de facto aber von der SED abhängiger weiterer Parteien, die die »demokratische Vielfalt« im Parteiensystem vorspiegeln sollten, wie CDU, LDPD, NDPD, DBD sowie die ebenfalls im Parlament (»Volkskammer«) vertretenen Massenorganisationen Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB), Freie Deutsche Jugend (FDJ), Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD), Kulturbund (KB), Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB), etc. 2 | 1950 wurde Ulbricht zum Generalsekretär des ZK der SED ernannt. Diese Position wurde 1953 in Erster Sekretär des ZK der SED umbenannt. 3 | Zur Geschichte der DDR vgl. Klaus Schroeder: Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR 1949–1990, Wien, Köln und Weimar: Böhlau, 2013; Mary Fulbrook: Ein ganz normales Leben: Alltag und Gesellschaft in der DDR, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2011; Hermann Weber: Die DDR 1945–1990, Oldenbourg: München, 2011. 4 | »Verfassung der DDR, 7. Oktober 1949, Artikel 6, Paragraph 2«, in: Ingo von Münch (Hg): Dokumente des Geteilten Deutschland – Quellentexte zur Rechtslage des Deutschen Reiches, der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen

­­K apitel 7: Helden des anderen Amerika Republik, Stuttgart: Kröner, 1976. Siehe auch Quinn Slobodian (Hg.): Comrades of Color: East Germany in the Cold War World, New York: Berghahn Books, im Druck. 5 | Klaus Bollinger: Freedom now – Freiheit sofort! Die Negerbevölkerung der USA in Kampf um Demokratie, Berlin (DDR): Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, 1968, S. 4f. 6 | Kongress für bürgerliche Rechte (Hg.): Rassenmord! Wir klagen an!: Petition an die Vereinten Nationen zum Schutze der Negerbevölkerung in den Vereinigten Staaten von Amerika [OA New York 1951], Übers. Hermann Stürmer, Berlin: Rütten & Loening, 1953. Die Zitate folgen der englischen Originalausgabe, die von William Patterson herausgegeben wurde: We Charge Genocide: The Historic Petition to the United Nations for Relief from a Crime of the United States Government against the Negro People, New York: Civil Rights Congress, 1951. Zum Kongress für Bürgerrechte und die Petition von 1951 vgl. Gerald Horne: Communist Front? The Civil Rights Congress, 1946–1956, Rutherford, NJ: Fairleigh Dickinson University Press, 1987; Charles Martin: »Internationalizing »The American Dilemma« – The Civil Rights Congress and the 1951 Genocide Petition to the United Nations«, in: Journal of American Ethnic History 16, Nr. 4 (Sommer 1997), S. 35–61. 7 | Kongress für Bürgerrechte, 1953, S. 8ff. 8 | Bollinger: Freedom now, S. 5. Vgl. ebenfalls Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Deutschen Demokratischen Republik (Hg.): Der antiimperialistische Befreiungskampf der afroasiatischen und lateinamerikanischen Völker und die Deutsche Demokratische Republik, Dresden: Verlag Zeit im Bild, 1964. 9 | Bollinger: Freedom now, S. 4. 10 | Er besuchte Deutschland auch 1923 und 1926. Zu seinem Aufenthalt im »Dritten Reich« vgl. Werner Sollors: »W. E. B. Du Bois in Nazi Germany, 1936«, in: Amerikastudien/American Studies 44 (1999), S. 207–22; Harold Brackman: »›A Calamity Almost beyond Comprehension‹: Nazi Anti-Semitism and the Holocaust in the Thought of W. E. B. Du Bois«, in: American Jewish History 88 (2000), S. 53–93; David Levering Lewis: W. E. B. Du Bois: The Fight for Equality and the American Century: 1919–1963, New York: Holt, 2001, S. 308–405; Christina Oppel: »W. E. B. Du Bois, Nazi Germany, and the Black Atlantic«, in: GHI Bulletin Supplement 5 (2008), S. 99–120. Siehe auch www. aacvr-germany.org/dubois. Zum Verhältnis zwischen der DDR und Repräsentanten der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung generell siehe auch Anja Werner: »Convenient Partnerships? African American Civil Rights Leaders and the East German Dictatorship«, in: Kendahl Radcliffe, et al. (Hg.): Anywhere But Here: Black Intellectuals in the Atlantic World and Beyond, Oxford: University of Mississippi Press, 2015, S. 139-163. 11 | Siehe Gerald Horne: Black and Red: W. E .B. Du Bois and the Afro-American Response to the Cold War, 1944–1963, Albany: State University of New York Press, 1986; David Levering Lewis: W. E. B. Du Bois: The Fight for Equality and the American Century: 1919–1963, New York: Holt, 2001, S. 496–553; Patricia Sullivan: Lift Every Voice: The NAACP and the Making of the Civil Rights Movement, New York: New Press, 2009, S. 367–70.

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Ein Hauch von Freiheit 12 | Ehrendoktor-Urkunde, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Humboldt-Universität, 3. November 1958, in: Ehrenpromotion, W. E. B. Du Bois, Humboldt-Universität, Archiv, Berlin (im Folgenden HUAB). Vgl. ebenfalls W. E. B. Du Bois: The Autobiography of W. E. B. Du Bois – A Soliloquy of Viewing My Life from the Last Decade of Its First Century, New York: International Publishers, 1968, S. 23. 13 | Heinz Mohrmann an Wilhelm Girnus, DDR-Bildungsminister, Erläuterung zur Ehrendoktorwürde für W. E. B. Du Bois, 28. Oktober 1958, in: Ehrenpromotion, W. E. B. Du Bois, HUAB. Vgl. ebenfalls »Ansprache des Dekans der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Professor Dr. rer. pol. (hab.) Heinz Mohrmann, anlässlich der Ehrenpromotion von Prof. Dr. Dr. Du Bois, New York«, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin 8, Nr. 1 (1958/59), S. 111– 113. Im selben Jahr erhielt Du Bois auch einen Ehrendoktor der Universität Prag und ein Jahr später den Lenin-Friedenspreis der UdSSR. 14 | Die Geburtstagsdelegation bestand aus dem stellvertretenden Außenminister Otto Winzer, dem Leiter der Afrika-Abteilung des Außenministerium, sowie Karl-Heinz Kern, dem Leiter der Wirtschafts- und Handelsmission der DDR in Ghana. Kondoliert wurde von Georg Heiderrich, Leiter der DDR-Handelsdelegation in Ghana im August 1963, ein Kranz an Du Bois’ Grab wurde im Dezember 1963 von Gerald Götting niedergelegt. Für die Besuche in Ghana, die ostdeutschen Nachrufe sowie die Wahrnehmung von Du Bois in der DDR und sein Besuch im Jahr 1958, siehe Hamilton Beck: »Censoring Your Ally: W. E. B. Du Bois in the German Democratic Republic«, in: David McBride, Leroy Hopkins und Carol Blackshire-Belay (Hg.): Crosscurrents: African Americans, Africa, and Germany in the Modern World, Columbia, SC: Camden House, 1998, S. 197–232, bes. 221. 15 | Siehe Oliver Harrington: Bootsie and Others: A Selection of Cartoons, New York: Dodd, 1958; Oliver Harrington: Soul Shots: Political Cartoons by Ollie Harrington, New York: Longview Publishing, 1972; Oliver Harrington: Why I Left America and Other Essays, Jackson: University Press of Mississippi, 1993; M. Thomas Inge (Hg.): Dark Laughter: The Satiric Art of Oliver W. Harrington, Jackson: University Press of Mississippi, 1993. 16 | Leider gibt es bisher noch keine Biographie zu Oliver Harrington. Zu Harringtons Freundschaft mit Paul Robeson, siehe Ollie Harrington: »In einem schwarzen Ghetto«, in: Das Magazin 7, Juli 1971, S. 23–28. Siehe auch Aribert Schroeder: »Ollie Harrington: His Portrait Drawn on the Basis of East German (GDR) Secret Service Files«, in: Larry Greene und Anke Ortlepp (Hg.): Germans and African Americans: Two Centuries of Exchange, Jackson: University Press of Mississippi, 2010, S. 185–200; Christian Davenport: »Blowing Flames into the Souls of Black Folk: Ollie Harrington and his Bombs from Berlin to Harlem«, in: Sheena C. Howard und Ronald L. Jackson II (Hg.): Black Comics: Politics of Race and Representation, London und New York: Bloomsbury Academic, 2013, S. 111–132. Für seinen Besuch des Büros des Chicago Daily Defender 1972, siehe Robert McClory: »Ollie Harrington: Bootsie Artist Visits U.S.«, in: Chicago Daily Defender, 21. Oktober 1972, S. 1. Für Beispiele seine Karikaturen sowie andere Materialien siehe auch www.aacvr-germany.org/harrington.

­­K apitel 7: Helden des anderen Amerika 17 | »Deserteure: Verdammt in alle Ewigkeit«, in: Der Spiegel, 26. Mai 1954, S. 8–11; Victor Grossman: Crossing the River: A Memoir of the American Left, the Cold War, and Life in East Germany, Amherst: University of Massachusetts Press, 2003, S. 116–35; »African Americans in the GDR«, in: German and African American Crossovers, S. 3–16; idem: Ein Ami blickt auf die DDR zurück, Berlin: edition ost, 2011; idem: Crossing the River: Vom Broadway zur Karl-Marx-Allee: Eine Autobiografie, Berlin: Heinen, Wiljo, 2014. Die Memoiren von Grossman, selbst ein amerikanischer GI, der 1952 nach Ostdeutschland floh und seitdem dort lebt, werfen ein sehr interessantes Licht auf das Leben in der DDR aus Sicht eines amerikanischen Kommunisten. Siehe zusammenfassend Peter Köpf: Wo ist Lieutenant Adkins? Das Schicksal desertierter Nato-Soldaten in der DDR, Berlin: Ch. Links Verlag, 2013. 18 | Jack Anderson: »US Misfits Train as Red Spies«, in: Washington Post, 13. Juni 1964, S. 39. Siehe auch Arna Vogel und Christian Blees: »Der Cowboy im Sozialismus: US-Amerikaner in der DDR«, Westdeutscher Rundfunk, Köln, 5. Oktober 2005. 19 | Lucas schien jedoch unter Problemen psychischer oder interkultureller Art gelitten zu haben, möglicherweise aufgrund seiner geringen Deutschkenntnisse. Er nahm sich im Juni 1956, nur ein paar Monate nach seiner Hochzeit, das Leben. Zu Lucas siehe »Red Report Defection«, in: New York Times, 9. Dezember 1952, S. 9; Grossman: Crossing the River, 106 f.; Peter Köpf: »Charles Lucas’ Big Mistake«, in: Atlantic Times, September 2009, S. 20f. 20 | »Langes Gedächtnis«, in: Der Spiegel, 10. April 1995, S. 96f.; Victor Grossman: »African Americans in the GDR«, in: German and African American Crossovers, S. 3–16. 21 | Regina Kerner: »Mit Blueberry Hill kam der eine bis nach Taschkent«, in: Berliner Zeitung, 25. April 1995, S. 3. 22 | Ministerium des Inneren, Staatsekretariat für Innere Angelegenheiten: »Geheime Verschlusssache B14-6898/54« 22. April 1954, in: DO 1, 17056, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (im Weiteren: SAPMO), Berlin. 23 | Max Zimmering: Im herben Morgenwind: Ausgewählte Gedichte aus zwei Jahrzehnten, Berlin: Dietz, 1953, S. 56–58. 24 | Anna Seghers: Der erste Schritt, Berlin: Aufbau-Verlag, 1953, S. 26–32, 28. 25 | Für einen Überblick über diese Werke siehe Ursula Dibbern und Horst Ihde: »Das Echo der Kultur und des Freiheitskampfes der nordamerikanischen Neger in der DDR, 1945–1969«, in: Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik 3, 20 (1972), S. 429–42; Daisy Wessel: Bild und Gegenbild: Die USA in der Belletristik der DDR (bis 1987), Opladen: Leske & Budrich, 1989, S. 104–18. Siehe auch Astrid Haas: »A Raisin in the East: African American Civil Rights Drama in GDR Scholarship and Theater Practice«, in: Larry Greene und Anke Ortlepp (Hg.): Germans and African Americans: Two Centuries of Exchange, Jackson: University Press of Mississippi, 2010, S. 166–184. 26 | Siehe Uta Poiger: Jazz, Rock, and Rebels: Cold War Politics and American Culture in a Divided Germany, Berkeley: University of California Press, 2000.

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Ein Hauch von Freiheit 27 | Zu einer vertiefenden Diskussion vgl. ebd., S. 150–167. Zum Dixieland Festival Dresden vgl. www.dixieland.de/epages/61202883.sf. 28 | Friedensrat der Deutschen Demokratischen Republik: Days with Paul Robeson, Berlin: Deutscher Friedensrat, 1961, S. 8. Es handelt sich dabei um eine übersetzte Version der deutschen Originalfassung: Friedensrat der Deutschen Demokratischen Republik: Tage mit Paul Robeson: Paul Robeson im Oktober 1960 in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin: Deutscher Friedensrat, 1961. 29 | Friedensrat: Days with Paul Robeson, S. 14; Martin Duberman: Paul Robeson, New York: The New Press, 1989, S. 738; Paul Robeson Jr.: The Undiscovered Paul Robeson: Quest for Freedom, 1939–1976, Hoboken: Wiley, 2010, S. 301. Für Du Bois und Robeson Einstellungen zur Sowjetunion siehe auch Kate A. Baldwin: Beyond the Color Line and the Iron Curtain: Reading Encounters between Black and Red, 1922–1963, Durham, NC: Duke University Press, 2002, S. 149–252. 30 | Friedensrat: Days with Paul Robeson, S. 21, 16–30; Duberman: Paul Robeson, S. 486f. Laut Robeson Jr. besuchte Paul Robeson Ostberlin auch am 15. Juni 1960, um an einem von einer kommunistischen Zeitung ausgerichteten Treffen teilzunehmen. Siehe Robeson Jr.: The Undiscovered Paul Robeson, S. 305. Andere relevante Publikationen sind Viktor Gorokhov: Ich singe Amerika: Ein Lebensbild Paul Robesons, Übers. Herbert Schirrmacher, Berlin: Verlag Neues Leben, 1955; Paul Robeson: Mein Lied – meine Waffe, Übers. Georg Friedrich Alexander, Berlin: Kongress-Verlag, 1958; Paul-RobesonKomitee der Deutschen Demokratischen Republik (Hg.): Paul Robeson. Ausstellung zu Ehren seines 70. Geburtstages am 9. April 1968. Internationales Ausstellungszentrum Berlin, 8.–28. April (Katalog), Berlin (DDR): Deutsche Akademie der Künste, 1968. 31 | Friedensrat: Days with Paul Robeson, S. 17. Siehe ebenfalls Albert Norden: »Umlauf-Vorlage für das Politbüro, Beschlussvorschlag ›Stern der Völkerfreundschaft‹ für Paul Robeson«, 4. Oktober 1960, in: SAPMO-BArch DY 30, IV, 2/2.028, 5. 32 | Paul Robeson: »Interview with Press Berlin, German Democratic Republic«, Oktober 1960, in: Philip Sheldon Foner (Hg.): Paul Robeson Speaks: Writings, Speeches, Interviews, 1918–1974, New York: Brunner/Mazel, 1978, S. 464f., 466. 33 | Duberman: Paul Robeson, S. 514–21. Während seines Besuches 1963 traf er sich unter anderem auch mit seinem alten Freund Oliver Harrington. Siehe auch Paul und Eslanda Robeson: »For the Celebration of the 15th Anniversary of the Founding of the GDR«, Mermaid Theatre, London, 25. Oktober 1964, in: Foner (Hg.): Paul Robeson Speaks, S. 473. 34 | Brigitte Bögelsack (Hg.): Symposium: Paul Robeson und der Kampf der Arbeiterklasse und der schwarzen Amerikaner gegen den Imperialismus, Berlin (DDR), 13. und 14. April 1971, Berlin (DDR): Deutsche Akademie der Künste, 1972. Siehe ebenfalls Brigitte Bögelsack (Hg.): Paul Robeson, 9. April 1898–23. Januar 1976: Zu seinem 80. Geburtstag, Berlin: Akademie der Künste der Deutschen Demokratischen Republik, 1978. 35 | Albert Norden: »Dem schwarzen Vorkämpfer der Menschheit«, in: Bögelsack (Hg.): Symposium: Paul Robeson und der Kampf der Arbeiterklasse, S. 6.

­­K apitel 7: Helden des anderen Amerika 36 | Zur Organisation des Symposiums siehe Box 5751–5752, Paul-Robeson-Archive, Akademie der Künste, Berlin (PRA); Jürgen Große: Amerikapolitik und Amerikabild der DDR 1974–1989, Bonn: Bouvier, 1999, S. 212. 37 | »Abernathy Leaves for Moscow«, in: Chicago Tribune, 20. September 1971, A15. 38 | »Reverend Abernathy in Berlin begrüßt«, in: Neues Deutschland, 28. September 1971, S. 1; »Herzliches Willkommen für Ralph Abernathy«, in: B.Z. am Abend, 28. September 1971, S. 2; »Echte Freunde in der DDR«, in: Neue Zeit, 29. September 1971, S. 1. Für umfassendere Informationen zu seinem Besuch vgl. ebenfalls »»Jede Wolke hat einen silbernen Rand ...«: Pastor Ralph D. Abernathy, Präsident der Southern Christian Leadership Conference zu Gast in der Deutschen Demokratischen Republik, 27.–29. September 1971«, Friedensrat d. DDR. Berlin (Hg.): Friedensrat d. DDR 1971. 39 | »Brüderliche Solidarität«, in: Neue Zeit, 30. September 1971, S. 1, 2; »Vereinter Ruf nach Freiheit für Angela«, in: Junge Welt, 29. September 1971, S. 1. 40 | Ralph Albernathy: Predigt in der Marienkirche, Mitschrift, 28. September 1971, www.aacvr-germany.org/abernathy. 41 | Für Details der offiziellen Bewertung von Abernathys Besuch siehe Friedensrat der DDR, Sekretariat: »Information für die Genossen des Politbüros über den Aufenthalt Dr. Ralph D. Abernathys und seiner Begleitung vom 27.–29.9.1971 in der Hauptstadt der DDR, Berlin«, in: SAPMO-BArch DY 30/J IV, 2/2J, 3676. 42 | Teilnehmer waren unter anderem Gerald Götting (Vorsitzender der CDU der DDR), Dr. Günther Drefahl (Präsident des Deutschen Friedensrates), Werner Kirchhoff (Sekretär des Nationalrats der Nationalen Front), Dr. Heinrich Toeplitz (Präsident des Obersten Gerichts der DDR) und Bischof Albrecht Schönherr. 43 | »Friedensmedaille für Ralph Abernathy«, in: Neues Deutschland, 29. September 1971, S. 1, 2. 44 | Albin Krebs: »Notes on People«, in: New York Times, 30. September 1971, S. 61; »Peace Medal for Abernathy«, 30. September 1971, B5; »Friedensmedaille für Ralph Abernathy«, in: Neues Deutschland, 29. September 1971, S. 2. 45 | Viktor Schless: »R. Abernathy: ›Eng verbunden mit der DDR‹«, in: Berliner Zeitung, 30. September 1971, S. 1, 2; Albernathy, Predigt in der Marienkirche, www.aacvr-germany.org/abernathy. Abernathy kehrte mindestens zweimal in die DDR zurück während der 1970er Jahre. 1974 wurde ihm die »Ehrennadel der Liga für Völkerfreundschaft in Gold« verliehen. Siehe Neue Zeit, 15. September 1974, S. 1. 46 | William Buckley, Jr.: »On Political Salesmanship – Two Parables«, in: Los Angeles Times, 31. Dezember 1972, B3. 47 | »Grüße an Angela nach San Rafael«, in: Junge Welt, 25. September 1971, S. 1, 4. Siehe ebenfalls »Berliner Jugend: Freiheit für Angela«, in: Berliner Zeitung, 25. September 1971, S. 1; Eckhard Galler: »Fest verbunden mit den Verfolgten des Nixon-Regimes«, in: Neues Deutschland, 25. September 1971, S. 8. Für weitere Informationen und Materialien zu Angela Davis DDR-Besuch siehe www.aacvr-germany.org/davis und Katrina M. Hagen: Internationalism in Cold War Germany, PhD Diss., University of Washington, 2008, S. 350-370; Sophie Lorenz: »Heldin des anderen Amerikas«. Die DDR-Solidari-

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Ein Hauch von Freiheit tätsbewegung für Angela Davis, 1970–1973«, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe 10 (2013), H. 1, www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Lorenz-1-2013; Sophie Lorenz: »Konstruktionen einer Emotionskultur des Kalten Krieges: Das Beispiel der DDR-Solidaritätskampagne für Angela Davis, 1970-1972«, in: David Eugster und Sibylle Marti (Hg.): Das Imaginäre des Kalten Krieges. Beiträge zu einer Wissens- und Kulturgeschichte des Ost-West-Konfliktes in Europa, Essen: Klartext, 2015, S. 213-242; Katrina Hagen: »Ambivalence and Desire in the East German ›Free Angela Davis’ Campaign«, in: Quinn Slobodian (Hg.): Comrades of Color: East Germany in the Cold War World, New York: Berghahn Books, im Druck. 48 | Nationalrat der Nationalen Front, Büro des Sekretariats, Solidaritätskundgebung »Freiheit für Angela Davis!«, in: Berlin, Kongresshalle, 26. Januar 1971, in DY 6, Vorl. 3017, SAPMO; Nationalrat der Nationalen Front des demokratischen Deutschland (Hg.): Kämpft Angela Davis frei, Suhl: Freies Wort, 1971, S. 37f. 49 | Die Kampagne entstand offenbar während der Delegiertenkonferenz einer örtlichen FDJ-Zweigstelle der VEB Uhrenwerke Ruhla am 15. Januar in Anwesenheit von Günter Jahn, Erster Sekretär des ZK der FDJ. Vorgeschlagen von Angelika Löffler, verbreitete sich die Idee rasch und gewann weitere Popularität durch die Veröffentlichung in FDJ Zeitschrift Junge Welt. Siehe »1.000.000 Rosen für Angela«, in: Junge Welt, 16./17. Januar 1971, S. 1; Lothar Winkler: »Die Zeit läuft für uns!«, in: Junge Welt, 18. Januar 1971, S. 3; »Eine Million Rosen für Angela«, in: Junge Welt, 19. Januar 1971, S. 1, 6. Für weitere Details zu dieser Kampagne siehe den Themenschwerpunkt des MDR »Angela Davis: Eine Amerikanerin in der DDR«, unter www.mdr.de/damals/angela-davis/ index.html sowie www.aacvr-germany.org/davis. Für die kontinuierlichen Bemühungen der FDJ zum Thema Angela Davis siehe FDJ Zentralkomitee (ZR-FDJ), Notizen, 40. Sekretariatstreffen, 30. März 1972, SAPMO-BArch DY 24/8466; Sozialistische Einheitspartei Deutschlands: Protokoll der Verhandlungen des VIII. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands: 15. bis 19. Juni 1971 in der Werner-Seelenbinder-Halle zu Berlin, Berlin: Dietz Verlag, 1971. 50 | »Die Völker haben die Folterkammern der Gestapo und den Völkermord der SS als Kennzeichen einer abscheulichen Epoche und einen Schandfleck in der Geschichte des deutschen Volkes beklagt. Die Nationen der Welt sehen aber auch die Verbrechen der Mörder von My Lai als zentrales Symbol für die Schande Amerikas«, in: »Rettet Angela Davis!«, Berlin, 12. Februar 1972, SED, ZK Institut für die Geschichte der Arbeiterbewegung, Zentrales Parteiarchiv, Internationale Verbindungen, SAPMO-BArch DY 30/IV, B 2/20, 227. Die Unterzeichner waren u.a. der Komponist Paul Dessau, die Schauspielerin Gisela May, die Schriftstellerin Anna Seghers, sowie die Eiskunstläuferin Gabriele Seyfert. Siehe auch Friedensrat der DDR: »Vereinigte Staaten gegen Angela Davis: Offener Brief des Anwalts Professor Dr. Friedrich Karl Kaul an Richter Richard E. Arnason«, Berlin, 14. Februar 1972, ebd. 51 | Sekretariat des Zentralkomitee (ZK) der SED, Reinschriftenprotokoll Nr. 44, 21. Oktober 1971, in DY 30, J IV 2/3, 1798, SAPMO. Für die Perspektive eines amerika-

­­K apitel 7: Helden des anderen Amerika nischen Jugendlichen zu Besuch in der DDR im Sommer 1971 siehe Steven Kelman: Behind the Berlin Wall: An Encounter in East Germany, Boston: Houghton Mifflin, 1972. 52 | Sekretariat des ZK, Reinschriftenprotokoll Nr. 31, 23. September 1971, in DY 30, J IV 2/3, 1785, SAPMO; Paul Markowski, Abteilung Internationale Verbindungen beim ZK der SED, an Werner Kirchhoff, Sekretariat des Nationalrates der Nationalen Front, 11. Januar 1972, SED, ZK Institut für die Geschichte der Arbeiterbewegung, Zentrales Parteiarchiv, Internationale Verbindungen, SAPMO-BArch-DY 29 IV, B 2/20, 227. Zu internen Spannungen hinsichtlich der »korrekten« Berichterstattung über den Angela Davis-Prozess und angebliche »objektivistische Tendenzen« des Journalisten Walter Kaufmann, siehe Paul Markowski, Abteilung Internationale Verbindungen beim ZK der SED, an Hans Modrow, Abteilung Agitation des ZK der SED, 3. Februar 1972 und 25. Mai 1972, in: ebd. 53 | So versuchte die DDR die jeweiligen Repräsentanten beispielsweise zu überzeugen, die Haltung des demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten George McGovern in dieser Frage mittels der KPUSA zu beeinflussen. Siehe »Vermerk über ein Gespräch des Genossen Axen, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED, mit James E. Jackson, Mitglied des Nationalen Exekutivkomitees der KP der USA, am 22. Juni 1972«, 25. Juni 1972, S. 3. Siehe auch Notizen, »Gespräch mit Mrs. Libby Frank, USA, Direktor des Bergen County Peace Center, New Jersey (Friedenszentrum von Bergen) am 15. Februar 1972«, 16. Februar 1972; Friedel Malter, Chairman, DDR-Komitee für Menschenrechte, »Kurze Information über den Besuch des Genossen Henry Winston im DDR-Komitee für Menschenrechte am 4. Mai 1972«, 8. Mai 1972; »Programm für den Aufenthalt des Genossen Claude Lightfoot mit Gattin und Sohn in der DDR vom 5.–9. 9. 72«, alle SED, ZK, Institut für die Geschichte der Arbeiterbewegung, Zentrales Parteiarchiv, Internationale Verbindungen, SAPMO-BArch DY 30/IV, B 2/20, 227. 54 | Zur Arbeit des ND-Korrespondenten Klaus Steininger siehe idem: »Weltsolidarität beschirmt Angela«, in: Neues Deutschland, 24. September 1971, S. 6; idem: Freiheit für Angela Davis – Heldin des anderen Amerika, Berlin: Nationalrat der Nationalen Front der DDR, 1972; »Personalie«, in: Der Spiegel, 13. März 1972, S. 186; Klaus Steiniger: Bei Winston und Cunhal – Reporter auf vier Kontinenten, Berlin: Edition Ost, 2004, S. 8–13, 137–139. Zum Anstieg der Solidaritätsveranstaltungen siehe: Sekretariat des ZK, Reinschriftenprotokoll Nr. 11, 1. Februar 1972, in: DY 30, J IV 2/3, 1834, SAPMO. Beispiele für damit zusammenhängende Publikationen sind Maximilian Scheer: Der Weg nach San Rafael. Für Angela Davis. Ein Hörspiel, Berlin: Verlag der Nation, 1971; idem: Liebste Angela – Erste unter Gleichen: Gefängnisbriefe von George Jackson, Berlin: Verlag der Nation, 1971; Werner Lehmann: Schwarze Rose aus Alabama, Berlin: Neues Leben, 1972; Walter Kaufmann: Unterwegs zu Angela. Amerikanische Impressionen, Berlin: Verlag der Nation, 1973. Angela Davis war ebenso Thema des obersten Fernsehpropagandisten der DDR, Karl Eduard von Schnitzler: vgl. idem: Der Schwarze Kanal, »Die ›ganz neuen USA‹«, Nr. 620, 28. Februar 1972, in E001-00-01/0002/159, Deutsches Rundfunkarchiv, Frankfurt a. M. http://sk.dra.de, abgerufen am 2. Dezember 2009. 55 | »East Germany: St. Angela«, in: Time, 3. April 1972.

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Ein Hauch von Freiheit 56 | Siehe beispielsweise »Freiheit für Angela Davis! Solidaritätstelegramm der 3. Tagung des Zentralrats der FDJ und des Vereinigten Nationalkomitees für Angela Davis«, in: Junge Welt, 1. Oktober 1971, S. 1. Fertige Vorlagen für Postkarten waren erhältlich in Nationalrat der Nationalen Front des demokratischen Deutschland, ebd.: Kämpft Angela Davis frei, S. 45f. 57 | Karsten Fritz: »Bilder eines ganz normalen Lebens in einem ganz normalen Film«, in: Winfried Ripp und Wendelin Szalai (Hg.): Dreizehn deutsche Geschichten: Erzähltes Leben aus Ost und West, Hamburg: Edition Körber-Stiftung, 1998, S. 360–85, 369f. 58 | Erich Honecker, Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, an Angela Davis, Telegramm, 5. Juni 1972, in: SED, ZK Institut für die Geschichte der Arbeiterbewegung, Zentrales Parteiarchiv, Internationale Verbindungen, DY 29 IV, B 2/20, 227, SAPMO. 59 | Zitiert in: Friede – Freundschaft – Solidarität: Angela Davis in der DDR, Dresden: Verlag Zeit im Bild, 1973, S. 6. 60 | Ebd., S. 8f. 61 | Ebd., S. 10. 62 | Ebd., S. 15. 63 | Für die detailierte Planung, das exakte Program und die Rezeption des Besuchs siehe beispielsweise Sekretariat des ZK, Reinschriftenprotokoll Nr. 87, 30. August 1972, in: DY 30, J IV 2/3, 1910; Sekretariat des ZK, Reinschriftenprotokoll Nr. 88, 31. August 1972, in: DY 30, J IV 2/3, 1910; Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees, Protokoll Nr. 36/72, 5. September 1972, in: DY 30, J IV 2/2, 1410; FDJ, Zentralrat, Sekretariatsprotokolle, 21. September 1972, in: DY 24, 8487, alle SAPMO. Für Berichte aus dem ganzen Land siehe: Nationalrat der Nationalen Front, Bereich Information, Eingehende Informationsberichte aus dem Bezirk Neubrandenburg, Februar–Dezember 1972, S. 5, in: DY 6, 4732; idem, Eingehende Informationsberichte aus dem Bezirk Rostock, 1972, S. 4, in: DY 6, 4684, beide SAPMO. 64 | Sekretariat des ZK, Reinschriftenprotokoll Nr. 104, 16. Oktober 1972, Anlage 1, 14–16, in DY 30, J IV 2/3, 1927, SAPMO. See also Große: Amerikapolitik und Amerikabild der DDR, S. 213f. Für die Postkarte siehe Andreas Ludwig: Fortschritt, Norm und Eigensinn: Erkundungen im Alltag der DDR, Berlin: Ch. Links Verlag, 1999, S. 263. 65 | Zitiert in Stefan Wolle: Der Traum von der Revolte: Die DDR 1968, Berlin: Ch. Links Verlag, 2008, S. 237. Zum Weltjugendfestival siehe auch Marc Dietrich Ohse: Jugend nach dem Mauerbau. Anpassung, Protest und Eigensinn (DDR 1961–1974), Berlin: Ch. Links Verlag, 2003, S. 339–56; Denise Wesenberg: »Die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973 in Ost-Berlin im Kontext der Systemkonkurrenz«, in: Michael Lemke (Hg.): Konfrontation und Wettbewerb. Wissenschaft, Technik und Kultur im geteilten Berliner Alltag (1948–1973), Berlin: Metropol Verlag, 2008; Andreas Ruhl: Stalin-Kult und Rotes Woodstock: Die Weltjugendfestspiele 1951 und 1973 in Ostberlin, Marburg: Tectum-Verlag, 2009; Kay Schiller: »Communism, Youth and Sport. The 1973 World Youth Festival in East Berlin«, in: Alan Tomlinson, Christopher Young und Richard Holt (Hg.): Sport and the Transformation of Modern Europe. States, Media and Markets, 1950–2010, London: Roudledge, 2010, S. 50–66; Quinn Slobodian: »What Does De-

­­K apitel 7: Helden des anderen Amerika mocracy Look Like? (And Why Would Anyone Want to Buy It?) Third World Demands and West German Responses at 1960s World Youth Festivals«, in: Annette Vowinckel, Marcus M. Payk und Thomas Lindenberger (Hg.): Cold War Cultures. Perspectives on Eastern and Western European Societies, New York: Berghahn Books, 2012, S. 254–275; siehe auch den Themenschwerpunkt der Bundeszentrale für Politische Bildung unter www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/weltfestspiele-73/, oder die folgenden Dokumentationen: »Weltjugendfestspiele 1973 – X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin«, UAP Video, 2012; »Die junge Welt ist in Berlin zu Gast«, Sony Music Entertainment, 2013. 66 | Zu den intensiven Bemühungen um internationale Anerkennung siehe auch Philip Matthes: »Der Anerkennungslobbyismus der DDR in den USA von 1964 bis 1974«, in: Uta Balbier und Christiane Rösch (Hg.): Umworbener Klassenfeind: Das Verhältnis der DDR zu den USA, Berlin: Ch. Links Verlag, 2006, S. 40–58; Hermann Wentker: Außenpolitik in engen Grenzen: die DDR im internationalen System, 1949-1989, München: Oldenbourg, 2007, bes. S. 233–247, 276–315, 350–362. 67 | Siehe Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur: Alltag und Herrschaft in der DDR 1971–1989, Berlin: Ch. Links Verlag, 1998, S. 164–66. 68 | US-Mission Berlin an US-Außenministerium: »World Youth Festival Wrap-Up«, Telegramm, 7. August 1973, in: RG 59, Department of State Records, National Archives, College Park, Maryland. 69 | SED, ZK, Büro Werner Lamberz, Bericht über die Pressekonferenz vom 2. August 1973, S. 277f., in: DY 30 IV 2/2.033, 57, SAPMO; »Angela Davis Leaves E. Berlin«, in: Washington Post, 11. August 1973, D3. 70 | Axel Bachmann, »Die Beziehungen der DDR zu den angelsächsischen Ländern«, in: Peter Weilemann (Hg.): Die Westpolitik der DDR: Beziehungen der DDR zu ausgewählten westlichen Industriestaaten in den 70er und 80er Jahren, Melle: E. Knoth, 1989, S. 69–131, 79ff. In einem Interview von 1986 hielt Davis die DDR für eines der besten Länder im Hinblick auf die Behandlung der eigenen Bevölkerung. Siehe Leroy Woodson Jr.: »So Says Angela Davis«, in: Los Angeles Times, 2. März 1986, S. X28ff. Siehe auch ihr Vorwort zu Klaus Steiniger: Angela Davis: Eine Frau schreibt Geschichte, Berlin: Neues Leben, 2010, S. 9–13. 71 | Große: Amerikapolitik und Amerikabild der DDR, S. 214f. Benjamin Chavis war Teil einer Gruppe von Bürgerrechtsaktivisten in Wilmington, North Carolina, die 1976 wegen Brandstiftung und krimineller Verschwörung für ihre Rolle bei Unruhen verurteilt wurden, die in der Stadt im Jahr 1971 ausbrachen, nachdem afroamerikanische Studenten die lokalen Schulen boykottiert hatten und ein Lebensmittelgeschäft Opfer einer Brandbombe wurde. Die Wilmington Ten wurden zu insgesamt 282 Jahren Gefängnis verurteilt. Ein US-Bundesberufungsgericht hob das Urteil 1980 auf. 72 | Art Carter: »East Germans Seek Peace, Friendship«, in: The Washington Afro-American, 5. August 1975.

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Ein Hauch von Freiheit 73 | Siehe beispielsweise Klaus Steiniger: »Das Flagschiff: USA-Redakteur beim ›Neuen Deutschland‹«, in: Rainer Schnoor (Hg.): Amerikanistik in der DDR: Geschichte–Analysen–Zeitzeugenberichte, Berlin: Trafo Verlag, 1999, S. 229–35. 74 | Siehe Dorothee Wierling: »Amerikabilder in der DDR«, in: Balbier und Rösch (Hg.): Umworbener Klassenfeind, S. 32–38, 37; Rainer Schnoor: »Between Private Opinion and Official Pronouncement: Images of America in the German Democratic Republic, 1971–1990«, in: Detlef Junker et al. (Hg.): The United States and Germany in the Era of the Cold War, 1945–1990: A Handbook, Vol. 2, New York: Cambridge University Press, 2004, S. 519–26; Louis Helbig: »The Myth of the ›Other‹ America in East German Popular Consciousness«, in: Journal of Popular Culture 10, Nr. 4 (5. März 2004), S. 797–807. Siehe also Kapitel 5 dieses Buches, Anmerkung 48. 75 | Für diese historischen Verbindungen und fremdenfeindliche Entwicklungen der 1990er Jahre siehe Jan Behrends, Thomas Lindenberger und Patrice Poutrus (Hg.): Fremde und Fremd-Sein in der DDR: Zu den historischen Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland, Berlin: Metropol, 2003. Insbesondere in diesem Band: Jürgen Danyel: »Spätfolgen? Der ostdeutsche Rechtsextremismus als Hypothek der DDRVergangenheitspolitik und Erinnerungskultur«, S. 23–40. 76 | Siehe beispielsweise Marianne Krüger-Potratz: Anderssein gab es nicht: Ausländer und Minderheiten in der DDR, Münster: Waxmann, 1991; Andrea Schmelz: »Bildungsmigration und Interkulturalität: Ausländische Studierende aus afrikanischen und asiatischen Ländern in Ostdeutschland vor und nach 1989«, in: Deutschlandarchiv 38, Nr. 1 (2005), S. 84–92, 90; Sara Pugach: »African Students and the Politics of Race and Gender in the German Democratic Republic, 1957–1990«, in: Quinn Slobodian (Hg.): Comrades of Color (im Druck). 77 | Aubrey Panky, Brief an Gerhart Eisler, Staatliches Rundfunkkomitee, 19. April 1959, S. 128, in: Büro Kurella, DZ 30 IV 2-2.026, 105, SAPMO. 78 | Alfred Kurella, Kommission für Fragen der Kultur beim Kulturbüro, Brief an Aubrey Pankey, 2. Mai 1959, S. 125, in: Büro Kurella, DZ 30 IV 2-2.026, 105, SAPMO. 79 | Alfred Kurella, Brief an Albert Norden, 2. Mai 1959, S. 126, in: Büro Kurella, DZ 30 IV 2-2.026, 105, SAPMO. 80 | »Interview with Oliver Harrington«, in: Visa, Immigrantenpolitisches Forum e.V. (IPF) (Februar 1991), S. 19–22, 21–22. Siehe auch Grossman: Crossing the River, S. 175.

Kapitel 8 Der Ruf nach Gerechtigkeit: Eine Armee kurz vor dem Aufstand

Die Krise innerhalb der US-Streitkräfte während der späten 1960er und frühen 1970er Jahre führte zwar rund um den Globus zu Aufständen in US-Militärbasen, aber nur in Westdeutschland kam es zu einer umfassenden Zusammenarbeit zwischen afroamerikanischen Soldaten/Veteranen und einheimischen Aktivisten, was einmal mehr die enge Verbindung zwischen deutscher und amerikanischer Geschichte unterstreicht. Konkret sah das beispielsweise so aus, dass afroamerikanische GIs und Veteranen, die nach ihrer Entlassung aus dem Militärdienst in Westdeutschland geblieben waren, – wie die deutschen Studenten – ihrer Enttäuschung über die US Politik und die ungelöste »Rassenfrage« öffentlich Ausdruck verliehen. Ihre zunehmende Politisierung machte die Soldaten und Veteranen dabei zu Hoffnungsträgern für die radikalen westdeutschen Studenten. Eine Zusammenarbeit mit ihnen – so glaubten die Studenten – könne zur Entstehung einer transnationalen revolutionären Bewegung führen, die in der Lage wäre, die Zentren des US-Militärimperiums sowohl in Westdeutschland wie in den USA zu unterminieren. Über eine solche transnationale Allianz hofften sie zudem, Verbindungen zu den Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt herzustellen. Die intensive Zusammenarbeit zwischen Studenten und afroamerikanischen GIs dauerte nur ungefähr zwei Jahre (1970-1972) und betraf nur eine Minderheit der 30 000 afroamerikanischen GIs, die zu diesem Zeitpunkt in der Bundesrepublik stationiert waren, und auch nur eine Minderheit der westdeutschen Studenten. Aber obwohl die Zahl der Aktivisten klein und vorübergehend war, was auch damit zusammenhing, dass die US-Soldaten immer nur eine bestimmte Zeit in Westdeutschland stationiert waren und dann weiterrotierten, führten ihre Aktivitäten zu Unruhe auf höchster Regierungsebene sowohl in den Vereinigten Staaten wie auch in Westdeutschland. Sie trugen wesentlich dazu bei, die »Neue amerikanische Revolution« im US-Militär in Gang zu bringen, wie der Congressional Black Caucus, der überparteiliche Zu-

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sammenschluss afroamerikanischer US-Kongressabgeordneter, die von der US-Regierung ergriffenen Maßnahmen nannte.1

D ie E sk al ation der R assenfr age in der US-A rmee 1970/71 Wie konnte es zu dieser Krise kommen? Zum einen war sie eine Folge des Vietnam-Kriegs. Er hatte paradoxerweise dazu geführt, dass die 7. US-Armee, Eckpfeiler der europäischen NATO-Strategie während des Kalten Krieges, Ende der 1960er Jahre kurz vor einer allgemeinen Meuterei stand. Die Vorgehensweise des US-Verteidigungsministeriums, die in Westdeutschland stationierten Truppen als Material- und Personalreserve für den Vietnamkrieg zu benutzen, hatte zu einem eklatanten Offiziersmangel unter den in Europa verbliebenen Einheiten geführt; die Hälfte der Majors-Ränge und fast vierzig Prozent der Hauptmanns- und Leutnants-Ränge waren davon betroffen. Ganze Bataillone wurden nur noch von einem Oberstleutnant, einem Major, Hauptmann oder Oberleutnant und 18 bis 20 Leutnants kommandiert. Zusätzliche Brisanz erhielt diese Führungskrise durch den Umstand, dass aufgrund der Verluste in Vietnam Offiziere nur noch sehr kurze Dienstzeiten an einem Ort absolvierten. Manchmal wurden sie nach nur vier Monaten wieder versetzt. Dieses Verfahren verhinderte jede Form von Kontinuität in der Führung und untergrub den Zusammenhalt innerhalb der Einheiten.2 General Davison vom US-Oberkommando Europa (USAREUR) beschrieb diese Phase im Nachhinein mit der Erkenntnis: »Wir nahmen es damals in Kauf, die 7. Armee auszubluten, um den Krieg in Vietnam am Laufen halten zu können.«3 Die Unterbringung der Soldaten in heruntergekommenen Kasernen, teilweise noch im 19. Jahrhundert oder im »Dritten Reich« erbaut, verschärfte die Situation zusätzlich. Die Los Angeles Times schrieb mit Entrüstung, dass »Fledermäuse in den Unterkünften, feuchte Keller, verstopfte Abflüsse und abblätternde Wände« in den US-Garnisonen in Westdeutschland die Norm seien. US-Soldaten störten sich besonders an dem scharfen Kontrast zwischen ihrer Unterbringung und den sauberen und komfortablen Kasernen der Bundeswehr. 4 Diese Zustände führten bei der 7. US-Armee, aber auch bei den in Westdeutschland stationierten Einheiten der US-Luftwaffe, zu bisher nie gekannter Unzufriedenheit und Demoralisierung.5 Bei Appellen auf dem Kasernenhof grüßten die Soldaten ihre Kommandeure zeitweise mit dem Ruf »FTA« (Fuck the Army); es gab Vorfälle, bei denen Handgranaten in Offiziersbüros geworfen wurden, und ganze Einheiten den Befehl verweigerten.6 In vielen Garnisonen entstanden Untergrund-Zeitschriften wie beispielweise das Baumholder Gig Sheet (Baumholder), Graffiti (Heidelberg), Speak Out (Hanau), Venceremos (Frankfurt a.M.) und Forward (Westber-

Kapitel 8: Der Ruf nach Gerechtigkeit

lin), und schufen so eine Plattform, um die weitverbreitete Wut der Soldaten öffentlich zu machen. Ein frustrierter Soldat fasste die Lage stellvertretend für viele andere folgendermaßen zusammen: »Wir, die Unwilligen, geführt von Unfähigen, führen unsinnige Aufgaben für das undankbare Militär aus.«7 Der Moral der Truppe war es auch nicht förderlich, dass immer mehr Truppen von Deutschland aus nach Vietnam geschickt wurden, und dass Westdeutschland anschließend als Zwischenstation für GIs diente, die vom Kampfgebiet zurückkamen. Hier sollten sie wieder zu normalem psychischen Befinden zurückfinden, bevor sie in die USA zurückverlegt wurden. Vom Krieg brutalisiert und vom monotonen Militärdrill sowie dem langweiligen Etappenleben in Westdeutschland angeödet, stieg der Alkohol- und Drogenkonsum unter weißen und afroamerikanischen US-Soldaten steil an.8 Militärinterne Untersuchungen belegten, dass der Drogenmissbrauch unter den in Westdeutschland stationierten GIs höher war als der von US-Soldaten in den Vereinigten Staaten; nur die in Vietnam stationierten GIs wiesen eine höhere Drogenmissbrauchsrate auf. Exzessiver Alkoholgenuss war ein noch größeres Problem als der Drogenmissbrauch und führte dazu, dass die US-Streitkräfte in Westdeutschland bis 1972 insgesamt 84 Therapiezentren einrichteten.9 Es war in diesem Zusammenhang wenig überraschend, dass auch die Kriminalitätsrate unter den GIs sprunghaft anstieg. 1971 begingen amerikanische GIs 2319 Gewalttaten gegen deutsche Zivilisten, ein Anstieg von 75 Prozent gegenüber 1969.10 Amerikanische Beobachter und deutsche Kommentatoren stimmten darin überein, dass die umliegenden Gemeinden der US-Garnisonen zunehmend einem »Terrorregime« ausgesetzt seien.11 Die gleichzeitigen Ereignisse in den USA seit der Ermordung Martin Luther Kings am 4. April 1968, das Anwachsen der Black Power-Bewegung, sowie brutale Polizeieinsätze in den USA gegen Mitglieder der Black Panther Party for Self Defense (Schwarze Panther-Partei für Selbstverteidigung), die oftmals zu Todesfällen unter den Panthers oder auch unschuldigen Verdächtigen führten, verschärften wie nie zuvor die Rassenspannungen auf den Militärstützpunkten. Die weißen Offiziere und Soldaten sahen die Black Power-Bewegung, aber auch die öffentlichen Manifestationen von Black is Beautiful und Black Pride – und dem somit stolz und selbstbewusst vorgetragenen Bekenntnis zu einer separaten afroamerikanischen Kultur und Identität – als Provokation an. Besonderen Ärger erregte das choreographierte Begrüßungsritual namens »Dap«, das für Dignity and Pride (Würde und Stolz) stand und der ethnischen und kulturellen Identität und Solidarität der afroamerikanischen Soldaten Ausdruck geben sollte. Aber auch der »Afro« als Frisur, geballte Faust- oder Black is Beautiful Abzeichen auf der Kleidung, sowie die Forderung nach Soul-Musik in den Soldatenklubs erzürnten die Gemüter.12 In einigen spektakulären Fällen schlossen sich weiße GIs zu Ku Klux Klan-Formationen zusammen und zündeten Holzkreuze vor Kasernengebäuden an, in denen afroamerikanische GIs

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untergebracht waren.13 Radikalisierte afroamerikanische Soldaten wiederum schlossen sich den Black Panthers an und organisierten örtliche Selbstverteidigungsgruppen. Um 1970/1971, auf dem Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen, gab es Dutzende militanter afroamerikanischer Organisationen auf den US-Militärstützpunkten Westdeutschlands.14 Bekannte Gruppierungen waren die Black Action Group (Stuttgart), die Black United Soldiers (Karlsruhe), die United Black Soldiers und die Unsatisfied Black Soldiers (beide in Heidelberg).15 Unter Druck gesetzt durch die zerfallende Infrastruktur in den Garnisonen und den Anstieg sowohl der Kriminalitätsrate als auch des Drogen- und Alkoholmissbrauchs, gab das USAREUR zu, dass die Rassenkrise und die Spannungen zwischen weißen und afroamerikanischen GIs die größte Herausforderung für das Militär darstellten. Ein in Westdeutschland stationierter weißer Unteroffizier erläuterte: »Rasse ist das Problem, nicht die Russen, nicht Vietnam, Jordanien, oder die Manöver. Ich mache mir permanent Sorgen, dass meine Soldaten – Schwarze und Weiße – aneinandergeraten.« 16 Es gab zunächst keine praktischen Gegenmaßnahmen des Militärs angesichts dieser eskalierenden Krise. Der Vietnam-Krieg hatte nicht nur die Kommandostruktur ausgehöhlt, hinzu kam, dass das Militär seine Offiziere überhaupt nicht darauf vorbereitet hatte, mit den selbstbewussten, forschen afroamerikanischen Wehrpflichtigen umzugehen, die nun eingezogen wurden.17 Im Gegensatz zu den Soldaten nach 1945 war diese neue Generation Afroamerikaner besser ausgebildet, intensiver politisiert, und hatte auch viel höhere Ansprüche. Sie waren nicht länger bereit, sich mit bloßer »Toleranz« zufriedenzugeben. Sie wollten die wirkliche, die täglich gelebte Gleichstellung/-berechtigung. Dass die Rassenspannungen zwischen weißen und afroamerikanischen GIs zunehmend in die umliegenden Garnisonsgemeinden ausstrahlten, löste unter der deutschen Bevölkerung Bestürzung aus.18 Regelmäßig wurde die Einrichtung von deutschen Bars und Diskotheken bei Schlägereien zerstört, da afroamerikanische Soldaten immer häufiger versuchten, sich Zutritt zu Gaststätten zu verschaffen, die weiße Soldaten bisher zu ihrem Territorium erklärt hatten. Solche Vorfälle hatte es zwar vereinzelt auch in der Vergangenheit gegeben, aber nicht in dem Umfang, der nun alltäglich zu werden drohte. Liebesbeziehungen zwischen afroamerikanischen GIs und weißen deutschen Frauen verschärften die Spannungen noch. Die Kombination von zu viel Alkohol und der Wettbewerb um die einheimischen Frauen sowie die einheimischen Unterhaltungslokale sorgten für eine explosive Mischung, die sich nur zu oft in gewalttätigen Auseinandersetzungen entlud.19

Kapitel 8: Der Ruf nach Gerechtigkeit

E ine äusserst unge wöhnliche A llianz Geht man nach den Veröffentlichungen in den westdeutschen oder amerikanischen Zeitungen der Jahre 1970 und 1971, so könnte der Eindruck entstehen, dass Alkohol, Drogen und Frauen hinter einem Großteil der Rassenzusammenstöße innerhalb und außerhalb der US-Garnisonen in Westdeutschland standen.20 Da jedoch westdeutsche Studenten zeitweise eng mit afroamerikanischen GIs zusammenarbeiteten und dies schriftlich festhielten, lässt sich aus ihren Berichten ein differenzierteres Bild der »Rassenkrise« gewinnen. In Kapitel 6 haben wir zu zeigen versucht, wie die protestierenden westdeutschen Studenten Ideen und Taktiken der US-Bürgerrechtsbewegung übernahmen, und wie ihre radikaleren Vertreter sich nach 1967 der Black Panther Party for Self-Defense annäherten. Die theoretische Auseinandersetzung mit dem Programm der Black Panthers erfuhr eine praktische Umsetzung, als westdeutsche Studenten im Februar 1968 auf dem Vietnamkongress in Berlin eine Kampagne ins Leben riefen, deren Ziel es war, weiße und afroamerikanische GIs in Deutschland zur Fahnenflucht zu überreden. Der SDS hatte bereits auf seiner Bundeskonferenz im September 1967 offiziell verkündet, dass US-Militäreinrichtungen in der Bundesrepublik sinnvolle Ziele für Protestaktivitäten seien.21 In Anwendung von Organisationsstrategien der GI-Bewegung aus den USA begannen die deutschen Studenten GIs in lokalen Bars oder über englischsprachige Flugblätter anzusprechen, die sie vor den Kasernen und in GI-Bars verteilten, oder die sie an Autos mit US-Kennzeichen befestigten.22 Im Oktober 1967 wurde sogar eine kleine Rakete mit Flugblättern, die zur Fahnenflucht aufriefen, über einer US-Garnison in Westberlin abgefeuert. Dieses Flugblatt enthielt detaillierte Informationen und stellte den Soldaten die Frage: »Bist du sicher, dass du Vietnam überleben wirst? Geh auf Nummer Sicher! Lass dich nicht von ihnen dorthin versetzen! Deine Regierung kann kein Volk besiegen, das für nationale Unabhängigkeit kämpft. Wir bieten euch sichere Fluchtorte in Kanada, Schweden oder Dänemark.«23 Afroamerikanische Soldaten waren die Hauptadressaten dieser Fahnenflucht-Kampagne und der allgemeinen Bemühungen, die GIs zu politisieren. Bereits im Oktober 1967 verzeichneten US-Regierungsstellen erste Versuche von Kriegsgegnern, »Negersoldaten« gezielt anzusprechen.24 Der Republikanische Klub der Universität Mannheim, eine Vereinigung von linken Intellektuellen und Studenten, versuchte beispielsweise den afroamerikanischen Soldaten zu verdeutlichen, dass die Diskriminierung der Völker Afrikas und ihre eigene durch die Vereinigten Staaten von Amerika deckungsgleich seien. Sie argumentierten weiterhin: »Das Regierungssystem unserer Gesellschaft wird genauso gegen uns vorgehen, wie dies in den USA gegen Afroamerikaner praktiziert wird«. Aus diesem Grund forderten sie die afroamerikanischen GIs zur Zusammenarbeit auf, luden sie zu Diskussionen ein und druckten Black

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Power-Texte in ihren Publikationen ab, um sie an afroamerikanische GIs zu verteilen.25 Wie sich einige der Studenten viele Jahre später erinnerten, ging ihnen erst im Zusammenhang mit der Fahnenflucht-Kampagne in vollem Umfang auf, welch revolutionäres Potential die in Deutschland stationierten afroamerikanischen GIs darstellten. Der Vietnam-Krieg hatte sowohl weiße als auch afroamerikanische US-Soldaten politisiert und radikalisiert. Die aus Sicht westdeutscher Studenten mit diesem Krieg verbundene Heuchelei seitens der offiziellen US-Politik (Völkermord im Namen der »Befreiung« des Landes vom Kommunismus) hatten – so war ihr Eindruck – eine spezifische, für revolutionäre Zwecke nutzbare Missstimmung unter der afroamerikanischen Minderheit erzeugt. Den afroamerikanischen GIs, so glaubten die Studenten, sei in ihrer Rolle als Soldaten der Vereinigten Staaten klar geworden, dass »die einzige Freiheit, die sie in Vietnam verteidigten, die Freiheit war, ausgebeutet zu werden«, verbunden mit der Freiheit, nach ihrer Rückkehr in die USA »Zielscheibe für jedes rassistische weiße Polizistenschwein zu sein«.26 Afroamerikanische GIs, die sich öffentlich gegen den Krieg in Vietnam aussprachen, schienen diese Einschätzung zu bestätigen. Die GIs fragten öffentlich: Warum soll ich nach Vietnam gehen? Du weißt, dass sie [in den USA während der Proteste weißer Eltern gegen die gesetzmäßig verordnete Einschulung ihrer Kinder in vornehmlich afroamerikanischen Wohngebieten] Busse umwerfen, die auf Kinder fallen, sie sprengen Kirchen in die Luft, sie überfahren kleine Kinder. Warum soll ich mein Leben für jemanden aufs Spiel setzen, der 14 000 Meilen weit weg ist, und wenn ich zurück komme, werde ich schlechter behandelt als diese Leute, die 14 000 Meilen weit weg sind. Wofür? Was habe ich davon? […] Wenn ich [in die USA] zurückkehre, bin ich einfach nur ein Nigger auf der Straße, so ist das. 27

Ein anderer afroamerikanischer GI, kurz zuvor aus Vietnam zurückgekehrt, sagte dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel: Wir sehen die US-Armee jetzt aus einem ganz anderen Blickwinkel. Was ich sehe, ist, dass der schwarze Mann als Symbol für das ›freie Amerika‹ benutzt wird. Wann immer eine Parade abgehalten wird, müssen die Schwarzen in die erste Reihe, um die angebliche Gleichberechtigung der Rassen zu zeigen oder sowas. Das ist doch Blödsinn.

Er plädierte wie andere Afroamerikaner dafür, nicht mehr für das US-Militär in den Krieg zu gehen, weil »dasselbe, was mit unseren Leuten zuhause passiert, wir Schwarzen in der Army den anderen Leuten rund um die Welt antun.«28 Andere GIs erklärten, dass sie »wegen der stinkenden dreckigen Ghettos in Atlanta, Detroit oder Jacksonville« nicht länger bereit seien, für die Weißen in

Kapitel 8: Der Ruf nach Gerechtigkeit

den Krieg zu ziehen, und statt dessen Waffen verlangten, um ihre »Brüder und Schwestern zuhause zu befreien«.29 Ein junger afroamerikanischer Sergeant fasste seine Vorstellungen so zusammen: »Ich habe für mein Land in Vietnam geblutet. Wenn es jetzt erforderlich sein sollte, werde ich wieder bluten – für meine eigenen Leute.«30 Im Zentrum der Bemühungen, mit diesen unzufriedenen und radikalisierten GIs Kontakt aufzunehmen, stand die Black Panther-Solidaritätskampagne, die von KD Wolff organisiert und bereits in Kapitel 6 beschrieben wurde. Neben dem Versuch, eine Allianz zwischen weißen deutschen Studenten und den Black Panthers in den USA zu schmieden, ging es Wolff auch darum, in »revolutionären Kontakt« mit den afroamerikanischen GIs in Deutschland zu treten. Wolff und seine MitstreiterInnen in Frankfurt a.M. trafen sich daher regelmäßig mit GIs sowohl innerhalb der Kasernen, um an Teach-Ins teilzunehmen, die sich mit afroamerikanischer Geschichte beschäftigten, oder zu Lesegruppen, die sich mit den Black Panthers auseinandersetzten, als auch außerhalb der Kasernen. Kontakte wurden auch durch deutsche Studentinnen hergestellt, die mit afroamerikanischen GIs ausgingen. Diese Studentinnen, oft »Bräute der Revolution« genannt, suchten den Kontakt zu afroamerikanischen GIs in Diskotheken. Sie forderten die GIs zum Tanz auf und verwickelten die Soldaten anschließend in politische Diskussionen zum Vietnamkrieg und zur Black Power-Bewegung.31 Die deutschen Studenten luden die GIs auch zu Demonstrationen und Versammlungen ein, bei denen Black Panther-Vertreter sprachen, die sie nach Deutschland eingeladen hatten. Die Zusammenarbeit zwischen einigen vergleichsweise privilegierten, weißen Studenten aus dem westdeutschen Bürgertum einerseits und einigen radikalisierten afroamerikanischen GIs andererseits, oftmals aus benachteiligten Schichten der amerikanischen Innenstädte oder des platten Landes im Süden der USA, stellte sich als äußerst brüchige Allianz heraus. Trotz des verbreiteten Enthusiasmus unter den Beteiligten und der ständigen Beschwörung revolutionärer Klassen- und Rassensolidarität belasteten zahlreiche Probleme von Beginn an die Zusammenarbeit. Beispielsweise waren nicht alle afroamerikanischen GI-Aktivisten davon überzeugt, dass man überhaupt gemeinsame Sache mit weißen Studenten machen sollte.32 Die beteiligten deutschen Studenten wiederum instrumentalisierten – ungeachtet ihrer idealistischen Herangehensweise – die afroamerikanischen GIs für ihre Zwecke. Für sie repräsentierten die Black Panther-GIs eine neue Form der Maskulinität und der revolutionären Authentizität, von der weiße deutsche Studenten aus dem Bürgertum nur träumen konnten.33 So glaubten die Studenten zum Beispiel, dass durch ihre unmittelbaren Kontakte mit den unterdrückten afroamerikanischen GIs abstrakte Ideen wie »internationale Klassen- und Rassensolidarität« in die Realität umgesetzt werden könnten. Durch die enge Zusammenarbeit, durch das Zusammensein mit

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den Black Panther-GIs und Veteranen hofften sie, die notwendige Bewusstseinsveränderung zu erlangen, um für revolutionäre Aktionen bereit zu werden.34

Abb. 8.1: Einladung zu Solidaritätsveranstaltungen mit Repräsentanten der Black Panther-Partei in Westberlin und der Bundesrepublik (1969). Der Repräsentant war Elbert »Big Man« Howard, der auf mehreren Veranstaltungen an deutschen Universitäten sprach (Sammlung Sara Lennox) Die beteiligten deutschen Studenten waren nicht immer in der Lage, ihre eigenen, unterschwelligen, tiefsitzenden Rassen- und Kulturvorurteile zu überwinden. Ein »Merkzettel«, wie man afroamerikanischen GIs entgegen treten solle, zeigt, dass die Studenten sich dieses Dilemmas bewusst waren, aber es nicht immer überwinden konnten. In der Anleitung wurde geraten, die afroamerikanischen GIs nicht als »Opfer«, sondern als »Individuen« anzusprechen, und die Konversation mit ihnen »in echter Demut« zu führen, die »nicht von Schuld, sondern vom Verständnis für Ungerechtigkeit geprägt sein sollte«. Aus demselben Dokument ging aber gleichzeitig auch hervor, wie achtlos seine Autoren den Empfindlichkeiten der amerikanischen Minderheit gegenüber waren, die seit der Mitte der 1960er Jahre den Begriff »Neger« als rassistisch verdammte, und anstatt dessen als »Schwarze« identifiziert werden wollte. In dem Dokument wurden die westdeutschen Mitstreiter angehalten, nicht arrogant in ihren Unterhaltungen zu sein, »selbst wenn dein Englisch besser ist als das des Negers«.35 Gemeinsam mit afroamerikanischen GIs und Veteranen, die bereits aus der Army ausgeschieden und in Deutschland geblieben waren, machte man sich an die Herstellung und den Vertrieb von Zeitungen, die über den US-Rassismus sowohl in den Vereinigten Staaten wie auch in der Army informieren sollten, und darüber, was die Studenten die »Ambitionen des US-Imperialis-

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mus in der Dritten Welt« nannten.36 Die Voice of the Lumpen (Stimme der Lumpen) war eines der einflussreichsten und wichtigsten dieser Zeitungsprojekte. Sie wurde vom Verlag Roter Stern hergestellt, einer kleinen Druckerei, die KarlDietrich Wolff gehörte. Die Zeitung informierte die GIs über die Black PantherPartei und ihr Programm, berichtete über Entwicklungen in den USA und nichtwestlichen Ländern, sowie über die rassenpolitischen Auseinandersetzungen innerhalb der US-Garnisonen rund um die Welt. Ziel ihrer Bemühungen, schrieben die Herausgeber, sei es, »die Fähigkeit der GIs zu verbessern, mit ihrer Situation im Militär umzugehen« und ihnen die Zusammenhänge mit dem Kampf zu erläutern, »der heute in Babylon (Amerikkka) [das dreifache K sollte an den Ku Klux Klan erinnern] ausgetragen wird«.37 Die übliche Auflage der Voice betrug 20 000 Stück, wobei die deutschen Abonnenten für ihren Bezug bezahlten, während die Exemplare für die GIs kostenlos waren.38 Die ungewöhnliche Allianz zwischen afroamerikanischen GIs und radikalen bundesdeutschen Studenten begann im November 1969 und dauerte ungefähr zwei Jahre. Während dieser Zeit organisierten die Aktivisten beider Hautfarben gemeinsame Demonstrationen für und Teach-ins über die Black Panther an vielen westdeutschen Universitäten, die sich großen Zuspruchs erfreuten.39 Eine der spektakulärsten Veranstaltungen, die von westdeutschen und US-Behörden besonders argwöhnisch betrachtet wurde, war die Demonstration am 4. Juli 1970, bei der rund 700 afroamerikanische GIs und ihre studentischen Verbündeten die Säle der Neuen Aula an der altehrwürdigen Universität Heidelberg füllten. Organisiert von Studenten des Instituts für Anglistik, war ihr »Ruf nach Gerechtigkeits-Tag« als Gegenveranstaltung zum amerikanischen Unabhängigkeitstag vorgesehen. Dabei sollten die Vereinigten Staaten wegen ihrer Weigerung, Afroamerikanern gleiche Rechte wie weißen US-Bürgern zuzugestehen, angeklagt werden. Die Demonstranten versammelten sich in der Aula der Universität, weil das US-Militär es den GIs verboten hatte, die Veranstaltung innerhalb der örtlichen Garnison abzuhalten, die bis 2013 das Hauptquartier der USAREUR (United States Army Europe) war, das sich seitdem in Wiesbaden befindet (Lucius D. Clay Barracks). Zu den teilnehmenden Gruppen gehörten die Unsatisfied Black Soldiers, die Black Defense Group und die Black Action Group, das Frankfurter Solidaritätskomitee und die Voice of the Lumpen. Zwischen Musikstücken und Lyriklesungen wurden die Klagen und Forderungen der GIs vorgetragen. Am frühen Nachmittag begann die Veranstaltung, Menschenmassen schoben sich in den Raum, skandierten »Freiheit jetzt,« »Power to the People« und »Right on, Right On« (Weiter so, Weiter so!). Eine Band spielte zur Begeisterung der versammelten Veranstaltungsteilnehmer, die mitsangen und sich als »Brüder« umarmten, Stevie Wonders Protestsong »Black Man«. Neben den musikalischen Darbietungen, Lyriklesungen und kämpferischen Ansprachen erhielten die GIs Gelegenheit, ihre Klagen und ihre Wut zu äußern. Es wurde ein Aufruf

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zur Gründung eines Komitees verlesen, das sich mit ihren Klagen, den Forderungen nach besserer Unterbringung, besseren Aufstiegsmöglichkeiten und Unterricht in »schwarzer Geschichte«, nach einem Abzug der US-Truppen aus Vietnam, der Schließung von US-Militärbasen in Afrika, nach einem Ende der Diskriminierung afroamerikanischer GIs auf dem westdeutschen Immobilienmarkt und nach besserer Behandlung afroamerikanischer Gefangener in US-Militärgefängnissen beschäftigen sollte. 40

Abb. 8.2: Rückseite der Voice of the Lumpen. Die Illustration hebt hervor in wie vielen deutschen Gemeinden afroamerikanische Soldaten ihren Wehrdienst ableisten, Winter 1970 (Archiv für Soldatenrecht/Internationales Institut für Sozialgeschichte [ISSG], Amsterdam)

Über die Veranstaltung wurde auch in der lokalen Presse berichtet. Die westdeutsche Öffentlichkeit wurde so über die Entschlossenheit der GIs unterrich-

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tet, für ihre Rechte zu kämpfen. Ein afroamerikanischer GI, der geholfen hatte, das Treffen vorzubereiten, erklärte, es sei »Zeit für die schwarzen GIs, endlich politisch zu begreifen, was in der Welt vorgeht«. Er bezeichnete die Veranstaltung als Beginn des friedlichen Kampfes für Gleichheit und Gerechtigkeit, und betonte, dass dieser Kampf mit »Mut und Entschlossenheit« geführt werde, »bis die Militärgefängnisse in Heidelberg und Mannheim aus allen Nähten platzen«. 41 Die von Wolff geleitete Solidaritätskampagne trug die Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Unzufriedenheit der Afroamerikaner im Allgemeinen und der afroamerikanischen US-Soldaten im Speziellen mit ihrer Situation in der US-Armee auch in die Zentren westdeutscher Städte. Auf diese Weise verliehen die westdeutschen Studenten den afroamerikanischen Soldaten eine Stimme, die auch außerhalb der Bewegung vernommen wurde. Wie etwa während unzähliger Demonstrationen im Frühjahr 1970, als Black Panther-GIs mit deutschen Studenten durch das Stadtzentrum von Frankfurt a.M. marschierten, gegen den Vietnam-Krieg protestierten und »Freiheit für Bobby Seales« (inhaftierter Black Panther-Politiker) skandierten. 42

Abb. 8.3: Black Panther Solidaritätsdemonstration auf dem Dach des PX-Shops der US-Militärbasis in Frankfurt a.M., am Mikrophon KD Wolff, Frühjahr 1970 (Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt a.M./Meier-Ude) Um die seit dem »Ruf nach Gerechtigkeits-Tag« entstandene Dynamik innerhalb der schnell wachsenden Bewegung weiter zu verstärken, organisierte das örtliche Solidaritätskomitee Kaiserslautern im Oktober 1970 ein großes Treffen in der Fruchthalle, der Mitte des 19. Jahrhunderts als Markthalle und Konzertsaal im Stil der Neorenaissance erbauten Festhalle Kaiserslauterns, gleichzei-

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tig einer der wichtigsten Profanbauten der Pfalz, in dem schon entscheidende Ereignisse der Revolution von 1848/1849 stattgefunden hatten. Kaiserslautern, eine Stadt von 80 000 Einwohnern, liegt nur wenige Kilometer von der US-Luftwaffenbasis Ramstein und dem Militärhospitalkomplex von Landstuhl entfernt. In diesen drei Orten lebten damals mehr als 40 000 GIs. Die Versammlung war angekündigt als »Deutsch-amerikanisches Freundschaftstreffen«, das die im Jahr zuvor aufgetretenen, steigenden Spannungen zwischen amerikanischen GIs und Deutschen überwinden sollte. Zwar waren Stadtverwaltung und Polizei misstrauisch, was die Veranstaltung und ihre Organisatoren anging, aber sie genehmigten die Versammlung. Womit sie vermutlich nicht gerechnet hatten, war, dass am Tag der Veranstaltung mehr als 1 000 Black Panther-GIs und Hunderte ihrer deutschen Unterstützer mit den Rufen »Right on, Brother!« und »Black Power!« in die Fruchthalle einmarschierten. Da das ARD-Fernsehmagazin Panorama der Veranstaltung einen eigenen Beitrag widmete, war für landesweite Publizität gesorgt. 43 Als die westdeutsche Polizei im November 1970 zwei Mitglieder der Voice of the Lumpen-Redaktion nach einer Schießerei mit einem deutschen Wachmann auf der US-Luftwaffenbasis Ramstein festnahm, erreichte die Zusammenarbeit von GIs und Studenten ihre intensivste Phase. Edgar Jackson und William Burrell hatten versucht, sich Zugang zur Luftwaffenbasis zu verschaffen, um dort Plakate aufzuhängen, die für einen Vortrag von Kathleen Cleaver warben. Cleaver, eine der wichtigsten Mitglieder der Black Panther Partei, war von KD Wolff nach Deutschland eingeladen worden, um einen Vortrag bei einer Frankfurter Solidaritätskundgebung für die afroamerikanische Bürgerrechtlerin Angela Davis zu halten, die ein paar Wochen zuvor in den USA verhaftet worden war. Die beiden verhafteten Redaktionsmitglieder (zwei afroamerikanische Veteranen, die nach dem Ende ihres Militärdienstes in Deutschland geblieben waren), wurden von der westdeutschen Black Panther-Solidaritätskampagne umgehend zu politischen Märtyrern erklärt, und nur noch die Ramstein-Zwei genannt. David Jenkins, ebenfalls ein afroamerikanischer Ex-GI, der im hessischen Butzbach stationiert gewesen war, hatte im Gegensatz zu seinen beiden Mitstreitern Jackson und Burrell während der Schießerei entkommen können. Er wurde mit Hilfe führender Mitglieder des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) in die DDR geschleust, von wo er dann Mitte Dezember nach Algier ausreisen durfte, so dass nur Jackson und Burrell sich vor Gericht verantworten mussten. 44 Der Prozess gegen die Ramstein-Zwei erlaubte den Studenten wie nie zuvor, ihre propagandistischen Aktionen in Westdeutschland mit dem Kampf der Black Panthers in den USA zu verknüpfen. Dort kulminierten die Auseinandersetzungen in Schießereien, während derer Mitglieder der Partei von der Polizei getötet wurden, andere wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die

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westdeutschen Komitee-Mitglieder stellten die Parallelen zwischen der rassistischen Justiz in den USA und der ihres engsten Verbündeten, der Bundesrepublik, in den Mittelpunkt ihrer Kampagne. Im Zuge der Berichterstattung über den Prozess der Ramstein-Zwei verbreiteten die Studenten Informationen über den Kampf der Black Panther in den USA, prangerten deutschen und amerikanischen Rassismus an und propagierten die transnationale Solidaritätskampagne gegen US-Imperialismus und -Rassismus. 45 Die Demonstranten forderten bei ihren Märschen durch die Innenstädte auf ihren Plakaten nicht mehr nur »Freiheit für Bobby Seale« oder »Freiheit für Angela Davis«, sondern auch »Freiheit für die Ramstein-Zwei«.

Abb. 8.4: Kathleen Cleaver, prominente Repräsentantin der Black Panther-Partei, spricht auf einer Veranstaltung an der Universität Frankfurt a.M. 1971 (Barbara Klemm) Um die Anteilnahme am Prozess zu vergrößern, organisierten die Voice of the Lumpen und das Frankfurter Black Panther-Solidaritätskomitee Demonstrationen und Teach-Ins in verschiedenen Universitäten. Auch vor Ort in Zweibrücken, einer verschlafenen Kleinstadt, in der der Prozess abgehalten wurde, traten sie auf. Weitere Demonstrationen und Workshops für politische Bildung wurden innerhalb der US-Garnisonen veranstaltet. 46 Im Mai und Juni 1971 fanden vier Spendensammel-Aktionen für die Ramstein-Zwei in verschiedenen US-Kasernen statt, organisiert vom Black Panther-Solidaritätskomitee, der Voice of the Lumpen und den Unsatisfied Black Soldiers aus Heidelberg. Es wurde Soul-Musik gespielt und Geld gesammelt für die Verteidigung der Angeklagten. Bei einer dieser Veranstaltungen war der Saal mit Black Panther-Flaggen, Gewehren und einer US-Fahne in der Silhouette eines Schweins, dekoriert. 47 Hunderte afroamerikanischer GIs unterzeichneten einen Aufruf, der von der

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westdeutschen Justiz die umgehende Freilassung der Ramstein-Zwei verlangte. 48

Abb. 8.5: Der Prozess gegen die »Ramstein-Zwei«: Demonstration deutscher Studenten und GI-Aktivisten vor dem Gerichtsgebäude in Zweibrücken, 6. März 1971 (Stadtarchiv Zweibrücken/Imhoff) Die vielen gemeinsamen Aktivitäten deutscher Studenten und afroamerikanischer Aktivisten blieben auch in den USA nicht unbemerkt. Die New York Times verglich die »Soldaten-Aktivisten« in Westdeutschland mit den organisierten afroamerikanischen Studentengruppen an den Colleges in den Vereinigten Staaten, und ergänzte, dass die aktivsten unter ihnen Vietnam-Veteranen waren. In einem anderen Artikel wies die New York Times beunruhigt darauf hin, dass solche Proteste afroamerikanischer US-Soldaten außerhalb der Vereinigten Staaten etwas völlig Neues waren. Ihre Taktiken, berichtete das Blatt weiter, wurden von den Grassroots-Aktivisten zuhause übernommen; »es gibt jedoch eine globale Dimension, da sie gegen die Rassendiskriminierung sowohl zuhause wie auch in Übersee demonstrieren«. Erstmals in der Geschichte der USA würden »schwarze Soldaten in großem Umfang und gut organisiert ihren Dienst in den US-Streitkräften in Frage stellen, sollte die Rassendiskriminierung anhalten«. 49 Diese erneute Globalisierung der amerikanischen »Rassenfrage« war brisanter und politischer als die Proteste gegen die Diskriminierung afroamerikanischer GIs im Nachkriegsdeutschland und den frühen 1950er Jahren. Aber die Unterstützung und Agitation der deutschen Studenten bedeutete auch, dass die Enttäuschung und die Wut der Afroamerikaner ihrem eigenen Land gegenüber der bundesdeutschen Öffentlichkeit umfassender und direkter als bisher bekannt wurden. Während die örtlichen Medien in der Vergangenheit zwar über die Auseinandersetzungen um die Bürgerrechte und die Radika-

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lisierung der afroamerikanischen Soldaten berichtet hatten, brachte nun die Allianz zwischen Studenten und afroamerikanischen GIs diese Auseinandersetzungen und ihre zunehmende Radikalisierung auch auf die Titelseiten der überregionalen Zeitungen. Die Süddeutsche Zeitung schrieb beispielsweise, dass »die Stimmen der Minderheiten-Soldaten nur deswegen so kraftvoll zu vernehmen sind, weil sie von den linken deutschen Studenten unterstützt werden, besonders von KD Wolff in Frankfurt«.50 Einige deutsche Beobachter waren erstaunt über die Rage der afroamerikanischen GIs und fragten: »Warum tragt ihr euren Kampf auf deutschem Boden aus? Was haben wir damit zu tun?«51 Andere wiederum gaben sich nachdenklicher. Eine deutsche Zeitung betonte, dass die Proteste der afroamerikanischen Soldaten »die Bürger unseres Landes mit einem Problem konfrontiert, das bis jetzt so weit weg erschien. Vielleicht realisieren die Menschen, dass Probleme wie Unterdrückung, Diskriminierung und Ungerechtigkeit nicht einfach auf das weit entfernte Amerika« abgeschoben werden können.52

Abb. 8.6: Titelseite der Voice of the Lumpen, Ausgabe zum Prozess gegen die »Ramstein Zwei«, gegen zwei in Deutschland verhaftete Black Panther-Aktivisten (Veteranen der US-Armee), Mai–Juni 1971 (Archiv für Soldatenrecht/Internationales Institut für Sozialgeschichte, Amsterdam)

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D ie A nt wort der V ereinigten S taaten Zur bitteren Enttäuschung der beteiligten Studenten ließ sich die »US-Kriegsmaschinerie« letztlich weder durch die Black Panther-Solidaritätskampagne noch durch die Zusammenarbeit mit den afroamerikanischen GIs lahmlegen, wie viele der Studenten auf dem Höhepunkt der Kampagne gehofft hatten. Sie hatten ihre eigene Stärke über-, und die Fähigkeit der USA, mit umfassenden Maßnahmen auf die Unzufriedenheit afroamerikanischer GIs zu reagieren, bei weitem unterschätzt. Als die Vertreter der westdeutschen und der US-Regierung die Beschwerden der afroamerikanischen Soldaten endlich ernst nahmen und umgehend Maßnahmen ergriffen, die einige Forderungen der Soldaten wie die nach besseren Unterkünften einlösten, zerfiel die Allianz zwischen den weißen Studenten und den afroamerikanischen Soldaten. Die Zusammenarbeit endete jedoch auch, weil das Sprachrohr der Bewegung, die Voice of the Lumpen, von denselben (vom FBI im Rahmen des COINTELPRO-Programms provozierten bzw. nach Kräften geförderten) ideologischen Spaltungen und Flügelkämpfen heimgesucht wurde wie die Black Panther-Partei in den Vereinigten Staaten. Separatistische afroamerikanische Aktivisten, die jede Zusammenarbeit mit weißen »Revolutionären« ablehnten, beendeten schließlich auch die letzten Reste der Zusammenarbeit.53 Trotz ihres schnellen Endes hatte die damals in Gang gekommene transnationale und transkulturelle Zusammenarbeit, mit ihren vielen Demonstrationen an den Universitäten, in den Straßen der westdeutschen Städte und selbst in der tiefsten Provinz die Alarmglocken sowohl bei den westdeutschen als auch wie den US-Regierungsstellen läuten lassen. War zunächst noch die Radikalisierung der afroamerikanischen GIs die wichtigste gemeinsame Sorge gewesen, brachte der aus studentischer und Black Panther-Sicht äußerst erfolgreiche »Ruf nach Gerechtigkeits-Tag« 1970 an der Universität Heidelberg die Verantwortlichen in Bonn und Washington dazu, zu reagieren.54 Diese Veranstaltung war nicht nur in den Gebäuden einer der angesehensten Universitäten Westdeutschlands abgehalten worden – mit der expliziten Unterstützung des Universitätspräsidenten –, Heidelberg war auch Standort des obersten Hauptquartiers aller US-Streitkräfte in Europa (USAREUR). Als Antwort auf die Veranstaltung vom 4. Juli kamen hochrangige Vertreter beider Regierungen deshalb überein, dass die zunehmende Radikalisierung afroamerikanischer GIs und ihre bröckelnde Kampfmoral nicht nur die militärische Disziplin in den US-Streitkräften und das öffentliche Bild der USA untergruben, sondern auch die Sicherheitspolitik der USA und Westdeutschlands insgesamt bedrohten.55 Blickt man von der Gegenwart, der Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges, auf diese Ereignisse zurück, könnte man versucht sein, die damaligen existenziellen Befürchtungen von staatlicher Seite auf beiden Seiten des Atlantiks als übertrieben abzutun. Aber für westdeutsche und amerikanische Regierungs-

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stellen schienen diese Ängste damals sehr reale Grundlagen zu haben. Ähnelten die Vorgänge in Westdeutschland generell den bekannten Spannungen zwischen weißen und afroamerikanischen Soldaten in US-Militärbasen in den USA und auf dem restlichen Globus, spielten sich die Vorgänge in der Bundesrepublik jedoch unmittelbar vor den Augen der Gegner im Kalten Krieg ab, an der Frontlinie beider Systeme, unmittelbar an der Grenze zu Ostdeutschland und dem von der Sowjetunion dominierten Warschauer Pakt. Daher stellte Westdeutschland, wie schon zu Zeiten der Rassenintegration im Militär in der unmittelbaren Nachkriegszeit, auch diesmal einen Sonderfall dar. Denn hier verlief jene Demarkationslinie, die, einst von den Alliierten auf ihren Konferenzen zur Gestaltung Nachkriegseuropas gezogen, nun von Osten her mit Mauer und Stacheldraht gesichert, unübersehbar geworden war. Wie das Time-Magazine zu jener Zeit besorgt berichtete, war die Unzufriedenheit der afroamerikanischen Soldaten vom ostdeutschen Parteiblatt Neues Deutschland aufgegriffen und propagandistisch ausgeschlachtet worden. In diesem Kontext waren nicht zuletzt die Bilder brennender Holzkreuze vor den Unterkünften afroamerikanischer GIs, in den Worten des US-Magazins, als »Darstellung der US-Army in Europa als eine Art Ku Klux Klan-Expeditionskorps« angeprangert worden.56 Nimmt man hinzu, dass Westdeutschland ohnehin einen besonderen Platz in der US-Globalstrategie einnahm und aus amerikanischer Perspektive als leuchtendes Beispiel für die Überlegenheit von Kapitalismus, für liberale Demokratie und geglückte Re-Education vis-à-vis der DDR dienen sollte, war ein Einschreiten höchster Regierungsstellen nur folgerichtig. Im September 1970 reiste daher auf Geheiß des Weißen Hauses ein Untersuchungsausschuss des Pentagons (die so genannte Render-Kommission) – als direkte Antwort auf die Veranstaltung vom 4. Juli – nach Westdeutschland, um einen unvoreingenommenen Eindruck von der zunehmend aus dem Ruder laufenden Situation zu gewinnen. Im Frühjahr 1971 folgte eine dreiwöchige Recherche-Tour der NAACP, die von Nathaniel Jones, dem Leiter der Rechtsabteilung, Julius E. Williams, dem Leiter der Abteilung für Streitkräfte und Veteranenangelegenheiten der NAACP, und von Melvin Bolden, einem leitenden Mitarbeiter der Rechtsabteilung, angeführt wurde. Wie die Render-Kommission besuchten nun auch die NAACP-Vertreter alle großen US-Militärstützpunkte in Westdeutschland. Die NAACP sprach zudem mit mehr als 2  500 afroamerikanischen GIs, sowohl einfachen Soldaten wie Offizieren, um einen besseren Überblick über die Situation zu bekommen.57 Der überparteiliche Zusammenschluss der afroamerikanischen Kongressabgeordneten der USA, der Congressional Black Caucus (CBC), entsandte ebenfalls eine Untersuchungskommission unter Führung von Thaddeus Garrett Jr., dem Assistenten der Abgeordneten Shirley Chisholm (D-NY), auf eine sechswöchige Tour durch die US-Garnisonen Europas, mit besonderem Schwerpunkt auf Westdeutschland.

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Abb. 8.7: Die Mitglieder der NAACPKommission im USAREUR-Hauptquartier in Heidelberg. Von links nach rechts Melvin Bolden, weißer Offizier, Nathaniel Jones und Julius E. Williams, Frühjahr 1971 (NAACP, Baltimore, MD) Der Bericht der Render-Kommission präsentierte trotz seiner Kürze eine überraschend deutliche Kritik an den Missständen hinsichtlich Diskriminierung und Rassismus, denen afroamerikanische Soldaten vor und hinter den Kasernentoren ausgesetzt waren. Die ausführlicheren Untersuchungsberichte der NAACP und des CBC bestätigten diese Befunde. Die Hauptprobleme wurzelten dem Bericht zufolge »in diskriminierenden Praktiken im deutschen Wohnungsmarkt, Gaststätten und Freizeiteinrichtungen, institutionalisiertem Rassismus bei Beförderungsentscheidungen und Aufstiegsmöglichkeiten, und dem Missbrauch des UCMJ [Uniform Code of Military Justice – Militärstrafgesetzbuch]«.58 Ein weiterer Problemkomplex verstärkte die Krise innerhalb der afroamerikanisch-weißen Streitigkeiten auf den US-Garnisonen in Westdeutschland; viele deutsche Frauen gaben häufig den jungen, forschen Afroamerikanern den Vorzug, zur großen Empörung und Wut der weißen Soldaten.59 Als diese Berichte Anfang 1971 publiziert wurden, zeigte sich der CBC empört darüber, dass der Verteidigungsausschuss des US-Kongresses diese Ent-

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wicklungen nicht für wichtig genug befand, um Anhörungen zu diesem Thema anzusetzen. Der Congressional Black Caucus setzte daher zwischen dem 14. und 18. November 1971 ad hoc-Anhörungen unter dem Vorsitz der Abgeordneten Shirley Chisholm und Ron Dellums an. Dellums und Chisholm äußerten sich enttäuscht darüber, dass diese ad hoc-Versammlungen angesetzt werden mussten, weil ihre Kollegen im Verteidigungsausschuss sich mit irrelevantem Unsinn beschäftigten, statt sich dieser ernsten und folgenschweren Probleme anzunehmen. Chisholm sagte, der CBC sei entschlossen, das Problem grundsätzlich anzugehen: »Wir haben jedenfalls mittlerweile jedermann hier in Washington wie im restlichen Land klargemacht, dass die Schwarzen im Militär genug von den Alibiaktionen haben, und dass wir zusammen jeden nur erdenklichen Druck auf das Verteidigungsministerium ausüben werden, um eine Besserung zu erreichen.«60 Während der ad hoc-Anhörungen von 1971 kamen auch Vertreter der NAACP zu Wort. Frank Render, eine Gruppe weiterer Zeugen und afroamerikanische Soldaten waren eingeladen worden, Aussagen zu machen. Angesichts der explosiven Situation in Westdeutschland sparte man sich diplomatische Verbrämungen und sprach Klartext. Die Regierung wurde gewarnt, die Gefährlichkeit der Situation zu unterschätzen: »Die zunehmende Polarisierung zwischen Schwarz und Weiß in unseren Streitkräften nähert sich mit hohem Tempo dem Punkt, wo die Einsatzfähigkeit unserer Armee ernsthaft in Frage gestellt oder sogar völlig untergraben wird.«61 Sie brachten auch ihre Befürchtungen zum Ausdruck, dass die Gefahr sehr real sei, dass es zu flächendeckenden gewalttätigen Zusammenstößen kommen könne, ganz abgesehen von den zugespitzten Problemen mit der Kampfmoral, und warnten, dass die Armee kurz davor sei, das Ansehen unter den jungen afroamerikanischen Soldaten, die über das Potential verfügten, in Führungspositionen aufzusteigen, völlig zu verlieren.62 Um das zu verhindern, sei es höchste Zeit, dass führende Vertreter der Streitkräfte diesen Soldaten überzeugend klarmachten, dass ihre Anliegen ernstgenommen würden.63 Die NAACP hatte in ihrer dramatischen Darstellung eher noch untertrieben. General Davison, der das Oberkommando von USAREUR im Frühjahr 1971 übernahm, schilderte die Situation damals in ähnlich düsteren Farben: »Wir stehen kurz vor einer allgemeinen Revolte und einem völligen Verlust der Kontrolle.«64 Obwohl die NAACP afroamerikanische GIs dabei unterstützte, die schlimmen Zustände zu überwinden, wies die Organisation jedoch die Forderungen radikaler GIs, die mit den westdeutschen Studenten zusammenarbeiteten und nichts weniger als die Revolution forderten, nachdrücklich zurück. Dieser Versuch einiger jüngerer Soldaten, mit aller Macht eine Lösung außerhalb des bestehenden Systems zu suchen, würde nach Ansicht des NAACP direkt in eine Katastrophe führen. Die Organisation blieb ihrem jahrzehntealten Grundsatz treu, eine Lösung innerhalb des bestehenden Systems zu suchen. Sie berichte-

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te, dass es zwar eine Anzahl Hitzköpfe unter den Soldaten gäbe, die radikalere Lösungen anstrebten, aber dass die meisten der afroamerikanischen Soldaten trotz des sich ausbreitenden politischen Radikalismus immer noch ihrem Land in Treue zugetan seien. Viele der radikalsten GIs hatten das Treffen mit der NAACP wegen dessen moderater Ausrichtung boykottiert; die Organisation sprach deshalb hauptsächlich für die Mehrzahl der unzufriedenen, aber politisch gemäßigteren Soldaten.65 Wie hatte es so weit kommen können? In den Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte das US-Militär Afroamerikanern niemals da gewesene Beschäftigungs- und Aufstiegsmöglichkeiten geboten. Doch im Laufe der 1960er Jahre waren die amerikanischen Streitkräfte in dieser Hinsicht nachlässig geworden; alle Energien wurden nun vom Krieg in Vietnam aufgesogen. Die Militärführung hatte gleichzeitig auch talentierte afroamerikanische Soldaten an den Privatsektor verloren, wo in den späten 1960er Jahren die affirmative action, die Gesetze zur gleichberechtigten Einstellung von Angehörigen von Minderheiten, zu greifen begann. Begabten High School Absolventen aus dem afroamerikanischen Bürgertum wurde nach 1965 auch an amerikanischen Elite-Universitäten wie Harvard und Princeton – als Teil der affirmative action – der Zugang erleichtert; somit sahen weniger von ihnen das Militär als ihre beste Chance für Ausbildung oder Karriere. Die Zahlen belegen dies. Ende der Sechzigerjahre waren bei einem Anteil von 13 Prozent unter den Soldaten nur 2,2 Prozent der Offiziere Afroamerikaner, im Unteroffiziersbereich fehlten afroamerikanische Soldaten fast gänzlich.66 Diese waren dagegen überrepräsentiert in den einfachen Soldatenrängen der Kampfeinheiten und der Service- und Nachschubjobs, die wenig Aufstiegschancen boten. Während das Gros der afroamerikanischen Soldaten in den untersten Rangstufen E-1 und E-2 zu finden war, gab es auf der höchsten Hierarchieebene E-9 (Master Sergeant oder Sergeant Major) nur 4,2 Prozent Afroamerikaner. Es überrascht daher wenig, dass 72 Prozent der afroamerikanischen Wehrpflichtigen davon überzeugt waren, dass weiße Soldaten besser behandelt wurden. Diese Überzeugung wurde von 48 Prozent der afroamerikanischen Offiziere geteilt. Die Situation in Europa unterschied sich nicht wesentlich von den Zuständen in den USA, aber das war kein Trost für diejenigen, die unter der Last dieses institutionalisierten Rassismus zu leiden hatten.67 Die Delegation der NAACP zog aus ihren Unterredungen mit den Militärangehörigen in Deutschland die Schlussfolgerung, dass fast alle Afroamerikaner und ein Gutteil der Weißen angaben, dass ihrer Meinung nach bei den Beförderungen getrickst werde, um den Aufstieg von Afroamerikanern innerhalb des Militärs zu verhindern. Ein afroamerikanischer Offizier sagte der Kommission gegenüber aus, dass afroamerikanische Soldaten doppelt so gut sein mussten wie ihre weißen Konkurrenten, um befördert zu werden. Einige weiße Unteroffiziere bestätigten dies. Ein afroamerikanischer Unteroffizier

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beklagte sich beim NAACP-Team, dass es weit und breit keine afroamerikanischen Kommandeure gebe. Um ehrlich zu sein, habe er in seinen 18 Dienstjahren nur von einer Handvoll gehört, sei aber persönlich noch nie einem begegnet. Nur fünf Afroamerikaner waren zu diesem Zeitpunkt überhaupt zum General befördert worden (drei in der Army, einer bei der Air Force und einer bei der Navy). Das blieb den Soldaten natürlich nicht verborgen. Das NAACPTeam berichtete, dass afroamerikanische Soldaten und Offiziere der Air Force übereinstimmend ausgesagt hätten, dass der eine afroamerikanische General (innerhalb der gesamten Air Force) wohl kaum als Beweis für Chancengleichheit dienen könne, sondern dass ihm die Funktion eines Quoten-Afroamerikaners zukäme.68 Ein anderer afroamerikanischer Unteroffizier machte seiner Wut Luft: »Ein schwarzer General in 25 Jahren!! Und die übrigen schwarzen Soldaten und Offiziere werden wohl warten müssen, bis er in Rente geht oder stirbt, bevor wieder einer General werden kann.«69 Noch beunruhigender waren die Befunde der NAACP-Kommission bezüglich der willkürlichen Anwendung des Militärstrafgesetzbuches. »Die Führungsfehler innerhalb der Militärjustiz sind die Ursache, die die Effizienz unserer Kampftruppen unterminiert«, hieß es in ihrem Bericht. Afroamerikanische GIs wurden nicht nur öfter bestraft als Weiße, sondern auch für weitaus kleinere Vergehen. Die NAACP konstatierte beispielsweise einen eklatanten Missbrauch von Paragraph 15 des Militärstrafgesetzbuches, der es örtlichen US-Standortkommandanten erlaubte, statt eines formellen Militärgerichtsverfahrens Soldaten eigenmächtig mit Stubenarrest, Soldkürzung oder Strafdienst zu disziplinieren. Dass die Kommandeure dies kraft eigener Entscheidung und eigenen Ermessens tun konnten, öffnete dem Missbrauch Tür und Tor, wie Nathaniel Jones betonte. Die NAACP fand beispielsweise heraus, dass weißen Soldaten, die die Sperrstunde viermal innerhalb einer Woche übertraten, nichts passierte. Ein afroamerikanischer GI wurde hierfür nach Paragraph 15 bestraft. Die NAACP fand auch heraus, dass afroamerikanische Soldaten mit Paragraph 15 schon für die simple Zurschaustellung von Black Pride bestraft wurden: für Afro-Frisuren, afroamerikanische Armbänder, afroamerikanische Ringe, weil sie die Schlange in der Essensausgabe mit ihren komplizierten Black Pride-Begrüßungsritualen aufhielten, oder ihre Vorgesetzten mit der Black Power-Faust statt dem vorgeschriebenen Salut grüßten. Afroamerikanische Soldaten beklagten, dass Offiziere und Unteroffiziere jegliche Infragestellung von Autorität und jedes noch so kleine Anzeichen von Nichtanpassung oder von Black Pride als Akt des Ungehorsams oder der Befehlsverweigerung interpretierten. Die Weißen, so beklagte ein afroamerikanischer GI, dächten, dass »überall, wo Farbige zusammenstehen, eine PantherVersammlung« abgehalten werde, dass es sich um »Militante« handle.70

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Abb. 8.8: Zwei afroamerikanische Soldaten der RheinMain-Air Base, Frankfurt a.M., grüßen und provozieren einen weißen Offizier mit der Black Power-Faust, statt in traditioneller Art und Weise zu salutieren, 11. Oktober 1972 (Perry Kretz) Die afroamerikanischen Soldaten beklagten die ständigen Kontrollen und Schikanen ihrer Vorgesetzen. Sie berichteten zum Bespiel, dass viele Kommandeure gegenüber der von weißen Rassisten gerne gezeigten Konföderiertenflagge aus dem Bürgerkrieg der USA tolerant seien, aber jeden afroamerikanischen GI, der Black Power-Symbole zur Schau stellte oder Poster in seiner Stube aufhing, bestraften. Vielen Soldaten war von ihren befehlshabenden Offizieren zugesichert worden, dass diese administrativen Strafen später aus ihren Personalakten gelöscht würden, was aber oft nicht der Fall war. Eine bestimmte Zahl solcher Paragraph 15-Bestrafungen konnte sogar zur unehrenhaften Entlassung aus der Armee führen, was einer Verurteilung zu »lebenslänglicher Haft« gleich kam, wie die NAACP ausführte, da es fast unmöglich sei, mit so einem Makel noch eine Arbeit in den USA zu finden.71 Obwohl die NAACP einräumte, dass das Militärjustizsystem der USStreitkräfte grundsätzlich – auf dem Papier – den Grundsätzen der Gleichberechtigung der Rassen entsprach, betonte sie, dass im Alltag demgegenüber trotzdem tiefsitzende rassistische Vorurteile eine bedeutende Rolle spielten. Captain Culver, ein Air Force-Jurist von der Justizabteilung der Streitkräfte (Judge Advocate General Corps), der eine Reihe afroamerikanischer GIs in Deutschland verteidigt hatte, sagte hierzu: »Die Militärjustiz ist eine weiße Justiz. Es gibt weiße Richter, weiße Beisitzende und weiße Verteidiger.« Tatsächlich waren von den damals insgesamt 136 Rechtsberatern (Judge Advocate) nur drei Afroamerikaner, und von den 46 Militärrichtern in allen US-Militärbasen Europas waren gerade mal zwei Afroamerikaner.72 Offensichtlich rassis-

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tische Vorurteile spielten eine deutliche Rolle bei der jeweiligen Anzahl von angezeigten Vorfällen von Befehlsverweigerung; diese wurden im eindeutig weiß dominierten weißen Militärjustizsystem entsprechend behandelt. Wie Culver betonte, bestand das Offizierskorps und das Unteroffizierskorps weit überproportional aus Weißen mit Herkunftsort in den Südstaaten. Eine bedeutende Anzahl von Unteroffizieren – von denen diese Anklagen wegen Ungehorsam oder Befehlsverweigerung meist ausgingen – waren laut der NAACP Rassisten, die von ihrer Sozialisierung in den Jim Crow-Südstaaten geprägt waren. Ihre Beurteilung des Verhaltens afroamerikanischer GIs als »militant« oder »anmaßend« war verantwortlich für die eklatantesten Ungerechtigkeiten in der Anwendung der militärischen Justiz.73 Die NAACP stellte zudem fest, dass die Situation in US-Militärgefängnissen in Westdeutschland auffallend denen in US-Haftanstalten glich. Mehr als 50 Prozent der Insassen waren Afroamerikaner, obwohl sie nur dreizehn Prozent der Truppen stellten. Auch darin zeigte sich die vorherrschende ungleiche und ungerechte Behandlung. Als während des Vietnamkriegs Disziplin und Moral sowohl bei den weißen wie bei den afroamerikanischen Soldaten nachgelassen hatten, wurden hauptsächlich afroamerikanische Soldaten für entsprechende Vorkommnisse mit Gefängnis bestraft. 1970 wurden beispielsweise zwei Drittel der Gefängnisstrafen wegen Insubordination gegen afroamerikanische GIs verhängt. Die Militärgefängnisse waren auch mit afroamerikanischen Soldaten belegt, gegen die überhaupt keine Anklage vorlag. Kommandeure nutzten das Instrument der Untersuchungshaft, um so genannte afroamerikanische Radikale von ihren Einheiten zu trennen. Die Untersuchungshaftbestimmungen erlaubten es den Kommandeuren, angebliche Störenfriede für bis zu 30 Tage in Haft zu nehmen, ohne Anklage zu erheben. 1970 betraf das 60 Prozent der afroamerikanischen Häftlinge. Kommandeure ließen auch gerne die 30-TageFrist verstreichen, und hielten die Soldaten stattdessen für 60 oder gar 90 Tage in Haft.74 Den inhaftierten GIs wurde während dieser Zeit der Sold gestrichen, und obwohl Kommandeure gehalten waren, ihre inhaftierten Soldaten regelmäßig zu inspizieren, ihnen saubere Kleidung zur Verfügung und ihnen einen Verteidiger zur Seite zu stellen, wurde diese Auflage oft nicht eingehalten. Die NAACP deckte auf, dass gegen 28 Prozent der afroamerikanischen Häftlinge (912 Personen), die 1970 freigelassen wurden, niemals Anklage erhoben worden war. Diese GIs waren nur deswegen inhaftiert worden, um sie einzuschüchtern oder um so genannte Unruhestifter auszuschalten.75 Diese Praxis war äußerst unfair, wie die NAACP feststellte, weil das Adjektiv »militant« pauschal den meisten afroamerikanischen Angeklagten angehängt wurde. Dafür reichte schon aus, wenn ein Soldat afroamerikanisches Selbstbewusstsein zeigte, auf seinen Bürgerrechten beharrte, oder gar die Gleichberechtigung forderte.76 Frank Render bestätigte, dass diese Haltung gegenüber

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afroamerikanischen Soldaten in der gesamten Militärstruktur weit verbreitet war, und dass ein Soldat, der sich für seine Kameraden einsetzte oder seine Rechte forderte, und eigentlich gar nichts mit Black Panthers o. ä. zu tun hatte, häufig vorschnell das Label »militanter Aktivist« verpasst bekam. Selbst Render wurde ein kleiner Geschmack dieser Haltung zuteil. Ihm kam zu Ohren, dass während seiner Rundreise durch die europäischen US-Garnisonen ein Kommandeur einem anderen anvertraut habe, dass »Render ein hochrangiger Militanter ist, der – wäre er nicht selbst nicht im Militär – vermutlich einer der Anführer der Black Panthers wäre.«77 Auch offen rassistische Verhaltensweisen von Kommandeuren waren Gegenstand der Untersuchungen. Die NAACP berichtete, dass ein Kommandeur auf seinem Dienst-Jeep in großen Buchstaben das Wort »Rebell« hatte anbringen lassen (als Hinweis auf seine Identifizierung mit den Südstaaten im Amerikanischen Bürgerkrieg und deren Hoffnung, die Sklaverei zu erhalten). Ebenso hörten sie zahlreiche Klagen von Soldaten über Beschimpfungen und rassistische Beleidigungen durch Unteroffiziere. Eines dieser Beispiele stammte aus Augsburg, wo weiße Soldaten den Satz »Hitler hätte eine Million Neger statt der Juden umbringen sollen« auf eine der Kasernen geschrieben hatten. Die hasserfüllte Aufschrift blieb dort über Monate stehen, bevor die Militärbehörden sie entfernen ließen, was ein Schlaglicht auf den traurigen Zustand innerhalb der 7. Armee wirft.78 Ein afroamerikanischer GI erläuterte, wie es sich anfühlte, afroamerikanischer Soldat der in Deutschland stationierten US-Streitkräfte zu sein, als General James Polk das oberste Kommando führte. »Wir sind hier im schwarzen europäischen Ghetto der US-Army. Auf ›Polks Plantage‹, überwacht von all den rassistischen blöden Schweinen, die es sonst nirgends zu etwas gebracht haben, aber angeblich über die notwendige Qualifikation verfügen, um die brothers zu bändigen.«79 Ein anderer formulierte seinen Eindruck etwas weniger drastisch, war aber davon überzeugt, dass die Zeit zum Verhandeln vorbei sei, und dass nun direkte Aktionen nötig seien. Wir brauchen all diese Typen vom Pentagon und Kongress nicht, die rumrennen und die brothers dumm anquatschen […]. Die Fakten sind doch glasklar. Wenn sie wirklich etwas ändern wollen […], brauchen sie nur einen Blick in die Statistiken zu werfen. Es sind die brothers, die am meisten vors Militärgericht gezerrt werden. Es sind die brothers, die am häufigsten nach Paragraph 15 bestraft werden. Es sind die brothers, die die niedrigsten Ränge der Armee bekleiden, und die als letzte bei Beförderungen berücksichtigt werden. Warum? Verdammt, jeder Schwachkopf kann das ohne Probleme erkennen, dass die Schwierigkeiten von den ›Bonzen‹ ausgehen, den rassistischen Schweinekommandeuren – die sind das Problem, das ist, worunter alle brothers leiden. 80

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Angesichts der ungleichen Anwendung des Militärstrafrechts, der ohne Verfahren verhängten Strafen, der Behinderung von Beförderungen Afroamerikaner, und dem verbreiteten Rassismus in den Kommandostrukturen summiert das bittere Statement dieses Soldaten umfassend den Befund der NAACP. Afroamerikanische Soldaten verlangten aber neben Abhilfe gegen diese Zustände noch etwas vom NAACP-Team: Ihr Wunsch war, dass das Militär mehr kulturelle Sensibilität zeigen solle, unter anderem auch durch die Zulassung und Förderung der kulturellen Präferenzen der Afroamerikaner, so wie sie weißen Soldaten zugestanden wurde. Afroamerikanische Soldaten waren stolz auf ihre Afro-Frisuren, aber Militärvorschriften und unsensible Kommandeure waren nicht darauf eingestellt, welche Bedeutung diesem Frisurenstil für das Identitätsgefühl und für das Bedürfnis der afroamerikanischen Soldaten, Selbstvertrauen auszudrücken, zukam.

Abb. 8.9: Ein afroamerikanischer GI in »ethnischer« Kleidung – geschneidert aus einer US-Armee Wolldecke – zeigt das damals populäre Peace Sign (Friedenszeichen), Juni 1970 (Philipp Kerner)

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Trotz des weit verbreiteten Unmuts und der Entstehung revolutionärer Allianzen mit radikalen westdeutschen Studenten belegen die konkreten Forderungen der afroamerikanischen Soldaten jedoch, dass die NAACP mit ihrer grundsätzlichen Einschätzung der Situation richtig lag. Ihr zufolge waren die meisten afroamerikanischen GIs nach wie vor bereit, im bisherigen gesellschaftlichen und militärischen System weiter mitzuwirken; sie wollten Reformen, keine Revolution. Die Friseure, die auf den US-Militärstützpunkten arbeiteten, waren beispielsweise meist deutsche Staatsangehörige, und niemand hatte es für nötig gehalten, sie im Umgang mit dem Haar von Afroamerikanern weiterzubilden. Auch das wollten die Soldaten wie auch ihre Familienangehörigen geändert haben. Sie verlangten ebenso, dass Produkte für afroamerikanische Haare und Kosmetikartikel für afroamerikanische Hautteints in den PX-Shops der Stützpunkte angeboten wurden. Unteroffiziers- und Soldatenclubs hatten zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen, unter der Woche Soul-Musik zu spielen, um den afroamerikanischen GIs entgegen zu kommen. An Wochenenden wurde aber meist weiterhin die von vielen weißen Soldaten bevorzugte Country & Western-Musik gespielt. Sorgte das schon dafür, dass die afroamerikanischen Soldaten sich in den Clubs auf dem Stützpunkt nicht willkommen fühlten, so wurde dies zur gefährlichen Gewissheit, wenn afroamerikanische Soldaten weiße deutsche Freundinnen mit in die Clubs brachten – sie wurden wie in der Vergangenheit schief angesehen und oftmals von weißen Soldaten angepöbelt. Die afroamerikanischen Soldaten beklagten auch das Fehlen afroamerikanischer Autoren in den Militärbüchereien und den Stars and Stripes-Buchläden, und dass keine afroamerikanischen Zeitschriften wie Ebony oder Jet zum Verkauf angeboten wurden. Sie bemängelten, dass in Schulen der Militärstützpunkte so gut wie keine afroamerikanischen Lehrer beschäftigt waren, und dass afroamerikanische Geschichte gänzlich auf dem Stundenplan fehle. Sie verlangten, dass die Tageszeitung der Streitkräfte, Stars and Stripes, damit aufhören solle, die Rasse von Tätern, die in Artikeln erwähnt wurden, zu nennen. Die Zeitung tat dies regelmäßig, berichteten die afroamerikanischen Soldaten, besonders wenn es sich um Vergewaltigungen oder Übergriffe auf deutsche Zivilisten durch Afroamerikaner handelte, während bei Berichten über Vorfälle mit weißen Tätern deren Rasse nie explizit genannt wurde.81 Außerdem verlangten die Soldaten, »mehr afroamerikanische Gesichter in den Militärpublikationen«, damit die weißen Kameraden sehen, was Afroamerikaner in der Vergangenheit alles erreicht und zum gesellschaftlichen Fortschritt der USA beigetragen haben.82 Aufgrund ihrer Untersuchungen in Westdeutschland konstatierte die NAACP, dass »Schwarze und Soldaten anderer Minderheiten Opfer von Diskriminierung werden, von der Zeit ihrer Einberufung bis zum Ausscheiden aus dem Militär«. Aber der NAACP-Bericht, der im Oktober 1972 detailliert

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bei Anhörungen des Black Caucus im US-Abgeordnetenhaus vorgetragen wurde, um der US-Regierung erneut Druck zu machen, unterstrich auch, dass gerade das Militär mit seiner strikten Kommandostruktur und dem Gehorsamsprinzip eine große Chance bot, »damit zu beginnen, den Rassismus zu überwinden«. Ähnlich den Vorschlägen der Bürgerrechtsaktivisten während der Auseinandersetzungen um die Aufhebung der Rassentrennung im USMilitär zwischen 1948 und 1954, setzte sich der Black Caucus nun dafür ein, dass das Militär erneut die Führung darin übernehme, das rassistische Erbe des Landes zu überwinden: »Das Militär, das so ein eklatantes Beispiel für schlimmsten US-Rassismus ist, könnte gleichzeitig aber Ausgangspunkt für die Reform einer gesamten US-Gesellschaft werden«.83 Die intensive Betrachtung der bundesdeutschen Entwicklungen verdeutlicht, dass ein erheblicher Teil der Konflikte nicht entstand, weil das US- Militär sich schlechter als in vergangenen Jahren verhielt. Die NAACP zitierte Berichte von Offizieren, dass Rassenspannungen in Garnisonen in Westdeutschland schon seit Jahren gang und gäbe waren. Der große Unterschied zu der jetzigen Krise waren die afroamerikanischen Soldaten, die nun nach Übersee geschickt würden. Die »aggressivere Herangehensweise der jungen Schwarzen, die jetzt in die Armee kommen, ihr offen zur Schau gestellter ›Black Pride‹ und ihre weitaus anspruchsvolleren Erwartungen, wie sie in der Armee und anderswo in der Gesellschaft behandelt werden wollten«, hatten zur Verschärfung der schon länger bestehenden Spannungen geführt.84 Terry Wallace, der sechs Jahre als stellvertretender Büroleiter des Time-Magazins in Vietnam verbracht hatte und das Buch Bloods: Black Veterans of the Vietnam War, geschrieben hatte, verstand vermutlich mehr von der Psychologie der afroamerikanischen Soldaten als jeder andere. Aus diesem Grund lud ihn der Black Caucus als Experte zur Anhörung ein. Wallace konstatierte: »Das Militär hat sich nicht geändert. […] Ich denke vielmehr, dass der Grund für die Unruhen der Wandel innerhalb der schwarzen Bevölkerung ist«. Er fügte hinzu: »Die Schwarzen, die wir jetzt hier drüben haben, nehmen keine Demütigungen mehr hin. Sie nehmen keine Beschimpfungen mehr hin, keine rassistischen Flüche, keine brennenden Kreuze, und keine Südstaaten-Flaggen«. Er stimmte mit der NAACP überein, dass das Militär aufgrund seiner hierarchischen Struktur letztlich die geeignetste Institution sei, um den Wandel einzuleiten. Die Streitkräfte könnten zwar den Rassismus nicht per Befehl über Nacht beenden, aber »sie können sicherstellen, dass ein Kommandeur, der das Verbrennen von Holzkreuzen oder irgendwelche Rassenkonflikte auf seinem Stützpunkt toleriert, die Hoffnung, jemals Admiral oder General zu werden, vergessen kann«.85 Während dessen begann das Militär endlich, erste Maßnahmen zur Entspannung der Situation zu ergreifen. General James Polk wurde dazu gebracht, den Abschied aus der Armee zu nehmen, und wurde im Frühjahr 1971

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durch General Michael Davison als Kommandeur der USAREUR ersetzt. Eine Anzahl weiterer Kommandeure der in Europa dislozierten US-Truppen, die sich als unfähig erwiesen hatten, der Rassenkrise in geeigneter Weise zu begegnen, wurden ebenfalls ausgetauscht. General Davison bekannte offener als sein Vorgänger, wie tief die Probleme saßen, und dass die Zeit für weitreichende Reformen gekommen sei. Er stimmte darin mit Harold Sims überein, dem Vorstandssprecher der National Urban League (afroamerikanische Bürgerrechts-Organisation), dass »das Militär ein Vorbild für die US-Gesellschaft hier in Deutschland auf bauen könnte, das in unserem Land bisher nicht existiert«.86 Um Afroamerikaner und ihre Familien spüren zu lassen, dass das Militär auch ihr Militär sei, bräuchte die 7. Armee »mehr schwarze Lehrer, mehr schwarze Anwälte, mehr schwarze Berater, mehr schwarze Pfarrer und mehr schwarze Offiziere und Unteroffiziere«. Davison sprach sich auch für mehr »schwarzen Inhalt« im Schulunterricht auf den überseeischen Militärstützpunkten aus, »nicht nur in der Lehrerschaft, sondern auch im Stundenplan, der Zivilarbeiterstruktur und in unserer Management-Staffelung«.87 Das Militär begann unter seiner Leitung in umfassender Art und Weise, diesen Forderungen nachzukommen: Afroamerikanische Haarprodukte und Kosmetika sowie »ethnische« Kleidung wurden in den Stützpunktläden angeboten, dazu Bücher afroamerikanischer Autoren. Das Militär flog sogar afroamerikanische Herren- und Damenfriseure ein, um ihren deutschen KollegInnen auf den US-Stützpunkten die spezifischen Anforderungen der Haarbehandlung ihrer afroamerikanischen Kundschaft nahezubringen. Zudem gestand Davison ein, dass die Lage sich nicht bessern könne, so lange Offiziere nicht sensibler gegenüber den Bedürfnissen afroamerikanischer GIs handelten, und so lange sie nicht aufhörten, jeden Ausdruck von Black Pride als Herausforderung ihrer Autorität anzusehen.88 Um das Ziel der vollständigen Integration im Militär zu erreichen, bestand General Davison auch darauf, dass sein Kommandostab ausgewogener besetzt sein müsse. Um dieses Ziel zu erreichen, initiierten die amerikanischen Streitkräfte ein umfassendes Programm zur Verbesserung der Chancengleichheit (affirmative action) unter den verschiedenen Rassen. Ein spezielles Rekrutierungsprogram wurde aufgelegt, um Afroamerikaner und andere ethnische Minderheiten für die Offizierslauf bahn zu gewinnen. Melvin Laird, damals US-Verteidigungsminister, setzte eine spezielle Arbeitsgruppe zur Überprüfung der Militärgerichtsbarkeit-Praxis in den Streitkräften ein. Deren Aufgabe bestand nicht mehr darin, zu untersuchen, ob es Diskriminierung im Militär gab. Vielmehr war ihr Auftrag, den Umfang der Benachteiligungen festzustellen und konkrete Lösungen zu ihrer Abhilfe vorzuschlagen.89 General Davison gründete darüber hinaus ein USAREUR-eigenes »Institut für die Beziehungen zwischen den Rassen« in München, um militärisches Lehr-Personal darin weiterzubilden, wie man rassische oder ethnische Span-

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nungen im Unterricht darstellen und zu ihrer Lösung beitragen könnte. Das Münchner Institut war nach dem Vorbild des Defense Race Relations Institute in Florida gestaltet worden, das seit seiner Gründung 1971 an vorderster Front mit den Rassenspannungen im US-Militär befasst war.90 Der NAACP-Report wiederum führte 1971 zur Eröffnung eines NAACP-Büros in Westdeutschland, um die Interessen der rund 30 000 afroamerikanischen GIs in Westdeutschland besser vertreten zu können.91 Drei Jahre nach den Untersuchungen von Render, NAACP, und CBC, waren bereits signifikante Fortschritte erzielt worden, wie Ebony-Chefredakteur Hans Massaquoi herausfand, als er damals die Tour durch die in Westdeutschland liegenden US-Stützpunkte machte. Hans Massaquoi, auch Autor des autobiographischen Buches Neger, Neger, Schornsteinfeger (1999), war Sohn einer weißen deutschen Mutter und eines afrikanischen Diplomaten, und nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA ausgewandert. Er konstatierte einen konstruktiveren Umgang mit den Rassenspannungen seitens des US-Militärs und zitierte Sergeant William Turner aus Detroit mit den Worten, dass die »Army früher von dieser ganzen Rassenfrage in Angst und Schrecken« versetzt worden sei, und dass »Rassenbeziehungen ein Gebiet waren, das der Militärpfarrer ab und zu in seiner Predigt thematisierte. […] Jetzt, zumindest innerhalb der USAREUR (United States Army Europe), haben sie konkret mit der Umsetzung von Chancengleichheit angefangen. Das ist nicht mehr die Sache des Militärpfarrers. Es ist jetzt Sache von jedermann.«92 Tatsächlich wurden Offiziere von nun an im Vorfeld ihrer Beförderung auch nach ihrem Verhalten und ihrer Einstellung zu Chancengleichheit und Rassenbeziehungen beurteilt.93 Gleichzeitig warnte Massaquoi jedoch, dass noch ein langer und harter Weg bevorstehe, als er abschließend von Freudschen Fehlleistungen Generalmajor Haywards berichtete, dem obersten Beauftragten für Chancengleichstellung innerhalb der USAREUR. Hayward habe – »als ob er von einem ›Ekel Alfred‹-Drehbuch ablese« – die besonderen Herausforderungen für afroamerikanische Soldaten in Deutschland mit den Worten kommentiert: »Er (der Schwarze Soldat) kann nicht einfach in der Heidelberg Altstadt umherschlendern, wie das unsere (gemeint: weißen) Soldaten können, wegen seiner Hautfarbe. Er hat größere Schwierigkeiten, die Bekanntschaft anständiger deutscher Mädchen zu machen, als die amerikanischen, (kurze Pause), als die weißen Soldaten.«94

D eutsche R e ak tionen Die Render-Kommission, die NAACP und der Black Caucus erhielten auch zahlreiche Klagen von Soldaten über Rassismus und Diskriminierung afroamerikanischer GIs in den die Stützpunkte umgebenden westdeutschen

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Gemeinden. Das kam für viele Westdeutsche überraschend, waren sie doch immer stolz darauf gewesen, dass die afroamerikanischen Soldaten – wie in Kapitel 3 und 4 dargestellt – ihre Zeit in Deutschland besonders genossen. In den Augen der afroamerikanischen GIs hatte das gute Ansehen Deutschlands in der Zwischenzeit jedoch stark gelitten. Eine Umfrage aus dem Jahre 1965 ergab beispielsweise, dass damals noch 64 Prozent der afroamerikanischen GIs angaben, dass sie in Westdeutschland mehr Gleichberechtigung erlebten als in den Vereinigten Staaten, dass 6 Prozent angaben, sie würden in den USA besser behandelt, und 30 Prozent kaum Unterschiede in dieser Hinsicht zwischen beiden Ländern zu erkennen vermochten.95 Schon fünf Jahre später, bei einer Befragung aus dem Jahr 1970, äußerten afroamerikanische Soldaten sich in großer Zahl aufgebracht über den unfreundlichen Service in deutschen Restaurants und Diskotheken, vor deren Tür den afroamerikanischen Soldaten oft genug gesagt wurde, sie hätten keinen Zutritt, denn es handle sich um private Clubs nur für Mitglieder, während weiße Soldaten unterschiedslos eingelassen wurden. »Warum beschützen wir die Deutschen, wenn die uns nicht mal bedienen wollen?«, fragte ein verbitterter afroamerikanischer Soldat.96 Andere beklagten sich über deutsche Vermieter, die afroamerikanischen Soldaten und ihren Familien keine Wohnungen vermieteten.97 Ein afroamerikanischer Major schaffte es sogar bis ins Abendprogramm des westdeutschen Fernsehens, als er wütend fragte, warum afroamerikanische GIs ihr Leben riskieren sollten, um westdeutsche Häuser und Wohnungen zu verteidigen, wenn diese den GIs nicht mal vermietet würden?98 Wie lässt sich dieser radikale Umschwung erklären? Der Rassismus in der Bundesrepublik war 1970 sicher nicht stärker als 1945. Im Gegenteil: Die Berichterstattung über afroamerikanische Soldaten in den bundesdeutschen Zeitungen zeigt vielfach einen sensibleren und nachdenklicheren Ton als in den Fünfzigerjahren. Beginnend in den frühen 1960er Jahren berichteten die westdeutschen Medien auch offener über rassistische Vorfälle im eigenen Land, gerade im Hinblick auf die Vergangenheit des Landes vor 1945. Was sich demgegenüber in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre allerdings verändert hatte, war der Umstand, dass die Fortschritte der Bürgerrechtsbewegung in den USA den zuvor so deutlichen Kontrast zwischen legaler Apartheid und offenem Rassismus in Amerika und der relativen Gastfreundlichkeit in Deutschland, die afroamerikanische Soldaten seit 1945 so beeindruckt hatte, abschwächten.99 Die GIs, die jetzt nach Deutschland geschickt wurden, kamen zudem aus den Großstädten der USA und hatten ganz andere Erwartungen als die GIs nach 1945, die noch überwiegend aus dem landwirtschaftlich geprägten und extrem rassistischen Süden der USA kamen. Zudem waren die politisch engagierteren und radikalisierten Black Power-GIs, die nun ihre Dienstzeit in Westdeutschland verbrachten, oft nach einem Einsatz in Vietnam, nicht länger nur mit »Toleranz« und einem etwas weniger feindseligen Ambiente als im Süden der USA

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zufrieden. So sehr die jüngeren Deutschen die martialischen Posen der neuen Generation afroamerikanischer Soldaten, die jetzt nach Deutschland kamen, bewunderten: Die älteren Deutschen waren ebenso wie die Offiziere der US-Army einigermaßen ratlos, wie sie damit umgehen sollten. Ein älterer Deutscher gab zu Protokoll: »Wir haben die schwarzen Soldaten immer gemocht. […] Aber heute sind sie so anders. Sie sind wütend und grob die ganze Zeit. Wir hassen sie nicht, aber wir wissen einfach nicht, was mit ihnen los ist.«100 Hans Massaquoi versuchte den Umstand, dass Deutschland nicht länger als Utopia der Rassengleichheit empfunden wurde, mit einen bemerkenswerten Befund zu erklären. Massaquoi hatte Nazi-Deutschland überlebt und seine ersten Kontakte mit anderen Afroamerikanern geknüpft, als er sich mit afroamerikanischen GIs in seiner Heimatstadt Hamburg anfreundete. Er schrieb in einem Artikel, warum die Entwicklung der vergangenen Jahre dazu geführt hatte, dass Deutschland Anfang der 1970er Jahre nicht mehr als das rassenpolitische Utopia empfunden wurde: »Der von Jim Crow betroffene schwarze GI, ein echter underdog, […] teilte nach dem Krieg großzügig seine Zigaretten und seine Essensrationen mit dem hungernden und völlig demoralisierten ehemaligen Feind. Die Deutschen wiederum öffneten ihre Herzen – und das, was von ihren ausgebombten Wohnungen über geblieben war – ihren schwarzen Samaritern in der olivgrünen Uniform.« Massaquoi fuhr fort: »Jahrzehnte später waren die Deutschen nicht mehr auf schwarze Freunde und amerikanische Zigaretten angewiesen.« Massaquoi und die Mitglieder der NAACP-Delegation bestanden allerdings auch darauf, dass die Diskriminierung afroamerikanischer Soldaten durch Deutsche nicht nur eine Sache von endogenem deutschen Rassismus war. Hinzukam, wie bereits beschrieben, dass weiße US-Soldaten Druck auf deutsche Geschäftsinhaber und Vermieter ausübten, nicht an afroamerikanische GIs zu vermieten oder sie in ihre Lokale zu lassen, wollten sie ihre Kundschaft unter den weißen GIs behalten. In vielen Garnisonen hatte über die Jahre die örtliche Militärführung solche stillschweigenden Arrangements toleriert oder sogar eingeführt, um »Rassenvorfälle« in ihrem Befehlsbereich zu vermeiden. So befand Massaquoi, dass »viele der Vorurteile Deutscher gegenüber schwarzer Soldaten – speziell bei Vermietern und den Barbesitzern – ein direkter Import aus den guten alten USA ist, und in vielerlei Hinsicht die Rassenpolarisierung zuhause widerspiegelt«.101 In den Berichten wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass die Amerikaner nicht nur die Demokratie nach Deutschland zurückgebracht hatten, sondern auch die Gesetze und Gepflogenheiten der amerikanischen Rassentrennung. Jones vom NAACP witzelte, dass die Deutschen bestimmt keine Nachhilfe in Bezug auf Rassismus brauchten, dennoch erinnerte er die Amerikaner daran, dass das US-Militär die Jim Crow-Ordnung nach Deutschland exportiert hatte.

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Ein Hauch von Freiheit Die Aufhebung der Rassentrennung in den europäischen Verbänden der US-Armee begann in kleinen Schritten erst Anfang der Fünfzigerjahre; zu diesem Zeitpunkt war die unterschiedliche Behandlung schwarzer und weißer GIs, wie sie vom Militär vorgelebt wurde, in die deutsche Lebensgewohnheit eingesickert und hat dadurch die Haltung der Deutschen beeinflusst.102

Bedingt durch die öffentliche Aufmerksamkeit in den USA hinsichtlich der Entwicklungen in Deutschland, waren die westdeutschen Behörden bestrebt, jegliche Ansätze deutschen Rassismus’ zu unterbinden. Von der US-Armee und den deutschen Behörden angestellte Untersuchungen ergaben, dass das Problem diskriminierender Vermieter und Lokalbesitzer in der Bundesrepublik keinesfalls so verbreitet war wie gemeinhin angenommen. 1970 waren ganze 33 derartige Vorfälle von Diskriminierung gemeldet worden, bei einer Gesamtzahl von rund 19 000 Soldaten die den deutschen Wohnungsmarkt nutzten – davon zirka 13 Prozent Afroamerikaner. Dennoch waren die westdeutschen Behörden ängstlich darauf bedacht, zu versichern, dass auch diese Zahlen zu hoch und nicht akzeptabel seien.103 Gleichzeitig bestanden sie aber auch nicht länger darauf, dass Diskriminierung ein rein amerikanisches Problem sei, sondern bekannten sich zur Mitverantwortung der deutschen Seite. Vertreter von Bundes- und Landesregierungen sowie städtische Behörden bemühten sich deshalb darum, die neuen Erkenntnisse möglichst großflächig zu verbreiten: Der Render-Report wurde in westdeutschen Zeitschriften abgedruckt, ebenso wie Auszüge aus dem umfangreichen Befund der NAACP.104 Der Bonner General Anzeiger schrieb nach der Lektüre des NAACP-Reports, dass die dort erwähnten Vorfälle »alarmierend und zutiefst beschämend« seien105, und die Stuttgarter Zeitung zitierte Captain Curtis Smothers, den einzigen afroamerikanischen Militärrichter in Westdeutschland, als Beleg dafür, wie entschlossen die afroamerikanischen GIs waren, einen Wandel herbeizuführen: »Wir kämpfen für Rechte, die uns zustehen. Nicht weniger, und nicht mehr. Wir wollen, dass all diejenigen zur Verantwortung gezogen werden, die unsere Rechte nicht respektieren. Und das sowohl hier in Deutschland wie auch zuhause.«106

K alter K rieg und B ürgerrechte Sowohl die deutschen wie auch die amerikanischen Reaktionen auf die Rassenkrise müssen im Kontext des Kalten Krieges analysiert werden. Da die Krise auf den westdeutschen US-Stützpunkten genau in dem Moment eskalierte, als Kongressabgeordnete wie der Demokrat Mike Mansfield die Fortdauer der umfangreichen US-Militärpräsenz in der Bundesrepublik generell in Frage stellten, verstärkte sich der Druck auf Washington und Bonn erheblich. Die amerikanischen Kritiker der weiteren Stationierung von 250.000 Soldaten in

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Westdeutschland wurden aktiv, weil Westdeutschland unter Bundeskanzler Willy Brandt eine neue, von Entspannung gekennzeichnete Politik gegenüber dem Ostblock einleitete und in deren Folge die Spannungen mit der Sowjetunion sukzessive abnahmen. Mansfield und seine Mitstreiter waren der Überzeugung, dass ein Abzug der Hälfte der in Westdeutschland stationierten USTruppen angemessen sei. Unter diesen Umständen war es deutlich einfacher für Bürgerrechtsaktivisten, auf die amerikanische und die westdeutsche Regierung Druck auszuüben. Die NAACP und der Congressional Black Caucus ergriffen die Chance, um ihre eigenen Vorstellungen der Bürgerrechtsentwicklung sowohl in den Vereinigten Staaten wie auch in Deutschland voranzutreiben. Die NAACP forderte die US-Regierung auf, umgehend Regierungsgespräche mit Westdeutschland zu beginnen. »Es gibt keinen Grund, […] warum wir Rassismus seitens der Deutschen tolerieren sollten«. Die NAACP war darüberhinaus entschlossen, das bisherige laissez-faire in der Behandlung rassistischer Zwischenfälle zu ändern. Gespräche auf höchster Regierungsebene seien nötig, da afroamerikanische GIs sich nicht auf die Intervention ihrer Kommandeure verlassen konnten, die all zu oft bewiesen, dass sie Rassismus tolerierten. Die GIs konnten sich aufgrund des Truppenstationierungsabkommens auch nicht direkt an deutsche Behörden wenden, wenn sie diskriminiert wurden. Der Black Caucus reagierte nicht minder apodiktisch: »Wenn der Rassismus sein hässliches Haupt in Deutschland oder Korea erhebt, haben die dort die Freiheit sichernden Amerikanern jedes Recht, zu erwarten und zu verlangen, dass die örtliche US-Botschaft sich energisch für sie einsetzt.« 107 Um der US-Regierung und der Bundesrepublik den Ernst der Lage klar zu machen, drohte der Black Caucus mit konkreten Maßnahmen: »Angesichts der steigenden Zahl von Vorfällen […], sieht sich der Black Caucus gezwungen, seine Unterstützung für die Bewilligung der notwendigen EtatMittel zur fortdauernde Stationierung von Truppen in Ländern zu überdenken, in denen die menschliche Würde der schwarzen Soldaten verletzt wird«.108 Mansfields parallele Forderung nach einem fünfzigprozentigen Truppenabzug stellte somit eine direkte Bedrohung für die Europa-Strategie des Pentagons dar, die auf einer fortdauernden Stationierung substantieller Militäreinheiten in Westdeutschland auf dem bisherigen Stand beruhte. Vertreter von USAREUR versicherten der westdeutschen Regierung, dass Präsident Nixon und sein Kabinett sich umfassend dafür einsetzten, den bisherigen Umfang der Truppenstationierung in Westdeutschland als Teil der NATO-Vereinbarungen beizubehalten, warnten aber gleichzeitig davor, dass jeder Bericht über Diskriminierung von deutscher Seite diese Bemühungen erschwerten.109 Der westdeutschen Regierung war angesichts der prekären Position ihres Landes im Europa des Kalten Krieges ebenso an einer Fortsetzung der US-Truppenstationierung gelegen.110 Durchgreifende Maßnahmen waren von Nöten, da jeder Bericht über diskriminierende Verhaltensweisen deutscher Staatsbürger

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gegenüber afroamerikanischen GIs Wasser auf die Mühlen derjenigen war, die sich für einen Abzug der US-Truppen einsetzten.111 Helmut Schmidt, der westdeutsche Verteidigungsminister, erläuterte in einem Brief an die Ministerpräsidenten der Bundesländer, dass das Verbleiben der amerikanischen Streitkräfte in der Bundesrepublik für die Aufrechterhaltung des militärischen Gleichgewichtes im Kalten Krieg unverzichtbar sei. »Es gibt für sie weder militärisch, und schon gar nicht politisch oder psychologisch einen Ersatz. Die Sorgen amerikanischer Soldaten in der BRD müssen daher auch unsere sein.«112 Da das Verbleiben umfangreicher US-Truppenverbände aus politischer, strategischer und wirtschaftlicher Hinsicht von hoher Bedeutung für Westdeutschland war, wurden die Regierungsbehörden auf allen Ebenen aktiv, um den Befunden aus den drei Untersuchungsberichten nachzugehen und so rasch wie möglich Abhilfe zu schaffen. Um ihre amerikanischen Bündnispartner ebenso wie die afroamerikanische US-Bevölkerung davon zu überzeugen, dass Westdeutschland den afroamerikanischen Soldaten gegenüber keineswegs feindselig eingestellt war, gaben Bundeskanzler Willy Brandt, Bundespräsident Gustav Heinemann, Außenminister Walter Scheel und Verteidigungsminister Helmut Schmidt persönliche Erklärungen ab, in denen sie den Rassismus, dem afroamerikanische Soldaten in Westdeutschland bei der Wohnungssuche oder beim Besuch eines Restaurants oder einer Diskothek ausgesetzt waren, nachdrücklich verurteilten. Willy Brandt forderte die Deutschen im März 1971 dazu auf, nicht andere Länder wie die Vereinigten Staaten oder Südafrika für ihren Rassismus zu kritisieren, sondern stattdessen den Blick auf die kritische Situation im eigenen Land zu richten. »Ich bin gegen Selbstgerechtigkeit«, sagte Brandt, »wenn weit entfernte Länder kritisiert werden. Mildtätigkeit beginnt zuhause, so wie auch die Menschenrechte hier bei uns zuhause beginnen.«113 Brandt ermahnte die Westdeutschen, ihren Patriotismus nicht auf Überlegenheitsgefühlen zu gründen, sondern auf geistiger Offenheit gegenüber Menschen, die von anderen Kontinenten nach Deutschland kämen, sei es als Soldaten oder als Studenten. Diese Form geistiger Offenheit sei es, die den Deutschen rund um den Globus Ansehen und Respekt verschaffen könne: »Toleranz made in Germany – das wäre etwas, worauf wir wirklich stolz sein könnten.«114 Die Bundesrepublik begann gleichzeitig, im Rahmen eines umfassenden, 600 Millionen DM-Programms, die maroden US-Kasernen zu modernisieren und zu sanieren. Um die Lage auf dem angespannten deutschen Immobilienmarkt zu verbessern, wurden zahlreiche Wohnblocks für US-Soldaten mit Familie neu errichtet.115 Damit sollte den Klagen afroamerikanischer GIs über Wohnungsknappheit und Diskriminierung begegnet werden. Konferenzen mit dem Thema, wie Diskriminierung bekämpft und toleranteres Verhalten sichergestellt werden könne, wurden sowohl auf Regierungs-, Länder- und lokaler Ebene abgehalten, als auch in Zusammenarbeit mit Bürger- und Wirt-

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schaftsvereinigungen, um Vermieter und Restaurant- oder Barbesitzer für dieses Thema zu sensibilisieren. Außerdem wurden strikte neue Regeln erlassen, die empfindliche Strafen für Personen vorsahen, die sich weiterhin weigerten, an afroamerikanische Soldaten und ihre Familien zu vermieten oder ihnen den Zugang zu Kneipen, Clubs oder Diskotheken zu gewähren. Westdeutsche Regierungsvertreter instruierten die Rundfunkanstalten und Zeitungsverlage, bei der Berichterstattung über Verbrechen seitens US-Militärangehöriger keine Angaben zur Rasse der Täter mehr zu machen. Zeitungsredakteure wurden dazu angehalten, in ihren Publikationsorganen mit Nachdruck die Leistungen und Beiträge von Afroamerikanern im Hinblick auf die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika herauszustellen.116 Diese Verlagerung der »Rassenfrage« auf die höchste Ebene der amerikanisch-westdeutschen Beziehungen und der Außenpolitik beider Länder stellte eine dramatische Veränderung gegenüber den 1950er und 1960er Jahren dar. Damals waren Rassismus-Beschwerden afroamerikanischer GIs noch weitgehend unbeachtet geblieben, und hatten im Zweifelsfall maximal zu örtlichen und momentanen Lösungen von Seiten der betroffenen Kommandeure und der westdeutschen Bürgermeister geführt.117 Das Eingeständnis der westdeutschen Regierung hinsichtlich des verbreiteten Rassismus auch von deutscher Seite stellte einen Wendepunkt im Vergleich zu den Praktiken früherer Jahrzehnte dar, als bei solchen Vorfällen die Verantwortung für die Diskriminierung afroamerikanischer GIs einseitig den USA zugeschoben worden war, unter dem Hinweis, dass es sich dabei um einen Import aus den USA handle.118 Daher lässt sich zusammenfassend formulieren, dass viele der maßvollen Forderungen der Bürgerrechtsbewegung, die noch auf die Zeit des Zweiten Weltkriegs zurückgingen, nun endlich umgesetzt wurden, weil der Protest radikaler Gruppen innerhalb der afroamerikanischen GIs zusammen mit ihren westdeutschen Unterstützern aus der Studentenszene die westdeutsche und die amerikanischen Regierung zum Handeln gezwungen hatte. Bezeichnenderweise war es gerade die Unterstützung durch die linken westdeutschen Studenten, die dem Anliegen der afroamerikanischen GIs erst das nötige Gehör diesseits und jenseits des Atlantiks verschafft hatte. Die Unterstützung durch die Studenten stand in engem Zusammenhang mit der Radikalisierung der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung Ende der Sechzigerjahre und den zunehmend kontinentübergreifenden Aktivitäten überall dort, wo US-Truppen stationiert waren. Auf dem Höhepunkt der Krise im US-Militär 1970/71 wurde die Lage der afroamerikanischen GIs im US-Militär zu einem Thema der Außenpolitik sowohl der westdeutschen wie der amerikanischen Regierung. Begriffe wie »Diskriminierung«, »Gleichberechtigung« und »Chancengleichheit« nahmen jetzt für die westdeutschen Beamten und die Bevölkerung eine ganz neue Bedeutung an. Wie eng westdeutsche, amerikanische und afroame-

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rikanische Belange miteinander verknüpft waren, wurde durch die Eröffnung des ersten westdeutschen Büros der NAACP 1971 unterstrichen.

A nmerkungen 1 | Kongressaufzeichnungen, 92. Kongress, erste Sitzung, 9. März 1971: Race Relations – A New Military Mission for the New American Revolution. 2 | Haynes Johnson und George Wilson: Army in Anguish, New York: Pocket Books, 1972, S. 20; William Hauser: America’s Army in Crisis – A Study in Civil-Military Relations, Baltimore: Johns Hopkins University Press, 1973. Für eine detaillierte Beschreibung der Krise in der US-Armee, siehe Alexander Vazansky: An Army in Crisis – Social Conflict in the United States Army Europe and 7th Army, 1968–1975, Phil. diss., Universität Heidelberg, 2009. Höhn hat auch bereits in anderen Publikationen zu der Thematik geschrieben: »The Black Panther Solidarity Committees and the Voice of the Lumpen«, in: German Studies Review, Vol. XXXI, Nr. 1 (February 2008), S. 133-54; »›Black Panther‹ in der Pfalz: Allianz aus radikalen westdeutschen Studenten und afroamerikanischen GIs«, in: Chaussee. Zeitschrift für Literatur und Kultur in der Pfalz 23 (Mai 2009). Vgl. ebenfalls Höhn: »›I Prefer Panthers to Pigs‹ – The Black Panther Solidarity Committee, the Voice of the Lumpen and the Trial of the Ramstein 2«, in: Belinda Davis, Martin Klimke, Carla McDougall und Wilfried Mausbach (Hg.): Changing the World, Changing The Self – Political Protest and Collective Identities in 1960/70s West Germany and the United States, New York: Berghahn Books, 2010, S. 215–240; »The 1971 Racial Crisis in the U.S. Military: Finding Solutions in West-Germany and South Korea«, in: Maria Höhn und Seungsook Moon (Hg.): Over There: Living With the U.S. Military Empire, Durham: Duke University Press, 2010, S. 311–36, sowie Maria Höhn und Martin Klimke: A Breath of Freedom, New York: Palgrave Macmillan, 2010, Kapitel 8, sowie Oliver Schmidt: Afroamerikanische GIs in Deutschland 1944–1971, Münster: Monsenstein und Vannerdat, 2013. Siehe zudem Kimberley Philipps: War! What is it Good For? Black Freedom Struggles & the U.S. Military from World War II to Iraq, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 2012, insb. Kapitel 5. 3 | Davison, zitiert in: Haynes Johnson und George Wilson: Army in Anguish, Washington Post National Report, New York: Pocket Book, 1972, S. 20. 4 | Congressional Record, 92nd Congress, 1st Session, July 16, 1971, 25543. 5 | Johnson und Wilson: Army in Anguish; Hauser: America’s Army in Crisis; und Daniel Nelson: Defenders or Intruders? The Dilemmas of U.S. Forces in Germany, Boulder: Westview, 1987, S. 102–108. Für eine westdeutsche Schilderung der Ereignisse siehe Adalbert Weinstein: »Die Siebte Armee erholt sich von Vietnam« in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 25. August 1972, S. 6; »Wir mussten die Siebte Armee ruinieren«, in: Der Spiegel, 17. April 1972, S. 64–81, 65; »Die Armee schafft sich immer neue Neger«, in: Der Spiegel, 21. Juni 1971, S. 32f. Vgl. ebenfalls Höhn: »›I Prefer Panthers to Pigs‹«, S. 215–39; und Maria Höhn: »The Black Panther Solidarity Committees and the Voice of the Lumpen«, in: German Studies Review 31, Nr. 1 (Februar 2008), S. 133–54.

Kapitel 8: Der Ruf nach Gerechtigkeit 6 | »Wir mussten die Siebte Armee ruinieren«, S. 81. 7 | Ebd., 72. Für eine detaillierte Schilderung der Krise siehe Höhn (2008), (2009) sowie Höhn: »The 1971 Racial Crisis in the U.S. Military: Finding Solutions in West-Germany and South Korea«, in: Maria Höhn und Seungsook Moon (Hg.): Over There: Living With the U.S. Military Empire, Durham: Duke University Press, 2010, S. 311–36 für einen Vergleich mit Südkorea; Vazansky: »An Army in Crisis« und Schmidt (2013); Dieter Brünn (Hg).: Widerstand in der US-Armee: GI Bewegung in den siebziger Jahren, Berlin: Harald Kater Verlag, 1986; und David Cortright: Soldiers in Revolt: The American Military Today, Chicago: Haymarket Books, 1975. 8 | Der Spiegel, 17. April 1972, S. 65; Johnson und Wilson: Army in Anguish, S. 26. 9 | »Wir mussten die Siebte Armee ruinieren«, S. 65. Johnson und Wilson: Army in Anguish, S. 26. 10 | Zum Drogenproblem in der US-Armee vgl. »Orientierungsbericht Deutsche Botschaft, 10. August 1971, Drogenmißbrauch in der US Armee«, B 31/346, Archiv des Auswärtigen Amtes (im Folgenden abgekürzt als ArchAA); »Die Siebte Armee erholt sich von Vietnam«, in: FAZ, 25. August 1972, S. 6; »Wir mussten die Siebte Armee ruinieren«, S. 65; Dietrich Staritz: »Die Armee schafft sich immer neue Neger«. Spiegel-Interview mit den desertierten US-Soldaten Ronald Bolden und Samuel Robertson«, in: Der Spiegel, 21. Juni 1971, S. 32–33. Siehe ebenfalls Vazansky: »Army in Crisis«. 11 | Nelson: Defenders or Intruders, S. 108; und »Die Siebte Armee erholt sich von Vietnam«, S. 6. Zur Geschichte des Dap siehe das vom Smithsonian for Folkli12 |  fe and Cultural Heritage geförderte Forschungsprojekt von LaMont Hamilton: Five on the Black Hand Side: http://www.folklife.si.edu/talkstory/2014/ five-on-the-black-hand-sideorigins-and-evolutions-of-the-dap/. 13 | Zur Berichterstattung westdeutscher Zeitungen vgl. »Nicht zuständig für das Seelenheil von US-Soldaten«, in: Abendzeitung, 21. Januar 1966 und 16. September 1968; »Die letzte Warnung – Holzkreuze verbrannt«, in: Der Stern, 11. Oktober 1970; »Ku-Klux-Klan in Deutschland«, in: Mannheimer Morgen, 15. September 1970; »Brennendes Kreuz vor der Kaserne – Militärpolizei ermittelt«, in: Der Spiegel, 17. April 1972; »Die Armee schafft sich immer neue Neger«, in: Der Spiegel, 21. Juni 1971. Für eine detaillierte Beschreibung der Rassenkonflikte in der US-Presse vgl. Hauser: America’s Army in Crisis; Johnson und Wilson: Army in Anguish. 14 | Adalbert Weinstein: »Die Siebte Armee erholt sich von Vietnam / Kampfbereit trotz Haschisch und Rassenspannungen / Besuch beim V. Korps (II)«, in: FAZ, 25. August 1972, S. 6.; Brünn 1986, S. 90. 15 | NAACP 1971 und Kongressaufzeichnungen, 92. Legislaturperiode, 1. Sitzung, »Race Relations«, 9. März 1971, S. 5650f. und 16. Juli 1971, S. 25542f. 16 | Thomas Johnson: »›I’ll Bleed for Myself,‹ Says Black U.S. Soldier in Europe«, in: New York Times, 11. Oktober 1970, S. 1 und 8.

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Ein Hauch von Freiheit 17 | NAACP: The Search for Military Justice. Siehe auch »Race Relations«, S. 5650–51; und »The United States and NATO: Troop Reductions–VIII«, 92nd Congress, 1st sess., Congressional Record 117, 16. Juli 1971, S. 25542f. 18 | »Wir mussten die Siebte Armee ruinieren«, S. 65. 19 | Hauser: America’s Army in Crisis, S. 47, 78. 20 | George Wilson und Haynes Johnson: »GI Crime, Violence Climb Overseas: Race, Drugs, Idleness Mix Together in Explosive Combination«, in: Washington Post, 13. September 1971, S. 1, 4. 21 | »Die XXII. Ordentliche Delegiertenkonferenz des SDS (Resolutionen und Beschlüsse)«, 27, in: Papers of Ronny Loewy, Bd. 1 (SDS 1966–1970), Hamburger Institute für Sozialforschung (HIS). 22 | Zu der GI-Bewegung in den USA, siehe z. B. den Dokumentarfilm Sir! No Sir!, http://documentarystorm.com/sir-no-sir/. Ab 1967 eröffneten Studenten in den Zivilgemeinden in der Nähe der großen Garnisonen »GI Cafés«. Dort konnten sich GIs dem militärischen Umfeld entziehen und sich über die Antikriegsbewegung und Möglichkeiten zur Fahnenflucht informieren. James Lewes hat in den letzten Jahren GI Zeitungen von US Militärbasen auf der ganzen Welt gesammelt und digitalisiert. Sie werden ab Herbst 2015 an der Wisconsin Historical Society und dem International Institute of Social History in Amsterdam abrufbar sein. Siehe auch James Lewes: Protest and Survive: Underground GI Newspapers During the Vietnam War, Westport: Praeger, 2003; und Cortright: Soldiers in Revolt und Brünn: Widerstand in der US-Armee. 23 | »Fluchthelfer: Raketen über West-Berlin«, in: konkret 12 (Dezember 1967), S. 49f.; »Geheimgehalten: ›Raketen‹ gegen US-Hauptquartier in Westberlin«, in: Berliner ExtraDienst, 46 (Oktober 1967), S. 1. 24 | Manbey an Department of State: »October 21 Demonstrations«, Telegram, Priority 2942, American Consulate Frankfurt, 22. Oktober 1967, in: RG 59, Central Foreign Policy Files, 1967–69, POL 13–2, GER W, 1/1/67, Box 2125, NA. 25 | »The Afro-American«, in: AStA Mannheim, Heft, 1967, in: USA GIs, German SDS Papers, APOB. 26 | »Aufruf zu Teach-In und Demonstration«, in: Sozialistische Correspondenz Info (SCI), 9. Mai 1970. 27 | Kongressaufzeichnungen, 92. Legislaturperiode, zweite Sitzung, »Racism in the Military«, 13.–14. Oktober 1972, S. 36 588. 28 | »Die Armee schafft sich immer neue Neger«, in: Der Spiegel, 21. Juni 1971; und »Höherer Grad«, S. 31f. 29 | Für das Zitat vgl. Der Spiegel, 17. April 1972, S. 72. Vgl. ebenfalls »Schwarze Frustration«, in: Der Spiegel, 25. Januar 1971; »Wie Coca Cola«, in: Der Spiegel, 23. August 1971 und Der Spiegel, 21. Juni 1971. Die Mitschrift des Interviews von Bolden und Roberts befindet sich im »Archiv für Soldatenrechte«, einer Sammlung von Antikriegsmaterialien gegründet von Max Watts und jahrelang von dem US-Veteranen Dave Harris und dem deutschen Aktivisten Dieter Brünn in Berlin verwaltet. (Die Unterlagen des Archivs wurden nach dem Tod von Dave Harris und Dieter Brünn vom International Institute of

Kapitel 8: Der Ruf nach Gerechtigkeit Social History in Amsterdam übernommen). Der Spiegel berichtete ebenfalls ausführlich über die Black Panther-Anführer in den Vereinigten Staaten. Vgl. beispielsweise das Spiegel-Interview mit Stockey Carmichael: »Amerika niederbrennen, das wäre phantastisch«, in: Der Spiegel, 17/1969, S. 124–132 sowie »Cleaver – Seele aus Feuer«, in: Der Spiegel, 20/1969, S. 189–192. 30 | »›I’ll Bleed for Myself‹«, S. 1 und 8. 31 | Interview Karl Dietrich »KD« Wolff mit Höhn. Klimke: The Other Alliance, S. 411. 32 | Das Problem des »kulturellen« Nationalismus überschattete die Zusammenarbeit von Anfang an. Vgl. beispielsweise das Flugblatt von SDS und AStA Mannheim, das afroamerikanische GIs zu einer Solidaritätsdemonstration für den Kampf der afroamerikanischen Amerikaner einlud. im APO-Archiv, Black Panther-Ordner, Flugblatt mit dem Titel Black GIs. 33 | Höhn (2008). Siehe auch die wichtige Arbeit von Moritz Ege: Schwarz werden: »Afroamerikanophilie« in den 1960er und 1970er Jahren, Bielefeld: transcript, 2007 mit einer umfassenden Diskussion dieser Probleme. 34 | Interview »KD« Wolff mit Höhn. Elizabeth Pfeifer: »Public Demonstrations of the 1960s – Participatory Democracy or Leftist Fascism?«, in: Philipp Gassert und Alan Steinweis (Hg.): Coping with the Nazi Past – West German Debates on Nazism and Generational Conflict, 1955–1975, New York: Berghahn Books, 2006, S. 199 belegt dies für die Studentenproteste insgesamt. Vgl. hierzu auch Kraushaar: Frankfurter Studentenbewegung, Bd. 1, S. 270 zu Dutschkes Überlegungen bezüglich einer Stadtguerilla. Ebenso Wolfgang Kraushaar, Karine Wieland und Jan Philip Reemtsma: Rudi Dutschke, Andreas Baader und die RAF, Marburg: Hamburger Edition, 2005. |  APO-Archiv, SDS Nachlass, »GIs«; Moritz Ege: Schwarz werden: 35  »Afroamerikanophilie«. 36 | Ebd. 37 | Voice of the Lumpen (VOL), Mai/Juni 1971. Die erste Ausgabe vom November 1970 bietet eine ausführliche Übersicht zum Rollenverständnis der VOL im revolutionären Kampf. Das »Archiv für Soldatenrecht« Berlin (jetzt im International Institute of Social History in Amsterdam) verfügt über Kopien dieser Zeitung. 38 | Interview KD Wolff. 39 | Bundesarchiv Koblenz, B 106/39985 mit zahlreichen Berichten des Bundesamts für Verfassungsschutz und des Bundesinnenministeriums zu pro-Black Panther Veranstaltungen, die in ganz Westdeutschland zwischen Dezember 1969 und Januar 1970 stattfanden. Bis zu 1.000 Teilnehmer versammelten bei den jeweiligen teach-ins. 40 | Bernd Armbruster: »Schwarze GIs – ›Wir wollen Freiheit jetzt‹«, in: Heidelberger Tageblatt, 6. Juli 1970. Vgl. ebenfalls »700 farbige US-Soldaten in der Neuen Aula«, in: Rhein-Neckar-Zeitung, 6. Juli 1970, S. 3; »Ku-Klux-Klan in Deutschland«, in: Der Stern, 11. Oktober 1970; »Einmischung«, in: Die Welt, 7. Juli 1970; »Treten farbige GI’s in Aktion?«, in: Rhein-Neckar Zeitung, 27. Juni 1970; und »Rassenstreit der Amerikaner in Europa«, in: FAZ, 7. September 1970. 41 | Rhein Neckar Zeitung, 27. Juni 1970.

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Ein Hauch von Freiheit 42 | Wolfgang Kraushaar: Frankfurter Schule und Studentenbewegung, Bd. 1, S. 474– 492 mit einer Übersicht der Aktivitäten in Frankfurt a. M. und Martin Klimke: The Other Alliance – Student Protest in West Germany & the United States in the Global Sixties, Princeton, NJ: Princeton University Press, 2010. Für die Einzigartigkeit dieser Zusammenarbeit siehe Höhn: »The 1971 Racial Crisis in the U.S. Military: Finding Solutions in West-Germany and South Korea«, in dgl. Over There (2010). 43 | Stadtarchiv Kaiserslautern, Kulturamt, Akte »Fruchthalle / Vermietung«. Vgl. ebenfalls Hamburger Institut für Sozialforschung (im Folgenden HIS), Sammlung Wolff: »Black Panther Info«, Heft publiziert vom Solidaritätskomitee 1971, S. 16. Archiv des Auswärtigen Amts, B 31/346, Bundesminister der Justiz, Bericht vom 15. Februar 1971 an das Auswärtige Amt, »Black Panther«. 44 | Jochen Staadt: »Ein Schwarzer Panther auf der Flucht«, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 7. September 2008, S. 10. 45 | Zur Berichterstattung über den Prozess vgl. »Küßchen, Zigaretten und lange Pausen«, in: Rheinpfalz, 2. Juli 1971; »Black Panther Prozess mit Zwischenfällen«, in: Rheinpfalz, 18. Juni 1971; »Schwarze Hinne«, in: Der Spiegel, 21. Juni 1971; und »Die heile juristische Welt kam doch in Unordnung«, in: FR, 28. Juni 1971. Zu einer eingehenderen Beschreibung zur Rolle des Ramstein-Prozesses als Auslöser für eine deutsche Debatte über Rassismus und die NS-Vergangenheit und für eine detaillierte Beschreibung der Aktivitäten vor Ort vgl. Höhn: »›I Prefer Panthers to Pigs‹ – The Black Panther Solidarity Committee, the Voice of the Lumpen and the Trial of the Ramstein 2«, in: Belinda Davis, Martin Klimke, Carla McDougall und Wilfried Mausbach (Hg.): Changing the World, Changing The Self – Political Protest and Collective Identities in 1960/70s West Germany and the United States, New York: Berghahn Books, 2010 sowie »›Black Panther‹ in der Pfalz: Allianz aus radikalen westdeutschen Studenten und afroamerikanischen GIs«, in: Chaussee. Zeitschrift für Literatur und Kultur in der Pfalz 23. Mai 2009. 46 | »The Trial of the Ramstein 2 Begins«, in: VOL, 6. Ausgabe. 47 | VOL, Mai/Juni 1971 und VOL, 6. Ausgabe. 48 | »Ramstein 2-Prozess«, in: Antiimperialistischer Kampf 2/3, Materialien & Diskussion, S. 34. 49 | »Black GI Activists in Germany will Boycott Pentagon Inquiry«, in: New York Times, 28. September 1970. 50 | »Panther-Sprung nach Europa«, in: SZ, 18. Dezember 1970. 51 | »Küsschen, Zigaretten und lange Pausen«, in: Rheinpfalz, 2. Juli 1971. 52 | Bernd Armbruster: »Schwarze GIs – ›Wir wollen Freiheit jetzt‹«, in: Heidelberger Tageblatt, 6. Juli 1970. Vgl. ebenfalls »700 farbige US-Soldaten in der neuen Aula«, in: Rhein-Neckar-Zeitung, 6. Juli 1970, S. 3. »Ku-Klux-Klan in Deutschland«, in: Der Stern, 11. Oktober 1970; »Einmischung«, in: Die Welt, 7. Juli 1970; »Treten farbige GIs in Aktion?«, in: Rhein-Neckar Zeitung, 27. Juni 1970; und »Rassenstreit der Amerikaner in Europa«, in: FAZ, 7. September 1970. 53 | Wolff versuchte, seine Organisation nach dem Auseinanderbrechen der Black Panther Party in den USA am Leben zu erhalten, indem er erklärte, das Solidaritäts-

Kapitel 8: Der Ruf nach Gerechtigkeit komitee habe sich nie uneingeschränkt mit den Black Panthers identifiziert, sondern seine Hauptaufgabe darin gesehen, Solidarität zu schaffen mit dem Kampf der Black Panthers. Vgl. »Zur Spaltung der Black Panther Partei«, in: Antiimperialistischer Kampf, Nr. 1/1972, Materialien & Diskussion, S. 1. 54 | »Rassenstreit der Amerikaner in Europa«, in: FAZ, 7. September 1970, dort wird die Black Panther-Veranstaltung vom 4. Juli 1970 an der Universität Heidelberg als Auslöser für die Untersuchungen der US-Regierung bzgl. der Diskriminierung in den Streitkräften dargestellt. 55 | Archiv des Auswärtigen Amts, Aktenverzeichnis B 86/1425, B86/1392 und B 106/80798; aus diesen Aufzeichnungen geht hervor, wie besorgt Vertreter der deutschen Regierung waren, dass der zunehmende Ärger der afroamerikanischen GIs über deutschen Rassismus die Kampfmoral untergraben und damit die westdeutsche Sicherheit gefährden könnte. Zu den auf Staatsebene getroffenen Maßnahmen als Reaktion auf diese Ereignisse vgl. Hauptstaatsarchiv Hessen, Staatskanzlei, 502-7425/26. Zur Berichterstattung über die von den Protesten in Gang gesetzten Initiativen vgl. »Farbige fühlen sich ausgeschlossen – Gespräche mit amerikanischen Soldaten in Deutschland«, in: FR, 13. Februar 1971 und »US-Neger in Deutschland beklagen Diskriminierung«, in: General Anzeiger, 6. Juni 1971. Zu den Debatten in Amerika vgl. Kongressaufzeichnungen, 92. Legislaturperiode, 1. Sitzung, 9. März 1971, »Race Relations – A New Military Mission for the New American Revolution« und Kongressaufzeichnungen, 16. Juli 1971, S. 25442f. 56 | »Black Explosions in West Germany«, in: Time, 21. September 1970, aufgerufen über www.time.com/time/magazine/article/0,9171,942275,00.html. Für eine detaillierte Diskussion, wie die Krise in der US-Armee in Südkorea interpretiert und gehandhabt wurde siehe Katherine Moon: Sex Among Allies: Military Prostitution in U.S.-Korea Relations, New York: Columbia University, 1997 sowie Höhn: »The 1971 Racial Crisis in the U.S. Military: Finding Solutions in West-Germany and South Korea«, in: Höhn und Moon (Hg.) (2010), S. 311–36. 57 | Department of Defense, U.S. Assistant Secretary of Defense, Manpower and Reserve Affairs: 1970: U.S. Military Race Relations in Europe, Washington, DC, 1970 (im Folgenden zitiert als Render Report); NAACP: The Search for Military Justice. Report of an NAACP Inquiry Into the Problems of the Negro Servicemen in West Germany, New York, 1971; und NAACP Archiv, Library of Congress, NAACP Part 5, Box 2704, Ordner 9. 58 | NAACP Part 5, Box 2704, Ordner 8: Memorandum. 59 | Ebd. 60 | Alarmiert von dem Umstand, dass auch ein Jahr nach Abschluss der Untersuchungen noch keine substantiellen Änderungen eingeführt worden waren, fasst der CBC seine Erkenntnisse aus den Anhörungen im 1971 zusammen und brachte sie als Congressional Record im Oktober 1972 den übrigen Abgeordneten zur Kenntnis. See »Racism in the Military«, 36596. 61 | »Racism in the Military«, 36584. 62 | NAACP Part 5, Box 2704, Ordner 9, S. 37.

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Ein Hauch von Freiheit 63 |  NAACP Part 5, Box 2704, Ordner 9, S. 18; und The Search for Military Justice, S. 19. 64 | Johnson und Wilson: Army in Anguish, S. 26. 65 | NAACP Part 5, Box 2704, Ordner 9, S. S. 26–28. 69 | NAACP Part 5, Box 2705, Ordner 11. 70 | Wilson und Johnson: »GI Crime, Violence Climb Overseas«, S. 14. 71 | NAACP Part 5, Box 2705, Ordner 7. 72 | »Racism in the Military«, S. 36584–86, siehe ebd., S. 36594. Siehe auch NAACP: The Search for Military Justice, S. 13. 73 | »Racism in the Military«, S. 36583, 36584, 36586, 36594; und Trip Report, NAACP Part 5, 20, Box 2704, Ordner 9. 74 | NAACP Part 5, Box 2704, Ordner 9, S. 30. 75 | NAACP 1971 und Render Report. Zur deutschen Berichterstattung über Rassismus im US-Militär vgl. »›Schwierigkeiten‹ im Militärgefängnis eine Folge von Rassenhass und Schikanen?«, in: Mannheimer Morgen, 15. August 1970; »Ku-Klux-Klan in Deutschland«, in: Der Stern, 11. Oktober 1970. 76 | NAACP: The Search for Military Justice. 77 | Render Report, S. 10. Der Offizier war im Irrtum: Render war kein Angehöriger des Militärs, sondern Zivilangestellter im Pentagon. 78 | NAACP Part 5, Box 2704, Ordner 9, S. 33; und »Panther Sprung nach Europa«, in: Süddeutsche Zeitung (SZ), 18. Dezember 1970. Siehe auch Szwitalski: »Ku-Klux-Klan in Deutschland«. 79 | NAACP Part 5, Box 2705, Ordner 11. 80 | NAACP Part 5, Box 2705, Ordner 11. 81 | NAACP Part 5, Box 2704, Ordner 9. Ebenfalls Kongressaufzeichnungen, 92. Legislaturperiode, 2. Sitzung, »Racism in the Military«, 13.–14. Oktober 1972, S. 36594. 82 | NAACP Part 5, Box 2704, Ordner 9, S. 28. 83 | Kongressaufzeichnungen, 92. Legislaturperiode, 2. Sitzung, »Racism in the Military«, 13.–14. Oktober 1972, S. 36582. 84 | NAACP Part 5, Box 2704, Ordner 9. Trip Report, S. 20. 85 | Kongressaufzeichnungen, 92. Legislaturperiode, 2. Sitzung, »Racism in the Military« 13.–14. Oktober 1972, S. 36589f. 86 | NAACP Part 5, Box 2703, Ordner 7. 87 | Rede von General Michael Davison am 10. November 1971 auf der Chancengleichheits-Tagung in Berchtesgaden. Die deutsche Übersetzung findet sich im Hessischen Hauptstaatsarchiv, Wiesbaden, Staatskanzlei 502-7426, S. 105–109. 88 | NAACP Part 5, Box 2703, Ordner 7. USAREUR Chancengleichheits-/Umgangsformen-Tagung, 10. November 1971. 89 | Eine detaillierte Diskussion dieser Reformen bei Vazansky: »An Army in Crisis«, S. 89–96. 90 | Vazansky, S. 135.

Kapitel 8: Der Ruf nach Gerechtigkeit 91 | Hessisches Hauptstaatsarchiv, Wiesbaden, Staatskanzlei 502-7426, S. 112. »NAACP to Open German Branch – Cries of Negro Americans Spur Action by Group«, in: New York Times, 22. Juli 1971. 92 | Hans Massaquoi: »A Battle the Army Can’t Afford to Lose«, in: Ebony, Februar 1974 (im Folgenden zitiert als Massaquoi 1974). 93 | Massaquoi 1974. 94 | Ebd. 95 | Charles Moskos: The American Enlisted Man: The Rank and File in Today’s Military, New York: Russell Sage Foundation, 1970, S. 126. The President’s Committee on Equal Opportunity in the Armed Forces: »Final Report: Military Personnel Stationed Overseas«, 1964, in: Morris MacGregor und Bernhard Nalty (Hg.): Blacks in the United States Armed Forces: Basic Documents, Bd. 12, Wilmington: Scholarly Resources, 1997. 96 | NAACP Part 5, Box 2704, Ordner 9, S. 31. 97 | »Negroes Face Race Bias in Germany«, in: Daily Defender, 17. April 1967. Zu diesen Protesten vgl. Höhn: »The Black Panther Solidarity Committees« und »›I Prefer Panthers to Pigs‹«. 98 | Archiv des Auswärtigen Amtes (ArchAA), B 86/1425, die betreffende Nachrichtensendung Heute wurde am 24. Mai 1971 ausgestrahlt. 99 | Stoval: Paris Noir, S. 217, 242–266 sieht Parallelen zur afroamerikanischen Exilanten-Gemeinde in Paris, die in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre Frankreich gegenüber sehr viel kritischer eingestellt war. William Gardner Smiths Paris-Begeisterung endete um die Mitte der 1960er Jahre. Siehe Smiths’ Memoiren: Return to Black America, Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall, 1970. 100 | Massaquoi 1974. 101 | Massaquoi 1974. Für eine Beschreibung, wie die Jim Crow-Traditionen in Bezug auf den Wohnungsmarkt und Kneipen nach Deutschland gebracht wurden, siehe Höhn: Amis, Cadillacs, Kapitel 3 und 8. 102 | NAACP Part 5, Box 2704, Order 9, 20–21, 31. 103 | ArchAA, B 86/1425. Verteidigungsministerium, 2. März 1971, Brief an das Auswärtige Amt. 104 | Vgl. beispielsweise »Entfremdung und Rebellion – Farbige in der US-Armee«, in: FR, 6. Februar 1971. 105 | »US-Neger in Deutschland beklagen Diskriminierung«, in: General Anzeiger, 6. Juni 1971. 106 | Wolfgang Bormann: »Rassendiskriminierung in der Bundesrepublik. Ein farbiger Captain klagt deutsche Vermieter an«, in: Stuttgarter Zeitung, 31. März 1971, S. 3. 107 | NAACP Part 5, Box 2704, Ordner 9: Brief des Black Caucus an den Präsidenten vom 22. Juli 1971. 108 | Ebd. 109 | ArchAA, B 86/1425.

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Ein Hauch von Freiheit 110 | ArchAA, B 86/1425, Deutsche Botschaft Washington, DC, Miltärattaché-Stab, 15. Juni 1971, Brief an den Bundesminister der Verteidigung, Hessisches Hauptstaatsarchiv, Staatskanzlei 502/7425-26. 111 | ArchAA, B 86/1425, HQ USAREUR, »Equal Opportunity and Human Relations«, 2. Dezember 1971. 112 | ArchAA, B86/1425, Brief des Bundesverteidigungsministers an den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg vom 16. November 1971. 113 | ArchAA, B 86/1425, mit dem Text der Rede vom 21. März 1971. Unerwähnt blieben in diesen Debatten und in Brandts Rede die Afrodeutschen. Dieser auffällige Mangel bzgl. der heimischen Minderheit bestätigt Heide Fehrenbachs Urteil, dass die Negierung von »Rasse« als kritischer Kategorie nach 1945 dazu beigetragen hat die Präsenz der Schwarzen Deutschen in der öffentlichen Wahrnehmung zu verneinen, vgl. Heide Fehrenbach: Race After Hitler – Black Occupation Children in Postwar Germany and America, Princeton, NJ: Princeton University Press, 2005. Die Zahl der Schwarzen Deutschen war sehr gering in dieser Zeit, aber selbst progressive Deutsche wie die radikalen Studenten waren unfähig, Schwarze Deutsche in ihrem eigenen Umfeld in ihren Betrachtungen miteinzuschließen. Ihre Überlegungen zum Thema »Anderssein« (the Other), Rassismus und Diskriminierung drehten sich hauptsächlich um Afroamerikaner oder »Gastarbeiter« oder unterdrückte Völker in der so genannten Dritten Welt. 114 | Zu Brandts Rede vgl. ArchAA, B 86/1425. 115 | Diese Initiative half Soldaten, die wegen ihres niedrigen Ranges keinen Anspruch auf eine Wohnung auf dem Stützpunkt hatten, aber trotzdem ihre Familie nach Deutschland bringen wollten. Die Wohnbauprogramme entspannten den engen Wohnungsmarkt nachhaltig. 116 | ArchAA, Archivalienbestand B 86/1425, B86/1392 und B 106/80798 mit Belegen für den Umfang der Programme, die zu diesem Zeitpunkt angeschoben wurden. 117 | Der Gesell-Bericht von 1963/64 war dazu gedacht, den weitverbreiteten Rassismus im US-Militär zu beenden. Da das Pentagon in der Folge aber immer mehr mit dem Vietnam-Krieg ausgelastet war, wurde die Kontrolle der Umsetzung der getroffenen antirassistischen Maßnahmen vernachlässigt. 118 | Einzelne Vertreter der Bundesregierung erläuterten den Amerikanern auch noch 1970/71, dass »die Rassenprobleme ja eigentlich von den USA importiert worden waren«. Dies wurde von den Vertretern des US-Militärs und der US-Regierung allerdings nicht mehr akzeptiert, und diese Meinung stellte auch nicht die offizielle Haltung der Bundesregierung dar. Siehe zum Beispiel ArchAA, B 86/1424, »Aufzeichnungen zur Besprechung vom 6. Dezember 1971, USAREUR/FRG«.

Epilog

Einen Tag vor seiner Teilnahme an den Feierlichkeiten zum 65. Jahrestag der Landung amerikanischer Truppen in der Normandie besuchte US-Präsident Barack Obama im Juni 2009 das Konzentrationslager Buchenwald. Zum Thema der »menschlichen Fähigkeit zum Bösen« betonte er in seiner Rede, dass der Anblick des Lagers »im Laufe der Zeit nichts von seinem Schrecken verloren« habe.1 Er erinnerte an seinen Großonkel Charlie Payne, der als Mitglied jener US-Einheiten, die im April 1945 ein Außenlager von Buchenwald befreiten, einen Schock erlitten habe, als er bei der Ankunft im Lager dessen ganze Unmenschlichkeit erkannte. Präsident Obama unterstrich am Ende seiner Rede die gesellschaftliche Verantwortung und Verpflichtung, die Geschichte des Holocausts vor dem Vergessen zu bewahren und alle aktuellen Formen der Intoleranz zu bekämpfen. In einem anschließenden Interview betonte Obama: »Jetzt, da so viele der Veteranen des Zweiten Weltkriegs in ihre letzten Lebensjahre eintreten, ist es meiner Meinung nach von besonderer Bedeutung, daran zu erinnern, zu bewahren, und uns zu mahnen, wie viel diese Generation für uns alle getan hat«.2 Anliegen des vorliegenden Buches ist es, die Erfahrungen afroamerikanischer Soldaten festzuhalten, deren Beitrag sowohl zum Sieg über das unmenschliche Nazi-Terrorregime im Zweiten Weltkrieg wie auch zum afroamerikanischen Freiheitskampf bis heute noch nicht auf beiden Seiten des Atlantik angemessen gewürdigt wurde.3 Aufgrund dieser mangelnden Anerkennung ist die Geschichte der afroamerikanischen Soldaten in den USA auch nach wie vor kein Bestandteil des heroischen Mythos der sogenannten »Greatest Generation« und spielt auch in der deutschen Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit eine, wenn überhaupt, nur marginale Rolle. Ein Hauch von Freiheit erscheint zu einem Zeitpunkt, da auch andere politische, künstlerische und kulturelle Initiativen die entscheidende Rolle afroamerikanischer SoldatInnen in den Mittelpunkt stellen, die diese nicht nur in den amerikanischen Kriegen, sondern auch bei der Entwicklung der USA hin zu einer gerechteren Gesellschaft spielten und spielen. 4 Im Juli 2009 ehrte beispielsweise die NAACP schwarze Veteranen für ihren außerordentlichen Bei-

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trag zur Geschichte der Vereinigten Staaten und der Bürgerrechtsbewegung. In einer Resolution der Jubiläumstagung zum einhundertjährigen Bestehen betonte der Verband, wie sehr ihr Engagement das Land verändert habe. Im Februar 2010 verabschiedete das US-Repräsentantenhaus eine ähnliche Erklärung, die anerkannte, dass »es keinen Krieg gegeben hat, der von den oder in den Vereinigten Staaten ausgetragen wurde, an dem Schwarze nicht teilgenommen haben«. In der Resolution werden die Leistungen der Afroamerikaner auf verschiedensten Gebieten aufgeführt, und betont, dass »schwarze Veteranen, die an der Spitze der Bürgerrechtsbewegung standen, mit ihrer Entschlossenheit, den Widerspruch zwischen dem Militärdienst im Ausland und der Diskriminierung zuhause öffentlich bekannt zu machen, dem Wort ›Demokratie‹ eine tiefere Bedeutung verliehen und durch ihr Beispiel das Antlitz der Vereinigten Staaten veränderten«.5 Diese erhöhte Sensibilität für den Beitrag afroamerikanischer SoldatInnen sowie anderer ethnischer Minderheiten zeigt sich auch in der von Präsident Obama im März 2014 vorgenommenen Verleihung der Medal of Honor, einer der höchsten Auszeichnungen in den USA, an 24 Veteranen des Zweiten Weltkrieges, des Korea- und Vietnam Krieges, denen diese Ehre aufgrund rassistischer Vorurteile innerhalb des Militärs damals nicht zuteil geworden war.6 Unser Buch beschränkt sich auf einen Ausschnitt dieser Veränderungen, in dem es sich auf die damit in Zusammenhang stehenden Ereignisse in Deutschland konzentriert, und auf die Art und Weise, wie dieses Land zu einem Ort wurde, an dem sich zentrale Forderungen der US-Bürgerrechtsbewegung manifestierten und zugespitzt wurden. Wie wir zeigen konnten, hinterließ diese Erfahrung als Befreier und Besatzer bei den afroamerikanischen Soldaten tiefgreifende Eindrücke. Gleiches gilt für ihre Konfrontation mit einer Gesellschaft, die selbst kaum als frei von Rassismus zu bezeichnen ist, jedoch nach dem Kollaps des Nazi Regimes keine tiefverwurzelte, institutionalisierte Rassentrennung im amerikanischen Sinne kannte. Viele dieser afroamerikanischen Soldaten und diejenigen, die in Deutschland während der 1950er und 1960er Jahren ihren Militärdienst ableisteten, kehrten mit einem neu erwachten Bewusstsein und neuer Entschlossenheit in die Vereinigten Staaten zurück, sich nun im Kampf für volle Demokratie und Freiheit zuhause zu engagieren. David Brion Davis, den renommierten amerikanischen Historiker, der für seine wegweisenden Forschungen zur US-Sklaverei und Rassismus bekannt wurde, haben wir mehrfach in diesem Buch zitiert hinsichtlich seiner Erfahrungen als achtzehnjähriger Soldat im besetzten Deutschland. Rückblickend auf diese Zeit betonte er, dass er 1946 als junger Soldat in Mannheim bereits »die künftigen Umrisse jener Vereinigten Staaten« erkannte, in die er hineinwachsen sollte:

Epilog […] ein recht freundliches, gutmütiges und wohlmeinendes Bestreben, die Welt zu demokratisieren, kombiniert mit Vorboten des heraufziehenden Kalten Krieges und mit Konflikten, die sich an dem afroamerikanischen Drang nach Freiheit entzündeten, und die begannen, jene krebsartige Rassentrennung und Unterdrückung zu überwinden, die das Innerste der amerikanischen Gesellschaft seit der Gründung der Republik korrumpiert haben.7

Aber diese eng miteinander verwobene Geschichte von Deutschen und Afroamerikanern veränderte nicht nur die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung und die US-Politik. Sie veränderte auch das Image der Vereinigten Staaten in Deutschland. Sowohl in Ost- wie in Westdeutschland wurden die Bürgerrechtskämpfe auf der anderen Seite des Atlantiks mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Der Freiheitskampf der Afroamerikaner stieß besonders bei jungen Studierenden in der Bundesrepublik auf Widerhall. Geboren in den letzten Jahren des NS-Regimes, begegneten viele von ihnen schwarzen GIs erstmals 1945 beim Einmarsch der US-Truppen in die deutschen Städte und Dörfer. Später lernten viele der jungen Westdeutschen den vollen Umfang der Rassendiskriminierung und die beginnende Bürgerrechtsbewegung in den USA als Austauschstudenten in den 1950er und frühen 1960er Jahren kennen. Während der 1960er Jahre übernahmen derartig geprägte studentische AktivistInnen die neuen Formen öffentlichkeitswirksamer Proteststrategien der Bürgerrechtsbewegung, etwa Sit-ins, für ihre eigenen gesellschaftspolitischen Kampagnen. Die Entstehung der Black Power-Bewegung diente ebenso als Inspiration für ihre globale revolutionäre Vision, basierend auf Antiimperialismus und der Solidarität mit den Befreiungsbewegungen in Afrika, Asien und Südamerika. Auf der anderen Seite der Mauer, in der DDR, war die Unterstützung der afroamerikanischen Befreiungsbewegung Teil einer umfassenden, staatlich massiv geförderten Solidaritätskampagne zugunsten des »anderen« Amerika. Zu Themenschwerpunkten wie politische Unterdrückung, ökonomische Ausbeutung und Diskriminierung von Afroamerikanern in den USA, luden DDR-Funktionäre führende Bürgerrechtsvorkämpfer wie W.  E.  B. Du  Bois, Paul Robeson, Ralph Abernathy und vor allem Angela Davis in die DDR ein, und ließen ihnen eine Vielzahl von Ehrungen und festlichen Staatsempfängen zuteil werden. Die Unterstützung der Bürgerrechtsbewegung in den USA wurde vom DDR-Regime auch im politisch-ökonomischen Konkurrenzkampf mit Westdeutschland instrumentalisiert. Die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung stellte man als Teil des weltweiten Klassenkampfes dar, wie er von den nationalen Befreiungsbewegungen in den ehemaligen Kolonien getragen wurde, ergänzt durch die kommunistischen Friedensangebote während des Kalten Krieges. Wie Martin Luther Kings Begegnung mit Gottesdienstbesuchern in Ostberlin illustrierte, verstanden es führende Protagonisten der Bewegung ih-

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rerseits, die staatliche geförderten Begegnungen mit der Bevölkerung in den kommunistischen Staaten auf für die Machthaber unvorhergesehene Weise zu nutzen, insbesondere wenn solche Begegnungen in einem religiösen Rahmen, außerhalb der unmittelbaren Kontrolle des Regimes und seiner sorgfältig geplanten Propagandakampagnen, stattfanden. Doch Afroamerikaner machten trotz ihrer scheinbar gastfreundlichen Aufnahme und der Freiheiten, derer sie sich in beiden deutschen Staaten erfreuten, hüben wie drüben auch Erfahrungen mit weitverbreitetem Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. DDR und Bundesrepublik hatten offiziell die Gleichheit aller Menschen in ihren Verfassungen festgeschrieben. Dennoch war Rassismus tief in der deutschen Geschichte und Kultur verwurzelt und manifestierte sich – wenn auch unterschiedlich – in beiden Gesellschaften. Dies geschah vor dem Hintergrund der furchtbaren Verbrechen, die Deutsche während des NS-Regimes begangen hatten. Afroamerikanische Soldaten wurden in Westdeutschland zwar häufig als nett und freundlich zu Kindern wie zu älteren Menschen wahrgenommen, aber gleichzeitig auch als aggressiv oder emotional und sexuell unkontrolliert. In der bundesrepublikanischen Presse wurde häufig die Meinung vertreten, dass die sozialen Probleme, die mit der gigantischen amerikanischen Militärpräsenz in Westdeutschland verbunden waren (Straftaten unterschiedlichster Art, Alkoholmissbrauch, sexuelle Übergriffe usw.) hauptsächlich von schwarzen GIs herrührten. Darüber hinaus weigerte sich so mancher Hausbesitzer in den US-Garnisonsstädten, Immobilien an afroamerikanische Soldaten und ihre Familien zu vermieten, oder offerierte nur minderwertige Unterkünfte. Als Antwort auf die Radikalisierung und verschärften Konflikte innerhalb des US Militärs im Zuge des Vietnam Krieges, erklärte auch so mancher Gaststätten- und Diskothekenbetreiber in den Garnisonsstädten sein Lokal zu einem »private club«. Somit wurde afroamerikanischen Soldaten der Eintritt verwehrt, obwohl diese Lokale weißen Soldaten oftmals weiterhin offenstanden. Die Bundesrepublik war also keinesfalls eine Gesellschaft, die frei von Rassismus war, trotz der Vorteile – sowohl in wirtschaftlicher wie sicherheitspolitischer Hinsicht – die sie den schwarzen GIs verdankte. Rassismus war gleichermaßen auch eine tägliche Realität für Afroamerikaner, Schwarze Deutsche und andere ethnische Minderheiten, die in der DDR lebten, trotz der ständigen Proklamierung von internationaler Klassen- und Rassensolidarität durch das Regime. Inspiriert von der afroamerikanischen feministischen Dichterin Audre Lord, die 1984 als Gastprofessorin in West Berlin lehrte, begann eine Gruppe von schwarzen Frauen in Westdeutschland, ihre doppelte Identität als Deutsche und Schwarze öffentlich stärker zu betonen. Sie nahmen die Bezeichnung »Afro-Deutsche« oder »Schwarze Deutsche« an, um diskriminierende Bezeichnungen wie »Neger«, »Mischling«, »Mulatte«, oder »Farbige« aus dem Sprach-

Epilog

gebrauch zu verbannen.8 Ein bedeutendes Gründungsmanifest dieses neuen Selbstverständnisses ist der Band Farbe bekennen: Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte, der 1986 von May Ayim, Katharina Oguntoye, und Dagmar Schultz herausgegeben wurde. Haupttriebkräfte für diese neue Bewegung waren der Verein ADEFRA (äthiopisch für: Mutige Frau), eine Organisation Schwarzer Frauen in Westdeutschland, die 1986 gegründet worden war, und die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD).9 Ziel beider Gruppen war es, die Anerkennung Schwarzer Kultur und Geschichte in Westdeutschland zu verstärken, die Bedürfnisse und Forderungen Schwarzer Menschen öffentlich zu machen, und Rassendiskriminierung in allen Bereichen der westdeutschen Gesellschaft zu bekämpfen. Eine ganze Reihe kultureller Organisationen und Interessensverbände innerhalb der Schwarzen Community Deutschlands hat sich seither diesen Bemühungen angeschlossen.10 Bis zum heutigen Tag umfassen ihre Aktivitäten Seminare, Workshops, Ausstellungen, das Bundestreffen Schwarzer Deutschen, sowie den jährlichen »Monat der Schwarzen Geschichte« (Black History Month), mit dem Ziel, einen interkulturellen Dialog und eine umfassendere Form Schwarzer deutscher Identität zu schaffen. In besonderem Maße haben auch einzelne Menschen, die ihre Biographien und die Erfahrungen ihres Lebens in Deutschland veröffentlichten, solche Entwicklungen hin zu größerer öffentlicher Wahrnehmung der Problematik verstärkt.11 Zu ihnen gehören Schwarze Aktivistinnen wie May Ayim und Ika-Hügel-Marshall, der Boxer Charly Graf sowie der Schauspieler Theodor Michael. Unter ihnen ist auch Hans Massaquoi zu nennen. Als Sohn eines liberianischen Diplomaten und einer Deutschen verdeutlicht seine Lebensgeschichte – von der Jugend in Hamburg während des »Dritten Reichs« bis zur Karriere in den Vereinigten Staaten als Herausgeber der Illustrierten Ebony und Jet – die zahlreichen Verbindungen zwischen Afrikanern, Afroamerikanern und Deutschen, Schwarz und Weiß, im 20. Jahrhundert. Es gibt mittlerweile auch Organisationen, die sich speziell mit den transatlantischen Geschichten Schwarzer Menschen in Deutschland oder den USA beschäftigen. Zwei der wichtigsten sind die Black German Cultural Society und die Black German Heritage and Research Association. Sie wurden beide von Schwarzen Menschen in den USA gegründet, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland zur Welt gekommen waren – oftmals als Kinder von US-Soldaten, die aber in den USA aufgewachsen waren. Beide Gruppen haben es sich zur Aufgabe gemacht, Schwarze Menschen mit amerikanischen oder deutschen Wurzeln auf beiden Seiten des Atlantiks zusammenzubringen, sowie Diskussionen hinsichtlich kultureller Identität zu fördern. Darüber hinaus wollen sie dazu beizutragen, die Beziehungen zwischen auseinandergerissenen Familien wiederherzustellen, wie im Falle von Kindern afroamerikanischer GI-Väter und deutscher Mütter, die während ihrer Kindheit den Kontakt zu einem Elternteil verloren haben.12

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Heute gibt es rund eine halbe Million Schwarze Menschen in Deutschland. Ein erheblicher Anteil davon besteht aus Nachkommen von Kindern, die nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden und von denen ein Elternteil afroamerikanische GIs oder französische Kolonialsoldaten waren (dazu gehören auch – in einem zahlenmäßig weit geringeren Anteil – Kinder von Besatzungssoldaten, die nach dem Ersten Weltkrieg geboren wurden). Hinzu kommen afrikanische Einwanderer oder Studenten, die deutsche Partner geheiratet haben, und ihre Kinder. Die Existenz und die Arbeit der erwähnten Organisationen sind Beleg für die gesellschaftliche Notwendigkeit, schwarze Identität und Rassendiskriminierung im heutigen Deutschland zu diskutieren, einem Land, das mehr als 25 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer darum kämpft, ein inklusives Verständnis von nationaler Identität zu erringen. 2009 erzeugte der Journalist Günter Wallraff beispielsweise eine Kontroverse als er undercover als »Schwarzer Mensch« in einem Film den täglichen Rassismus in der deutschen Gesellschaft nachweisen wollte.13 In scheinbarer Unkenntnis der US-amerikanischen Tradition der rassistischen Minstrel Shows rief ein bekanntes Berliner Theater im Januar 2012 ähnliche Empörung hervor, als es einen weißen Schauspieler in »Black Face« auftreten ließ.14 Diese und andere Debatten illustrieren die tiefe Unsicherheit der deutsche Gesellschaft in Bezug auf ein klares Bekenntnis zum multikulturellen Zusammenleben, wie sich auch an der von Thilo Sarrazin 2010 entfachten Diskussion über »Überfremdung« ablesen lässt.15 Die aktuellen Übergriffe auf Flüchtlinge und deren Wohnheime sind ein weiteres Indiz dafür, dass die faktische Realität von Deutschland als Einwanderungsland von Teilen der bundesrepublikanischen Bevölkerung noch immer politisch, emotional, und physisch abgelehnt wird. Wie es Bundespräsident Joachim Gauck vor kurzem auf den Punkt brachte: Die Zahlen und Fakten dazu, sie sind ja ganz eindeutig und sie sind auch allgegenwärtig. Aber etwas anderes existiert auch und das sind unsere Emotionen. Das Wir-Gefühl und das Selbstverständnis der Deutschen haben mit dieser Entwicklung noch nicht Schritt gehalten, jedenfalls nicht überall. Das Herz unserer Gesellschaft hat noch nicht verarbeitet, was das Hirn doch längst weiß.16

In der Wissenschaft, im Gegensatz zur öffentlichen Debatte, sind die Erfahrungen Schwarzer Menschen in Deutschland bereits ausgiebig, wenn auch weder umfassend noch erschöpfend, erforscht.17 Studien aus verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen widmeten sich dabei sowohl der rassistischen Ideologie und der Behandlung von Schwarzen während des Kolonialismus, im »Dritten Reich«, sowie in der Nachkriegszeit als auch den Beziehungen zwischen Afroamerikanern und Europäern im Allgemeinen.18 Auch hier stellte

Epilog

der afroamerikanische Bürgerrechtskampf einen besonderen Anknüpfungspunkt dar. Viele deutsche AmerikanistInnen, die sich nach 1945 dem Studium der US-Politik und der US-Gesellschaft widmeten, taten dies aufgrund von biographischen oder wissenschaftlichen Prägungen durch die Bürgerrechtsbewegung.19 In der Konsequenz spielen Geschichte und Kultur der Afroamerikaner (sowie der nordamerikanischen Ureinwohner) in den Amerika-Studien in beiden deutschen Staaten eine signifikante Rolle, obwohl deren Aufmerksamkeit in Ost und West auf äußerst unterschiedliche politische Motive und ideologische Hintergründe zurückging. Wie Sabine Sielke betonte: Wenn man dieses gemeinsame und kontinuierliche Interesse als vermittelte Befragung der eigenen deutschen Geschichte von Rassendiskriminierung und Völkermord liest, kommt eine weitere spezifische kulturelle Funktion der Amerika-Studien an den Universitäten Nachkriegsdeutschlands zum Vorschein, die die ›dunkleren‹ Dimensionen der Interdependenz amerikanischer und deutscher Geschichte beleuchtet, von der noch vieles zu erforschen und zu durchdenken bleibt. 20

*** Unser Buch Ein Hauch von Freiheit beginnt mit einem Zitat von Colin Powell, und er soll auch als jahrzehntelanger, transatlantischer »Grenzgänger« zwischen Deutschland und den USA das letzte Wort erhalten. Als Powell im November 1986, nunmehr als Generalleutnant und Kommandeur des V. Korps in Frankfurt a.M., zur Eröffnung der 18. Chancengleichheitskonferenz der US-Armee in Europa (USAREUR) in Garmisch-Partenkirchen eingeladen wurde, benutzte er seine eigene Biographie, um den Nachwuchsoffizieren die Entwicklung der Bürgerrechte in den USA zu erläutern. Er illustrierte die Rassendiskriminierung in den 1960er Jahren in den Vereinigten Staaten den Zuhörern durch einen Vorfall in Fort Benning (Georgia) im Jahre 1963, wo er gerade nach Dienstzeiten in Westdeutschland und Vietnam mit seiner jungen Familie angekommen war. Bekleidet in der Uniform der US-Armee hielt er an einem Schnellimbiss, um seiner Familie ein paar Hamburger zu kaufen. Von der jungen Bedienung wurde er angewiesen, am Hinterausgang der Küche auf seine Burger zu warten, da er aufgrund der weiterhin gültigen Jim CrowRassentrennung im Süden der USA das Restaurant nicht betreten durfte. Wie er sich erinnerte, »musste ich mir als Major der United States Army, gerade zurück von einem Jahr Vietnam, […], in dem ich verwundet wurde, in dem ich für mein Land kämpfte … da musste ich mir sagen lassen, dass es für mich keinen Hamburger [im Lokal] gebe«. Unwillig diese Demütigung hinzunehmen, erwiderte Powell: »So hungrig bin ich auch wieder nicht, und ich denke, ich werde es auch nie wieder sein«.21

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Ein Jahr später, im Sommer 1964, fuhr er wieder zu demselben Schnellimbiss, nachdem inzwischen das Bürgerrechtsgesetz (1964 Civil Rights Act) erlassen worden war. Diesmal ging er stolz durch die Vordertür ins Lokal, um seinen Hamburger am Tresen zu bestellen, und wurde auch prompt bedient, ohne irgendwelche Rückfragen. Powell erzählte den jungen Soldaten, dass er »den Laden in kleine Stücke zerlegt hätte«, wenn er nicht bedient worden wäre. Gleichzeitig habe er aber auch keinen Hamburger in seinem Leben so genossen habe wie diesen.22 Für Powell enthielt diese Geschichte sowohl »das Trauma, das sogar noch nach den Errungenschaften der Mitte der 1960er Jahre anhielt«, als auch die Fortschritte in Sachen Rassenbeziehungen, deren Zeuge er während seiner eigenen Lebenszeit geworden war. Aus seiner Sicht zeigte diese Geschichte auch die fortgesetzte Notwendigkeit, unablässig auf die Erfüllung des amerikanischen Versprechens von Freiheit und Gerechtigkeit für alle hinzuarbeiten, sowohl innerhalb wie außerhalb des Militärs, indem er seine Zuhörer ermahnte: »Es gibt noch viel zu tun.«23 Der unerschütterliche Einsatz für diesen Traum von einer toleranteren und demokratischeren Gesellschaft ist nicht an eine bestimmte Institution, eine bestimmte ethnische Gruppe oder ein bestimmtes Land wie Deutschland oder die Vereinigten Staaten gebunden. Es ist eine fundamentale Vision für Menschen überall auf der Welt. Die Herausforderungen im Hinblick auf die Realisierung dieser Vision muss jede Generation neu annehmen. Auch die Wahl des ersten afroamerikanischen Präsidenten hat die USA keinesfalls in die von vielen Kommentatoren anfangs prophezeite »post-racial society« geführt, sondern vielmehr Konflikte zwischen den Rassen im Hinblick auf Polizeigewalt, und anhaltende strukturelle Benachteiligung, stärker in den Fokus gebracht.24 Daher werden Historiker und Historikerinnen sich auch in Zukunft nicht umhin können, den Widerstand gegen Rassismus und das Streben nach einer gerechteren Gesellschaft in Vergangenheit und Gegenwart wissenschaftlich weiter aufzuarbeiten.

A nmerkungen 1 | Büro des Pressebeauftragten, The White House, »Reden von Präsident Obama, Bundeskanzlerin Merkel und Elie Wiesel im Konzentrationslager Buchenwald«, Weimar, 5. Juni 2009, www.whitehouse.gov. 2 | Barack Obama, Interview mit Tom Brokaw, Dresden, 5. Juni 2009, www.msnbc.msn. com/id/21134540/vp/31120874#31120874. 3 | Siehe Fußnote 6 der Einleitung. 4 | Vgl. Ron E. Armstead: »Veterans in the Fight for Equal Rights – From the Civil War to Today«, in: Trotter Review, 2008/2009. Obwohl nur wenige der folgenden Projekte sich der Verbindung zur Bürgerrechtsbewegung widmen, so beschäftigen sie sich doch alle

Epilog mit der afroamerikanischen Erfahrung auf dem europäischen und asiatischen Kriegsschauplatz während des Zweiten Weltkriegs. Für Italien: Miracle at St. Anna (2008), Regie Spike Lee, nach dem Roman von James McBride: Miracle at St. Anna, New York: Riverhead Books, 2002. Die Geschichte einer rassengetrennten US-Kampfeinheit während des Zweiten Weltkriegs, und zwar der 92. Infanteriedivision und ihre Kämpfe in Italien, schildern der Film Inside Buffalo (2009), Regie Fred Kudjo Kuworno und der Dokumentarfilm Choc’late Soldiers from the USA (2009), Regie Sonny Izon und Gregory Cooke; zu den Tuskegee Airmen siehe Red Tails, 2012, Regie Anthony Hemingway. 5 | US-Repräsentantenhaus, Concurrent Resolution 238, 26. Februar 2010, 111th Congress, Second Session. 6 | Office of the Press Secretary, the White House, »President Obama To Award Medal of Honor«,21. Februar 2014: https://www.whitehouse.gov/the-press-office/2014/02/21/ president-obama-award-medal-honor. 7 | David Brion Davis: »The Americanized Mannheim of 1945–1946«, in: William E. Leuchtenburg (Hg.): American Places: Encounters With History. A Celebration of Sheldon Meyer, Oxford: Oxford University Press, 2000, S. 79–91, 91. 8 | May Ayim, Katharina Oguntoye und Dagmar Schultz (Hg.): Farbe bekennen: Afrodeutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte, Berlin: Orlanda Frauenverlag, 1986. Die englische Sprachfassung erschien als Showing Our Colors: Afro-German Women Speak Out, Amherst: University of Massachusetts Press, 1992. Siehe auch die Dokumentation Audrey Lorde – The Berlin Years, 1984–1992 (2012), Regie: Dagmar Schultz, siehe auch www.audrelorde-theberlinyears.com. 9 | Näheres zu beiden Organisationen unter www.adefra.org und www.isdonline.de. 10 | Vgl. beispielsweise die Berufsorganisation schwarzer Künstler im deutschen Filmgeschäft, die 2006 gegründet wurde, www.sfd-net.com, oder »der braune mob« eine 2001 gegründete medienkritische Organisation, www.derbraunemob.info. 11 | Zu den Nachfahren Afroamerikaner und Deutscher vgl. Doris McMillon: Mixed Blessing, New York: St. Martin’s Press, 1985; Thomas Usleber: Die Farben unter meiner Haut: Autobiographische Aufzeichnungen, Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel, 2002; Ika HügelMarshall: Invisible Woman: Growing Up Black in Germany, New York: Continuum, 2001; überarbeitete und ergänzte Auflage: New York: Peter Lang, 2008; Charly Graf mit Armin Himmelrath: Kämpfe für dein Leben. Der Boxer und die Kinder vom Waldhof, Patmos, Ostfildern 2011; Marion Kraft (Hg.): Kinder der Befreiung: Kinder afro-amerikanischer Soldaten in Deutschland über Geschichte und Gegenwart des alltäglichen Rassismus, Münster: Unrast Verlag, 2015. Siehe auch Chima Oji: Unter die Deutschen gefallen: Erfahrungen eines Afrikaners, Wuppertal: Hammer, 1992; May Ayim: Grenzenlos und unverschämt, Berlin: Orlanda, 1997; Frankfurt a. M.: Fischer, 2002; Harald Gerunde: Eine von uns. Als Schwarze in Deutschland geboren, Wuppertal: Peter Hammer Verlag, 2000; Eva Massingue: Sichtbar anders: Aus dem Leben afrodeutscher Kinder und Jugendlicher, Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel, 2005; Marie Nejar: Mach nicht so traurige Augen, weil du ein Negerlein bist: Meine Jugend im Dritten Reich, Reinbek: Rowohlt, 2007; Manuela Ritz: Die Farbe meiner Haut: Die Antirassismustrainerin erzählt, Frei-

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Ein Hauch von Freiheit burg: Herder, 2009; Verband binationaler Familien und Partnerschaften i.a.f. e.V. (Hg.): Sichtbar anders: Aus dem Leben afrodeutscher Kinder und Jugendlicher, Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel, 2010; Gert Schramm: Wer hat Angst vorm schwarzen Mann: Mein Leben in Deutschland, Berlin: Aufbau Verlag, 2011; Theodor Michael: Deutsch sein und schwarz dazu: Erinnerungen eines Afro-Deutschen, München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 2013; Sharon Dodua Otoo: die dinge, die ich denke, während ich höflich lächle, Münster: edition assemblage, 2013; Dayan Kodua (Hg.): My Black Skin: Schwarz. Erfolgreich. Deutsch., Berlin/Lüdenscheid: seltmann + söhne, 2014. 12 | Zur Black German Cultural Society siehe www.blackgermans.us/new; für die Black German Heritage & Research Association siehe www.afrogermans.us. Persönliche Eindrücke dieser Art schildert Rosemarie Pena, »Staatenlos«, in: BlogHer, 10. April 2008, www.blogher.com/staatenlos. Eine Organisation, die sich ausschließlich um die Suche nach verschwundenen GI-Vätern kümmert, ist www.gitrace.org. 13 | Der Film wurde unter dem Titel Schwarz auf Weiss – Eine Reise durch Deutschland (2009), ausgestrahlt, Regie und Hauptdarsteller: Günter Wallraff; es gibt dazu auch eine Buchfassung, Günter Wallraff: Aus der schönen neuen Welt – Expeditionen ins Landesinnere, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2009. Zur daraus entstandenen Debatte vgl. Henning Hoff: »Blackface Filmmaker Sparks a Race Debate in Germany«, in: Time, 18. November 2009, online abgerufen unter www.time.com/time/world/article/0,8599,1940290,00.html. »Es geht nicht um Schwarze. Es geht um Weiße«, Interview mit Carol Campbell, Yonas Endrias und Günter Wallraff, in: ZEITmagazin, 17. Dezember 2009, S. 24–28. 14 | Nadia Schneider: »Blackface in Germany – Eine kurze Geschichte der Ignoranz oder der Anfang von Bühnenwatch«, 19. Februar 2012, http://buehnenwatch.com/ black face-in-germany-eine-kur ze-geschichte-der-ignoranz-oder-der-anfang-vonbuhnenwatch/ 15 | Siehe Deutschlandstiftung Integration (Hg.): Sarrazin: Eine deutsche Debatte, München: Piper, 2010; Patrick Schwarz (Hg.): Die Sarrazin Debatte: Eine Provokation – und die Antworten, Hamburg: Edel Germany, 2010. 16 | Joachim Gauck, Symposium »Wer ist wir? Identität – Zugehörigkeit – Zusammenhalt in Deutschland«, 9. Juli 2015, abrufbar auf www.bundespraesident.de. Zu Rassismus in der deutschen Gesellschaft und der afrodeutschen Community siehe auch Susan Arndt (Hg.): AfrikaBilder: Studien zu Rassismus in Deutschland, Münster: Unrast, 2001/2006; re/visionen – Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland, Münster: Unrast, 2007; Noah Snow: Deutschland Schwarz Weiss: Der alltägliche Rassismus, München: Bertelsmann, 2008; überarbeitete und aktualisierte Neuauflage Ebook, 2015; Philipp Khabo Köpsell: Die Akte Jim Knopf: Afrodeutsche Wort- und Streitkunst, Münster: Unrast, 2010; Susan Arndt und Nadja Ofuatey-Alazard (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht: Kerben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk, Münster: Unrast Verlag, 2011; Susan Arndt: Die 100 wichtigsten Fragen – Rassismus, München: C.H. Beck, 2012; Marius Jung: Singen können die alle! Handbuch für Neger-

Epilog freunde, Hamburg: Carlsen, 2013; Anne Chebu: Anleitung zum Schwarz sein, Münster: Unrast, 2012. Vgl. ebenfalls die Kinder- und Jugendbücher, Nancy Della: Das Wort, das Bauchschmerzen macht, Münster: edition assemblage, 2014; Pädagogisches Zentrum Aachen, e.V. (Hg.): Schwarzes Europa: Legenden die uns verborgen blieben: Schwarze Jugendliche auf den Spuren ihrer Geschichte, Münster: edition assemblage, 2014; sowie den Dokumentarfilm Roots Germania (2007), Regie: Mo Asumang. 17 | Sander Gilman: On Blackness Without Blacks: Essays on the Image of the Black in Germany, Boston: G.K. Hall, 1982; Ayim, Oguntoye und Schultz: Farbe bekennen; Carol Blackshire-Belay (Hg.): The African-German Experience: Critical Essays, Westport: Praeger, 1996; David McBride, Leroy Hopkins und Carol Blackshire-Belay (Hg.): Crosscurrents: African Americans, Africa, and Germany in the Modern World, Columbia, SC: Camden House, 1998; Katharina Oguntoye: Eine afro-deutsche Geschichte: Zur Lebenssituation von Afrikanern und Afro-Deutschen in Deutschland von 1884 bis 1950, Berlin: Hoho Verlag, 1997; Tina Campt, Pascal Grosse und Yara-Colette Lemke-Muniz de Faria: »Blacks, Germans, and the Politics of Imperialist Imagination, 1920–1960«, in: Sara Friedrichsmeyer, Sara Lennox und Susanne Zantop (Hg.): The Imperialist Imagination: German Colonialism and Its Legacy, Ann Arbor: University of Michigan Press, 1998, S. 205–29; Fatima El-Tayeb: Schwarze Deutsche: Der Diskurs um ‚Rasse‘ und Nationale Identität 1890–1933, Frankfurt a. M.: Campus, 2001; Peter Martin: Schwarze Teufel, edle Mohren: Afrikaner in Geschichte und Bewusstsein der Deutschen, Hamburg: Hamburger Edition, 2001; Peggy Piesche: »Black and German? East German Adolescents Before 1989: A Retrospective View of a ›Non-Existent Issue‹ in the GDR«, in: Leslie A. Adelson (Hg.): The Cultural After-Life of East Germany: New Transnational Perspectives, Washington, DC: AICGS, 2002, S. 37–59; Michelle M. Wright und Tina M. Campt (Hg.): »Reading the Black German Experience«, in: Sonderausgabe, Callaloo: A Journal of African Diaspora Arts and Letters 26, Nr. 2, 2003; Peter Martin und Christine Alonzo: Zwischen Charleston und Stechschritt: Schwarze im Nationalsozialismus, Hamburg: Dölling und Galitz, 2004; Maureen Maisha Eggers et a. (Hg.): Mythen, Masken und Subjekte: Kritische Weissseinsforschung in Deutschland, Münster: Unrast, 2005; Patricia Mazón und Reinhild Steingröver (Hg.): Not so Plain As Black and White: Afro-German Culture and History, 1890–2000, Rochester: University of Rochester Press, 2005; Aija Poikane-Daumke: African Diasporas: Afro-German Literature in the Context of the African American Experience, Berlin: LIT, 2006; Robbie Aitken: Exclusion and Inclusion: Gradations of Whiteness and Socio-Economic Engineering in German Southwest Africa, 1884-1914, Frankfurt a. M.: Peter Lang, 2007; Maria Diedrich und Jürgen Heinrichs (Hg.): From Black to Schwarz: Cultural Crossovers between African America and Germany, Berlin: LIT-Verlag, 2010; Larry Greene und Anke Ortlepp (Hg.): German and African Americans: Two Centuries of Exchange, Jackson: University of Mississippi Press, 2011; Volker Langbehn und Mohammad Salama (Hg.): German Colonialism: Race, the Holocaust, and Postwar Germany, New York: Columbia University Press, 2011; Peter Martin und Christine Alonzo: Im Netz der Moderne – Afrikaner und Deutschlands gebrochener Aufstieg zur Macht, Hamburg: Verlag Dr. Kovac, 2012; Robbie Aitken und Even Rosen-

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Ein Hauch von Freiheit haft: Black Germany: The Making and Unmaking of a Diaspora Community, 1884-1960, Cambridge: Cambridge University Press, 2013; Mischa Honeck, Martin Klimke und Anne Kuhlmann-Smirnov (Hg.): Germany and the Black Diaspora: Points of Contact, 1250– 1914, New York: Berghahn Books, 2013. 18 | Zum deutschen Kolonialismus in Afrika und seinen transnationalen sowie interkulturellen Folgewirkungen siehe Sara L. Friedrichsmeyer et al.: The Imperialist Imagination: German Colonialism and Its Legacy, Ann Arbor: University of Michigan Press, 1998; Stefanie Michels: Schwarze deutsche Kolonialsoldaten: Mehrdeutige Repräsentationsräume und früher Kosmopolitismus in Afrika, Bielefeld: transkript, 2009; Volker Langbehn (Hg.): German Colonialism, Visual Culture, and Modern Memory, London: Routledge, 2010; Andrew Zimmermann: Alabama in Africa: Booker T. Washington, the German Empire, and the Globalization of the New South, Princeton, NJ: Princeton University Press, 2010; David Ciarlo: Advertising Empire: Race and Visual Culture in Imperial Germany, Cambridge, MA: Harvard University Press, 2011. Zur Epoche des »Dritten Reichs« vgl. Clarence Lusane: Hitler’s Black Victims: The Historical Experiences of Afro-Germans, European Blacks, Africans, and African Americans in the Nazi Era, New York: Routledge, 2003; Tina Campt: Other Germans: Black Germans and the Politics of Race, Gender, and Memory in the Third Reich, Ann Arbor: University of Michigan, 2004; Raffael Scheck: Hitler’s African Victims: The German Army Massacres of Black French Soldiers in 1940, Cambridge, UK: Cambridge University Press, 2006. Für die Nachkriegszeit siehe repräsentativ Johannes Kleinschmidt: Do not fraternize. Die schwierigen Anfänge deutsch-amerikanischer Freundschaft, 1944–1949, Trier: WVT Wissenschaftler Verlag, 1997; Georg Schmundt-Thomas: America’s Germany: National Self and Cultural Other After World War II, PhD Diss., Northwestern University, 1992; Maria Höhn: GIs and Fräuleins: The German-American Encounter in 1950s West Germany, Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 2002; Petra Goedde: GIs and Germans: Culture, Gender and Foreign Relations, 1945–1949, New Haven: Yale University Press, 2003; Heide Fehrenbach: Race after Hitler: Black Occupation Children in Postwar Germany and America, Princeton, NJ: Princeton University Press, 2005; Annette Brauerhoch: »Fräuleins« und GIs: Geschichte und Filmgeschichte, Frankfurt a. M.: Stroemfeld, 2006; Timothy Schroer: Recasting Race after World War II: Germans and African Americans in American-Occupied Germany, Boulder: University Press of Colorado, 2007. In europäischer Hinsicht untersuchen das Thema Maria Diedrich, Theron Cook und Flip Lindo (Hg.): Crossing Boundaries: African American Inner City and European Migrant Youth, Münster: LIT-Verlag, 2004; Heike Raphael-Hernandez (Hg.): Blackening Europe: The African American Presence, New York: Routledge, 2004; Dominic Thomas: Black France: Colonialism, Immigration, and Transnationalism, Bloomington: Indiana University Press, 2006; Rita Chin, et al. (Hg.): After the Nazi Racial State: Difference and Democracy in Germany and Europe, Ann Arbor: University of Michigan Press, 2009; Darlene Clark Hine, et al. (Hg.): Black Europe and the African Diaspora, Urbana: University of Illinois Press, 2009; David Dabydeen, et al. (Hg.): The Oxford Companion to Black British History, New York: Oxford University Press, 2010; Eve Rosenhaft und

Epilog Robbie Aitken (Hg.): Africa in Europe: Studies in Transnational Practice in the Long Twentieth Century, Liverpool: Liverpool University Press, 2013; Kendahl Radcliffe, et al. (Hg.): Anywhere But Here: Black Intellectuals in the Atlantic World and Beyond, Jackson: University Press of Mississippi, 2014. 19 | Siehe hierzu besonders die herausragenden Beiträge von Berndt Ostendorf, Maria Diedrich, Friederike Hajek, Werner Sollors, Elisabeth Schäfer-Wünsche, Sieglinde Lemke, Sabine Broeck und Manfred Berg. 20 | Sabine Sielke: »Theorizing American Studies: German Interventions into an Ongoing Debate«, in: European Journal of American Studies, EJAS 2006, Artikel 7, online http://ejas.revues.org/document470.html. Vgl. ebenfalls Britta Waldschmidt-Nelson: »Long Silence: German Historians and the Study of African American History«, in: Diedrich und Heinrichs (Hg.): From Black to Schwarz; Eva Boesenberg: »Reconstructing ›America‹: The Development of African American Studies in the Federal Republic of Germany« in: Greene und Ortlepp (Hg.): German and African Americans: Two Centuries of Exchange, S. 218-230. 21 | Colin L. Powell: »Guest Speaker Address«, 6. November 1986, 18 th USAEUR Equal Opportunity Conference »The Value of ›EO‹ in Today’s Army«, November 3-7, 1986, AFRC Garmisch, in: HQ USAREUR Archive, Heidelberg. 22 | Ebd., S. 19. 23 | Ebd. 24 | Siehe David Theo Goldberg: Are We All Postracial Yet?, Boston: Polity, 2015.

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Umschlagabbildungen

1) Ein afroamerikanischer GI in »ethnischer« Kleidung – geschneidert aus einer US-Armee Wolldecke – zeigt das damals populäre Peace Sign (Friedenszeichen), Juni 1970 (Philipp Kerner) 2) Irmgard Achatz aus Kollbach, Bayern (zweite von links) und ihr zukünftiger Ehemann James W. Tanner (rechts) aus Philadelphia mit Freunden, späte 1940er Jahre (Debra Tanner Abell, Pittsburgh) 3) Afroamerikanischer GI verteilt Süßigkeiten an deutsche Kinder, 1945 (bpk) 4) Erich Honecker empfängt Angela Davis in Ost-Berlin und überreicht ihr eine Einladung zu den Weltfestspielen der Jugend und Studenten im Jahr 1973 (BArch, Bild 183-L0911-029 / Peter Koard)

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