Eigentumserwerb nach Schuldrecht?: Ein Plädoyer für eine teleologische Extension von § 937 BGB [1 ed.] 9783428586868, 9783428186860

Ist der Vindikationsanspruch erloschen, nicht mehr durchsetzbar oder ausgeschlossen, können Eigentum und Besitz dauerhaf

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German Pages 386 Year 2023

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Eigentumserwerb nach Schuldrecht?: Ein Plädoyer für eine teleologische Extension von § 937 BGB [1 ed.]
 9783428586868, 9783428186860

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 550

Eigentumserwerb nach Schuldrecht? Ein Plädoyer für eine teleologische Extension von § 937 BGB

Von

Jannik Bel

Duncker & Humblot · Berlin

JANNIK BEL

Eigentumserwerb nach Schuldrecht?

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 550

Eigentumserwerb nach Schuldrecht? Ein Plädoyer für eine teleologische Extension von § 937 BGB

Von

Jannik Bel

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Philipps-Universität Marburg hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-18686-0 (Print) ISBN 978-3-428-58686-8 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg im April 2022 als Dissertation angenommen. Änderungen konnten bis August 2022 berücksichtigt werden. Literatur und Rechtsprechung befinden sich auf dem Stand von Oktober 2021. Ganz besonderer Dank gebührt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. ­ onstantin Willems, der mein Interesse für das Zivilrecht schon im dritten C Semester durch die Aufnahme an seinen Lehrstuhl als studentische Hilfskraft gefördert und darüber hinaus das Thema dieser Arbeit angeregt hat. Sein stets offenes Ohr, die vielen kritischen und konstruktiven Anmerkungen und Gespräche sowie die großzügig gewährten Freiräume zum Forschen und Schreiben haben maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Mein Dank gilt auch Frau Prof. Dr. Christine Budzikiewicz für die Erstellung des Zweitgutachtens und die vielen wertvollen Anmerkungen sowie Herrn Prof. Dr. Tobias Helms für die Übernahme des Vorsitzes der Prüfungskommission. Danken möchte ich außerdem Herrn Dr. Jonas Fritsch und Herrn Janick Haas für die Lektüre des Manuskripts, die Hilfe beim Gedankensortieren innerhalb etlicher Gespräche und nicht zuletzt die Unterhaltung in den Mittagspausen. Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben darf meine Freundin Klara Krumm, der ich für ihre liebevolle Unterstützung und ihr entgegengebrachtes Verständnis während der Promotionszeit danke. Ohne die immerwährende, bedingungslose Unterstützung meiner Eltern Birgit und Dr. Stanislav Bel während des Studiums und der Promotionszeit wäre dieses Buch nicht entstanden. Aachen, im September 2022

Jannik Bel

Inhaltsverzeichnis

Einleitung 

15

Kapitel 1

Das Phänomen des dominium sine re 

18

A. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 B. Fallkonstellationen, die zu einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz führen können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz durch Verjährung des Vindikationsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz durch § 105a BGB . . . . III. Dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz durch § 241a BGB . . . . 1. Die europäischen Wurzeln des § 241a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reichweite des Anspruchsausschlusses aus § 241a I BGB . . . . . . . . . a) Ausschluss vertraglicher Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss des Vindikationsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erwägungen vor dem Hintergrund der Fernabsatzrichtlinie . . (1) Modifikation der Rechtsfolgenseite durch teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Modifikation der Rechtsfolgenseite durch verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erwägungen auf Grundlage der Verbraucherrechterichtlinie . . (1) Der Vindikationsanspruch als Gegenleistung im Sinne des Art. 27 Verbraucherrechterichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . (2) Richtlinienkonformität des § 241a I BGB aufgrund des eng gefassten Regelungsbereichs der Verbraucherrechterichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz durch § 281 BGB in der Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ (BGH, Urteil vom 09.11.2017 – IX ZR 305/16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Würdigung des Sachverhaltes durch den BGH . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch und dessen Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch . . . aa) Anwendbarkeit des allgemeinen Leistungsstörungsrechts auf den Vindikationsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 22 22 27 27 29 29 33 34 34 38 43 43 45 49 50 52 53 53

8 Inhaltsverzeichnis bb) Uneingeschränkte Anwendung des § 281 BGB auf den ­Vindikationsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch unter den zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 989, 990 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vorliegen der Analogievoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss des Vindikationsanspruchs durch § 281 IV BGB . . . . . C. Gründe für die Vermeidung des dominium sine re . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Wertlosigkeit des dominium sine re  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wiederaufleben des Vindikationsanspruchs als Beleg für die Werthaltigkeit des dominium sine re? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mögliche Ansprüche des Eigentümers gegenüber dem Besitzer . . . . . a) Mögliche Ansprüche des Eigentümers nach Eintritt der Vindi­ kationsverjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mögliche Ansprüche des Eigentümers nach Zusendung ­unbestellter Waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mögliche Ansprüche des Eigentümers nach Geltendmachung von Schadensersatz statt der Vindikation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Folgeprobleme der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz . . . . III. Die Wertvorstellung des Gesetzes: Vereinigung von Eigentum und Besitz in einer Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Lehre vom doppelten Eigentum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57 59 63 69 71 74 74 76 76 80 82 87 89 92

Kapitel 2

Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung 

96

A. Dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz durch Verjährung im Immobiliar­sachenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 B. Dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I. Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Rechtsvergleichender Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Diskussion über die Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Der Zeitraum vor der Schuldrechtsmodernisierung . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Befürworter der Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Kritische Auseinandersetzung mit der Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (1) Privilegierung von Hehlern und Dieben . . . . . . . . . . . . . . 107 (a) Keine abschließende Rechtsicherheit durch Ersitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (b) Die Privilegierung des Gutgläubigen . . . . . . . . . . . . . 110

Inhaltsverzeichnis9 (c) Das subjektive Element im Rahmen der Verjährung . 110 (2) Die die Verjährung rechtfertigenden Gründe . . . . . . . . . . . 111 (a) Die Individualinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (b) Das Allgemeininteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (3) Der Anreiz zur Begehung verbotener Eigenmacht . . . . . . 121 (a) Wertungswidersprüche bei Neuaufleben eines ­unverjährten ­Vindikationsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . 121 (b) Lösungsmodelle zur Vermeidung des Wiederauf­ lebens eines unverjährten Vindikationsanspruchs . . . . 124 (c) Präklusion der Wertungswidersprüche qua Besitzrecht zugunsten des Besitzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (4) Der Profiteur eines (zweiten) Diebstahls . . . . . . . . . . . . . . 128 (5) Die Beeinträchtigung des Rechtsfriedens durch § 816 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (a) Der tatbestandliche Ausschluss des § 816 I BGB . . . . 130 (b) Die gleichzeitige Verjährung von § 985 BGB und § 816 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (aa) Lektüre des Normtextes und systematische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (bb) Wertungsgesichtspunkte für eine parallele Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (cc) Dogmatische Legitimation einer parallelen Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (α) Die Gesamtverjährung im BGB . . . . . . . . . . 139 (β) Voraussetzungen für eine Gesamtverjährung abseits des § 217 BGB . . . . . . . . . . . . 143 (γ) Gesamtverjährung von § 985 und § 816 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (6) Die Vorstellung des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Der Zeitraum nach der Schuldrechtsmodernisierung  . . . . . . . . . . . 147 aa) Die die Verjährung rechtfertigenden Gründe . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Der „Kleingartenfall“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 c) Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 II. Der Wille des Gesetzgebers – die bewusste dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 III. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re im Kontext der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Außerordentliche Ersitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Das Lösungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Kritische Auseinandersetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Entsitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Das Lösungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

10 Inhaltsverzeichnis b) Kritische Auseinandersetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Anspruch auf Eigentumsverzicht/-übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 a) Das Lösungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Kritische Auseinandersetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4. Einrede der Verjährung als unzulässige Rechtsausübung . . . . . . . . . . . 172 a) Das Lösungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Kritische Auseinandersetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 5. Der Ersitzungstatbestand als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Hemmung der Verjährung durch „großzügige“ Auslegung im Kontext der Beutekunstfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Vermeidung des dominium sine re durch „großzügige“ Aus­ legung des § 937 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Auflösung des dominium sine re im Wege gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 d) Teleologische Extension des § 937 BGB zugunsten des redlichen Besitzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Berücksichtigung von Redlichkeitsgesichtspunkten im ­Rahmen der Gutgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (1) Die Schutzwürdigkeit des ursprünglich gutgläubigen Besitzers nach Eintritt der Vindikationsverjährung . . . . . . 192 (2) Die Schutzwürdigkeit des von Beginn an bösgläubigen Besitzers nach Eintritt der Vindikationsverjährung . . . . . . 196 bb) Vereinbarkeit der teleologischen Extension des § 937 BGB mit dem numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände . 197 cc) Die Vorzüge der teleologischen Extension . . . . . . . . . . . . . . . . 198 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Kapitel 3

Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH – Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re  202

A. Schadensersatz statt der Vindikation – Ermittlung der Schadenshöhe . . . . . . 203 I. Schadensersatz in Höhe des Besitzwertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Die Bemessung des Besitzwertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Die Vergleichbarkeit von § 985 BGB und § 546 BGB . . . . . . . . . . 205 b) Schadensersatz bemessen nach dem kapitalisierten Nutzungswert . 207 c) Schadensersatz gerichtet auf Naturalrestitution . . . . . . . . . . . . . . . . 210 d) Die tatsächliche Besitzergreifung als Schadensposten . . . . . . . . . . 212 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 II. Schadensersatz in Höhe des Vorenthaltungsschadens . . . . . . . . . . . . . . . . 216 III. Schadensersatz in Höhe des Sachwertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 1. Positives Interesse und Differenzhypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2. Dogmatische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

Inhaltsverzeichnis11 B. Wege zur Auflösung eines dominium sine re nach Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 I. Originärer Eigentumserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Paralleles Erlöschen/paralleler Übergang von Eigentum und Vindikationsanspruch durch § 281 IV BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Dereliktion und Aneignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a) Wille zur Dereliktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Aufschiebend bedingter Wille zur Dereliktion . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3. Entsitzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 II. Derivativer Eigentumserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 III. Erwerb durch Hoheitsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 IV. Übereignungsanspruch durch analoge Anwendung des § 255 BGB . . . . . 242 1. Vergleichbare Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 a) Verlust einer Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 aa) § 281 IV BGB als „Verlust“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 bb) Unmittelbarkeit des Sachverlustes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 cc) Die Genese des § 255 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Zweipersonenkonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 c) Rechtsfolge in Form der Eigentumsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . 253 aa) Die Untrennbarkeit von Eigentum und Verwirklichungsanspruch als Argument für eine Eigentumsübertragung aufgrund von § 255 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 bb) Dogmatische Begründung der Eigentumsübertragung ­aufgrund von § 255 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 cc) Kritik an der Eigentumsübertragung aufgrund von § 255 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 dd) Die Untrennbarkeit von Eigentum und Rechtverwirk­ lichungsanspruch als Argument gegen eine Eigentums­ übertragung aufgrund von § 255 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2. Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 3. Analogiefähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 4. Das Erfordernis von Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 5. § 255 BGB als Gegenrecht im Sinne des § 273 BGB . . . . . . . . . . . . . 272 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 V. Parallel zur analogen Anwendung des § 255 BGB verlaufende Lösungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Auflösung des dominium sine re über die Vorteilsausgleichung und „Neu für Alt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Auflösung des dominium sine re über § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 275 VI. Teleologische Extension des § 937 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 1. Zugänglichkeit der Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ zur teleologischen Extension des § 937 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

12 Inhaltsverzeichnis 2. Die Schutzwürdigkeit des Vindikationsschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . a) Teleologische Extension des § 937 BGB zugunsten des von Beginn an bösgläubigen Besitzers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der ursprünglich gutgläubige Besitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

282 283 286 289

Kapitel 4

Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes – § 241a BGB 

291

A. Billigende Inkaufnahme des dominium sine re durch den Gesetzgeber?  . . . . 291 B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re im Kontext des § 241a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 I. Unmittelbarer Eigentumserwerb durch § 241a I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 293 1. Rechtsvergleichender Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 2. § 241a I BGB als gesetzlicher Eigentumserwerbstatbestand . . . . . . . . 297 3. Kritische Auseinandersetzung mit dem unmittelbaren Eigentums­ erwerb durch § 241a I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 a) Auslegung des § 241a I BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 b) Wortlautauslegung vor dem Hintergrund des Wertpapierrechts . . . 303 c) Der Wille des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 d) Drohende Lasten für den Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 II. Mittelbarer Eigentumserwerb durch § 241a I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 1. Gesetzliche Fiktion einer Handschenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 a) Das Lösungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 b) Kritische Auseinandersetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 2. Gesetzliche Fiktion eines unbedingten Übereignungsangebotes  . . . . . 322 a) Das Lösungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 b) Kritische Auseinandersetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 III. Eigentumserwerb jenseits des unmittelbaren Anwendungsbereichs des § 241a I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 1. Dereliktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 2. Unbedingtes Übereignungsangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 a) Protestatio facto contraria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 b) Die Unwirksamkeit der aufschiebenden Bedingung . . . . . . . . . . . . 335 3. Übereignungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 4. Verwirkung des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 IV. Eigentumserwerb durch analoge Anwendung des Ersitzungstatbestandes . 345 V. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347

Inhaltsverzeichnis13 1. Teleologische Extension des § 937 BGB zugunsten des rechtskundigen Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit der teleologischen Extension des § 937 BGB zugunsten des rechtskundigen Verbrauchers mit dem numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorzüge der teleologischen Extension des § 937 BGB  . . . . . . . . . . . . 4. Die Praktikabilität der teleologischen Extension des § 937 BGB  . . . .

Fazit: Die wesentlichen Untersuchungsergebnisse in Thesen 

348 351 352 354 355

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382

Einleitung „Da nämlich das Eigenthum die rechtliche Möglichkeit ist, auf eine Sache nach Willkühr einzuwirken, und jeden anderen von ihrem Gebrauch auszuschliessen, so liegt in der Detention die Ausübung des Eigenthums, und sie ist der factische Zustand, welcher dem Eigenthum, als einem rechtlichen Zustand, correspondiert.“1

Mit diesen Worten beschrieb Friedrich Carl von Savigny 1865 das Verhältnis von Besitz und Eigentum. Legt man dieses Verständnis zugrunde, verwundert es nicht, dass in der juristischen Laiensphäre die Vorstellung, Eigentum und Besitz seien grundsätzlich in der Hand einer Person vereint, die Oberhand hat bzw. zwischen den beiden Rechtspositionen gar nicht erst unterschieden wird. Diese Annahme lässt sich zumindest aus dem Bedeutungsgehalt schlussfolgern, welcher dem „Besitz“ im allgemeinen Sprachgebrauch beigemessen wird: Neben dem „Zustand des Besitzens“ soll dieser auch die „Gesamtheit der (materiellen) Güter, die jemand geerbt oder erworben hat, sodass er bzw. sie darüber verfügen kann“, umfassen.2 Wie einem jeden Jurastudenten bereits in den ersten Semestern eingebläut wird, ist juristisch freilich strikt zwischen Eigentum und Besitz zu unterscheiden. Damit ist aber nicht gesagt, dass der Jurisprudenz ein im Vergleich zum juristischen Laien fundamental anderes Vorstellungsbild zugrunde liegt – im Gegenteil. Schon die Gesetzesväter kommunizierten, dass sie Besitz und Eigentum jedenfalls langfristig in der Hand einer Person vereint wissen wollten,3 was sich auch im Gesetz selbst niedergeschlagen hat; nicht ohne Grund vermutet es in § 1006 BGB die dingliche Berechtigung aufgrund des Besitzes oder ermöglicht dem gutgläubigen Eigenbesitzer einer beweglichen Sache einen originären Eigentumserwerb nach Ablauf von zehn Jahren, vgl. § 937 BGB. Genau in diesem Punkt liegt der Anstoß für die Kernproblematik, die Gegenstand dieser Arbeit sein soll: Wie ist damit umzugehen, wenn das Gesetz (oder genauer das Allgemeine Schuldrecht) – entgegen den soeben skizzier1  Savigny, Das Recht des Besitzes (1865), S. 27. Unter dem nach seiner Ansicht einer jeden besitzrechtlichen Definition zugrundeliegenden Begriff der Detention verstand Savigny dabei „den Zustand, in welchem nicht nur die eigne Einwirkung auf die Sache physisch möglich ist, sondern auch jede fremde Einwirkung verhindert werden kann“, vgl. a. a. O., S. 26. 2  Jeweils https://www.duden.de/rechtschreibung/Besitz (abgerufen am 02.06.2021). 3  So ausdrücklich für das Immobiliarsachenrecht: „Die Kom. erachtete indessen für wünschenswerth, eine Beseitigung des dominium sine re zu ermöglichen.“, vgl. Mugdan, Bd. III, S. 573 = Protokolle, Bd. 3, S. 194.

16 Einleitung

ten Wertungsaspekten4 – als Rechtsfolge eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz nach sich zieht? Dass es nicht zuletzt den juristischen Laien in Staunen versetzen dürfte, wollte man ihm erklären, dass der Eigentümer dauerhaft keinen Zugriff mehr auf „seine“ Sache hat und der Besitzer spiegelbildlich zwar nicht das Eigentum erwirbt, aber eine eigentümerähnliche Stellung einnimmt, liegt angesichts der vorangestellten Definition aus dem allgemeinen Sprachgebrauch auf der Hand. Doch auch für den Juristen liegt es vor dem Hintergrund der gesetzlichen und gesetzgeberischen Wertungen nicht fern, Anstoß an einem dauerhaften Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz zu nehmen. Sucht man vor diesem Hintergrund nach einer Antwort auf die zuvor aufgeworfene Frage, kommen letztlich nur zwei Lösungsmöglichkeiten in Betracht: Entweder man findet sich mit der dauerhaften Trennung von Besitz und Eigentum ab, oder man versucht die Situation mittels Eigentumserwerbs zugunsten des Besitzers zu bereinigen. Weichenstellend für die Wahl zwischen den beiden Alternativen sind nicht nur die schon angedeuteten gesetzlichen Wertungen, sondern auch ein Blick auf die aus der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz resultierende rechtstatsächliche Situation: Was verbleibt dem Eigentümer auf der einen und was erlangt der Besitzer auf der anderen Seite?5 Seine Existenz hat das Phänomen der dauerhaften Aufspaltung von Eigentum und Besitz nicht etwa einer jüngst aufgekommenen Rechtsprechung zu verdanken. Vielmehr war dieses bereits den Gesetzesvätern6 und, schon lange vor ihnen, den römischen Juristen7 wohlbekannt. Nicht umhin kommt man deshalb, gegenläufig zum Titel dieser Arbeit, den wohl prominentesten, schon durch die Gesetzesväter als Grund für das dauerhafte Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz erkannten Fall8 zu thematisieren: die Vindikationsverjährung.9 An Aktualität gewinnt diese Thematik mit Blick auf das sich ausdehnende Ursachenspektrum für die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz. Neben der jüngeren Rechtsprechung des BGH – verwiesen sei insbesondere auf die sogenannte „Chorarchiventscheidung“,10 die nicht weniger als eine der wohl umstrittensten Fragestellungen des Zivilrechts, die Trennung von Sachen- und Obligationenrecht, zum Gegenstand hatte –, trug 4  Dazu

an späterer Stelle im Detail, vgl. insbesondere S. 89 ff. dazu S. 71 ff. 6  Mugdan, Bd. I, S. 513 f. = Motive, Bd. 1, S. 292 ff. 7  Willems, Justinian als Ökonom (2017), S. 427 ff. und Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2519). 8  Mugdan, Bd. I, S. 513 f. = Motive, Bd. 1, S. 292 ff. 9  Siehe S. 96 ff. 10  BGH, Urteil vom 09.11.2017 – IX ZR 305/16 = NJW 2018, 786. Im Detail dazu unten S. 49 ff. 5  Siehe

Einleitung17

auch der deutsche Gesetzgeber unter dem Einfluss europäischer Richtlinien, namentlich der Fernabsatz- bzw. Verbraucherrechterichtlinie, durch § 241a I BGB zu dessen Ausweitung bei.11 Bislang wurden die genannten drei Konstellationen sehr unterschiedlich behandelt. Während die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz, welche auf die Verjährung der Vindikation oder den Ausschluss des § 985 BGB durch § 241a I BGB zurückgeht, überwiegend hingenommen wird,12 zeichnet sich in der der vorgenannten „Chorarchiventscheidung“ zugrundeliegenden Konstellation ein gegenläufiges Bild ab: In diesem Kontext befürwortet neben der Rechtsprechung auch ein Großteil der Literatur einen Übereignungsanspruch zugunsten des Besitzers in Analogie zu § 255 BGB und wirkt so dem dauerhaften Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum entgegen.13 Ob diese unterschiedliche Handhabe überzeugt, wird dabei einen Kernpunkt der vorliegenden Arbeit bilden. So soll nicht nur der Frage nachgegangen werden, ob dem Rechtsanwender in den beiden erstgenannten Fällen schlechterdings nichts anderes übrigbleibt, als die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz zu akzeptieren, sondern auch erörtert werden, ob der seitens der herrschenden Meinung bemühte Ansatz, einen Übereignungsanspruch auf eine Analogie zu § 255 BGB zu stützen, dogmatisch überzeugen kann. Abschließend soll der Blick auf einen alternativen Lösungsansatz gerichtet werden, welcher die Frage in den Fokus rückt, ob die Gesetzesväter bereits vor 1900 ein Instrument zur Eindämmung der dauerhaften Aufspaltung von Eigentum und Besitz im BGB etabliert haben, welches alle zuvor genannten Fälle auf demselben Wege einer Lösung zuführen kann und bislang lediglich nicht zur Geltung gelangt ist.

11  Zu

§ 241a BGB siehe unten S. 27 ff. die Vindikationsverjährung siehe nur Spohnheimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 87; Fritzsche, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 39; Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 225. Für § 241a I BGB siehe Sutschet, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 9; Ol­ zen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 32 ff.; Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320); Mansel, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 241a Rn. 5. 13  Vgl. die Nachweise in Kap. 3 unter Fn. 215. 12  Für

Kapitel 1

Das Phänomen des dominium sine re A. Begriffsbestimmung Dominium sine re lässt sich als Eigentum ohne Sache übersetzen. In der Jurisprudenz beschreibt dieser terminus technicus die Situation eines des Vindikationsanspruchs beraubten dinglichen Rechts.1 Weshalb in einem solchen Fall von Eigentum ohne Sache gesprochen wird, erschließt sich, führt man sich die aus dem Vindikationsausschluss resultierenden Konsequenzen vor Augen: Das dingliche Recht und der tatsächliche Besitz sind dauerhaft voneinander getrennt, da der Eigentümer seine Rechte aus dem Eigentum nicht mehr geltend machen kann. Das dingliche Recht verbleibt zwar in seinen Händen, gleichwohl vermag es ihm keine (wesentlichen) Vorteile mehr zu bringen.2 Nicht selten ist deshalb die Rede davon, dass dieses der Bezeichnung „Recht“ nicht mehr würdig sei.3 Die Erscheinung des dominium sine re ist, wie die lateinische Bezeichnung schon vermuten lässt, keineswegs als ein genuines Problem der Gegenwart zu begreifen. Vielmehr lässt sich diese rechtliche Konstellation bis in das römische Recht zurückverfolgen. Schon die Römer sprachen die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz betreffend von einem nudum ius4 oder der nuda proprietas5. Eine solche drohte etwa dann, wenn einem Dritten eine Sache vermacht, dem Erben jedoch ein dauerhaftes Nießbrauchsrecht eingeLatein im Recht, 4. Auflage, S. 99. dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz aufgrund Vindikationsverjährung Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2519); Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 158, 20; anders zur dauerhaften Trennung aufgrund von § 241a BGB dagegen Jacobs, JR 2004, 490 (492); detailliert dazu auf S. 74 ff. 3  So Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 148 und Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2519) jeweils zu der auf Vindikationsverjährung fußenden dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz. In dieselbe Richtung Heck, Grundriss des Sachenrechts (1930), § 32 Rn. 4; seine Abneigung gegenüber einem entkernten Eigentumsrecht äußerte auch schon Johow, in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission, Sachenrecht, Teil I (1982), S. 894 f. 4  Zur Verwendung der Bezeichnung nudum ius durch Justinian siehe Willems, Justinian als Ökonom (2017), S. 427 ff.; auf die von Willems behandelte Quelle verweist bereits Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2519, dort Fn. 1). 5  Vgl. Willems, Justinian als Ökonom (2017), S. 429. 1  Lieberwirth, 2  Zur



A. Begriffsbestimmung19

räumt wurde.6 Diese Begrifflichkeiten kamen im römischen Recht, um ein weiteres Beispiel zu benennen, etwa auch dann zum Einsatz, wenn eine res mancipi formlos tradiert wurde7 – die Rede war dann vom nudum ius Quiri­ tium.8 Schließlich war eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz auch dann denkbar, wenn dem Vindikationsanspruch des Eigentümers die exceptio doli, die Arglisteinrede, entgegenstand,9 oder wenn der im Vindikationsprozess Unterlegene statt die Sache herauszugeben, die Urteilssumme an den Kläger entrichtete.10 Besonders bemerkenswert ist an dieser Stelle der Umgang mit der drohenden dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz seitens der Römer. Diese wussten – soweit überliefert – in sämtlichen zuvor skizzierten Situationen die Entstehung eines nudum ius oder einer nuda proprietas zu vermeiden:11 Im Kontext des zugunsten des Erben eingeräumten Nießbrauchsrechts wurde dies durch dessen zeitliche Limitierung und höchstpersönliche Ausgestaltung erreicht.12 Dem Besitzer, der statt die Sache herauszugeben im Rahmen eines 6  Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 20; Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 22. Auflage, § 39 Rn. 1 f.; der Streit über die Wirksamkeit eines solchen Vermächtnisses wird von Willems, Justinian als Ökonom (2017), S. 228 ff. detailliert behandelt; allgemein zum Nießbrauchrecht im römischen Recht und zur Bezeichnung des verbleibenden Eigentums als nuda proprietas Cardilli, in: Handbuch des römischen Privatrechts (2022), § 49 Rn. 1 ff., insbesondere Rn. 6. 7  Willems, Justinian als Ökonom (2017), S. 429 klassifiziert diese Situation als den Hauptanwendungsfall; diesen Fall nennt auch Klinck, in: Handbuch des römischen Privatrechts (2022), § 39 Rn. 7; implizit so auch Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2519). 8  Gaius meint damit die Situation, in der „der quiritische Eigentümer die Sache tatsächlich nicht innehat, und die Eigentumsrechte von einem anderen ausgeübt werden“, vgl. Diósdi, in: Studi in onore di Edoardo Volterra (1971), 123 (135). Zu der von Gaius damit angesprochenen Aufspaltung zwischen der Eigentumsposition in bonis und ex iure Quiritium vgl. Willems, Justinian als Ökonom (2017), S. 429; dazu sowie zum Bedeutungsverlust der mancipatio und Aufhebung der „Sonderstellung des nudum ius Quiritium“ siehe Ernst, in: Handbuch des römischen Privatrechts (2022), § 79 Rn. 449 f. Platschek, in: Handbuch des römischen Privatrechts (2022), § 63 Rn. 37 identifiziert den Doppelverkauf einer Sache als weitere mögliche Ursache für die Entstehung eines nudum ius Quiritium, wenn der Veräußerer zunächst als Nichteigentümer und anschließend als Eigentümer über diese verfügt. 9  Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 20 Fn. 11 und Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2519) Fn. 4 die jeweils auf D. 44, 4, 4, 28 ff. verweisen. 10  Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2519). 11  Wieling, a. a. O. („die nuda proprietas ist eine zu künstliche Konstruktion, als daß der praktische Sinn der Römer sie als dauernde Erscheinung dulden konnte“). 12  Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 22. Auflage, § 39 Rn. 1; Finken­ auer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 20 mit Nachweisen zu Gaius; Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2519); siehe auch die umfassende Darstellung bei Willems, Justinian als Ökonom (2017), S. 227 ff.

20

Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

Vindikationsprozesses die Urteilssumme beglichen hatte, kam die Möglichkeit der Ersitzung trotz Kenntnis von seiner fehlenden Eigentümerstellung zu.13 Auf demselben Wege wurde das nudum ius Quiritium des Veräußerers zeitlich limitiert, der eine res mancipi formlos tradierte – auch insofern stand der Ersitzung das Wissen des Erwerbers, selbst nicht Eigentümer geworden zu sein, nicht entgegen.14 Wie die Römer mit dem nudum ius verfuhren, das auf der Geltendmachung der Arglisteinrede fußte, ist dagegen nicht überliefert.15 Der Begriff des dominium sine re wurde allerdings nicht durch die Römer entwickelt und ist daher nicht klassisch. Erst im 19. Jahrhundert hat sich dieser zur Kennzeichnung der nach der Vindikationsverjährung verbleibenden entkernten Eigentumsposition etabliert, nachdem zuvor mittelalterliche Juristen ein und dieselbe Eigentumsposition aufgeteilt und zwischen domi­ nium directum und dominium utile unterschieden hatten.16 Neben dem Begriff des dominium sine re17 kursieren auch heute noch die bereits durch die Römer geprägten Begriffe nuda proprietas18 und nudum ius19 in der Fach­ literatur. Welcher dieser Begriffe letztlich vorzugswürdig ist, dürfte eine Ge13  Grundsätzlich war für den Rechtserwerb im Wege der Ersitzung bona fides im Zeitpunkt der traditio notwendig (mala fides superveniens non nocet), in Einzelfällen wurde darauf jedoch verzichtet, vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 22. Auflage, § 35 Rn. 11 f. 14  Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2519); zum Bestreben Justini­ ans, die Aufspaltung zwischen der Eigentumsposition in bonis und ex iure Quiritium zu beseitigen, vgl. Willems, Justinian als Ökonom (2017), S. 427 ff. 15  Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2519) mutmaßt ebenfalls eine Ersitzungsmöglichkeit. 16  Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 20 Fn. 8; auch Lieberwirth, Latein im Recht, 4. Auflage, S. 99 und Gebhard, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Allgemeiner Teil, Teil 2 (1981), S. 312 nennen den Begriff; zur Unterscheidung zwischen dominium utile und dominium directum vgl. Rüfner, in: Cairns/du Plessis, The Creation of the Ius Commune. From Casus to Regula (2010), 127 (129); vgl. dazu unten S. 92 ff. 17  Lieberwirth, Latein im Recht, 4. Auflage, S. 99 führt diesen auf; auch das Reichsgericht sprach von einem dominium sine re, vgl. RGZ 138, 296 (300); Pieken­ brock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 13, ders., GPR 2012, 195 (196) verwendet diesen Begriff ebenfalls. 18  Auch proprietas lässt sich als „Eigentum“ übersetzen, vgl. Honsell/Fargnoli, Römisches Recht, 9. Auflage, § 17 I; diesen Begriff verwendend etwa Strobel, ZfPW 2020, 220 (226) und Willems, Justinian als Ökonom (2017), S. 233 im Rahmen des schon zuvor angesprochenen Streits bzgl. des Nießbrauchsrechts zugunsten des Erben, siehe dazu schon oben S. 18, dort Fn. 6. 19  Klose, Eigentum als nudum ius (2016) verwendet den Begriff sogar im Titel seiner Dissertation.



B. Fallkonstellationen21

schmacksfrage darstellen.20 Für diese Arbeit soll der des dominium sine re verwendet werden.

B. Fallkonstellationen, die zu einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz führen können Die Situationen, die eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz nach sich ziehen können, sind auch heute nicht singulär. Die wohl prominenteste Möglichkeit – schließlich war diese, wie schon zuvor angesprochen, Anlass für die Namensgebung21 – ist die der Vindikationsverjährung. Hält der Vindikationsschuldner dem Eigentümer die Einrede des § 214 BGB entgegen, hat letzterer grundsätzlich keine Möglichkeit, die dingliche Berechtigung mit der tatsächlichen Sachherrschaft wieder in seiner Person zu vereinen. Doch auch abseits dieser augenfälligen causa ergeben sich Möglichkeiten, die die Entstehung eines dominium sine re nach sich ziehen. Mit Blick auf das Allgemeine Schuldrecht, namentlich § 281 IV BGB, kann eine Trennung von Eigentum und Besitz darauf fußen, dass der Eigentümer Schadensersatz statt der Vindikation geltend macht; freilich unter der Prämisse, dass § 281 BGB überhaupt auf den Vindikationsanspruch anwendbar ist und durch dessen Abs. 4 auch der Vindikationsanspruch ausgeschlossen werden kann.22 Der Eigentümer könnte weiterhin durch § 241a I BGB daran gehindert sein, seinen vindikatorischen Herausgabeanspruch geltend zu machen. Sendet der Eigentümer unter Verwirklichung der Voraussetzungen des § 14 BGB unbestellt Ware an einen Verbraucher, kommt es ausweislich der soeben genannten Norm zu einem umfassenden Anspruchsausschluss, der sich auch auf den Vindikationsanspruch erstrecken könnte.23 Abschließend reiht sich aus dem Allgemeinen Teil des BGB § 105a in die Gruppe jener Fälle ein, die ein dominium sine re nach sich ziehen könnten.24 Nach dessen Wortlaut gilt der von einem Geschäftsunfähigen abgeschlossene Vertrag, der ein Geschäft des täglichen Lebens zum Inhalt hat, als wirksam, wenn Leistung (und Gegenleistung) bewirkt wurden. In Abhängigkeit davon, wie weit diese Fiktion wirkt – notwendig wäre, dass durch § 105a BGB 20  So wohl auch Wieling/Finkenauer, Sachenrecht, 6. Auflage, § 20 Rn. 50 Fn. 118 („gleichbedeutend spricht man auch von einer nuda proprietas, einem ‚nackten Eigentum‘ “). 21  Vgl. unter der vorausgegangenen Überschrift S. 20 f. 22  Siehe dazu unten im Detail S. 49 ff. 23  Siehe dazu unten S. 29 ff. 24  Spickhoff, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 105a Rn. 24; Löhnig/Schärtl, AcP 204 (2004), 25 (43 f.), die jedoch einen Übereignungsanspruch durch gesamtanaloge Anwendung der §§ 886, 1169, 1254 BGB begründen; Franzen, JR 2004, 221 (224).

22

Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts lediglich insoweit fingiert wird, wie dies für die Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts erforderlich ist – kann es auch hier zu einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz kommen. Die soeben skizzierten Fälle sollen im Folgenden en détail beleuchtet werden.

I. Dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz durch Verjährung des Vindikationsanspruchs Um den erstgenannten Fall, die Vindikationsverjährung, aufzugreifen, wäre eine Trennung von Eigentum und Besitz freilich nur dann denkbar, wenn der Vindikationsanspruch tatsächlich der Verjährung unterliegt. Da die Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs an späterer Stelle selbst noch als möglicher Lösungsweg zur Vermeidung eines dominium sine re vertieft thematisiert werden soll,25 müssen weitere Ausführungen dem noch folgenden Teil der Arbeit vorbehalten bleiben. Einstweilen soll deshalb unterstellt werden, dass auch der vindikatorische Herausgabeanspruch der Verjährung unterliegt, sodass die Geltendmachung der Einrede aus § 214 BGB durch den Besitzer eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz nach sich ziehen kann.

II. Dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz durch § 105a BGB Der mit Wirkung zum 01.08.200226 in das Gesetz aufgenommene § 105a BGB bietet insbesondere im Hinblick auf seine Rechtsfolgenseite eine Fülle an Streitpunkten. Neben der Frage danach, wie weitreichend die im Gesetz beschriebene Fiktion auf der Verpflichtungsebene wirkt,27 wird ferner disku25  Siehe

dazu unten S. 100 ff. BGB war Bestandteil des „Gesetzes zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten“ vom 23.07.2002, BGBl. I 2850. Die Regelungen wurden in dieses Gesetz eingefügt, nachdem zuvor das ­Antidiskriminierungsgesetz gescheitert war, vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte Lipp, FamRZ 2003, 721 (724 f.). 27  Neben einer vollständigen, dafür etwa Ellenberger, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 105a Rn. 6; Neuner, BGB AT, 12. Auflage, § 34 Rn. 15; Kunz/Baldus, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 105a Rn. 43 oder teilweisen Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts, so Wertenbruch, BGB AT, 4. Auflage, § 17 Rn. 28; Casper, NJW 2002, 3425 (3427); Ludyga, FPR 2007, 3 (4), wird auch vertreten, dass die Wirksamkeit nur insoweit fingiert wird, wie dies für den Ausschluss von bereicherungsrecht­ lichen Rückabwicklungsansprüchen erforderlich ist, dies ist wohl die Ansicht der h. M., siehe nur Klumpp, in: Staudinger, 2017, § 105a Rn. 40 m. w. N.; Spickhoff, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 105a Rn. 21 ebenfalls m. w. N.; Löhnig/Schärtl, AcP 26  § 105a



B. Fallkonstellationen23

tiert, ob sich die Fiktionswirkung auch auf das dingliche Rechtsgeschäft bezieht28 und, wenn ja, wie intensiv die Wirkung der Fiktion in diesem Rahmen ausfällt. Die erste Frage einer fundierten Antwort zuzuführen, ist für die Zwecke dieser Arbeit nicht nötig.29 Ein dominium sine re könnte aufgrund von § 105a BGB ungeachtet des Umstands, welche Wirkung die Norm auf der Verpflichtungsebene erzielt, jedenfalls nur dann entstehen, wenn durch diese nicht auch die Wirksamkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts fingiert würde. Zu fokussieren ist deshalb allein die zweitgenannte Frage. Einen ersten Anhaltspunkt, der für eine Fiktionswirkung des § 105a BGB auf dinglicher Ebene streiten kann, bietet der Wortlaut der Norm. Dort heißt es, dass die Wirksamkeitsfiktion eintritt, wenn Leistung und Gegenleistung „bewirkt“ sind. Legt man zwecks Konkretisierung dieses Terminus naheliegenderweise30 die Definition des in § 110 und § 362 I BGB gleichlautenden Begriffs zugrunde und erkennt, dass „Bewirken“ typischerweise mit Erfüllung gleichgesetzt wird,31 sorgt das prima facie allerdings für einige Verwunderung. Wie soll der Geschäftsunfähige seine Leistung „bewirken“, beispielsweise den geschuldeten Kaufpreis in bar an den Verkäufer übereignen, wenn jegliche Willenserklärung nach § 105 I BGB nichtig ist?32 Die Wirksamkeitsfiktion des § 105a BGB vermag insofern – zumindest auf erste Sicht – nicht 204 (2004), 25 (41); Franzen, JR 2004, 221 (224); Mansel, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 105a Rn. 6; so auch der Gesetzgeber BT-Drs. 14/9266, S. 43. 28  Dagegen etwa Löhnig/Schärtl, AcP 204 (2004), 25 (37 f.); Franzen, JR 2004, 221 (224). 29  Auf weitergehende Ausführungen wird hier auch mit Blick auf den Gegenstand dieser Arbeit verzichtet. 30  Für die Einheitlichkeit der Zivilrechtsordnung in Bezug auf das „Bewirken“ Löhnig/Schärtl, AcP 204 (2004), 25 (36). Auch nach dem Grundsatz der Beobachtung erster Ordnung „haben gleichlautende Begriffe ein und derselben Rechtsordnung – mögen sie in einem engeren oder Weiteren Textzusammenhang stehen – grundsätzlich auch den gleichen Inhalt“, siehe nur Potacs, Auslegung im öffentlichen Recht (1994), S. 78 m. w. N. auf die Rechtsprechung des EuGH.  31  Spickhoff, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 105a Rn. 12; Müller, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 105a Rn. 9; Klumpp, in: Staudinger, 2017, § 110 Rn. 14 ff.; a. A. Löhnig/Schärtl, AcP 204 (2004), 25 (39) die „bewirken“ neu definieren und kurz gesprochen, die Vornahme der Leistungshandlung ohne Erfolgseintritt ausreichen lassen wollen. Das ist mit Blick darauf, dass „Bewirken“ auch im Rahmen des § 362 I BGB genannt wird, kritisch zu sehen, vgl. Looschelders, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 362 Rn. 63 („Aus der Formulierung ‚bewirkt‘ folgt, dass die Vornahme der Leistungshandlung für sich genommen grundsätzlich nicht für die Erfüllung ausreicht“), dazu sogleich im Text auf S. 25. 32  Daran sollte auch § 105a BGB nichts ändern, vgl. Spickhoff, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 105a Rn. 14; Klumpp, in: Staudinger, 2017, § 105a Rn. 33; Pawlowski, JZ 2003, 66 (72) geht demgegenüber für die von § 105a BGB erfassten Fälle von einer sogenannten „relativen Geschäftsfähigkeit“ zugunsten des Geschäftsunfähigen aus.

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

weiterzuhelfen, wäre die Rechtsfolge besagter Norm doch andernfalls gleichzeitig Voraussetzung für ihre Anwendung. Würde man dieses Verständnis in aller Strenge anlegen, wäre die Norm – Fälle, in denen nur tatsächliche Leistungshandlungen geschuldet sind, ausgenommen33 – jedoch eines Großteils ihres Anwendungsbereichs beraubt. Sie würde sich als nicht mehr als ein rechtspolitisch motivierter34 guter Wille in Gesetzesform entpuppen.35 Hier kann es auch nicht überzeugen, stets auf den Betreuer zu rekurrieren, der die Leistung des Geschäftsunfähigen bewirken soll. Denn mit Blick auf die ratio legis geht es doch gerade darum, dem volljährigen Geschäftsunfähigen im Alltag einen gewissen eigenen wirtschaftlichen Freiraum einzuräumen.36 Oftmals wird deshalb gefordert, die Fiktionswirkung des § 105a BGB auch auf das dingliche Rechtsgeschäft zu erstrecken.37 Gewiss wäre allein damit noch nicht über den schon angedeuteten drohenden Zirkelschluss – § 105a BGB würde auch das der Norm vorgelagerte und für dessen Anwendung erforderliche Verfügungsgeschäft fingieren38 – hinweggeholfen. Mit Blick auf die Genese des § 105a BGB ist darin jedoch kein unüberwindbares Hindernis zu erblicken. Vielmehr hat auch der Gesetzgeber den drohenden Konflikt erkannt, was besonders deutlich durch den noch im Vorentwurf enthaltenen Abs. 2 des § 105a BGB hervortritt. Dieser lautete: „Die von dem Volljährigen […] erbrachten Leistungen gelten nicht deshalb als nicht bewirkt, weil der Volljährige bei Abschluss des Vertrages […] geschäftsunfähig war oder dies nach diesem Zeitpunkt geworden 33  Darauf weisen Löhnig/Schärtl, AcP 204 (2004), 25 (36 f.) zu Recht hin; Klumpp, in: Staudinger, 2017, § 105a Rn. 33. 34  Dazu Ludyga, FPR 2007, 3 (4); zum Gesetzgebungsverfahren Heim, JuS 2003, 141 (142). 35  Löhnig/Schärtl, AcP 204 (2004), 25 (37 ff.) sprechen vor dem Hintergrund von einer „gesetzgeberischen Panne“. Die von Spickhoff, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 105a Rn. 14 angeführte Möglichkeit, dass ein Eigentumserwerb ipso iure stattfinden kann, dürfte insbesondere für die hier typischerweise einschlägigen Bargeldzahlungen zwar zutreffen, dies hilft im Ergebnis aber nicht weiter: § 105a BGB setzt voraus, dass sowohl Leistung als auch Gegenleistung bewirkt sein müssen, damit die Fiktionswirkung eintritt. Mit Blick auf den typischerweise einschlägigen Kaufvertrag wäre durch § 948 BGB (Vermischung) allerdings nur eine Leistung, die Kaufpreiszahlung, bewirkt. Eine Regelmäßigkeit in der Form, dass auch die Kaufsache, die Gegenstand eines Geschäfts des täglichen Lebens ist, ipso iure erworben wird, besteht nicht. 36  BT-Drs. 14/9266, S. 43; Spickhoff, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 105a Rn. 1; Klumpp, in: Staudinger, 2017, § 105a Rn. 33. 37  Exemplarisch Klumpp, in: Staudinger, 2017, § 105a Rn. 33; Spickhoff, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 105a Rn. 14, der einen Eigentumsübergang aufgrund von § 105a BGB dennoch ablehnt, a. a. O. Rn. 24. 38  Löhnig/Schärtl, AcP 204 (2004), 25 (38), die deshalb das Tatbestandsmerkmal des Bewirkens neu definieren, a. a. O. (39 ff.), siehe dazu schon Kap. 1 Fn. 31.



B. Fallkonstellationen25

ist.“39 Zwar wurde besagter Passus ersatzlos gestrichen, sodass dieser keinen unmittelbaren Einzug in das geltende Recht gefunden hat. Dass daraus jedoch keine Abkehr von dem ursprünglich in Abs. 2 niedergelegten Gedanken geschlussfolgert werden kann, erschließt sich mit Blick auf die Gesetzesbegründung. In dieser weist der Gesetzgeber explizit darauf hin, „dass eine Bewirkung von Leistung und Gegenleistung durch den Geschäftsunfähigen möglich sein muss, da nur dann die in Satz 1 angeordnete Fiktionswirkung eintreten kann“, und dass die „Bewirkung der von dem Geschäftsunfähigen erbrachten oder entgegen genommenen Leistungen […] nicht dadurch ausgeschlossen [ist], dass er geschäftsunfähig ist“.40 Aus dieser ­ sinngemäßen Wiederholung des gestrichenen Abs. 2 innerhalb der Gesetzesbegründung ergibt sich neben der Einsicht, dass die Streichung keine inhaltlichen Auswirkungen auf die Norm haben sollte, zudem eine weitere wichtige Erkenntnis: Dem Gesetzgeber schwebte für das „Bewirken“ im Sinne des § 105a BGB dieselbe Definition vor, wie sie auch in dem nur wenige Normen entfernten § 110 BGB verwendet wird. Denn andernfalls würde sich der Konflikt, der Gegenstand des soeben angesprochenen Abs. 2 war und der auch Einzug in die Gesetzesbegründung gefunden hat, gar nicht erst ergeben. An der Forderung, das „Bewirken“ im Rahmen des § 105a BGB neu zu definieren, kann mithin gezweifelt werden.41 Auch im Übrigen lassen sich keine durchschlagenden Argumente dagegen finden, die Fiktion des § 105a BGB auf das dingliche Rechtsgeschäft zu erstrecken und so einen Rechtserwerb zugunsten des Geschäftsunfähigen zu ermöglichen. Zwar legt der Wortlaut der Norm eine solche Lesart nicht unmittelbar nahe, wenn dieser nur von der Wirksamkeit des geschlossenen Vertrags spricht. Andererseits lässt sich aus dem verwendeten Singular auch keine eindeutige Schlussfolgerung ziehen, die gegen eine Ausdehnung der Fiktionswirkung auf das Verfügungsgeschäft sprechen könnte. Denn im Rahmen des § 110 BGB ist dem Minderjährigen eine wirksame Übereignung gleichermaßen möglich, obschon im Normtext nur die Rede von dem geschlossenen Vertrag ist, der als von Anfang an wirksam gilt.42 Aus systema39  BMJ, Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Verhinderung von Diskriminierungen im Zivilrecht auf dem Stand von 10. Dezember 2001, S. 3. 40  BT-Drs. 14/9266, S. 43, dort findet sich auch das vorangegangene Zitat. Casper, NJW 2002, 3425 (3428) führt die Streichung des Abs. 2 auf eine Vereinfachung des Gesetzes zurück. 41  So aber Löhnig/Schärtl, AcP 204 (2004), 25 (38); siehe auch Heim, JuS 2003, 141 (143) („aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich kein Hinweis, dass der Gesetzgeber dem Begriff der Bewirkung eine andere Bedeutung zumessen will als in § 362 I BGB.“). 42  Casper, NJW 2002, 3425 (3428); zur wirksamen Übereignung durch den beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen vgl. Spickhoff, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 110 Rn. 12 f.; Duden, in: BeckOGK BGB, Stand 01.04.2021, § 110 Rn. 39.

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

tischer Perspektive sprechen ebenfalls die besseren Gründe dafür, die Fiktion des § 105a BGB auch auf das dingliche Rechtsgeschäft zu erstrecken. Unabhängig von § 105a BGB entfalten die §§ 104 f. BGB – entsprechend ihrer Verortung im Allgemeinen vor die Klammer gezogenen Teil des BGB, der für sämtliche nachfolgende Bücher gilt, sofern dort nicht Spezielleres normiert ist – allesamt Wirkung über die Grenzen des Verpflichtungsgeschäfts hinaus. Der im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB Geschäftsunfähige ist weder dazu im Stande, ein Verpflichtungs- noch ein Verfügungsgeschäft wirksam abzuschließen, vgl. § 105 BGB. Hätte der Gesetzgeber die Wirkung des § 105a BGB auf das Verpflichtungsgeschäft beschränken wollen, dann hätte es folglich einer entsprechenden Begründung bedurft, die man im Rahmen der Gesetzesmaterialien jedoch vergebens sucht.43 Schließlich lässt sich die ratio legis des § 105a BGB als Stütze für einen Eigentumserwerb zugunsten des Geschäftsunfähigen bemühen.44 Denn wenn besagte Norm dazu dient, dem Geschäftsunfähigen einen gewissen Freiraum im wirtschaftlichen Rechtsverkehr einzuräumen, ohne dabei den durch die Rechtsordnung gewährten Schutz preisgeben zu müssen,45 dann leuchtet es nicht ein, weshalb dieser mit der deutlich schwächeren Position des Besitzrechts abgespeist werden sollte, wenn er (den Geschäftsunfähigen auf der Käuferseite verortet) typischerweise aufgrund gesetzlichen Eigentumserwerbs – zu denken ist in Bezug auf Bargeld etwa an § 948 BGB (Vermischung)46 – seine dingliche Rechtsposition verliert. Deutlich näher liegt es, ihn umgekehrt auch das dingliche Recht qua Fiktion erwerben zu lassen.47 Auch von der methodischen Warte aus betrachtet überzeugt dieses Ergebnis. Unstrittig48 hat der Gesetzgeber durch § 105a BGB das Instrument der FPR 2007, 3 (6). FamRZ 2003, 721 (726); Kunz/Baldus, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 105a Rn. 43. 45  BT-Drucks. 14/9266, S. 43; Löhnig/Schärtl, AcP 204 (2004), 25 (27); Spickhoff, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 105a Rn. 1. 46  Siehe insofern schon Kap. 1 Fn. 35. 47  Dies entspricht der h. M.: Müller, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 105a Rn. 13; Völzmann-Stickelbrock, in: PWW, 16. Auflage 2021, § 105a Rn. 7; Klumpp, in: Staudinger, 2017, § 105a Rn. 33; Ellenberger, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 105a Rn. 6; Casper, NJW 2002, 3425 (3428); Ludyga, FPR 2007, 3 (6); Kunz/Baldus, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 105a Rn. 43; Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 986 Rn. 32; Lipp, FamRZ 2003, 721 (726); diverse weitere Nachweise finden sich bei Spickhoff, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 105a Rn. 24, der allerdings nicht von einem Eigentumserwerb zugunsten des Geschäftsunfähigen ausgeht und die gegenteilige Ansicht als die herrschende Ansicht deklariert; a. A.: Franzen, JR 2004, 221 (224); Löhnig/Schärtl, AcP 204 (2004), 25 (43). 48  Siehe nur Kunz/Baldus, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 105a Rn. 43; Wendt­ land, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 105a Rn. 7; Klumpp, in: Staudinger, 2017, § 105a Rn. 40. 43  Ludyga, 44  Lipp,



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gesetzlichen Fiktion gewählt, die nicht zuletzt anhand des Wortes „gilt“ erkannt werden kann.49 Nach überwiegender Ansicht innerhalb der Methodenlehre handelt es sich bei einer gesetzlichen Fiktion um einen Rechtsfolgenverweis.50 Der Gesetzgeber knüpft bewusst an zwei ungleiche Tatbestände dieselbe Rechtsfolge. Übertragen auf den Fall des Geschäftsunfähigen bedeutet dies, dass § 105a BGB auf die Vorschriften für die Willenserklärungen von Geschäftsfähigen verweist, soweit damit die Erfüllung eines Geschäfts des täglichen Lebens bezweckt wird.51 Der Geschäftsunfähige erwirbt somit durch die gesetzliche Fiktion einer wirksamen Willenserklärung das Eigentum an der zur Erfüllung eines Geschäfts des täglichen Lebens übergebenen Sache, wenn er das Übereignungsangebot annimmt. Zu einem dauerhaften Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz kommt es folglich nicht, übergibt der (fiktive) Vertragspartner die Sache in Erfüllung der fingierten Verbindlichkeit an den Geschäftsunfähigen. Die Fallkonstellation des § 105a BGB soll deshalb nicht weiter Gegenstand dieser Arbeit sein.

III. Dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz durch § 241a BGB 1. Die europäischen Wurzeln des § 241a BGB Der ebenfalls bereits angesprochene § 241a BGB, welcher Regelungen für den Fall der unbestellten Zusendung von Waren vorsieht, geht auf die europäischen Vorschriften für den Verbraucherschutz zurück. So normierte Art. 9 der Richtlinie 97/7/EG52 – der sogenannten Fernabsatzrichtlinie (FARL) –, dass die „Mitgliedstaaten […] die erforderlichen Maßnahmen [treffen], um […] den Verbraucher von jedweder Gegenleistung für den Fall zu befreien, daß unbestellte Waren geliefert oder unbestellte Dienstleistungen erbracht wurden, wobei das Ausbleiben einer Reaktion nicht als Zustimmung gilt.“ Der deutsche Gesetzgeber kam dem durch § 241a BGB nach, welcher mit Wirkung vom 30.06.2000 durch das Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro53 in das BGB eingefügt wurde.54 49  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 11.  Auflage, Rn. 132a; Larenz/Canaris, Methodenlehre 3. Auflage, S. 84. 50  Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3.  Auflage, S.  83  ff.; Rühters/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage, Rn. 132a; Bydlinski, Methodenlehre, 2. Auflage, S. 197 Fn. 32 und S. 626. Diese auch zum Folgenden. 51  Casper, NJW 2002, 3425 (3428). 52  RL vom 20.05.1997, ABl. L 144/19–27. 53  Gesetz vom 27.06.2000, BGBl. I, S. 897. 54  BT-Drs. 14/2658, S. 45.

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

Die FARL, welche die Mitgliedstaaten der EU ursprünglich dazu verpflichtete, die erforderlichen Maßnahmen zur Untersagung von Lieferungen ohne vorherige Bestellung an Verbraucher zu schaffen, wurde jedoch durch die Richtlinie 2011/83/EU55 – die sogenannte Verbraucherrechterichtlinie (VRRL) – mit Wirkung vom 13.06.2014 abgelöst, vgl. Art. 31 VRRL. Art. 27 der VRRL trat als neue „europäische Kernregelung“56 an die Stelle des Art. 9 der FARL und besagt: „Werden […] unbestellte Waren, […] geliefert oder unbestellte Dienstleistungen erbracht, so ist der Verbraucher von der Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung befreit. In diesen Fällen gilt das Ausbleiben einer Antwort des Verbrauchers auf eine solche unbestellte Lieferung oder Erbringung nicht als Zustimmung.“ Der wesentliche Unterschied der beiden Richtlinien liegt darin, dass Art. 27 VRRL – anders als Art. 9 FARL – es nicht mehr vorsieht, den Verbraucher „von jeder Verpflichtung zu befreien“, wenn an diesen unaufgefordert Leistungen erbracht werden. Vielmehr beschränkt sich Art. 27 VRRL darauf, dass der Verbraucher in diesen Fällen von der „Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung befreit“ sein soll. Hinsichtlich des Ziels, gesteigerte Anforderungen an die Annahme eines Vertragsschlusses zu stellen,57 haben sich dagegen keine Änderungen ergeben. Diese Neuerung der europäischen Vorgaben veranlassten den deutschen Gesetzgeber zur Neufassung des § 241a I BGB.58 Die modifizierte Fassung trat am 13.06.2014 durch das „Gesetz zur Umsetzung der VRRL und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung“ in Kraft.59 Essenzielle Änderungen wurden dabei entsprechend der Intention des deutschen Gesetzgebers nicht vorgenommen:60 Ersetzt wurde der Begriff der „Sache“ durch den unionsrechtlich geprägten Begriff der „Ware“,61 der in § 241a I BGB legaldefiniert ist. Daneben konnte der auf Art. 7 III FARL zurückgehende § 241a III BGB a. F. ersatzlos aufgehoben werden. Der der Umsetzung des Art. 25 VRRL dienende Abs. 3 des § 241a BGB kodifiziert nunmehr den halbzwingenden62 Charakter der Vorschrift.63 55  RL

vom 25.10.2011, ABl. L 304/64–88. Bezeichnung wählt jedenfalls Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 2. 57  Siehe dazu jeweils Art. 27 VRRL und Art. 9 FARL a. E. Genauer zum Vertragsschluss unten auf S. 29 ff. 58  BT-Drs. 17/12637, S. 44. 59  Gesetz vom 20.09.2013, BGBl. I, S. 3642. 60  So der Gesetzgeber über den Wechsel des Begriffs der „Sache“ hin zur „Ware“, siehe BT-Drs. 17/12637, S. 44. Köhler, JuS 2014, 865 (866). 61  Dieser findet sich in Art. 2 Nr. 3 der VRRL. 62  Köhler, JuS 2014, 865 (866). 63  BT-Drs. 17/12637, S. 45. 56  Diese



B. Fallkonstellationen29

Die Rechtsfolgenseite des § 241a I BGB, welche für die mögliche Entstehung eines dominium sine re entscheidend ist, wurde jedoch auch durch die Neufassung nicht abgeändert. Sie besagt noch immer, dass „Ansprüche“ gegenüber dem Verbraucher „nicht begründet“ werden, was ausweislich der Gesetzesbegründung als Anspruchsausschluss zu verstehen ist.64 Nun bildet es den Kern des § 241a I BGB, den Verbraucher vor der Aufdrängung unerwünschter Leistungen und dem damit einhergehenden Risiko, vertragliche Zahlungsverpflichtungen einzugehen, zu bewahren, wodurch letztlich ein effektiver Verbraucherschutz gewährleistet werden soll.65 Offen bleibt jedoch, wie umfassend der vom Gesetzgeber vorgesehene Anspruchsausschluss ausfallen muss, damit dieser Schutz gewährleistet werden kann. Von dessen Reichweite hängt es letztlich ab, ob aus § 241a I BGB ein weiterer Fall eines dominium sine re resultieren kann. 2. Reichweite des Anspruchsausschlusses aus § 241a I BGB Der Normtext des § 241a I BGB legt die Reichweite des Anspruchsausschlusses nicht expressis verbis fest. Wie gezeigt, hat an diesem Umstand auch die Neufassung des § 241a I BGB aufgrund der VRRL nichts geändert. Dementsprechend bedarf es nach wie vor einer Auslegung der Norm, um ihre Rechtsfolge hinreichend konkretisieren zu können. Diese Unbestimmtheit der Rechtsfolgenseite hat durch das nunmehr 21-jährige Bestehen der Norm für eine Fülle juristischer Beiträge innerhalb der Jurisprudenz gesorgt,66 derer alle zu berücksichtigen den Schwerpunkt dieser Arbeit verschieben würde. Gleichwohl sollen im Folgenden die wesentlichen Problempunkte betreffend die Rechtsfolge des § 241a I BGB aufgezeigt werden. Dabei gilt es, zwischen möglichen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher zu differenzieren. a) Ausschluss vertraglicher Ansprüche Vertragliche Ansprüche des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher setzen selbstverständlich eine vertragliche Beziehung zwischen den Parteien voraus. Mit der unbestellten Zusendung der Ware durch den Unternehmer ist 64  BT-Drs.

14/2658, S. 46. 14/2658, S. 46; Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 3; Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 1b; Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 2. 66  Unmittelbar nach Erlass der Norm etwa Flume, ZIP 2000, 1427 und Casper, ZIP 2000, 1602; aus jüngerer Zeit etwa Köhler, JuS 2014, 865 und Förderer, Der Anspruchsausschluss (2020), S. 37 ff. 65  BT-Drs.

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

regelmäßig ein Antrag auf Abschluss eines Kaufvertrags verbunden, wobei auf den Zugang der Annahmeerklärung gemäß § 151 S. 1 BGB verzichtet wird.67 Nimmt der Verbraucher besagtes Angebot an, entstehen diesem gegenüber grundsätzlich auch vertragliche Verpflichtungen. Zu beantworten bleibt daher, wie die Formulierung „wird ein Anspruch gegen den Verbraucher nicht begründet“ in diesem Kontext zu verstehen ist. Insofern bietet es sich an, sich zunächst den vertraglichen Primäransprüchen zu widmen, die qua Zusendung der unbestellten Ware entstehen könnten. Schulmäßig ist deshalb zunächst der Allgemeine Teil des BGB, genauer die §§ 145 ff. BGB und die Grundsätze des Vertragsschlusses, zu konsultieren. Hier gelangt man jedoch schnell zu dem Ergebnis, dass der Wortlaut des § 241a I BGB letztlich etwas Offensichtliches anspricht: Allein durch das einseitige Zusenden von Ware wird noch kein Vertrag geschlossen, aus dem sich Ansprüche gegen den Verbraucher ergeben könnten.68 Das Schweigen des Verbrauchers setzt entsprechend der allgemeinen Vertragslehre keinen Erklärungstatbestand,69 sodass aus diesem keine Annahmeerklärung abgeleitet werden kann. Dies stand indessen bereits vor Schaffung des § 241a BGB fest70 und konnte auch durch die ausdrückliche Erklärung des Versenders, dass er ein Schweigen seitens des Empfängers als Annahme werte, nicht umgangen werden.71 Bereits aufgrund dessen werden in der Lehre Vorwürfe erhoben, die Norm sei (auch) sprachlich missglückt.72 JURA 2000, 505 (511); Löhnig, JA 2001, 33 (33 f.). NJW 2001, 1474 (1474) („das allerdings wusste schon vorher jeder“); so auch Schulze, in: HandKomm BGB, 10. Auflage 2019, § 241a Rn. 5, der davon spricht, dass die Regelung nur eine Klarstellung der Rechtslage nach den allgemeinen Grundsätzen für den Vertragsschluss darstellt; Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 6 meint, dass es bei enger Auslegung des Art. 9 FARL gar keiner Umsetzung bedurft hätte; Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 71 („überflüssig und lediglich klarstellender Natur“); Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 26; Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 30. 69  Möslein, in: BeckOGK BGB, Stand 01.02.2018, § 146 Rn. 34 und Bork, in: Staudinger, 2020, § 146 Rn. 5 jeweils m. w. N. 70  Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 71; Mansel, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 241a Rn. 5; Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 6. 71  Löhnig, JA 2001, 33 (34); Wertenbruch, BGB AT, 4. Auflage, § 10 Rn. 66; Ber­ ger, JuS 2001, 649 (650); Bork, in: Staudinger, 2020, § 146 Rn. 5. 72  Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 26; Deckers, NJW 2001, 1474 (1474); vgl. zur weiteren Kritik an § 241a BGB Flume, ZIP 2000, 1427 (1428), der neben dem Wortlaut und der systematischen Verortung auch den Inhalt der Norm kritisiert („§ 241a BGB ist beispielhaft für gesetzgeberische Unfähigkeit“); Berger, JuS 2001, 649 (651) bezweifelt, dass § 241a I BGB seinen Zweck überhaupt erreicht, da dieser das eigentliche Informationsproblem – die nicht ausreichende Kenntnis der Rechtslage seitens des Verbrauchers – nicht löse. 67  Riehm,

68  Deckers,



B. Fallkonstellationen31

Während einige Autoren es dabei belassen und § 241a I BGB lediglich eine klarstellende Funktion attestieren73 – folglich läge etwa im Ge- oder Verbrauch der Ware (weiterhin) eine Annahmeerklärung74 –, sehen andere einen Mehrwert der Norm darin begründet, dass nunmehr höhere Anforderungen an das Vorliegen einer (konkludenten) Annahmeerklärung zu stellen sind.75 Welche konkreten Konsequenzen daraus resultieren, ist indessen auch innerhalb dieser Sichtweise nicht abschließend geklärt. So wird wohl überwiegend vertreten, dass den hohen Anforderungen an den Annahmewillen des Verbrauchers, die sich aus § 241a I BGB ergeben, nur dann Genüge getan werde, wenn über jene Verhaltensweisen hinaus, aus denen typischerweise das Vorliegen einer Annahmeerklärung entnommen wird, eine zusätzliche Handlung vorliegt, die den rechtsgeschäftlichen Willen des Verbrauchers zur Annahme des Angebotes hinreichend verdeutlicht.76 Reichte es zur Zeit vor der Schaffung des § 241a I BGB noch aus, dass der Empfänger die Sache ge- oder verbrauchte oder z. B. seinen Namen in das unbestellte Buch schrieb, bedürfe es nunmehr eines über die Ingebrauchnahme bzw. den Verbrauch hinausgehenden Erklärungsverhaltens.77 Die Anwendbarkeit des § 151 BGB werde dadurch jedoch nicht berührt.78 Wieder andere interpretie73  Riehm, JURA 2000, 505 (511) meint, dass die Gesetzesbegründung nur auf die allgemeinen Grundsätze des Vertragsrechts verweise und sich somit keine Änderung der Rechtslage ergebe; Löhnig, JA 2001, 33 (34) sieht eine Annahmeerklärung im Ge- oder Verbrauch der Sache; so auch Casper, ZIP 2000, 1602 (1607); in diese Richtung auch Deckers, NJW 2001, 1474 (1474). Eine klarstellende Funktion deutet auch der Gesetzgeber an, vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 46. 74  Löhnig, JA 2001, 33 (34); Casper, ZIP 2000, 1602 (1607); Berger, JuS 2001, 639 (653); Neuner, BGB AT, 12. Auflage, § 28 Rn. 9 und § 37 Rn. 66. 75  Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 30; Riehm, JURA 2000, 505 (511) fordert Zurückhaltung hinsichtlich einer Annahmeerklärung durch den Verbraucher, da § 241a I BGB auch Nutzungsersatzansprüche ausschließe; Sosnitza, BB 2000, 2317 (2323). 76  So die wohl h. M.: Sosnitza, BB 2000, 2317 (2323); in eine ähnliche Richtung geht auch Riehm, JURA 2000, 505 (511), vgl. dazu schon die vorangegangene Fußnote; Lorenz, JuS 2000, 833 (841); Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 15a; Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 15; Schulze, in: HandKomm BGB, 10. Auflage 2019, § 241a Rn. 10; Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 241a Rn. 6; Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 21; Sut­ schet, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 9 will einen Vertragsschluss nur dann zulassen, wenn der Verbraucher Kenntnis von der durch § 241a I BGB geschaffenen Rechtslage hat; ablehnend gegenüber der Ansicht Sutschets etwa Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 73. 77  Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 15; Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 15a; Mansel, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 241a Rn. 5; Schulze, in: HandKomm BGB, 10. Auflage 2019, § 241a Rn. 10. 78  Jeweils implizit Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 15 und Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 15a.

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

ren § 241a I BGB dahingehend, dass nur noch mittels ausdrücklicher Annahmeerklärung seitens des Verbrauchers ein Vertrag zustande kommen könne, eine konkludente Annahme mithin gänzlich ausscheide.79 Schließlich kommt noch die „Extremposition“ in Betracht, der zufolge durch § 241a I BGB sämtliche vertragliche Ansprüche ausgeschlossen werden, also selbst mittels ausdrücklicher Annahme des Angebotes keine vertragliche Beziehung zwischen Verbraucher und Unternehmer begründet werden könnte.80 Da dies auf eine starke Beschneidung der Privatautonomie hinausliefe, wird diese Sichtweise jedoch von niemandem ernstlich in Betracht gezogen.81 Für die vorliegende Arbeit kann die Frage, welche der präsentierten Ansichten letztlich vorzugswürdig ist, jedoch dahinstehen. Denn zum einen herrscht jedenfalls insofern (weitestgehend) Einigkeit, als die Anforderungen für die Annahme eines Vertragsschlusses durch die Einführung des § 241a I BGB gestiegen sind,82 weshalb sich eine vertragliche Beziehung zwischen Verbraucher und Unternehmer nur selten begründen lassen dürfte;83 damit korrespondierend scheiden mögliche vertragliche Herausgabeansprüche (zu denken ist etwa an §§ 280 I i. V. m. 249 I BGB), die der Entstehung eines dominium sine re entgegenstehen könnten, typischerweise von vornherein aus. Zum anderen können dem Eigentümer selbst im Falle des Ausschlusses vertraglicher Herausgabeansprüche noch gesetzliche Herausgabeansprüche zur Seite stehen, die eine dauerhafte Trennung von Besitz und Eigentum verhindern. Entsprechend lassen sich aus der Unterbindung vertrag­ licher Ansprüche nicht automatisch Rückschlüsse auf eine mögliche dauerhafte Trennung von Besitz und Eigentum ziehen. Im Folgenden soll deshalb der Blick auf die gesetzlichen Herausgabeansprüche gerichtet werden.

79  Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 31; Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 74; Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451), der irritierenderweise aber auch die Zahlung des Kaufpreises ausreichen lässt. 80  Kramme, in: PWW, 16. Auflage 2021, § 241a BGB Rn. 14; vgl. auch Deckers, NJW 2001, 1474 (1474), der meint, dass dieser Trugschluss aus einem Gegenschluss zu § 241a II BGB resultieren könnte, der Ausnahmen von der Rechtsfolge des Abs. 1 nur für Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen vorsieht. 81  So auch Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S. 148; Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 21 betont, dass bereits die Möglichkeit an sich, das Angebot des Unternehmers konkludent anzunehmen, nicht eingeschränkt werden dürfe; kritisch auch Riehm, JURA 2000, 505 (511). 82  Siehe dazu Kap. 1 Fn. 76 und Fn. 79. 83  Zudem sei darauf hingewiesen, dass, sofern man einem bestimmten Verhalten einen Annahmewillen beimisst, dem Verbraucher gemäß § 312g BGB ein Widerrufsrecht zusteht, mit dem er sich vom Vertrag wieder lösen kann.



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b) Ausschluss des Vindikationsanspruchs Wie sich schon anhand der oben angesprochenen Vindikationsverjährung erahnen lässt, ist vornehmlich der Ausschluss des Vindikationsanspruchs als Schlüsselelement für die mögliche Entstehung eines dominium sine re zu begreifen. Deshalb stellt sich nunmehr die entscheidende Frage, ob auch dieser vom Anspruchsausschluss des § 241a I BGB erfasst ist. Da am Anfang einer jeden Auslegung die Wortlautanalyse steht,84 gilt es zunächst den Gesetzeswortlaut zurate zu ziehen. Dieser ist freilich seinerseits auslegungsbedürftig. In § 241a I BGB heißt es, dass „ein Anspruch gegen den Verbraucher nicht begründet [wird]“. Um zu erörtern, was unter dem Begriff des „Anspruchs“ zu verstehen ist, lässt sich die Diktion des Gesetzes selbst bemühen. § 194 I BGB definiert diesen als jedes Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, und erfasst damit unzweifelhaft auch den Vindikationsanspruch. Nimmt man daneben § 241a II BGB in den Blick, der gesetzliche Ansprüche expressis verbis in bestimmten Fällen nicht ausschließt, lässt sich die Betroffenheit des § 985 BGB zusätzlich durch ein ­argumentum e contrario stützen: Eine Ausnahme vom Anspruchsausschluss des § 241a I BGB bezüglich gesetzlicher Ansprüche für bestimmte Fälle wäre obsolet, wenn diese von vornherein nicht erfasst wären. Kein abweichendes Ergebnis kann sich aus der systematischen Verortung der Norm im Allgemeinen Schuldrecht ergeben. Denn wie noch zu zeigen sein wird, lässt sich keine trennscharfe Linie zwischen dem Sachen- und dem Schuldrecht ziehen.85 Bemüht man abschließend die Gesetzgebungsmaterialien, scheint sich ein eindeutiges Ergebnis abzuzeichnen: Der Gesetzgeber wollte sämt­ liche Verbindlichkeiten gegenüber dem Verbraucher ausgeschlossen wissen86 und nannte insofern auch ausdrücklich den Vindikationsanspruch.87 Trotz dieses prima facie eindeutigen und auch der wohl herrschenden Lehre88 entsprechenden Ergebnisses wurde eine Vielzahl an Versuchen unternommen, dieses dennoch abzuwenden.89 Die insofern in der Literatur Methodenlehre, 6. Auflage, S. 320. dazu unten S. 52 ff. 86  BT-Drs. 14/2658, S. 23 f. 87  BT-Drs. 14/2658, S. 23 f. und S. 46. 88  Sutschet, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 9; Finke­ nauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 27; Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 241a Rn. 7; Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, §  241a Rn.  82 m. w. N.; Kramme, in: PWW, 16. Auflage 2021, § 241a Rn. 14; Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 46; Schwarz, NJW 2001, 1449 (1449 f.). 89  So etwa Bülow/Artz, NJW 2000, 2049 (2056) („unberührt bleibt natürlich die Vindikation“); Flume, ZIP 2000, 1427 (1429) („Die Vorschrift des § 241a BGB ist insgesamt zu streichen und, solange dies nicht geschehen, als pro non scripto zu be84  Larenz, 85  Siehe

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

vorzufindenden Strömungen lassen sich im Wesentlichen in zwei Gruppen untergliedern: Jene, die einen Ausschluss des Vindikationsanspruchs bedingt durch rechtliche Erwägungen auf nationaler Ebene ablehnen90 und jene, die die europäischen Wurzeln der Norm bemühen.91 Dabei kommt der Aufhebung der FARL durch die VRRL gewissermaßen eine Zäsurwirkung zu. Denn, wie nachfolgend zu zeigen sein wird, fußte der Ausschluss des § 985 BGB zur Geltungszeit der FARL primär auf Erwägungen des nationalen Rechts und wurde erst durch die VRRL auf die europäische Ebene gehoben. Wenngleich auch heute noch solche Argumente, die auf Grundlage der FARL entwickelt wurden, gegen einen Ausschluss des vindikatorischen Heraus­ gabeanspruchs aufgegriffen werden, soll nachfolgend zum Zwecke der Übersichtlichkeit eine Trennlinie zwischen den beiden Richtlinien gezogen werden. aa) Erwägungen vor dem Hintergrund der Fernabsatzrichtlinie (1) Modifikation der Rechtsfolgenseite durch teleologische Reduktion Im Zeitraum vor Erlass der VRRL wurde vornehmlich das Instrument der teleologischen Reduktion bemüht, um den Vindikationsanspruch aus dem Anspruchsausschluss des § 241a I BGB heraus zu kürzen.92 Der Verbraucher sollte vor sämtlichen Ansprüchen des Unternehmers geschützt sein, mit Ausnahme des Vindikationsanspruchs.93 Auf diesem Wege sollte gewährleistet werden, dass der Verbraucher die Sache zwar ohne Sanktion aus §§ 823 ff., 987 ff. oder 812 ff. BGB wegwerfen kann, der Sachwert derselben aber dennoch nicht seinem Vermögen zufließt.94 handeln.“); Deckers, NJW 2000, 1474 (1474) erzielt eine Ergebniskorrektur mittels verfassungskonformer Auslegung; Casper, ZIP 2000, 1602 (1605 f.), § 985 BGB bleibe durch Auslegung anwendbar. 90  Siehe dazu unter der nachfolgenden Überschrift S. 34 ff. 91  Dazu unten S. 43 ff. 92  So ausdrücklich Casper, ZIP 2000, 1602 (1606 f.); andere Autoren sprechen zwar nicht explizit von einer teleologischen Reduktion, bemühen letztlich jedoch allein die ratio legis der Norm, so etwa Schulze, in: HandKomm BGB, 10. Auflage 2019, § 241a Rn. 7. 93  Casper, ZIP 2000, 1602 (1606 f.); Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Auflage, § 11 Rn. 26b, die gleichzeitig Bedenken in Richtung Art. 14 GG äußern. Berger, JuS 2001, 649 (652) bemerkt, dass § 241a I BGB zwar wettbewerbswidriges Verhalten sanktionieren möchte, dieses jedoch nicht als Voraussetzung in den Tatbestand mit aufgenommen wurde und plädiert deshalb für eine einschränkende Auslegung desselben. 94  Zu diesen Erwägungen vgl. Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, §  241a Rn.  86 m. w. N.; Jayme/Schulze, JuS 2001, 878 (882) sprechen davon, dass eine unentgeltliche Bereicherung des Verbrauchers nicht gewollt sei; so auch Casper,



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Aus methodischer Sicht bereitet eine teleologische Reduktion des § 241a I BGB, die lediglich den Vindikationsanspruch betrifft, jedoch Bedenken. Ziel dieser Rechtsfortbildungsmethode ist es, den zu weit gefassten Gesetzeswortlaut entsprechend dem der Norm zugrundeliegenden Telos wieder einzufan­ gen;95 „der Anwendungsbereich der Norm müsste weiter geraten sein, als nach der Wertentscheidung des Gesetzgebers geboten“.96 Freilich gilt es dabei, eine Degradierung des Tatbestandes zu bloßen Billigkeitserwägungen zu vermeiden; Ziel kann daher nur sein, eine abstrakt umschreibbare Fallgruppe vom Anwendungsbereich der Norm auszuschließen. Diese Fälle müssten sich so erheblich von den eigentlich anvisierten unterscheiden, dass der Gesetzeszweck nicht mehr erreicht wird.97 Die teleologische Reduktion darf indessen nicht dazu missbraucht werden, unerwünschte Regelungen zu umgehen;98 eine Norm kann daher nicht um den Kernpunkt ihres Anwendungsbereichs erleichtert werden.99 Dem ersten Anschein nach wäre dies jedoch die Folge einer teleologischen Reduktion des § 241a I BGB mit dem Ziel, den Vindikationsanspruch aus dem Anwendungsbereich auszuklammern. Wie schon zuvor gezeigt100 ist der Ausschluss des § 985 BGB nicht nur vom Wortlaut der Norm umfasst, sondern auch der Gesetzgeber hat ihn explizit anvisiert.101 Den Vindikationsanspruch dogmatisch überzeugend aus dem Anwendungsbereich des § 241a I BGB heraus zu kürzen, dürfte daher nur dann gelingen, wenn der Norm eine gesetzgeberische Wertentscheidung zugrunde läge, die einen Ausschluss des § 985 BGB entbehrlich erscheinen ließe. Damit wäre grundsätzlich hinreichend Anlass gegeben, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie das Telos des § 241a I BGB ermittelt werden soll.102 Im hiesigen Rahmen würde dies allerdings dann hinfällig werden, ZIP 2000, 1602 (1607); anders dagegen Lorenz, JuS 2000, 833 (841), der meint, dass der Verbraucher die Sache entschädigungslos behalten und nutzen darf. Was genau mit der Befürchtung gemeint ist, dass dem Verbraucher der Sachwert der Ware zufließt, wird durch die an späterer Stelle beleuchteten Konsequenzen, die aus dem Ausschluss des Vindikationsanspruchs resultieren, deutlich, vgl. S. 74 ff. und 80 ff. 95  Larenz, Methodenlehre, 6. Auflage, S. 391; Bydlinski, Methodenlehre, 2. Auflage, S. 480. 96  Zitat nach Looschelders/Roth, Methodik (1996), S. 259. 97  Bydlinski, Methodenlehre, 2. Auflage, S. 480; Säcker, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, Einl. BGB Rn. 146. 98  Kramer, Methodenlehre, 6. Auflage, S. 263 m. w. N. 99  Dornheim, Sanktionen und ihre Rechtsfolgen (2005), S. 163. 100  Vgl. S. 33 ff. 101  BT-Drs. 14/2658, S. 46. 102  Ausführlich dazu etwa Dornheim, Sanktionen und ihre Rechtsfolgen (2005), S.  163 ff.

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

wenn sich eine teleologische Reduktion selbst bei Zugrundelegung des teleologischen Maßes, mit dem diejenigen Vertreter messen, die eine solche befürworten, nicht überzeugend begründen ließe. Insofern wäre die Sichtweise zugrunde zu legen, dass § 241a I BGB den Zweck verfolge, den Verbraucher vor wettbewerbswidrigem Verhalten sowie der Unsicherheit im Hinblick auf mögliche Zahlungs-, Rücksendungs- und Verwahrungspflichten zu schützen.103 Damit verbunden sei auch das Recht zur sanktionslosen Entledigung der Sache, da keine Pflicht zur Verwahrung derselben bestehe.104 Dass zur Erreichung dieses Zwecks dem Verbraucher auch der Sachwert zugesprochen, er mithin durch eine Belästigung seitens des Unternehmers bessergestellt werden muss, sei dagegen nicht ersichtlich. Der Grund für eine solche Privilegierung könne allein in dem durch den Gesetzgeber beabsichtigten punitiven Charakter der Norm erblickt werden. Dem Zivilrecht sei die Betonung von Strafgesichtspunkten jedoch fremd; solche könnten deshalb nicht Telos des § 241a I BGB sein.105 Dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Ausschluss des Vindikationsanspruchs im Rahmen der Gesetzesbegründung explizit hervorgehoben hat, wird damit begegnet, dass dennoch ein gewisser Wertungsspielraum bestehe. Bedenken werden schließlich auch dahingehend geäußert, dass andernfalls die Entstehung eines dominium sine re drohe.106 Die Verfechter dieser Sichtweise erkennen folglich selbst an, dass der Gesetzgeber der Norm einen Sanktionscharakter zugrunde gelegt hat. Sie wollen diesen lediglich nicht gelten lassen, da dem Zivilrecht Strafgesichtspunkte fremd seien. Ungeachtet der Frage, ob diese Einschätzung zutrifft,107 kann darauf keine teleologische Reduktion gestützt werden. Der Ansatz ist insgesamt hochgradig bedenklich; er läuft – bedingt durch die offene Korrektur der gesetzgeberischen Wertungsentscheidung – auf eine Durchbrechung der

103  Casper, ZIP 2000, 1602 (1607); für weitere Nachweise siehe Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 86. 104  Casper, ZIP 2000, 1602 (1607), auch zum Folgenden. 105  Casper, ZIP 2000, 1602 (1607); weitere Nachweise bei Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 86. 106  Vgl. Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 86 mit Verweis auf Heinze, Die Vereinbarkeit der §§ 241a, 661a mit dem Ausgleichsprinzip und anderen Wertungsmodellen des Bürgerlichen Gesetzbuches (2006), S. 143 ff. und 146. 107  Einen Präzedenzfall dürfte § 241a I BGB jedenfalls nicht bilden, Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320) benennt exemplarisch § 817 S. 2 und das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass das Gesetz primär „dem Ausgleich […] sich gegenüberstehende[r] Individualinteressen“ dient; vgl. auch Löh­ nig, JA 2001, 33 (34). Kritisch gegenüber der Betonung punitiver Gesichtspunkte im Zivilrecht Casper, ZIP 2000, 1602 (1606); Mäsch, Chance und Schaden (2004), S. 139; in diese Richtung auch Bel/Fritsch, MedR 2020, 556 durch restriktive Handhabung des § 630h V S. 1 BGB.



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Gewaltenteilung hinaus.108 Dies gilt unabhängig davon, ob man der ratio legis des § 241a I BGB ein gewisses Sanktionsmoment beimisst109 oder die Benachteiligung des Unternehmers durch den Ausschluss des Vindikationsanspruchs lediglich als Mittel zur Erreichung des Verbraucherschutzes begreift.110 Daneben ist unergründlich, weshalb der Gesetzgeber nicht nur, wie Art. 20 III GG vorsieht, an die Verfassung, sondern auch an die Prinzipien der zivilrechtlichen Dogmatik gebunden sein sollte – diese stehen in den Grenzen der Verfassung gleichermaßen zu seiner Disposition.111 Überzeugend rechtfertigen lässt sich die teleologische Reduktion des § 241a I BGB auch nicht mit dem Argument, dass durch den zusätz­lichen Ausschluss des Vindikationsanspruchs kein weiterer Marktlenkungs­erfolg zu erwarten sei und es deshalb des systemwidrigen Ausschlusses nicht bedürfe.112 Zwar beugt diese Ansicht dem Vorwurf, die Verbraucherinteressen ins Hintertreffen geraten zu lassen, vor; sie stellt darauf ab, dass dem Verbraucher keine Nachteile entstehen, da dieser weder zur Verwahrung verpflichtet ist noch ihm Ersatzansprüche etwa im Fall des Untergangs der Sache drohen.113 Unweigerlich kommt aber die Frage auf – dies gilt für den Ansatz der teleologischen Reduktion im Allgemeinen – weshalb so viel juristische Mühe darauf verwendet werden soll, den Vindikationsanspruch vom Anspruchsausschluss des § 241a I BGB auszuklammern, um im selben Atemzug festzustellen, dass der Verbraucher die wettbewerbswidrig gelieferte Ware jederzeit wegwerfen und damit das Eigentum des Unternehmers beeinträchtigen kann, unabhängig davon, ob ein Termin zur Abholung mit dem Unternehmer vereinbart wurde.114 Insofern lässt sich an der Gebotenheit einer teleologischen Reduktion115 zweifeln. 108  Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320) („offene Korrektur des parlamentarischen Gesetzgebers“); Piekenbrock, GPR 2012, 195 (196) („Wer so argumentiert, ersetzt vermeintlich objektive Teleologie durch subjektives (System-) Gerechtigkeitsempfinden und verletzt Art. 20 Abs. 3 GG“). 109  Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (200); Walter, Erbringung unbestellter Leistungen (2009), S. 189 f. 110  Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320); Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 209. 111  Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (200); Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 209; Walter, Erbringung unbestellter Leistungen (2009), S.  189 f. 112  So implizit aber Schulze, in: HandKomm BGB, 10. Auflage 2019, § 241a Rn. 7. 113  Schulze, a. a. O. 114  Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 88, auch zum Folgenden. 115  Looschelders/Roth, Methodik (1996), S. 265 („Denkbar ist zwar, daß die Norm, obschon insofern nur zufällig, die betreffenden Sachverhaltskonstellationen durchaus sinnvoll regelt, und dann kann es hiermit sein Bewenden haben.“).

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

Ein Ausschluss des dinglichen Verwirklichungsanspruchs wäre nur dann sinnvoll, wenn der Verbraucher auch aus den §§ 987 ff. BGB haften würde.116 Eine solche Haftung hätte allerdings nicht weniger zur Folge, als dass die ratio legis konterkariert würde, die (auch) von den Verfechtern einer teleologischen Reduktion des § 241a I BGB zugrunde gelegt wird – den Verbraucher vor ungewissen Zahlungs-, Rücksendungs- und Verwahrungspflichten zu schützen. Dem Verbraucher ein Recht zum Wegwerfen zuzugestehen, beißt sich folglich mit dem Versuch, den Vindikationsanspruch aus dem Anspruchsausschluss des § 241a I BGB auszuklammern. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass eine genauere Auseinandersetzung mit der oben aufgeworfenen Frage, ob die ratio legis, welche die Verfechter einer teleologischen Reduktion in § 241a I BGB erkennen, auch dem geltenden Recht117 entspricht, nicht indiziert ist.118 (2) M  odifikation der Rechtsfolgenseite durch verfassungskonforme Auslegung Auch im Wege der verfassungskonformen Auslegung wurde versucht, die Rechtsfolgenseite des § 241a I BGB abzumildern.119 Wie schon gegen den Ansatzpunkt der teleologischen Reduktion wurden jedoch auch gegen diese Vorgehensweise mit Recht bereits Zweifel in Bezug auf ihre methodische Zulässigkeit gehegt.120 Denn das Instrument der verfassungskonformen Auslegung ist nicht als Mittel der Rechtsfortbildung zu begreifen;121 weder darf sie sich über den Wortsinn einer Norm noch den ausdrücklich festgelegten 116  Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 46 und 49; diese Erwägung stellte schon Casper, ZIP 2000, 1602 (1607) an. 117  Zwar wurde § 241a I BGB nach Erlass der VRRL modifiziert. Da sich die Gesetzesbegründung aus dem Jahr 2013 (BT-Drs. 17/12637, S. 44 f.) jedoch nicht erneut mit den in BT-Drs. 14/2658, S. 46 aufgeführten Argumenten befasst, liegt der Schluss nahe, dass die Regelung im Kern nicht geändert wurde (so auch Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 13). Dazu und zu den europäischen Wurzeln des § 241a I BGB auch schon oben S. 27 ff. 118  Kramme, in: PWW, 16. Auflage 2021, § 241a Rn. 4 steht dem Ansatz, den durch § 241a I BGB angeordneten Vindikationsausschluss mittels teleologischer Reduktion heraus zu kürzen, ebenfalls skeptisch gegenüber. 119  Deckers, NJW 2000, 1474 (1474); Wilhelm, Sachenrecht, 6. Auflage, Rn. 1199; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, 9. Auflage, § 29 Rn. 69; Altmeppen, in: FS Westphalen (2010), 1 (7 f.), der jedoch auch von einer teleologischen Reduktion spricht; Härting, Fernabsatzgesetz, 2000, Einl. Rn. 92. 120  Siehe dazu schon Dornheim, Sanktionen und ihre Rechtsfolgen (2005), S. 162; so auch Piekenbrock, GPR 2012, 195 (197). 121  Larenz, Methodenlehre, 6. Auflage, S. 340; Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Auflage, S. 161.



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Zweck des Gesetzes hinwegsetzen.122 Andernfalls würde die Normverwerfungskompetenz des BVerfG ihre Existenzberechtigung einbüßen, die die Judikative aus dem Spannungsverhältnis, einerseits der Autorität der Legislative unterworfen und andererseits selbst an die Verfassung gebunden zu sein, befreien soll.123 Ziel der verfassungskonformen Auslegung ist allein, diejenige Auslegung der Norm zwischen mehreren möglichen zu wählen, die am besten mit den Wertentscheidungen des Grundgesetzes übereinstimmt.124 Mit Blick auf das Ergebnis der vorangegangenen Auslegung des § 241a I BGB,125 welche nur eine Interpretationsmöglichkeit zuließ, lässt sich bereits die Bemühung der Auslegungsmethode als solche bezweifeln. Wollte man dennoch auf diesem Wege ein der vorangegangenen Auslegung entgegenstehendes Ergebnis erzielen, würde – wie auch durch eine teleologische Reduktion126 – unzulässigerweise in den Kompetenzbereich des Gesetzgebers eingegriffen.127 Ungeachtet dessen, dass diese Argumentation auch im hiesigen Rahmen verfängt, bedürfte es ihrer Bemühung dann nicht, wenn bereits der durch eine Vielzahl von Autoren befürchtete Verfassungsverstoß – insofern wird insbesondere Art. 14 GG betont –128 nicht vorläge, mithin weder § 241a I BGB noch der durch diesen angeordnete Ausschluss des § 985 BGB in Konflikt mit dem Grundgesetz stünde. Wie bereits angedeutet, haben sich unter den Autoren, die verfassungsrechtliche Bedenken äußern, zwei Meinungsströmungen herauskristallisiert: Zum Teil wird § 241a BGB als insgesamt verfassungswidrig eingestuft, andere stoßen sich demgegenüber nur an dem Ausschluss des Vindikationsanspruchs. Die Argumentation für erstere An122  St. Rspr. BVerfGE 8, 38 (41); BVerfGE 19, 248 (253); Larenz, Methodenlehre, 6. Auflage, S. 340. 123  Siehe nur Morgenthaler, in: BeckOK GG, 48. Ed. Stand 15.08.2021, Art. 100 Rn.  1 f. 124  Larenz, Methodenlehre, 6. Auflage, S. 340; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 12. Auflage, S. 124; Bydlinski, Methodenlehre, 2. Auflage, S. 373 setzt ebenfalls das Vorliegen mehrere Interpretationsmöglichkeiten voraus. 125  Siehe oben S. 29 ff. 126  Siehe dazu unter der vorausgegangenen Überschrift S. 36 f. 127  Dornheim, Sanktionen und ihre Rechtsfolgen (2005), S. 162; Piekenbrock, GPR 2012, 195 (197). 128  Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 12 II 3a; so auch Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, 9. Auflage, § 29 Rn. 69; Altmeppen, in: FS Westphalen (2010), 1 (7 f.) sieht ebenfalls einen Verfassungsverstoß durch den Ausschluss des § 985 BGB; Baur/ Stürner, Sachenrecht, 18. Auflage, § 11 Rn. 26b; Bedenken gegenüber der Verfassungskonformität des § 241a I BGB hat auch Berger, JuS 2001, 649 (651 und 653, dort Fn. 46), der den Fall eines rechtlich schlecht beratenen Antiquars vor Augen hat, welcher eine wertvolle Sache „unbürokratisch“ nur zur „Ansicht“ an den Verbraucher schickt.

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

sicht beschränkt sich im Wesentlichen auf die andernfalls drohende dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz.129 Der Gesetzgeber habe die Rechtsfolge des § 241a I BGB hinsichtlich des Eigentums nur deshalb auf den Ausschluss des Vindikationsanspruchs beschränkt, weil ein Eigentumserwerb zugunsten des Besitzers gegen Art. 14 GG verstoßen würde. So leicht ließe sich die Verfassung jedoch nicht umgehen, weshalb § 241a I BGB insgesamt verfassungswidrig sei.130 Die zweitgenannte Ansicht sieht den verfassungsrechtlichen Konflikt nicht in einer Enteignung des Unternehmers, sondern in der Unverhältnismäßigkeit als Inhalts- und Schrankenbestimmung begründet. Weder habe die FARL den Ausschluss des Vindikationsanspruchs gefordert, noch sei dieser für die effektive Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen erforderlich.131 Der Unternehmer sei gemäß § 269 I BGB ohnehin schon dazu verpflichtet, die Sache auf eigene Kosten wieder abzuholen. Wollte man in der mit einer solchen Abholung typischerweise einhergehenden Terminvereinbarung ein Belästigungsmoment für den Verbraucher erblicken,132 würde dies bereits dadurch relativiert, dass der Verbraucher sich der Sache jederzeit entledigen kann.133 Da Verbraucher und Wettbewerb auch mit milderen Mitteln hätten geschützt werden können, stelle § 241a I BGB einen unverhältnismäßigen134 Eingriff in das Eigentum des Unternehmers dar. Gänzlich abwegig sind die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht, stellte doch auch der Bundesrat solche bereits während des Gesetzgebungsverfahrens an.135 Nichtsdestotrotz kann weder der Einschätzung, dass § 241a BGB insgesamt einen Verfassungsverstoß begründet, noch der Ansicht, dass der Ausschluss des Vindikationsanspruchs nicht mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen ist, gefolgt werden. So mag es zwar zutreffen, dass der Eigentümer seiner werthaltigen Positionen beraubt wird und ihm nur eine Hülse seines Rechts verbleibt136 – dies kommt zumindest faktisch einem 129  So etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Auflage, § 11 Rn. 26b und Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 12 II 3a. 130  Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 12 II 3a. 131  Deckers, NJW 2001, 1474 (1474) auch zum Folgenden. 132  So etwa Berger, JuS 2001, 649 (653); Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 17. 133  Vgl. Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 87 m. w. N. 134  Für den Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit vgl. Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 87 m. w. N.; darauf stellt wohl auch Altmeppen in: FS Westphalen (2010), 1 (8) ab, wenn er argumentiert, dass die Eigentumsgarantie nicht von einer verbraucherschützenden Regelung beiseitegeschoben werden kann. 135  BT-Drs. 14/2920, S. 5, dort wird daran gezweifelt, ob der umfassende Anspruchsausschluss mit dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 I S. 1 GG vereinbar ist. 136  Dazu unten im Detail S. 74 ff.



B. Fallkonstellationen41

Entzug des Eigentums sehr nahe –,137 gleichwohl bewirkt § 241a I BGB keine Legalenteignung. Kein Unternehmer verliert unmittelbar qua Erlass der Norm die dingliche Rechtsposition an seiner Sache.138 Selbst wenn man § 241a I BGB als einen Eigentumserwerbstatbestand begreifen wollte,139 bedürfte es für einen Übergang des dinglichen Rechts noch eines zusätzlichen Verhaltens seitens des Unternehmers, namentlich der Zustellung der unverlangten Sendung; in der Sache würde sich demnach nichts ändern.140 Damit lässt sich bereits festhalten, dass § 241a I BGB nicht deshalb als insgesamt verfassungswidrig qualifiziert werden kann, da dieser vermeintlich eine Enteignung auf Umwegen verkörpere. Niemand zwingt den Unternehmer dazu, Waren unbestellt zu versenden, er entscheidet sich schlicht eigenverantwortlich für ein wettbewerbswidriges Verhalten.141 Anstatt dessen ist § 241a I BGB als eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 I S. 2 GG zu begreifen, die als solche verhältnismäßig ausgestaltet sein muss.142 Doch auch die insofern angeführten Bedenken schlagen nicht durch. Sollte die unbestellte Zustellung der Sache einmal nicht auf die Entscheidung des Unternehmers zurückzuführen sein, gewährt § 241a II BGB ihm hinreichend Schutz. Daneben ist die insofern als mildere Maßnahme in Betracht kommende gesetzlich vorgesehene Abholung durch den Unternehmer143 nicht gleich geeignet. Denn der Verbraucher wäre nicht nur dazu gezwungen, mit dem Unternehmer einen von ihm nicht veranlassten Abholtermin zu vereinbaren, sondern auch für die Abholung selbst bereitzustehen.144 Der Verbraucher wäre daher mit mehr als bloßem Besitz beläs137  Auf die Bedenklichkeit dieses Umstands weist Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 6 hin. Siehe auch Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 3. 138  Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 17; Riehm, JURA 2000, 505 (512); Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 6. Durch die Übergangsvorschrift in Art. 299 § 2 I EGBGB blieben die bereits bestehenden Herausgabeansprüche unberührt. 139  So etwa Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36; Riehm, JURA 2000, 505 (512); dazu ausführlich unten S. 293 ff. 140  Riehm, JURA 2000, 505 (512); Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 6; vgl. auch BVerfGE 52, 1 (27). 141  Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 89; Gsell, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 7. Auflage, Rn. K 48; Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 3. 142  Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 89; Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 6; Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319); Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (199). 143  Riehm, JURA 2000, 505 (512 f.); Deckers, NJW 2001, 1474 (1474). 144  Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 17; Berger, JuS 2001, 649 (653); Schmidt, Zusendung unbestellter Waren (2005), S. 195, dieser auch zu Folgendem. Dornheim, Sanktionen und ihre Rechtsfolgen (2005), S. 147 argumentiert damit, dass

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

tigt. Führt man den Gedanken des Rechts auf Abholung durch den Unternehmer fort, wäre die logische Konsequenz schließlich ein einklagbarer Anspruch des Unternehmers. Dieser könnte den Verbraucher folglich auch in zivilprozessuale Auseinandersetzungen verwickeln, wenn letzterer den Besitz der Ware bestreitet,145 etwa weil er sie weggeworfen oder nie erhalten hat. Mit einem Recht des Unternehmers auf Abholung wäre folglich ein Mehr an Belästigungsmoment verknüpft, als dies mit der Lösungsvariante, wie sie in § 241a I BGB kodifiziert ist, verbunden ist. Gewiss steht es dem Unternehmer frei, mit den in seinem Eigentum stehenden Sachen nach seinem Belieben zu verfahren – davon erfasst ist auch das Anbieten zum Verkauf. Sofern er sich dazu jedoch wettbewerbswidriger Methoden bedient, muss es der Rechtsordnung gestattet sein, darauf adäquat zu reagieren und den Betroffenen sowie den Wettbewerb zu schützen.146 Die Norm bewegt sich mithin in den Grenzen des „weiten Regelungsspielraum[s], der dem Gesetzgeber für sein Tätigwerden zusteht“,147 und ist nicht als unverhältnismäßig einzustufen. Im Ergebnis ist damit ein erhebliches Übergewicht an Zweifeln gegenüber dem Ausschluss des § 985 BGB durch verfassungskonforme Auslegung des § 241a I BGB zu verzeichnen. Nicht nur die Methodik als solche, sondern auch das Fehlen eines in § 241a I BGB begründeten Verfassungsverstoßes sprechen gegen ein solches Vorgehen im hiesigen Fall. Dem Gesetzgeber und der herrschenden Lehre ist somit grundsätzlich darin zuzustimmen, dass § 241a I BGB auch den vindikatorischen Herausgabeanspruch sperrt. Daran mag auch die drohende Entstehung eines dominium sine re148 nichts ändern. Unberücksichtigt blieb bisher jedoch die Tatsache, dass § 241a I BGB ursprünglich auf Grundlage der FARL verabschiedet wurde. Da diese aber aufgehoben und durch die VRRL ersetzt wurde,149 ist nun die Frage in den Blick zu nehmen, ob sich durch diesen Umstand etwas an dem gerade gefundenen Ergebnis geändert haben könnte.

die bisherige Rechtslage das wettbewerbswidrige Verhalten nicht zu unterbinden vermochte. 145  Dazu auch schon Schmidt, Zusendung unbestellter Waren (2005), S. 195. 146  Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S. 169; Leiß, Unbestellte Leistungserbringung (2006), S. 128. 147  Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 11; so im Ergebnis auch Ol­ zen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 17; Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 3 und Kramme, in: PWW, 16. Auflage 2021, § 241a Rn. 4 („keine verfassungsrechtlichen Bedenken“). 148  Casper, ZIP 2000, 1602 (1605 f.); Flume, ZIP 2000, 1427 (1428 f.); so auch Schulze, in: HandKomm BGB, 10. Auflage 2019, § 241a Rn. 7. 149  Vgl. dazu im Einzelnen S. 27 ff.



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bb) Erwägungen auf Grundlage der Verbraucherrechterichtlinie Der bereits seit Erlass der FARL bestehende und somit in die Jahre gekommene Streit darüber, ob auch der Vindikationsanspruch von § 241a BGB erfasst ist, wurde durch die Aufhebung der FARL und den Erlass der VRRL neu entfacht und in ein neues, europarechtlich geprägtes Licht gerückt.150 Sah Art. 9 der FARL noch vor, dass „die Mitgliedstaaten […] die erforder­ lichen Maßnahmen [treffen], um […] den Verbraucher von jedweder Gegenleistung für den Fall zu befreien, daß unbestellte Waren geliefert […] wurden“, ist der Wortlaut des nunmehr maßgebenden Art. 27 der VRRL deutlich enger gefasst. Dort ist nur noch die Rede davon, dass „der Verbraucher von der Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung befreit“ sein soll. Die Brisanz dieser Änderung wird freilich erst mit Blick auf Art. 4 der VRRL deutlich. Legte die FARL lediglich ein Mindestmaß151 an Harmonisierung fest, vgl. Art. 14 FARL,152 entfaltet die VRRL ausweislich ihres Art. 4 vollharmonisierende Wirkung. Auch nationale Abweichungen zugunsten des Verbrauchers sind damit unzulässig, wenn die Richtlinie insofern nicht ausdrücklich oder konkludent einen nationalen Entscheidungsspielraum vorsieht.153 Zwingend rückt dadurch die Frage in den Mittelpunkt, ob auch auf Grundlage des nun maßgebenden Art. 27 VRRL ein Ausschluss gesetzlicher Ansprüche und insbesondere des § 985 BGB durch § 241a I BGB noch tragfähig ist. (1) D  er Vindikationsanspruch als Gegenleistung im Sinne des Art. 27 Verbraucherrechterichtlinie Um einen Konflikt mit der vollharmonisierenden Wirkung von vornherein zu präkludieren, liegt es am nächsten, zu erörtern, ob gesetzliche Ansprüche und damit auch der Vindikationsanspruch überhaupt als „Gegenleistung“ im Sinne des Art. 27 VRRL begriffen werden können. In der Tat bietet der Begriff zumindest Raum für Diskussion. Legt man die Forderung des europäischen Gesetzgebers, den Verbraucher von der Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung zu befreien, nach deutschem Rechtsverständnis aus, könnte 150  Gsell, in: Staudinger Eckpfeiler des Zivilrechts, 7. Auflage, Rn. K 48; Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 27. 151  So Schmidt, GPR 2014, 73 (76). 152  Dass durch § 241a I BGB schon die FARL überschießend umgesetzt wurde, räumte schon der Gesetzgeber selbst ein, BT-Drs. 14/2658, S. 23; gemeinschaftsrechtlich war dies aufgrund der nur mindestharmonisierenden Wirkung der Fernabsatzrichtlinie jedoch nicht zu beanstanden, vgl. Köhler, JuS 2014, 865 (868). 153  Gsell, in: Staudinger Eckpfeiler des Zivilrechts, 7. Auflage, Rn. K 48; allgemein zur Vollharmonisierung Schröder, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 114 AEUV Rn. 46.

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

damit gewiss lediglich die Leistung angesprochen sein, die im synallagmatischen Verhältnis zur unbestellt gelieferten Ware steht; der Vindikations­ anspruch wäre somit nicht erfasst.154 Allein darauf kann der Ausschluss des dinglichen Rechtsverwirklichungsanspruchs vom Anwendungsbereich des Art. 27 VRRL allerdings nicht gestützt werden. Denn während die französische und die niederländische Sprachfassung des Art. 27 VRRL durch den Ausschluss der Gegenleistung („contreprestation“) bzw. der Zahlungspflicht („betalingsverplichting“) – parallel zur deutschen – eine Beschränkung der Rechtsfolgen auf den Ausschluss vertraglicher Ansprüche nahelegen, lässt etwa die englische Sprachfassung des Art. 27 VRRL auch eine weitergehende, ebenfalls gesetzliche Ansprüche umfassende Interpretation zu. Diese befreit den Verbraucher von der „obligation to provide any consideration“ – der Pflicht zur Erbringung irgendeiner Leistung.155 Schon vor dem Hintergrund dieser sprachlichen Variationen erschließt sich die Notwendigkeit, die im Rahmen von Richtlinien verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe nicht nach dem nationalem Verständnis des jeweiligen Mitgliedstaates, sondern vielmehr im europäischen Kontext auszulegen.156 Ein Ergebnis kann folglich nur mittels autonom unionsrechtlicher Auslegung erzielt werden. Kommt man dem nach, erschließt sich, dass auch dem europäischen Gesetzgeber eine Differenzierung zwischen gegenseitigen und sonstigen Ansprüchen bewusst ist. Dies zeigt sich anhand des Anhangs I Nr. 29 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGPRL),157 in welchem zwischen der Bezahlung als Gegenleistung und der Rücksendung sowie der Verwahrung unterschieden wurde.158 Ergänzt man das Bild sodann um S. 2 des Art. 27 VRRL, 154  Köhler, in: FS Gottwald (2014), 363 (366 f.); ders., JuS 2014, 865 (868); Pie­ kenbrock, GPR 2012, 195 (197), der seine Ansicht vornehmlich auf die Einsicht des Gesetzgebers stützt, schon bezüglich der FARL überschießend tätig geworden zu sein (vgl. dazu schon Kap. 1 Fn. 152) und die sich auf redaktionelle Änderungen beschränkende Neufassung des § 241a I BGB aufgrund der VRRL. Im Ergebnis auch Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 16 und 27, der davon ausgeht, dass ein Ausschluss des § 985 BGB allenfalls auf Erwägungsgrund 57 der VRRL gestützt werden könne, dazu sogleich im Text, vgl. S. 46 f. 155  Diese Übersetzungsmöglichkeit wählt Köhler, in: FS Gottwald (2014), 363 (366); einschränkend ist freilich darauf hinzuweisen, dass die Übersetzung von „con­ sideration“ als „Gegenleistung“ im juristischen Kontext wohl geläufiger ist, vgl. ­https://de.pons.com/übersetzung/englisch-deutsch/consideration (zuletzt abgerufen am 12.10.2021). 156  Richters/Friesen, in: BeckOGK BGB, Stand 01.07.2021, § 310 Rn. 93 m. w. N.; Heinrichs, NJW 1995, 153 (155); dazu, dass die Sichtweise des deutschen Gesetzgebers nicht zwingend der des europäischen entspricht, auch Köhler, in: FS Gottwald (2014), 363 (366). 157  RL vom 11.06.2005, ABl. L 149/22–39. 158  Zu diesen Erwägungen auch Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 13.



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der festlegt, dass in den Fällen unbestellter Zusendung ein Schweigen nicht als Zustimmung gewertet werden kann,159 wodurch erneut ein vertraglicher Bezug hergestellt wird, erhärtet sich der Verdacht, dass Art. 27 VRRL lediglich die vertragliche Ebene tangiert. Abschließende Bestätigung erfährt diese Sichtweise schließlich durch den Erwägungsgrund 60 VRRL. Dort wird der Gegenleistungsbegriff ausschließlich im Zusammenhang mit einem vertrag­ lichen Rechtsbehelf genannt. Insofern ist den Stimmen in der Literatur zuzustimmen, denen die Ansicht zugrunde liegt, dass bei weiter Auslegung damit zwar noch die Befreiung von Schadens- und Nutzungsersatzansprüchen angesprochen sein könne, ein endgültiges Verbleiben der Ware beim Verbraucher aber zu weit ginge.160 (2) R  ichtlinienkonformität des § 241a I BGB aufgrund des eng gefassten Regelungsbereichs der Verbraucherrechterichtlinie Ob aus dem soeben gefundenen Ergebnis zwingend das Bedürfnis für eine richtlinienkonforme teleologische Reduktion des § 241a I BGB abzuleiten ist,161 bleibt indessen fraglich. So sehen einige Stimmen in der Literatur zwar gleichermaßen einen Konflikt zwischen dem Wortlaut des Art. 27 VRRL und dem umfassenden Anspruchsausschluss des § 241a I BGB, sie lösen diesen jedoch durch eine inhaltliche Erweiterung der VRRL im Wege der Rechtsfortbildung.162 Begründet wird dieser Kunstgriff damit, dass im Falle des Nichtausschlusses des § 985 BGB der Gedanke der zivilrechtlichen Sank­ tionsandrohung unterlaufen, somit das marktlenkende Potential in Richtung lauterer Geschäftspraktiken gefährdet und dadurch letztlich die ratio legis des Art. 27 VRRL verfehlt würde.163 Das vertiefte Behandeln sämtlicher insofern aufgekommener Strömungen würde jedoch die hier eigentlich interessierende Frage – namentlich ob ein Ausschluss des Vindikationsanspruchs durch § 241a I BGB tatsächlich mit der vollharmonisierenden Wirkung der VRRL in Konflikt steht – verwässern. Um nicht den zweiten vor dem ersten 159  Insofern ergeben sich auch keine Abweichungen in der englischen Fassung: „In such cases, the absence of a response from the consumer following such an unsoli­ cited supply or provision shall not constitute consent.“ 160  Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 27; Piekenbrock, GPR 2012, 195 (197). 161  So Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, 241a Rn. 16; Köhler, in: FS Gottwald (2014), 363 (368); ders., JuS 2014, 865 (868); a. A.: Piekenbrock, GPR 2012, 195 (197 f.), der primär für ein Tätigwerden des Gesetzgebers plädiert. 162  Jäckel/Tonikidis, JuS 2014, 1064 (1065). 163  So jedenfalls Jäckel/Tonikidis, JuS 2014, 1064 (1065), denn andernfalls könne der Unternehmer die unaufgefordert zugesandte Ware ohne zivilrechtliche Nachteile zurückfordern.

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

Schritt zu machen, soll daher zunächst erörtert werden, ob aus der Feststellung, dass sich Art. 27 VRRL auf die vertragliche Ebene beschränkt,164 die zutreffende Schlussfolgerung gezogen wurde. Dazu gilt es sich noch einmal der Wirkung und der Grenzen der Vollharmonisierung zu besinnen. Ausweislich Art. 4 VRRL sind die Mitgliedstaaten nicht dazu befugt, im Wege einer strengeren oder einer milderen Rechtsvorschrift von den Bestimmungen der Richtlinie abzuweichen. Gleichwohl steht diese Vollharmonisierung unter zwei Vorbehalten: Erstens ergibt sich unmittelbar aus Art. 4 VRRL, dass der betrachtete Harmonisierungsgrad dann nicht gilt, wenn die Richtlinie selbst etwas anderes vorschreibt, und zweitens kann die Vollharmonisierung sich naturgemäß nur auf den Regelungsbereich der Richtlinie an sich beziehen.165 Vor allem die Reichweite des geregelten Richtlinienbereichs bedarf folglich ihrerseits einer Auslegung.166 Damit ist der Rahmen, in dem sich die Antwort auf die soeben aufgeworfene Frage finden lässt, abgesteckt. Dass die Richtlinie selbst die Zulässigkeit einer Abweichung vorsieht, lässt sich bezweifeln. Saenger bemerkt insofern zutreffend, dass sich eine Abweichung allenfalls auf Erwägungsgrund 57 der VRRL stützen ließe.167 In diesem hat der europäische Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass den Mitgliedstaaten weiterhin die Möglichkeit zustehen soll, Sanktionen für Verstöße gegen die Richtlinie festzulegen und für deren Durchsetzung zu sorgen, wobei die Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein sollen. Um einer Beeinträchtigung des Harmonisierungserfolges vorzubeugen, kann dieser Regelungsauftrag jedoch nur gänzlich andersartige Rechtsfolgen legitimieren, sofern solche Bereiche betroffen sind, die bereits durch die Richtlinie einer detaillierte Regelung zugeführt wurden.168 Von einer solchen andersgearteten Rechtsfolge kann allerdings nicht die Rede sein, wenn die Richtlinie sich lediglich auf den Ausschluss vertraglicher Ansprüche beschränkt, der nationale Gesetzgeber jedoch auch den Ausschluss gesetzlicher Ansprüche vorsieht. Allein der divergierende Ursprung der ausgeschlossenen Ansprüche vermag dies nicht zu rechtfertigen. Der erstgenannte Vorbehalt ist demnach nicht einschlägig. Zu hinterfragen bleibt daher, ob gesetzliche Ansprüche respektive eigentumsrechtliche Fragen überhaupt Regelungsgegenstand der VRRL waren. Wäre dies nicht der Fall, dann bedürfte es keines Kunstgriffs etwa im Sinne einer teleologischen Extension der VRRL, da diese insofern keine vollhar164  Siehe

dazu unter der vorausgegangenen Überschrift S. 43 ff. GPR 2017, 73 (78). 166  Diese Notwendigkeit betont insbesondere Kohler, JuS 2014, 865 (867). 167  Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 16, auch zum Folgenden. 168  Als Beispiel führt Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 16 Bußgelder an. 165  Schmidt,



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monisierende Wirkung entfalten würde. In der Tat findet sich eine Fülle an Argumenten, die – neben den bereits zu Art. 27 VRRL aufgeführten169 – für eine Beschränkung der gesamten VRRL auf vertragliche Ansprüche sprechen. Liest man die Regelungen der Richtlinie chronologisch, bietet Art. 3 I VRRL, der den Anwendungsbereich der Richtlinie auf sämtliche zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossene „Verträge“ eingrenzt, insofern den ersten Anknüpfungspunkt. Bei genauerer Betrachtung vermag sich daraus jedoch weder ein Argument für noch gegen die Beschränkung der VRRL auf vertragliche Rechtsbeziehungen ergeben. Gewiss mag der Begriff „Vertrag“ im Lichte des deutschen Rechtsverständnisses Rückschlüsse hinsichtlich einer Begrenzung auf die rein vertragliche Ebene zulassen, indessen ist auch dieser Rechtsbegriff – wie schon jener der Gegenleistung170 – europarechtlich autonom auszulegen. Erkennt man sodann, dass Art. 27 VRRL die Entstehung eines Vertragsverhältnisses zwischen Verbraucher und Unternehmer gerade vorbeugen soll, das heißt keinen Vertrag im Sinne deutscher Zivilrechtsdogmatik voraussetzt, lassen sich aus Art. 3 I VRRL keine eindeutigen Schlüsse ziehen.171 Anders verhält sich dies hinsichtlich des Erwägungsgrunds 60 VRRL, wonach dem Verbraucher ein vertraglicher Rechtsbehelf zugebilligt werden soll, um ihn von der Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung für unbestellt gelieferte Waren zu befreien. Allein aus dem Umstand, dass der europäische Gesetzgeber erneut von einem „vertraglichen“ Rechtsbehelf spricht, lässt sich wiederum keine entscheidende Wertung ableiten,172 wohl aber aus der Kontextualisierung mit der „Gegenleistung“. Rekurriert man in diesem Kontext erneut auf die obige Auslegung173 und erkennt, dass auch der europäische Gesetzgeber zwischen der Gegenleistung im Sinne einer Bezahlung und sonstigen Ansprüchen differenziert, ergibt sich eine Beschränkung der Richtlinie auf die vertragliche Ebene.174 Untermauern lässt sich dies durch einen auf Erwägungsgrund 51 VRRL fußenden Rückschluss. In diesem heißt es, dass eigentumsrechtliche Fragen nicht Gegenstand der Richtlinie sind. Setzt man dies in Kontext mit der Tatsache, dass die Rückerlangung der Ware im Wege gesetzlicher Ansprüche in 169  Siehe 170  Ebd.

dazu schon unter der vorstehenden Überschrift S. 43 ff.

171  Auf diese Abweichung zwischen der VRRL und der deutschen Zivilrechtsdogmatik wies auch schon Köhler, in: FS Gottwald (2014), 363 (366, dort Fn. 8) hin. 172  So aber Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 1 und För­ derer, Der Anspruchsausschluss (2020), S. 39. 173  Siehe dazu S. 43 ff. 174  So auch Gsell, in: Staudinger Eckpfeiler des Zivilrechts, 7. Auflage, Rn. K 48 und Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 93.

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den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestaltet ist und es weder Ziel der Richtlinie sein kann, en passant eine Angleichung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen in Bezug auf das Sachen- und Bereicherungsrecht zu erzielen, noch die unterschiedliche Handhabe in den Mitgliedstaaten zu zementieren,175 erschließt sich die Beschränkung der Richtlinie auf vertrag­ liche Rechtsbeziehungen im Sinne des deutschen Rechtsverständnisses.176 Nun wird dieser Erkenntnis allerdings entgegengesetzt, dass aus dem Schweigen der Richtlinie gegenüber gesetzlichen Ansprüchen nicht der Rückschluss gezogen werden könne, der nationale Gesetzgeber habe insofern freie Hand.177 Dem lässt sich jedoch abermals mit Erwägungsgrund 60 der VRRL begegnen. Wenn es der europäische Gesetzgeber als geboten ansah, im Rahmen der sich ausschließlich auf vertragliche Beziehungen im Sinne des deutschen Zivilrechts beschränkenden VRRL zum Schutz des Verbrauchers gegen unlauteres Verhalten einen „vertraglichen Rechtsbehelf“ zu begründen, dann liegt es wertungsmäßig fern, dem nationalen Gesetzgeber in Bezug auf den Ausschluss gesetzlicher Ansprüche zugunsten des Verbrauchers die Hände zu binden.178 Berücksichtigt man abschließend, dass der Verbraucher sich mangels Verwahrungspflicht179 jedem Herausgabeanspruch des Unternehmers durch Besitzaufgabe entziehen kann, bleibt offen, weshalb der europäische Gesetzgeber überhaupt ein Interesse daran haben sollte, die Mitgliedstaaten in ihrem Bestreben, auch gesetzliche Herausgabeansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher auszuschließen, zu hindern.180 Im Ergebnis sind dem Gesetzgeber trotz der vollharmonisierenden Wirkung der VRRL folglich nicht die Hände gebunden, da gesetzliche Heraus­ gabeansprüche nicht von der Richtlinie erfasst werden. Der Ausschluss des Vindikationsanspruchs beruht demnach auf einer richtlinienkonformen, auto175  Sutschet, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 9; anders scheinbar Weber, Sachenrecht I, 4. Auflage, § 10 Rn. 82 („angeblich mit schuldrechtlichen Verboten nicht in den Griff zu bekommen war, wollte man europaweit eine sachenrechtliche Regelung erzwingen“). 176  Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 93; Gsell, in: Staudinger Eckpfeiler des Zivilrechts, 7. Auflage, Rn. K 48; in dieselbe Richtung geht auch Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 13. 177  Köhler, JuS 2014, 865 (869). 178  Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 13. 179  Dies gilt aufgrund von Nr. 29 Anhang I UGPRL schon auf europäischer Ebene, stellt die Aufforderung zur Verwahrung der Ware doch ebenfalls eine unlautere Geschäftspraktik dar. 180  Schon oben wurde betont, dass ein Ausklammern des Vindikationsanspruchs aus dem Anspruchsausschluss des § 241a I BGB nur dann sinnvoll wäre, wenn der Verbraucher auch zur Verwahrung der Ware verpflichtet wäre, vgl. dazu oben S. 38.



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nomen Entscheidung des nationalen Gesetzgebers.181 Mithin vermag auch die Modifikation der europäischen Grundlage nichts am Ausschluss des Vindikationsanspruchs durch § 241a I BGB zu ändern.182 Damit besteht für den die Ware versendenden Unternehmer das Risiko, mangels vertraglicher Herausgabeansprüche und aufgrund des Ausschlusses gesetzlicher Herausgabeansprüche dauerhaft von seinem Eigentum getrennt zu werden.

IV. Dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz durch § 281 BGB in der Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ (BGH, Urteil vom 09.11.2017 – IX ZR 305/16) Ein weiterer Fall, der die Entstehung eines dominium sine re nach sich ziehen könnte, ist die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH aus dem Jahre 2017.183 Der genannten Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, der seinen Ursprung darin hatte, dass der (durch die Vollstreckungsgegenklage) beklagte Verein (eine Musikschule mit Chor184) der Klägerin zwecks Ordnung, Reinigung und Anfertigung einer Dissertation die im Archiv des Chores zusammengetragenen185 Dokumente aushändigte.186 Diese verblieben dort für einige Jahre, bis der Verein als Eigentümer die Herausgabe des Archivs verlangte, die Klägerin sich aber weigerte, dem nachzukommen. In der Folge entfachte zwischen den Parteien ein Rechtsstreit über die Herausgabe des Chorarchivs. Der Verein machte seinen vindikatorischen Herausgabeanspruch geltend und konnte eine rechtskräftige Verurteilung der Klägerin erwirken. Weiter setzte ihr das Gericht antragsgemäß zur Herausgabe eine Frist von vier Wochen ab Rechtskraft und verurteilte sie wiederum antragsgemäß dazu, im Falle des fruchtlosen Verstreichens anstelle der He­ rausgabe an den Verein 10.000 EUR nebst Zinsen seit Fristablauf zu zahlen.187 Die Klägerin versäumte die Frist und überwies anstatt dessen den ausgeurteilten Betrag auf das Konto des Vereins. Dieser veranlasste seiner181  Vgl.

Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 13. auch die h. L. Gsell, in: Staudinger Eckpfeiler des Zivilrechts, 7. Auflage, Rn. K 48; Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 27; Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 241a Rn. 7; Kramme, in: PWW, 16. Auflage 2021, § 241a Rn. 14; Sutschet, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 9. 183  BGH NJW 2018, 786. 184  LG Trier, Urteil vom 30.07.2013 – 11 O 18/12 = BeckRS 2013, 196227 Rn. 2. 185  Der Umfang des Chorarchivs ergibt sich aus der Antragstellung im Ausgangsurteil des LG Trier BeckRS 2013, 196227 Rn. 12, in der von 20–25 Kartons sowie 100 Aktenordnern die Rede ist. 186  Schmidt, JA 2018, 386 (387). 187  BGH NJW 2018, 786 (786). 182  So

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seits die Rücküberweisung des Betrages und beauftragte gleichzeitig den Gerichtsvollzieher mit der Herausgabevollstreckung aus dem Ausgangsurteil.188 Die Klägerin wandte sich im Wege einer Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) gegen diese angestrebte Vollstreckung seitens des Vereins und verwies auf ihre Zahlung des ausgeurteilten Betrags. Während das Landgericht die Klage abwies,189 änderte das Berufungsgericht das Urteil bereits ab und erklärte die Vollstreckung auf Grundlage des Herausgabeanspruchs für unzulässig.190 1. Rechtliche Würdigung des Sachverhaltes durch den BGH Der genannten Entscheidung lagen dabei nicht nur materiellrechtliche, sondern auch zivilprozessuale Probleme zugrunde. Neben der Frage, ob § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch Anwendung finden kann, musste sich der Senat auch damit auseinandersetzen, ob der Beklagte sowohl den Primär- als auch den Sekundäranspruch innerhalb ein und derselben (Leistungs-)Klage geltend machen kann und, falls ja, ob die Geltendmachung des Sekundäranspruchs seinerseits unter eine weitere Bedingung gestellt werden kann. Bezüglich der Frage, ob § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch Anwendung finden kann, wiederholte der Senat nahezu wortlautidentisch sein am 18. März 2016 gefälltes Urteil191 und bestätigte damit seine Rechtsprechung.192 In der 2016 gefällten Entscheidung bejahte der BGH eine Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch mit der Begründung, dass bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung die Anwendung des allgemeinen Schuldrechts auf den Vindikationsanspruch anerkannt war, aus der Gesetzesbegründung keine Änderungsabsicht des Gesetzgebers zu entnehmen sei und durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz die Rechtsposition des Gläubigers sogar noch gestärkt werden sollte.193 Die Einschränkung, dass der Besitzer bösgläubig oder verklagt sein muss, damit ein Schadensersatz statt der Leistung geltend gemacht werden kann, behielt der BGH ebenfalls bei.194

188  BGH

NJW 2018, 786 (786). Trier, Urteil vom 22.03.2016 – 11 O 324/15 = BeckRS 2016, 128277. 190  OLG Koblenz, Urteil vom 16.11.2016 – 10 U 374/16 = BeckRS 2016, 20278. 191  BGH, Urteil vom 18.03.2016 – V ZR 89/15 = NJW 2016, 3235. 192  BGH NJW 2018, 786 (787) Rn. 7. 193  BGH NJW 2016, 3235 (3236 f.) Rn. 18 f.; nahezu identisch BGH NJW 2018, 786 (787) Rn. 7. 194  BGH NJW 2016, 3235 (3237) Rn. 24; BGH NJW 2018, 786 (787) Rn. 9. 189  LG



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Die Rechtsprechung aus dem Jahr 2016 erfuhr auch insofern Bestätigung, als der Senat wiederum die Möglichkeit anerkannte, sowohl den Primär- als auch den Sekundäranspruch innerhalb derselben Klage geltend zu machen.195 Neu war im Rahmen der „Chorarchiventscheidung“ jedoch, dass sich der BGH vertieft mit den prozessualen Konsequenzen auseinandersetzte.196 So wurde erstmals problematisiert, dass der Schadensersatzantrag, wenn der Kläger Primär- und Sekundäranspruch verbindet, nicht nur von einem erfolgreichen Herausgabeantrag und einem fruchtlosen Verstreichen der Frist abhängt, sondern einer dritten Bedingung unterliegt: der Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung durch den Schadensersatzgläubiger (sogenannte elektive Konkurrenz).197 Doch auch diese dritte Bedingung stand nach Auffassung des Senats einer gemeinsamen Geltendmachung von Primär- und Sekundäranspruch nicht entgegen.198 Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb das dem Schadensersatzgläubiger materiellrechtlich zugebilligte Recht im Rechtsstreit aberkannt werden sollte. Es erscheine im Gegenteil nicht interessengerecht, den Gläubiger um seine Wahlmöglichkeit zu bringen, wenn dieser schon dazu befugt ist, Primär- und Sekundäranspruch innerhalb ein und desselben Prozesses geltend zu machen. Der Gläubiger könne im Zeitpunkt der Klageeinreichung noch nicht beurteilen, ob das Betreiben der Herausgabevollstreckung oder die Vollstreckung des Schadensersatzanspruchs für ihn günstiger ist.199 Deshalb müsse die materielle Rechtslage sich auch im Vollstreckungsverfahren widerspiegeln.200 Der Schadensersatzgläubiger ist demnach nicht nur dazu befugt, den Primär- und Sekundäranspruch im Rahmen eines Prozesses geltend zu machen, sondern auch dazu, sein Wahlrecht beizubehalten, wenn er seine Herausgabeklage mit der Klage auf Schadensersatz statt der Leistung verbindet.201 Im konkreten Fall lehnte der BGH eine solche Erhaltung des Wahlrechts jedoch ab. Durch die „Antragstellung, die Kl[ägerin202] zur Herausgabe und 195  BGH

NJW 2016, 3235 (3237) Rn. 23; BGH NJW 2018, 786 (787) Rn. 7 ff. dem Urteil aus dem Jahr 2016 beschränkten sich die Ausführungen noch darauf, dass es dem Kläger „– wie es bisher auch für § 283 BGB a. F. anerkannt war […] – möglich bleiben [muss], seine Klage auf Schadensersatz gemäß §§ 280 I und III, 281 BGB für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der von dem Gericht zur Erfüllung des Herausgabeanspruchs gesetzten Frist unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO bereits zusammen mit der Herausgabeklage zu erheben (§ 255 ZPO)“, vgl. BGH NJW 2016, 3235 (3237) Rn. 23. 197  BGH NJW 2018, 786 (787) Rn. 10 und 12. 198  BGH NJW 2018, 786 (787 f.) Rn. 12 ff. 199  BGH NJW 2018, 786 (787 f.) Rn. 13. 200  BGH NJW 2018, 786 (787 f.) Rn. 13. 201  BGH NJW 2018, 786 (787) Rn. 11. 202  Die Entscheidung des BGH hatte die Vollstreckungsgegenklage der Doktorandin zum Gegenstand, vgl. S. 49 f. 196  In

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zu Schadensersatz statt der Leistung nach fruchtlosem Ablauf einer ihr gesetzten Frist zu verurteilen,“ habe der Beklagte vielmehr bereits sein Schadensersatzverlangen erklärt.203 Folglich sei sein Primäranspruch im Zeitpunkt der Fristverstreichung gemäß § 281 IV BGB erloschen. Gegen die teilweise seitens der Literatur geäußerten Bedenken204 wendet der BGH ein, dass der Gläubiger allein schon aus Gründen des Schuldnerschutzes unmissverständlich klarstellen müsse, ob er an seinem Wahlrecht festhalten oder bereits Schadensersatz geltend machen möchte.205 Diesem Ergebnis könne auch eine interessengerechte Auslegung des Klagebegehrens nicht entgegenstehen. So habe der Beklagte die Schadensersatzklage zwar angesichts der immateriellen Bedeutung des Archivs für beide Parteien wohl „nur“ als Druckmittel geltend machen wollen, da er offenbar die Entscheidungshoheit über das Archiv nicht verlieren wollte. Jedoch habe der Beklagte sich zum einen sein Wahlrecht nicht vorbehalten und zum anderen Schadensersatz zuzüglich Prozesszinsen geltend gemacht. Da Prozesszinsen gemäß § 291 I S. 1 BGB erst fällig werden, wenn die Schuld – also der Schadensersatzanspruch – fällig wird (§ 281 IV BGB), könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte sich sein Wahlrecht vorbehalten wollte.206 Der BGH verwies die Beklagte mithin auf den geltend gemachten Schadensersatzanspruch; die Vollstreckungsgegenklage hatte somit Erfolg.207 2. Anwendbarkeit des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch und dessen Auswirkungen Für die vorliegende Arbeit ist jedoch – wie schon angedeutet – nicht die prozessuale, sondern die materiellrechtliche Seite des Urteils, die Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch, von essenzieller Bedeutung. Aus ihr kann der Ausschluss des § 985 BGB und somit die mögliche Entstehung eines dominium sine re folgen. Der BGH stellte in dem schon angesprochenen Urteil aus dem Jahre 2016, dessen Begründung im Rahmen der „Chorarchiventscheidung“ übernommen wurde, allerdings auch fest, dass die Anwendung der Vorschriften aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht auf den Herausgabeanspruch des § 985 BGB nicht unumstritten ist.208 Der Streit dürfte zwar, beobachtet man den Wandel in vielen namhaften 203  BGH

NJW 2018, 786 (788) Rn. 15. NJW 2002, 2518, (2520) befürchtet unannehmbare Unsicherheiten für den Schadensersatzschuldner; dem tritt bereits Gsell, JZ 2004, 110, (115 f.) ausdrücklich entgegen. 205  BGH NJW 2018, 786 (788) Rn. 17. 206  BGH NJW 2018, 786 (788) Rn. 18. 207  BGH NJW 2018, 786 (786) Rn. 5. 208  BGH NJW 2016, 3235 (3236) Rn. 12. 204  Schur,



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Kommentaren, die sich der Ansicht der Rechtsprechung inzwischen weitestgehend angeschlossen haben,209 etwas an Relevanz eingebüßt haben. Die Bedeutung für die Entstehung eines dominium sine re wird dadurch indessen nicht begrenzt. Zu unterscheiden sind insofern zwei grundlegende Fragen. Einerseits gilt es, entsprechend der bereits angeklungen Diskussion innerhalb der Jurisprudenz, zu erörtern, ob § 281 BGB überhaupt Anwendung auf den Vindika­ tionsanspruch finden kann, und, falls ja, wie sich § 281 IV BGB zu § 985 BGB verhält. Die umfassende Beantwortung beider Fragen ist bei genauer Betrachtung jedoch schon umfangreich genug, um eine selbstständige Arbeit allein zu diesen zu verfassen,210 weshalb sich die folgenden Ausführungen auf die wesentlichsten Aspekte beschränken sollen. a) Anwendbarkeit des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch Bezüglich der Anwendbarkeit des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch lassen sich im Wesentlichen drei Meinungsgruppen verzeichnen: Jene, die eine Anwendung gänzlich ablehnen, jene, die eine uneingeschränkte Anwendung befürworten, und letztlich jene, die – wie der BGH – eine Anwendung unter der Prämisse bejahen, dass der Besitzer im Sinne des EigentümerBesitzer-Verhältnisses verschärft haftet, das heißt bösgläubig oder verklagt ist. aa) Anwendbarkeit des allgemeinen Leistungsstörungsrechts auf den Vindikationsanspruch Häufig wurde und wird die Anwendbarkeit des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch aus grundsätzlichen Erwägungen heraus verneint.211 Der vindikatorische Herausgabeanspruch sei keine einen Vermögenswert verkör209  Beispielhaft genannt sei Ebbing, in: Erman, 14. Auflage 2014, Vorb. §§ 987– 993 Rn. 90, der von seiner ursprünglichen Ansicht seit der 15. Auflage 2017, Vorb. §§ 987–993 Rn. 90 ebenso Abstand genommen hat wie Stadler, in: Jauernig, 16. Auflage 2015, § 281 Rn. 2 f.; letztere teilt die Ansicht des BGH seit Jauernig, 17. Auflage 2018, § 281 Rn. 2 und wendet § 281 BGB auf § 985 BGB an. 210  Siehe insofern etwa Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019) und Be­ cker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012). 211  Ebbing, in: Erman, 14. Auflage 2014, Vorb. §§ 987–993 Rn. 90, der seit Erman, 15. Auflage 2017, Vorb. §§ 987–993 Rn. 90 jedoch keine Bedenken mehr hat, § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch anzuwenden; Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 985 Rn. 158; skeptisch auch Dauner-Lieb, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 281 Rn. 8; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.03.2015 – 7 U 189/14 = BeckRS 2015, 07254, Rn. 40 ff.

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pernde, selbstständige Folgeerscheinung des Eigentums,212 sondern ein Mittel zum Zwecke der Zusammenführung von Besitz und Eigentum. Diese Funktion unterscheide sich diametral von derjenigen schuldrechtlicher Ansprüche.213 Der Sinn und Zweck des Vindikationsanspruchs liege allein in der Verteidigung des bestehenden Eigentums. Der unberechtigte Besitzer solle dazu bewegt werden, „die ohnehin gegebene rechtliche Güterverteilung zu respektieren, das heißt die von ihm usurpierte Ausübung der kraft Gesetzes dem Eigentümer vorbehaltenen tatsächlichen Sachherrschaft durch Abgabe des Besitzes an diesen auszukehren“ (sogenannte Usurpationstheorie).214 Anzunehmen, dass der Vindikationsanspruch dem Eigentümer einen beliebigen Vorteil aus dem Vermögen des Anspruchsverpflichteten verschaffen oder gar der Verwertung der Sache dienen solle, sei verfehlt und würde zur Zweckentfremdung des § 985 BGB führen.215 Die Nutzung und die Verwertung des Eigentums mögen zwar auch Teil des Eigentumsrechts sein, sodass man in der Verwertung der Sache eine Form der Eigentumsverwirklichung sehen könne,216 diese sei aber jedenfalls nicht mehr vom Rechtsverwirk­ lichungszweck des Eigentumsherausgabeanspruchs gedeckt und könne der soeben skizzierten Ansicht daher nicht entgegenstehen.217 Diese Sichtweise hat viel Kritik erfahren. So wird etwa dem Einwand, dass § 985 BGB allein der Rechtsverwirklichung diene, entgegengehalten, dass dem Eigentümer gemäß § 903 S. 1 BGB das Recht zukomme, mit der Sache nach seinem Gutdünken zu verfahren, worunter auch die Dereliktion im Sinne des § 959 BGB falle. Wenn der dinglich Berechtigte sein Eigentum jederzeit aufgeben könne, dann müsse er erst recht die Möglichkeit haben, 212  Sowohl Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 3, ders., JURA 2004, 433 (435) als auch Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (103 f.) betonen, dass der Vindikationsanspruch nicht mehr und nicht weniger als das Eigentum selbst in einer speziellen Form sei. 213  Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 82; ders., JURA 2004, 433 (434); Schanbacher, in: NK BGB, 4. Auflage 2016, § 985 Rn. 47; in diese Richtung geht auch Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (104). 214  Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 82; Kern dieser Theorie ist die Verwandtschaft von Vindikationsanspruch und negatorischem Beseitigungsanspruch, siehe dazu Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (104). Begründet wurde diese Theorie von Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch (1972). 215  Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 82; Schanbacher, in: NK BGB, 4. Auflage 2016, § 985 Rn. 47; so wohl auch Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (104), wenn dieser davon spricht, dass der Vindikationsschuldner aus reinen Zweckmäßigkeitserwägungen heraus belastet werde und sich die Haftung nicht auf eine Aufstockung des Vermögens des Eigentümers, sondern auf die Verdrängung des unberechtigten Besitzers aus dem ihm nicht zustehenden Bereich beziehe. 216  So etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Auflage, § 3 Rn. 23. 217  Schanbacher, in: NK BGB, 4. Auflage 2016, § 985 Rn. 47.



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bei einer durch objektive Umstände begründeten Unwissenheit über die tatsächliche Durchsetzbarkeit der Vindikation den nur der Verwirklichung des Eigentumsrechts dienenden § 985 BGB aufzugeben.218 Widrigenfalls wäre der der Verwirklichung des Stammrechts dienende Vindikationsanspruch stärker geschützt als das Stammrecht selbst. Die Überprüfung eines jeden von der erstgenannten, ablehnenden Ansicht vorgebrachten Arguments auf seine Validität wäre bereits angesichts der zuvor festgelegten Richtschnur, sich auf die wesentlichsten Punkte zu beschränken, verfehlt, würde aber auch in der Sache keinen Unterschied begründen. Letztlich lassen sich diese nämlich auf einen gemeinsamen Kern herunterbrechen: Die von § 985 BGB normierte Rechtsfolge, die „Herausgabe“, stelle keine Leistung im Sinne des § 241 I BGB dar. Dass diese Sichtweise schon aufgrund ihrer Pauschalität Raum für Zweifel bietet, erschließt sich aus § 990 II BGB. Würde man diese Ansicht beim Worte nehmen und § 985 BGB als wesensfremd gegenüber schuldrechtlichen Ansprüchen qualifizie­ ren,219 stellte sich bereits die Frage, wie das mit dem Verweis im EigentümerBesitzer-Verhältnis auf die Verzugsvorschriften des allgemeinen Schuldrechts in Einklang zu bringen ist.220 Da der Wille, diesen Ausgangspunkt in all seinen Facetten zu erfassen und zu diskutieren, nicht nur den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit verschieben würde, sondern diese Thematik bereits Einzug in viele andere Disserta­ tionen gefunden hat,221 soll hier letztlich nur die Position des Gesetzgebers dargetan werden. So untermauert prima facie zwar noch das Attest Johows in den Vorentwürfen zum BGB die vorgenannte Sichtweise, in dem es heißt, dass es, „um von dem dinglichen Anspruche sich zu lösen, […] keiner positiven Leistung“ bedürfe.222 Ungeachtet der Frage, wie viel Bedeutung man dieser Aussage beimessen möchte,223 haben jedenfalls die Gesetzesväter im in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 30. ausdrücklich Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (103); Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch (1972), S. 158. 220  Gruber/Lösche, NJW 2007, 2815 (2818); siehe auch Weiss, JuS 2012, 965 (968) („Schließlich zeigt auch die Existenz der §§ 989, 990, dass der Anspruch aus § 985 schuldrechtliche Aspekte aufweist. Insbesondere die Frage des Verzugs ist eine typische Frage eines Schuldverhältnisses.“). 221  Siehe für eine umfassende Darstellung Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S. 35 ff. und 72 ff. und Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 3 ff. 222  Johow, in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission, Sachenrecht, Teil I (1982), S. 1019. 223  Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 88 f. stellt die Bedeutung dieser Aussage berechtigterweise in Frage, da dieser die Vorstellung zugrunde lag, der Vindikationsanspruch sei nur auf ein Unterlassen gerichtet, vgl. Johow, in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission, Sachenrecht, Teil I (1982), 218  Fritzsche, 219  So

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Rahmen der Ersten Kommission dieser Sichtweise den Rücken gekehrt. So erscheint die Annahme Johows bereits durch die Betonung überholt, der Vindikationsanspruch sei mehr als ein auf bloßes Unterlassen gerichteter Anspruch, da „mit der bloßen Unterlassung […] dem Eigenthümer noch nicht ein sicherer Weg zur Herstellung des seinem Rechte entsprechenden Zustandes eröffnet“ ist. Insofern bedürfe es vielmehr einer „positiven Thätigkeit“ des Herausgabepflichtigen. Konkretisiert wird diese im Folgenden nicht nur als „Pflicht“, sondern auch als „ein an der fremden Sache zu leistender Dienst“ und wird schließlich mit der Herausgabepflicht des Mieters aus § 546 BGB gleichgesetzt. Dass es sich insofern nicht lediglich um einen versehentlichen terminologischen Fehlgriff der Gesetzesväter, sondern vielmehr um eine bewusste Entscheidung handelt, ergibt sich schließlich aus der seitens der Ersten Kommission vorgenommenen Kontextualisierung der vorangegangenen Ausführungen. So ergebe sich aus dem Umstand, dass der Vindikationsanspruch auf Besitzübertragung, das heißt Vermögenstransfer, gerichtet ist, und der Vergleichbarkeit zu anderen Herausgabeansprüchen obligatorischer Natur ein „obligationsähnlicher Charakter“, wenngleich sich der Vindikationsanspruch „immer von den Forderungsrechten bei welchen die Person des Gläubigers und des Schuldners von vornherein gegeben sind […] unterscheidet“. Bemerkenswert ist, dass die Gesetzesväter diese den obligationsähnlichen Charakter des Vindikationsanspruchs belegenden Ausführungen offenbar mit einer bestimmten Intention verbanden. So heißt es in den Motiven: „Diese Aehnlichkeit rechtfertigt die Anwendung der allgemeinen Vorschriften des Obligationenrechts auf die gegen eine bestimmte Person sich richtenden dinglichen Ansprüche.“ Der historische Gesetzgeber hatte offenkundig die auch hier zu beantwortende Frage – die Anwendbarkeit des heutigen § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch – im Blick, wenngleich in weitaus abstrakterer Form. Ohne die Möglichkeit, schuldrechtliche Regelungen auf den Vindikationsanspruch analog zu übertragen, würde sich „eine fühlbare Lücke […] ergeben“.224

Inwiefern nun die jüngere Gesetzgebung im Sinne des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes einer Anwendung des § 281 BGB entgegenzustehen vermag, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.225 Jedenfalls verbietet es bereits der ausdrückliche Wille der Gesetzesväter, eine Übertragung der Regelungen aus dem allgemeinen Obligationenrecht aus grundsätzlichen Erwägungen heraus abzulehnen.

S. 1019. Picker, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof – Festgabe aus der Wissenschaft, Bd. I (2000), S. 693 (704) stützt sich hingegen auf diese Aussage. 224  Mugdan, Bd. III, S. 222 = Motive, Bd. 3, S. 398 f., dort finden sich alle vorangegangenen Zitate. 225  Dazu insbesondere auf S. 60 ff.



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bb) Uneingeschränkte Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch Dennoch drängt sich die Frage auf, ob § 281 BGB auch ohne Einschränkung auf den Vindikationsanspruch angewendet werden kann. Vieweg und Werner etwa verlangen nur den fruchtlosen Ablauf einer angemessenen Frist.226 Demnach könnte der Gläubiger nach Fristablauf und ohne das Vorliegen weiterer Voraussetzungen Schadensersatz in Geld statt Herausgabe der Sache verlangen, wobei sich der Wert der geschuldeten Herausgabe letztlich auf den Wert der Sache belaufen solle.227 Der dieser Sichtweise entgegenstehende Vorwurf liegt indessen auf der Hand. Das gesamte Eigentümer-Besitzer-Verhältnis verkörpert die Wertung, dass der weder bösgläubige noch verklagte Besitzer in besonderem Maße schutzwürdig ist. Diese Wertung war schon in den Vorentwürfen für das BGB niedergelegt. Um Johow selbst zu Wort kommen zu lassen: „[W]ie auch der redliche Besitzer mit der Sache verfährt, ob er sie veräußert, verbraucht, verschlechtert, vernichtet, er hat dem Eigenthümer gegenüber für seine Handlungsweise nicht die geringste Verantwortlichkeit, und kann sie nicht haben, sofern man nicht aus einer überall nicht zurechenbaren Handlungsweise Verpflichtungen entstehen lassen will.“228 Die dahinterstehende Überlegung ist gemeinhin bekannt: Demjenigen, der nicht bereits durch gutgläubigen Erwerb oder Ersitzung die dingliche Berechtigung an der Sache erlangt, sich aber berechtigterweise für den Rechtsinhaber hält, weil er keine Kenntnis von seiner Nichtberechtigung hat, kann nicht der Vorwurf gemacht werden, mit der Sache entsprechend seinen ihm vermeintlich durch § 903 BGB zugebilligten Befugnissen verfahren zu sein. Er wird so behandelt, als würde seine Vorstellung der Wahrheit entsprechen. Nicht zu Unrecht wird deshalb von einer „Minimalform des gutgläubigen Erwerbs“229 oder bezüglich der durch das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis verbleibenden Haftung nur noch von einem „Überrest“230 gesprochen. 226  Vieweg/Werner, Sachenrecht, 8. Auflage, § 7 Rn. 36; Brehm/Berger, Sachenrecht, 3. Auflage, § 7 Rn. 70 a. E.; so auch Wolf, Sachenrecht, 23. Auflage 2007, § 21 Rn. 19. 227  Vieweg/Werner, Sachenrecht, 8. Auflage, § 7 Rn. 36; zur Frage der Schadensbemessung siehe S. 203 ff. 228  Johow, in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission, Sachenrecht, Teil I (1982), S. 1031. 229  Köbl, Das Eigentümer Besitzer Verhältnis im Anspruchssystem des BGB (1971), S. 227; Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (110), auch zu der vorangegangenen Aussage. Thole, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 987–993 Rn. 7 greift diese Beschreibung ebenfalls auf. 230  Gursky, JURA 2004, 433 (437).

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Diese Wertungen drohen durch die uneingeschränkte Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch konterkariert zu werden. Dies wird besonders dann deutlich, wenn man erkennt, dass § 281 BGB mitunter als Druckmittel zur Realisierung des Primäranspruchs fungiert,231 der Anspruchsteller aber nicht dazu verpflichtet ist, das Bestehen seines geltend gemachten Anspruchs gegenüber dem Schuldner nachzuweisen.232 Im Zeitraum vor der Schuldrechtsreform war dies freilich anders, sah § 283 BGB a. F. doch noch vor, dass der Schuldner rechtskräftig verurteilt wurde, ehe der Gläubiger einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung geltend machen konnte. Mit der Verurteilung ging die Kenntnis von der fehlenden Besitzberechtigung zwingend einher, sodass ein Untergraben der Wertungen des EigentümerBesitzer-Verhältnisses schlechterdings nicht möglich war.233 Das hiesige Problem stellte sich folglich nicht, § 283 BGB a. F. konnte ohne weitere Einschränkungen auf den Vindikationsanspruch übertragen werden. Indes bleibt § 281 BGB, der im Wege des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes an die Stelle des § 283 BGB a. F. getreten ist,234 hinsichtlich seiner Voraussetzungen hinter der letztgenannten Norm zurück. Eine unreflektierte Übertragung der vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz beinah allgemeine Geltung beanspruchenden Handhabe235 birgt deshalb die Gefahr, den aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis resultierenden Schutz zugunsten des gutgläubigen, schutzwürdigen Besitzers zu unterlaufen. Daneben weist Becker berechtigterweise auf ein weiteres Risiko hin:236 Der Besitzer befindet sich gleichsam in einer Zwickmühle, wenn diesem gegenüber ein Herausgabebegehren geltend gemacht und eine entsprechende Frist gesetzt wird. Auf der einen Seite besteht das Risiko, eine unbegründete Forderung zu befriedigen, auf der anderen Seite die Gefahr, sich einer Schadensersatzforderung in Höhe des Sachwertes237 und somit unter Umständen einer erheblichen Geldforderung auszusetzen. Diese Drucksituation, auf die auch schon Schwab (wenn auch in anderem Kontext) hingewiesen hat,238 231  So Schwab, NZM 2003, 50 (52 und 53 f.); siehe auch Dedek, in: Praxis der Schuldrechteform, 2. Auflage 2003, § 281 Rn. 10 f.; Jost, in: FS Otte (2005), 145 (152 f.). 232  Zu dieser Erwägung schon Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 119. 233  So auch Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 16 („weil auch der redlichste Besitzer zumindest mit rechtskräftiger Herausgabeverurteilung positive Kenntnis vom Mangel seines Besitzrechts erlangt“). 234  BT-Drs. 14/6040 S. 7. 235  So BGH NJW 2016, 3235 (3236) Rn. 18. 236  Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 120. 237  Dazu an spätere Stelle im Detail, vgl. S. 217 ff. 238  Schwab, NZM 2003, 50 (52) erörtert die Zwickmühle des Mieters, der auf Räumung der Mietwohnung in Anspruch genommen wird.



B. Fallkonstellationen59

öffnet Missbrauchsmöglichkeiten Tür und Tor, insbesondere wenn es sich um Geldsummen handelt, die der Inanspruchgenommene nicht ohne Weiteres leisten kann. Der Gesetzgeber verwies insofern zwar auf § 242 BGB,239 Schwabs Zweifel, ob der (vermeintliche) Schuldner aus seiner Zwickmühle durch den Verweis auf besagte Norm tatsächlich befreit werde,240 sind jedoch berechtigt. Diese Norm fungiert als Notnagel für Einzelfallgerechtigkeit, den (vermeintlichen) Schuldner aus seiner Zwangslage zu befreien vermag sie jedoch nicht. Denn im Vorhinein lässt sich nicht abschätzen, unter welchen Voraussetzungen der jeweils angerufene Richter deren Vorliegen bejaht. cc) Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch unter den zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 989, 990 BGB Die wohl überwiegende Auffassung in Rechtsprechung241 und Literatur242 bejaht die Anwendbarkeit des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch nur unter einschränkenden Voraussetzungen. Um eben jenen Einwand, der gegen die vorgenannte Ansicht vorgebracht wurde, zu umgehen, wird eine Restriktion dergestalt vorgenommen, dass der Besitzer verschärft haften, mithin bösgläubig oder verklagt sein muss.243 Freilich verbleibt auch diese Sichtweise trotz Umgehung des vorgenannten Konflikts nicht kritikfrei. Namentlich Gursky vertritt den Standpunkt, dass § 993 I Hs. 2 BGB auch für den 239  BT-Drs. 14/6040, S. 138 f.; diesen benennen auch Vieweg/Werner, Sachenrecht, 8. Auflage, § 7 Rn. 36. 240  Schwab, NZM 2003, 50 (52) („Der Hinweis auf § 242 BGB wird ihn ahnen lassen, vor Gerichten wie auf hoher See in Gottes Hand zu sein“). 241  BGH NJW 2016, 3235 (3236); OLG München, Urteil vom 28.01.2015 – 20 U 2910/14, Rn. 110 (Juris); OLG München, Urteil vom 23.04.2008 – 15 U 5245/07, Rn. 12 (Juris); OLG Rostock Beschluss vom 12.12.2011 − 3 W 193/11 = NJW-RR 2012, 222 (223). 242  Lorenz, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 281 Rn. 9; Benieck/ Hellwig, in: Soergel, 13. Auflage 2014, § 281 Rn. 29; Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 9; Stadler, in: Soergel, 13. Auflage 2006, § 985 Rn. 18, 24; Herrler, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 985 Rn. 14. 243  Vgl. die Nachweise in den beiden vorausgegangenen Fußnoten. Einige Vertreter nehmen zusätzlich die Einschränkung vor, dass eine Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung allein den bösgläubigen Besitzer treffen solle, vgl. Gebauer/Huber, ZGS 2005, 103 (107); Gruber/Lösche, NJW 2007, 2815 (2818); umfassende Darstellung bei Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 120 ff. und Spohnhei­ mer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 25 ff. Diese weitere Untergliederung soll hier gleichwohl nicht weiter Gegenstand sein, verfehlt sie doch die für diese Arbeit interessierende Frage, ob die Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch zu einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz führen kann. Denn jedenfalls bezüglich des bösgläubigen Besitzers ist dies auch innerhalb dieser Ansicht unstrittig, vgl. Becker, a. a. O.

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bösgläubigen und verklagten Besitzer Geltung beanspruche und sich gleichermaßen auf die Ansprüche des allgemeinen Leistungsstörungsrechts erstrecke.244 In der Folge gerate die Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch selbst unter der Prämisse, nur den schutzunwürdigen Besitzer zu erfassen, in Konflikt mit der Sperrwirkung des Eigentümer-BesitzerVerhältnisses. Doch auch dieser Einwand würde – ohne die Notwendigkeit einer genaueren Auseinandersetzung mit der Sperrwirkung des EigentümerBesitzer-Verhältnisses – gegenstandslos, wenn sich der Verweis des § 990 II BGB gleichermaßen auf den Schadensersatz nach § 281 BGB erstrecken würde. Dies wird in der Tat inzwischen teilweise vertreten.245 Unreflektiert kann dieser Ansicht – insbesondere mit Blick auf die gewichtigen Gegenstimmen246 – allerdings nicht gefolgt werden, bietet sie doch jedenfalls zwei bis dato noch nicht behandelte Punkte, an denen man sich stoßen kann.247 Der erste liegt darin begründet, dass § 990 II BGB ausschließlich auf eine Verzugshaftung, entsprechend der amtlichen Überschrift also auf § 286 BGB, verweist.248 Im Unterschied zu § 281 BGB normiert dieser jedoch einen Anspruch auf Schadensersatz neben und nicht statt der Leistung. Dieser Argumentation lässt sich jedoch die Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung entgegenhalten – schon vor 2002 verwies § 990 II BGB auf die Verzugshaftung. Im Unterschied zur heutigen Rechtslage beschränkte sich § 286 BGB a. F. jedoch nicht ausschließlich darauf, Schadensersatz neben der Leistung zu gewähren, sondern sah in Abs. 2 die Möglichkeit vor, bei Fortfall jeglicher Gläubigerinteressen an der Leistung Schadensersatz wegen Nichterfüllung, das heißt statt der Leistung geltend zu machen.249 Dass sich der Verweis des § 990 II BGB auch auf § 286 II BGB a. F. erstreckte, war zudem überwiegend anerkannt.250 Dies kann auch nicht, wie Gursky meint, dadurch relativiert werden, dass § 286 II BGB a. F. JURA 2004, 433 (437 f.). NJW 2007, 2815 (2818); Gebauer/Huber, ZGS 2005, 103 ff.; Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 124 ff. 246  Kritisch gegenüber dieser Sichtweise Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (insbesondere 119 f.); Schanbacher, in: NK BGB, 4. Auflage 2016, § 985 Rn. 47 und 60; ehemals so auch Stadler, in: Jauernig, 16. Auflage 2015, § 281 Rn. 2 f., die diese Sichtweise aber inzwischen aufgegeben hat, vgl. dies., in: Jauernig, 17. Auflage 2018, § 281 Rn. 2; Wilhelm, Sachenrecht, 6. Auflage, Rn. 1188; skeptisch auch Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 8; Gursky, JURA 2004, 433 (434 ff.). 247  Grundsätzlich zur Anwendbarkeit des allgemeinen Leistungsstörungsrechts auf den Vindikationsanspruch vgl. S. 53 ff. 248  Darauf weisen die Verfechter diese Sichtweise selbst hin, vgl. Gruber/Lösche, NJW 2007, 2815 (2818); Gebauer/Huber, ZGS 2005, 103 (105). 249  Gruber/Lösche, NJW 2007, 2815 (2818). 250  BGHZ 58, 309 (315) = NJW 1972, 1187 (1189); Medicus, in: MüKo BGB, 4. Auflage 2004, § 990 Rn. 17; Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 12 III 3 b; 244  Gursky,

245  Gruber/Lösche,



B. Fallkonstellationen61

praktisch eine nur marginale Bedeutung hatte und es somit nur zu einer theoretischen Erweiterung der Rechtsposition des Eigentümers kam.251 Denn die praktische Bedeutung des Verweises bedingt nicht die mit diesem korrespondierenden dogmatischen Hintergründe.252 Berücksichtigt man sodann, dass der Regelungsgehalt des § 286 BGB a. F. vollständig in § 281 BGB aufgegangen ist253 und die Schuldrechtsmodernisierung nicht zuletzt das Ziel verfolgte, die Position des Gläubigers zu stärken,254 spricht wenig für die Annahme, dass der Gesetzgeber durch die Streichung des § 286 II BGB a. F. die Rechtslage zuungunsten des Eigentümers verändern wollte.255 Nun darf freilich nicht unbeachtet bleiben, dass der Schadensersatzanspruch aufgrund Verzuges und jener aufgrund Nichtleistung seit der Schuldrechtsmodernisierung nicht mehr in einer Norm zusammengefasst sind, sondern § 281 BGB losgelöst von § 286 BGB steht. War der in § 286 II BGB a. F. vorgesehene Verweis auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung noch unmittelbar in die Verzugsnorm eingebettet, fehlt eine solche Bezugnahme nunmehr gänzlich; der Schadensersatzanspruch statt der Leistung wurde vollständig ausgegliedert. Vor diesem Hintergrund noch von einer Verzugsnorm im technischen Sinne zu sprechen, fällt in der Tat schwer.256 Dass § 281 BGB dennoch mehr als nur eine den Verzugsnormen nahestehende Regelung ist,257 ergibt sich jedoch aus dem Folgenden: Während auf der einen Seite nicht jede Mahnung gleichzeitig eine angemessene Frist in Gang setzt, enthält auf der anderen Seite doch jede Fristsetzung auch eine Leistungsaufforderung, also eine (konkludente) Mahnung.258 Der Gesetzgeber hält deshalb fest: „[D]er Fall […], dass der Schuldner zwar Schadensersatz statt der Bassenge, in: Palandt, 60. Auflage 2001, § 990 Rn. 9; umfassende Nachweise auch bei Gursky, in: Staudinger, 1999, § 990 Rn. 95. 251  Gursky, JURA 2004, 433 (435); ders., in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 84; Kat­ zenstein, AcP 206 (2006), 96 (120) teilt diese Einschätzung. 252  Zu diesem Ergebnis gelangt auch Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 125. 253  Gebauer/Huber, ZGS 2005, 103 (105); Medicus, in: MüKo BGB, 4. Auflage 2004, § 990 Rn. 20 bemerkt, dass anstelle von § 286 II BGB a. F. man jetzt § 281 I S. 2 BGB entsprechend anwenden dürfe; diese Ansicht lässt sich auch auf BT-Drs. 14/6040, S. 138 f. stützen, denn dort wurde die Einführung einer Interessenfortfallklausel erwogen. 254  BT-Drs. 14/6040, S. 138, 140; Gruber/Lösche, NJW 2007, 2815 (2818); Ge­ bauer/Huber, ZGS 2005, 103 (105). 255  So auch Gruber/Lösche, NJW 2007, 2815 (2818). 256  Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 84; anders noch ders., JURA 2004, 433 (438). 257  So Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 84. 258  Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 281 Rn. 7; Schulze, in: HandKomm BGB, 10. Auflage 2019, § 281 Rn. 6, vgl. auch Canaris, JZ 2001, 499 (515).

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

Leistung nach § 281 Abs. 1 Satz 1 RE verlangen (und dann auch nach § 323 Abs. 1 RE zurücktreten) kann, sich aber noch nicht nach § 286 RE in Verzug befindet[, kann nicht eintreten]“.259 Sichtbar wird die enge Verwandtschaft von § 281 und § 286 BGB weiter durch die – Unterschiede hinsichtlich Fristsetzung und Mahnung außen vor gelassen – sich entsprechenden Tatbestände. Beide formulieren die Tatbestandsvoraussetzung der Nichtleistung trotz Fälligkeit, Möglichkeit und Einredefreiheit sowie ein Verschuldenserfordernis. Daher verwundert es auch nicht, dass sich der Ausnahmenkatalog für die Fristsetzung in § 281 II BGB mit jenem für die Entbehrlichkeit der Mahnung in § 286 II zu einem Großteil überschneidet.260 Damit ergibt sich der Befund, dass der Schuldnerverzug notwendige, nicht jedoch hinreichende Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 I BGB ist.261 An das Vorliegen der zusätzlichen Voraussetzung in Form der fruchtlos abgelaufenen Frist werden weitergehende Rechtsfolgen in Gestalt des Schadensersatzes statt der Leistung geknüpft, sodass es sich letztlich um einen qualifizierten Verzugstatbestand handelt.262 Das spiegelt die Rechtslage vor 2002 wider. 259  BT-Drs. 14/6040, S. 138. Der von Ernst, in: MüKo BGB, 4. Auflage 2003, § 286 Rn. 48 gebildete Fall, in welchem der Gläubiger den Schuldner erst mit erfolglosem Ablauf der gesetzten Frist mahnt, wird als praktisch nicht relevant abgetan, vgl. Gruber/Lösche, NJW 2007, 2815 (2818, dort Fn. 36) und Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 126. 260  § 281 II Alt. 1 BGB und § 286 II Nr. 3 BGB decken sich nicht nur wortgetreu, sondern auch inhaltlich, vgl. nur Looschelders, Schuldrecht AT, 18. Auflage, § 27 Rn. 18 („Dies entspricht der Regelung über die Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 286 II Nr. 3“) und Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 323 Rn. 97, § 281 Rn. 56 f., § 286 Rn. 68, der hinsichtlich der Voraussetzungen stets auf die Ausführungen zu § 323 BGB verweist. Insofern lässt sich attestieren: Ist die Fristsetzung im Rahmen des § 281 BGB aufgrund ernsthafter und endgültiger Verweigerung der Leistung entbehrlich, dann gilt dies gleichermaßen für die nach § 286 BGB grundsätzlich erforderliche Mahnung. Auch zwischen § 281 II Alt. 2 BGB und § 286 II Nr. 4 BGB sind Überschneidungen denkbar. So wird als Beispielfall für erstere Norm etwa das arglistige Vortäuschen einer mangelfreien Kaufsache durch den Verkäufer aufgeführt, vgl. Lorenz, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 281 Rn. 31 m. w. N., und für letztere die wissentliche fehlerhafte Leistung durch den Schuldner, Lorenz, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 286 Rn. 38 m. w. N. 261  Gebauer/Huber, ZGS 2005, 103 (106); auch Gruber, ZGS 2003, 130 (131) attestiert, dass § 286 BGB vollständig in § 281 BGB enthalten ist; Canaris, JZ 2001, 499 (515). 262  Gursky, JURA 2004, 433 (438); Gebauer/Huber, ZGS 2005, 103 (106); Gru­ ber/Lösche, NJW 2007, 2815 (2818). Dafür soll ebenfalls eine Rechtsfolgenbetrachtung sprechen, da der Anspruch aus § 281 BGB auch den Verzögerungsschaden erfasse, wodurch ein Rückgriff auf §§ 280, 286 BGB obsolet werde, vgl. Gruber, ZGS 2003, 130 (131); a. A. Stadler, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 281 Rn. 16 und Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 281 Rn. 17; ebenso Weiss, JuS 2012, 965 (968), der damit argumentiert, dass sich § 281 BGB insbesondere durch § 283



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Dieses Ergebnis korreliert auch mit dem Willen des Gesetzgebers, der durch die Einführung der §§ 280, 281 BGB dem Gläubiger einfachere und kostengünstigere Wege aufzeigen wollte, um zum Ziel zu gelangen – ein Wille, der gerade durch einen Ausschluss der Anwendung von § 281 BGB im Rahmen des § 985 BGB vereitelt würde.263 Es spricht folglich viel dafür, den Verweis des § 990 II BGB auch heute noch in der Weite zu verstehen, wie es vor der Schuldrechtsmodernisierung Usus war, weshalb auch die Sperrwirkung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses einer Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch nicht entgegenstehen kann. dd) Vorliegen der Analogievoraussetzungen Aus den vorausgegangenen Ausführungen wurde eine Vielzahl von Erkenntnissen gewonnen: Erstens kann die Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch nicht bereits aus grundsätzlichen Erwägungen heraus abgelehnt werden. Zweitens hat sich herausgestellt, dass Schadensersatz statt des § 985 BGB aufgrund von Nichtleistung – um ein Unterlaufen der Wertungen aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis zu vermeiden – nur unter der zusätzlichen, einschränkenden Voraussetzung der verschärften Haftung des Besitzers möglich ist. Drittens und letztens droht durch die Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch kein Konflikt mit der Sperrwirkung des § 993 I Hs. 2, da § 281 BGB einen Fall qualifizierter Verzugshaftung darstellt und somit als von § 990 II BGB erfasst angesehen werden kann. Bislang unberücksichtigt blieb indessen der Umstand, dass der Vindika­ tionsanspruch nur einen obligationsähnlichen Charakter aufweist, worauf schon die Gesetzesväter verwiesen.264 Da somit eine Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch nur mittels Analogie begründet werden kann, soll nachfolgend erörtert werden, ob auch die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung – eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage265 – vorliegen.

BGB a. F. speist, der unstrittig nicht von der Verweisung des § 990  II BGB erfasst war. 263  Gruber/Lösche, NJW 2007, 2815 (2818). 264  Mugdan, Bd. III, S. 222 = Motive, Bd. 3, S. 398 f., dazu genauer schon oben S. 55 f.; siehe auch Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 81, der betont, dass § 281 BGB nur auf schuldrechtliche Normen direkt angewandt werden kann. 265  Zu den Analogievoraussetzungen siehe Canaris, Lückenfeststellung (1983), S.  198 f.

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

Unter Berufung auf den einer jeden Analogie zugrundeliegenden Gleichheitsgrundsatz266 stützen sich etliche Verfechter einer extensiven Handhabe des § 281 BGB darauf, dass andernfalls der dingliche Gläubiger deutlich schlechter stünde als der schuldrechtliche – eine Ungleichbehandlung, die einer Rechtfertigung entbehre.267 Diese prominente Einschätzung wird gleich­ wohl nicht von allen geteilt. Entgegnet wird vornehmlich, dass die Rechtsstellung des dinglichen Gläubigers in vielerlei Hinsicht von jener des obligatorischen abweiche und eine Schlechterstellung des ersteren keine Seltenheit sei.268 Namentlich zeige sich ein solcher Unterschied etwa anhand der Möglichkeit des Schuldners, bereits durch bloße Besitzaufgabe die Voraussetzungen eines Vindikationsanspruchs entfallen zu lassen, und das unabhängig davon, ob er den Besitz problemlos zurückerlangen kann oder nicht. Ein weiterer Beleg seien die dem Eigentümer deutlich seltener an die Hand gegebenen Sekundäransprüche, erfordern diese neben einem Verschulden doch zusätzlich eine verschärfte Haftung des Besitzers.269 Dieses Argument ist – wie Becker zutreffend festhält – bereits vom methodischen Ansatz her bemerkenswert. Dem Eigentümer einen Anspruch aus § 281 BGB nur deshalb zu verwehren, weil er auch an anderer Stelle schlechter steht, grenzt jedenfalls an eine petitio principii.270 Letztlich ausschlaggebend ist jedoch ein anderer Punkt: Die stellenweise Benachteiligung des Eigentümers gegenüber dem obligatorischen Gläubiger hat keinerlei Aussagegehalt in Bezug auf die Vergleichbarkeit der Interessenlage. Dies gilt umso mehr, berücksichtigt man, dass sich die Benachteiligungen des Eigentümers hinsichtlich der Geltendmachung von Sekundäransprüchen aufgrund der zusätzlichen Erfordernisse in Form der Bösgläubigkeit oder Rechtshängigkeit auch im Rahmen des § 281 BGB fortsetzten würden. Umgekehrt zeichnet sich aber aus dem oben schon ausführlich behandelten Verweis des § 990 II BGB in das allgemeine Schuldrecht ab, dass die Situation zwischen dem obligatorischen Gläubiger und dem dinglichen durchaus vergleichbar sein kann. Rekurriert man sodann auf die vorherigen

Lückenfeststellung (1983), S. 90; siehe dazu auch unten S. 184 ff. nur Fritzsche, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 30 m. w. N.; BGH NJW 2016, 3235 (3237) Rn. 23; Gebauer/Huber, ZGS 2005, 103 (104). 268  Gursky, JURA 2004, 433 (434); ders., in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 83. 269  Gursky, JURA 2004, 433 (434); zu ersterem Punkt siehe auch Wilhelm, Sachenrecht, 6. Auflage, Rn. 1186. 270  Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 133 („getreu der Devise, ‚Du bist ohnehin so arm dran, aus diesem Grund nehmen wir Dir noch das letzte Hemd‘ “). 266  Canaris, 267  Siehe



B. Fallkonstellationen65

Ausführungen, die die Ähnlichkeit zwischen § 281 BGB und § 286 BGB belegen,271 spricht bereits viel für die Vergleichbarkeit der Interessenlagen.272 Füllt man schließlich den bisweilen abstrakt gehaltenen Vorwurf der Ungleichbehandlung mit konkretem Inhalt, ergeben sich weitere Aspekte, die die Stichhaltigkeit dieses Arguments untermauern. Bildet man den Fall des dinglichen Gläubigers, der sein Eigentum qua Verfügung zunächst an den Erwerber verloren hat, das dingliche Rechtsgeschäft jedoch dann aufgrund arglistiger Täuschung wirksam anficht, und vergleicht diesen mit dem Fall des Eigentümers, der die Sache wirksam an den Erwerber übereignet, jedoch anschließend vom Vertrag zurücktritt, kommt unweigerlich folgende Frage auf: Weshalb sollte dem Eigentümer in letzterem Fall die Möglichkeit zukommen, Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 346 IV, 280 I, III, 281 BGB nach fruchtlosem Ablauf der Frist zur Herausgabe geltend machen zu können, im ersteren jedoch nicht?273 Eine solche Handhabe wäre nicht nur aufgrund des angesichts seines arglistigen Verhaltens offenkundig weniger schützenswerten Besitzers fragwürdig – hier bietet sich vielmehr Raum für ein argumentum a fortiori –, sondern birgt auch das Risiko, dass sich die Anfechtung des dinglichen Rechtsgeschäfts als Falle für den schutzwürdigen Eigentümer entpuppt. An der Vergleichbarkeit der Interessenlage könnte jedoch mit Blick auf das Auftreten eines sogenannten „Zwangskaufs“ gezweifelt werden.274 Dieser soll daraus resultieren, dass auf der einen Seite der Eigentümer durch die Geltendmachung des § 281 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Sachwertes hat, auf der anderen Seite der Herausgabeschuldner – so jedenfalls ein Großteil der Literatur275 wie auch der BGH276 – im Gegenzug

271  Vgl.

S. 60 ff. Dort wird auch der Verweis des § 990 II BGB behandelt. Parallele zieht auch Weiss, JuS 2012, 965 (968). 273  Dazu schon Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 135 ff. 274  Schanbacher, in: NK BGB, 4. Auflage 2016, § 985 Rn. 47 führt diesen Aspekt als Kritikpunkt an; auch der BGH, vgl. NJW 2016, 3235 (3237) Rn. 20 f., und der Gesetzgeber (BT-Drs. 14/2658, S. 139) erkannten diese „Gefahr“; letzterer wies diese unter Verweis auf deren Seltenheit und die Möglichkeit, durch § 242 BGB für billige Ergebnisse zu sorgen, jedoch als nicht gewichtig ab; besonders kritisch gegenüber dieser Situation Huber, in: Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform (2001), 31 (42, dort Fn. 29); Gsell, JZ 2004, 110 (112) fordert eine restriktive Handhabe des § 281 BGB, wenn Immobilien streitgegenständlich sind; Vieweg/Werner, Sachenrecht, 8. Auflage, § 7 Rn. 36 („im Regelfall nicht sachgerecht“). 275  Riehm, Grundsatz der Naturalerfüllung (2015), S. 415; Fritzsche, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 30; Herrler, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 985 Rn. 14. Für weitere Nachweise vgl. Kap. 3 Fn. 215. 276  BGH NJW 2016, 3235 (3237). 272  Diese

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

einen Anspruch auf Übereignung der Sache analog § 255 BGB erhält.277 Das verwerfliche Moment im Rahmen der Zwangskaufsituation ist leicht identifizieren: die Schadenshöhe.278 Damit ist abermals auf die oben bereits dargelegte Zwickmühle angespielt,279 in der sich der (vermeintliche) Schadensersatzschuldner befindet. Da sich die Höhe des Schadensersatzanspruchs statt der Vindikation, wie noch zu zeigen sein wird, auf den Substanzwert der Sache beläuft,280 würde dem Besitzer kaum eine Wahl gelassen, als dem Herausgabeverlangen nachzukommen, drohen ihm doch andernfalls voraussichtlich hohe Schadensersatzforderungen.281 Relativieren lässt sich das aufkommende Unbehagen jedoch durch zweierlei Aspekte: Zum einen ist die Haftung auf den bösgläubigen Besitzer beschränkt, der Kenntnis von der bestehenden Forderung hat und den drohenden Schadensersatz schlicht durch Herausgabe der Sache umgehen kann,282 und zum anderen können auch die §§ 989, 990 BGB je nach Einzelfall Schadensersatz in Höhe des Substanzwertes zulasten des bösgläubigen oder verklagten Besitzers begründen.283 Allein die Besonderheiten des Sachenrechts, namentlich die teilweise aus der Natur der Sache resultierenden deutlich höheren Schadensersatzsummen, vermögen der Vergleichbarkeit der Interessenlage folglich nicht entgegenzustehen. Vielmehr fällt es vor diesem Hintergrund schwer, eine unterschiedliche Interessenlage zwischen dinglichem und obligatorischem Gläubiger zu begründen. Der dingliche Gläubiger kann bei Kenntnis des Schuldners von seiner Pflicht ebenso die Erbringung der Leistung innerhalb der Frist erwarten wie der obligatorische Gläubiger. Einen Grund, weshalb lediglich letzterem die Möglichkeit gewährt werden sollte, die Primärforderung in eine solche auf Geldersatz umwandeln zu können, ist nicht erkennbar. Dies gilt 277  Ob dieses Vorgehen überzeugt, wird an späterer Stelle detailliert behandelt, siehe S. 242 ff. 278  In diese Richtung geht Jost, in: FS Otte (2005), 145 (146) („Der mit der Rückgabe säumige Mieter würde nicht schlecht staunen, wenn er das Auto nach Verstreichen der vom Vermieter gesetzten Frist nicht mehr zurückgeben kann, sondern vielleicht EUR 20.000,- als Verkehrswert des Wagens bezahlen muss“). 279  Siehe schon oben S. 58 f. 280  Siehe dazu unten S. 203 ff. 281  Besonders deutlich wird dies in Fällen des Schadensersatzes statt Herausgabe des Mietobjektes, sodass der Mieter unter Umständen den Verkehrswert der Wohnung begleichen müsste, vgl. dazu Schwab, NZM 2003, 50 (50); siehe auch schon Kap. 1 Fn. 278. 282  Zu letzterem Aspekt auch Schulte-Nölke, in: HandKomm BGB, 10. Auflage 2019, § 985 Rn. 6. 283  Mit dem BGH zu argumentieren, dass bereits kein Zwangskauf vorliege, da der Schadensersatzschuldner nicht dazu verpflichtet sei, die Sache zu erwerben, vgl. BGH NJW 2016, 3235 (3237) Rn. 21, mag zwar in der Sache zutreffen, behebt jedoch nicht die Bedenken, die mit einer Schadensersatzforderung in Höhe des Sub­ stanzwertes einhergehen.



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umso mehr, berücksichtigt man die Intention des Gesetzgebers, durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz die Gläubigerposition zu stärken.284 Es erscheint daher beinah befremdlich, einen Schadensersatzanspruch aufgrund Schuldnerschutzerwägungen abzulehnen. Zur Relativierung der (vermeintlichen) Problematik wird zudem teilweise eine Einschränkung vorgenommen: So soll dem Besitzer die Möglichkeit zukommen, durch Herausgabe der Sache auch nach Fristablauf einen Schadensersatzanspruch abzuwehren, wenn er beweisen kann, dass der Eigentümer sein objektives Interesse an der Herausgabe in natura noch nicht verloren hat und aus rein opportunistischen Gründen handelt. In diesem Fall müsse die Weigerung, die Sache anzunehmen, als rechtsmissbräuchlich eingestuft werden.285 Schließlich kann auch hier auf die bereits oben angesprochene, durch den Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit der Einschränkung über § 242 BGB verwiesen werden, wenn eine Missbrauchssituation droht.286 Somit bleibt nur noch zu überprüfen, ob die Regelungslücke – der Vindikationsgläubiger kann keinen Schadensersatz statt der Leistung nach Fristablauf geltend machen – auch planwidriger Natur ist. Daran könnte abermals aufgrund der soeben dargelegten Zwangskaufsituation gezweifelt werden. In diese Richtung scheint vornehmlich das OLG Karlsruhe zu argumentieren, wenn es auf die drohende Beeinträchtigung der gesetzgeberischen Intention abstellt, die Zahl der Zwangskauffälle gering zu halten.287 Betont wird damit die Gesetzesbegründung, in der es heißt: „Die Fälle eines ‚Zwangsverkaufs‘ einer zurückzugebenden Sache an den Schuldner, an welche die Schuldrechtskommission gedacht hatte, sollten zwar tatsächlich vermieden werden. Es dürfte sich aber […] um recht theoretische Fallgestaltungen handeln.“288 Anlass für Zweifel an der Argumentation des OLG Karlsruhe bietet bereits der Umstand, dass der Gesetzgeber expressis verbis nur die Zwangsverkaufsfälle vermeiden wollte; ihm schwebten folglich Gläubigerschutzerwägungen vor. Doch auch wenn man dies außen vor lässt und die Richtigkeit des Attests, dass der Gesetzgeber Zwangskaufszenarien quantitativ gering halten wollte, unterstellt, würde der Ansatz des OLG Karlsruhe nur dann überzeu284  BT-Drs.

14/6040, S. 138. Grundsatz der Naturalerfüllung (2015), S. 393; in diese Richtung auch die Regierungsbegründung, die die explizite Aufnahme eines solchen Terminus in § 281 BGB diskutiert, i. E. aber ablehnt und in Missbrauchsfällen lieber auf § 242 BGB zurückgreifen möchte, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 138 f.; so auch Heinrichs, in: FS Derleder (2005), 87 (95). 286  BT-Drs. 14/6040, S. 139. 287  OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.03.2015 – 7 U 189/14 = BeckRS 2015, 07254, Rn. 42. Der Senat plädierte deshalb dafür, § 281 BGB erst nach Verurteilung zur Herausgabe auf den Vindikationsanspruch anzuwenden, vgl. a. a. O., Rn. 43 f. 288  BT-Drs. 14/6040, S. 139. 285  Riehm,

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

gen, wenn das durch den Gesetzgeber vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältnis – dieser ging offenbar davon aus, dass der Gläubiger typischerweise an seinem Primäranspruch festhalten wird – infolge der Anwendung des § 281 BGB auf § 985 BGB tatsächlich ins Wanken geraten würde. Gewiss lässt sich nicht bestreiten, dass die absolute Zahl jener Fälle, die eine Zwangskaufsituation nach sich ziehen können, steigen würde, wollte man den Anwendungsbereich des § 281 BGB mittels gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung erweitern. Dies kann jedoch nicht ohne Weiteres mit einem Unterlaufen der gesetzgeberischen Intention gleichgesetzt werden. Denn ausweislich des obigen Zitats bezog sich die Einschätzung des Gesetzgebers, dass die Zwangskaufsituation eher die Ausnahme bilde, auf die von der Schuldrechtskommission erwogenen Konstellationen. Angesprochen sind damit vornehmlich schuldrechtliche Herausgabeansprüche, wie etwa jene gegen den Mieter.289 Besinnt man sich nun darauf, dass § 281 BGB nur zulasten des verschärft haftenden Besitzers analoge Anwendung finden soll, an die Entstehung einer Zwangskaufsituation mithin höhere Anforderungen gestellt werden als im Mietrecht – Beschränkungen dergestalt, dass eine Haftung nur den bösgläubigen oder verklagten Mieter treffen sollen, sucht man innerhalb der Gesetzesbegründung vergebens – erschließt sich, dass die Zwangskauf­ situation weiterhin eher die Ausnahme bleiben dürfte. Ein gegen die Planwidrigkeit der Gesetzeslücke sprechender Konflikt mit der gesetzgeberischen Intention bleibt somit aus. Ein anderer der Planwidrigkeit zuwiderlaufender Aspekt könnte jedoch darin gesehen werden, dass der Gesetzgeber in § 990 II BGB ausschließlich die Haftung wegen Verzuges für unberührt erklärt hat. E contrario ließe sich daher argumentieren, dass eine Haftung wegen Nichtleistung gerade ausgeschlossen sein sollte.290 Wer dies vorbringt, übersieht jedoch, dass sich bereits die Gesetzesväter für die „analoge Anwendung der Vorschriften über die Folgen der Nichterfüllung der Obligation“ im Rahmen des § 985 BGB ausgesprochen haben.291 Dies verwundert vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen, die die Offenheit der Gesetzesväter für eine Anwendung obliga­ tionsrechtlicher Bestimmungen auf den Herausgabeanspruch nahelegen,292 auch nicht. Wie der Umfang der Ausführungen belegt, unterschätzten sie lediglich die Komplexität, die der Problematik der Nichtleistung bei § 985 BGB innewohnt.293 Schließlich wurde die planwidrige Regelungslücke auch 289  BT-Drs.

14/6040, S. 138 f. JuS 2012, 965 (968) erwägt und verneint dies. 291  Mugdan, Bd. III, S. 222 = Motive, Bd. 3, S. 399. 292  Siehe dazu schon oben S. 55 f. 293  Während sich die Ausführungen in Bezug auf die Nichtleistung auf den oben zitierten Satz beschränken, umfassen die Ausführungen zur Verzugshaftung mehr als 290  Weiss,



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durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz von 2002 nicht zu einer bewussten Nichtregelung. Der Gesetzgeber hat sich in diesem Kontext ebenfalls keine weiteren Gedanken über eine mögliche Anpassung des § 990 II BGB gemacht, obschon sich die Modifikationen, wie bereits gezeigt wurde,294 insbesondere im Rahmen der §§ 280 ff. BGB in ihren Auswirkungen auch auf die Grenzen zwischen Verzug und Nichtleistung erstreckten.295 Davon, dass bewusst von einer gesetzlichen Regelung abgesehen wurde, kann daher keine Rede sein. Im Ergebnis steht einer analogen Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch unter den einschränkenden Voraussetzungen der verschärften Haftung mithin nichts im Wege. b) Ausschluss des Vindikationsanspruchs durch § 281 IV BGB Nachdem nun herausgearbeitet wurde, dass auch der Vindikationsgläubiger das Recht hat, Schadensersatz statt der Leistung wegen Nichtleistung gegenüber dem verschärft haftenden Besitzer geltend zu machen, bleibt zu untersuchen, welche Konsequenzen es nach sich zieht, wenn der Eigentümer dieses Recht geltend macht. Insofern ist § 281 IV BGB in den Fokus zu rücken, welcher vorsieht, dass „der Anspruch auf die Leistung […] ausgeschlossen [ist], sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.“ Die Möglichkeit der Entstehung eines dominium sine re steht und fällt damit, ob sich besagter Anspruchsausschluss auch auf den Vindikationsanspruch erstreckt. Wäre dies nicht der Fall, könnten zwar Bedenken hinsichtlich einer möglichen Überkompensation des Eigentümers durch die Bemessung des Schadensersatzes in Höhe des Substanzwertes aufkommen, jedoch bliebe die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz aus. In der Tat finden sich Anhaltspunkte, die dafür sprechen können, den vindikatorischen Herausgabeanspruch als nicht von § 281 IV BGB erfasst zu betrachten. Namentlich die nach beinahe einhelliger Ansicht296 fehlende Möglichkeit, den Vindikationsanspruch losgelöst vom Eigentum abtreten zu können, streitet gegen den Ausschluss des § 985 BGB durch § 281 IV BGB. eine Seite, vgl. Mugdan, Bd. III, S. 222, 228 = Motive, Bd. 3, S. 399, 408 f. So argumentiert auch schon Weiss, JuS 2012, 965 (968). 294  Siehe dazu oben S. 59 ff. 295  Weiss, JuS 2012, 965 (968). 296  Spohnheimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 32; Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, Vorb. § 985 Rn. 76 mit diversen Nachweisen; ebenso Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 4; anders aus jüngerer Zeit nur Wilhelm, Sachenrecht, 6. Auflage, Rn. 1184; anders auch noch der historische Gesetzgeber, vgl. Mugdan, Bd. III, S. 222 f. = Motive, Bd. 3, S. 399 f.

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

Die jeweils zugrundeliegenden Erwägungen mögen differieren: Baldus betont, dass der Vindikationsanspruch unmittelbar aus dem Eigentum fließe und allein dessen Verwirklichung diene; ein von dem Eigentumsrecht los­ gelöster Rechtsverwirklichungsanspruch verfehle demnach schon seinen Zweck.297 Spohnheimer verweist darauf, dass durch Abspaltung des Vindikationsanspruchs vom dinglichen Recht eine Verdopplung von Vindikationsansprüchen drohe, wenn die Sache übereignet werde.298 Gursky versteht den Vindikationsanspruch gar als nichts Geringeres als das Eigentumsrecht selbst in einer speziellen Funktion.299 Gemein ist diesen Ansichten aber der Kern: Die Untrennbarkeit von Vindikationsanspruch und Eigentumsrecht.300 Legt man allein diese Erkenntnis zugrunde, wäre es nur konsequent, einen Ausschluss des Vindikationsanspruchs durch § 281 IV BGB abzulehnen. Gleichwohl bleibt zu berücksichtigen, dass dem Gesetz eine Trennung von dinglicher Berechtigung und Rechtsverwirklichungsanspruch keineswegs fremd ist. Dies erhellt sich insbesondere vor dem Hintergrund der oben schon dargelegten Vindikationsverjährung und des § 241a I BGB.301 Wie sind nun also der strenge Gleichlauf von Eigentum und Rechtsverwirklichungsanspruch auf der einen und die Akzeptanz gegenüber der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz durch das Gesetz auf der anderen Seite in Einklang zu bringen? Becker unternimmt den Versuch, dies durch die faktische Reichweite der jeweiligen Fälle zu erklären. Während durch die Möglichkeit der Abtretung des Vindikationsanspruchs jeder Eigentümer ohne einschränkende Anforderungen seinen Rechtsverwirklichungsanspruch an einen beliebigen Dritten übertragen könnte, womit eine erhebliche Gefährdung der Rechts­ sicherheit einherginge,302 beschränkten sich die Fälle des § 241a I BGB und der Vindikationsverjährung auf eng umrissene Tatbestände.303 Eine Aus­ einandersetzung mit dieser Sichtweise und damit auch die Notwendigkeit der Zuordnung des § 281 BGB zu einer der beiden Fallgruppen erübrigt sich jedoch in Anbetracht der folgenden Erwägungen: Nach der Vorstellung des Gesetzes ist die Trennung von Eigentum und Verwirklichungsanspruch, oder in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, Vorb. § 985 Rn. 76. in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 32. 299  Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 3. 300  Dies wird von allen dreien expressis verbis am jeweils angegebenen Ort betont. 301  Für die Vindikationsverjährung siehe S. 22, für § 241a BGB vgl. S. 33 ff. 302  Zu den Gründen für die Vermeidung eines dominium sine re sogleich auf S. 71 ff. 303  Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 196, der letztlich auf eine Zuordnung verzichtet; Wallerath, JR 1970, 161 (165) geht in eine ähnliche Richtung. Diese Sichtweis hat durchaus ihre Vorzüge, wird teilweise doch sogar die Zession des Vindikationsanspruchs ausnahmsweise gewährt, um einen Eigentumserwerb durch § 931 BGB gewährleisten zu können, vgl. Wilhelm, Sachenrecht, 6. Auflage, Rn. 1184. 297  Baldus,

298  Spohnheimer,



C. Gründe für die Vermeidung des dominium sine re71

genauer das Bestehen des Eigentums ohne Rechtsverwirklichungsanspruch, keineswegs eine Seltenheit. Vielmehr belegt namentlich § 986 BGB ganz prominent, dass es durchaus üblich ist, dem Eigentümer zeitweilig den ­Vindikationsanspruch zu verwehren.304 Dies leuchtet auch ein, würden doch andernfalls die Befugnisse des Eigentümers, mit der Sache nach seinem ­Gutdünken zu verfahren, vgl. § 903 BGB, das heißt, diese etwa zu vermieten, zu verleihen oder zu verpachten, in erheblichem Maße beschränkt. Wie schon der durch das BVerfG entschiedene sogenannte „Kleingartenfall“ in Bezug auf das dauerhafte Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz gezeigt hat,305 kann einzig eine perpetuierte Trennung Anlass für (verfassungs-) rechtliche Bedenken geben.306 Unbedenklich dürfte der Ausschluss des § 985 BGB durch § 281 IV BGB somit dann sein, wenn eine Zusammenführung von Eigentum und Rechtsverwirklichungsanspruch perspektivisch gewährleistet werden kann. Methodisch drängt sich insofern die Idee des Eigentums­ erwerbs zugunsten des Schadensersatzschuldners auf. Wie Eigentum und Besitz nach Geltendmachung des § 281 BGB wieder in einer Person vereint werden können, soll jedoch einen der Kernpunkte dieser Arbeit bilden. Mit Verweis auf die noch folgenden Ausführungen bleibt an dieser Stelle deshalb einstweilen festzuhalten, dass ein Eigentumserwerb zugunsten des Schadensersatzschuldners nach Geltendmachung des § 281 BGB gewährleistet werden kann,307 sodass die Abspaltung des Rechtsverwirklichungsanspruchs vom dinglichen Recht nicht auf Dauer angelegt ist. Folglich lässt sich die Frage, ob auch der Vindikationsanspruch durch § 281 IV BGB ausgeschlossen werden kann, bejahen. In Anbetracht dieser Ausführungen bietet es sich nun an, genauer zu hinterfragen, weshalb die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz überhaupt vermieden werden sollte.

C. Gründe für die Vermeidung des dominium sine re Das Phänomen des dominium sine re erfreut sich weder bei Praktikern noch bei Universitätslehrern großer Beliebtheit, wie die Reaktionen auf den ersten Entwurf des BGB, der die Entstehung eines dominium sine re vorsah, belegen. Dabei können die Vorwürfe, das entkernte Eigentum sei eine Kurio­ 304  So schon Wallerath, JR 1970, 161 (165); vgl. auch Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 53; Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 12 I 2 e Fn. 64 bemerkt, dass der Herausgabeanspruch auch bei Weiterbestehen des Eigentums „entschärft“ werden kann. 305  Dazu unten im Detail, vgl. S. 149 ff. 306  So auch Frank, in: FS Stürner, Bd. 1 (2013), 123 (132). 307  Die herrschende Meinung bemüht insofern § 255 BGB, vgl. S. 242 ff.; für die hier vertretene Lösung siehe S. 278 ff.

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sität, die nur in Ausnahmefällen Bedeutung erlangen könne,308 ein Schein­ recht,309 ein Recht in papiernem Dasein, das niemals wirklich zum Leben erwachen könne,310 eine nur schwer einzusehende Lähmung des dinglichen Rechts,311 ein „auf Schrauben gestelltes Rechtsgebilde“,312 nur der Ausfluss des in der Ersten Kommission herrschenden Doktrinarismus,313 ein nicht nachvollziehbares Konstrukt, da der gewöhnliche Mensch das Recht und den Anspruch für so untrennbar miteinander verbunden halte wie den Menschen mit seinem Schatten314 oder ein Rechtsgebilde, das ins „juristische Raritätencabinet“ gehöre,315 noch als zurückhaltend bezeichnet werden. In der Haltung hat sich bis heute nichts geändert, wenngleich der Ton teilweise deutlich harscher ausfällt. So spricht Siehr 112 Jahre später von einer „Missgeburt“316 und Heck sogar von einem „Rechtskrüppel“.317 Andere sind dagegen zurückhaltender in ihrer Ausdrucksweise. So wird eine dauerhafte Trennung etwa von Schmidt als systematisch unbefriedigendes Ergebnis eingestuft,318 von Klinck als „sinnloser Rechtszustand“ bezeichnet,319 von Sosnitza als Widerspruch zu anerkannten Prinzipien des BGB betitelt320 und schließlich von Looschelders als „dogmatisch misslich“321 klassifiziert. Auch Wieling moniert, dass das verbleibende Eigentum nicht einmal mehr den Namen „Recht“ verdient habe und eine nicht hinzunehmende Irregularität sei.322 Einigkeit dürfte folglich – damals wie heute – darin bestehen, dass ein dauerhaftes Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum weder sein darf noch sein soll.323 Allenfalls eine vorübergehende Trennung von Eigentum und Besitz kann in: Verhandlungen des 20. Juristentages, Bd. 1 (1889), 285 (290). in: Verhandlungen des 20. Juristentages, Bd. 4 (1889), S. 39. 310  Hachenburg, Der allgemeine Theil des Bürgerlichen Gesetzbuchs (1892), S. 239. 311  Jakubezky, Bemerkungen BGB (1892), S. 37. 312  Lehmann, in: Gutachten aus dem Anwaltsstande (1890), 97 (108). 313  Pfaff, in: Verhandlungen des 20. Juristentages, Bd. 4 (1889), S. 39. 314  Pfizer, Wort und That (1892), S. 76. 315  Fischer, in: Verhandlungen des 20. Juristentages Bd. 4 (1889), S. 45 und 415. 316  Siehr, ZRP 2001, 346 (346). 317  Heck, Grundriss des Sachenrechts (1930), § 32 Rn. 4, der in diesem Kontext auch von einem überbleibenden „Rechtstorso“ spricht. 318  Schmidt, JA 2018, 386 (389). 319  Klinck, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 7. Auflage, Rn. U 180. 320  Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319). 321  Looschelders, in: Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, 103 (111). 322  Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2519). 323  Bülow/Artz, NJW 2000, 2049 (2056); Casper, ZIP 2000, 1602 (1605 f.); Flume, ZIP 2000, 1427 (1428 f.); Wieling/Finkenauer, Sachenrecht, 6. Auflage, § 11 Rn. 12; Gsell, in: Eckpfeiler des Zivilrechts, 7. Auflage, Rn. K 46 spricht von dogmatischen 308  Bähr, 309  Pfaff,



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geduldet werden.324 Festzuhalten bleibt damit, dass die ganz herrschende Meinung das „nackte Eigentum“ als etwas Außerordentliches ansieht325 und neben der Entstehung des Konstruktes auch der Fortbestand desselben vermieden werden sollte.326 Dieses Ergebnis wird auch in rechtsvergleichender Hinsicht bestätigt. Greift man das Beispiel der Vindikationsverjährung heraus, wird ein dauerhaftes Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz in anderen Rechtsordnungen im Wesentlichen durch eines der beiden folgenden Instrumente vermieden: Entweder geht mit der Verjährung des Herausgabeanspruchs ein Eigentumserwerb des Besitzers einher327 oder der Anspruch verjährt gar nicht.328 Damit ist freilich noch nichts darüber gesagt, worauf insbesondere die zuvor aufgezählten Vorwürfe fußen. Dem soll sich im Folgenden gewidmet werden. Verwerfungen; dagegen aber Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn.  83 ff. 324  Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2519). 325  Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 937 Rn. 92 spricht etwa davon, dass das Auseinanderfallen von Recht und Durchsetzbarkeit nicht wünschenswert ist; ähnlich Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Auflage, § 11 Rn. 47, auch diese weisen darauf hin, dass – sofern nicht die Voraussetzungen des § 937 BGB vorliegen – es zu einer „nicht unbedingt überzeugenden“ dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz kommt. 326  So ausdrücklich auch Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2519); siehe auch ders., Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 11 I 4a („Die Römer vermieden ein dauerndes nudum ius, die moderne Rechtswissenschaft sollte dazu ebenfalls in der Lage sein.“). 327  So etwa in Italien (Art. 1161 Abs. 2 Cc) und den Niederlanden Art. 2.105 Abs. 1 i. V. m. Art. 3.306 BW. In Italien verjährt der Herausgabeanspruch selbst zwar genau genommen nicht, jedoch verliert der Eigentümer nach Ablauf von 20 Jahren – die erst dann zu verstreichen beginnen, wenn der Eigentümer weiß, wo sich die Sache befindet (Art. 1163 Cc) – ipso iure sein Eigentum an den Besitzer. In den Niederlanden verläuft dies grundsätzlich parallel, jedoch besteht insofern ein Unterschied, als der Eigentümer keine Kenntnis darüber haben muss, wo sich die Sache befindet, vgl. zum Ganzen Frank, in: FS Stürner, Bd. 1 (2013), 123 (125). 328  So etwa in Österreich, vgl. OGH v. 20.04.2010 = JBl 2011, 45 (46), der Schweiz, vgl. BGE 48 (1922) II, 38 sowie Frankreich, vgl. Bull. Civ. I nr. 197, D 1993 Sommaires 306. Auch asiatische Rechtsordnungen wie die Japans und Koreas, die sich grundsätzlich sowohl an der deutschen als auch der französischen Rechtsordnung orientieren, folgen ausschließlich dem französischen Vorbild, vgl. Frank, in: FS Stürner, Bd. 1 (2013), 123 (124). In Deutschland wurde die Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs ebenfalls diskutiert, vgl. Peters/Zimmermann, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I (1981), 77 (186, 287); diese wurde innerhalb des Regierungsentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz jedoch ohne Begründung verworfen, vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 105 f.; Frank, in: FS Stürner, Bd. 1 (2013), 123 (128).

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

I. Die Wertlosigkeit des dominium sine re Für die Vermeidung eines dominium sine re könnte zunächst dessen Wertlosigkeit streiten. Denn bereits im Gesetz wurde die Wertung niedergelegt, dass an der Aufrechterhaltung inhaltsloser und wertloser Rechte kein berechtigtes Interesse besteht, vgl. §§ 886, 1169, 1254 BGB.329 Nun wird freilich die Wertlosigkeit des dominium sine re im Rahmen der vorausgegangenen Fälle teilweise bestritten.330 Beschränkt man die Diskussion auf das Wesentliche, geht es allein um zwei Aspekte: (1.) Kann der Primäranspruch aus § 985 BGB zukünftig wieder aufleben bzw. durchgesetzt werden, und, wenn ja, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit? Dies ist besonders deshalb von Relevanz, weil die Fähigkeit des Eigentümers, über die Sache zu verfügen,331 diese zu vermieten332 oder sie selbst zu nutzen, davon abhängt, ob er diese wieder herausverlangen kann. Selbstredend kann sich die Werthaltigkeit der verbleibenden Rechtsposition auch aus sekundär-, bereicherungs- oder deliktsrechtlichen Ansprüchen ergeben, zumal auch diese auf Herausgabe der Sache gerichtet sein können. Deshalb stellt sich (2.) die Frage: Können dem Inhaber eines dominium sine re noch Nutzungs-, Schadensersatzansprüche, Ansprüche auf das durch die Verfügung Erlangte nach § 816 I S. 1 BGB oder Herausgabeansprüche aus § 816 I S. 2 BGB zustehen? Beide Fragen sind für die hier interessierenden Fälle der Vindikationsverjährung, der Geltendmachung von Schadensersatz statt des vindikatorischen Herausgabeanspruchs sowie des § 241a I BGB separat zu beleuchten. 1. Wiederaufleben des Vindikationsanspruchs als Beleg für die Werthaltigkeit des dominium sine re? Für die erst- und zweitgenannte Fallgruppe fällt die Antwort auf erstere Frage einheitlich aus. Im Fall der Vindikationsverjährung erlangt der Besit329  So schon die Gesetzesväter zu § 1169 BGB, vgl. Mugdan, Bd. III, S. 405 = Motive, Bd. 3, S. 724. Siehe zu diesem Rechtsgedanken bereits Flume, in: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik, Bd. 84, 1934, 340 (341 f.); damit ist freilich noch nichts darüber gesagt, ob sich dieses Normagglomerat zur Begründung eines Eigentumserwerbs eignet, wenn Eigentum und Besitz dauerhaft auseinanderzufallen drohen, siehe dazu insbesondere S. 169 ff. 330  So etwa Jacobs, JR 2004, 490 (492) zu der Rechtsposition, die dem Unternehmer nach Zusendung der unbestellten Ware verbleibt; vgl. auch Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 231. 331  Die Verpfändung einer beweglichen Sache an einen nicht besitzenden Dritten ist ebenso wenig realisierbar wie die Veräußerung der Sache unter Abbedingung der Übergabepflicht; Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (236 f.) spricht insofern von unlösbaren Herausforderungen. 332  § 535 I S. 2 BGB verpflichtet zur Gebrauchsüberlassung.



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zer ein Recht zum Besitz.333 Der Eigentümer hat demnach selbst dann keine Aussicht, die Sache zurückzuerlangen, wenn der Besitzer diese unfreiwillig verliert. Vielmehr müsste er auf eine freiwillige Rückgabe der Sache durch den Besitzer etwa aus moralischen Gründen334 hoffen. Selbiges gilt für den Fall der Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung. Auch hier kommt dem Besitzer ein Recht zum Besitz qua Zahlung der geforderten Schadensersatzsumme zu,335 sodass bezüglich der Rückerlangung der Sache von nicht mehr als einer vagen Hoffnung die Rede sein kann.336 Weniger eindeutig ist das Bild im Falle des § 241a I BGB. Hat der Unternehmer ausweislich der obigen Ausführungen hinsichtlich der Herausgabe der unbestellt zugesandten Ware gegenüber dem Verbraucher keine Handhabe,337 werden bezüglich eines möglichen Vindikationsanspruchs gegenüber einem Dritten – dem muss freilich eine unwirksame Verfügung seitens des Verbrauchers vorausgehen – bereits diverse Standpunkte vertreten. Teilweise wird dem Verbraucher eine Verfügungsbefugnis zugesprochen, sodass eine unwirksame Verfügung bereits der Sache nach ausscheiden müsse,338 andere wollen den nach einer unwirksamen Verfügung durch den Verbraucher besitzenden Dritten unbeschränkt einem Vindikationsanspruch des Unternehmers aussetzen, da der Schutzzweck des § 241a I BGB insofern nicht greife.339 Wieder andere sind schließlich der Ansicht, dass trotz unwirksamer Verfügung ein Vindikationsanspruch des Unternehmers ausgeschlossen sei, da der Dritte im Wege der Singularsukzession, das heißt durch einen Übertragungsakt seitens des Verbrauchers, in dessen Rechtsstellung eintrete.340 Eine genauere Auseinandersetzung mit dieser Diskussion ist gleichwohl entbehrlich, denn selbst bei Zugrundelegung des „Worst-Case-Szenarios“, das heißt der Vindikationsanspruch des Unternehmers würde bei unwirksamer Verfügung durch den Verbraucher gegenüber dem Dritten wiederaufleben, ließe sich 333  Dazu

unten S. 126 ff. Eigentum als nudum ius (2016), S. 62. 335  Siehe dazu unten S. 221 und 83 f. 336  Klinck, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 7. Auflage, U 180, der allerdings davon ausgeht, dass durch den unfreiwilligen Verlust der Sache an einen Dritten ein neuer, unverjährter Vindikationsanspruch auflebt. 337  Siehe schon oben S. 33 ff. 338  Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 28; Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (211). 339  So die wohl h. M. Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 99; Link, NJW 2003, 2811 (2811); Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 43; Schwarz, NJW 2001, 1449 (1454); Sosnitza, BB 2000, 2317, (2322); Grüne­ berg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 241a Rn. 7 für den Fall, dass die versendete Sache im Eigentum eines Dritten steht. 340  Sutschet, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 9; Otto, JURA 2004, 389 (391). 334  Klose,

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daraus nicht die Werthaltigkeit der verbleibenden Rechtsposition ableiten. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Möglichkeit, der Sache selbst wieder habhaft zu werden, auf der bloßen Hoffnung beruht, der Verbraucher werde in unwirksamer Weise über die Sache verfügen. Mit solchen außerhalb der Sphäre des Rechtsinhabers liegenden Verhaltensweisen Dritter, also mit Zufällen, darf die Rechtsordnung nicht rechnen.341 Nicht ohne Grund wird der Hoffnung, ein Dritter werde ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen, auch an anderer Stelle, namentlich im Kontext der Erbeinsetzung, die Werthaltigkeit abgesprochen.342 Hier wie dort handelt es sich um eine nuda spes.343 2. Mögliche Ansprüche des Eigentümers gegenüber dem Besitzer Nachdem nun festgehalten wurde, dass sogar ein mögliches Wiederaufleben des Primäranspruchs der Wertlosigkeit eines dominium sine re nicht entgegenstehen kann, gilt es im Folgenden, sich der zweiten zuvor aufgeworfenen Frage zuzuwenden: Können dem Inhaber eines dominium sine re noch Nutzungs-, Schadensersatzansprüche, Ansprüche auf das durch die Verfügung Erlangte nach § 816 I S. 1 BGB oder Herausgabeansprüche aus § 816 I S. 2 BGB zustehen? Dazu muss ebenfalls zwischen den einzelnen in Betracht kommenden Fallgruppen differenziert werden. a) Mögliche Ansprüche des Eigentümers nach Eintritt der Vindikationsverjährung Unstrittig dürfte im Falle der Vindikationsverjährung der Ausschluss von Nutzungsersatzansprüchen gemäß § 987 BGB sein, sofern diese vor der Verjährung des § 985 BGB entstanden sind. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie unter diesen Umständen als Nebenansprüche im Sinne des § 217 BGB zu qualifizieren sind, sodass deren Durchsetzung mit der Verjährung der Vindi341  Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 185; nicht ohne Grund ist teilweise die Rede von einer faktischen Enteignung, vgl. Rüfner, in: Basedow/Hopt/ Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. 2, 1527 (1529 f.); a. A. Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 231 f., die zwar einerseits festhält, dass keine gemeingültige Aussage über den Wert eines dominium sine re getroffen werden könne, diesen aber für das aus der Verjährungseinrede hervorgehende dominium sine re zwischen fünf und 20 Prozent des Sachwertes verortet. 342  Preisner, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 1376 Rn. 230. 343  Für die Bezeichnung der Erberwartung als nuda spes siehe Gutmann, NJW 2004, 2347 (2348).



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kation – vorausgesetzt der Besitzer beruft sich auf § 214 BGB – gleichermaßen einredebehaftet ist.344 Im Ergebnis kann sich dies nicht anders gegenüber jenen Nutzungsersatzansprüchen verhalten, die erst nach der Verjährung entstanden sind. Gewiss legt die Auslegung des § 217 BGB nach Wortlaut und Historie345 eine Beschränkung auf die Nebenleistungen nahe, die vor der Verjährung des Hauptanspruchs entstanden sind.346 Gleichwohl ist es sinnvoll, auch jene nach der Verjährung des Hauptanspruchs entstandenen Nebenleistungen zugunsten des Besitzers auszuschließen, würde die Sache dem Wirtschaftsverkehr doch andernfalls vollständig entzogen.347 Müsste der Besitzer, auch nachdem er sich auf die Verjährung der Vindikation berufen hat, Nutzungsersatzansprüche generell fürchten, hätte dies die wenig einleuchtende Folge, dass die Rechtsordnung zwar den Besitz der Sache billigt, nicht aber deren Nutzung. Um das Beispiel Finkenauers aufzugreifen, dürfte der Besitzer eines Bildes demnach zwar fortwährend die tatsächliche Sachherrschaft über dieses ausüben, müsste es jedoch uneinsehbar verwahren, da ihm andernfalls Nutzungsersatzansprüche des Eigentümers drohen würden.348 Darüber hinaus erscheint der Ausschluss solcher Nutzungsersatzansprüche aus § 987 BGB, die nach Ein344  Spohnheimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 88; Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 217 Rn. 1; Henrich, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 217 Rn. 3; Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 194 f.; Bach, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 217 Rn. 8; Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 103; gegenläufige Tendenzen zeigt nur Henckel, AcP 174 (1974), 97 (130) („Im übrigen hilft die Verjährung dem Besitzer nicht viel, weil sie ihm kein Recht zum Besitz gibt und der Eigentümer ihm alle Handlungen verbieten könnte, die ihm den Besitz interessant machen.“). 345  Schon die Gesetzesväter sprachen nur von „bis dahin bereits fällig gewordenen Nebenleistungen“, vgl. Mugdan, Bd. I, S. 542 = Motive, Bd. 1, S. 345. 346  Das Telos streitet freilich nicht für eine Beschränkung des § 217 BGB auf jene Nebenleistungen, die bereits vor Verjährung des Hauptanspruchs entstanden sind. Für den Schuldner ist es im Ergebnis ohne Belang, wann die Nebenleistungen entstanden sind, die ihn letztlich über Umwege dazu zwingen, sich doch mit dem verjährten Hauptanspruch auseinanderzusetzen. Zur ratio legis siehe Bach, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 217 Rn. 2  f.; Henrich, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 217 Rn. 1. 347  Auf dieses unbillige Ergebnis weist Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2527) zu Recht hin; zustimmend auch Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 200 und Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 172 f.; ders., JZ 2014, 479 (485); Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 221 und 223; Eckert, MDR 1989, 135 (135); Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 103 spricht davon, dass schon die Befriedungsfunktion es erfordert, dem Besitzer umfassende Nutzungsbefugnisse zukommen zu lassen; a. A. Kähler, NJW 2015, 1041 (1043) und Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S.  54 f. 348  Finkenauer, JZ 2014, 479 (485); dasselbe Beispiel bildet Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 223.

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tritt der Verjährung entstanden sind, auch deshalb kohärent, weil dem Vindikationsschuldner durch die Geltendmachung des § 214 BGB eine stärkere Rechtsposition zukommt als zuvor. Geradezu widersinnig wäre es daher, dem Besitzer für den Zeitraum vor Eintritt der Verjährung einen weitreichenderen Schutz zukommen zu lassen als für jenen nach der Verjährung.349 Ob dieses Ergebnis dogmatisch auf einem sämtliche Ansprüche aus dem EigentümerBesitzer-Verhältnis ausschließenden Recht zum Besitz des (dann ehemaligen) Vindikationsschuldners fußt350 oder auf eine analoge Anwendung des § 217 BGB351 zurückzuführen ist, ist letztlich zweitrangig. In ersterem Fall müssten allerdings mögliche Bereicherungsansprüche des Eigentümers, die mangels Anwendbarkeit des § 993 I Hs. 2 BGB dann nicht länger gesperrt wären, ihrerseits etwa durch die Annahme eines Rechtsgrundes, der aus der Verjährung hervorgeht, ausgeschlossen werden. Hinsichtlich der Frage, ob der Besitzer auch nach Verjährung des Vindikationsanspruchs Schadensersatzansprüchen ausgesetzt werden soll, herrscht hingegen weniger Einigkeit. Einige Stimmen in der Literatur sprechen sich gegen einen Ausschluss von Schadensersatzansprüchen aus,352 würde durch einen solchen dem Besitzer doch eine Stellung verschafft, die diesem nach dem Gesetz gar nicht zustehen sollte.353 Dem lässt sich argumentativ auf Augenhöhe, das heißt ebenfalls auf der Wertungsebene, entgegentreten. So wäre es mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen widersinnig, den Besitzer auf der einen Seite vor Nutzungsersatzansprüchen zu schützen, auf der anderen Seite aber Schadensersatzansprüchen auszusetzen, liegt doch in jeder Nutzung gleichzeitig zumindest eine geringfügige Beschädigung der Sache.354 Nimmt man allein mögliche Ansprüche auf Schadensersatz aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis in den Fokus, lässt sich zudem mit der ratio legis des § 217 BGB argumentieren. Da die §§ 989, 990 BGB ihrerseits das Vorliegen einer Vindikationslage voraussetzen, müsste der Besitzer sich letztlich doch auf die Frage einlassen, ob dem Anspruchsteller ein möglicher Vindikationsanspruch zusteht,355 sodass bereits gute Gründe dafür sprechen, 349  So

schon Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 200 f. Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 172 f.; ders., JZ 2014, 479 (485); Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 223 f. und auch hier S. 126 ff. 351  Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 200 f.; zur analogen Anwendung des § 217 BGB zwecks Vermeidung von Schadensersatzansprüchen aus §§ 989, 990 BGB sogleich im Text. 352  So etwa Kähler, NJW 2015, 1041 (1045 f.); Spohnheimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 88; differenzierend Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 198 ff. 353  Spohnheimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 88. 354  Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 223. 355  Vgl. Spohnheimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 88. 350  Finkenauer,



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Schadensersatzansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis aufgrund von oder in Analogie zu § 217 BGB als gleichermaßen verjährt zu betrachten.356 Stößt man sich an der (analogen) Anwendung des § 217 BGB, ließe sich alternativ darauf abstellen, dass auch der Schadensersatz aus §§ 989, 990 BGB teilweise oder vollständig an die Stelle der Vindikation tritt, weshalb eine hinreichend enge Verbindung zum Vindikationsanspruch besteht, welche eine Gesamtverjährung abseits des § 217 BGB rechtfertigt.357 Innerhalb des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses mangelt es demnach an der Durchsetzbarkeit der §§ 989, 990 BGB. Dieses Ergebnis würde auch dann nicht erschüttert, wollte man an die Berufung des Besitzers auf § 214 BGB ein die Vindikationslage ausschließendes Recht zum Besitz knüpfen.358 Gewiss wäre das Spektrum der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen mangels Sperrwirkung des § 993 I Hs. 2 dann nicht mehr auf die §§ 989, 990 BGB beschränkt. Gleichwohl steht dem Eigentümer deshalb keine ganze Bandbreite an aussichtsreichen Schadensersatzansprüchen aus dem Deliktsrecht zur Seite. Vielmehr wäre etwa an einen Anspruch aus § 823 I BGB mit Blick auf die einer jeden Nutzung bereits innewohnenden Beschädigung der Sache ein nicht zu überwindender Begründungsaufwand bezüglich der Rechtswidrigkeit der Rechtsgutsverletzung gestellt.359 Auch insofern bliebe die Suche nach einer aussichtsreichen Anspruchsgrundlage also erfolglos. Anders könnte sich dies allenfalls dann verhalten, wenn ein Dritter die Sache beschädigt. Ungeachtet dessen, ob man dem Eigentümer überhaupt deliktische Schadensersatzansprüche im Falle der Beschädigung durch Dritte zukommen lassen360 und, wenn ja, in welcher Höhe man diese gewähren wollte,361 lässt sich jedenfalls auf das oben bereits Festgestellte rekurrieren: 356  Dafür etwa Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 174 ff.; Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 221; Schmidt-Räntsch, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 217 Rn. 2; Magnus/Wais, NJW 2014, 1270 (1272); a. A.: Spohnheimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 88; Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S. 59. 357  Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 77 befürwortet eine gleichzeitige Verjährung der Schadensersatzansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis mit dieser Argumentation; zur Gesamtverjährung unten im Detail S. 133 ff. 358  Vgl. S. 126 ff.; ablehnend dagegen Fritzsche, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 39, der ein Besitzrecht nur für den Fall des § 241a BGB anerkennt. 359  Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 223. 360  Dagegen etwa Finkenauer, JZ 2014, 479 (485); a. A. Klose, Eigentum als nu­ dum ius (2016), S.  59 ff. 361  Die Höhe des Schadensersatzes fundiert zu bemessen, dürfte die Kernproblematik für die befürwortenden Stimmen bilden: Teilweise wird die Beschränkung des Schadensersatzes auf einen Bruchteil des Sachwertes gefordert, so etwa Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 232, zwischen fünf und 20 Prozent des Sachwer-

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

Den Wert einer Rechtsposition anhand von ungewissen, in der Zukunft liegenden Verhaltensweisen eines Dritten abhängig zu machen, verbietet sich. Mit solchen Zufällen kann und darf die Rechtsordnung nicht rechnen.362 Die Werthaltigkeit des dominium sine re lässt sich somit weder anhand von ­Beschädigungen der Sache durch den Besitzer noch durch einen Dritten belegen. Bezüglich eines möglichen (Erlös-)Herausgabeanspruchs aus § 816 I BGB ist abschließend auf die noch folgenden Ausführungen zu verweisen; dieser verjährt zeitgleich mit dem vindikatorischen Herausgabeanspruch.363 Nach dem Gesagten sind die meisten Sekundäransprüche des Eigentümers somit ausgeschlossen. Jene Ansprüche, die diesem möglicherweise zukünftig zustehen könnten, vermögen jedenfalls die Werthaltigkeit des dominium sine re nicht zu begründen. b) Mögliche Ansprüche des Eigentümers nach Zusendung unbestellter Waren Fokussiert man nun den aus § 241a I BGB resultierende Anspruchsausschluss, stellt man fest, dass der Verbraucher nach herrschender Meinung auch in diesem Fall keine Nutzungsersatzansprüche fürchten muss.364 Dem wird zwar vereinzelt entgegnet, dass Nutzungsersatzansprüche nicht solche seien, die „aus der Lieferung“ entstehen;365 berücksichtigt man indessen neben der Gesetzesbegründung des deutschen Gesetzgebers, in der es heißt, dass der „bewusst belästigte Empfänger […] von sämtlichen Ansprüchen auf Nutzungsherausgabe oder Schadensersatz frei[ge]stellt“ werden soll,366 das tes; Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, § 194 Rn. 19, sprechen von einem „Restwert“. Für eine Kürzung des Schadens auf null Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 173. Für einen Schadensersatz in Höhe des Sachwertes Kähler, NJW 2015, 1041 (1045). Andere meinen dagegen, dass es unmöglich sei, den Schaden zu beziffern, vgl. Finkenauer, JZ 2014, 479 (485) („eine Bezifferung des nackten Eigentums in Geld aber ist unmöglich“); so auch Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 103 und Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2527). Siehe schließlich noch Frank, in: FS Stürner, Bd. 1 (2013), 123 (132) („Da sich außerdem der Gesetzgeber über die Rechtslage nach Erhebung der Verjährungseinrede ausschweigt, ist alles, was zum Restwert des Eigentums in der Literatur ausgeführt wird, letztlich Gedankenspielerei“). 362  Siehe dazu schon oben S. 76. 363  Vgl. S. 133 ff. 364  BT-Drs. 14/2658, S. 46; Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 27; Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 52; Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 29; Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 37; a. A. nur Berger, JuS 2001, 649 (653). 365  Berger, JuS 2001, 649 (653). 366  BT-Drs. 14/2658, S. 46 betrifft zwar noch die Rechtslage, die auf Art. 9 FARL zurückging, durch die Modifizierung des § 241a BGB aufgrund Erlasses der VRRL



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Telos des § 241a I BGB – die Gewährleistung effektiven Verbraucherschutzes367 – kann dieses Argument nicht durchschlagen. Ausweislich der obigen Ausführungen können dieser Wertentscheidung des deutschen Gesetzgebers auch die europarechtlichen Vorgaben der VRRL nicht entgegenstehen, ist diese Richtlinie in ihrem Anwendungsbereich doch ausschließlich auf vertragliche Beziehungen zwischen Verbrauchern und Unternehmern beschränkt.368 Dasselbe Ergebnis zeichnet sich unter Berufung auf diese Argumente im Hinblick auf Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung oder Zerstörung der Sache ab, obschon die genannten Ansprüche ebenso wenig „durch Lieferung der Sache“ entstehen.369 Daneben ist die Präklusion möglicher Schadensersatzansprüche – anders als der Ausschluss möglicher Nutzungsersatzansprüche – aus einem anderen Grund geradezu zwingend: Würden dem Verbraucher bei Beschädigung oder Zerstörung der Sache Schadensersatzansprüche drohen, wäre sein Recht, sich der Belästigung durch den Unternehmer jederzeit entledigen, das heißt die Sache wegwerfen zu können, hinfällig.370 Wäre der Verbraucher aber nicht dazu berechtigt, die Sache wegzuwerfen, würde ihn umgekehrt die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Verwahrung treffen. Umstritten ist demgegenüber die Frage, ob dem Unternehmer Erlösherausgabeansprüche aus Bereicherungsrecht zukommen, wenn der Verbraucher wirksam über die Sache verfügt oder der Unternehmer die Verfügung genehmigt. Während zum Teil Ansprüche des Unternehmers mit dem Argument bejaht werden, dass § 241a I BGB keinen Einfluss auf die dingliche Rechtslage genommen habe371 und dem Verbraucher die Sache nicht entgegen der Eigentumsordnung zugewiesen werden solle,372 wollen andere eine Verfügungsbefugnis zugunsten des Verbrauchers begründen, entstünde andernfalls doch eine res extra commercium.373 Wie schon zuvor, ist eine genauere hat sich ausweislich der diesbezüglich einschlägigen Gesetzesbegründung jedoch nichts geändert, vgl. BT-Drs. 17/12637, S. 44 („Inhaltliche Änderungen sind damit nicht verbunden.“). 367  Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 37; vgl. im Rahmen der FARL insbesondere Erwägungsgrund 19 und 16; siehe auch Erwägungsgrund 60 der VRRL. 368  Siehe dazu schon oben S. 43 f. 369  BT-Drs. 14/2658, S. 46; Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 27; Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 50; Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 94. 370  Casper, ZIP 2000, 1602 (1605). 371  Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 44; Sosnitza, BB 2000, 2317, (2322 f.). 372  Berger, JuS 2001, 649 (653). 373  Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 28; Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (211). Einen Ausschluss des § 816 BGB zugunsten des Ver-

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Auseinandersetzung mit dieser Diskussion auch hier indes entbehrlich. Selbst wenn man die verbraucherfeindlichste Sicht annähme und dem Unternehmer einen Anspruch aus § 816 I S. 1 BGB bei wirksamer Verfügung zubilligte, ergäbe sich daraus nicht die Werthaltigkeit der verbleibenden Rechtsposition. Wiederum wäre der Unternehmer darauf angewiesen, dass der Verbraucher ein bestimmtes Verhalten an den Tag legt. Insofern handelt es sich gleichermaßen um eine in den Augen der Rechtsordnung wertlose nuda spes.374 Nichts anderes gilt für einen möglichen Herausgabeanspruch nach § 816 I S. 2 BGB. c) Mögliche Ansprüche des Eigentümers nach Geltendmachung von Schadensersatz statt der Vindikation Auch die auf § 281 IV BGB zurückgehende Trennung von Eigentum und Besitz führt letztlich dazu, dass dem Eigentümer nur eine wertlose Rechtsposition verbleibt. Zwar hat die Frage, inwiefern Nutzungsersatz- und Schadensersatzansprüche dem Vindikationsgläubiger nach Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung zustehen können, von der Jurisprudenz bislang wenig Beachtung erfahren,375 da vornehmlich eine Pflicht zur Übereignung der Sache analog § 255 BGB nach Erhalt des Schadensersatzes angenommen wird.376 Vor dem Hintergrund, dass der Schadensersatzanspruch in Höhe des Wertes des Eigentums bemessen wird,377 liegt es jedoch auf der Hand, dass dem Eigentümer jedenfalls nach Erhalt des Schadensersatzes auch in diesem Rahmen weder Schadens- oder Nutzungsersatzansprüche noch Erlösherausgabeansprüche zugebilligt werden können. Andernfalls träte brauchers erzielen auch Riehm, JURA 2000, 505 (512) und Schwarz, NJW 2001, 1449 (1453), jedoch mit anderer Begründung; Link, NJW 2003, 2811 (2811); vgl. auch Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 98, der den Anspruch des Unternehmers aus § 816 I S. 2 BGB jedoch nicht ausschließt. Dass eine res extra commercium innerhalb des Zivilrechts vermieden werden soll, hat sogar im Gesetz selbst Widerhall gefunden, vgl. § 137 BGB, zu diesen Erwägungen auch BGHZ 56, 275 (278 f.) = NJW 1971, 1805 (1805 f.). 374  Dazu sowie zu den einzelnen Ansichten, ob durch § 241a I BGB auch der Vindikationsanspruch gegenüber einem Dritten nach unwirksamer Verfügung des Verbrauchers ausgeschlossen ist schon oben S. 74 f. A. A. Jacobs, JR 2004, 490 (492). 375  Die Frage möglicher Nutzungs- und Schadensersatzansprüche spricht nur Ernst, ZfPW 2019, 122 (125) und ders., in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 124 an; mögliche Erlösherausgabeansprüche des Eigentümers waren, wie sogleich gezeigt wird, demgegenüber durchaus bereits Gegenstand der Literatur und Rechtsprechung. Zur Frage der Werthaltigkeit des dominium sine re aufgrund von § 816 BGB vgl. Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), 206 f. 376  Für eine genauere Auseinandersetzung mit dieser Lösung siehe unten S. 242 ff. 377  Auch dies wird an späterer Stelle vertieft behandelt S. 203 ff.



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gerade die oftmals befürchtete Überkompensation378 des Eigentümers ein, wenn dieser neben dem Schadensersatz in Höhe des Sachwertes zusätzlich Bereicherungsansprüche oder solche aus Deliktsrecht geltend machen könnte. Besonders deutlich wird dies anhand des Anspruchs aus § 816 I S. 1 BGB. Die Norm dient dazu, dort einen Ausgleich zu schaffen, wo ein Eigentumserwerb im Interesse der Rechtssicherheit auf Kosten des Berechtigten hingenommen wurde.379 § 816 I S. 1 BGB tritt folglich an die Stelle des abhandengekommenen Eigentums. Wird dieses aber bereits mittels Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes substituiert, erhielte der (dann ursprüngliche) Eigentümer zu viel, wenn er im Wege des Bereicherungsrechts zusätzlich das herausverlangen könnte, was der Besitzer durch die wirksame Verfügung erlangt hat.380 Darüber hinaus leuchtet es auch in diesem Rahmen ein, dem Eigentümer mögliche Nutzungsersatzansprüche zu verwehren; andernfalls wäre der Besitzer im genannten Beispielsfall abermals zwar dazu berechtigt, das Bild zu behalten, er müsste es jedoch uneinsehbar verstauen.381 Der Rechtsordnung zu unterstellen, sie nehme die wirtschaftliche Sinnlosigkeit der Sache in Kauf, wenn der Eigentümer Schadensersatz statt der Vindikation geltend macht, wäre fernliegend. Wendet man sich zunächst den Nutzungs- und Schadensersatzansprüchen zu, bieten sich dogmatisch wiederum zwei Wege an, diese zu präkludieren. Ernst will etwa durch die Annahme eines Rechts zum Besitz, das aus der Begleichung der Schadensersatzforderung hervorgeht, sämtliche Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis zugunsten des Besitzers ausschließen.382 Bezüglich der sodann mangels Sperrwirkung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses in Betracht kommenden Ansprüche aus Deliktsrecht dürfte 378  Exemplarisch Kohler, NZM 2014, 729 (735) und Schwab, NZM 2003, 50 (50), die jeweils in Bezug auf § 546 BGB von einer sachwertbezogenen Schadensermittlung Abstand nehmen, da allein der Besitz substituiert werde. 379  Sprau, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 816 Rn. 1; Schwab, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 816 Rn. 1. 380  So auch BGH, Urteil vom 27.03.1969 – VII ZR 165/66 Rn. 9 (Juris) für den Fall, in dem der Dieb Schadensersatz in Höhe des Sachwertes geleistet hat („Einigkeit besteht darüber, dass der Berechtigte nicht beides behalten kann, den vollen ihm gezahlten Schadensersatz einerseits und den zurückgelangten Gegenstand andererseits, mag dieser Gegenstand die Sache selbst oder wie hier ihr Verkaufserlös sein.“); Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 60, schlussfolgert aus einem möglichen Anspruch aus § 816 BGB allein eine Überkompensation des Besitzers, beschäftigt sich aber nicht mit der Frage, ob dieser Anspruch dem Eigentümer überhaupt zugebilligt werden kann. 381  Vgl. zu diesem Beispiel schon oben S. 77. 382  Ernst, ZfPW 2019, 122 (125) („Es verhält sich zwar nicht so, dass ihm gegen eine bestehende Vindikation ein Gegenrecht zusteht (§ 986 BGB), aber nicht anders als in einer solchen Situation ist der Besitzer nicht effektiv zur Herausgabe verpflichtet“); ders., in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 124; dazu auch unten S. 221.

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

zweifelhaft sein, ob der Besitzer sich überhaupt rechtswidrig verhält, wenn er die Sache beschädigt.383 Zudem ließe sich aus dem Besitzrecht ebenfalls ein Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts ableiten. Alternativ könnte in der drohenden Überkompensation ein Verstoß gegen Treu und Glauben erblickt und deshalb auf § 242 BGB zurückgegriffen werden.384 Wollte man auf die Annahme, dem Besitzer komme durch die Begleichung der Schadensersatzforderung ein Recht zum Besitz zu, verzichten, könnte alternativ erwogen werden, die Ansprüche aus dem Eigentümer-BesitzerVerhältnis, die nach Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung entstehen, bereits durch § 281 IV BGB auszuschließen. Der Wortlaut der Norm legt eine solche Lesart zwar nicht unmittelbar nah, schließt dieser doch nur „den Anspruch auf die Leistung“ aus. Berücksichtigt man aber die Auswirkungen des § 281 IV BGB auf vertraglicher Ebene, liegt es bei einer Forderung von Schadensersatz anstatt des § 985 BGB nicht fern, die Rechtsfolge des § 281 IV BGB auch auf solche Ansprüche zu erstrecken, die den Vindikationsanspruch ihrerseits voraussetzen. Denn durch die Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung erlischt zwar nicht der Vertrag, das heißt das Schuldverhältnis im weiteren Sinne, in Abhängigkeit von Gewicht und Zusammenhang wirkt sich der Fortfall des Primäranspruchs jedoch unter Umständen auch auf die Gegenleistungspflicht, die Nebenleistungspflichten oder gar auf solche Leistungspflichten aus, die nicht im synallagmatischen Verhältnis stehen.385 Bekräftigen lässt sich diese Überlegung weiter dadurch, dass sich der Einflussbereich des § 281 IV BGB auch über die Grenzen der vertraglichen Ebene hinweg erstreckt. So werden durch besagten Anspruchsausschluss entsprechend dem Telos auch konkurrierende Anspruchsgrundlagen erfasst, damit der Gläubiger nicht Schadensersatz statt der Leistung und weiterhin Leistung in natura verlangen kann.386 Vor diesem Hintergrund wird es umso leichter, eine Brücke zu den übrigen Ansprüchen aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis zu schlagen: Wenn der Eigentümer bereits Kompensation in Höhe des Sachwertes erfahren hat und damit so gestellt wird, als hätte er die Sache verkauft oder als wäre die Sache vollständig zerstört worden, dann können ihm nicht zusätzlich solche Ansprüche zugebilligt werden, die ihrerseits den Sachwert substituieren oder die Nutzungsmöglichkeit voraussetzen. Damit wären mögliche Ansprüche des Eigentümers aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis präkludiert und poten­ 383  Vgl. insofern auch schon die Ausführungen im Rahmen der Vindikationsverjährung S. 79. 384  Vgl. die nachfolgenden Erwägungen zu § 816 BGB sogleich im Text. 385  Umfassend dazu Schwarze, in: Staudinger, 2019, § 281 Rn. D 19; siehe auch Lorenz, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 281 Rn. 56. 386  So nur Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 111.



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tielle Ansprüche aus Delikts- oder Bereicherungsrecht aufgrund von § 993 I Hs. 2 BGB gesperrt. Insbesondere für mögliche Nutzungsersatzansprüche ließe sich als letzte Variante erwägen, aus der faktischen Nutzungsmöglichkeit, welche dem Besitzer durch § 281 IV BGB zukommt, ein Nutzungsrecht abzuleiten. Dieser Umstand ist auch für das Sicherungseigentum387 und im Falle der Untervermietung388 von maßgebender Bedeutung betreffend die Frage, wem die Nutzungsbefugnisse zuteilwerden. Zwar fußt in den zuvor genannten Fällen die Verschiebung des grundsätzlich dem Eigentümer zustehenden Nutzungsrechts hin zu dem Besitzer auf einer obligatorischen Abrede.389 Die Parallelität einer solchen zu der hier in Frage stehenden Geltendmachung des § 281 BGB anstatt der Vindikation ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, führt das Erlöschen des Vindikationsanspruchs aufgrund von § 281 IV BGB doch jedenfalls faktisch zu einer dauerhaften Überlassung der Sache.390 Da letztlich alle Lösungsansätze dem Eigentümer sämtliche Schadens- oder Nutzungsersatzansprüche aberkennen, ist es zweitrangig, welche Herangehensweise man insofern bevorzugt. Wie zuvor schon angedeutet, hat die Rechtswissenschaft § 816 I S. 1 BGB – im Gegensatz zu den zuvor behandelten Nutzungs- und Schadensersatzansprüchen – deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet und zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse, die durch die Kombination von Erlösherausgabeanspruch und Schadensersatz statt der Vindikation entstehen können, einen differenzierenden Ansatz hervorgebracht. So wird erwogen, dem Besitzer einen Anspruch aus § 255 BGB auf (nachträgliche) Abtretung des § 816 I S. 1 BGB391 oder, sollte der Vindikationsgläubiger den Erlösherausgabeanspruch erfolgreich durchsetzen können, einen Anspruch auf Rückgewähr des gezahlten Schadensersatzanspruchs aus Bereicherungsrecht zuzubilligen, weil sich der Schaden auf Seiten des Eigentümers nachträglich als nicht gegeben oder geringer als vermutet herausgestellt hat.392 Aber auch an einen Ausschluss des § 816 I S. 1 BGB durch § 242 BGB ist zu denken, der im Wesentlichen auf einen in der schon dargelegten drohenden Überkompensa387  BGH, Urteil vom 26.09.2006 – XI ZR 156/05 = NJW 2007, 216 (216 f.); Schwab, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 812 Rn. 307 f. 388  BGHZ 131, 297 (304 ff.) = NJW 1996, 838; Schwab, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 812 Rn. 300 ff. 389  Vgl. die in den beiden vorausgegangenen Fußnoten genannten Urteile. 390  Zu diesem Ergebnis gelangt auch Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 58 f., obschon er ein Recht zum Besitz ablehnt, vgl. a. a. O., S. 54. 391  Vgl. Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 255 Rn. 8; BGH, Urteil vom 27.03.1969 – VII ZR 165/66 = NJW 1969, 1165 (1166); RGZ 117, 335 (338). 392  Vgl. BGH, Urteil vom 27.03.1969 – VII ZR 165/66 = NJW 1969, 1165 (1166) Rn.  12 m. w. N.; Bittner/Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 44.

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

tion des Eigentümers begründet liegenden Verstoß gegen Treu und Glauben gestützt werden könnte.393 Bei genauer Betrachtung weist jedoch der durch den BGH präferierte Ansatz Schwächen auf. Der Lösung im Wege des § 255 BGB lässt sich entgegenhalten, dass es an der durch die Norm vorgesehenen Dreipersonenkonstellation mangelt und der Anspruch für den Besitzer zusätzlich nicht sinnvoll erscheint. Denn sollte der Vindikationsschuldner die Sache tatsächlich weiterveräußert haben, könnte der redliche Erwerber diesem entgegenhalten, den Kaufpreis bereits geleistet zu haben; der Erwerber ist folglich von Ansprüchen Dritter freizuhalten.394 Auch ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch aus condictio ob causam finitam lässt sich hinterfragen, da der Besitzer tatsächlich Schadensersatz geschuldet und durch die Zahlung seine Schuld erst zum Erlöschen gebracht hat.395 Überzeugender erscheint es daher, dem Eigentümer die Berufung auf § 816 I S. 1 BGB unter Heranziehung des § 242 BGB und unter Verweis auf die andernfalls drohende Überkompensation bzw. widersprüchliches Verhalten zu versagen.396 Da auch der auf einer unentgeltlichen Verfügung durch den Verbraucher beruhende Herausgabeanspruch nach § 816 I S. 2 BGB letztlich eine Überkompensation des bereits befriedigten Schadensersatzgläubigers bedeuten würde, ließe sich erwägen, auch diesen dem Eigentümer aufgrund von § 242 BGB zu verwehren. Letztlich kommt es, wie schon in den zuvor skizzierten Fällen, aber auch hier nicht darauf an, wie ein möglicher Anspruch dogmatisch überzeugend ausgeschlossen werden kann, handelt es sich bei der Hoffnung, der Besitzer werde über die Sache (unentgeltlich) verfü393  Zumindest wird § 242 BGB mit dieser Begründung auch als Instrument für die Zusammenführung von Eigentum und Besitz bemüht, vgl. dazu S. 275 ff. 394  BGH, Urteil vom 27.03.1969 – VII ZR 165/66 = NJW 1969, 1165 (1166); Caemmerer, JR 1959, 462 (463). 395  Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 255 Rn. 9; Weimar, JR 1959, 92 (93); a. A.: Bittner/Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 44 m. w. N. 396  Folgt man der Ansicht des BGH und sieht in dem Erlös „das durch die Verfügung Erlangte“ im Sinne des § 816 I S. 1 BGB, vgl. BGH, Urteil vom 24.09.1996 – XI ZR 227/95 = NJW 1997, 190 (191), stellt sich ein weiteres Problem: Wie ist zu verfahren, wenn der Besitzer die Sache veräußert und einen Kauferlös erzielt, der über dem Wert der Sache liegt? Ist dem Schadensersatzgläubiger auch in diesem Falle der Anspruch aus § 816 I S. 1 BGB vollständig zu verwehren, oder sollte diesem nicht wenigstens die Möglichkeit zukommen, den über dem Wert der Sache liegenden Kauferlös vom unberechtigt Verfügenden abzuschöpfen? Um eine Privilegierung des pflichtwidrig und schuldhaft Handelnden zu vermeiden, ist wohl der letztere Ansatz der überzeugendere, zumal in diesem Falle auch keine Überkompensation des Eigentümers droht. Die praktische Relevanz eines solchen Anspruchs dürfte letztlich davon abhängen, ob und, wenn ja, wann der Besitzer die Möglichkeit hat, das Eigentum nach Zahlung des Schadensersatzes zu erwerben, siehe dazu unten S. 224 ff. Das Ergebnis der Wertlosigkeit des dominium sine re wird dadurch freilich nicht erschüttert, auch insofern handelt es sich um eine (noch unwahrscheinlichere) nuda spes.



C. Gründe für die Vermeidung des dominium sine re87

gen, doch wiederum um eine nuda spes.397 Die Rechtsordnung darf ebenso wenig mit Zufälligkeiten rechnen wie mit bloßen Wahrscheinlichkeiten.398 Damit lässt sich die Wertlosigkeit der dem Eigentümer verbleibenden Rechtsposition jedenfalls für die hier interessierenden Fälle feststellen.

II. Folgeprobleme der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz Anhand der vorangegangenen Ausführungen lässt sich neben der Wertlosigkeit der dem Eigentümer verbleibenden Rechtsposition noch eine weitere wichtige Erkenntnis gewinnen: Die Abspaltung des Rechtsverwirklichungsanspruchs von seinem Stammrecht, woraus typischerweise ein dominium sine re resultiert, ist mit einer Fülle an Folgefragen verknüpft.399 Mit Blick auf die vorangegangenen Ausführungen sind damit unter anderem die Probleme angesprochen, die sich durch den Ausschluss des § 985 BGB im Rahmen anderer potentieller Anspruchsgrundlagen ergeben. Da die meisten Konfliktpunkte bereits unter den vorausgegangenen Überschriften skizziert wurden,400 sollen an dieser Stelle nur einige wenige noch einmal exemplarisch für die wohl bekannteste Ursache eines dominium sine re, die Vindikationsverjährung, herausgegriffen werden: So ist neben den Fragen, ob dem Besitzer durch Ablauf der Vindikationsverjährung ein Recht zum Besitz zukommt401 und ob der Eigentümer im Falle einer wirksamen Verfügung durch den Besitzer einen Anspruch auf Erlösherausgabe geltend machen kann,402 397  Zu

diesen Erwägungen schon oben S. 74 f. Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 185 sowie Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 208. 399  Darauf machen auch Frank, in: FS Stürner, Bd. 1 (2013), 123 (129) und Loo­ schelders, in: Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, 103 (111) aufmerksam. 400  Siehe S. 76 ff. 401  Ablehnend Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 103, der insbesondere darauf verweist, dass durch die Annahme eines Rechts zum Besitz die Chance auf Rückerlangung der Sache noch weiter geschmälert wird; diese Sichtweise teilen im Ergebnis Spohnheimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 87 und 87.2; Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 156 ff. und Henckel, AcP 174 (1974), 97 (130). Anders der BGH, Urteil vom 08.07.1981 – VIII ZR 326/80 = NJW 1981, 2564 (2565), der ein Besitzrecht zugunsten des Mieters annahm, nachdem der dingliche Anspruch des Vermieters auf Gestattung der Wegnahme verjährt war; für ein Besitzrecht auch Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 224; Finkenauer, JZ 2014, 479 (485); Eckert, MDR 1989, 135 (135); Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2527); Planck, BGB, Bd. 1, 4. Auflage 1913, § 221 Rn. 2c. Dazu an späterer Stelle im Detail, vgl. S. 126 ff. 402  Hier abgelehnt aufgrund von Gesamtverjährung, siehe dazu unten im Detail S. 133 ff.; so bereits Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 77 und Grothe, in: 398  Finkenauer,

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

ebenfalls strittig, auf welche Höhe sich ein Schadensersatzanspruch im Falle der Beschädigung der Sache beliefe, billigte man dem Eigentümer einen solchen zu.403 Allein auf die Zivilrechtsordnung bleiben die aus der dauerhaften Aufspaltung von Eigentum und Besitz hervorgehenden Konflikte aber nicht beschränkt. So führt das dominium sine re – das gilt unabhängig von dessen Ursprung – auch innerhalb des Strafrechts zu Folgeproblemen. Betroffen sind primär die Straftatbestände der §§ 303 und 246 StGB, da sich die zivilrechtliche Eigentumslage hier auf das Strafrecht auswirkt.404 So hängt eine mögliche Strafbarkeit wegen Unterschlagung aufgrund von Weiterveräußerung der Sache oder eine Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung infolge einer Einwirkung auf die Sachsubstanz davon ab, wie man die Rechtsstellung des Besitzers versteht. Entsprechend groß dürfte dessen Interesse sein, Rechtsklarheit in diesem Kontext zu erlangen. Diese knappe Auflistung an Folgeproblemen, die vornehmlich die Vindikationsverjährung betrifft, sich aber gleichermaßen für die anderen genannten Fälle erstellen ließe, dürfte die vielen ungeklärten Fragen, den „Rattenschwanz“, der mit der Trennung von Eigentum und Besitz einhergeht,405 hinreichend verdeutlichen und damit ein weiteres Argument dagegen liefern, MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 195 Rn. 41; a. A. dagegen Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 212 ff.; Remien, AcP 201 (2001), 730 (742 ff.); Müller-Katzen­ burg, NJW 1999, 2551 (2558). 403  Zu den unterschiedlichen Ansichten siehe oben Kap. 1 Fn. 360 und 361. 404  Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36; Riehm, JURA 2000, 505 (512). Bemerkenswert ist die Fülle an Literatur, die § 241a I BGB von der strafrechtlichen Warte aus betrachtet und die Frage zum Gegenstand hat, wie die Straflosigkeit des Verbrauchers begründet werden kann. Diskutiert wird neben der Qualifizierung des § 241a I BGB als strafrechtlichen Rechtfertigungstatbestand, dafür etwa Matzky, NStZ 2002, 458 (462); Haft/Eisele, in: Gedächtnisschrift Meurer (2002), 245 (257); Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 23, 36; Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 28; ablehnend Lamberz, JA 2008, 425 (427 f.), und dem möglichen Übergang der Einwilligungsbefugnis von dem Unternehmer auf den Verbraucher, dafür Tachau, Ist das Strafrecht strenger als das Zivilrecht? – Zur Problematik des § 241a BGB (2005), S. 190 ff.; Mitsch, ZIP 2005, 1017 (1020); Reichling, JuS 2009, 111 (113 f.) auch die Neuentwicklung des Fremdheitsbegriffs, siehe dazu Otto, JURA 2004, 389 (390 f.); Lamberz, JA 2008, 425 (428). Reichling, JuS 2009, 111 (114) attestiert selbst, dass „keine der Auffassungen vollends überzeugen kann – was nicht zuletzt daran liegt, dass der Gesetzgeber die strafrechtlichen Konsequenzen der Norm schlichtweg nicht bedacht hat“. Schwarz, NJW 2001, 1449 (1453 f.) scheint eine mögliche Strafbarkeit dagegen hinzunehmen. 405  Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36 spricht von „unlösbaren Folgeproblemen“; Frank, in: FS Stürner, Bd. 1 (2013), 123 (127) kritisiert hinsichtlich der Vindikationsverjährung ebenfalls, dass sich der Gesetzgeber nur mit dem Grundproblem befasst habe, nicht aber mit den Folgeproblemen bzgl. Weiterveräußerung, Beschädigung, Nutzung der Sache etc.



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das dominium sine re als rechtliches Phänomen hinzunehmen: die Vermeidung von Rechtsunsicherheiten.

III. Die Wertvorstellung des Gesetzes: Vereinigung von Eigentum und Besitz in einer Person Doch nicht nur die mit einer dauerhaften Aufspaltung von Eigentum und Besitz einhergehenden Folgeprobleme streiten für dessen Vermeidung, vielmehr konstatiert das Gesetz selbst, dass bereits die Aufspaltung als solche seinen Wertvorstellungen zuwiderliefe. Nicht ohne Grund knüpft § 1006 BGB an die tatsächliche Sachherrschaft die Vermutung der dinglichen Berechtigung. Ausdruck finden diese Vorstellungen aber auch in den schon angesprochenen, weniger offensichtlichen Regelungen der §§ 886, 1169, 1254 BGB, denen der Grundgedanke der Vermeidung inhaltsleerer Rechte gemein ist,406 sowie in den noch zu behandelnden §§ 903 und 985 BGB. Der vindikatorische Herausgabeanspruch als wesentlicher Pfeiler der Rechtsposition Eigentum,407 dessen genuiner Zweck darin besteht, die tatsächliche Sachherrschaft und die dingliche Berechtigung in einer Person zusammenzuführen,408 belegt durch seine Existenz gleichermaßen, dass das Gesetz einen Gleichlauf von Eigentum und Besitz anstrebt.409 Abschließend legt die dauerhafte Abspaltung des dinglichen Rechts von den eigentlich dem Eigentümer zustehenden Befugnissen einen Konflikt mit § 903 BGB nahe. Diese Norm definiert zwar nicht das Eigentum als solches, manifestiert aber gleichwohl die wesentlichen, den Umfang des Eigentumsrechts kennzeichnenden410 Befugnisse des Eigentümers, die diesem aufgrund seiner Rechtsstellung zukommen411: die Einwirkungs- und Ausschließungsbefugnisse.412 Nun ist zwar sowohl auf verfassungsrechtlicher Ebene in Art. 14 GG als auch einfachgesetzlich in 406  Dazu

schon oben S. 74. Schadensersatz statt der Leistung (2008), S. 103. 408  Wie schon zuvor gezeigt, konfligiert dies freilich nicht mit der Möglichkeit, Schadensersatz statt der Vindikation geltend zu machen, siehe dazu schon oben S. 53 ff. 409  Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451); Quack, in: MüKo BGB, 3. Auflage 1997, § 959 Rn. 11; Gursky, in: Staudinger, 1995, § 959 Rn. 5; Schaltenbrand, Schadensersatz statt der Leistung (2008), S. 103. 410  Baur, in: Soergel, 13. Auflage 2002, § 903 Rn. 5. 411  So die ganz h. M.: Mugdan, Bd. III, S. 145 = Motive, Bd. 3, S. 262 f.; Altham­ mer, in: Staudinger, 2020, § 903 Rn. 2, 7, 10; Fritzsche, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 903 Rn. 1 f.; Brückner, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 903 Rn. 1; Wilhelmi, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 903 Rn. 1; Herrler, in: Palandt, 80. Auflage 2021, Überbl. v. § 903 Rn. 1. 412  Siehe nur Althammer, in: Staudinger, 2020, § 903 Rn. 2; Wilhelmi, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 903 Rn. 1. 407  Schaltenbrand,

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Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

§ 903 BGB („soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen“) festgehalten, dass das Eigentum nicht schrankenlos gewährt wird. Allein aus der Beschränkbarkeit des Eigentums kann jedoch nicht ohne Weiteres auf die Konformität des dominium sine re mit den Vorstellungen des Gesetzes bzw. der Verfassung geschlossen werden. Dies lässt sich schon anhand des bereits angesprochenen und an späterer Stelle noch genauer zu beleuchtenden sogenannten „Kleingartenfalls“ belegen, der durch das BVerfG entschieden wurde: Die Richter äußerten in dessen Rahmen Zweifel gegenüber einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz mit Blick auf Art. 14 I GG.413 Auf einfachgesetzlicher Ebene belegt schließlich die oben bereits dargelegte, beinahe einhellige Ablehnung der Abtretbarkeit des Vindika­ tionsanspruchs,414 dass aus der Beschränkbarkeit des Eigentums nicht vor­ eilig die Zulässigkeit der Trennung von Besitz und Eigentum geschlussfolgert werden darf. Vielmehr liegt die drohende Verwerfung mit den in § 903 BGB niedergelegten Vorstellungen auf der Hand, wenn dem Besitzer eigentümerähnliche Befugnisse zukommen und dem Eigentümer nur eine leere Hülse bleibt.415 Ein dominium sine re ist seitens des Gesetzes mithin nicht intendiert und insoweit „pathologisch“.416 Zumindest als dauernder Rechtszustand ist dieses nicht tragbar.417 Dieser Befund zeigt auch mit Blick auf die in § 197 I Nr. 2 BGB expressis verbis kodifizierte Vindikationsverjährung und den damit einhergehenden Umstand, dass dem Gesetz selbst die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz nicht gänzlich fremd ist,418 keine Revisionsbedürftigkeit auf. Anknüpfend an die schon oben angestellten Erwägungen zur Frage, ob der Vindikationsanspruch durch § 281 IV BGB ausgeschlossen werden kann,419 verkörpert die Vindikationsverjährung aufgrund der bereits seit Erlass des BGB bestehenden, nach Auffassung der Gesetzesväter „nahezu ein Menschenalter umfasse[nden]“ – das heißt annähernd der durchschnittlichen Lebenserwar-

413  Die

Entscheidung wird auf den S. 149 ff. detailliert behandelt. dazu auf S. 69 f. 415  Der Begriff einer leeren Hülse findet sich auch bei Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (57) und in BR-Drs. 2/14, S. 3. 416  Böttcher/Moritz, VuR 2005, 46 (47). Ähnlich auch schon die Gesetzesväter, die darauf hinwiesen, dass solche das Eigentum sehr umfassend beschränkenden Rechte zu Missverhältnissen führen könnten; diese versuchten sie durch Begrenzung der Dauer jener Rechte vorzubeugen, Mugdan, Bd. III, S. 145 = Motive, Bd. 3, S. 262 f. 417  Frank, in: FS Stürner, Bd. 1 (2013), 123 (132). 418  Mugdan, Bd. I, S. 513 = Motive, Bd. 1, S. 292 f.; ähnlich Gsell, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 7. Auflage, Rn. K 46, die eine dauerhafte Trennung von Besitz und Eigentum in diesem Kontext nicht als schlechthin inakzeptabel ansieht. 419  Vgl. oben S. 70. 414  Siehe



C. Gründe für die Vermeidung des dominium sine re91

tung eines Menschen entsprechenden420 – Verjährungsfrist von 30 Jahren421 lediglich einen seltenen Ausnahmefall,422 der an der grundsätzlichen Vorstellung als solcher nichts zu ändern vermag. Dies gilt umso mehr, da die Gesetzesväter die durch Vindikationsverjährung bedingte Entstehung eines domi­ nium sine re im Rahmen des Immobiliarsachenrechts expressis verbis vermeiden wollten und deshalb entsprechende Instrumentarien in das BGB aufnahmen.423 Ein solches Instrument hält das Gesetz, wie noch zu zeigen sein wird, auch für das Mobiliarsachenrecht bereit.424 Die Frage, inwiefern die Verjährbarkeit des vindikatorischen Herausgabeanspruchs mit Art. 14 GG insbesondere vor dem Hintergrund des soeben genannten Urteils des BVerfG in Einklang zu bringen ist, bedarf einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Rechtsinstitut der Verjährung als solchen und muss deshalb den nachfolgenden Ausführungen vorbehalten bleiben.425

420  Gewiss beläuft sich die gegenwärtige durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland ausweislich der Sterbetafeln des statistischen Bundesamtes – diese bemüht auch die Rechtsprechung regelmäßig, siehe nur BGH, Urteil vom 27.01.2004 – VI ZR 342/02 = NJW-RR 2004, 821 (822) und OLG Hamm, Urteil vom 08.09.1998 – 9 U 86/98 = BeckRS 1998, 11029 Rn. 5 ff. – auf weit über 30 Jahre (https://wwwgenesis.destatis.de/genesis/online?sequenz=tabelleErgebnis&selectionname=12621‑00 02&zeitscheiben=16&sachmerkmal=ALT577&sachschluessel=ALTVOLL000,ALTV OLL020,ALTVOLL040,ALTVOLL060,ALTVOLL065,ALTVOLL080#abreadcrumb, Stand 13.10.2021). Im Zeitraum von 1871–1900 lag die durchschnittliche Lebenserwartung der Deutschen allerdings zwischen 39 und 52 Jahren (https://www-genesis. destatis.de/genesis/online?sequenz=tabelleErgebnis&selectionname=12621‑0003&sac hmerkmal=ALT577&sachschluessel=ALTVOLL000&startjahr=1871&endjahr=1900# abreadcrumb, Stand 13.10.2021), sodass die Annahme, die Verjährungsfrist umfasse nahezu ein Menschenalter, gerechtfertigt erscheint und damit deren Länge durchaus unterstreicht. Vgl. insofern auch Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 12 Sp. 2038 s. v. Menschenalter 2): „das durchschnittliche lebensalter eines menschen, angenommen zu dreiszig jahren oder auch einem dritteljahrhundert“. Schon zur Zeit des römischen Rechts wurde die allgmeine Verjährungsfrist auf 30 Jahre festgelegt, da „man 30 Jahre auf eine Generation rechnet[e]“, vgl. Kaser/Knütel/ Lohsse, Römisches Privatrecht, 22. Auflage, § 14 Rn. 3; zur Lebenserwartung im römischen Reich auch Champlin, Final Judgments (1991), S. 62 f. 421  Mugdan, Bd. I, S. 515 = Motive, Bd. 1, S. 296; Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 194–225 Rn. 9 sprechen bei einer Verjährung nach 30 Jahren von der „längstmöglichen Frist“. 422  So schon Casper, ZIP 2000, 1602 (1606). 423  Siehe unten S. 96 ff. 424  Siehe insbesondere S. 176 ff. 425  Allgemein zur Verjährbarkeit des § 985 BGB S. 100  ff. und im Speziellen zum Kleingartenfall S. 149 ff.

92

Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

IV. Die Lehre vom doppelten Eigentum Doch nicht nur die dem Grundgedanken des § 903 BGB zuwiderlaufende vollständige Entwertung der Eigentumsposition mag Anlass für Bedenken geben. Zusätzlich ist die Rechtsstellung des Besitzers genauer in den Blick zu nehmen, die diesem im Gegenzug zu der Ohnmacht des Eigentümers zukommt.426 Der Besitzer tritt in eine Rechtsstellung ein, die jener des Eigentümers zum Verwechseln ähnelt, obschon dieser keine dingliche Berechtigung innehat. In der Summe ergibt sich eine entkernte Eigentumsposition des „auf dem Papier“ noch dinglich Berechtigten auf der einen Seite und eine dem Eigentum ähnelnde Besitzposition des dinglich Nichtberechtigten auf der anderen Seite, der faktisch – mit Ausnahme der Verfügungsbefugnis427 – sämtliche Fäden des Eigentums in Händen hält. Diese rechtliche Konstellation, in der der Eindruck erweckt wird, zwei Personen wären Eigentümer ein und derselben Sache, erinnert an die sogenannte Lehre vom doppelten Eigentum.428 Im Wesentlichen verkörpert diese Lehre die Aufspaltung des Eigentums in das wirtschaftliche (dominium utile) und das nominelle Eigentum (dominium directum). Originär zurückzuführen ist die Unterscheidung von dominium directum und dominium utile wahrscheinlich auf die Intention, die Stellung der Vasallen in einem feudalen System zu beschreiben.429 Darüber hinaus kam diese aber auch in anderen Zusammenhängen zum Tragen, namentlich dann, wenn es Rechtsstellungen zu charakterisieren galt, die der des Eigentümers im römisch-rechtlichen Sinne nahe kamen, sich mit dieser aber gleichwohl nicht deckten. Exemplarisch herausgegriffen sei der Fall eines Grundstücksbesitzers, der die Einrede der longi temporis praescriptio für sich geltend machen konnte. Da aus den justinianischen Texten insofern nicht zweifelsfrei hervorging, ob der Besitzer das Eigentum an dem Grundstück erwirbt, wurde auch seine Rechtsstellung als dominium utile bezeichnet.430 426  Siehe zum Schutz des Besitzers vor Ansprüchen des Eigentümers in den hier diskutierten Fallkonstellationen schon oben S. 74 ff. 427  Anders für den Fall des § 241a I BGB etwa Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (210 f.), vgl. dazu unten S. 319 f. 428  Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36 befürchtet die Wiederbelebung der Lehre vom doppelten Eigentum; vgl. zur Lehre vom doppelten Eigentum im römischen Recht Willems, Justinian als Ökonom (2017), S. 428 ff. 429  Rüfner, in: Cairns/du Plessis, The Creation of the Ius Commune. From Casus to Regula (2010), 127 (128 und 130); auf der erstgenannten Seite findet sich folgendes Zitat: „In feudal law, the right of ownership is vertically split between the feudal lord and the tenant: neither has the full right of disposal, because each has to respect the position of the other.“ 430  Rüfner, in: Cairns/du Plessis, The Creation of the Ius Commune. From Casus to Regula (2010), 127 (130), welcher insgesamt einen knappen Überblick zur histori-



C. Gründe für die Vermeidung des dominium sine re93

Anhand dieses Beispiels lässt sich ferner veranschaulichen, dass die Lehre vom Doppelten Eigentum nicht etwa die Existenz zweier unterschiedlicher Formen von Eigentum belegt, sondern ein und dasselbe Eigentum auf zwei Personen aufgeteilt wurde.431 Das Ergebnis dieses doppelten Eigentums war mithin die für das heutige Rechtsverständnis fragwürdige Konstellation, dass zwei Personen zeitgleich Eigentümer derselben Sache waren, wobei keiner von beiden die dem § 903 BGB vorschwebenden, umfassenden Befugnisse vollumfänglich innehatte – eine rechtliche Zersplitterung des Eigentumsrechts auf vertikaler Ebene.432 Dies ist nicht mit der dem BGB durchaus bekannten Situation des Miteigentums zu verwechseln, in der jeder Beteiligte vollwertiger Eigentümer bloß seines Anteils an der Sache ist.433 Führt man sich die Befugnisse, die dem Inhaber des dominium directum gegenüber dem Inhaber des dominium utile zukamen, im Einzelnen vor Augen, liegt es nahe, den Vergleich zu der Rechtslage zu ziehen, die im Fall eines dominium sine re vorzufinden ist: Während ersterem das Verfügungsrecht an der Sache zustand, lag das Nutzungsrecht bei letzterem. In den Genuss des Rechtsschutzes durch rei vindicatio und die actio negatoria kamen dagegen beide Eigentümer.434 Auch im Falle der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz verbleibt die Verfügungsbefugnis beim Eigentümer,435 welche dieser freilich nicht mehr effektiv ausüben kann, wohingegen insbesondere die Nutzungsbefugnisse beim Besitzer liegen.436

schen Genese des dominium utile darbietet; zur unklaren Rechtslage nach Erhebung der longi temporis praescriptio auch Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2520 f.). Als weiteres Beispiel aus dem klassischen Recht mag die formlose Übereignung von res mancipi dienen, vgl. Willems, Justinian als Ökonom (2017), S. 429 f. 431  Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24; Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. 1 (1985), S.  292 f.; ders., Europä-isches Privatrecht, Bd. 2 (1989), S. 385; so auch Wil­ lems, Justinian als Ökonom (2017), S. 428, der dies anhand Gai. Inst. 1.54 belegt, jedoch zusätzlich darauf hinweist, dass diese Sichtweise keineswegs unumstritten ist; Rüfner, in: Cairns/du Plessis, The Creation of the Ius Commune. From Casus to Regula (2010), 127 (128, dort Fn. 4) will sich insofern nicht festlegen. 432  Rüfner, in: Cairns/du Plessis, The Creation of the Ius Commune. From Casus to Regula (2010), 127 (128). 433  Siehe nur Schmidt, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 741 Rn. 41. 434  Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. 1 (1985), S. 292 f. 435  Lediglich Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 28 und Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (211) gehen im Fall des § 241a I BGB davon aus, dass dem Verbraucher die Verfügungsbefugnis an der Sache zukommt. Daraus kann gleichwohl kein Argument gegen den Vergleich zur Lehre vom doppelten Eigentum gezogen werden, rekurriert Finkenauer, a. a. O. Rn. 36 doch anschließend selbst auf diese. 436  Vgl. insofern oben S. 74 ff.

94

Kap. 1: Das Phänomen des dominium sine re

Die Unterscheidung zwischen dominium directum und dominium utile hat mit der fortschreitenden Aufhebung jener Institute, in denen diese relevant wurde, an Bedeutung verloren und verschwand als rechtliche Konstruktion aus den Kodifikationen.437 Deutlich erteilten auch die Väter des BGB der Aufspaltung des Eigentums auf horizontaler Ebene eine Absage. In den Gesetzgebungsmaterialien heißt es: „[D]as Eigenthum [lässt sich] auch nicht so theilen, daß dem Einen und dem Anderen eine Reihe bestimmter im Eigen­ thume liegender Befugnisse zugewiesen werden und dem beiderseitigen Rechte der Charakter des Eigenthumes wird.“438 Anhand dessen wird die dem Vergleich zwischen der Lehre vom doppelten Eigentum und der Aufspaltung von Eigentum und Besitz in jüngerer Zeit innewohnende Brisanz deutlich. Diese liegt nicht etwa (nur) darin, dass eine veraltete, den gegenwärtigen Rechtsvorstellungen zuwiderlaufende Rechtsfigur gleichsam wieder zum Leben erweckt würde, sondern sie ergibt sich insbesondere mit Blick auf zwei dem Sachenrecht immanente Grundprinzipen: den Typenzwang und die Typenfixierung. Die dinglichen Rechte sind sowohl hinsichtlich ihrer Anzahl als auch bezüglich ihres Inhalts abschließend geregelt.439 Der Konflikt, der sich aus der Abkehr von der Lehre vom doppelten Eigentum durch die Grundentscheidung der Gesetzesväter auf der einen und die Wiedereinführung derselben über Umwege auf der anderen Seite ergibt, liegt auf der Hand. Geschaffen würde letztlich eine neue Form des Eigentums, eine solche, die sämtlicher in § 903 BGB vorgesehener Befugnisse entbehrt,440 eine 437  Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. 2 (1989), S. 385, weist darauf hin, dass diese Unterscheidung sowohl dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch als auch dem Allgemeinen Preußischen Landrecht noch bekannt war. Bereits Justinian betitelte die Aufspaltung des Eigentums als juristisches Glasperlenspiel und überflüssige rechtliche Institution, der die Gefahr der Rechtsunklarheit innewohne und gar dazu in der Lage wäre, Rechtsstudenten abzuschrecken. Kaiser Constantin trug bereits zur Eindämmung der Aufspaltung bei, indem er den Anwendungsbereich der traditio beschnitt, vgl. Willems, Justinian als Ökonom (2017), S. 431 ff. 438  Mugdan, Bd. III, S. 145 = Motive, Bd. 3, S. 262; siehe auch schon Johow, in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission, Sachenrecht, Teil I (1982), S. 626 („das Eigentum ist ein unteilbares Recht“). 439  Mugdan, Bd. III, S. 2 = Motive, Bd. 3, S. 3; Stadler, in: Soergel, 13. Auflage 2002, §§ 854–984, Einl. Rn. 41; Westermann/Gursky/Pinger, Sachenrecht, 6. Auflage, § 1 I 1 und 2; Gaier, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, Einleitung Sachenrecht Rn. 11; Heinze, in: Staudinger, 2018, Einleitung Sachenrecht Rn. 94; Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Auflage, § 1 Rn. 7 ff. 440  Weber, Sachenrecht I, 4. Auflage, § 10 Rn. 82 („Eigentums-Aliud“) sieht diesen Konflikt in Bezug auf § 241a I BGB; Pohle, JZ 1956, 53 (54) („Halb- oder Viertelseigentum“); vergleichbare Bedenken scheint auch Rüfner, in: Cairns/du Plessis, The Creation of the Ius Commune. From Casus to Regula (2010), 127 (128) zu haben, wenn er darauf hinweist, dass eine solche Aufteilung des Eigentums auf vertikaler Ebene mit dem heutigen Verständnis vom Eigentum als absoluten Nutzungs- und



C. Gründe für die Vermeidung des dominium sine re95

leere Hülle,441 die die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs gefährden kann. Gewiss lässt sich danach fragen, ob diese Prinzipien in unumstößlicher Manier Geltung für sich beanspruchen, wurden diese doch auch schon durch die Anerkennung des Anwartschaftsrechts und des Sicherungseigentums stellenweise aufgrund wirtschaftlicher Beweggründe durchbrochen.442 Wie die vorausgegangenen Ausführungen gezeigt haben, fehlt es im Falle des domi­ nium sine re aber jedenfalls an Gründen, die eine Durchbrechung des Typenzwangs und der Typenfixierung des Sachenrechts rechtfertigen könnten. Im Folgenden soll deshalb untersucht werden, wie eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz in den zuvor diskutierten Fällen vermieden werden kann.

Verfügungsrechts unvereinbar ist („there can only be one owner“); siehe auch Walle­ rath, JR 1970, 161 (165). 441  Riehm, JURA 2000, 505 (512); Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S.  57 m. w. N. 442  Gaier, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, Einleitung Sachenrecht Rn. 11; Wes­ termann/Gursky/Pinger, Sachenrecht, 6. Auflage, § 1 I 1 und 2; vertieft zur Aufweichung des Typenzwangs Füller, Eigenständiges Sachenrecht? (2006), S. 519 ff.

Kapitel 2

Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung Ehe sich dem Kernpunkt dieser Arbeit, dem dominium sine re im Kontext des Allgemeinen Schuldrechts, zugewandt wird, soll jene dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz genauer in den Blick genommen werden, die auf der Verjährung der Vindikation fußt. Diese wurzelt zwar – entgegen des Titels der vorliegenden Arbeit – im Allgemeinen Teil des BGB. Allerdings handelt es sich um den prominentesten Fall, der ein dominium sine re nach sich ziehen kann, sodass dementsprechend bereits viele wertvolle Gedanken zu diesem formuliert und möglicherweise fruchtbare Lösungsmöglichkeiten entwickelt wurden, die auch jenseits der Vindika­ tionsverjährung Geltung beanspruchen könnten. Daher empfiehlt sich jedenfalls eine Auseinandersetzung mit den wesentlichen Aspekten der Vindikationsverjährung.

A. Dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz durch Verjährung im Immobiliar­sachenrecht Bevor die Vorarbeit für die Auflösung des dominium sine re innerhalb des Allgemeinen Schuldrechts geleistet wird, soll noch ein kurzer, vorgelagerter Blick auf die Vindikationsverjährung im Rahmen des Immobiliarsachenrechts geworfen werden. Denn aus dieser können sich gleichermaßen entscheidende Wertungsgesichtspunkte für die an späterer Stelle zu diskutierenden Lösungsansätze ergeben, die das Ziel verfolgen, ein dominium sine re zu vermeiden. Betrachtet man die Genese des BGB, wird schnell deutlich, dass auch innerhalb des Immobiliarsachenrechts die durch Verjährung hervorgerufene dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz keineswegs ein undenkbares Szenario darstellt. Die vollständige Ablehnung der Ersitzungsmöglichkeit wurde etwa noch innerhalb des Ersten Entwurfs zum BGB als das geringere Übel empfunden.1 Parallel zur Verjährung des Vindikationsanspruchs im 1  Mugdan, Bd. III, S. 170 ff., insbesondere 172 = Motive, Bd. 3, S. 308 ff., insbesondere 310; die Gesetzesväter fürchteten entweder die Begünstigung des Bösgläubigen, sofern man auf die Gutgläubigkeit des Besitzers bzgl. seines Besitzrechts verzichtete oder die unvollkommene Vereinigung von Buchlage und tatsächlicher Besitzlage, wenn man dieses Erfordernis aufstellen würde.



A. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Immobiliarsachenrecht97

Kontext des Mobiliarsachenrechts wäre es gleichermaßen zu einer Eigentums­ position ohne Sachherrschaft gekommen, wenn der Vindikationsanspruch des wirklichen Eigentümers gegen den im Besitz des Grundstücks befindlichen und buchmäßig legitimierten, scheinbaren Eigentümer verjährt wäre.2 Die Zweite Kommission beurteilte diesen Sachverhalt dagegen anders. Sie hielt es „für wünschenswert, eine Beseitigung des dominium sine re zu ermöglichen“, und etablierte deshalb die Tabularersitzung nach Ablauf von 30 Jahren.3 Die Eigentumslage wurde mithin dem Buchstand angeglichen.4 Dieses Vorgehen wurde offenbar auch durch die Verfechter der vormaligen Gegenansicht gebilligt; so wurde jener Antrag, der ebenfalls die Ersitzungskonstellation vor Augen hatte, jedoch keinen Eigentumserwerb zugunsten des Eingetragenen forderte, zurückgezogen.5 Zuspruch findet sich auch außerhalb der Beratungen zum BGB: Heck6 spricht davon, dass ein öffentliches Interesse an der Vermeidung von „Rechtskrüppeln“ bestehe und Piekenbrock von einem Interesse, eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz zu vermeiden.7 Durch die Einführung besagter Tabularersitzung wurde die Entstehung eines dominium sine re weitestgehend vermieden. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die Verjährungsfrist des Vindikationsanspruchs gemäß § 197 I Nr. 2 BGB parallel zur Ersitzungsfrist des § 900 I S. 1 BGB 30 Jahre beträgt und die Ersitzung innerhalb des Immobiliarsachenrechts, wie die Verjährung, von einem guten Glauben unabhängig ist. Gefordert werden allein tatsächliche Umstände in Gestalt der Eintragung und des Eigenbesitzes. Wenn der Verjährungsbeginn des Vindikationsanspruchs mit dem Ersitzungsbeginn zusammenfällt, kann der Besitzer dem Anspruchsteller nach Ablauf von 30 Jahren somit nicht nur eine peremptorische Einrede entgegenhalten, sondern er erhält auch das Eigentum an der Immobilie. Der Entstehung eines dominium sine re würde dann sogar vorgebeugt. Sollte der vermeintliche Eigentümer dagegen erst nach Verjährungsbeginn in das Grundbuch eingetragen werden, mögen Verjährung und Ersitzung sich zeitlich zwar nicht decken, sodass Eigentum und Besitz auseinanderfielen. Durch § 900 I S. 1 wird aber jedenfalls eine Perpetuierung dieser Trennung unterbunden. Führt man sich insofern die faktische Wirkung dieses von subjektiven Voraussetzungen losgelösten Ersitzungstatbestandes vor Augen, die Beseitigung der leeren Bd. III, S. 172 f. = Motive, Bd. 3, S. 310 f. Bd. III, S. 573 = Protokolle, Bd. 3, S. 193 f., dort findet sich auch das wörtliche Zitat. 4  Picker, in: Staudinger, 2019, § 900 Rn. 2. 5  Mugdan, Bd. III, S. 573 = Protokolle, Bd. 3, S. 193. 6  Heck, Grundriss des Sachenrechts (1930), § 32 Rn. 4 und 5. 7  Piekenbrock, Befristung (2006), S. 359; so auch BGH, Urteil vom 26.01.1994 – IV ZR 19/93 = NJW 1994, 1152 (1152). 2  Mugdan, 3  Mugdan,

98

Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

Eigentumshülle, wird nachvollziehbar, weshalb § 900 I BGB als „Totengräberparagraph“ oder „juristische Müllabfuhr“ betitelt wird.8 Auch in jüngster Zeit werden teilweise sogar Tötungsparallelen gezogen, wenn davon die Rede ist, dass durch die Tabularersitzung dem andernfalls verbleibenden do­ minium sine re der „Gnadenstoß“ versetzt oder diesem „aktive Sterbehilfe“ geleistet werde.9 Die Bedenken, die durch das entschädigungslose Entziehen der Eigentums­ position aufkommen mögen, werden durch den Rechtsgedanken der sogenannten „Verschweigung“ beseitigt,10 der sich folgendermaßen präzisieren lässt: Der tatsächliche Rechtsinhaber, der den unrichtigen Buch- und Besitzstand über einen Zeitraum von 30 Jahren bestehen lässt, hat seine Eigentümer­ interessen derart vernachlässigt, dass er seine Schutzwürdigkeit einbüßt.11 Untermauert wird dieses Ergebnis zudem durch das öffentliche Interesse an der Richtigkeit des Grundbuches.12 Der sich aus der Eintragung des vermeintlichen Eigentümers im Grundbuch in Kumulation mit der tatsächlichen Sachherrschaft ergebende überragende Rechtsschein ist es schließlich, der eine Ersitzung unabhängig von subjektiven Elementen rechtfertigt.13 Die in Gesetzesform gegossenen Bemühungen – geschaffen wurde nicht weniger als ein eigener Eigentumserwerbstatbestand in Form der außerordentlichen Ersitzung – des Gesetzgebers, ein dominium sine re im Kontext des Immobiliarsachenrechts zu vermeiden, sind damit offenkundig.14 Ob ihm dies ausnahmslos gelungen ist, lässt sich mit Blick auf § 927 BGB15

Grundriss des Sachenrechts (1930), § 32 Rn. 5. in: BeckOGK BGB, Stand 15.04.2021, § 900 Rn. 3. 10  Picker, in: Staudinger, 2019, § 900 Rn. 2; Kohler, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 900 Rn. 1. 11  BGHZ 136, 228 (236 f.); Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung, § 49 I; Krause, in: NK BGB, 4. Auflage 2016, § 900 Rn. 2 m. w. N.; Picker, in: Staudinger, 2019, § 900 Rn. 3 ebenfalls m. w. N.; kritisch nur Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 106; siehe dazu auch Hermann, in: HKK, 2003, §§ 194–225 Rn. 9. Zu diesem Rechtsgedanken schon Savigny, System des heutigen Römischen Rechts V (1841), S.  269 f. 12  Mugdan, Bd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 235 f., auch zum Folgenden. 13  Dazu schon Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 166 f. 14  Bemühungen in Richtung der Vermeidung einer dauerhaften Trennung von Besitz und Eigentum im Kontext des Immobiliarsachenrechts sind freilich dann hinfällig, wenn der Eigentümer zeitgleich im Grundbuch eingetragen ist, in diesem Fall unterliegt der Vindikationsanspruch aufgrund von § 902 I BGB keiner Verjährung. 15  Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 198, sieht insofern drohende Lücken aufgrund der zusätzlichen Voraussetzungen der Verschollenheit oder des Todes des Eigentümers und fordert deshalb für die übergebliebenen Fälle eine Kontra­ tabularersitzung, d. h. eine Ersitzung trotz entgegenstehender Eintragung des wahren 8  Heck,

9  Hertel,



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht99

und § 898 BGB16 zwar bezweifeln, eine genauere Auseinandersetzung soll hier aber nicht weiter Gegenstand sein, wurden die entscheidenden Wertungen, die sich aus dem Blick über den Tellerrand des Mobiliarsachenrechts hinaus ergeben haben, doch bereits herausdestilliert.

B. Dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht Vor dem Hintergrund der soeben dargelegten Bestrebungen der Gesetzesväter, ein dominium sine re innerhalb des Immobiliarsachenrechts zu vermeiden, gilt es nun die Brücke zurück zu der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz im Rahmen des Mobiliarsachenrechts zu schlagen. Bei Lektüre der einschlägigen Passage innerhalb der Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches stellt man aber erstaunlicherweise fest, dass die Gesetzesväter für das Fahrnisrecht keine vergleichbaren Bemühungen angestellt haben.17 Die in der Literatur umgehende Kritik gegenüber der daraus resultierenden dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz innerhalb des Mobiliarsachenrechts aufgrund der Vindikationsverjährung18 ist daher ebenso wenig überraschend wie der zum Teil erhobene Vorwurf der Inkonsequenz: Es erscheine nicht nachvollziehbar, weshalb auf der einen Seite innerEigentümers im Grundbuch; siehe auch Wieling/Finkenauer, Sachenrecht, 6. Auflage, § 20 Rn. 50. 16  Auch diese Regelung kann sich als Ursprung einer weiteren Lücke in der Intention des Gesetzgebers entpuppen, wenn der Grundbuchberichtigungsanspruch selbst dann unverjährt bestehen bleibt, wenn der aus dem nicht eingetragenen Recht fließende Anspruch bereits verjährt ist. Zu den einzelnen Fallkonstellationen siehe Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 95. Vereinzelt wird deshalb gefordert, den unverjährbaren Berichtigungsanspruch trotz der in § 898 BGB zum Ausdruck kommenden Unverjährbarkeit in ein Abhängigkeitsverhältnis zu der Verjährung des zugrundeliegenden materiellen Hauptanspruchs zu stellen, siehe etwa Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 2. Bd., 1900, S. 246 Fn. 5, 257 Fn. 12; Planck, BGB, Bd. III, 1./2. Auflage 1933, § 898 Anm. 2; aus jüngerer Zeit Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 101; Wieling/Finkenauer, Sachenrecht, 6. Auflage, § 20 Rn. 50; kritisch auch Peters/Zimmermann, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I (1981), 77 (147 f.). Die h. M. teilt diesen Ansatz indessen nicht, BGHZ 122, 308 (314) = NJW 1993, 2178 (2179); Kohler, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 898 Rn. 1; Hertel, in: BeckOGK BGB, Stand 15.04.2021, § 898 Rn. 10; Artz, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 898 Rn. 2; Picker, in: Staudinger, 2019, § 898 Rn. 3 mit diversen Nachweisen. 17  Mugdan, Bd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 235 f., dazu an späterer Stelle im Detail, vgl. S. 153 ff.; dort findet sich auch eine Gegenüberstellung der Vorgehensweise zwischen Mobiliar- und Immobiliarsachenrecht. 18  Frank, in: FS Stürner, Bd. 1 (2013), 123 (132 f.); Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 13.

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

halb des Immobiliarsachenrechts die Trennung von Besitz und Eigentum entweder durch den Ausschluss der Verjährung oder die Ersitzung zugunsten des Bösgläubigen (zumindest überwiegend) vermieden, auf der anderen Seite im Mobiliarsachenrecht aber zugelassen werde.19

I. Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs Die Bemühungen, einem auf die Vindikationsverjährung zurückgehenden dominium sine re entgegenzuwirken, beschränken sich auch im Fahrnisrecht nicht lediglich auf solche zur Folgenbeseitigung. Vielmehr wird mithilfe der Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs der Versuch unternommen, dem Problem präventiv entgegenzuwirken. Vor dem Hintergrund der unlängst für das Immobiliarsachenrecht angedeuteten Diskussion, ob § 894 BGB trotz des auf den ersten Blick eindeutig entgegenstehenden Wortlauts des § 898 BGB durch den zugrundeliegenden materiellrechtlichen Anspruch bedingt werden soll,20 und unter zusätzlicher Berücksichtigung der fehlenden Bemühungen der Gesetzesväter zur Vermeidung einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz im Kontext des Mobiliarsachenrechts, ist dies allzu nachvollziehbar. Gerade die präventive Wirkung dieses Lösungsmodels erscheint ver­ lockend, würde so doch die Entstehung eines dominium sine re aufgrund von Verjährung von vornherein unterbunden und damit die Diskussion bezüglich möglicher Rechtskonstrukte, die die Auflösung der daraus resultierenden unbilligen Rechtslage zum Gegenstand haben, obsolet werden. Auch die vorliegende Arbeit kommt deshalb nicht umhin, sich mit dieser Option zu befassen, wenngleich sie keinen Kernpunkt bilden soll.21 Die folgenden Ausführungen werden sich deshalb auf die Auseinandersetzung mit den Kritikpunkten beschränken, die insofern typischerweise vorgebracht werden. 1. Rechtsvergleichender Überblick Berücksichtigt man die Rechtsordnungen anderer europäischer und auch nichteuropäischer Staaten, scheint der Lösungsweg der Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs auf den ersten Blick nicht gänzlich abwegig zu sein. 19  Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2526); ders., Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 11 I 4a bezeichnet das Hinnehmen eines dominium sine re auch als Resignation vor dem scheinbar Unvermeidbaren. 20  Zu dieser Diskussion siehe bereits Kap. 2 Fn. 15 f. 21  Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Verjährbarkeit des § 985 BGB siehe Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S. 40 ff., allerdings mit dem Ergebnis der Verfassungswidrigkeit; Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 17 stellt demgegenüber schon vor Erlass des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes die Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs nicht in Frage.



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht101

So wird etwa in den südlichen Anrainerstaaten Deutschlands – der Schweiz und Österreich – die Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs abgelehnt. Das Schweizerische Bundesgericht stützt dabei sein aus dem Jahr 1922 stammendes grundlegendes Urteil22 insbesondere auf das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, sodass der Vindikationsanspruch bis zum Eintritt der Ersitzung gemäß Art. 728 ZGB geltend gemacht werden kann,23 und lässt auch die Gelegenheit nicht aus, den in Deutschland vorherrschenden Ansatz als eine „sonderbare und künstliche Lösung“ zu betiteln.24 In Österreich leitet die herrschende Meinung die Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs unmittelbar aus dem Gesetz ab. Zwar unterliegen dort gemäß §§ 1451, 1479 ABGB neben Ansprüchen auch subjektive Rechte der Verjährung, dies gilt laut § 1459 ABGB jedoch nicht für das Eigentumsrecht.25 In Italien und Portugal gestaltet sich die Rechtslage ähnlich zu den beiden soeben genannten Rechtsordnungen. Das italienische Recht hat die Verjährung der Vindikation ebenfalls ausgeschlossen, vgl. Art. 948 III Codice civile. Der vindikatorische Herausgabeanspruch erlischt erst dann, wenn der Besitzer das Eigentum an der Sache durch Ersitzung erwirbt; dabei hat selbst der bösgläubige Besitzer nach Ablauf einer zwanzigjährigen Frist die Möglichkeit, die Sache zu ersitzen, vgl. Art. 1161 II Codice civile.26 Im portugiesischen Recht kann der unverjährbare Vindikationsanspruch aus Art. 1311 Código Civil ebenfalls nur durch Ersitzung erlöschen, vgl. Art. 1313 Código Civil.27 22  BG

15.02.1922 (Quadri/Hôtel Brissago), BGE 48 (1922) II 38 28. in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 12.3; Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (250). 24  BG 15.02.1922 (Quadri/Hôtel Brissago), BGE 48 (1922) II 38 28, dort 45 f.: „Non è lecito ammettere che il CCS abbia inteso accettare questa strana et artificiosa soluzione che invero, nell’ipotesi die possesso derivato, è quella del diritto civile germanico secondo il quale, trascorso il termine de prescrizione (che è, in quella legislazione, di anni 30), rimane al proprietario un cosiddetto dominium in re, vale e dire un diritto di proprietà sui generis, che è imprescrittibile, ma spoglio dell’attributo essenziale di rivendicazione.“ 25  Mader/Janisch, in: ABGB Praxiskommentar, 4.  Auflage 2016, § 1479 Rn. 2 m. w. N.; Garber/Perner, in: Taschenkommentar ABGB, 5. Auflage 2021, § 1479 Rn. 1; Bydlinski/Vollmaier, in: Verjährungsrecht in Europa (2011), S. 215 (217) m. w. N.; vgl. auch Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 12.5 m. w. N. 26  Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 12.8; dabei steht die Bösgläubigkeit des Besitzers der Ersitzung einer beweglichen Sache grundsätzlich nicht entgegen. Entzieht der Besitzer dem Eigentümer den Besitz jedoch heimlich oder mittels Gewalt, ist die Zeitspanne, in der die Gewalt fortwirkt oder der Besitzentzug unentdeckt geblieben ist, nicht auf die zwanzigjährige Ersitzungsfrist anzurechnen, vgl. dazu auch Remien, AcP 201 (2001), 730 (739, dort Fn. 28). 27  Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 12.9; Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (250) m. w. N. 23  Piekenbrock,

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Nimmt man dagegen das französische Recht in den Fokus, lässt sich kein vergleichbar aussagekräftiges Ergebnis attestieren. Seit der Reform des Verjährungsrechts im Jahre 200828 ist die Rechtslage dort unübersichtlich geworden.29 Ursprünglich unterwarf Art. 2262 Code Civil sämtliche dingliche und persönliche Ansprüche einer dreißigjährigen Verjährung, sodass das Eigentum mit Ablauf der Verjährungsfrist überzugehen schien.30 Dies hinderte die Rechtsprechung aber nicht daran, von dem Nicht-Erlöschen des Eigentumsrechts auf die Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs zu schließen.31 Zwar wirkte der französische Gesetzgeber dem entgegen, weshalb nunmehr die Verjährung nur für das Eigentumsrecht selbst ausgeschlossen ist (Art. 2227 S. 1 Code Civil) und Ansprüche aus dem Mobiliareigentum ausdrücklich der Verjährung unterliegen (Art. 2224 Code Civil). Die Literatur ließ sich davon indes nicht beirren und plädiert nach wie vor für die Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs,32 was sich nicht zuletzt im Reformprojekt der Association Henri Capitant niedergeschlagen hat.33 Abschließend erscheint das japanische Zivilrecht aufgrund seiner Orientierung am deutschen BGB34 als ein geeignetes Vergleichsobjekt. Zwar fehlt es in Japan an einer dem § 985 BGB entsprechenden Vorschrift, jedoch geht auch dort die herrschende Meinung von der Unverjährbarkeit dinglicher Ansprüche aus und begründet dies insbesondere damit, „dass das Eigentum als solches nicht verjährt (§ 167 Abs. 2 jap. BGB).“35 Somit entsteht das Gesamtbild, dass viele andere europäische und sogar außereuropäische Staaten, deren Zivilgesetzbuch dem BGB stark ähnelt, ein dominium sine re und die damit einhergehenden Probleme durch die Unver28  Gesetz

Nr. 2008-561 v. 17.06.2008, J.O. 18.06.2008, 9856. in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 12.6. 30  Remien, AcP 201 (2001), 730 (738 f.) mit einer Fülle an Nachweisen in Fn. 28. 31  Siehe Cass. 1re civ., Bull. Civ. 1993 I, Nr. 197, 136 (137): „Mais attendu que la propriété ne s’éteignant pas par le non-usage, l’action en revendication n’est pas susceptible de prescription extinctive“. 32  Siehe nur Terré/Simler, Droit civil – Les biens, 8. Auflage 2010, Rn. 522; vgl. i. Ü. Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 12.6 m. w. N. 33  Namentlich Art. 537 des Reformvorschlags „Propositions de reforme du livre II“ vom 15. Mai 2019 fordert gleichermaßen eine Unverjährbarkeit des Eigentums und der Eigentumsverwirklichungsklage (abrufbar unter: http://henricapitant.org/ storage/app/media/pdfs/travaux/Avant‑projet_de_reforme_du_droit_des_biens_19_11 _08.pdf). Siehe dazu auch Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 12.6. 34  Vieregge, Subventionsrecht in Deutschland und Japan, 2000, S. 9. Allgemein zum deutschen Einfluss auf das japanische Zivilgesetzbuch und im speziellen das Sachenrecht siehe Oda, Japanese Law, 3. Auflage, S. 127 ff., S. 164 ff. 35  Nagata, in: Kunig/Nagata, Persönlichkeitsschutz und Eigentumsfreiheit in Japan und Deutschland (2009), 251 (263 f.) m. w. N. auch zur Gegenansicht. 29  Piekenbrock,



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht103

jährbarkeit des Vindikationsanspruchs umgehen.36 Das deutsche Zivilrecht nimmt folglich, indem es einerseits den Vindikationsanspruch gemäß § 197 I Nr. 2 BGB nach Ablauf von 30 Jahren verjähren lässt, im Mobiliarsachenrecht aber andererseits keinen Gleichlauf mit der Ersitzung gewährleistet und somit die Entstehung eines dominium sine re begünstigt, eine gewisse Sonderstellung ein. Die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz als Folge der Verjährung ist demnach als originär deutsches Rechtsphänomen zu sehen. Die Intention, den deutschen Sonderstatus aufzugeben und gleichzeitig das Ursachenspektrum für die sonderbar anmutende Rechtsfigur zu reduzieren, indem auch im BGB der Vindikationsanspruch unverjährbar gestellt wird, ist zumindest aus rechtsvergleichender Perspektive in der Sache plausibel. Ob sich die Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs auch argumentativ stützen lässt, wird nachfolgend behandelt. 2. Diskussion über die Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs im deutschen Recht Auch innerhalb der deutschen Gesetzgebungshistorie war die Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs keineswegs unumstößlich. Im Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Großherzogtum Hessen von 1845 war etwa in Titel V Art. 2 Abs. 3 vorgesehen, dass „[…] Klagen auf Anerkennung des Eigenthums oder der Freiheit desselben [nicht verjähren], es sei denn, daß ein Anderer dieses Eigenthum oder ein die Freiheit desselben beschränkendes Recht gegen den bisherigen Eigenthümer ersitzt.“37 Auch heute wird innerhalb der deutschen Rechtswissenschaft die Unverjährbarkeit des Eigentumsverwirklichungsanspruchs noch diskutiert. Da die Anknüpfungspunkte für die Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs vor und nach Erlass des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes divergieren – es lässt sich gewissermaßen von eine Zäsurwirkung sprechen –, sollen diese Zeiträume separat beleuchtet werden, wenngleich eine vollumfängliche, strikte Trennung zwischen diesen nicht gewährleistet werden kann. a) Der Zeitraum vor der Schuldrechtsmodernisierung aa) Befürworter der Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs im deutschen Recht Tatsächlich sprachen sich in der Zeit vor der Schuldrechtsmodernisierung vereinzelt Autoren für die Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs aus. 36  Darauf

stellt auch Frank, in: FS Stürner, Bd. 1 (2013), 123 (132) ab. in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 12.1, dort Fn. 21.

37  Piekenbrock,

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Peters und Zimmermann erwiesen sich schon 1981 als Befürworter. So selbstverständlich dem Herausgabeverlangen der Eltern wegen ihres Kindes nicht die Einrede der Verjährung entgegengehalten werden könne, so selbstverständlich müssten auch die aus absoluten Rechten fließenden und ihrer Verwirklichung dienenden Ansprüche erst mit dem absoluten Recht selbst untergehen.38 Andernfalls würden die absoluten Rechtspositionen des BGB „in unerträglicher Weise relativiert“. Dogmatisch ließe sich dies durch den Gedanken rechtfertigen, dass der Anspruch ständig neu aus dem Eigentum fließe.39 Müller begründete die Unverjährbarkeit des § 985 BGB damit, dass die Geltendmachung des Vindikationsanspruchs nicht weniger sei als die Geltendmachung der dinglichen Rechtsposition selbst. Da letztere gerade nicht verjährt, sei daraus zu schlussfolgern, dass auch der Vindikationsanspruch nicht verjährt sein kann, wenn der Anspruchsteller die Eigentumsposition noch innehat.40 Müller zog also dieselben Schlüsse wie die französische Rechtsprechung bereits 1993.41 Er verwies zudem auf drohende untragbare Ergebnisse, sollte ein abweichendes Verständnis zugrunde gelegt werden. So könne es nicht angehen, dass der Dieb – der nach seiner Ansicht häufigste Anwendungsfall –, der die Sache zehn Jahre lang in Besitz hat, die ihm eigentlich verwehrte Rechtsfolge der Ersitzung aus § 937 BGB faktisch 38  Peters/Zimmermann, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I (1981), 77 (186, 318); Mansel, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform (2001), 333 (368 f.) hegt ebenfalls Zweifel gegenüber der Verjährung des Vindikationsanspruchs unter Verweis auf die Entscheidung des High Court vom 08.10.1998 zur Sache Gotha City v Sotheby’s & Another, Federal Republic of Germany v Same, Case No. 1993 C. 3428 und Case No. 1997 G 185; nachzulesen ist das Urteil bei Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht (2001), 77 ff.; in dem Prozess ging es um die Herausgabe eines Bildes, das in London durch Sotheby’s versteigert werden sollte. Dabei machte ausgerechnet die Bundesrepublik geltend, dass das deutsche Verjährungsrecht aufgrund Verstoßes gegen die englische public policy keine Anwendung finden könne („The plaintiffs contend that if the German limitation period has expired it should be disapplied pursuant to section 2(1) because it conflicts with English public policy.“), vgl. Carl/Güttler/ Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht (2001), 200. 39  Peters/Zimmermann, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I (1981), 77 (186), dort findet sich auch das vorangegangene Zitat; vgl. zu letzterem Aspekt auch Gebhard, in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Allgemeiner Teil, Teil 2 (1981), 312 f. („das fortdauernde dingliche Recht reagiere ununterbrochen gegen die fortdauernde Verletzung“). 40  Müller, Sachenrecht, 4. Auflage, Rn. 455; Gruber, der das Werk inzwischen fortführt, teilt diese Ansicht in dieser Form nicht mehr, hegt jedoch noch Zweifel hinsichtlich der Billigkeit des Ergebnisses, vgl. Müller/Gruber, Sachenrecht, 1. Auflage, Rn. 633; in die Richtung Müllers geht auch Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 3. 41  Siehe dazu schon oben S. 102.



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durch die Verjährung des Vindikationsanspruchs herbeiführen könne.42 Der Dieb solle durch die Verjährung nicht privilegiert werden.43 Verstärkt werde diese Unbilligkeit durch eine Kuriosität: Wenn der Eigentümer im Fall der Vindikationsverjährung die Sache im Wege verbotener Eigenmacht zurückerlange und diese anschließend aufgrund von § 861 BGB an den ursprünglichen Besitzer herausgeben muss, würde ein neuer, unverjährter Vindikationsanspruch aufleben.44 Auch Remien folgte dem und forderte, die Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs unter dem Vorbehalt der Verwirkung anzuerkennen.45 Dieser stützte seine Argumentation im Wesentlichen auf zwei Anhaltspunkte: die Ungereimtheiten im Kontext der Fristberechnung für die Verjährung des Vindikationsanspruchs und den weitgehenden Verlust des Eigentumsschutzes.46 Die erstgenannte Verwerfung soll sich insbesondere in den Fällen zeigen, in denen der Dieb seinerseits bestohlen wird. Dann würde der eigentlich verjährte Vindikationsanspruch wieder aufleben, sodass der Eigentümer durch den erneuten Diebstahl profitieren würde.47 Mit dem zweiten Anhaltspunkt wird im Wesentlichen der schon oben behandelte umfassende Anspruchsausschluss zulasten des Eigentümers angesprochen.48 Darüber hinaus werde – so argumentiert schon Müller – der Eigentümer zu einer verbotenen Eigenmacht ermutigt.49 Schließlich könne auch deshalb von dem durch die Verjährung angestrebten Ziel in Gestalt des Rechtsfriedens keine Rede sein, da der Eigentümer im Falle einer Veräußerung der Sache durch den Dieb jedenfalls mittels Genehmigung der Verfügung das durch die Verfügung Erlangte herausverlangen könne.50 bb) Kritische Auseinandersetzung mit der Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs Im Folgenden soll diese allzu reizvolle Lösung zur Vermeidung des domi­ nium sine re genauer untersucht und die zuvor hervorgehobenen Argumente 42  Müller, Sachenrecht, 4. Auflage, Rn. 455; in diese Richtung auch Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (58 f.). 43  Frank, in: FS Stürner, Bd. 1, 2013, 123 (129) m. w. N.; Siehr, ZRP 2001, 346 (346); Kähler, NJW 2015, 1041 (1045); weiterhin gilt es zu beachten, dass es für den Eintritt der Verjährung nicht darauf ankommt, ob der Besitzer gut- oder bösgläubig ist oder den Besitz gar durch ein Delikt erworben hat, vgl. Kähler, a. a. O. (1042). 44  Müller, Sachenrecht, 4. Auflage, Rn. 455. 45  Remien, AcP 201 (2001), 730 (754). 46  Remien, AcP 201 (2001), 730 (740 ff.). 47  Remien, AcP 201 (2001), 730 (740 f.). 48  Siehe dazu S. 76 ff. 49  Remien, AcP 201 (2001), 730 (742). 50  Remien, AcP 201 (2001), 730 (742 ff.).

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auf ihre Validität hin überprüft werden. Berücksichtigt man gleich zu Beginn, dass § 194 II BGB alle Ansprüche, das heißt auch dingliche, der Verjährung unterwirft, stellt sich die Argumentation Müllers – der Vindikationsanspruch sei eine Geltendmachung des Eigentums und letzteres kann nicht verjähren – als nicht tragfähig heraus. Bestätigt wird dieses Ergebnis dadurch, dass andernfalls die zwingend zu beachtende scharfe Grenze zwischen Anspruch und Recht verschwimmen würde.51 Auch das von Peters und Zimmermann zugrunde gelegte Verständnis trägt bei Lichte betrachtet zu weit. So mag zwar noch hinreichend deutlich sein, welche Ansprüche aus einem absoluten Recht fließen. Welcher dieser Ansprüche wiederum der „Verwirklichung“ des jeweiligen Rechts dient und deshalb so wesentlich ist, dass er unverjährt gestellt werden muss, da andernfalls das Recht selbst relativiert würde, bleibt aber ungewiss. Dass es sich insofern letztlich um eine Frage des Argumentationsaufwandes handeln dürfte, weil jeder aus dem absoluten Recht fließende, aufgrund von Verjährung nicht mehr durchsetzbare Anspruch das Recht selbst in gewisser Hinsicht relativiert, belegt das folgende Beispiel: Wird die Sache des Eigentümers schuldhaft durch den Besitzer zerstört, ließe sich gleichermaßen dafür plädieren, den Schadensersatzanspruch unverjährbar zu stellen, weil dem Eigentümer in diesem Falle kein anderer Weg mehr zur Verfügung stünde, noch die Geltung seines Rechts einzufordern. Der Kritikpunkt liegt auf der Hand: Auch wenn Peters und Zimmermann beteuern, dass andere aus dem Eigentum fließende Sekundäransprüche selbstverständlich der Verjährung unterliegen und besagte Argumentation ausschließlich zugunsten des Vindikationsanspruchs greifen soll,52 lässt sich diese auch für die Unverjährbarkeit anderer in Verbindung zum Eigentum stehender Ansprüche fruchtbar machen.53 Hinterfragt man zusätzlich den dogmatischen Anknüpfungspunkt, offenbart sich ein weiterer, auf der gleichen Linie liegender Kritikpunkt: Wollte man die Unverjährbarkeit des § 985 BGB darauf stützen, dass das dingliche Recht fortlaufend auf die andauernde Verletzung reagiere, bliebe zu beantworten, weshalb nicht auch andere Herausgabeansprüche etwa aus einem Leihverhältnis, Mietverhältnis oder aus §§ 823 I i. V. m. 249 I BGB unverjährbar gestellt werden.54 Im Folgenden sollen deshalb noch die Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 91. in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I (1981), 77 (186). 53  Vgl. Ernst, ZRP 2001, 1 (4), der die Begründung des Gesetzgebers für eine dreißigjährige Verjährungsfrist im Rahmen des Vindikationsanspruchs für nicht überzeugend hält, da auch Ansprüche auf Unterlassung oder Beseitigung der Verwirklichung des Stammrechts dienen. 54  Gebhard, in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Allgemeiner Teil, Teil 2 (1981), S. 312. 51  Finkenauer,

52  Peters/Zimmermann,



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insbesondere seitens Remiens vorgebrachten Argumente genauer beleuchtet werden. (1) Privilegierung von Hehlern und Dieben Zunächst ist die Behauptung, dass die Vindikationsverjährung primär Hehler und Diebe privilegiere,55 zu hinterfragen. Legt man eine rein abstrakte Betrachtung zugrunde, erwirbt der Besitzer, der die Sache über einen Zeitraum von zehn Jahren gutgläubig in Eigenbesitz hält, gemäß § 937 BGB das Eigentum an dieser. Demnach hätte grundsätzlich jeder, der nicht Hehler oder Dieb ist, bereits im Wege der Ersitzung das Eigentum erworben und wäre nicht auf die Einrede der Verjährung angewiesen. Prima facie würde also in der Tat nur der bösgläubige, grundsätzlich nicht schutzwürdige Besitzer durch die Vindikationsverjährung profitieren.56 Dass es zu weit ginge, vor diesem abstrakten Hintergrund die Sinnhaftigkeit der Vindikationsverjährung insgesamt anzuzweifeln,57 ergibt sich aber aus den folgenden Gesichtspunkten: (a) Keine abschließende Rechtsicherheit durch Ersitzung Erstens führt auch die Ersitzungsmöglichkeit gemäß § 937 BGB im konkreten Einzelfall nicht zu abschließender Rechtssicherheit.58 Besagter Ersitzungstatbestand verlangt einen zehnjährigen, gutgläubigen Eigenbesitz; für die Gutgläubigkeit ist dabei – ebenso wie bei § 990 BGB – bereits grob fahrlässige Unkenntnis im Zeitpunkt der Besitzerlangung schädlich, nach Besitzerlangung bedarf es dagegen positiver Kenntnis von dem Fehlen der eigenen Rechtsstellung.59 Berücksichtigt man, dass seitens der Rechtsprechung ein Fall positiver Kenntnis auch dann angenommen wird, wenn der Besitzer „in einer Weise [über den Mangel seines Besitzrechts] aufgeklärt 55  Peters/Zimmermann, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I (1981), 77 (186); Müller, Sachenrecht, 4. Auflage, Rn. 455; skeptisch gegenüber dem Nutzen der Vindikationsverjährung für den gutgläubigen Besitzer auch Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (245 f.). 56  So etwa Lorenz/Arnold, in: FS Köhler (2014), 451 (457); Piekenbrock, Befristung (2006), S. 394 f.; Siehr, ZRP 2001, 346 (437) geht davon aus, dass ausschließlich der Dieb privilegiert wird. 57  So etwa Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (65). 58  Lorenz/Arnold, in: FS Köhler (2014), 451 (457); Piekenbrock, Befristung (2006), S. 395. 59  Buchwitz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.05.2021, § 937 Rn. 37 und 41; Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 937 Rn. 44 und 64; Heinze, in: Staudinger, 2020, § 937 Rn. 7 ff.

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wird, dass sich ein redlich Denkender der Überzeugung hiervon nicht verschließen würde“60, offenbart sich die Ungewissheit hinsichtlich eines möglichen Rechtserwerbs. Es lässt sich schwerlich prognostizieren, unter welchen Umständen die Rechtsprechung einen solchen Fall annimmt.61 Parallel verläuft dies für die Frage der groben Fahrlässigkeit. Wann die Tatrichter von einer solchen etwa im Bereich des Kunstmarktes ausgehen, wenn der Verlust des Bildes kundgetan wurde, lässt sich nicht vorhersagen.62 Mithin schützt die Vindikationsverjährung nach Verstreichen zwanzig weiterer Jahre auch denjenigen, der die Voraussetzungen des § 937 BGB erfüllt – den Gutgläubigen –, davor, durch den Tatrichter zu Unrecht als Dieb, Hehler oder bösgläubig angesehen zu werden.63 Er muss seine – im Einzelfall gegebenenfalls streitige – Gutgläubigkeit nicht mehr beweisen, sondern kann sich unmittelbar auf die Verjährung berufen. Mit den Worten des Gesetzgebers: „Erst nach Ablauf der Verjährung kann auch der gutgläubige Erwerber sicher sein, dass ihm niemand mehr seine Rechte streitig macht.“64 Dieser Passage aus den Gesetzgebungsmaterialien wird vereinzelt zwar mit harscher Kritik begegnet: Der durch den Gesetzgeber angestrebte, besondere Schutz des Erwerbers, der aus dem soeben zitierten Satz der Gesetzesbegründung abzulesen sei, werde nicht erreicht und der Eigentümer werde dem Erwerber sein Recht unabhängig von einer möglichen Verjährungseinrede weiter streitig machen.65 Daneben wird die Gesetzesbegründung gar als „vollkommen unplausibel“ betitelt, weil die Rechtsfolgen zwischen Ersitzung und Verjährung gänzlich unterschiedliche seien.66 Die Gültigkeit der vorstehenden Ausführungen, dass auch derjenige, der bereits aufgrund des § 937 BGB das Eigentum an der Sache erlangt hat, durch die Vindikationsverjährung profitieren kann, wird dadurch aber nicht bedingt. Gewiss mag es zutreffen, dass sich die Rechtsfolgen zwischen Ersitzung und Vindikationsverjährung nicht gänzlich decken und die durch den Gesetzgeber gewählte Formulierung etwas irreführend ist. Der Vorwurf einer „voll60  BGH,

Urteil vom 22.01.1958 – V ZR 27/57 Rn. 49 (Juris). in: FS Köhler (2014), 451 (457); Piekenbrock, Befristung (2006), S. 395. 62  Piekenbrock, Befristung (2006), S. 395; kritisch gegenüber dieser Argumentation Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (63) unter Verweis darauf, dass der Anspruchsteller die Bösgläubigkeit beweisen müsse. Dies ändert freilich nichts an den fortwährenden Unsicherheiten auf Seiten des Anspruchsgegners bedingt durch die offen formulierten Voraussetzungen seitens der Rechtsprechung. 63  Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 20. 64  BT-Drs. 14/7052, S. 179. 65  Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S. 66. 66  Klose, a. a. O.; ders., Rechtswissenschaft 2014, 228 (246); kritisch auch Arm­ brüster, in: FS Westermann (2008), 53 (63). 61  Lorenz/Arnold,



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kommen unplausiblen“ Gesetzesbegründung geht dennoch zu weit. Das Risiko, innerhalb eines Vindikationsprozesses den Besitz an der Sache zu verlieren, weil (irrigerweise) Bösgläubigkeit seitens des Gerichts angenommen wird, ist bereits ausweislich der soeben gemachten Ausführungen nicht von der Hand zu weisen. Daran vermag auch der Umstand, dass der Anspruchsteller insofern beweisbelastet ist,67 nichts zu ändern. Macht der vermeint­ liche Eigentümer gegenüber dem neuen, wahren Eigentümer und Besitzer seinen vermeintlichen Vindikationsanspruch geltend, ist letzterer durch die Einrede der Verjährung von diesem Prozessrisiko befreit und insoweit geschützt.68 Damit korrespondierend lässt sich auch die sprachliche Ungenauigkeit der Gesetzesbegründung erklären. Zwar vermag es auch die Einrede der Verjährung nicht zu gewährleisten, dass dem Erwerber „niemand mehr seine Rechte streitig macht“, er also nicht unberechtigterweise gerichtlich in Anspruch genommen wird – insofern handelt es sich vielmehr um ein allgemeines Lebensrisiko;69 der Erwerber kann sich bedingt durch die Einrede der Verjährung aber sicher sein, gerichtliche Verfahren schnell zu seinen Gunsten zu entscheiden, sodass ihm seine Rechte jedenfalls vor Gericht nicht erfolgreich streitig gemacht werden können. Schließlich vermag auch das Argument, dem zufolge der seitens des Gesetzgebers anvisierte besondere Schutz nicht erreicht werde – ungeachtet dessen, ob man diese Einschätzung in der Sache teilt70 –, der Validität der Gesetzesbegründung nicht entgegenzustehen. Berücksichtigt man neben dem Umstand, dass mögliche Nutzungs- und Schadensersatzansprüche ausweislich der obigen Ausführungen ebenfalls durch die Vindikationsverjährung ausgeschlossen werden71 und sich die Konsequenzen der Vindikationsverjährung auch auf § 816 I BGB erstrecken,72 sind dem Gläubiger tatsächlich keine Mittel mehr an die Hand gegeben, dem Besitzer die Sache streitig zu machen. Legt man dieses Verständnis zugrunde, 67  Vgl.

insofern Kap. 2 Fn. 62. AcP 215 (2015), 245 (258); auch Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S. 66 gesteht dies ein, indem er anerkennt, dass dem Gutgläubigen jedenfalls ein allgemeiner Schutz durch die Verjährung zuteilwird. 69  Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53; BR-Drs. 2/14, 4. 70  Gewiss kann bereits das Ziel in Form des besonderen Schutzzwecks angesichts des in der Gesetzesbegründung nur wenige Sätze vorgelagerten Passus („Tatsächlich schützt die Verjährung des Herausgabeanspruchs auch den gutgläubigen Erwerber.“), vgl. BT-Drs. 14/7052, S. 179, angezweifelt werden. So lässt sich argumentieren, dass der Gesetzgeber nur darlegen wollte, dass die Vindikationsverjährung nicht ausschließlich dem Bösgläubigen zugutekommt und lediglich in der Formulierung „über das Ziel hinausgeschossen“ ist. 71  Siehe dazu oben S. 76 ff. 72  Dazu an späterer Stelle im Detail S. 133 ff. Für einen Ausschluss jeglicher im Zusammenhang mit dem Eigentum stehender Ansprüche etwa Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2527). 68  Effer-Uhe,

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

wird sogar ein besonderer Grad an Schutz erreicht. Allein auf die obigen Argumente gestützt, gelingt es somit nicht, den Gesetzgeber in einen Widerspruch zu verwickeln. (b) Die Privilegierung des Gutgläubigen Zweitens würde eine rein abstrakte Betrachtung § 198 BGB gänzlich außer Acht lassen. Diese Norm rechnet die beim Vorbesitzer verstrichene Zeit zum Schutz des Rechtsnachfolgers an, wobei es ohne Belang ist, wie der Vorbesitzer die Sache erlangt hat. Gelangt die Sache im Wege der Rechtsnachfolge aus der Hand des Diebes an einen gutgläubigen, schutzwürdigen Rechtsnachfolger, kann letzterer aufgrund von § 935 I BGB zwar im Wege eines Verfügungsgeschäfts kein Eigentum erlangen, wohl aber dem Eigentümer die Einrede der Verjährung entgegenhalten, wenn sich seine Besitzzeit gemeinsam mit der des Diebes auf 30 Jahre summiert.73 Dies dürfte vor allem dann relevant sein, wenn der gutgläubige Rechtsnachfolger die Sache noch nicht zehn Jahre gutgläubig besessen, das heißt noch kein Eigentum im Wege des § 937 BGB erlangt hat. Daneben gilt es zu berücksichtigen, dass die Verjährung nicht nur dem Schutz des Schuldners, sondern auch des Putativschuldners dient.74 Auch derjenige, demgegenüber nur ein vermeintlich bestehender Vindikationsanspruch geltend gemacht wird, profitiert, wenn er den Prozess durch die Geltendmachung der Vindikationsverjährung zügig beenden kann. Dass der Nichtschuldner keineswegs zwingend bösgläubig ist, ist offensichtlich. Von einer ausschließlichen Privilegierung des Bösgläubigen75 kann mithin keine Rede sein. (c) Das subjektive Element im Rahmen der Verjährung Letztlich erscheint es aus mehreren Gründen heraus bedenklich, eine mögliche Bösgläubigkeit des Besitzers in den Fokus der Argumentation zu stellen. Die Verjährung schützt ein rein abstraktes, von einer individuellen Gut73  Lorenz/Arnold, in: FS Köhler (2014), 451 (457); auch Piekenbrock, Befristung (2006), S. 395 betont, dass durch die accessio temporis ebenfalls der Gutgläubige geschützt werde. 74  Mugdan, Bd. I, S. 512 = Motive, Bd. 1, S. 291; BT-Drs. 14/6040, S. 96, 100; Piekenbrock, Befristung (2006), S. 326 ff.; Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, §  194 Rn.  6 m. w. N. 75  Siehr, ZRP 2001, 346 (437) („Da alle Gutgläubigen bereits […] Eigentum erworben haben, bleibt nur noch der Dieb“); implizit Remien, AcP 201 (2001), 730 (740 ff., 751 f.).



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht111

oder Bösgläubigkeit losgelöstes Vertrauen des Schuldners.76 Eine Überbe­ tonung der subjektiven Umstände birgt deshalb nicht nur die Gefahr, dass Verjährung und Verwirkung verschwimmen,77 sondern auch die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die Verjährung losgelöst von subjektiven Elementen auszugestalten,78 droht konterkariert zu werden. Legt man die soeben gewonnene Erkenntnis zugrunde, dass nicht lediglich der bösgläubige, sondern auch der gutgläubige Besitzer, der wahre Eigentümer und der Putativschuldner von der Vindikationsverjährung profitieren,79 würde letztlich auf Umwegen die Gutgläubigkeit als Tatbestandsvoraussetzung in die Verjährung hineingelesen, wollte man etwa dem Dieb die Berufung auf die Verjährungseinrede aufgrund seiner Bösgläubigkeit verwehren. Daneben stellt sich die Frage, weshalb schuldrechtlich und sachenrechtlich fundierte Ansprüche unterschiedlich behandelt werden sollten. Denn innerhalb des Schuldrechts wird die Verjährung selbst zugunsten des bösgläubigen Schuldners als unbedenklich eingestuft.80 (2) Die die Verjährung rechtfertigenden Gründe Im Folgenden soll, wie es die soeben gezogene Parallele zum Schuldrecht bereits nahelegt, kurz erörtert werden, ob auch im Rahmen des § 985 BGB die Gründe eingreifen, die die Existenz der Verjährung im Allgemeinen rechtfertigen – die Aspekte des Rechtsfriedens81 und der Rechtssicherheit.82 Um diese abstrakten Rechtsbegriffe mit Inhalt füllen zu können, ist 76  Mugdan, Bd. I, S. 515 = Motive, Bd. 1, S. 296 f. Dies erkennt auch Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (243 f.), der dennoch meint, dass die zwingende Bösgläubigkeit des Besitzers nicht unberücksichtigt bleiben dürfe. Siehe dazu auch Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 12 ff., insbesondere S. 14; allgemein zur bona fides im Kontext der Verjährung Hermann, in: HKK, 2003, §§ 194–225 Rn. 36 f. 77  Zum konstitutiven Merkmal des tatsächlich vorliegenden Vertrauens etwa Pe­ ters, AcP 208 (2008), 37 (45 f.). 78  Siehe schon Kap. 2 Fn. 76. 79  Siehe unter den beiden vorausgegangenen Überschriften S. 107 ff. 80  Effer-Uhe, AcP 215 (2015), 245 (257). 81  Savigny, System des heutigen Römischen Rechts V (1841), S. 267–272. Dieser beschränkt seinen „Kanon pluraler Zweckbestimmung“ (so Herrmann, in: HKK, 2003, §§ 194–225 Rn. 14) freilich nicht allein auf den Rechtsfrieden. Zusätzlich führt dieser (1.) die Vermutung auf, dass der Anspruch irgendwie geartet aufgehoben worden sei, (2.) dem Berechtigten die Möglichkeit der Willkür genommen werden soll, die Verteidigung des Beklagten durch Zeitablauf zu erschweren, und benennt (3.) die prozessuale Entlastung sowie (4.) den Vorwurf der Nachlässigkeit gegenüber dem Berechtigten. 82  Rechtsfrieden und Rechtssicherheit werden stets als Begründung genannt: Mug­ dan, Bd. I, S. 511 f. = Motive, Bd. 1, S. 289; BT-Drs. 14/6040, S. 100; Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 194 Rn. 7.

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eine Differenzierung zwischen Individual- und Allgemeininteressen geboten, die für die Verjährbarkeit von Ansprüchen streiten.83 Innerhalb der Indivi­ dualinteressen ist wiederum zwischen den Interessen des Schuldners, des Nichtschuldners sowie des Gläubigers zu unterscheiden. (a) Die Individualinteressen Dem Schuldner dient die Verjährung insofern, als er entsprechend seinem durch die verstrichene Zeit gebildeten (abstrakten) Vertrauen84 davor geschützt wird, sich auch nach Ablauf einer erheblichen Zeitspanne gegen Ansprüche zur Wehr setzen zu müssen.85 Der Schuldner muss sich eines Tages sicher sein können, nicht mehr mit einem Anspruch behelligt zu werden.86 Dies gebietet insbesondere das verfassungsrechtlich verankerte Kontinuitätsinteresse (Art. 1 I i. V. m. Art. 2 I GG),87 welches besagt, dass der Einzelne ein schutzwürdiges Interesse an dem Fortbestand eines langwährenden Rechtszustandes hat.88 Daneben würde die zeitlich unbeschränkte Möglichkeit des Gläubigers, den Schuldner in Anspruch zu nehmen, für letzteren eine unzumutbare Belastung darstellen,89 welche sich vornehmlich in der für diesen eintretenden Beweisnot abzeichnet. Das fortlaufende Verstreichen von Zeit führt auch im Kontext des Vindikationsanspruchs dazu, dass die die Rechtsbeziehung der Parteien betreffenden Tatsachen nicht mehr zuverlässig festgestellt werden können;90 der Gesetzgeber spricht von der „verdunkeln83  Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (62); Hermann, in: HKK, 2003, §§ 194–225 Rn. 13 spricht von einer „dreipoligen Wechselbeziehung zwischen Berechtigtem, Verpflichtetem und öffentlichem Interesse“. 84  BT-Drs. 14/6040, S. 96; Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 37; Peters/ Jacoby, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 194–225 Rn. 5; Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 194 Rn. 6. Insofern weist die Verjährung Parallelen zur Verwirkung auf, wenngleich sie sich dennoch erheblich unterscheiden – das Bilden von Vertrauen stellt für die Verjährung im Gegensatz zur Verwirkung gerade keine konstitutive Bedingung dar, vgl. Peters, AcP 208 (2008), 37 (45 f.). 85  Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (60). 86  Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 92; so auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 194–225 Rn. 8. 87  Neuner, BGB AT, 12. Auflage, § 22 Rn. 2; in diese Richtung auch Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Auflage, § 6 Rn. 3; vgl. zum Grundsatz des Kontinuitätsinteresses auch Heck, AcP 122 (1924), 203 (217); umfassend dazu Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip (2002), S. 455 ff. 88  Heck, AcP 122 (1924), 203 (217). 89  Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (241 f.). 90  So ausdrücklich Looschelders, in: Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, 103 (117 f.); Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 8; zur sich verschlechternden Beweislage Peters, AcP 208 (2008), 37 (44) („Augenschein ist nicht mehr möglich, Urkunden gehen verloren oder werden gar – nach



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht113

den Macht der Zeit“.91 Die unbegrenzte Inanspruchnahme des Schuldners wäre mit Blick auf die zulasten des Schuldners eintretende Beweisnot somit auch vor dem Hintergrund des sich aus Artt. 19 IV, 103 I GG und Art. 6 I EMRK ergebenden Grundsatzes des fairen Verfahrens bedenklich.92 Denn nicht zuletzt das Prinzip der Waffengleichheit als spezielle Ausprägung dieses Grundsatzes garantiert, dass jeder am Verfahren beteiligten Partei die Möglichkeit zuteilwerden muss, ihren Fall einschließlich ihrer Beweise zu präsentieren, ohne insofern Nachteile gegenüber dem Gegner zu haben.93 Dem würde nicht entsprochen, wenn der Gläubiger taktisch zuwarten und seinen Anspruch erst dann geltend machen könnte, wenn der Schuldner nicht mehr dazu im Stande ist, den Gegenbeweis zu führen. Die Literatur hält dem teilweise Bedenken dergestalt entgegen, dass der Schuldner im Kontext der Vindikationsverjährung zwingend bösgläubig sein müsse, um in den Genuss der Einrede aus § 214 BGB kommen zu können, und dass daher seine Schutzwürdigkeit zweifelhaft sei.94 Diese Bedenken greifen ausweislich der vorangegangenen Ausführungen jedoch in zweierlei Hinsicht zu kurz: Zum einen schützt die Verjährung rein abstraktes Vertrauen, auf die subjektiven Vorstellungen und Kenntnisse des Besitzers kommt es demnach nicht an;95 wollte man die Schutzwürdigkeit der Schuldnerinteressen aufgrund möglicher Kenntnis des Besitzers vom Bestehen einer Vindikationslage leugnen, würde das abstrakte zu einem konkreten Vertrauen modifiziert. Zum anderen verkennt diese Sichtweise, dass durchaus auch der gutgläubige Besitzer oder gar ein Putativschuldner durch die Vindikationsverjährung geschützt wird.96 Sowohl ersterer als auch letzterer haben keine Kenntnis von dem (vermeintlichen) Vindikationsanspruch und vertrauen in

Ablauf der Aufbewahrungsfristen – vernichtet, Zeugen werden unerreichbar oder können sich nicht mehr erinnern. Auch die eigene Erinnerung des Schuldners trübt sich“); Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 194 Rn. 6. 91  Mugdan, Bd. I, S. 512 = Motive, Bd. 1, S. 291. 92  Zu Artt. 19 IV, 103 I GG siehe Neuner, BGB AT, 12. Auflage, § 22 Rn. 2; zu Art. 6 EMRK Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 194 Rn. 19 mit diversen Nachweisen für Entscheidungen des EGMR. 93  Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschrechtskonvention, 7.  Auflage, § 24 Rn. 66 f. m. w. N. auch zur Rechtsprechung des EGMR. 94  Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (243 f.); Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (63 f.), dieser erwägt die Unbeachtlichkeit der Bösgläubigkeit aufgrund einer Parallele zum Verjährungsrecht bei arglistiger Täuschung, lehnt diese aber im Ergebnis ab. 95  Siehe dazu schon S. 110 f. 96  Auch dazu schon auf S. 107 ff.

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schützenswerter, abstrakter Weise darauf, nicht unerwartet in Anspruch genommen zu werden.97 Gleichwohl ist zuzugestehen, dass sich der Aspekt der Rücklagenbildung und die damit einhergehende Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit,98 welcher gleichermaßen für die Unzumutbarkeit einer dauerhaften Inanspruchnahme streitet, nur bedingt als Grund für die Vindikationsverjährung anführen lässt.99 Regelmäßig muss der Schuldner für den Fall einer möglichen Inanspruchnahme durch den Gläubiger Vorkehrungen treffen, indem er (monetäre) Mittel zurückhält.100 Wer aber – mit den Worten Spiros – „vernünftig wirtschaften will, muss sich einrichten und seine Verpflichtungen überblicken können und kann nicht unbegrenzt für unerwartete Ansprüche Mittel bereitstellen.“101 Im Kontext der Vindikationsverjährung lässt sich die Notwendigkeit der Rücklagenbildung allenfalls von der Warte aus, dass der Besitzer die Sache selbst vorzuhalten hat, er sich also zur Rückgabe der Sache bereithalten muss, erwägen.102 Dies vermag jedoch nur teilweise dafür zu sprechen, dass das Argument in Gestalt der Rücklagenbildung für die Vindikationsverjährung gleichermaßen Platz greift. Denn ein Vergleich zu Geldschulden etwa lässt sich dennoch nicht ohne Weiteres ziehen, setzt doch schon das Bestehen des Vindikationsanspruchs voraus, dass sich das zur Erfüllung der Schuld notwendige Objekt im Besitz des Vindikationsschuldners befindet.103 Der Besitzer muss also nicht in einer seine Dispositionsfreiheit 97  Zur Schutzwürdigkeit aufgrund unerwarteter Inanspruchnahme Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 11 ff. 98  BT-Drs. 14/6040, S. 96; Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 194–225 Rn. 5; Ellenberger, in: Palandt, 80. Auflage 2021, Überbl. v. § 194 Rn. 8; dazu auch Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (242 f.); Peters, AcP 208 (2008), 37 (44 f.) („[die Verjährung] sichert [dem Schuldner] die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG“); Mansel, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform (2001), 333 (347 f.). 99  Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (244). 100  Schulden können schnell Höhen erreichen, die der Schuldner nicht mehr ohne Weiteres leisten kann. Besonders deutlich wird dies etwa anhand von Unterhaltsverpflichtungen. Um eine noch ausstehende, aber noch nicht geltend gemachte Forderung zeitnah befriedigen zu können, sieht sich der Schuldner in Abhängigkeit von seiner wirtschaftlichen Situation und der Höhe der Forderung unter Umständen dazu genötigt, Rücklagen zu bilden, um die Forderung zeitnah bzw. überhaupt befriedigen zu können, vgl. auch Peters, AcP 208 (2008), 37 (44). 101  Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 14 f. 102  So Effer-Uhe, AcP 215 (2015), 245 (257). Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 36 scheint den Fall des Vindikationsanspruchs als erfasst zu betrachten, thematisiert dieser doch ebenfalls den Aspekt der Rücklagenbildung, ohne jedoch zu vertiefen, inwiefern der Vindikationsschuldner überhaupt Vorkehrungen zu treffen hat. 103  Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (244).



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beeinträchtigenden Art und Weise universell einsetzbare Mittel zurückhalten, sondern lediglich im Besitz der Sache bleiben. Berücksichtigt man allerdings, dass die Notwendigkeit der Rücklagenbildung als Rechtfertigungsgrund für die Verjährung bereits an sich angezweifelt werden kann – so argumentiert etwa Armbrüster, es sei die Pflicht des Schuldners, sich leistungsbereit zu halten104 –, kann die (partielle) Entbehrlichkeit einer solchen auch nicht ausschlaggebend gegen die Verjährbarkeit des § 985 BGB sprechen. In der Tat finden sich einige Argumente, die dafür streiten, diese Ansicht zu teilen: Dem Schuldner – vorausgesetzt, er hat Kenntnis von der bestehenden Verpflichtung – steht es frei, den Anspruch des Gläubigers auch ohne Geltendmachung durch diesen jederzeit zu bedienen. Verweigert der Gläubiger unberechtigterweise die Annahme, kann der Schuldner diesen in Annahmeverzug setzen und auch an die Möglichkeit der Hinterlegung nach §§ 372 ff. BGB ist (zumindest bei hinterlegungsfähigen Sachen) zu denken.105 Am eindringlichsten zeigt sich, dass es für die Verjährung nicht entscheidend auf die Notwendigkeit der Rücklagenbildung ankommen kann, aber anhand der folgenden Überlegung: Wollte man das Gegenteil unterstellen, das heißt besagtes Erfordernis wäre geradezu konstitutiv für die Verjährung, müssten sämtliche im BGB verankerten Ansprüche, deren Rechtsfolgen auf die Herausgabe einer Sache zielen, unverjährbar gestellt werden. Anhaltspunkte dafür, dass bei der unwirksamen Übereignung auf Grundlage eines nichtigen Vertrags oder bei einer gestohlenen Sache unter Verweis auf die fehlende Notwendigkeit einer Rücklagenbildung für eine Unverjährbarkeit der condictio indebiti oder des § 823 II BGB i. V. m. § 242 StGB plädiert wird – auch hier muss der Erwerber (primär) den Besitz an den Gläubiger herausgeben106 –, sind indes nicht ersichtlich. Ein Ausbleiben der Verjährung würde darüber hinaus auch dem Putativschuldner zum Nachteil gereichen. Dies belegt nicht nur der schon angesprochene Umstand, dass dieser abstrakt darauf vertraut, nicht unerwartet in Anspruch genommen zu werden, sondern zeigt sich auch anhand dessen, dass die aus dem Zeitablauf resultierenden Beweisnöte gleichermaßen zu seinen Lasten gehen.107 Wird der Putativschuldner durch den Gläubiger nach gerau104  Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (60); dieser plädiert allerdings für die Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs, vgl. a. a. O. (65); kritisch demgegenüber Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 16 f. und Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 37. 105  Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (60). 106  Freilich besteht in diesen Fällen insofern ein Unterschied zum Vindikationsanspruch, als der Schuldner, sollte er die Sache nicht mehr herausgeben können, auf Wertersatz (§ 818 II BGB) respektive Schadensersatz haftet. 107  Siehe dazu Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 8 ff.

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mer Zeit in Anspruch genommen und gelingt es letzterem, die anspruchsbegründenden Tatsachen hinreichend darzutun,108 ist ersterer gemäß § 138 II ZPO im Zugzwang, zu diesen den Gegenbeweis zu führen,109 das heißt sie substantiiert zu bestreiten. Andernfalls gelten die durch den Anspruchsteller vorgetragenen Tatsachen als zugestanden, vgl. § 138 III ZPO.110 Die selbstverständlich auch für nur vermeintlich bestehende Ansprüche wirkende „verdunkelnde Macht der Zeit“111 lässt sich gerade für den Putativschuldner anhand folgender Überlegungen vergegenwärtigen. Wird der vermeintlich unberechtigte Besitzer substantiiert auf Herausgabe nach § 985 BGB durch den vermeintlichen Eigentümer in Anspruch genommen, ist dieser nunmehr gezwungen, die rechtsvernichtende Tatsache, den Eigentumsübergang, darzulegen. Dies dürfte den Schuldner regelmäßig vor unlösbare Aufgaben stellen,112 trifft diesen doch keine Pflicht, die schriftlichen Unterlagen, die der Darlegung der rechtsvernichtenden Tatsachen dienen können – zu denken ist etwa an eine Quittung –, aufzubewahren.113 Addiert man hinzu, dass auch Zeugen nach Ablauf von 30 Jahren durchaus nicht mehr auffindbar sein können, und wenn doch, deren Erinnerung wahrscheinlich getrübt ist,114 liegt die drohende Beweisnot auf der Hand. Erschwerend kommt schließlich hinzu, dass der Putativschuldner ebenso wie der Schuldner dem Auftreten von Beweisschwierigkeiten nicht vorbeugen kann, weil sie jeweils von einer Inanspruchnahme durch den (vermeint-

108  Dabei genügt es, wenn er jene Umstände darlegt, die normalerweise ausreichen, um das Recht entstehen zu lassen, vgl. Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 8. Für erleichterte Bedingungen im Fall der Raubkunst plädiert Berg­ mann, Verfall des Eigentums (2015), S. 38 auf Grundlage des § 1006 II BGB; die grundsätzlich vorrangige Vermutung des § 1006 I BGB soll nicht für solche Kunstgegenstände gelten, die im Wege einer nichtigen Beschlagnahmung abhandengekommen sind, ebd. 109  Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 194–225 Rn. 5; für anspruchsvernichtende oder -hemmende Tatsachen muss der Schuldner den Vollbeweis führen, ebd. 110  Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 38. 111  Vgl. Kap. 2 Fn. 91. 112  Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (60); Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 38; Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 9 ff. 113  Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 9 („Auch dass […] sich [der Schuldner] von Anfang an für alle nur möglichen Eventualitäten Beweismittel sichere und sie unbeschränkt aufbewahre, ist, selbst soweit es möglich wäre, ganz unzumutbar“); so auch der Gesetzgeber, BT-Drs. 14/7052, S. 177; ebenso Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (63). 114  Vgl. insofern schon Kap. 2 Fn. 90 und BT-Drs. 14/7052, S. 177 („weil Zeugen nicht mehr namhaft gemacht werde können, unerreichbar sind oder sich an die streitigen Vorgänge nicht mehr zu erinnern vermögen.“).



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lichen) Gläubiger abhängig sind.115 Dem mit der möglichen Erhebung einer negativen Feststellungsklage seitens des (Putativ-)Schuldners entgegenzutreten kann nicht überzeugen, denn die vorsorgliche Erhebung einer solchen Klage gegenüber allen auch nur denkbaren Forderungen wäre unmöglich, jedenfalls aber unzumutbar.116 Der Schuldner trägt im Vergleich zum Gläubiger folglich ein ungleich höheres Risiko, dass die für ihn günstigen rechtsvernichtenden Tatsachen infolge Zeitablaufs unaufklärbar sind. Durch die Einrede der Verjährung wird dem (vermeintlichen) Schuldner ein Mittel an die Hand gegeben, sich gegen diese Imparität zur Wehr zu setzen.117 Mithin sprechen auch im Rahmen der Vindikationsverjährung schutzwürdige Individualinteressen des Schuldners für die Verjährbarkeit des Anspruchs. Berücksichtigt man abschließend, dass auf der gegenüberliegenden Seite das Schutzbedürfnis der Gläubigerinteressen durch das zunehmende Verstreichen von Zeit auch im Kontext des § 985 BGB kontinuierlich abnimmt – insofern fungiert der Zeitablauf als Beleg für das fehlende Interesse an der Durchsetzung des Anspruchs118 –, vermögen einstweilen119 auch die Gläubigerinteressen der Verjährung des Vindikationsanspruchs nicht entgegenzustehen. (b) Das Allgemeininteresse Die Begrifflichkeiten des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit umfassen neben den soeben beleuchteten Individualinteressen auch Allgemeininteressen betreffende Aspekte. Zu benennen sind insofern das überindividuelle Interesse an klaren Verhältnissen innerhalb des Rechtsverkehrs sowie daran, dass die Gerichte über tatsächlich ermittelte und nicht bloß vermutete Sach115  Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 194 Rn. 6; Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 8 f.; Peters, AcP 208 (2008), 37 (44). 116  Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 8 f.; Peters, AcP 208 (2008), 37 (44) („die Möglichkeit der negativen Feststellungsklage ist nur eine theoretische. Die flächendeckende Erhebung solcher Klagen wäre eine Horrorvision“). 117  Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 194 Rn. 6; Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 8 f. 118  Mugdan, Bd. I, S. 512 = Motive, Bd. 1, S. 291; Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (243); Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (61); die Schlussfolgerung des BGH, dass „Ansprüche, die jahrelang nicht geltend gemacht werden, […] vermutlich nicht oder nicht mehr gerechtfertigt“ sind, vgl. BGH, Entscheidung vom 16.06.1972 – I ZR 154/70 Rn. 12 (Juris) = GRUR 1972, 721, bezweifelt Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 11; die Sichtweise des BGH teilt Berg­ mann, Verfall des Eigentums (2015), S. 38. 119  Zur Problematik, dass die Vindikationsverjährung unabhängig der Kenntnis des Eigentümers zu laufen beginnt, sogleich auf S. 118 f.

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verhalte entscheiden;120 die Durchsetzung von sehr betagten und durch den Gläubiger vernachlässigten Ansprüchen soll nicht Gegenstand von Gerichtsprozessen sein.121 Es ist kein durchschlagender Grund ersichtlich, der gegen die Gültigkeit dieser Erwägung im Kontext des Vindikationsanspruchs sprechen könnte. In besonders eindringlicher Weise lässt sich dies – ohne freilich Bezug auf die Verjährung von Kulturgütern122 im Speziellen nehmen zu wollen – anhand des von Prütting gebildeten Beispiels zum Schmuckstein „Ptolemäerkameo“ belegen. Dieser wurde 1574 aus dem Kölner Dreikönigsschrein gestohlen und befindet sich heute im Wiener Kunsthistorischen Museum. Würde man die Unverjährbarkeit des § 985 BGB zugrunde legen, könnte das Museum noch heute auf Herausgabe in Anspruch genommen werden.123 In der Konsequenz müsste der Frage nachgegangen werden, auf welchem Weg der damalige Kölner Erzbischof in den Besitz des Steins gelangt ist und wer sein ursprünglicher Eigentümer war.124 Die Schwierigkeiten, die mit der Klärung eines mehrere Jahrhunderte zurückliegenden Sachverhaltes einhergehen, bedürfen keiner weiteren Ausführungen. Die zum Teil geäußerten Zweifel, dass der Eigentümer mangels Erfordernisses eines subjektiven Elements – die Verjährungsfrist beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Anspruch entsteht, vgl. § 200 BGB – oftmals gar keine Kenntnis von seinem Anspruch habe,125 werden bereits durch die Länge der Verjährungsfrist relativiert.126 Denn der Notwendigkeit, dem Gläubiger eine faire Chance zu eröffnen, seinen Anspruch geltend zu machen, das heißt „das Bestehen seiner Forderung zu erkennen, ihre Berechtigung zu prüfen, Beweismittel zusammenzutragen und die gerichtliche Durchsetzung der Forderung ins Werk zu setzen“127, kann auf mehreren Wegen Rechnung getragen werden: Entweder ist der Fristbeginn durch die Kenntnis des Gläubigers von der Forderung bzw. deren Erkennbarkeit zu bedingen oder die Frist ist hinin: FS Westermann (2008), 53 (61 f.). in: FS Westermann (2008), 53 (64 f.). 122  Zur streitigen Frage der Verjährung bei Kulturgütern siehe Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 20; Müller-Katzenburg, NJW 1999, 2551 (2558); Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 12 XI 3; Henrich, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 12; Prütting, in: FS Meincke (2015), 273 (285 f.); dazu auch Kap. 2 Fn. 440. 123  Prütting, in: FS Meincke (2015), 273 (282 f.); dieses Beispiel greift auch EfferUhe, AcP 215 (2015), 245 (252) auf. 124  Prütting, in: FS Meincke (2015), 273 (282 f.). 125  Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (64 f.). 126  Der Gesetzgeber hat das drohende Risiko, dass der Anspruch des Gläubigers noch vor seiner Kenntnis einredebehaftet ist, erkannt und deshalb betont, dass die Verjährungsfrist nicht zu kurz ausgestaltet werden dürfe, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 100. 127  BT-Drs. 14/6040, S. 95. 120  Armbrüster, 121  Armbrüster,



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht119

reichend lang auszugestalten.128 Letzterem wird die Vindikationsverjährung gerecht, indem sie als Verjährungsfrist eine Zeitspanne von 30 Jahren vorsieht. Zwar mag diese heute nicht mehr dem Zeitraum eines „Menschen­ alters“ entsprechen.129 Dahingehenden Bedenken, dass die Verjährungsfrist für den Vindikationsanspruch aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung inzwischen zu kurz geraten sein könnte, kann gleichwohl Einhalt geboten werden. Denn weder zielten die Gesetzesväter auf einen Gleichlauf von Lebenserwartung und Vindikationsverjährung130 noch lässt sich der Verjährungsfrist von 30 Jahren entgegenhalten, sie verkürze den Zeitraum der Durchsetzbarkeit derart, dass die Verwirklichung des Stammrechts in Frage gestellt wird131. Vielmehr ist damals wie heute eine über 30 Jahre hinausgehende Verjährungsfrist innerhalb des BGB nirgends vorgeschrieben.132 Sofern man die Entlastung der Gerichte gleichermaßen als einen dem Allgemeininteresse dienenden Grund für die Verjährung ansehen wollte,133 streitet dieser auch im Rahmen des Vindikationsanspruchs für die Verjährbarkeit. Der Befund Armbrüsters, dass ein Vindikationsprozess im Gegensatz zu schuldrechtlichen Ansprüchen typischerweise keine umfangreiche Beweisaufnahme hinsichtlich der Schuldnerstellung nach sich ziehe,134 mag zwar insofern zutreffen, als sich letztere bereits anhand der tatsächlichen Sachherrschaft ablesen lässt. Daraus zu schlussfolgern, dass keine Belastung der Gerichte drohe, wenn diese über einen mehr als 30 Jahre zurückliegenden Sachverhalt entscheiden müssen, ist hingegen zweifelhaft. So ist bereits die tatsächliche Sachherrschaft des Beklagten keineswegs ausnahmslos offenkundig und insbesondere über die Frage, ob der Anspruchsteller auch Rechtsinhaber ist, kann zwischen den Parteien trefflich gestritten werden. Auseinan128  Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 194 Rn. 9; dazu, dass eine faire Chance zur Realisierung des Anspruchs nicht zwingend mit der Kenntnis des Gläubigers gekoppelt ist auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 194–225 Rn. 8. 129  Siehe schon S. 90 f. und dort Fn. 420. 130  Vielmehr wurde schon von Seiten der Gesetzesväter die Angemessenheit der dreißigjährigen Frist hinterfragt und eine Reduzierung auf 10 oder 20 Jahre erwogen, vgl. Mugdan, Bd. I, S. 515 = Motive, Bd. 1, S. 296. 131  Die Maßgeblichkeit dieses Kriteriums hob der Gesetzgeber zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hervor, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 105. 132  So schon die Gesetzesväter, vgl. Mugdan, Bd. I, S. 515 = Motive, Bd. 1, S. 296. 133  Dafür etwa Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (62) m. w. N.; Peters/ Zimmermann, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I (1981), 77 (193); Mansel, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform (2001), 333 (343 f.); dagegen etwa Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 21 f. („nicht unerwünscht“); Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 194 Rn. 8 („kein Verjährungszweck, sondern nur Verjährungsfolge“); ebenso Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 194–225 Rn. 7. 134  Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (64).

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

dersetzungen mit derartigen Fragestellungen würden durch Berufung auf die Einrede der Verjährung hinfällig. Dem zu entgegnen, eine Entlastung der Gerichte würde auch durch die Möglichkeit, die Verjährungseinrede zu erheben, nicht eintreten, da mit dieser beweisrechtliche Auseinandersetzungen bezüglich Fristbeginn und Anrechnung bereits abgelaufener Zeiträume ein­ hergingen,135 ist bereits inhaltlich fragwürdig; jedenfalls lässt sich daraus aber kein Argument gegen die Vindikationsverjährung im Speziellen ableiten. Zum einen ist zweifelhaft, ob die soeben genannten Schwierigkeiten sich mit jenen, die aus einem die Vindikationslage umfassend behandelnden Prozess resultieren würden, aufwiegen lassen. Zum anderen würde mit dieser Argumentation insgesamt – losgelöst vom jeweiligen Anspruch – in Frage gestellt, ob das Rechtsinstitut der Verjährung zu einer Entlastung der Gerichte beiträgt. Zuzugestehen ist gleichwohl, dass die überindividuellen Interessen nicht ausnahmslos für die Verjährbarkeit des § 985 BGB streiten. Denn jedenfalls das allgemeine Interesse daran, die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz zu vermeiden, lässt sich der Verjährung entgegenhalten.136 Eine Abwägung zwischen dem überindividuellen Interesse an der Vermeidung eines dominium sine re auf der einen mit den zuvor angeführten für die Vindikationsverjährung sprechenden Argumenten auf der anderen Seite wäre müßig, ist hier aber gar nicht indiziert. Denn selbst wenn man die Abwägung zugunsten des erstgenannten Interesses entscheiden, das heißt die Allgemeininteressen gegen eine Verjährung des Vindikationsanspruchs streiten lassen wollte, würden diese doch durch die für die Verjährung maßgebenden Individualinteressen überlagert. Die Allgemeininteressen mögen zwar nicht unbedeutend sein, treten jedoch hinter den Individualinteressen zurück, was sich bereits daraus ablesen lässt, dass die Verjährung nicht schon von Amts wegen Berücksichtigung findet, sondern es einer Erhebung der Einrede durch den Schuldner bedarf.137 Insgesamt lässt sich damit festhalten, dass jedenfalls die im Allgemeinen für die Verjährung sprechenden individuellen Interessen gleichermaßen für die Verjährung des § 985 BGB streiten.

135  Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (64); Bedenken aufgrund möglicher Beweisprobleme hat auch Remien, AcP 201 (2001), 730 (741). 136  So Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (65). 137  Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (239); Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (65); siehe auch Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 194 Rn. 6 („gibt dem Schuldner nur eine Einrede, von der Gebrauch zu machen in seinem freien Belieben steht“).



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht121

(3) Der Anreiz zur Begehung verbotener Eigenmacht Des Weiteren ist das Argument näher zu beleuchten, nach dem der Eigentümer jedenfalls im Wege verbotener Eigenmacht der Sache langfristig wieder habhaft werden kann und deshalb gleichsam zu einer solchen ermuntert werde.138 Dem liegt folgende Erwägung zugrunde: Verschafft sich der Eigentümer mittels verbotener Eigenmacht die tatsächliche Sachherrschaft (zurück) und lässt es der vorherige Vindikationsschuldner nicht darauf beruhen, sondern verlangt die Sache erfolgreich durch Bemühung des ihm zustehenden possessorischen Besitzschutzes heraus, würde ein neuer, unverjährter Eigentumsverwirklichungsanspruch aufleben. In der Tat wäre der Eigentümer bei strikter Anwendung der einschlägigen Regelungen dazu im Stande, den Besitzer seiner Einwendung gleichsam zu berauben; § 198 BGB findet nur dann Anwendung, wenn der Vorbesitzer die Sache willentlich weitergibt139 und auch die Vindikationslage lebt neu auf, wenn der Besitzer die zuvor durch verbotene Eigenmacht verlorene Sache durch § 861 BGB zurückerlangt.140 Konsequenterweise geht daraus auch ein neuer, unverjährter Vindikationsanspruch hervor, da sich der Zeitpunkt des Verjährungsbeginns gemäß § 200 S. 1 BGB nach dem Entstehungszeitpunkt des Anspruchs richtet. Dass dieses Ergebnis aber nicht ohne Weiteres hinzunehmen ist, ergibt sich sowohl aus diversen gesetzlichen Wertungsgesichtspunkten als auch aus andernfalls aufkommenden signifikanten Wertungswidersprüchen. (a) W  ertungswidersprüche bei Neuaufleben eines unverjährten ­Vindikationsanspruchs Die Entstehung des zuvor entfalteten Problems wird entscheidend dadurch begünstigt, dass § 198 BGB einzig auf den Schutz des Besitznachfolgers abzielt und dabei den ursprünglichen Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft übergeht. Die Gesetzesväter haben zwar augenscheinlich erkannt, dass ein Schuldnerwechsel im Kontext dinglicher Ansprüche – anders als im Schuldrecht141 – durchaus Auswirkungen auf die Verjährung haben kann und 138  Siehe

dazu schon S. 105. ist auch nachvollziehbar, da dem deliktischen und damit nicht schutzwürdigen Besitzer die Privilegierung des § 198 BGB nicht zugutekommen soll, vgl. ­Magnus/Wais, NJW 2014, 1270 (1272). So auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, § 198 Rn. 6; Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 198 Rn. 9; Gro­ the, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 198 Rn. 2. Zu den Anforderungen der willentlichen Übertragung noch unter Zugrundelegung des § 221 BGB a. F. Finkenauer, JZ 2000, 241 (243 f.). 140  Magnus/Wais, NJW 2014, 1270 (1272). 141  Dazu nur Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 198 Rn. 3. 139  Dies

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

dem Wiederaufleben eines neuen, unverjährten dinglichen Anspruchs zum Schutz des Besitznachfolgers vorgebeugt.142 Übersehen wurde indessen, dass der ursprüngliche Besitzer nicht nur dann die tatsächliche Sachherrschaft über die Sache zurückerlangen kann, wenn sich die Übertragung auf den Besitznachfolger als unwirksam herausstellt,143 sondern auch dann, wenn dieser seinen possessorischen Besitzschutz als Reaktion auf die verbotene Eigenmacht eines Dritten geltend macht.144 Greift man anschließend auf die an anderer Stelle manifestierten gesetzlichen Wertungen zurück, zeigt sich schnell, dass der Schutz des ursprünglichen Besitzers weit hinter dem Notwendigen zurückbleibt. Als prägnanteste Quelle solcher Wertungen bieten sich die Regelungen des gutgläubigen Erwerbs für bewegliche Sachen an, wie sie auch Magnus und Wais bemühen.145 Der Ansatzpunkt ist bestechend logisch: § 935 BGB liegt der Gedanke zugrunde, dass derjenige, der den Besitz an seiner Sache unfreiwillig verloren hat, besonders schutzwürdig ist und deshalb – Geld und Inhaberpapiere ausgenommen, vgl. § 935 II BGB – keinen Eigentumsverlust fürchten muss. Umgekehrt belegt § 932 BGB – gemeinsam mit dem aus § 935 BGB resultierenden argumentum e contrario – eine geringere Schutzwürdigkeit des Eigentümers, der die tatsächliche Sachherrschaft an seiner Sache bewusst einem Dritten überlässt. Diese Wertungen würden, wenn der Eigentümer durch das Ausüben verbotener Eigenmacht tatsächlich einen neuen, unverjährten Vindikationsanspruch aufleben lassen könnte, ins genaue Gegenteil verkehrt. Darüber hinaus würde es beträchtliche Schwierigkeiten bereiten, die Entstehung eines neuen, unverjährten Vindikationsanspruchs mit den Grundentscheidungen des § 198 BGB in Einklang zu bringen. Denn in der dem Gesetz vorschwebenden Situation wird der Dritte, welcher durch deliktisches Vorgehen in den Besitz der Sache gelangt, jedenfalls mittelbar sanktioniert, indem er sich nicht mehr auf die Einrede der Verjährung berufen kann. Wollte man nun dem Eigentümer als Reaktion auf die Ausübung verbotener Eigenmacht einen neuen unverjährten Vindikationsanspruch an die Hand geben, würde der Besitzer, also das Opfer der deliktischen Handlung, für das widerrechtliche Vorgehen des Rechtsinhabers belangt. Dem Besitzer das für den Besitzverlust maßgebende deliktische Verhalten eines Dritten trotz fehlender Zurechenbarkeit anzulasten ist allerdings, gerade im Hinblick auf die verhaltenssteuernde Wirkung rechtlicher Bd. I, S. 539 f. = Motive, Bd. 1, S. 340 f. Gesetzesväter hielten zu diesem Fall ausdrücklich fest, dass der Veräußerer nicht als Rechtsnachfolger des Dritten angesehen könne, vgl. Mugdan, Bd. I, S. 539 f. = Motive, Bd. 1, S. 340 f. 144  Die possessorischen Besitzschutzregelungen wurden schon durch die Gesetzesväter eingeführt, vgl. Mugdan, Bd. III, S. VI, und insbesondere S. 507 = Protokolle, Bd. 3, S. 36 ff. 145  Magnus/Wais, NJW 2014, 1270 (1272) auch zum Folgenden. 142  Mugdan, 143  Die



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht123

Regelungen, hochgradig bedenklich.146 Besorgniserregend wäre außerdem das Ergebnis: Der Eigentümer stünde durch das Ausüben verbotener Eigenmacht besser, als wenn er den Rechtsweg beschreiten würde.147 Dass ein vorübergehender unfreiwilliger Besitzverlust für den Besitzer, der sich gegenüber dem Eigentümer auf die Einrede der Verjährung berufen kann, ohne Belang sein muss, lässt sich aber nicht nur auf die schon dargelegten Wertungswidersprüche stützen. Vielmehr handelt es sich insofern um eine dem Gesetz auch an anderer Stelle immanente Wertung. So hat der Gesetzgeber bereits in §§ 940 II und 955 III BGB expressis verbis kodifiziert, dass der vorübergehende, unfreiwillige Besitzverlust sowohl im Rahmen der Ersitzung als auch für die Zuordnung getrennter Früchte ohne Bedeutung ist.148 Gründe dafür, weshalb diese Wertung im Rahmen des § 198 BGB nicht Platz greifen sollte, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil belegt die Existenz des Pendants zu § 198 BGB im Ersitzungsrecht, § 943 BGB, diesbezüglich die Parallelität von Verjährung und Ersitzung.149 Für die Unbeachtlichkeit des vorübergehenden, unfreiwilligen Besitzverlusts im Rahmen des § 198 BGB streitet schließlich § 212 II Alt. 2 BGB, der festlegt, dass nur rechtmäßige Vollstreckungshandlungen zu einem Neubeginn der Verjährung führen können.150 Die Brücke von der unrechtmäßigen Vollstreckungshandlung hin zur unrechtmäßigen Besitzergreifung kann unschwer geschlagen werden. Auch abseits des Gesetzes sprechen Argumente gegen das Wiederaufleben eines unverjährten Vindikationsanspruchs. Denn es erscheint zumindest bedenklich, dem Besitzer auf der einen Seite eigentümerähnliche Befugnisse zukommen zu lassen, diese so gewichtige Stellung aber auf der anderen Seite bereits durch den willkürlichen Zugriff eines Dritten zu bedingen. Ein solches Vorgehen ließe sich allenfalls durch punitive Gesichtspunkte rechtfertigen, die bereits dem Zivilrecht als solchen zumindest grundsätzlich,151 jedenfalls aber dem Rechtsinstitut der Verjährung fremd sind.152 Die Notwendig146  So

schon Magnus/Wais, a. a. O. NJW 2014, 1270 (1273). 148  Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 16; zu § 940 II BGB auch schon Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 224. 149  Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 198 Rn. 3. Die Verwandtschaft dieser beiden Rechtsinstitute wird besonders anhand der §§ 939, 941 S. 2 BGB deutlich, die in das Verjährungsrecht verweisen. Dazu im Allgemeinen auch Lorenz/Arnold, in: FS Köhler (2014), 451 (456 f.) und Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (57) sowie Finkenauer, JZ 2000, 241 (244). 150  Magnus/Wais, NJW 2014, 1270 (1272). 151  Ausnahmen mögen hier § 817 BGB und § 241a I BGB sein, vgl. schon Kap. 1 Fn. 107. 152  Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2528). Zu den die Verjährung im Allgemeinen rechtfertigenden Gründen siehe oben S. 111 ff. 147  Magnus/Wais,

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

keit einer Ergebniskorrektur liegt somit auf der Hand.153 Wie dieser Rechnung getragen werden kann, ist freilich nicht abschließend geklärt. (b) L  ösungsmodelle zur Vermeidung des Wiederauflebens eines unverjährten Vindikationsanspruchs Die Lösungsmöglichkeiten reichen von einer Einschränkung über den Grundsatz von Treu und Glauben auf Grund rechtsmissbräuchlichen Verhaltens oder Arglist154 über die Annahme einer anderen Bestimmung im Sinne des § 200 S. 1 BGB155 bis hin zur analogen Anwendung des § 940 II BGB.156 Bevorzugt man die erstgenannte Lösung im Wege des § 242 BGB, so ist das Verhalten des verbotene Eigenmacht übenden Eigentümers als rechtsmissbräuchlich einzustufen, da dieser sich seine neue Rechtsposition durch vorsätzliches und rechtswidriges Handeln verschafft hat. In der Folge dürfte sich der Besitzer auf den Einwand der Arglist berufen.157 Verschließt man sich der Berufung auf § 242 BGB,158 kann darüber nachgedacht werden, ob für den auf die verbotene Eigenmacht des Eigentümers zurückgehenden, neu auflebenden Vindikationsanspruch nach § 200 S. 1 BGB „ein anderer [Zeitpunkt für den] Verjährungsbeginn bestimmt ist.“ Auf diesem Wege könnte eine gleichzeitige Verjährung des neu entstandenen Eigentumsverwirklichungsanspruchs mit dem ursprünglichen gewährleistet ­ werden. Rechtfertigen ließe sich eine solche Auslegung mit dem zu geringen 153  Auch die wohl h. M. geht mit unterschiedlicher Begründung davon aus, dass dem Eigentümer auf diesem Weg kein neuer, unverjährter Vindikationsanspruch zukommen soll, siehe Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 91 f.; Heck, Grundriss des Sachenrechts (1930), § 32 Rn. 4; Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn.  219 m. w. N.; Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 198 Rn. 12; Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 223 ff.; a. A. Henckel, AcP 174 (1974), 97 (130); Müller-Katzenburg, NJW 1999, 2551 (2558); Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (58), der meint, dass aufgrund der Bösgläubigkeit des Besitzers die besseren Argumente für ein Wiederaufleben der Vindikationslage sprächen. 154  Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 219; Magnus/Wais, NJW 2014, 1270 (1273). 155  Magnus/Wais, NJW 2014, 1270 (1273). 156  Finkenauer, JZ 2000, 241 (244); so ebenfalls Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 15 und § 198 Rn. 12; in diese Richtung auch Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 224, die dafür plädiert, dass der zwischenzeitliche Besitzerwerb des Eigentümers schlechterdings ignoriert werden sollte und im Anschluss daran auf § 940 II BGB rekurriert, ohne jedoch eine Analogie ausdrücklich anzusprechen. 157  Spohnheimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 84.1; Magnus/ Wais, NJW 2014, 1270 (1273); Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 219 m. w. N. 158  Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 16; wohl auch Remien, AcP 201 (2001), 730 (742).



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht125

Schutzumfang, den das Gesetz dem mit der Verjährungseinrede bewehrten Besitz entgegenbringt.159 Da sich die Werthaltigkeit des Besitzes aus jenen Ansprüchen herleitet, die durch seine rechtswidrige Verletzung entstehen – §§ 861, 862 BGB –, müsste diese Auslegung jedoch entsprechend der besitzrechtlichen Wertungen zeitlich limitiert werden; andernfalls würde ein über den gesetzlich vorgesehenen Rahmen hinausgehender und damit nicht intendierter Besitzschutz etabliert. Damit insbesondere den §§ 864 I, 858 II BGB Rechnung getragen wird, könnte § 200 S. 1 BGB dem Besitzer deshalb nur dann zugutekommen, wenn er innerhalb eines Jahres die Sache zurückerhält oder Klage erhebt.160 Um dem Einwand, dass der Vindikationsanspruch dann bereits vor seiner Entstehung verjähren würde,161 vorzubeugen – wenngleich dies dem Gesetz mit Blick auf § 217 BGB nicht gänzlich fremd ist162 – und um den „für eine Systembildung ungeeignete[n]“ Rückgriff auf § 242 BGB zu vermeiden,163 erscheint die analoge Anwendung des § 940 II BGB von den in der Literatur diskutierten Lösungen letztlich vorzugswürdig. Es spricht viel dafür, die Norm nicht nur als Argument für die Korrekturbedürftigkeit des Ergebnisses anzuführen, sondern auch zur Lösung des Problems selbst heranzuziehen. Denn der durch diese Norm verkörperte Rechtsgedanke ist nicht allein auf den Ersitzungsprätendenten beschränkt, sondern kann auf sämtliche schutzwürdige Besitzer übertragen werden. Zu diesen muss man auch den unberechtigten Besitzer zählen, der sich berechtigterweise auf die Vindikationsverjährung beruft und durch den Eigentümer seines verjährungsrechtlichen Schutzes beraubt wird.164 Der Einwand, dass eine vergleichbare Regelung im Verjährungsrecht gerade fehlt, kann nicht als durchschlagendes Argument begriffen werden. Für ein argumentum e contrario oder ex silentio ist angesichts der überwiegend misslungenen Redaktion des § 198 BGB und der Verwandtschaft von Verjährung und Ersitzung165 kein Raum.166 Daraus sowie aus dem Umstand, dass der vorgenannten Norm ausweislich des Wortlauts NJW 2014, 1270 (1273). a. a. O. 161  Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 199 Rn. 5; Latzel, AcP 216 (2016), 674 (694) betitelt die Situation, dass Leistungspflichten bereits vor ihrer Entstehung verjähren, als Extremfall. 162  Vgl. insofern schon oben S. 76 ff. 163  Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 16. 164  Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 224; zur Verallgemeinerungsfähigkeit des in § 940 II BGB niedergelegten Rechtsgedankens auch Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 198 Rn. 12 und Finkenauer, JZ 2000, 241 (244). 165  Siehe dazu schon Kap. 2 Fn. 149. 166  Finkenauer, JZ 2000, 241 (244). 159  Magnus/Wais, 160  Magnus/Wais,

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allein die Situation des dinglich Berechtigten vorschwebt, der gegenüber dem besitzenden Dritten vorgeht, lässt sich vielmehr eine planwidrige Regelungslücke ablesen.167 Die Kritik, dass die Verjährung – anders als die Ersitzung – keine Redlichkeit des Besitzers voraussetzt, übersieht ebenfalls einen entscheidenden Punkt: Schon die Verweisung des § 900 I S. 2 BGB auf § 940 II BGB – erstere Norm regelt die von der Gutgläubigkeit losgelöste Tabularersitzung – zeigt, dass die Redlichkeit keineswegs eine konstitutive Voraussetzung für die Anwendbarkeit der letztgenannten Norm ist. Diese Sichtweise weiß somit gute Argumente auf sich zu vereinen. (c) P  räklusion der Wertungswidersprüche qua Besitzrecht zugunsten des Besitzers Letztlich bedürfte es jedoch keines dieser Lösungsmodelle, wenn dem Besitzer bereits durch das Verstreichen der Verjährungsfrist und die anschließende Geltendmachung der Vindikationsverjährung ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB zukäme, welches unabhängig von der tatsächlichen Sachherrschaft fortbestehen würde. Denn dann würde kein neuer, unverjährter Vindikationsanspruch aufleben, wenn der Eigentümer die Sache mittels verbotener Eigenmacht in seinen Besitz brächte und der (in der Folge ursprüngliche) Vindikationsschuldner die tatsächliche Sachherrschaft aufgrund des possessorischen Besitzschutzes wieder zurückerlangte; die Frage, wie dem Eigentümer der Anreiz zur Begehung verbotener Eigenmacht genommen werden könnte, stellte sich nicht. Ob ein Recht zum Besitz allein aufgrund der Erhebung der Verjährungseinrede angenommen werden kann, ist freilich umstritten.168 Legt man den Wortlaut von § 986 I BGB und jenen des § 214 I BGB übereinander, ergibt sich aber bereits eine augenscheinliche Parallelität, sprechen doch beide davon, dass der Besitzer die Herausgabe der Sache bzw. die Leistung „verweigern kann“.169 Allein auf den Wortlaut gestützt lässt sich ein Besitzrecht aufgrund von Erhebung der Verjährungseinrede allerdings nicht begründen. Dies gilt umso mehr, berücksichtigt man die lautwerdende Kritik in der Literatur gegenüber einer solchen Sichtweise: Teilweise wird argumentiert, dass ein Besitzrecht schon deshalb nicht begründet werden könne, weil die Verjährung weder eine dingliche Besitzzuordnung noch einen Anspruch auf Besitzüberlassung begründe.170 Zudem würde andernfalls der Verjährung nicht nur eine rechtshemmende, sondern gar eine rechtsvernichtende Wirkung a. a. O., auch zum Folgenden. schon die Nachweise in Kap. 1 Fn. 401. 169  Darauf weist auch Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 156 hin. 170  Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 103. 167  Finkenauer, 168  Vgl.



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beigemessen, entfalle durch ein Recht zum Besitz doch schon die Vindika­ tionslage.171 Schließlich würde auf diesem Wege die Wahrscheinlichkeit, dass der Eigentümer sein Recht jemals wieder unbeschränkt ausüben kann, noch weiter beschnitten.172 Gewiss mag es zutreffen, dass ein Besitzrecht aufgrund von Verjährung gewissermaßen ein Novum darstellt, dies ändert jedoch nichts an der faktischen Ähnlichkeit zwischen der dinglichen Besitzzuordnung und der durch die Vindikationsverjährung eintretenden Rechtslage. Der Eigentümer kann gegenüber dem Besitzer, der sich auf die Einrede der Vindikationsverjährung beruft, ebenso wenig erfolgreich die Herausgabe der Sache verlangen, wie gegenüber dessen Rechtsnachfolger im Sinne des § 198 BGB. Selbst ein vorübergehender unfreiwilliger Besitzverlust würde ausweislich der vorangegangenen Ausführungen nicht zum Wiederaufleben eines erfolgsversprechenden Herausgabeanspruchs führen.173 Des Weiteren ergeben sich für den Besitzer durch die Vindikationsverjährung unstrittig umfassende Nutzungsbefugnisse.174 Lässt man die Situation, in der der Besitzer bestohlen wird und den Besitz nicht binnen Jahresfrist zurückerhält, außen vor, ist somit äußerlich kein Unterschied zu einem berechtigten Besitzer zu erkennen. Bereits in Anbetracht dieser Erwägungen lässt sich an dem Gewicht des oben genannten Arguments, dem zufolge durch ein Besitzrecht dem Eigentümer die letzte Hoffnung genommen würde, sein Recht wieder unbeschränkt ausüben zu können, zweifeln. Zuzustimmen ist demgegenüber der teilweise vor diesem Hintergrund gezogenen Schlussfolgerung, dass ein Besitzrecht – trotz der vorausgegangenen Kritik – der Rechtsfolge am nächsten komme, die die Vindikationsverjährung anvisierten habe, und schon deshalb nicht von vornherein mit § 986 BGB unvereinbar sei.175 Auch der BGH stützt diese Sichtweise durch seine im Jahr 1981 gefällte Entscheidung, in welcher der Senat ein Besitzrecht zugunsten des Verpächters annahm, nachdem die Wegnahmebefugnis des Pächters verjährt war.176 Das Urteil bestätigt den Eindruck, dass Verjährung der Vindikation (1997), S. 156. in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 103. 173  Zu den bereits diskutierten Wertungswidersprüchen sowie den vertretenen Lösungsansätzen siehe S. 121 ff. 174  Selbst jene Vertreter, die ein Besitzrecht ablehnen, gelangen über § 217 BGB zu diesem Ergebnis, siehe Spohnheimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 88; Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 200 f.; Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 103; vgl. insofern schon S. 76 ff. 175  Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 224; in diese Richtung auch Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2527); Eckert, MDR 1989, 135 (135); Schanba­ cher, in: NK BGB, 4. Auflage 2016, § 986 Rn. 11. 176  BGH, Urteil vom 08.07.1981 – VIII ZR 326/80, Rn. 11 (Juris) = NJW 1987, 2861 (2862). 171  Plambeck, 172  Gursky,

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

eine strikte Trennung zwischen der durch die Vindikationsverjährung eingetretenen Blockade des Vindikationsanspruchs und der Verteidigungsposition, die sich aus einem Recht zum Besitz ergibt, nicht geboten ist.177 Zusätzlich brächte ein solches Besitzrecht den Vorteil der Rechtsklarheit mit sich. So wären nicht zuletzt die vorausgehend diskutierten Rechtskonstrukte zur Vermeidung der Wertungswidersprüche, die entstehen würden, wenn der Eigentümer verbotene Eigenmacht übt, entbehrlich, weil der Besitzer schon aufgrund von § 986 I BGB nicht das Aufleben eines unverjährten Vindikationsanspruchs fürchten müsste. Freilich müsste das Besitzrecht dann – dem Leitbild des § 986 BGB entsprechend – von der tatsächlichen Sachherrschaft unabhängig ausgestaltet werden.178 Gewiss mag dabei die Vorstellung, ein Besitzrecht zugunsten des Besitzers anzunehmen, der auf deliktische Art und Weise – etwa im Wege eines Diebstahls – die tatsächliche Sachherrschaft über die Sache erlangt hat, weit mehr Unbehagen verursachen, als dies gegenüber dem gutgläubigen Besitzer der Fall ist. Allerdings hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, das Rechtsinstitut der Verjährung nur auf ein abstraktes Vertrauen zu stützen.179 Aus der Bös- bzw. Gutgläubigkeit des Besitzers unterschiedliche Rechtsfolgen abzuleiten, erscheint daher nicht geboten.180 (4) Der Profiteur eines (zweiten) Diebstahls Mit der vorausgegangenen Problematik korrelierend stellt sich schließlich die Frage, wie sich der unfreiwillige Besitzverlust auswirkt, wenn dieser nicht vom Eigentümer, sondern durch einen unbeteiligten Dritten verursacht wird. Soll der Eigentümer widersinnigerweise durch den Diebstahl eines Dritten profitieren?181 Der Eigentümer könnte sich abermals einen Vorteil durch das Wiederaufleben eines neuen, unverjährten Vindikationsanspruchs erhoffen. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch schnell deutlich, dass es in der Sache keinen Unterschied macht, ob der Eigentümer dem Besitzer die Sache im Wege verbotener Eigenmacht entzieht oder ob dies ein Dritter tut; die schon zuvor aufgezeigten Unstimmigkeiten, die aus dem Wiederaufleben eines neuen, unverjährten Vindikationsanspruchs entstehen würden, sind diein: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 224. wohl nur Eckert, MDR 1989, 135 (135) und Planck, BGB, Bd. 1, 4. Auflage 1913, § 221 Rn. 2c. 179  Siehe schon S. 110 f. 180  So zumindest implizit Schanbacher, in: NK BGB, 4. Auflage 2016, § 985 Rn. 69; Eckert, MDR 1989, 135 (136); auch Niedenführ, in: Soergel, 13. Auflage 1999, § 221 Rn. 4 differenziert nicht zwischen dem gut- und bösgläubigen Besitzer. 181  Vgl. insofern S. 105. 177  Thole,

178  Anders



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht129

selben.182 Folgerichtig ließe sich diesen gleichermaßen mit jenen in der Literatur erwogenen Lösungsmodellen begegnen.183 Da hier jedoch der Ansatz vertreten wird, dass dem Besitzer durch die Geltendmachung der Vindika­ tionsverjährung ein Recht zum Besitz zukommt,184 soll dieser maßgebend sein. Damit lässt sich festhalten, dass der Eigentümer auch durch den (weiteren) Diebstahl eines Dritten nicht profitieren würde. Aufgrund des dem Besitzer durch Erhebung der Vindikationseinrede zukommenden Rechts zum Besitz könnte der Eigentümer auch dann, wenn der Vindikationsanspruch neu auflebt, allenfalls die Herausgabe an den ursprünglichen Besitzer verlangen. Auch insofern ergeben sich folglich keine Ungereimtheiten. (5) Die Beeinträchtigung des Rechtsfriedens durch § 816 I BGB Weiterhin offen ist jedoch, ob durch die Verjährung der Vindikation der zuvor besonders betonte allgemeine Zweck des Rechtsfriedens überhaupt erreicht werden kann.185 Beizupflichten wäre diesen Bedenken, wenn dem Eigentümer trotz der Vindikationsverjährung der das Eigentum substituierende § 816 I S. 1 BGB an die Hand gegeben würde. Wäre es dem (dann ehemaligen) Rechtsinhaber möglich, durch diesen Anspruch nach wirksamer Verfügung seitens des Besitzers oder nach Genehmigung der unwirksamen Verfügung noch das „durch die Verfügung Erlangt[e]“ herauszuverlangen,186 könnte in der Tat nicht von Rechtsfrieden gesprochen werden.187 Selbiges gilt für den Anspruch aus § 816 I S. 2 BGB, welcher dem (ehemaligen) Eigentümer die Möglichkeit zubilligen würde, die Sache unmittelbar vom neuen Rechtsinhaber zu kondizieren. Allein darauf würden sich die aus der Anwendung des § 816 I BGB re­ sultierenden Verwerfungen nach Verjährung der Vindikation indes nicht beschränken. Vornehmlich der Vergleich zwischen dem bösgläubigen unentgeltlichen Erwerber und dem gutgläubigen unentgeltlichen Erwerber offenbart weitere Unstimmigkeiten.188 Ersterer kann aufgrund seiner Bösgläubigkeit kein Eigentum an der Sache erlangen, weshalb der ursprüngliche Besitzer nicht wirksam verfügt hat. Nichtsdestotrotz ist der Bösgläubige als Rechts182  Siehe

insofern schon S. 121 ff. S. 124 ff. 184  Siehe dazu unter der vorstehenden Überschrift, S. 126 ff. 185  Zweifelnd insofern Remien, AcP 201 (2001), 730 (742 f.). 186  Zum Streit über die Rechtsfolge des § 816 I BGB siehe nur Sachsen Gessaphe, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 816 Rn. 17 ff. m. w. N. und Helms, Gewinnherausgabe (2007), S. 71 ff. 187  Zu diesem Kritikpunkt schon oben S. 105. 188  Dazu schon Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), 76 f. Fn. 210. 183  Vgl.

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

nachfolger im Sinne des § 198 BGB zu qualifizieren,189 sodass auch dieser dem Eigentümer die Einrede des § 214 BGB entgegenhalten kann. Anders gestaltet sich die Situation, wenn der unentgeltliche Erwerber gutgläubig ist und daher das Eigentum an der jeweiligen Sache erlangt. In diesem Fall käme dem Eigentümer aufgrund wirksamer Verfügung des ursprünglichen Besitzers die Durchgriffskondiktion des § 816 I S. 2 BGB zugute, weshalb der gutgläubige Erwerber letztlich schlechter stünde als der bösgläubige. Freilich kann der Eigentümer die unentgeltliche Verfügung an den bösgläubigen Erwerber gemäß § 185 I BGB genehmigen und so ebenfalls die Durchgriffskondiktion erlangen. Dadurch würden zwar die aufgezeigten Wertungswidersprüche abgemildert, jedoch zulasten des in § 198 BGB verankerten Zwecks, jede Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers auszuschließen.190 Genügte es im obigen Rahmen noch, die streitigen Rechtsfolgen des domi­ nium sine re zu skizzieren,191 um ein Argument zu gewinnen, bedarf es nunmehr einer präziseren Auseinandersetzung mit der Frage, ob dem Eigentümer nach Verjährung der Vindikation überhaupt noch ein Anspruch aus § 816 BGB zukommen kann. Hierauf soll in der gebotenen Kürze eingegangen werden. (a) Der tatbestandliche Ausschluss des § 816 I BGB Um eine Beeinträchtigung des Rechtsfriedens durch § 816 I BGB zu vermeiden, wird teilweise vorgeschlagen, diesen bereits tatbestandlich auszuschließen, wenn der Besitzer nach der Verjährung der Vindikation über die Sache verfügt.192 Worauf sich dieser Tatbestandsausschluss stützen soll, ist hingegen fraglich. Dem Eigentümer der Sache bleibt bis zur wirksamen Verfügung durch den Besitzer seine Rechtsposition erhalten, die Verjährung des Vindikationsanspruchs vermag daran nichts zu ändern.193 Demnach lässt sich 189  Der Begriff des Rechtsnachfolgers in § 198 BGB ist weit zu verstehen und setzt nur voraus, dass es zu einer willentlichen Besitzübertragung gekommen ist, vgl. Magnus/Wais, NJW 2014, 1270 (1271). 190  Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 77. 191  Siehe dazu oben S. 87 ff. 192  Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 198 Rn. 18.1. 193  Strobel, ZfPW 2020, 220 (224) („Gelingen weder der gutgläubige Erwerb noch die Ersitzung, so verliert im Mobiliarrecht der Eigentümer nie sein Eigentum“); Schwab, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 816 Rn. 30; Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 212 ff. Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2528 f.), zieht zwar die Möglichkeit in Betracht, dem Besitzer bereits qua Ablauf der Verjährungsfrist das Eigentum zuzusprechen, da der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 900 BGB bewiesen habe, dass dies ein gangbarer Weg sei. Er gesteht jedoch auch ein, dass man diese Lösung als zu gewagt einstufen könne, stellt die Verjährung selbst doch keine Art des Eigentumserwerbs dar.



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht131

allenfalls am Tatbestandsmerkmal „nicht berechtigt“ ansetzen, wobei angesichts des vorangegangenen Satzes einzig eine mögliche Verfügungsbefugnis des Besitzers kraft Gesetzes oder Rechtsgeschäfts mit dem Rechtsinhaber in Betracht kommen kann.194 Die Annahme einer konkludent erteilten Verfügungsermächtigung ist äußerst zweifelhaft und grenzt an reine Fiktion, wenn man beachtet, dass die Verjährung des Vindikationsanspruchs unabhängig von der Kenntnis des Eigentümers von seinem Recht, geschweige denn der Person des Besitzers eintritt. Somit ist einzig eine Verfügungsbefugnis kraft Gesetzes noch denkbar. Das Gesetz räumt dem Nichteigentümer an etlichen Stellen die Verfügungsbefugnis über eine Sache ein.195 Zu denken ist etwa an den Insolvenzverwalter (§ 80 InsO), den Testamentsvollstrecker (§ 2205 BGB) oder den Pfandgläubiger bei rechtmäßiger Pfandveräußerung (§ 1242 BGB). Diese Beispiele belegen indessen auch, dass der Gesetzgeber jene Fälle, in denen der Nichteigentümer ausnahmsweise kraft Gesetzes verfügungsbefugt ist, explizit kodifiziert hat. Da jedoch weder eine spezielle Regelung im BGB existiert, die dem Besitzer für den Fall der Vindikationsverjährung die Verfügungsbefugnis zuschreibt, noch ein entsprechender Wille des Gesetzgebers aus § 214 I oder § 197 I Nr. 2 BGB abzulesen ist, entbehrt die Annahme einer solchen kraft Gesetzes jeglicher Grundlage.196 Ein tatbestandlicher Ausschluss des § 816 I BGB ließe sich folglich nur noch im Wege einer teleologischen Reduktion erwägen.197 Führt man sich neben der drohenden Beeinträchtigung des Rechtsfriedens noch einmal den zuvor genannten Wertungswiderspruch vor Augen, dass der Bösgläubige im Falle eines unentgeltlichen Erwerbs besser stünde als der Gutgläubige,198 bieten sich insofern zumindest auch Anhaltspunkte. Konkret lässt sich eine Parallele zu der Sonderkonstellation des sogenannten Fremdbesitzerexzesses erwägen. Auch in dieser entfällt die Wirkung des dem Wortlaut nach einschlägigen § 993 I Hs. 2 BGB durch teleologische Reduktion, da andernfalls der nichtberechtigte Besitzer besser stünde als der berechtigte.199 Die beiden Fallkonstel194  Zum Begriff des Nichtberechtigten siehe nur Wendehorst, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 816 Rn. 10. 195  Oechsler, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 929 Rn. 45. 196  So im Ergebnis wohl auch Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 214. 197  Zur Rechtsfigur der teleologischen Reduktion Larenz, Methodenlehre, 6. Auflage, S.  391 ff. 198  Siehe dazu schon S. 129 f. 199  Die ganz h. M. verneint die Sperrwirkung des § 993 I Hs. 2 BGB in diesem Fall, siehe nur Lorenz, JuS 2013, 495 (496); Helms/Zeppernick, Sachenrecht I, 5. Auflage, Rn. 189 f. und Fritzsche, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 993 Rn. 10 m. w. N. Letzterer rechtfertigt dieses Vorgehen durch eine teleologische Re-

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

lationen weisen jedoch nur auf den ersten Blick Ähnlichkeiten auf. Denn während sich die Nichtanwendung des § 993 I Hs. 2 BGB im Falle des Fremdbesitzerexzesses – entsprechend den Anforderungen an eine teleologische Reduktion200 – unmittelbar auf dessen eigene ratio legis stützen lässt,201 könnte für den tatbestandlichen Ausschluss des § 816 I S. 1 BGB nur das unerwünschte Ergebnis, die Gefährdung des Rechtsfriedens, und für den Ausschluss des § 816 I S. 2 BGB zusätzlich die zuvor aufgezeigte Besserstellung des bösgläubigen Besitzers sprechen.202 Weder die Wahrung des Rechtsfriedens noch die Vermeidung einer Besserstellung des Bösgläubigen sind jedoch fundamentale Bestandteile der ratio legis des § 816 I BGB. Dieser zielt vielmehr nur darauf ab, dem Eigentümer ein Mittel an die Hand zu geben, wenn dieser seine Rechtsposition durch wirksame Verfügung eingebüßt hat, und unterscheidet insofern nur zwischen entgelt­lichem und unentgeltlichem Erwerb. Ebenso wenig, wie bloße Rechtsunsicherheiten eine analoge Anwendung rechtfertigen können,203 vermögen diese für die Begründung einer teleologischen Reduktion zu genügen. Die Rechtsunsicherheiten, die die Geltendmachung eines möglichen Anspruchs aus § 816 I BGB nach sich zögen, können somit jedenfalls nicht auf dogmatisch überzeugendem Wege durch einen tatbestandlichen Ausschluss bereinigt werden.204 Auch das Rationale einer Entscheidung des BGH, welche eine Pächterin betraf, die drei Jahre nach Kündigung des Pachtvertrags neben Nutzungs­ ersatz für eingebrachte Einrichtungsgegenstände auch deren Herausgabe verlangte,205 kann hier zu keinem abweichenden Ergebnis führen. Der Senat ging in besagter Entscheidung zwar davon aus, dass auch gesetzliche Ansprüche nach Ablauf der in § 548 II BGB (§ 558 I BGB a. F.) vorgesehenen sechsmonatigen Verjährungsfrist ausgeschlossen sind.206 Allerdings wurde duktion des § 993  I  Hs.  2; so auch Spohnheimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 993 Rn. 25–25.2, der jedoch auch die umstrittene dogmatische Herangehensweise betont. 200  Die Gebotenheit einer teleologischen Reduktion kann sich insbesondere unmittelbar aus dem Zweck der Norm ergeben, vgl. Looschelders, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, Anh. zu § 133 Rn. 47. 201  Lorenz, JuS 2013, 495 (496) betont, dass der Besitzer sich nicht selbst für den Eigentümer hält und deshalb mit der Sache nicht so verfahren kann als stünde sie in seinem Eigentum. 202  Siehe schon S. 129 f. 203  Lorenz/Arnold, in: FS Köhler (2014), 451 (462 f.). 204  Gegen einen tatbestandlichen Ausschluss des § 816 BGB auch Jerger/Graf Wolffskeel v. Reichenberg, GwR 2015, 265 (271); Kähler, NJW 2015, 1041 (1045); Müller-Katzenburg, NJW 1999, 2551 (2558); Remien, AcP 201 (2001), 730 (743 f.). 205  BGHZ 101, 37 (47 f.) = NJW 1987, 2861. 206  BGH NJW 1987, 2861 (2863); siehe auch Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 17; dafür, dass auch Bereicherungsrechtliche Ansprüche



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dieser umfassende Anspruchsausschluss mit der besonderen Funktion des in § 539 II BGB (§ 547a I BGB a. F.) kodifizierten Wegnahmerechts begründet, welches nach Auffassung des BGH das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter abschließend regelt, sodass weitergehende Befugnisse, gleich aus welchem Rechtsgrund, ausgeschlossen seien.207 Ein vergleichbar abschließender Charakter kann § 985 BGB, obschon dieser die dingliche Natur des § 539 II BGB (§ 547a I BGB a. F.) teilt,208 nicht attestiert werden. Gewiss lässt sich auch hier argumentieren, dass der Gesetzgeber durch die dreißigjährige Verjährungsfrist eine „endgültige Befriedung“209 zum Ziel hatte. Anders als § 539 II BGB (§ 547a I BGB a. F.) steht § 985 BGB jedoch in freier Anspruchskonkurrenz zu anderen Herausgabeansprüchen. Die Entscheidung des BGH lässt sich folglich nicht ohne Weiteres auf den hiesigen Fall übertragen. (b) Die gleichzeitige Verjährung von § 985 BGB und § 816 I BGB Der tatbestandliche Ausschluss des § 816 I BGB ist indessen nicht die einzige erwägenswerte Möglichkeit, einer Gefährdung des durch die Vindikationsverjährung angestrebten Rechtsfriedens entgegenzuwirken. Ferner in Betracht zu ziehen ist eine parallele Verjährung von § 816 I BGB und dem Vindikationsanspruch. Legte man eine solche zugrunde, wäre nach Ablauf der in § 197 I Nr. 2 BGB vorgesehenen 30 Jahre nicht nur § 985 BGB ein­ redebehaftet, sondern auch § 816 BGB. Der Besitzer könnte die Durchsetzung beider Ansprüche verhindern. (aa) Lektüre des Normtextes und systematische Betrachtung Um die Frage, ob der Vindikationsanspruch und § 816 I BGB zeitgleich verjähren, beantworten zu können, ist zunächst der Gesetzestext heranzuziehen. Legt man allein diesen zugrunde, ergibt sich folgender Befund: Beide Ansprüche verjähren unabhängig voneinander, da diese sowohl hinsichtlich ihrer Entstehungszeitpunkte als auch ihrer Anknüpfungspunkte für den Ver-

nach sechs Monaten ab Rückgabe verjähren, Wiederhold, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 548 Rn. 28 m. w. N. 207  BGH NJW 1987, 2861 (2863), dort wird auf BGHZ 1981, 146 = NJW 1981, 2564 verwiesen. 208  Dazu Emmerich, in: BeckOGK BGB, Stand 01.07.2021, § 539 Rn. 37; BGH, Urteil vom 12.06.1991 – XII ZR 17/90 = NJW 1991, 3031; BGH, Urteil vom 08.07.1981 – VIII ZR 326/80 = NJW 1981, 2564. 209  So Strobel, ZfPW 2020, 220 (234).

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jährungsbeginn divergieren.210 Während § 816 I BGB erst mit der Verfügung seitens des Nichtberechtigten entsteht und der Verjährungsbeginn neben dem Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auch Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen voraussetzt (§ 199 I BGB),211 kommt dem Eigentümer der Vindikationsanspruch bereits ab dem Zeitpunkt des Besitzverlusts zugute, welcher – unabhängig von einer Kenntnis desselben – bereits ab dem Zeitpunkt seiner Entstehung zu verjähren beginnt (§ 200 BGB). Berücksichtigt man sodann, dass § 816 I BGB tatbestandlich die wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten verlangt,212 die Entstehung des Anspruchs mithin zwingend einen Rechtsverlust und damit das Erlöschen des Vindikationsanspruchs voraussetzt, scheidet sogar eine Überschneidung der beiden Verjährungszeiträume von vornherein aus. Zu keinem abweichenden Ergebnis gelangt man durch § 217 BGB, welcher die parallele Verjährung des Hauptanspruchs und von Ansprüchen auf Nebenleistung festlegt. § 816 I BGB mag zwar insofern in einem inneren Zusam210  Remien, AcP 201 (2001), 730 (742); Jerger/Graf Wolffskeel v. Reichenberg, GwR 2015, 265 (271); Kähler, NJW 2015, 1041 (1045); Lorenz, in: Staudinger, 2007, Vorb. §§ 812 ff. Rn. 31. 211  Deutlich problematischer ist die Festlegung des Verjährungsbeginns, wenn der Gläubiger die zunächst unwirksame Verfügung genehmigt. Würde man davon ausgehen, dass die Verjährungsfrist des § 816 I BGB erst zum Zeitpunkt der Genehmigung der Verfügung zu laufen beginnt, da dem Gesetz eine Regelung, die den Verjährungsbeginn an die bloße Möglichkeit der Geltendmachung eines Gestaltungsrechts anknüpft, gänzlich fremd ist (Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 199 Rn. 24 f.) und auch die für die regelmäßige Verjährung notwendige Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis nicht rückbewirkt werden kann (Latzel, AcP 216 (2016), 674 [694 f.]), hätte dies gravierende Folgen. Der Gläubiger könnte die Entstehung des Anspruchs nach seinem Belieben hinauszögern, ohne dass ihm durch das Gesetz eine Grenze gesetzt wäre. Es könnte gar von einer Unverjährbarkeit des Anspruchs aus § 816 I BGB gesprochen werden. Dass dies nicht gewollt sein kann, ergibt sich schon aus der in § 202 II BGB festgelegten Grenze – demnach kann auch privatautonom eine Verjährungsfrist von über 30 Jahren nicht wirksam vereinbart werden. Diese könnte der Gläubiger des § 816 I BGB durch das Herauszögern der Genehmigung ohne Weiteres überschreiten. Um eine einheitliche Verjährung des § 816 I BGB gewährleisten zu können, d. h., dass die Fälle der anfänglich wirksamen Verfügung und die der wirksamen Verfügung durch Genehmigung gleich gehandhabt werden, ist auf die Rückwirkungsfiktion des § 184 I BGB zu rekurrieren. In der Folge ist der Zeitpunkt der zunächst unwirksamen Verfügung für den Verjährungsbeginn maßgebend, wenn der Gläubiger die Verfügung genehmigt und dadurch seinen Anspruch aus § 816 I BGB zeitgleich geltend macht. Vgl. zum Ganzen Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 199 Rn. 5. 212  Aus dieser Tatbestandsvoraussetzung wird der Charakter des Rechtsfortwirkungsanspruchs abgeleitet, vgl. Sachsen Gessaphe, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 816 Rn. 4; Finkenauer, JZ 2014, 479 (485).



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menhang zu § 985 BGB stehen, als er das Eigentum substituiert,213 einen zusätzlichen, den Hauptanspruch erweiternden Anspruch214 verkörpert dieser jedoch nicht. Daher kann es sich insoweit nicht um einen zeitgleich mit dem Hauptanspruch verjährenden Nebenleistungsanspruch handeln.215 Allein vor dem Hintergrund isolierter Gesetzeslektüre ließe sich eine gleichzeitige Verjährung von § 985 BGB und § 816 BGB folglich nicht begründen.216 Eine systematische Betrachtung der §§ 194 ff. BGB führt jedenfalls dem ersten Anschein nach zu keinem abweichenden Ergebnis. Innerhalb des 5. Abschnitts des ersten Buches des BGB sucht man in der Tat vergebens nach einem Rechtssatz, der eine parallele Verjährung von Primär- und Sekundäransprüchen statuiert.217 Die einzige Regelung, die sich in diesem Kontext zu Sekundäransprüchen äußert, ist § 213 BGB. Diese regelt indessen keine gleichzeitige Verjährung von Primär- und Sekundäransprüchen, sondern stellt sogar eine Privilegierung zugunsten des Gläubigers dar, indem sich die Wirkung der für den Primäranspruch geltenden Verjährungshemmung auch auf Sekundäransprüche erstreckt.218 Das Gesetz scheint demnach die umgekehrte Wertung zu verkörpern, indem es sich bezüglich Primär- und Sekundäransprüchen zugunsten des Gläubigers ausspricht. (bb) Wertungsgesichtspunkte für eine parallele Verjährung Freilich stellt sich nun die Frage, ob dieses auf Gesetzeslektüre basierende Ergebnis als gleichsam unumstößlich zu behandeln ist oder doch aufgrund wertungstechnischer Gesichtspunkte modifiziert werden kann. Die mit der unabhängigen Verjährung von § 816 I und § 985 BGB einhergehende Gefährdung des Rechtsfriedens wird in der Literatur oftmals – wenn überhaupt – nur sehr knapp behandelt. Exemplarisch wirft etwa Wieling die Frage auf, ob der Eigentümer auch nach Verjährung der Vindikation den aus einer wirksamen Verfügung erlangten Erlös von dem Besitzer herausverlangen 213  Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 816 Rn. 2; Schwab, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 816 Rn. 1; Sprau, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 816 Rn. 3; implizit auch Helms, Gewinnherausgabe (2007), S. 87 der zudem vertieft auf die Frage eingeht, auf welche Höhe sich der Bereicherungsanspruch beläuft, siehe a. a. O., S. 79 ff. 214  Zu den Kriterien der Nebenleistung im Sinne des § 217 BGB siehe Henrich, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 217 Rn. 2 und Budzikiewicz, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 217 Rn. 6. 215  Kähler, NJW 2015, 1041 (1045); Schwab, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 816 Rn. 30; Jerger/Graf Wolffs-keel v. Reichenberg, GwR 2015, 265 (271). 216  So auch Looschelders, in: Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, 103 (117 f.). 217  So Schwab, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 816 Rn. 30. 218  Schwab, a. a. O.

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

kann, postuliert anschließend jedoch nur: „Mit der Verjährung des Herausgabeanspruchs [ist] gesetzlich entschieden, daß die Sache und ihr wirtschaftlicher Wert dem Besitzer zustehen soll, nicht dem Eigentümer“.219 Weitere, insbesondere dogmatische Begründungen, weshalb es zur Abweichung von den gesetzlichen Regelungen kommen soll, bleibt er aber schuldig. Zumindest im Hinblick auf die dogmatische Begründung verläuft dies bei Grothe kaum anders, welcher im Rahmen seiner Kommentierung zwar erst weit ausholt, sich in seiner Begründung jedoch letztlich darauf beschränkt, dass es zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen notwendig sei, die Wirkung der Vindikationsverjährung auch auf jene Ansprüche zu erstrecken, in denen sich das dingliche Recht wertmäßig fortsetzt.220 Will man aber ermitteln, weshalb trotz des soeben dargelegten, eindeutigen Ergebnisses eine Limitierung221 des § 816 BGB durch die Vindikationsverjährung angestrebt werden sollte, trifft Grothe den Nagel auf den Kopf. Die Antwort auf diese Frage liegt im Grund für deren Aufkommen. So lässt sich natürlich aufgrund der drohenden Beeinträchtigung des Rechtsfriedens – das dürfte auch Grothe mit „Wertungswidersprüchen“ gemeint haben – erwägen, das Rechtsinstitut der Verjährung im Hinblick auf den vindikatorischen Herausgabeanspruch in Gänze in Frage zu stellen. Andererseits kann angesichts der bisherigen Ausführungen aber auch das mildere Mittel gewählt und anstelle der Schaffung einer Ausnahme für den Vindikations­ anspruch der Versuch unternommen werden, aufgrund dieser Verwerfungen eine Limitierung des § 816 I BGB durch die Vindikationsverjährung zu erreichen. Das Argument, dass aus der Anwendung des § 816 I BGB nach Verjährung der Vindikation eine Beeinträchtigung des Rechtsfriedens drohe,222 lässt sich demnach in seiner Zweckrichtung verkehren. Diesen Gedanken bestärkt in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2527). in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 195 Rn. 41. 221  Neben einer gleichzeitigen Verjährung könnte auch eine Modifikation der Rechtsfolge des § 816 BGB erwogen werden: Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 76 f., dort Fn. 210 stellt die Überlegung in den Raum, den Anspruch aus § 816 I S. 2 BGB im Fall der Verjährung nur auf Rückübereignung, nicht aber auf Besitzherausgabe zu richten, da der Besitz nicht auf Kosten des Eigentümers erlangt wurde. In der Folge würde § 816 I S. 2 BGB nicht länger die durch die Verjährung erzielte Rechtslage konterkarieren und das Problem der Begründung einer gleichzeitigen Verjährung von § 816 BGB und § 985 BGB würde sich nicht stellen. Bergmann gesteht jedoch selbst ein, dass diese Lösung nicht auf ganzer Linie überzeugen kann. Denn jedenfalls das Ziel des § 198 BGB würde auf diesem Wege beeinträchtigt, der den Rechtsnachfolger vor jeglicher Inanspruchnahme schützen soll. Hinzukommend vermag dieses Modell nur beschränkt für den Fall der unentgeltlichen Verfügung durch den Nichtberechtigten eingreifen. Bei einer entgeltlichen Verfügung wäre der Rechtsfrieden dagegen weiterhin gefährdet. 222  Siehe dazu S. 105. 219  Wieling, 220  Grothe,



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht137

selbst die eine unabhängige Verjährung des § 816 I BGB postulierende Gegenansicht, wenn sie hervorhebt, dass ein Anspruch aus § 816 I BGB nach Verjährung der Vindikation geradezu „grotesk“ wäre.223 Gewiss lässt sich diese Argumentation mit solchen Erwägungen flankieren, wie sie Wieling224 oder Finkenauer vorbringen – letzterer trägt vor, dass es nur konsequent sei, dem Eigentümer auch alle anderen Ansprüche zu versagen, wenn diesem der stärkste Anspruch, der Eigentumsanspruch, nicht mehr zustehe;225 entscheidend ist jedoch der zuvor genannte Aspekt, die drohende Beeinträchtigung des Rechtsfriedens.226 Gleichwohl werden seitens der Literatur auch solche Wertungsgesichtspunkte vorgetragen, die gegen eine Verjährungserstreckung auf Ersatzansprüche streiten könnten. Namentlich wird befürchtet, dass der berechtige Besitzer durch eine parallele Verjährung von § 985 BGB und § 816 I BGB schlechter stünde als der Nichtberechtigte.227 In der Tat gelangt man durch eine solche Gesamtverjährung zu dem prima facie anstößig anmutenden Ergebnis, dass dem berechtigten Besitzer aufgrund seines Besitzrechts die Verjährung des § 985 BGB nicht zugutekommt, wohingegen der nichtberechtigte Besitzer durch die Vindikationsverjährung begünstigt würde. Ersterer wäre, sollte er entgeltlich, wirksam und unberechtigt über die Sache verfügen, somit stets mit dem Anspruch des Eigentümers aus § 816 I S. 1 BGB konfrontiert. Letzterer könnte der erfolgreichen Durchsetzung beider Ansprüche demgegenüber aufgrund der Vindikationsverjährung entgehen.228 Nicht unbeachtet bleiben darf indessen der Umstand, dass diese Privilegierung des Nichtberechtigten unabhängig davon eintritt, ob dieser wirksam über die Sache verfügt. Es besteht nun einmal nur gegenüber dem nichtberechtigten Besitzer ein Vindikationsanspruch, der verjähren und diesem die Einrede der Verjährung bescheren kann. Die angesprochene Ungleichbehandlung ist also systemimmanent und deshalb gewollt, sodass eine Ausdehnung dieser auf die Rechtsfortwirkungsansprüche nur konsequent erscheint.229 AcP 201 (2001), 730 (750). S. 135 f. 225  Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 195. 226  Daneben lässt sich auch auf die schon oben genannten Wertungswidersprüche verweisen, vgl. insbesondere S. 129 f. 227  Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 214. 228  Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 214 f., die die gleichzeitige Verjährung von § 985 BGB und § 816 BGB ablehnt; sie versucht ihrerseits die aus § 816 BGB resultierende Unstimmigkeit zu relativieren, indem sie die Beeinträchtigung des Rechtsfriedens durch einen Anspruch aus § 816 BGB schlechterdings ablehnt – der Verfügende habe Kenntnis davon (zu haben), dass die Verfügung wiederum unverjährte Ansprüche nach sich zieht. 229  Effer-Uhe, AcP 215 (2015), 245 (266). Nur am Rande sei bemerkt, dass dem nichtberechtigten Besitzer nach der hier vertretenen Auffassung ein Besitzrecht nach 223  Remien, 224  Vgl.

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

Schließlich wird einer parallelen Verjährung von § 985 BGB und § 816 I BGB vereinzelt entgegnet, dem Gesetzgeber sei das hier diskutierte Problem bereits im Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz230 bekannt gewesen. Aus dem Umstand, dass dieser den neu eingeführten § 197 I Nr. 2 BGB ausweislich des Wortlauts nur auf den Eigentumsverwirklichungsanspruch beschränkt hat, ließe sich deshalb eine bewusste Entscheidung gegen eine Verjährungserstreckung auf § 816 I BGB schlussfolgern.231 Anlass zum Zweifel bietet diese Argumentation jedoch in zweierlei Hinsicht: Zum einen legt § 197 I Nr. 2 BGB einzig die Verjährungsdauer von 30 Jahren fest und betrifft nicht die hier im Zentrum stehende Frage, ob sich die Rechtsfolgen der bereits eingetretenen Vindikationsverjährung auch auf § 816 I BGB erstrecken können. Insofern hätte es deutlich näher gelegen, den die Gesamtverjährung im Allgemeinen Teil des BGB betreffenden § 217 BGB heranzuziehen, zumal innerhalb der einschlägigen Gesetzesbegründung auch eine über den positivrechtlich regulierten Bereich hinausgehende Anwendung behandelt wurde.232 Zum anderen ging es innerhalb des Gesetzgebungsprozesses zu § 197 I Nr. 2 BGB vor allem darum, die ursprünglich bestehende dreißigjährige Verjährungsfrist beizubehalten.233 Fragen im Hinblick auf die Reichweite der Vindikationsverjährung wurden dagegen weder angedeutet, geschweige denn beantwortet. Daher ist insgesamt in Zweifel zu ziehen, ob § 197 I Nr. 2 BGB Raum für ein argumentum ex silentio bietet. Dies gilt umso mehr, würde eine unabhängige Verjährung von § 985 BGB und § 816 I BGB doch der endgültigen Befriedungsfunktion234 zuwiderlaufen, die sich – auch wenn die Verjährung typischerweise nur hinsichtlich des verjährten Anspruchs Rechtsfrieden und Rechtssicherheit schaffen will235 – aus der durch den Gesetzgeber gewählten dreißigjährigen und somit längsten Verjährungsfrist des BGB ablesen lässt. Die einer parallelen Verjährung von § 985 und § 816 BGB entgegenstehenden Wertungsgesichtspunkte können somit nicht verfangen.

Geltendmachung der Verjährungseinrede zukommt (vgl. S. 126 ff.), sodass der von Anfang an berechtigte Besitzer lediglich schlechter steht als der erst nachträglich Berechtigte. 230  BT-Drs. 14/6040. 231  Lorenz/Arnold, in: FS Köhler (2014), 451 (462 f.). 232  Zur Gesetzesbegründung des § 217 BGB sogleich im Detail, vgl. S. 140 ff. 233  BT-Drs. 14/6040, S. 105; BT-Drs. 14/7052, S. 178. 234  Strobel, ZfPW 2020, 220 (234); in diese Richtung auch Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 76 f., dort Rn. 210; zur dreißigjährigen Verjährungsfrist auch schon die Gesetzesväter, vgl. Mugdan, Bd. I, S. 515 = Motive, Bd. 1, S. 296. 235  Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 169.



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht139

(cc) Dogmatische Legitimation einer parallelen Verjährung Erörterungsbedürftig bleibt jedoch die dogmatische Begründung. Wie schon die vorangegangenen Ausführungen zur Gesetzeslektüre erahnen lassen,236 bedarf es eines nicht unbeträchtlichen Begründungsaufwandes, um eine parallele Verjährung von § 985 und § 816 I BGB trotz des nach dem Gesetz eindeutigen Ergebnisses dogmatisch überzeugend zu rechtfertigen. Die besondere Schwierigkeit liegt darin, dass die letztgenannte Norm gerade keinen Nebenanspruch der ersteren verkörpert und daher nicht ohne Weiteres unter den die Gesamtverjährung im Allgemeinen Teil des BGB normierenden § 217 BGB gefasst werden kann.237 Dies vorangestellt, bleibt insbesondere danach zu fragen, ob § 217 BGB die dem BGB innewohnende Gesamtverjährung abschließend repräsentiert. (α) Die Gesamtverjährung im BGB Rekurriert man auf Savignys Äußerungen, die dieser bereits vor Schaffung des BGB zu Iustinian C. 4, 32, 26 pr. machte, erschließt sich, dass § 217 BGB nur einen Teil des der Gesamtverjährung zugrundeliegenden Gedanken erfasst.238 Savigny beschäftigte sich mit der Frage, ob mit der Verjährung einer Geldforderung auch die Ansprüche auf die bislang aufgelaufenen Zinsen verjähren. Dass dies zu bejahen sei, begründet er zum einen mit „der accessorischen Natur dieser Leistungen“, um dann fortzufahren: „Dazu kommt der mehr praktische Grund, daß gerade bey Geldschulden die Klagverjährung auch auf der Präsumtion der Tilgung beruht […]; ist aber wirklich die Tilgung erfolgt, so ist dadurch auch jeder fernere Anspruch auf Zinsen aufgehoben.“239 Gewiss fällt der geschilderte Fall heute unter den Anwendungsbereich des § 217 BGB,240 nichtsdestotrotz lässt sich daraus ein für das Grundverständnis von der Gesamtverjährung im Allgemeinen nützlicher Rechtsgedanke gewinnen. Verallgemeinert gesprochen ist aus Savignys Worten Folgendes abzuleiten: Die Verjährung eines Anspruchs basiert auf der Vermutung seiner Tilgung; wird die Tilgung vermutet, können jene Forderungen, die auf dem verjährten Anspruch basieren, nicht mehr geltend gemacht werden. 236  Vgl.

S. 133 ff. bereits oben S. 134 f. 238  So schon Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 75. 239  Savigny, System des heutigen römischen Rechts V (1841), S. 311, dort findet sich auch das vorangegangene Zitat. 240  Zur Erfassung von Zinsschulden durch § 217 BGB siehe Bach, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 217 Rn. 4; Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 217 Rn. 1; Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, § 217 Rn. 5. 237  Dazu

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

Auf den Vindikationsanspruch übertragen würde dies bedeuten, dass mit der Verjährung die Vermutung des Eigentumserwerbs zugunsten des nichtberechtigten Besitzers einherginge.241 Denn wenn die Tilgung des Vindika­ tionsanspruchs vermutet wird, lässt der fortwährende Besitz mit Blick auf § 1006 I BGB nur den Schluss zu, dass der Besitzer das Eigentum an der Sache mittels § 932 oder § 937 BGB erworben hat. Folgerichtig könnten dem Kläger dann nicht solche Ansprüche zuteilwerden, die ihrerseits das Eigentum voraussetzen – wie etwa die §§ 989 ff. BGB. Nichts anderes könnte für den das Eigentum substituierenden § 816 I S. 1 BGB gelten; greift bereits die Vermutung, dass das Eigentum verloren wurde, verbleibt nichts, was zu ersetzen wäre. Von Savignys Standpunkt ausgehend wären diese Ansprüche spätestens mit der Verjährung des § 985 BGB gleichermaßen einredebehaftet. Nun liegen diese Erwägungen aber nicht nur 180 Jahre zurück, sondern entstammen auch einer Zeit, in der das BGB noch gar nicht existierte. Unweigerlich muss man sich deshalb die Frage stellen, ob diese Überlegungen auch in der heutigen Zeit noch fruchtbar gemacht werden können, konkret: Lässt sich aus der Vindikationsverjährung die Vermutung ableiten, dass der Vindikationsschuldner das Eigentum erworben hat? Verneinen ließe sich dies nur dann, wenn das Fahrniseigentum ein ewiges Recht verkörpern würde; dies war jedoch weder damals der Fall, noch ist er es heute. Vielmehr belegt die gegenwärtig in § 937 BGB kodifizierte Ersitzungsmöglichkeit, die in Form der usucapio bis auf das Zwölftafelgesetz zurückgeht,242 eine zeitliche Limitierung des Eigentumsrechts.243 Dieses schwindet mit der Trennung von der tatsächlichen Sachherrschaft.244 Legt man diese Erkenntnis zugrunde, ist es geradezu zwingend, dass sich die Vindikationsverjährung auch auf die oben genannten Folgeansprüche auswirkt.245 Den Befund, dass § 217 BGB nur einen Teil des der Gesamtverjährung zugrundeliegenden Gedankens erfasst, bestätigen darüber hinaus neben dem Gesetz und der Gesetzesbegründung auch die Literatur und die RechtspreVerfall des Eigentums (2015), S. 75. Verfall des Eigentums (2015), S. 43, der unter anderem auf Gai. 2, 42; 2, 54 verweist; vertieft dazu Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 22. Auflage, § 35 Rn. 2 ff. 243  Bergmann, a.  a. O. („Akquisitive Ersitzung und extinktive Verjährung sind keine Erfindung des nachkonstitutio-nellen deutschen Gesetzgebers, sondern untrennbar mit dem Eigentum verbunden“). 244  So schon Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 43, 75. 245  Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 75. Diesem Ansatz dürften sich letztlich all jenen Stimmen in der Literatur zuordnen lassen, die argumentieren, dass durch die Verjährung sämtliche Ansprüche ausgeschlossen werden sollen, in denen sich das Eigentum wertmäßig fortsetzt, so etwa Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 195 Rn. 41; in diese Richtung auch Effer-Uhe, AcP 215 (2015), 245 (266) und Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 187. 241  Bergmann, 242  Bergmann,



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chung. Die letzteren drei belegen dies durch eine über den Wortlaut des § 217 BGB hinausgehende Anwendung der Norm. So formulierte der Gesetzgeber innerhalb der Gesetzesbegründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH, dass die vom Wortlaut nicht ausdrücklich erfassten Verzugsschäden ebenfalls unter den Anwendungsbereich der Norm fallen.246 Die Literatur strebt gleichermaßen eine Erweiterung des positivrechtlichen Rahmens des § 217 BGB an, indem sie eigentlich selbstständige Ansprüche entweder als Nebenleistungen im Sinne der Norm qualifiziert247 oder im Wege der Analogie dem Anwendungsbereich unterwirft.248 In Anbetracht der ratio legis des § 217 BGB – der Rechtsfrieden soll nicht gefährdet werden, indem der Verpflichtete sich letztlich doch zu dem verjährten Hauptanspruch einlassen muss249 – überrascht das auch nicht. Denn eine Gefährdung des Rechtsfriedens im soeben genannten Sinne droht nicht nur durch die Geltendmachung einer unselbstständigen Nebenleistung nach Verjährung des Hauptanspruchs, sondern kann auch dann aufkommen, wenn ein Sekundäranspruch trotz Verjährung des Primäranspruchs geltend gemacht wird. Besonders deutlich wird dies anhand des Schadens- oder Nutzungsersatzanspruchs des Eigentümers gegen den Besitzer gemäß §§ 989, 990 BGB bzw. § 987 BGB. Diese Ansprüche sind obligatorischer Natur und verjähren folglich innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist beginnend mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt oder diese grob fahrlässig verkannt hat.250 Dem Eigentümer käme somit auch dann ein unverjährter Anspruch zu, wenn die Sache unmittelbar nach Verjährung des Anspruchs aus § 985 BGB beschädigt wird oder der Besitzer Nutzungen zieht. Da beide Ansprüche eine Vindikationslage voraussetzen, könnte der Rechtsfrieden in Bezug auf § 985 BGB auch weit über die zeitlichen Grenzen des § 197 I Nr. 2 BGB hinaus gefährdet werden; der Besitzer müsste sich erneut auf den Hauptanspruch einlassen,

246  BT-Drs.

14/1640, S. 124. Schadensersatzansprüchen des Eigentümers aus §§ 989, 990 BGB siehe Magnus/Wais, NJW 2014, 1270 (1272); Thole, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 987– 993 Rn.  19 m. w. N. 248  So etwa Bach, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 217 Rn. 9, der sich auf den auch seitens des Gesetzgebers angesprochenen Schadensersatzanspruch wegen Verzögerung der Leistung bezieht. Siehe darüber hinaus Ellenberger, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 217 Rn. 1 (Vertragsstrafen). 249  BT-Drs. 14/6040, S. 124. 250  So die allgemeine Ansicht: Thole, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 987–993 Rn. 18; vgl. auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, § 197 Rn. 10; Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 33; Lorenz/Arnold, in: FS Köhler (2014), 451 (462 f.); a. A. nur Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 197 Rn. 11. 247  Zu

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sodass das Telos des § 217 BGB konterkariert würde. Berechtigterweise wird deshalb vielerorts eine Gesamtverjährung gemäß § 217 BGB gefordert.251 Schließlich ist auch dem Gesetz selbst eine simultane Verjährung grundsätzlich unabhängig voneinander stehender, über das Verhältnis von Hauptund Nebenanspruch hinausgehender Ansprüche zur Gewährleistung zeitnaher Rechtsklarheit252 keineswegs unbekannt.253 Zwar trifft es zu, dass sich eine solche Regel nicht in den §§ 194 ff. BGB findet. Bezieht man jedoch auch die folgenden Bücher des BGB in die Untersuchung mit ein, lässt sich das oben eindeutig erscheinende Ergebnis der systematischen Analyse hinterfragen.254 Zu verweisen ist vornehmlich auf § 548 I S. 3 BGB, welcher die Gesamtverjährung sämtlicher Ersatzansprüche des Vermieters wegen Verschlechterung oder Veränderung der Mietsache festlegt,255 und das unabhängig davon, ob die einzelnen Ansprüche für sich genommen schon verjährt sind.256 Bergmann konstatiert zutreffend: „Die Ansprüche wegen Verschlechterung oder Untergangs der Mietsache, die teilweise oder vollständig an die Stelle der Herausgabepflicht des Mieters treten, unterliegen der Gesamtverjährung des Herausgabeanspruchs.“ Die Annahme, dass diese Regelung auf mietrechtliche Sonderkonstellationen zu beschränken ist, also eine Ausnahmevorschrift verkörpere, verbietet sich zum einen durch die schon seitens der Gesetzesväter betonten Nähe zu dem allgemeingültigen § 217 BGB257 und zum anderen aufgrund diverser Verweise innerhalb des BGB auf diese Norm, vgl. §§ 606 S. 2, 1057 S. 2, 1226 S. 2 BGB. Angesichts der Wurzeln 251  Für eine Gesamtverjährung von § 985 BGB und § 987 BGB etwa Raff, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, Vorb. § 987 Rn. 38, der sich indes gegen eine parallele Verjährung von § 985 BGB und §§ 989, 990 BGB ausspricht; zwischen Nutzungsund Schadensersatz differenzierend auch Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 194 ff.; für eine parallele Verjährung sowohl bei Nutzungs- als auch Schadensersatz Thole, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 987–993 Rn. 19 mit diversen Nachweisen zur Rechtslage vor und nach der Schuldrechtsmodernisierung; wie Thole auch Schmidt-Räntsch, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 217 Rn. 2. Dazu auch schon oben S. 76 ff. 252  Für § 548 I S. 3 BGB siehe etwa Emmerich, in: Staudinger, 2021, § 548 Rn. 1; Reuschle, in: BeckOGK BGB, Stand 01.07.2021, § 548 Rn. 1 f. 253  Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 75. 254  Siehe S.  134 f. 255  Erfasst werden ebenfalls Ansprüche aus Eigentum, Bieber, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 548 Rn. 3; Helms, Gewinnherausgabe (2007), S. 456 m. w. N. benennt insbesondere deliktsrechtliche Ansprüche; zur Reichweite des Anspruchsausschlusses auch Reuschle, in: BeckOGK BGB, Stand 01.07.2021, § 548 Rn. 14. 256  Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 75, dort findet sich auch das nachfolgende Zitat. 257  Mugdan, Bd. II, S. 843 = Protokolle, Bd. 6, S. 185; auch die Kommentarliteratur betont die Verwandtschaft zu § 217 BGB, siehe dazu nur Emmerich, in: Staudinger, 2021, § 548 Rn. 38.



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des § 548 I S. 3 BGB und dem weiten Anwendungsbereich lässt sich somit von einem verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken sprechen, welcher belegt, dass eine über die parallele Verjährung von Haupt- und Nebenansprüchen hinausgehende Gesamtverjährung dem BGB insgesamt immanent ist. Zudem ist damit die Existenz des im 5. Abschnitt des ersten Buchs des BGB vermissten Grundsatzes258 nachgewiesen. (β) Voraussetzungen für eine Gesamtverjährung abseits des § 217 BGB Zieht man vor diesem Hintergrund die Erwägungen hinzu, die die Gesetzesväter dazu veranlasst hatten, eine Gesamtverjährung von Haupt- und Nebenansprüchen in das BGB aufzunehmen – „Der enge Zusammenhang zwischen Hauptanspruch und Nebenleistungen führt dazu, daß die für den Hauptanspruch bestimmte kurze Verjährung auch für die Ansprüche auf Nebenleistungen gelten muß“259 –, erschließt sich auch Spiros Anknüpfungspunkt. Dieser wählt die hinreichend enge Verbindung der beiden Ansprüche als maßgebendes Kriterium für die Rechtfertigung einer über den Anwendungsbereich des § 217 BGB hinausgehenden Gesamtverjährung. Eine solche Verbindung soll abstrakt gesprochen dann vorliegen, wenn die fraglichen Ansprüche im Hinblick auf ihren Schuldgrund und das verfolgte Ziel übereinstimmen.260 Auch den Fall des Erlöschens einer Forderung auf der einen Seite und das zeitgleiche Entstehen einer neuen Forderung auf der anderen Seite zählt er hierhin, wenn letztere keinen selbstständigen Schuldgrund und kein zusätzliches Ziel vorweisen kann. Der neue Anspruch setze dann den ursprünglichen fort, weshalb dieser nicht von der Verjährung des erloschenen Anspruchs verschont bleiben könne.261 Selbst eine Abweichung zwischen dem alten und dem neuen Anspruch im Hinblick auf den Forderungsinhalt könne einer solchen Identität nicht entgegenstehen, solange der Gläubiger infolge der Änderung nur weniger, nicht aber mehr oder anderes verlangen könne. Entgegen dem ersten Anschein soll dies nicht nur dann der Fall sein, wenn dem Gläubiger etwa ein Teil der Leistung gestrichen wird, sondern sei 258  Zu

den Bedenken Schwabs siehe S. 135 f. Bd. I, S. 542 = Motive, Bd. 1, S. 345. 260  Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 107 f., dagegen soll es nicht ausreichen, wenn nur hinsichtlich des Schuldgrundes oder des Ziels eine Identität besteht. 261  Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 108  f. m. w. N.; so auch Finkenauer, JZ 2014, 479 (485) („Die Kondiktion tritt nur an die Stelle der Vindikation […], weshalb für jene nichts anderes als für diese gelten kann.“); Loo­ schelders, in: Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, 103 (117 f.); zu diesen Erwägungen auch Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. II/2 (1918), S. 521. 259  Mugdan,

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

dies auch anzunehmen, wenn dieser nur noch das Interesse an der Leistung in monetärer Form erhält.262 (γ) Gesamtverjährung von § 985 und § 816 I BGB Überträgt man diese Erwägungen nun auf die hiesige Konstellation, ergibt sich folgender Befund: Die beiden Normen stimmen sowohl hinsichtlich ihres Schuldgrundes als auch bezüglich des verfolgten Ziels überein. § 816 I BGB fußt ebenso wie § 985 BGB auf der dinglichen Berechtigung des Eigentümers und substituiert entweder durch den Anspruch auf Erlösherausgabe das verlorene dingliche Recht in monetärer Form (S. 1) oder ist gar auf Rückgabe und Rückübereignung der Sache gerichtet (S. 2). In der Folge wäre § 816 BGB gleichermaßen der Verjährung des Vindikationsanspruchs unterworfen.263 Nun ließe sich dem Vorstehenden freilich entgegnen, dass das durch die Verfügung Erlangte im Sinne des § 816 I BGB das Eigentum repräsentiert, wohingegen § 985 BGB lediglich auf die Herausgabe des Besitzes gerichtet ist,264 weshalb schwerlich von einer Identität gesprochen werden könne. Gewiss ist zuzugeben, dass Eigentum und Besitz weder auf primärer noch sekundärer Ebene Identität attestiert werden kann, und auch hinsichtlich ihres Wertes sind sie nicht deckungsgleich.265 Begegnen lässt sich dieser Kritik jedoch mit dem schon genannten § 548 I S. 3 BGB. Dort bringt das Gesetz selbst zum Ausdruck, dass der Begriff der Identität nicht im strengen Wortsinn zu verstehen ist. So verjähren der Herausgabeanspruch aus § 546 BGB und die Ersatzansprüche – insbesondere mögliche Schadensersatzansprüche wegen Verschlechterung (§ 280 I BGB) oder Zerstörung (§§ 280 I, III, 283 BGB) – gleichzeitig, obschon ein Schadensersatzanspruch auf den objektiven 262  Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 113. Nicht unbeachtet bleiben darf freilich die von Spiro gemachte Einschränkung, dass der Besitzer – angesichts der faktischen Beschränkung des dinglichen Rechts – gutgläubig sein muss, a. a. O., S. 128. Diese kann angesichts der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, durch die Verjährung lediglich ein abstraktes Vertrauen zu schützen (siehe Kap. 2 Fn. 76), nicht überzeugen. Ablehnend gegenüber dieser Einschränkung auch Berg­ mann, Verfall des Eigentums (2015), S. 77 f. 263  Zu diesem Ergebnis gelangen auch Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 76; Finkenauer, JZ 2014, 479 (485); Looschelders, in: Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, 103 (117 f.) und Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. II/2 (1918), S. 521. 264  Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 214; ebenso Remien, AcP 201 (2001), 730 (742). 265  Dazu, dass aus der fehlenden Möglichkeit, den Besitz herauszuverlangen, dennoch ein Schadensersatzanspruch in Höhe des Substanzwertes folgen kann, siehe S. 203 ff.



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht145

Wert der Sache und der Herausgabeanspruch nur auf Besitzverschaffung gerichtet ist.266 Daraus lässt sich ablesen, dass bereits eine funktionale Verbindung für die hier diskutierte Identität ausreichen muss,267 sodass sich die vorgenannte Sichtweise als zu eng erweist. Ob man aufgrund der vorausgegangenen Ausführungen nun dafür plädieren möchte, dass § 985 BGB und § 816 BGB so eng miteinander verbunden sind, dass sie bereits aus sich heraus parallel verjähren müssen – schon die Gesetzesväter waren unschlüssig, ob die inzwischen in § 217 BGB kodifizierte Gesamtverjährung bereits „in der Natur der Sache begründet“ liegt, die Norm also gleichsam nur deklaratorischen Charakter aufweist268 – oder ob man in Anlehnung an diese eine vergleichbare Interessenlage269 sowie planwidrige Regelungslücke270 bejaht und deshalb eine analoge Anwendung des § 217 BGB befürwortet, ist letztlich zweitrangig. Jedenfalls im Ergebnis ist der Gesamtverjährung von § 816 I BGB und § 985 BGB beizupflichten.271 In der Folge kommt es auch nicht zu einer Gefährdung des durch die Vindikationsverjährung anvisierten Rechtsfriedens. (6) Die Vorstellung des Gesetzes Letztlich ausschlaggebend gegen die Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs vor der Schuldrechtsmodernisierung spricht jedoch das Gesetz selbst. Zwar mag zu diesem Zeitpunkt noch keine Norm existiert haben, die die Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs genuin kodifizierte, gleichwohl setzte das Gesetz diese auch vor 2002 bereits an diversen Stellen als gegeben 266  So

schon Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 76. a. a. O. 268  Mugdan, Bd. I, S. 542 = Motive, Bd. 1, S. 345. 269  Dafür könnten die Ausführungen auf S. 135 ff. und 143 f. streiten. 270  Dafür ließen sich insbesondere die Erwägungen auf S. 139 ff. anführen. 271  So auch Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 17; Looschelders, in: Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, 103 (117 f.); Effer-Uhe, AcP 215 (2015), 245 (266 f.); Strobel, ZfPW 2020, 220 (224); Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 197 Rn. 10 und § 195 Rn. 41; Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 77; wohl auch Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (58 f.) („erscheint es konsequent, dem Eigentümer jegliche Zugriffsmöglichkeiten auf den Besitz oder auf Nutzungen ebenso wie Unterlassungsansprüche zu verwehren“); a. A. Kähler, NJW 2015, 1041 (1045 f.); Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 215; Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S. 61. Eine analoge Anwendung des § 197 I Nr. 2 BGB auf § 816 I BGB, die Lorenz und Arnold, in: FS Köhler (2014), 451 (462 f.) ansprechen und ablehnen, erscheint dagegen nicht zielführend. Durch diese Analogie würde nicht der drohenden Beeinträchtigung des Rechtsfriedens abgeholfen, sondern im Gegenteil über einen Zeitraum von 30 anstatt drei Jahren perpetuiert. 267  Bergmann,

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

voraus. Die einschlägigen Regelungen finden sich auch heute noch im Gesetz. § 902 BGB bestimmt, dass Ansprüche aus eingetragenem Recht nicht der Verjährung unterliegen. Da auch dingliche Rechte eintragungsfähig sind, lässt sich daraus e contrario entnehmen, dass dingliche Ansprüche grundsätzlich verjähren können. Selbiger Umkehrschluss lässt sich für die in § 924 BGB vorgesehenen expressis verbis nicht der Verjährung unterliegenden nachbarrechtlichen Ansprüche sowie § 898 BGB, der unter anderem die Unverjährbarkeit des Grundbuchberichtigungsanspruchs regelt, fruchtbar machen.272 Dass das Gesetz von der Verjährbarkeit des vindikatorischen Herausgabeanspruchs ausgeht, zeichnet sich zudem in § 198 BGB (§ 221 BGB a. F.)273 ab. Diese Norm ist nicht nur systematisch im Verjährungsrecht verortet und rechnet die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger an, sondern hat ausweislich ihrer Tatbestandsvoraussetzungen – dingliches Recht an einer Sache und Besitz eines Dritten – vornehmlich den Vindikationsanspruch vor Augen.274 Die Norm wäre sinnentleert, würden dingliche Ansprüche nicht der Verjährung unterliegen.275 Lässt man den erst im Wege des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes etablierten276 § 197 I Nr. 2 BGB außen vor, ergibt sich die Verjährbarkeit des § 985 BGB am deutlichsten und ohne das Erfordernis eines Umkehrschlusses aber aus § 939 BGB.277 Dieser besagt, dass die Ersitzung im Sinne des § 937 BGB gehemmt ist, „wenn der Herausgabeanspruch gegen den Eigenbesitzer […] in einer nach § 203 und § 204 zur Hemmung der Verjährung geeigneten Weise geltend gemacht wird.“ Hier spricht das Gesetz unmissverständlich von der Verjährung des § 985 BGB. Damit zeichnet sich ein eindeutiges Ergebnis ab: Das BGB geht geradezu selbstverständlich von der Verjährung 272  Zu

(736).

den beiden genannten Beispielen siehe auch Remien, AcP 201 (2001), 730

273  Die Neufassung der Norm im Wege des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes hatte nur sprachliche Anpassungen zum Inhalt, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 107. 274  Schon die Gesetzesväter stellten Erwägungen in Richtung eines möglicherweise vermehrt vorkommenden dominium sine re infolge einer solchen Regelung an und belegen damit die Relevanz für den Vindikationsanspruch, vgl. Mugdan, Bd. I, S. 539 f. = Motive, Bd. 1, S. 340 f. Zudem wird § 985 BGB regelmäßig als Beispiel für die Darlegung des Normzwecks verwendet, so etwa Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 198 Rn. 3; Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 198 Rn. 1. 275  Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 91; Remien, AcP 201 (2001), 730 (736). 276  BT-Drs. 14/6040, S. 105. 277  Remien, AcP 201 (2001), 730 (736).



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dinglicher Ansprüche aus und inkludiert dabei ausdrücklich den Vindika­ tionsanspruch. Ein unverjährbarer Eigentumsverwirklichungsanspruch wäre folglich – selbst wenn man § 197 I Nr. 2 BGB ausklammert – mit dem geltenden Recht unvereinbar. cc) Zwischenergebnis Trotz des historisch gegenläufigen Ansatzes im Großherzogtum Hessen wurde die bis auf den Vorentwurf eines BGB durch Gebhard zurückverfolgbare Grundentscheidung der Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs durch den Gesetzgeber – wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, aus gutem Grund – nie ernsthaft in Frage gestellt.278 Endgültig manifestiert hat sich diese Entscheidung schließlich durch die Kodifikation des § 197 I Nr. 2 BGB.279 Die Rechtsprechung hat ebenfalls nie gegenteilig geurteilt.280 Die die Verjährbarkeit des § 985 BGB ablehnende Ansicht vermag, auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass zum Zeitpunkt ihrer Entwicklung § 197 I Nr. 2 BGB noch nicht existierte, somit nicht überzeugen.281 b) Der Zeitraum nach der Schuldrechtsmodernisierung Obgleich durch die Einführung des § 197 I Nr. 2 BGB im Jahr 2002 die Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs (erneut) unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wurde, ist der Streit über dessen Unverjährbarkeit noch immer nicht endgültig beigelegt. Inzwischen, das heißt nach der Schuldrechtsmodernisierung, wird die Ansicht vertreten, dass § 197 I Nr. 2 BGB verfassungswidrig sei. Hierdurch wird versucht, die Tür zur Diskussion über 278  Gebhard, in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Allgemeiner Teil, Teil 2 (1981), S. 312 f.; Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 12.1. Bereits im Zeitraum vor der Schuldrechtsmodernisierung entsprach die Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs deshalb der ganz h. M., vgl. Looschelders, in: Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, 103 (112) m. w. N. 279  BT-Drs. 14/7052, S. 179. 280  RG WarnR 1929, 42 (obiter); BGH, Urteil vom 26.11.1953 – IV ZR 139/53 = LM § 989 BGB Nr. 2 (obiter); LG Köln IPRspr. 1993, Nr. 52; LG Berlin, Urteil vom 22.02.2013 – 28 O 101/12 = BeckRS 2013, 12893. Jüngst für den Zeitraum vor der Schuldrechtsmodernisierung OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 08.02.2018 – 1 U 196/16 = NJW-RR 2018, 857. 281  Schon vor der Schuldrechtsmodernisierung entsprach es der ganz herrschenden Meinung, dass der Vindika­tionsanspruch verjährt, siehe dazu nur Medicus, in: MüKo BGB, 3. Auflage 1997, § 985 Rn. 24 und Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 17 („[Die Verjährbarkeit der Vindikation] wird heute nicht mehr in Frage gestellt.“) m. w. N. für den Zeitraum vor der Schuldrechtsreform.

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

die Unverjährbarkeit des § 985 BGB offen zu halten. Namentlich Klose lässt sich als einer der jüngeren Vertreter jener Ansicht benennen.282 Der Ausgangspunkt dieser Sichtweise liegt darin, dass auch privatrechtliche Forderungen dem Schutzbereich des Art. 14 I S. 1 GG unterfallen283 und demgemäß der Verlust der Durchsetzbarkeit qua Zeitablauf eine Inhaltsbestimmung im Sinne des Art. 14 I S. 2 GG verkörpert,284 die ihrerseits rechtfertigungsbedürftig ist.285 Das Eigentumsgrundrecht stellt zwar den Inbegriff eines normgeprägten Grundrechts dar, folglich ist die inhaltliche Ausgestaltung dem einfachen Gesetzgeber überlassen,286 gleichwohl sind dessen Befugnisse nicht grenzenlos. Insbesondere ist es ihm versagt, über das Institut des Eigentums im Ganzen zu disponieren.287 Zudem muss er gerade im Kontext schuldrechtlicher Ansprüche die Interessen von Gläubiger und Schuldner in einen gerechten Ausgleich bringen.288 Folglich verbietet sich sowohl eine verfrühte Verjährung zugunsten des Schuldners als auch eine Erstreckung der Verjährung über einen zu großen Zeitraum zugunsten des Gläubigers.289 282  Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (241 ff.); verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs hat auch Remien, AcP 201 (2001), 730 (751 ff. und 756). 283  Zur Eigentumsqualität schuldrechtlicher Forderungen siehe BVerfGE 45, 142 (179) = NJW 1977, 2024; BVerfGE 68, 193 (222) = NJW 1985, 1385 (1389); BVerfGE 42, 263 (294) = NJW 1976, 1783; BVerfGE 18, 121 (131) = NJW 1964, 1848. 284  So ausdrücklich zum Grundsatz der Verwirkung, BVerfGE 81, 97 (107 f.) = NJW 1990, 566; zur unvordenk­lichen Verjährung BVerfGE 15, 340 (346) = NVwZ 2009, 1158; zur Anspruchsverjährung Mansel, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform (2001), 333 (349 f.). 285  Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 194 Rn. 12; Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 194 Rn. 9; Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S. 64. 286  Lorenz/Arnold, in: FS Köhler (2014), 451 (453); Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313 (314); Axer, in: BeckOK GG, 48. Ed. Stand 15.08.2021, Art. 14 Rn. 7 f. 287  So ausdrücklich Axer, in: BeckOK GG, 48. Ed. Stand 15.08.2021, Art. 14 Rn. 18 m. w. N.; BVerfGE 24, 367 (389) = NJW 1969, 309 („Das Grundrecht des Einzelnen setzt das Rechtsinstitut ‚Eigentum‘ voraus; es wäre nicht wirksam gewährleistet, wenn der Gesetzgeber an die Stelle des Privateigentums etwas setzen könnte, was den Namen ‚Eigentum‘ nicht mehr verdient.“); Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 194 Rn. 9 („herrscht keine völlige Gestaltungsfreiheit“); Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 194–225 Rn. 8. Zur nur beschränkten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers hinsichtlich Inhalts- und Schrankenbestimmungen vgl. BVerfGE 104, 1 (10 f.) = NVwZ 2001, 1023 und BVerfGE 112, 93 (109) = NJW 2005, 879; zum Ausgleich zwischen verfassungsrechtlich garantierter Rechtsstellung und dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung: BVerfGE 37, 132 (140) = NJW 1974, 1499; BVerfGE 52, 1 (29 f.) = NJW 1980, 985; BVerfGE 79, 174 (198) = NJW 1989, 1271. 288  BVerfGE 18, 121 (132) = NJW 1964, 1848; Peters, AcP 208 (2008), 37 (43). 289  Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 194–225 Rn. 8.



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aa) Die die Verjährung rechtfertigenden Gründe Grundsätzlich, insoweit bestehen auch seitens Kloses keine Bedenken, könne der dem Ausgleich der gegenläufigen Interessen von Gläubiger und Schuldner dienende Eingriff in Art. 14 I GG – die Verjährung – gerechtfertigt werden. Zweifel hegt er indes daran, dass die die Verjährung im Allgemeinen rechtfertigenden Gründe auch im Rahmen der Vindikationsverjährung greifen.290 Er zielt damit auf die oben bereits geführte Diskussion291 ab und rückt diese in das Licht des Verfassungsrechts.292 Da diese inhaltlich jedoch auch durch einen veränderten Blickwinkel nicht beeinflusst wird, kann insoweit nach oben verwiesen werden. bb) Der „Kleingartenfall“ Gleichwohl divergiert Kloses Erklärung insofern von den bereits diskutierten Argumenten, als dieser den sogenannten „Kleingartenfall“,293 der durch das BVerfG ausgeurteilt wurde, als Begründung für die Verfassungswidrigkeit des § 197 I Nr. 2 BGB bemüht und Parallelen zwischen dem Urteil und der Vindikationsverjährung zieht.294 Beiden Konstellationen ist die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz gemein. In dem durch das BVerfG entschiedenen Fall, in dessen Mittelpunkt die Abwägung der gegenläufigen Interessen von Pächter und Verpächter standen, wurde die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz qua grundsätzlicher Unkündbarkeit von Pachtverträgen über Kleingärten erreicht,295 mit der zwar keine rechtliche, wohl aber eine tatsächliche Beschränkung der Verfügungsbefugnis einher­ ging;296 ausweislich der obigen Ausführungen gelangt man durch die Vindikationsverjährung zu demselben Ergebnis.297 Das BVerfG konnte keine hinreichenden Rechtfertigungsgründe festmachen, die für die Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Gesetze298 sprachen. Insbesondere maß das Gericht Rechtswissenschaft 2014, 228 (243). dazu schon oben S. 111 ff. 292  Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (243 f.). 293  BVerfGE 52, 1. 294  Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (246 f.). 295  BVerfGE 52, 1 (19). 296  Die faktische Verfügungsbeschränkung ergibt sich im Kleingartenfall laut BVerfG daraus, „dass Grundstücke, die an Kleingärtner verpachtet sind, in der Regel weder einen Kaufinteressenten finden, noch beliehen werden könnten“, BVerfGE 52, 1 (31). Siehe auch Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (246). 297  Siehe oben S. 74 ff. 298  Gemeint sind die Verordnung über Kündigungsschutz und andere kleingartenrechtliche Vorschriften in der Fassung vom 15. Dezember 1944 (Reichsgesetzblatt I 290  Klose, 291  Siehe

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

den Kleingärten keine existenzielle Bedeutung bei,299 sodass die Rechtsposition des Pächters, die dieser durch Abschluss des Pachtvertrags erlangte, „mit dem Gebot, die schutzwürdigen Interessen beider Parteien in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, nicht zu vereinba­ ren“300 war. Aus der Vergleichbarkeit der Fälle und dem letztgenannten Zitat leitet Klose ein argumentum a fortiori ab: Wenn schon die dauerhafte Trennung von Besitz und Eigentum durch einen Vertrag, aus dem der Verpächter aufgrund des Pachtzinses jedenfalls noch einen gewissen Nutzen ziehen und der Pächter ein Besitzrecht ableiten kann, mit Art. 14 I GG unvereinbar ist, dann müsse dies erst recht für die Vindikationsverjährung gelten, bei der der Besitzer nicht nur nichtberechtigt, sondern auch bösgläubig sei und der Eigentümer keinen Nutzen mehr von seinem Eigentum habe. Verstärkt werde dies noch durch den Umstand, dass dem gepachteten Kleingarten im Wesentlichen eine soziale Funktion zukommt, Fälle der Vindikationsverjährung hingegen typischerweise Luxusobjekte beträfen, auf die der Besitzer in seiner Lebensführung nicht angewiesen sei.301 Zu hinterfragen bleibt freilich, ob dieser Erstrechtschluss stichhaltig ist. Gewiss mag es zutreffen, dass sich die Fälle im Hinblick auf die dauerhafte Trennung von Besitz und Eigentum und die daraus resultierende faktische Verfügungsbeschränkung des Eigentümers ähneln,302 gleichwohl lassen sich gegen den gezogenen Erstrechtschluss gewichtige Argumente ins Feld führen: Zunächst erscheint die Annahme, dass die Vindikationsverjährung typischerweise Luxusobjekte betrifft, nicht zwingend. Zweifellos zeichnet sich sowohl durch die Rechtsprechung303 als auch die Fachliteratur304 das Bild ab, S. 347) und das Gesetz zur Änderung und Ergänzung kleingartenrechtlicher Vorschriften vom 28. Juli 1969 (Bundesgesetzblatt I S. 1013). 299  BVerfGE 52, 1 (35). 300  BVerfGE 52, 1 (36). 301  Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (246 f.); so auch Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 232; Mansel, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform (2001), 333 (369) sieht die größte Relevanz bei abhandengekommenen Kunstwerken. 302  Klose, Rechtswissenschaft 2014, 228 (246). 303  Als bekanntes Beispiel mag hier der Fall des Erben des Hans Sachs dienen (BGH, Urteil vom 16.03.2012 − V ZR 279/10), der die Herausgabe zweier Plakate aus der Plakatsammlung verlangte, die sich im Besitz des Deutschen Historischen Museums befanden. Einschränkend gilt es aber zu beachten, dass sich besagte Stiftung nicht auf die Verjährung der Vindikation berief, vgl. BGH, Urteil vom 16.03. 2012 − V ZR 279/10 = NJW 2012, 1796 (1798, dort Rn. 23). 304  Der prominenteste Fall ist wohl der des Cornelius Gurlitt, auch bekannt als der Schwabinger Kunstfund, der eine Fülle an juristischer Literatur nach sich zog, vgl. nur Bergmann, Verfall des Eigentums (2015); Finkenauer, Die Verjährung bei Kultur-



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht151

die Vindikationsverjährung beträfe nur wertvolle Gemälde oder andere Kulturgüter. Gleichwohl darf in Ermangelung von Ausführungen in der Fachliteratur oder fehlender Rechtsprechung nicht auf die Bedeutungslosigkeit der Vindikationsverjährung abseits des Themenkomplexes der Kulturgüter geschlossen werden. Dies lässt sich aus mehreren Faktoren ableiten: Erstens erfasst der Vindikationsanspruch jedwede bewegliche Sache, womit eine außerordentliche Vielfalt an Gegenständen einhergeht, die potentiell einer Vindikationslage unterliegen können. Damit korrespondierend kann zweitens die für die Geltendmachung des § 985 BGB nach 30 Jahren notwendige Langlebigkeit (und Bedeutsamkeit) auch anderen Gegenständen anhaften – zu denken ist etwa an (Arbeits-)Maschinen –; drittens und letztens wird nicht jeder Rechtsstreit, in dessen Zentrum ein Vindikationsanspruch steht, vor Gericht ausgefochten. Den faktischen Anwendungsbereich der Vindikationsverjährung auf Luxusobjekte zu beschränken, erscheint deshalb verfehlt. Noch wesentlicher gegen das angeführte argumentum a fortiori sprechen die nachfolgenden Argumente. So ist die Unterstellung, allein der bösgläubige, unberechtigte Besitzer profitiere durch die Vindikationsverjährung, ausweislich der obigen Ausführungen unzutreffend; die Vindikationsverjährung schützt nun einmal auch den gutgläubigen Besitzer. Darüber hinaus wird dem Vindikationsschuldner nach der hier vertretenen Auffassung durch die Geltendmachung der Verjährungseinrede ein Besitzrecht zuteil.305 Selbst wenn man die Sichtweise in Bezug auf das dem Besitzer durch die Vindikationsverjährung zukommende Besitzrecht nicht teilen, den Besitzer mithin auch nach Geltendmachung des § 214 I BGB als unberechtigt ansehen wollte, ergäbe sich daraus nur begrenzt Raum für ein argumentum a fortiori. Denn zum einen kommt die Vindikationsverjährung auch dem Putativschuldner zugute, welcher schwerlich als nichtberechtigter Besitzer betitelt werden kann, und zum anderen belegen die §§ 987 ff. BGB anschaulich, dass auch der gutgläubige aber nichtberechtigte Besitzer durchaus schutzwürdig ist. Hinzukommend unterscheidet sich der Kleingartenfall von der Vindikationsverjährung in einem entscheidenden Punkt: Während im ersteren Fall bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des de facto unkündbaren Pachtvertrags das Eigentum tangiert wird, fußt die Beeinträchtigung desselben im Kontext der Vindikationsverjährung auf einem langwierigen, sich über einen beträchtlichen Zeitraum von 30 Jahren erstreckenden Prozess. Dabei wird die Verjähgütern, JZ 2014, 479; Effer-Uhe, Die Folgen der Verjährung des Vindikationsanspruchs, AcP 215 (2015), 245; Lange/Oehler, „Schwabinger Kunstfund“ – Erblast des NS-Regimes, ZRP 2014, 86; Prütting, in: FS Meincke (2015), Das Eigentum an Raubkunst und der Fall Gurlitt, 273. 305  Für die Privilegierung des Gutgläubigen durch die Vindikationsverjährung siehe S. 107 ff., für das auf der Verjährung fußende Besitzrecht siehe S. 126 ff.

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

rung als unentbehrlich und ein natürliches Postulat qualifiziert,306 da jeglicher Anspruch dem nagenden Zahn der Zeit ausgesetzt ist,307 der den Anspruchscharakter verändert – neben Unmöglichkeit und Erfüllung ist auch an die Funktionslosigkeit der Erfüllung zu denken.308 Deshalb erscheint es konsequent, dem Gesetzgeber im Hinblick auf die Verjährung lediglich eine bedingte Pflicht zur Interessenabwägung aufzuerlegen.309 Da ausweislich der obigen Ausführungen die die Verjährung rechtfertigenden Gründe auch für den Vindikationsanspruch eingreifen,310 kann auch für diesen insofern nichts anderes gelten. Die Interessenabwägung erstreckt sich demnach nicht auf das Ob, sondern beschränkt sich auf das Wie. Einzig die Länge der jeweiligen Verjährungsfrist, die dem Schuldner eine faire Chance eröffnen muss, den Anspruch geltend zu machen,311 lässt sich daher verfassungsrechtlich hinterfragen.312 Da die Entscheidung des BVerfG weder eine Verjährungsfrist zum Gegenstand hatte, noch die Verjährungsfrist des Vindikationsanspruchs hinsichtlich ihrer Länge zu beanstandenden ist – eine Verjährungsfrist von über dreißig Jahren kann ausweislich des § 202 II BGB nicht einmal privatautonom vereinbart werden313 – lässt sich der seitens der Richter vorgenommenen Interessenabwägung zwischen Verpächter und Pächter kein Argument für die hiesige Konstellation abgewinnen. Allein aufgrund der ähnlichen Rechtsfolgen für den Eigentümer im Fall des faktisch unkündbar verpachteten Kleingartens und im Fall der Vindikationsverjährung einen Erstrechtschluss zu bemühen, wäre somit zu kurz gegriffen. Auch das Rationale des BVerfG im Kleingartenfall vermag die Verfassungswidrigkeit des § 197 I Nr. 2 BGB folglich nicht zu begründen. cc) Zwischenergebnis Damit lässt sich konstatieren, dass die Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs auch nicht über Umwege, namentlich die Verfassungswidrigkeit des § 197 I Nr. 2 BGB erreicht werden kann. Zwar ist zuzugestehen, dass die Rechtsfolgen der Vindikationsverjährung an die Grenzen dessen stoßen, was noch durch Art. 14 I S. 2 GG gedeckt ist, das heißt als Inhalts- und Schran306  So

ausdrücklich Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 18 f. Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 11 I 4a („nichts [ist] ewig […] und die Zeit [heilt] alle Wunden“); Finkenauer, JZ 2014, 479 (482). 308  Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 194–225 Rn. 8. 309  Peters/Jacoby, a. a. O. 310  Vgl. oben S. 111 ff. 311  Dazu schon oben S. 118 f. 312  So implizit Neuner, BGB AT, 12. Auflage, § 22 Rn. 2 und Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 194–225 Rn. 8 f. 313  Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 194–225 Rn. 8. 307  Wieling,



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht153

kenbestimmung bezeichnet werden kann. Letztlich begründet die Verjährung jedoch auch im Rahmen der Vindikation nur eine Einrede zugunsten des Schuldners, lässt das dingliche Recht als solches folglich unberührt.314 Somit ist an der Verfassungskonformität des § 197 I Nr. 2 BGB festzuhalten.315 c) Gesamtergebnis Der Entstehung eines dominium sine re bedingt durch die Vindikationsverjährung lässt sich folglich nicht durch die Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs vorbeugen. Auch der Eigentumsverwirklichungsanspruch büßt mit der Zeit seine Durchsetzungsfähigkeit ein. Diese Rechtslage galt bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung und gilt auch seit der Einführung des § 197 I Nr. 2 BGB im Wege des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes fort.

II. Der Wille des Gesetzgebers – die bewusste dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz? Auch wenn die Verjährung des Vindikationsanspruchs de lege lata nicht mehr bestritten werden kann, verbleibt das Problem, wie mit der daraus resultierenden, unbefriedigenden Rechtsfolge – der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz – verfahren werden soll. Macht man sich den limitierenden Faktor des Gesetzgeberwillens für mögliche Auslegungen bewusst,316 314  So

argumentiert auch Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 985 Rn. 108. entspricht auch der überwiegenden Ansicht, vgl. Effer-Uhe, AcP 215 (2015), 245 (251 m. w. N., 257 f.); Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 209 m. w. N.; Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 985 Rn. 108; Prütting, in: FS Meincke (2015), 273 (285); Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 11 I 4a; Finkenauer, JZ 2014, 479 (482); in der Kommentarliteratur findet die Verfassungsmäßigkeit des § 197 I Nr. 2 BGB häufig nicht einmal Erwähnung. Der Vindikationsverjährung wird gleichwohl viel Kritik entgegengebracht und insbesondere für Kunstgegenstände eine Ausnahme von der Verjährbarkeit gefordert bzw. begründet: Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 13 ff.; Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 12 XI 3; a. A. Prütting, in: FS Meincke (2015), 273 (285 f.); Looschel­ ders, in: Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, 103 (112) erachtet die Forderung der Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs auch im Kontext der Kulturgüter für „nicht mehr vertretbar“. Siehe auch Kap. 2 Fn. 440. 316  BVerfG, Beschluss vom 26. August 2014 – 2 BvR 2400/13 –, Rn. 15; BVerfGE 122, 248 Rn. 97. Auf die Frage, wie eine historische Auslegung zu erfolgen hat, soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Einigkeit dürfte inzwischen insofern bestehen, als es nicht auf den subjektiven Willen der Gesetzgebungsorgane bzw. deren einzelner Teile ankommen kann (sogenannte subjektive Theorie), sondern das Gebotsgesetz selbst einen Willen hat und deshalb das aus ihm herauszudestillieren ist, was der Autor – der Gesetzgeber – in es hineingelegt hat, vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 11. Auflage, Rn. 796 ff.; grundlegend zum Willen des Gesetzgebers Larenz/Cana­ 315  Dies

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

stellt sich denknotwendigerweise die Frage, ob der Gesetzgeber eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz erzielen wollte; bejahendenfalls wären jegliche Ausführungen zur Auflösung des entstandenen dominium sine re hinfällig. Daher ist es indiziert, die Gesetzgebungshistorie genauer zu beleuchten. Bereits im Rahmen des Ersten Entwurfs des BGB war die Gefahr erkannt worden, durch die Verjährung der Vindikation ein dominium sine re zu schaffen. Dieses Risiko wurde jedoch unter Verweis auf die Seltenheit dieser Fälle hingenommen.317 Der Zweiten Kommission war es demgegenüber ein Anliegen, die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz zu vermeiden.318 Dabei stand neben dem Antrag, Ansprüche aus dem Eigentum unverjährbar zu stellen, auch die Möglichkeit im Raum, mit der Verjährung das Eigentum übergehen zu lassen.319 Die Unverjährbarkeit eigentumsrechtlicher Ansprüche wurde abgelehnt320 und die Entscheidung darüber, ob eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz hingenommen werden kann, an die Beratung über das Sachenrecht verwiesen.321 Dort entschied man sich für die heute noch vorherrschende, oben bereits angeklungene Differenzierung zwischen Immobiliar- und Mobiliarsachenrecht.322 Soweit es das Grundstücksrecht betraf, war die Zweite Kommission darauf erpicht, ein dominium sine re zu vermeiden,323 was ihr auch weitestgehend gelang:324 Der im Grundbuch eingetragene Eigentümer muss weder eine Verjährung seiner Ansprüche noch die Ersitzung durch einen Dritten fürchten, vgl. §§ 900 I, 902 I BGB. Ist der Eigentümer dagegen nicht im Grundbuch eingetragen, kann der Vindikationsanspruch zwar verjähren, im Unterris, Methodenlehre, 3. Auflage, S. 149 ff. und zur Unterscheidung zwischen „objektiver“ und „subjektiver“ Theorie Larenz, Methodenlehre, 6. Auflage, S. 316 ff. 317  Siehe dazu Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 85; so schon Gebhard, in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Allgemeiner Teil, Teil 2 (1981), S. 313 („von großer praktischer Bedeutung kann sie nicht sein“). 318  In Jäntsch, Denkschrift zum Entwurf eines BGB (1899), S. 34 heißt es: „Ein derartiges Verhältniß erscheint immerhin unerwünscht, und der Entwurf ist daher bestrebt, die Fälle, in denen sich ein solcher Zustand ergeben kann, thunlichst zu vermindern.“; dies dürfte wohl auch auf die lautstarke Kritik zurückzuführen sein, die der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz entgegengebracht wurde, vgl. dazu oben S. 71 ff. 319  Mugdan, Bd. I, S. 770 ff. = Protokolle, Bd. 1, S. 194 ff. 320  Mugdan, Bd. I, S. 513 = Motive, Bd. 1, S. 292 f. 321  Mugdan, Bd. I, S. 772 = Protokolle, Bd. 1, S. 199. 322  Mugdan, Bd. III, S. 573 und 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 193 f. und 235 f. Siehe zu den Regelungen für das Immobiliarsachenrecht schon oben S. 96 ff. 323  Mugdan, Bd. III, S. 573 = Protokolle, Bd. 3, S. 193 f. 324  Siehe zu den Ausnahmen schon oben S. 98 f.



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht155

schied zum Mobiliarsachenrecht entspricht die Ersitzungsfrist von 30 Jahren hier jedoch der der Verjährung und ist von der Gutgläubigkeit des Ersitzenden losgelöst, vgl. § 900 I BGB. Die Zweite Kommission begründete den Schritt einer außerordentlichen Ersitzung unabhängig von subjektiven Elementen damit, dass nach Ablauf von 30 Jahren sowohl der Eigentumsverwirklichungsanspruch als auch der Berichtigungsanspruch verjährt seien und somit ein dominium sine re zu entstehen drohe. Durch eine solche Ersitzung könnte – so die Kommission – sowohl die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz vermieden als auch praktischen Schwierigkeiten vorgebeugt werden.325 Den vorgebrachten Einwand, ein derartiges Einschreiten sei mangels praktischer Anwendungsfälle nicht erforderlich, ließ die Zweite Kommission offenbar nicht gelten und kehrte sich damit deutlich von der Sichtweise der Ersten Kommission ab.326 Die Vermeidung eines dominium sine re sei in jedem Fall wünschenswert.327 Umso erstaunlicher ist die Position der Zweiten Kommission bezüglich der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz im Mobiliarsachenrecht. Der seitens Jacubezkys eingebrachte Antrag, einem dominium sine re im Fahrnisrecht ebenfalls durch eine von subjektiven Elementen unabhängige Ersitzung nach Ablauf von 30 Jahren zuvorzukommen, wurde abgelehnt und so die Möglichkeit geschaffen, dass Besitz und Eigentum durch die Vindikationsverjährung dauerhaft getrennt werden.328 Ob daraus allerdings geschlussfolgert werden kann, die Gesetzesväter hätten eine solche Trennung gerade beabsichtigt, ist zweifelhaft. Denn letztlich wurde, indem die Zweite Kommission der außerordentlichen Ersitzung im Fahrnisrecht eine Absage erteilte, nur eine Aussage zu eben jenem Lösungsmodell getroffen.329 Dass die Ablehnung des Antrags keine über den vorgeschlagenen Lösungsansatz hinausgehenden Schlüsse zulässt, spiegelt sich auch in den durch die Gesetzesväter geäußerten Bedenken wider; im Zentrum der Argumentation stand die Gegenüberstellung der Buchersitzung nach § 900 I BGB und der beantragten außerordentlichen Ersitzung.330 Die Intention, eine dauerhafte TrenBd. III, S. 573 = Protokolle, Bd. 3, S. 193 f. Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 87; dass die Zweite Kommission den Einwand fehlender praktischer Relevanz nicht gelten ließ, lässt sich vor allem an der nach Ansicht der Kommission nicht erforderlichen, aber dennoch geschaffenen Regelung der Tabularersitzung eines Nießbrauchsrechts nach § 900 II BGB festmachen, vgl. Mugdan, Bd. III, S. 574 = Protokolle, Bd. 3, S. 385. 327  Mugdan, Bd. III, S. 573 = Protokolle, Bd. 3, S. 193 f. 328  Mugdan, Bd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 235 f.; siehe auch Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 86 f., 193. 329  Siehe dazu den in Mugdan, Bd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 235 gestellten Antrag. 330  Dazu sogleich auf S. 157 ff. 325  Mugdan,

326  Finkenauer,

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

nung von Eigentum und Besitz im Rahmen des Mobiliarsachenrechts zu vermeiden, wurde dagegen nicht beanstandet. Macht man sich nun noch einmal die oben schon diskutierten Ausführungen der Gesetzesväter zur außerordentlichen Ersitzung im Immobiliarsachenrecht bewusst – „die Kommission […] erachtete [es] […] für wünschenswert, eine Beseitigung des dominium sine re zu ermöglichen“331 – erhärtet sich der Verdacht, dass diese die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz durch die Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs als unerwünschtes, aber unvermeidbares Nebenprodukt betrachteten.332 Damit geht jedoch keineswegs eine Verschlossenheit gegenüber möglichen Lösungen einher, die zur Beseitigung eben jenes Nebenprodukts beitragen könnten; das genaue Gegenteil belegt die schon angesprochene inhaltliche Auseinandersetzung der Gesetzesväter mit dem von Jakubezky vorgeschlagenen Lösungsmodell. Nichts anderes kann aus den Gesetzgebungsmaterialien zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz entnommen werden. Der Gesetzgeber hat dort zwar ausdrücklich die Verjährung des § 985 BGB kodifiziert, die aus der Vindikationsverjährung resultierenden Rechtsfolgen für das dingliche Recht waren dagegen nicht Gegenstand des Verfahrens.333 Auch aus der Einführung des § 197 I Nr. 2 BGB kann folglich keine Verschlossenheit gegenüber solchen Ansätzen, die auf die Vermeidung des aus der Vindikationsverjährung resultierenden domi­ nium sine re zielen, geschlussfolgert werden.

III. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re im Kontext der Verjährung Da der Gesetzgeberwille ausweislich des Vorstehenden der Auflösung eines auf die Vindikationsverjährung zurückgehenden dominium sine re nicht entgegensteht, sollen im Folgenden die in der Jurisprudenz diskutierten Lösungsmodelle im Einzelnen dargelegt und kritisch untersucht werden. Bereits vorab sei aber auf die Bedenken gegenüber diesen durch einen Großteil der Literatur verwiesen: Es wird zwar vielerorts eingestanden, dass das RechtsBd. III, S. 573 = Protokolle, Bd. 3, S. 194. heute wird vielerorts vertreten, dass das Problem unlösbar sei, so implizit Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 13, 13.1 und Spohn­ heimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 87, 87.1 f. 333  So schon Frank, in: FS Stürner, Bd. 1 (2013), 123 (132) („da sich außerdem der Gesetzgeber über die Rechtslage nach Erhebung der Verjährungseinrede ausschweigt“). Dazu, dass der Gesetzgeber die Trennung von Eigentum und Besitz hingenommen hat Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 225; Magnus/Wais, NJW 2014, 1270 (1272); Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 937 Rn. 96; Spohnheimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 87. 331  Mugdan, 332  Auch



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht157

konstrukt des dominium sine re „unordentlich“334 oder „nicht wünschenswert“ sei und keinen sachenrechtlichen Idealzustand darstelle,335 die Möglichkeit, diesen Zustand dogmatisch überzeugend aufzulösen, wird jedoch überwiegend verneint.336 1. Außerordentliche Ersitzung a) Das Lösungsmodell Zunächst soll der seitens Jacubezkys im Rahmen der Zweiten Kommission unterbreitete, oben schon angesprochene Vorschlag337 erneut aufgegriffen werden. Dieser sprach sich für die Einführung einer außerordentlichen, von subjektiven Elementen losgelösten Ersitzung im Fahrnisrecht aus zum Zwecke der Vermeidung eine dominium sine re. Dieses Lösungsmodell lässt sich angesichts der Vielzahl an Vertretern, die eine Ersitzung unabhängig von der Gutgläubigkeit des Besitzers fordern, wohl als das prominenteste für die Vindikationsverjährung bezeichnen338 und fußt letztlich auf der Überlegung, dass eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz nur auf zwei Wegen erzielt werden könne: Entweder werde der Vindikationsanspruch insgesamt unverjährbar gestellt, respektive die Verjährung um die Notwendigkeit der Gutgläubigkeit ergänzt, oder der Ersitzungstatbestand um jene Tatbestandsvoraussetzung gemindert.339 Da erstere Alternative jedoch nicht in Betracht 334  So

Finkenauer, JZ 2014, 479 (484). in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 937 Rn. 92, 96. 336  Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, § 194 Rn. 19; Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 937 Rn. 96; Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 225; Baur/ Stürner, Sachenrecht, 18. Auflage, § 11 Rn. 47; Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 182; Eckert, MDR 1989, 135 (136) spricht sogar davon, dass die Zusammenführung von Besitz und Eigentum in der Hand des Besitzers nach Ablauf von 30 Jahren verfassungswidrig sei. 337  Mugdan, Bd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 235; siehe auch Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 193. 338  Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2528), der ferner die Möglichkeit in Betracht zieht, dem Besitzer bereits durch Ablauf der Verjährungsfrist das Eigentum zuzusprechen, vgl. dazu schon Kap. 2 Fn. 193; ders., Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 11 I 4a; Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 193 ff.; ders., JZ 2014, 479 (485); Piekenbrock, Befristung (2006), S. 395 f.; Wieling/Finkenauer, Sachenrecht, 6. Auflage, § 11 Rn. 12; Klinck, in: Staudinger Eckpfeiler des Zivilrechts, 7. Auflage, Rn. U 180; Peters, AcP 153 (1954), 454, (465), der auch Tendenzen dahingehend aufweist, dass das Recht als solches verjährbar sei („Aus dem Wesen des Eigentums als der Summe von Anspruchselementen ergibt sich, daß es als Ganzes der Verjährung unterliegen muß“). 339  So ausdrücklich Finkenauer, JZ 2014, 479 (485); ebenso Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 11 I 4a; zu diesen Überlegungen schon die Gesetzesväter, vgl. 335  Baldus,

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

komme,340 verbleibe nur die außerordentliche Ersitzung – „anderenfalls [könne] entgegen dem Sinne des Gesetzes niemals eine Beruhigung eintre­ ten“.341 Für das Lösungsmodell in Form der außerordentlichen Ersitzung spreche dabei nicht nur die historische Tradition,342 sondern auch das eigens durch die Gesetzesväter für das Immobiliarsachenrecht geschaffene Vorbild des § 900 BGB. Dieses belege, dass die akquisitive Verjährung keineswegs ein dem deutschen Zivilrecht fremder Rechtsgedanke sei.343 Zudem sei nicht ersichtlich, weshalb das Eigentum an beweglichen Sachen durch das Fehlen einer außerordentlichen Ersitzung stärker geschützt werden sollte als das ­Eigentum an unbeweglichen Sachen.344 Wenn der Besitzer nach Ablauf der 30 Jahre als berechtigter Besitzer angesehen werde, dann sei es nur konsequent, diesem auch das Eigentum zuzusprechen.345 Zwar gestehen auch die Befürworter dieser Sichtweise ein, dass die Gesetzesväter eine außerordent­ Mugdan, Bd. I, S. 513 = Motive, Bd. 1, S. 292 f.; Heck, Grundriss des Sachenrechts (1930), § 61 Rn. 7 und Gebhard, in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Allgemeiner Teil, Teil 2 (1981), S. 312 f., letzterer differenziert die Lösungen nach dem kanonischen Recht und dem Code Civil; Frank, in: FS Stürner, Bd. 1 (2013), 123 (132); siehe auch Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 45. 340  Dies entspricht auch der hier vertretenen Ansicht, siehe dazu schon oben S. 100 ff. und 110 f. 341  Peters, AcP 153 (1954), 454 (465). 342  So Finkenauer, JZ 2014, 479 (485); Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 11 I 4a, der darauf verweist, dass die Römer schon diesen Weg wählten. Für einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung ders., in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2519 ff.). Ob es sich tatsächlich anbietet, von einer historischen Tradition zu sprechen, lässt sich mit Blick auf die Genese der Ersitzung im römischen Recht allerdings bezweifeln. Denn der Eigentumserwerb aufgrund von Zeitablauf war regelmäßig nicht nur für solche Sachen ausgeschlossen, die im Wege eines Diebstahls erlangt wurden (Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 22. Auflage, § 35 Rn. 5, 8, 15), sondern es wurde zusätzlich die Redlichkeit des Besitzers gefordert (Kaser/ Knütel/Lohsse, a. a. O., § 35 Rn. 11 f., 15). Erst durch Justinian wurde die Ersitzungsmöglichkeit an gestohlenen Sachen geschaffen, die gleichwohl bona fides erforderte (Kaser/Knütel/Lohsse, a. a. O., § 35 Rn. 18). Darauf verweist auch Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 19 f. und 45 („superaußerordentliche Ersitzung, die über die römischen Quellen […] hinaus auf das Erfordernis der bona fides verzichtet“). 343  Finkenauer, JZ 2014, 479 (485); darauf verweist auch Piekenbrock, Befristung (2006), S. 396; Peters, AcP 153 (1954), 454 (465); Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2528); das gesteht auch Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 45 ein, der diese Lösung allerdings ablehnt. 344  Peters, AcP 153 (1954), 454 (465). 345  Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 11 I 4a; zur strittigen Frage, ob dem Besitzer durch die Geltendmachung der Vindikationsverjährung ein Besitzrecht zukommt, schon oben S. 126 ff.



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht159

liche Ersitzung im Fahrnisrecht explizit ablehnten, um eine Privilegierung des Diebes zu vermeiden.346 Dies könne gleichwohl nicht ausschlaggebend gegen dieses Lösungsmodell sprechen, da die BGB-Kommissionen übersehen hätten, dass der Dieb bereits durch die von einem guten Glauben losgelöste Verjährung des Vindikationsanspruchs privilegiert werde.347 Des Weiteren spreche der enge Verwandtschaftsgrad zwischen der Verjährung und der Ersitzung,348 der sich nicht zuletzt aus dem französischen Recht ablesen lasse – dort wird die Ersitzung als „prescription acquisitive“, erwerbende Verjährung, bezeichnet349 –, für diese Sichtweise.350 Diese Ähnlichkeit schlage sich auch in den durch Verjährung und Ersitzung verfolgten Zwecken nieder: Beide dienen der Befriedung und Beruhigung der (sachenrechtlichen) Rechtslage.351 Schließlich ließen sich neben der bereits angesprochenen (römischen) Historie auch jüngere europäische Kodifikationen für diese Sichtweise anführen.352 Wie eine solche außerordentliche Ersitzung im FahrnisBd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 235 f. Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 193. 348  Dazu bereits Mugdan, Bd. I, S. 511 f. = Motive, Bd. 1, S. 289; so auch Spiro, Die Begrenzung privater Rechte, Bd. 2 (1975), S. 1329 Fn. 28; Buchwitz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.05.2021, § 937 Rn. 4 und 4.1 m. w. N.; Peters, AcP 208 (2008), 37 (45). Grundlegend Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, Vorb. §§ 194–225 Rn.  18 ff.; Savigny, System des heutigen römischen Rechts V (1841), S. 267 („Die Gründe [für die] Einführung [der Klageverjährung], die auf verschiedene Weise angegeben werden, spielen meist in einander über, und sind großentheils der Ersitzung mit der Klageverjährung gemein“); für die Entwicklung der longi temporis preascriptio von einer Einrede zur erwerbenden Ersitzung und für die Fortbildung der Vindika­ tionsverjährung zur außerordentlichen Ersitzung durch Justinian vgl. Kaser/Knütel/ Lohsse, Römisches Privatrecht, 22. Auflage, § 35 Rn. 15 und 18. 349  Der Ursprung dieser Besonderheit findet sich wiederum im römischen Recht. Da innerhalb des Vulgarrechts nicht strikt zwischen Ersitzung und Verjährung (der sogenannten longi temporis praescriptio) unterschieden wurde, sondern die Verjährung unter Umständen in der Ersitzung münden konnte (vgl. schon die vorstehende Fußnote), verstanden auch mittelalterliche sowie nachfolgende Juristen die praescrip­ tio als einheitliches Rechtsinstitut, das sich in die erwerbende und erlöschende Präskription untergliedert. Insofern weisen das deutsche und das französische Recht dieselben historischen Wurzeln auf. In Deutschland wurde die einheitliche Präskrip­ tionslehre indes – anders als in Frankreich – im 19. Jahrhundert aufgegeben, vgl. zum Ganzen Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 22. Auflage, § 14 Rn. 4; dazu auch Baldus, in: MüKo BGB, 8 Auflage 2020, § 937 Rn. 1 m. w. N. 350  Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (57), der zusätzlich darauf hinweist, dass auch in anderen Rechtsordnungen nicht immer eine klare terminologische Trennung zwischen der Verjährung und der Ersitzung vorgenommen wird; dazu auch Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 937 Rn. 1. 351  Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (57); vgl. auch Mugdan, Bd. I, S. 511 f. = Motive, Bd. 1, S. 289, 291. 352  Dazu Piekenbrock, Befristung (2006), S. 396, der insofern auf Italien, Portugal und die Niederlande verweist. Dort wird die Ersitzung nach längerer Zeit auch zu346  Mugdan, 347  Vgl.

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

recht auf dogmatischer Ebene gerechtfertigt werden kann, wird jedoch durch keinen ihrer Vertreter genauer beleuchtet. b) Kritische Auseinandersetzung Seitens der demgegenüber kritischen Lehre wird typischerweise der Vorwurf hervorgehoben, welcher bereits von den Verfechtern dieses Models selbst angesprochen wurde: Ganz gleich wie pragmatisch und sinnvoll die Zusammenführung von Eigentum und Besitz sei, stehe einer außerordentlichen Ersitzung jedenfalls der eindeutige Wille des Gesetzgebers entgegen.353 Dem ist vorbehaltlos zuzustimmen. Bereits die Gesetzesväter erkannten die mögliche Entstehung eines dominium sine re bedingt durch Verjährung der Vindikation und lehnten gleichwohl den von Jacubezky gestellten Antrag auf Etablierung einer außerordentlichen Ersitzung im Rahmen des Fahrnisrechts ab.354 Durch die Schaffung dieses Rechtsinstituts auf Umwegen würde man sich also über den ausdrücklich erklärten Willen der Gesetzesväter hinwegsetzen.355 Dass es sich insofern auch um den gewichtigsten Kritikpunkt handelt, wird mit Blick auf die Frage deutlich, wie man eine außerordentliche Ersitzung im Mobiliarsachenrecht konträr zum Willen der Gesetzesväter dogmatisch legitimieren wollte. In Anbetracht dessen, dass sich nicht nur einige Befürworter einer außerordentlichen Ersitzung explizit auf § 900 BGB berufen, sondern dieser auch inhaltlich starke Parallelen zu besagtem Lösungsansatz aufweist, läge ein Analogieschluss zu dieser Regelung wohl am nächsten.356 Da sich die Gesetzesväter ausweislich des Vorstehenden für eine bewusste Nichtregelung entschieden, fehlt es indessen bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Dem die Unbeachtlichkeit der gesetzgeberischen Entscheidung entgegenzuhalten, da die Gesetzesväter die Privilegierung des Diebes durch die von subjektiven Elementen unabhängige Vindikationsverjährung übersehen hätten,357 kann mit Blick auf die Protokolle nur wenig überzeugen – dort gunsten des Bösgläubigen gewährt, zu den einschlägigen Normen in den jeweiligen Rechtsordnungen siehe a. a. O., Fn. 79. Zur Verjährung der Vindikation in anderen Rechtsordnungen auch schon oben S. 100 ff. 353  Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 225; Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 937 Rn. 93. 354  Mugdan, Bd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 235 f.; siehe auch Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 193. 355  Effer-Uhe, AcP 215 (2015), 245 (278); Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 13, 13.1. 356  Vgl. Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 165 f.; Rümelin, AcP 133 (1931), 94 (100) scheint ebenfalls Sympathien gegenüber einer Analogie zu hegen; Peters, AcP 153 (1954), 454 (465) deutet diesen Weg jedenfalls an. 357  So Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 193.



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht161

wurde gar ein Antrag gestellt, der vorsah, dass die Vindikationsverjährung gegenüber einem Dieb ausgeschlossen ist.358 Genau genommen erübrigt sich damit bereits die Folgefrage, ob die Interessenlage im Mobiliarsachenrecht mit der innerhalb des Immobiliarsachenrechts vergleichbar ist. Da – wie schon angesprochen359 – vereinzelt die Beachtlichkeit der gesetzgeberischen Entscheidung angezweifelt wird, soll gleichwohl auch dieser noch nachgegangen werden. Indessen ist auch das Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage überaus zweifelhaft. Die Vorschrift des § 900 BGB stellt, wie Bergmann zutreffend bemerkt, „eine an die Publizität des Grundbuchs anknüpfende grundstücksrechtliche Sondervorschrift“ dar,360 sodass diese keine Rückschlüsse in Bezug auf eine außerordentliche Ersitzung im Rahmen des Mobiliarsachenrechts zulässt. Dass diese Sichtweise überzeugt, lässt sich bereits aus dem eng umgrenzten Anwendungsbereich der Norm ablesen: Eine Ersitzung nach § 900 BGB kommt nur dann in Betracht, wenn die Eintragung des Besitzers im Grundbuch und dessen Eigenbesitz kumulativ vorliegen. Ist dagegen der tatsächliche Eigentümer im Grundbuch eingetragen, scheidet bereits eine Verjährung des Vindikationsanspruchs gemäß § 902 I S. 1 BGB aus. Allein der sich aus der Kumulation von Besitz und Eintragung im Grundbuch ergebende Rechtsschein vermag den Eigentumserwerb losgelöst von subjektiven Elementen zu begründen.361 Ein solch gewichtiger Vertrauenstatbestand kann mangels Pendants zum Grundbuch innerhalb des Fahrnisrechts nicht vorliegen. Die Gründe, die die Gesetzesväter für die Ablehnung einer außerordent­ lichen Ersitzung im Mobiliarsachenrecht anführten, decken sich mit diesen Erwägungen. In den Protokollen wird betont, dass sich § 900 BGB unter anderem auf das öffentliche Interesse an der Richtigkeit des Grundbuchs stützen lässt;362 dass ein solches im Mobiliarsachenrecht hingegen wiederum aufgrund des Fehlens einer dem Grundbuch vergleichbaren Institution nicht angenommen werden kann, liegt auf der Hand.363 Darüber hinaus – so argumentierten die Gesetzesväter – bestehe zwischen Mobilien und Immobilien ein weiterer wesentlicher Unterschied: Eine heimliche Wegnahme sei bei 358  Mugdan, Bd. I, S. 770 f. = Protokolle, Bd. 1, S. 195 ff.; darüber hinaus begründet „[n]icht jede Sinnwidrigkeit […] objektive Planwidrigkeit“, vgl. Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 937 Rn. 95. 359  Siehe unter der vorstehenden Überschrift S. 158 f. 360  Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 45; so auch Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 165 ff.; die besondere Bedeutung der Publizität des Grundbuchs betont auch Remien, AcP 201 (2001), 730 (738). 361  Dazu schon Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 166 f. 362  Mugdan, Bd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 235 f. 363  Anders scheinbar Armbrüster, in: FS Westermann (2008), 53 (65).

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

letzteren nicht möglich und „selbst […] wenn sich Jemand heimlicherweise – etwa auf Grund einer gefälschten Urkunde – das scheinbare Eigenthum an einem Grundstücke verschaffe, [sei] doch immer der rechtswidrige Zustand aus dem Grundbuche ersichtlich“.364 Der Eigentümer könne sich folglich, ließe er hinreichend Vorsicht walten, vor dem Verlust seines Rechts schützen. Da sich selbiges nicht für den Eigentümer einer Mobilie behaupten ließe, sei es unbillig, eine außerordentliche Ersitzung für das Fahrnisrecht zu etablieren.365 Damit ist nicht nur die fehlende Verallgemeinerungsfähigkeit des in § 900 BGB niedergelegten Rechtsgedankens belegt, sondern auch die seitens Peters366 bemängelte unterschiedliche Behandlung des Eigentums an Mobilien und Immobilien gerechtfertigt. Neben einer planwidrigen Regelungs­ lücke mangelt es mithin auch an einer vergleichbaren Interessenlage. Die Kritik am Lösungsansatz in Form der außerordentlichen Ersitzung erschöpft sich jedoch nicht allein darin, dass dieser einer dogmatischen Legitimation entbehrt. Durch die Etablierung einer außerordentlichen Ersitzung droht die im BGB niedergelegte Differenzierung zwischen Verjährung und Ersitzung konterkariert zu werden. Sowohl die Verjährung als bloße Durchsetzbarkeitssperre als auch die Ersitzung als funktional genau umschriebener Erwerbstatbestand würden hinsichtlich ihrer Begrenzungen hinfällig werden, wollte man diese um ein solches drittes Institut ergänzen.367 Bedenken bestehen auch insofern, als durch die Schaffung eines von subjektiven Elementen unabhängigen Eigentumserwerbs nach 30 Jahren § 197 I Nr. 2 BGB seine Existenzberechtigung verlöre; die durch das Gesetz vorgesehene Rechtsfolge in Form der fehlenden Durchsetzbarkeit wäre von vornherein obsolet, wenn qua Zeitablauf bereits das Eigentum auf den Besitzer übergehen würde.368 Damit korrespondierend spricht gegen die Schaffung eines solchen zusätzlichen Rechtsinstituts, dass die Grenzen zwischen formellem und materiellem Recht drohten, verwischt zu werden. Die Einrede der Verjährung gibt getreu ihrer Natur dem Schuldner nur die Möglichkeit an die Hand, die Durchsetzung des gegen ihn erhobenen Anspruchs zu verhindern; sie wirkt rechtshemmend. Wollte man an den Eintritt der Verjährung einen Eigentumsübergang knüpfen, würde die Einrede über ihren eigentlichen Zweck hinausgehende, auf die materielle Rechtslage durchschlagende Rechtsfolgen nach sich ziehen; sie hätte rechtsvernichtende Wirkung. Darin sehen Autoren vereinzelt einen unkalku364  Mugdan, Bd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 235 f. Die Gesetzesväter benennen zwar selbst kein Beispiel, welche Urkunde ihnen insofern vorschwebte, denkbar wäre aber etwa ein gefälschter Erbschein. 365  Mugdan, Bd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 235 f. 366  Peters, AcP 153 (1954), 454 (465). 367  Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 937 Rn. 96. 368  Effer-Uhe, AcP 215 (2015), 245 (278); in diese Richtung auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, 2019, § 194 Rn. 19.



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht163

lierbaren Schaden für die Dogmatik und Rechtssicherheit begründet.369 Für eine außerordentliche Ersitzung kann auch nicht die enge Verwandtschaft zwischen Verjährung und Ersitzung sprechen. Gewiss ähneln sich diese in vielerlei Hinsicht, gleichwohl wurde der einheitlichen Präskriptionslehre, die die Ersitzung als Teil der Verjährung auffasste und lediglich zwischen erwerbender (praescriptio acquisitiva) und erlöschender Präskription (praescriptio ex­ tinctiva) unterschied, bereits im 19. Jahrhundert der Rücken gekehrt.370 Zu dem von Savigny als „ungebührlich“ betitelten Zustand371 zurückzukehren, in dem sämtliche durch das Zeitelement bedingte Rechtsverhältnisse unter dem Begriff der Verjährung bzw. Praescriptio zusammengefasst wurden,372 erscheint als ein der gesetzgeberischen Intention zuwiderlaufender Rückschritt; denn bereits die Gesetzesväter haben Verjährung und Ersitzung nicht zuletzt anhand der zusätzlichen Voraussetzung der bona fides für letztere strikt von­ einander getrennt.373 Schließlich überzeugt es nur bedingt, als Argument für eine außerordentliche Ersitzung bzw. akquisitive Verjährung374 einen Vergleich zu jüngeren innereuropäischen Rechtsordnungen zu ziehen, die eine von subjektiven Elementen unabhängige Ersitzung im Fahrnisrecht nach entsprechend längerer Zeit vorsehen.375 Zwar trifft es zu, dass etwa in Italien eine Ersitzung auch zugunsten des Bösgläubigen ermöglicht wird, wodurch der Eindruck entsteht, das Eigentumsrecht selbst verjähre.376 Im Unterschied zum deutschen Recht unterliegt der Vindikationsanspruch in Italien und Portugal jedoch von vornherein nicht der Verjährung. Hinzukommend lassen sich rechtsvergleichend auch Argumente für die Gegenposition finden. So wurde 369  Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 937 Rn. 97. Eine vergleichbare Argumentation wurde bereits oben gegen die Annahme eines Rechts zum Besitz vorgetragen, vgl. S. 126 f. 370  Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 22.  Auflage, § 14 Rn. 4; dazu schon oben Kap. 2 Fn. 349. 371  Savigny, System des heutigen römischen Rechts V (1841), S. 266. Dazu, dass die Abkehr von der einheitlichen Präskriptionslehre nicht zuletzt auf Savignys Kritik zurückgeht, Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 22. Auflage, § 14 Rn. 4. 372  Savigny, System des heutigen römischen Rechts V (1841), S. 266; Piekenbrock, Befristung (2006), S. 395 spricht ausdrücklich von einer „akquisitiven Verjährung“ bzw. „akqusitiven Befristung“. 373  Besonders deutlich Mugdan, Bd. III, S. 195 = Motive, Bd. 3, S. 351 f. („Ferner ist es erforderlich, die Institute der Verjährung und der Ersitzung von einander getrennt zu halten, da dieselben auf verschiedenen Grundgedanken beruhen.“). Darauf verweist auch Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 164 f.; Mugdan, Bd. I, S. 511 f. = Motive, Bd. 1, S. 289; Savigny, System des heutigen römischen Rechts V (1841), S. 266 ff. zeigt ebenfalls Differenzen zwischen Ersitzung und Verjährung auf. 374  Diese Bezeichnung wählt Piekenbrock, vgl. Kap. 2 Fn. 372. 375  Dazu Piekenbrock, Befristung (2006), S. 396. 376  Siehe zum italienischen und portugiesischen Recht sowie anderen europäischen Rechtsordnungen schon oben S. 100 ff.

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

etwa in der Schweiz die einheitliche Präklusionslehre gleichermaßen aufge­ geben;377 dort verjährt weder der Vindika­tionsanspruch, noch erlischt das Eigentum zugunsten eines Bösgläubigen.378 Abschließend erscheint die Schaffung eines de lege lata schlechterdings nicht vorgesehenen Ersitzungstatbestandes, der auf sämtliche subjektive Elemente verzichtet, mit Blick auf den numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände bedenklich. Die Parteien sind im Rahmen des Sachenrechts, anders als im Schuldrecht, nicht frei darin, rechtliche Beziehungen zu schaffen.379 Vielmehr sind die Zuordnungsvorschriften des Sachenrechts abschließender Natur und nicht dispositiv.380 Die Notwendigkeit der Differenzierung zwischen absoluten Rechten auf der einen und sachen- bzw. schuldrechtlichen Ansprüchen auf der anderen Seite ist nicht zuletzt aus deren unterschiedlicher Wirkung abzuleiten: Während letztere nur das Verhältnis inter partes betreffen, erstreckt sich der Wirkungskreis der ersteren erga omnes.381 Die Allgemeinverbindlichkeit des Rechtsstatus einer Sache bedingt es, dass die Rechtsfolgen eines die dingliche Rechtslage berührenden Rechtsgeschäfts jedermann treffen.382 Mit dem Abschluss eines sachenrechtlichen Geschäfts geht somit ein Eingriff in den Freiheitsbereich unbestimmt vieler Dritter einher, welcher einer gesetzlichen Grundlage bedarf.383 Zudem wäre bei disponibler Ausgestaltung der Verfügungsgeschäfte die Möglichkeit vertan, dass jedermann die dingliche Rechtslage erfassen kann.384 Das Sachenrecht bildet mit seinen Grundsätzen folglich nicht ohne Grund ein in sich geschlossenes System.385 Römisches Privatrecht, 22. Auflage, § 14 Rn. 4. zum schweizerischen Recht bereits S. 100 f. 379  Fuchs, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 26. Edition 2021, „Sachenrecht“. 380  Westermann/Gursky/Pinger, Sachenrecht, 6.  Auflage, § 3 III 1; Schreiber, JURA 2010, 272 (275); Stadler, in: Soergel, 13. Auflage 2002, §§ 854–984, Einl. Rn. 42; nicht ohne Grund wird jene Ansicht, die § 950 BGB zum Schutz der Verkehrsfähigkeit von Sicherungseigentum abbedingen will, von der h. L. mit dem Hinweis darauf verworfen, dass es sich um zwingendes Recht handelt, siehe dazu nur Schermaier, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 950 Rn. 26 ff.; Helms/Zepper­ nick, Sachenrecht I, 5. Auflage, Rn. 134. 381  Wallerath, JR 1970, 161 (163); weiterhin unterscheiden sich dingliche Rechte von Obligationen durch die besonderen Anforderungen, die an ihre Entstehung gestellt werden, ebd.; auch Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 147 betont die Differenz zwischen dinglichen Rechten und schuldrechtlichen Ansprüchen bezüglich rechtlicher Struktur und Zielrichtung. 382  Kaulbach, JuS 2011, 397 (400); vgl. auch Westermann/Gursky/Pinger, Sachenrecht, 6. Auflage, § 1 I 1 und 2. 383  Kaulbach, JuS 2011, 397 (400); Füller, Eigenständiges Sachenrecht? (2006), S. 559; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, 9. Auflage, § 10 Rn. 58. 384  Schreiber, JURA 2010, 272 (275). 385  Wallerath, JR 1970, 161 (163). 377  Kaser/Knütel/Lohsse, 378  Vgl.



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht165

Dieses würde durch die Einführung einer außerordentlichen Ersitzung im Fahrnisrecht mittels analoger Anwendung des § 900 BGB aufgebrochen.386 2. Entsitzung a) Das Lösungsmodell Ferner wird die sogenannte „Entsitzung“ als möglicher Lösungsansatz zur Vermeidung des dominium sine re diskutiert. Gemeinhin wird darunter der Verlust der dinglichen Rechtsposition ex lege verstanden. Konkret würde der Eigentümer die ihm eigentlich nach Eintritt der Vindikationsverjährung verbleibende Rechtshülse aufgrund Zeitablaufs ebenfalls einbüßen; die in der Folge herrenlose Sache könnte sich der Besitzer im Wege der Aneignung einverleiben (§ 958 I BGB).387 Anders als durch eine außerordentliche Ersitzung bedürfte es zum Eigentumserwerb folglich noch eines Realaktes.388 Praktisch würden – unter der Prämisse, dass der Zeitpunkt der Entsitzung mit der Vindikationsverjährung zusammenfällt – daraus gleichwohl keine nennenswerten Unterschiede resultieren. Indessen besteht unter den Befürwortern dieses Lösungsmodells keine Einigkeit darüber, wann eine „Entsitzung“ eintreten soll. Während Kegel dies für den Fall postuliert, dass der Eigentümer den Besitz über einen Zeitraum von 30 Jahren verloren hat,389 halten Stammler und Rümelin die Voraussetzungen abstrakter: Eine „Entsitzung“ soll dann eintreten, wenn die Rückführung der Sache an den Eigentümer unmöglich und „das Behaupten des Einwirkens und Ausschließens [deshalb nur] ein persönliches Spiel mit Worten“ ist.390 Nach Kegel eigne sich die Frist von 30 Jahren deshalb besonders gut als Entsitzungsfrist, da nicht nur die regelmäßige Verjährungsfrist sich ursprünglich über einen Zeitraum von dreißigjährig Jahren erstreckte (heute trifft das jedenfalls auf § 197 I Nr. 2 BGB zu), sondern das Gesetz auch außerhalb des Verjährungsrechts eine Grenze nach Ablauf von 30 Jahren zieht. Namentlich innerhalb des Erbrechts hat der Gesetzgeber den Gedanken manifestiert, dass der Erblasser den Nachlass nur für 30 Jahre oder für das Le386  Zur

Durchbrechung von Typenzwang und Typenfixierung schon oben S. 95. Eigentumsverlust ex lege Kegel, in: FS v. Caemmerer (1978), 149 (176); Stammler, Die Lehre von dem richtigen Rechte, 2. Auflage, S. 336/1. Auflage, S.  554 f. und Rümelin, AcP 133 (1931), 94 (100); ablehnend Heinze, in: Staudinger, 2020, § 959 Rn. 12; vgl. auch Remien, AcP 201 (2001), 730 (735). 388  Zur Qualifizierung der Okkupation als Realakt siehe nur Schermaier, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 958 Rn. 3 m. w. N. 389  Kegel, in: FS v. Caemmerer (1978), 149 (176). 390  Stammler, Die Lehre von dem richtigen Rechte, 2. Auflage, S. 336 f./1. Auflage, S. 554 ff. und Rümelin, AcP 133 (1931), 94 (100). 387  Zum

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

ben eines bestimmten Menschen binden kann, vgl. § 2044 II BGB (Erbteilungsverbot), § 2109 BGB (Nacherbschaft), §§ 2162, 2163 BGB (Vermächtnis), § 2210 (Testamentsvollstrecker).391 Freilich ist zuzugeben, dass keiner der soeben benannten Vertreter explizit die Vindikationsverjährung vor Augen hatte. Während Kegel mit seinen Ausführungen vornehmlich auf versunkene Schiffe zielt,392 betrifft die auf Stammler zurückgehende und von Rümelin übernommene Idee die Frage, ob jene Feuerwehrleute, die das in ein Rohr geratene Tier nicht befreien können und es deshalb aus Mitleid ertränken, überhaupt auf den Rechtfertigungsgrund des § 904 BGB angewiesen sind oder der Eigentümer sein Recht an der Sache ohnehin schon aufgrund der Tatsache einbüßt, dass das Tier unrettbar ist393. Insbesondere die Überlegung Kegels, die „Entsitzung“ des gesunkenen Schiffs an die fehlenden Bemühungen des Eigentümers zu knüpfen, dieses zu bergen,394 legt jedoch eine Übertragung auf den hiesigen Fall nahe;395 auch die Vindikationsverjährung sanktioniert die lange Untätigkeit des Gläubigers. Kommt man dem nach, würden sich jedenfalls nach Kegels Auffassung Verjährung und Entsitzung hinsichtlich Frist und Fristbeginn decken und somit der Verjährungs- und Entsitzungszeitpunkt zeitlich zusammenfallen. In Abhängigkeit davon, wie weit man die von Stammler und Rü­ melin postulierte Unmöglichkeit versteht, könnte dasselbe Ergebnis auch bei Zugrundelegung von deren Sichtweise erzielt werden – schließlich ist der Eigentümer nach Eintritt der Vindikationsverjährung nicht mehr dazu in der Lage, die Sache auf rechtmäßigem Wege wiederzuerlangen.396 Legt man dies zugrunde, käme es regelmäßig zu dem bereits angeklungenen Gleichlauf von „Entsitzung“ und außerordentlichen Ersitzung. Denn der Eigentumserwerb gemäß § 958 I BGB setzt lediglich voraus, dass die herrenlose Sache in Eigenbesitz genommen wird. Zwar muss der Eigenbesitzer die Sache gemäß § 827 BGB „als ihm gehörend“ besitzen, jedoch nicht da391  Kegel,

(928).

in: FS v. Caemmerer (1978), 149 (176); ders., in: FS Lange (1976), 927

392  Kegel, in: FS v. Caemmerer (1978), 149 (176 f.); für versunkene Schiffe wird dieser Ansatz auch heute noch vertreten, vgl. Nöll, in: Staudinger, 2019, § 7 SchiffsRG Rn.  4 m. w. N. 393  Stammler, Die Lehre von dem richtigen Rechte, 2. Auflage, S. 336/1. Auflage, S. 554 f. konkret ging es um einen nicht mehr rettbaren Hund. 394  Kegel, in: FS v. Caemmerer (1978), 149 (176 f.). 395  Den Gedanken, seine angestellten Überlegungen auch auf die Vindikationsverjährung zu projizieren, stößt Kegel, in: FS v. Caemmerer (1978), 149 (176) selbst an, weist dieser doch auf die aus der Verjährbarkeit des § 985 BGB resultierenden Widersprüche hin. Vgl. auch Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 175 f. 396  Zum umfassenden Anspruchsausschluss nach Eintritt der Vindikationsverjährung schon oben S. 76 ff.



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht167

von überzeugt sein, tatsächlich Eigentümer der Sache zu sein.397 Ausreichend ist vielmehr der Wille, die Sache wie ein Eigentümer zu beherrschen; selbst die Kenntnis von der fehlenden dinglichen Berechtigung ist unschädlich. Berücksichtigt man nun, dass der Vindikationsschuldner schon durch seine Stellung als solcher zwingend den Besitz innehaben muss und er entweder gutgläubig von seiner Eigentümerstellung ausgeht oder die tatsäch­ liche Sachherrschaft bereits 30 Jahre lang innehat,398 liegt es nahe, dass er die Sache für sich selbst unter Ausschluss anderer beherrscht.399 Demnach dürfte es regelmäßig keine Schwierigkeiten bereiten, auch im Zeitpunkt der Vindikationsverjährung die Tatbestandsvoraussetzungen des § 958 I BGB zu bejahen. b) Kritische Auseinandersetzung Die Kritik gegenüber diesem Lösungsmodell deckt sich – angesichts der weitgehend identischen Rechtsfolgen wenig überraschend400 – in weiten Teilen mit jenen Punkten, die bereits gegen die außerordentliche Ersitzung vorgebracht wurden. So drängt sich auch in diesem Rahmen die Frage nach dem den § 197 I Nr. 2 und § 198 BGB verbleibenden Sinn auf. Wenn der Eigentümer doch bereits nach Ablauf von 30 Jahren seine dingliche Rechtsposition an der Sache verliert, erklärt sich nicht, wieso es dann noch einer Verjährung des Vindikationsanspruchs bzw. der Möglichkeit, dass auch der Rechtsnachfolger sich auf die Vindikationsverjährung berufen kann, bedarf. Bei genauer Betrachtung käme es gleichsam zu einer noch unverhohleneren Widerbe­ lebung der zuvor angesprochenen, in Deutschland schon im 19. Jahrhundert aufgegebenen einheitlichen Präskriptionslehre401 – nichts weniger als das Eigentumsrecht selbst würde letztlich verjähren. Von dieser Feststellung ausgehend ist der Vorwurf, dass auch hier ein Konflikt mit der seitens der Gesetzesväter aufgestellten Wertentscheidung, dem Besitzer nicht allein durch Zeitablauf von 30 Jahren das Eigentum zuzusprechen, droht, nur unweit entfernt.402 Daran schließt die Problematik, dass schleierhaft bleibt, auf welchem dogmatischen Boden eine solche „Entsitzung“ stehen sollte, nahtlos an. 397  Schäfer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 872 Rn. 3 m. w. N. auch zum Folgenden. 398  Zur Frage, welche Besitzer durch die Vindikationsverjährung profitieren, schon oben S. 107 ff. 399  Zu diesen Kriterien Schäfer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 872 Rn. 3 m. w. N. 400  Ausführlich dazu unter der vorstehenden Überschrift, S. 160 ff. 401  Vgl. zu dieser schon S. 163. 402  Dazu bereits oben S. 160 f.; Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 985 Rn. 133 behandelt und kritisiert beide Modelle gemeinsam.

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

Im Vergleich zur außerordentlichen Ersitzung ist die „Entsitzung“ insofern noch ungleich schwächer aufgestellt. Denn während sich erstere zumindest noch auf Anhaltspunkte im Gesetz stützten konnte, lässt letztere solche gänzlich vermissen. Einzig denkbar wäre die Möglichkeit, die in § 959 BGB vorgesehene Tatbestandsvoraussetzung des Dereliktionswillens durch eine dreißigjährige Frist zu ersetzen. Da das Gesetz einen Eigentumsverlust jedoch nur unter den in § 959 BGB niedergelegten Voraussetzungen – Besitzaufgabe in Verbindung mit einem entsprechend erklärten Willen – anerkennt, liegt der insofern drohende Konflikt auf der Hand: Die „Entsitzung“ würde contra legem einen neuen Dereliktionstatbestand bedingt durch Zeitablauf schaffen; der numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände wäre verletzt.403 Gewiss wird auch in jüngerer Zeit noch betont, dass ein Erlöschensgrund ohne gesetzliches Fundament dann erwogen werden könne, „wenn diese Lösung allein der Natur der Sache gerecht würde oder wenn sie durch ein unabweisbares Bedürfnis des Rechtsverkehrs gefordert würde.“404 Ein gegen die Verletzung des numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände sprechender Aspekt ergibt sich daraus gleichwohl nicht. Denn einschränkend ist zu bemerken, dass jene Erwägungen nur für verlorene, besitzlose Sachen angestellt werden. Davon würde die hiesige Konstellation, in der das Eigentum durch die „Entsitzung“ gleichsam in der Hand des Besitzers verloren ginge, erheblich abweichen. Man mag dem Rechtskonstrukt der „Entsitzung“ im Kontext verlorengegangener Sachen gegebenenfalls folgen, im Rahmen der Vindikationsverjährung vermag dieses aber nicht weiterzuhelfen. Löst man sich abschließend von den bereits gegen die außerordentliche Ersitzung vorgebrachten Argumenten und betrachtet im Speziellen das von Kegel gewählte argumentative Fundament für eine „Entsitzung“ – dieser rückt die langjährige Untätigkeit des Eigentümers in den Fokus405 –, ergibt sich ein abschließender Kritikpunkt: Mit dieser Argumentation würde der Eigentümer für ein und dasselbe Verhalten doppelt sanktioniert, denn das Gesetz sieht bereits eine Rechtsfolge für die Nichtgeltendmachung eines fälligen Anspruchs vor – die Verjährung.406

403  Zum numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände schon im Rahmen der außerordentlichen Ersitzung S. 164 f. 404  Heinze, in: Staudinger, 2020, § 959 Rn. 12, der diese selbst aufgestellten Voraussetzungen unter Verweis auf die Regelungen des Fundrechts jedoch auch für verlorene Gegenstände ablehnt. 405  Kegel, in: FS v. Caemmerer (1978), 149 (176 f.). 406  Vgl. schon Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 177 f. Zu den die Verjährung rechtfertigenden Gründen schon oben S. 111 ff.



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3. Anspruch auf Eigentumsverzicht/-übertragung a) Das Lösungsmodell Neben den zuvor behandelten Ansätzen, welche einen Eigentumserwerb bzw. -verlust ipso iure nach sich ziehen, wird zudem erwogen, dem Besitzer einen Anspruch gegen den Eigentümer auf Eigentumsverzicht oder Eigentumsübertragung zuzubilligen. Als Anspruchsgrundlage kämen dazu §§ 886, 1169, 1254 BGB407 bzw. § 242 BGB408 in Betracht. Der Hintergrund dieser Ansicht besteht darin, dass die BGB-Kommissionen durch die Schaffung der §§ 886, 1169, 1254 BGB und des § 1266 S. 2 BGB a. F. den Rechtsgedanken kodifiziert haben, dass inhaltslose Rechte vermieden werden sollen.409 Dieser Gesetzgebung lagen die Erwägungen zugrunde, dass der Gläubiger an der Aufrechterhaltung eines inhaltslosen Rechts kein berechtigtes Interesse haben könne, wohingegen der Eigentümer durch das Fortbestehen jenes Rechts empfindlich getroffen werde, wenn er etwa daran gehindert wird, den Realkredit, den sein Grundstück ohne die inhaltsleere Belastung gewähren würde, vollumfänglich auszuschöpfen.410 Dieser Rechtsgedanke sei auch über die im Gesetz geregelten Fälle hinaus verallgemeinerungsfähig. Folglich solle umgekehrt auch der peremptorisch Einredeberechtigte, der durch das bestehende einredebehaftete Recht irgendwie benachteiligt wird, diese Benachteiligung durch einen Verzichts- oder einen vergleichbaren Anspruch beseitigen können.411 Die Resignation vor einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz im Rahmen der Vindikationsverjährung konfligiere mit dieser Wertung, würde die Rechtsposition des Besitzers doch ebenfalls durch das dem Eigentümer verbliebene wertlose Recht beeinträchtigt. Daher könne nicht angenommen werden, der Gesetzgeber habe sich durch die Ablehnung einer 407  Flume, in: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik, Bd. 84, 1934, 340 (340 f.); Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 193 ff. hegt zumindest Sympathien für diesen Ansatz, wenngleich er für die Lösung des Konflikts die außerordentliche Ersitzung präferiert, vgl. zu dieser oben S. 157 ff. 408  Sirp, in: Erman, 8. Auflage 1989, § 242 Rn. 96 erwägt einen Anspruch des Besitzers auf Verzicht gegen den dinglich Berechtigten, wenn ersterer „der Ausübung des Rechts in vollem Umfange und für alle Zeit widersprechen kann“; so auch Ols­ hausen, JZ 1983, 288 (290). 409  Flume, in: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik, Bd. 84, 1934, 340 (340 f.); Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 194; Olshausen, JZ 1983, 288 (290); Regenfus, Vorgaben des Grundgesetzes (2013), S. 360 f. meint, dass sich bereits aus § 937 BGB die Wertung ableiten lasse, dass inhaltslose Rechte nicht fortbestehen sollen; so auch Heck, Grundriss des Sachenrechts (1930), § 32 Rn. 5. 410  So die Gesetzesväter zu § 1169 BGB, siehe Mugdan, Bd. III, S. 405 = Motive, Bd. 3, S. 724; vgl. auch Flume, in: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik, Bd. 84, 1934, 340 (342). 411  Flume, in: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik, Bd. 84, 1934, 340 (341 f.).

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außerordentlichen Ersitzung gegen die gesamtanaloge Anwendung der §§ 886, 1169, 1254 BGB ausgesprochen, würde sich dieser andernfalls doch selbst in einen Wertungswiderspruch verwickeln. Fehle ein entgegenstehendes Interesse des Eigentümers,412 könne demnach von dem Willen des Gesetzgebers, dem Besitzer einen Übereignungsanspruch einzuräumen, ausgegangen werden.413 Durch einen solchen Anspruch würde – so die Verfechter dieser Ansicht – zudem die verfassungsrechtliche Vorgabe eines Vollrechts mit Verfügungsund Nutzungsbefugnis wieder aufleben, ohne dass es eines schwerwiegenden Eingriffs in die Rechtsposition des Eigentümers bedürfte: Da sich dessen Rechtsverlust im Wesentlichen bereits durch die Anerkennung der peremptorischen Einrede vollzogen habe, stelle die lediglich noch formell zu vollziehende Übertragung des Rechts nur eine minimale zusätzliche Belastung dar.414 Des Weiteren gelte es zu berücksichtigen, dass das Interesse des Eigentümers an seiner lediglich noch formal bestehenden Rechtsposition als geringwertig eingestuft werden dürfte, wohingegen das Interesse des Besitzers daran, vollwertiges Eigentum zu erlangen, als besonders hoch angesehen werden könne.415 Schließlich brächte diese Lösung auch diverse Vorteile mit sich. Nicht nur die Verkehrsfähigkeit der Sache würde auf diesem Weg wiederhergestellt, sondern auch die durch die Verjährung angestrebte Beruhigungsfunktion würde endlich erreicht. Damit stünde ein auf §§ 886, 1169, 1254 BGB basierender Anspruch auf Eigentumsübertragung bzw. -verzicht zugunsten des sich auf die Vindikationsverjährung berufenden Besitzers mit Art. 14 GG nicht mehr im Konflikt als die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz selbst.416 412  Ein solches berechtigtes Interesse bejaht Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 193 beispielhaft, wenn ein wertvolles Kunstwerk Gegenstand der Vindikation ist. Bei einem solchen sei die Gefahr, dass die Sache (erneut) durch einen Diebstahl den Besitzer wechselt – damit wäre nach Finkenauer das Wiederaufleben der Vindikationslage mangels Eingreifens des § 198 BGB verbunden –, deutlich höher. Deshalb würde sich in solchen Fällen das Fortbestehen der verfahrenen Situation in Form des dominium sine re für den Eigentümer allein aufgrund des Wertes der Sache ausnahmsweise lohnen. 413  Diese Erwägungen stellt Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 194 an. 414  Regenfus, Vorgaben des Grundgesetzes (2013), S. 361, der betont, dass der Entzug einer Rechtsposition, die aus materiellen Gerechtigkeitsgründen nicht mehr schutzwürdig ist, keinen schwerwiegenden Eingriff darstellen kann. 415  Regenfus, Vorgaben des Grundgesetzes (2013), S. 360. 416  Regenfus, Vorgaben des Grundgesetzes (2013), S. 361; ablehnend dagegen Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 120, jedoch ohne Begründung; Eckert, MDR 1989, 135 (136) stuft die Versuche, das Eigentum untergehen zu lassen, als verfassungswidrig ein, da das dem Eigentümer verbleibende Recht weder schutz- noch wertlos sei.



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht171

b) Kritische Auseinandersetzung Hinterfragt man auch den soeben dargelegten Lösungsansatz prüfend, lässt sich für diesen einstweilen ein im Vergleich zu der bereits diskutierten außerordentlichen Ersitzung sowie der Entsitzung nennenswerter Vorteil verzeichnen: Der Kritikpunkt, dass der Anwendungsbereich des § 197 I Nr. 2 und des § 198 BGB faktisch auf null reduziert würde, ist hier nicht einschlägig. Wie schon die beiden zuvor diskutierten Lösungsmodelle, weist gleichwohl auch dieser Ansatz Schwächen hinsichtlich seines dogmatischen Ansatzpunktes auf. Der gesamtanalogen Anwendung der §§ 886, 1169, 1254 BGB lässt sich gleichermaßen das Fehlen der Analogievoraussetzungen entgegenhalten. Wollte man den Anspruch auf Eigentumsverzicht bzw. -übertragung mittels § 242 BGB begründen, ließe sich der Einwand fehlender Übertragbarkeit der in dem Normagglomerat niedergelegten Wertungen erheben. Zwar mag es zutreffen, dass der Wille des Gesetzgebers zur Vermeidung von inhaltsleeren Rechten sich in diesen Regelungen abzeichnet und die in §§ 886, 1169, 1254 BGB kodifizierten Fälle dem der Vindikationsverjährung insofern gleichen, als die dingliche Berechtigung des Eigentümers durch das Recht eines Dritten beeinträchtigt wird. Im Übrigen unterscheiden sich die Vindikationsverjährung und die von besagtem Normkonglomerat erfassten Fälle aber erheblich; nicht zuletzt auf Rechtsfolgenseite zeigen sich Verwerfungen. Die §§ 886, 1169, 1254 BGB normieren jeweils einen Anspruch des Eigentümers gegenüber dem Inhaber eines beschränkt dinglichen Rechts mit dem Ziel, bestehendes Eigentum von einer wirtschaftlich sinnlosen Belastung zu befreien. Wollte man durch die analoge Anwendung besagter Normenkette oder mittels § 242 BGB einen Eigentumserwerb zugunsten des peremptorisch Einredeberechtigten begründen, würde man deren Anspruchsrichtung also ins Gegenteil verkehren – der Anspruch des Eigentümers zur Rückerlangung unbelasteten Eigentums würde zu einem Anspruch gegen den Eigentümer auf Übertragung des Eigentums.417 Damit korrespondiert auch die zweite Verwerfung: Geht es in den durch §§ 886, 1169, 1254 BGB erfassten Fällen darum, dem Sicherungsgeber eine Rechtsposition zurückzugeben, die dieser ursprünglich innehatte,418 würde dem Vindikationsschuldner typischerweise erstmalig das Eigentum an der Sache verschafft. Daran anknüpfend zeigt sich, dass auch der ratio legis des besagten Normagglomerats die der Vindikationsverjährung zugrundeliegende Situation fremd ist. Das den Eigentümer treffende empfindliche Übel fußt in den durch das Gesetz unmittelbar erfassten Fällen darauf, dass dessen dingliche Berechtigung fortwährend beschränkt in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 13.1. Verjährung der Vindikation (1997), S. 174; so auch Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 223. 417  Piekenbrock, 418  Plambeck,

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ist, obschon dem dinglichen Recht des Dritten keinerlei Wert beigemessen werden kann. Das den Besitzer nach Eintritt der Vindikationsverjährung treffende Übel, zwar eigentümerähnliche Befugnisse innezuhaben, aber nicht unbeschränkt über die Sache verfügen zu können, ist indessen nicht auf eine Beschränkung der dinglichen Berechtigung zurückzuführen, sondern gerade auf das Fehlen einer solchen. Schließlich kann die Beseitigung beschränkt dinglicher Rechte, wie sie in §§ 1169, 1254 BGB vorgesehen ist, schwerlich mit einer Übertragung des Eigentums gleichgesetzt werden.419 Durch den Versuch, mittels besagter Normenkette einen Übereignungsanspruch zugunsten des Besitzers zu begründen, würde den Regelungen folglich eine gänzlich fremde Rechtsfolge entlockt. Weder die Anspruchsrichtung noch die durch das Normagglomerat vorgesehene Rechtsfolge entspricht den Erfordernissen, die für einen Übereignungsanspruch des Besitzers notwendig wären. Selbst wenn man mit den Verfechtern dieses Ansatzes eine planwidrige Regelungslücke unter Verweis auf den andernfalls drohenden Wertungswiderspruch bejahen wollte,420 ist folglich jedenfalls eine vergleichbare Interessenlage abzulehnen. Die analoge Anwendung der §§ 886, 1169, 1254 BGB bzw. das Erzielen identischer Ergebnisse mittels § 242 BGB ist folglich überaus zweifelhaft. Abschließend lässt sich diese Lösung auch im Hinblick auf ihre Praktikabilität in Zweifel ziehen. So dürfte es sich für den Besitzer nach 30 Jahren regelmäßig schwierig gestalten, den Eigentümer überhaupt aus­ findig zu machen.421 Ganz davon zu schweigen, dass, sollte der Eigentümer doch gefunden werden, wohl ein Zivilverfahren die Folge wäre. Auch der Eintritt der durch die Verjährung angestrebten Beruhigungsfunktion ist somit zweifelhaft. 4. Einrede der Verjährung als unzulässige Rechtsausübung a) Das Lösungsmodell Schließlich wird zum Teil postuliert, dass die Geltendmachung der Vindikationsverjährung durch den bösgläubigen Besitzer oder den Dieb als unzulässige Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB zu qualifizieren sei.422 Der 419  Baldus, in: MüKo BGB, 8.  Auflage 2020, § 986 Rn. 10; Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 13.1; Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 174 f. 420  Vgl. S. 169 f. 421  So auch Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 196, der die Lösung im Wege außerordentlicher Ersitzung präferiert. 422  Müller-Katzenburg, NJW 1999, 2551 (2558); Heuer, NJW 1999, 2558 (2564); Raue, ZRP 2014, 2 (4); in Bezug auf abhandengekommene Kulturgüter auch Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 12 XI 3 m. w. N.; Finkenauer, JZ 2014, 479 (484);



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Entstehung eines dominium sine re würde also präventiv entgegengewirkt, ohne dabei das Rechtsinstitut der Vindikationsverjährung aus den Angeln zu heben. Zwar hat dieser Ansatz seinen Ursprung im Kontext von Kunstrauben sowie der Beschlagnahmung sogenannter entarteter Kunst durch die Nationalsozialisten, sodass er gerade jene causae betrifft, in deren Mittelpunkt der Kulturgüterschutz steht423 und die deshalb nicht Gegenstand dieser Arbeit sein sollen. Berücksichtigt man jedoch die insofern angeführte Argumentation, lässt sich dieser für jene besonderen Fälle entwickelte Ansatz gleichwohl ohne Weiteres abstrahieren und im hiesigen Rahmen fruchtbar machen.424 So soll sich auf die Einrede der Verjährung nur derjenige berufen dürfen, der berechtigterweise darauf vertraut, nach so langer Zeit nicht mehr durch den Gläubiger in Anspruch genommen zu werden. Wer die Sache hingegen nach einem Diebstahl 30 Jahre lang lagert, handele arglistig und dürfe mit diesem Verhalten keinen Erfolg haben.425 Dies zeige auch die augenscheinliche Parallele zu demjenigen, der die Einrede der Verjährung in rechtsmissbräuchlicher Weise herbeigeführt hat. Angespielt wird damit auf die Rechtsprechung des BGH: Dieser versagt dem Schuldner die Geltendmachung der Verjährungseinrede gestützt auf § 242 BGB, wenn er den Gläubiger von der rechtzeitigen Klageerhebung erst abhält und sich im Anschluss auf Verjährung beruft.426 Konsequenterweise müsse daher der Einwand des Rechtmissbrauchs auch gegenüber dem Dieb und dem Bösgläubigen durchschlagen, würden diese den Gläubiger doch in gleicher Weise seiner Mögvgl. auch Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 60 Fn. 138 der diese Ansicht ablehnt, jedoch eine Fülle an Nachweisen liefert. Freilich stellt dies nicht die einzige diskutierte Lösung dar, mit denen der Kulturgüterschutz erreicht werden soll, so postuliert etwa Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 21 eine Ablaufhemmung gemäß § 206 BGB analog. Auch Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf (2000), S. 193 lässt anklingen, dass für wertvolle Kunstgegenstände u. U. abweichende Regelungen gelten können. Siehe auch Kap. 2 Fn. 440. 423  Vgl. die Nachweise unter der vorstehenden Fußnote. 424  In diese Richtung auch Raue, ZRP 2014, 2 (4), indem er pauschal von „dem Dieb“ spricht; Remien, AcP 201 (2001), 730 (730 f. und 735 ff.) zeigt zudem eindrucksvoll, dass die Erwägungen zum Kulturgüterschutz gar bis zum Postulat der generellen Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs führen können, dazu bereits oben S. 100 ff. 425  Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 12 XI 3; Raue, ZRP 2014, 2 (4), dieser lehnt es gleichwohl ab, die Gutgläubigkeit des Besitzers zur Tatbestands­ voraussetzung für die Vindikationsverjährung zu erheben, da der Nachweis von Gutgläubigkeit wenig praktikabel sei und unüberwindbare Schwierigkeiten bereite. 426  In ständiger Rechtsprechung versagt der BGH in diesen Fällen dem Schuldner die Berufung auf die Einrede der Verjährung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens, vgl. BGHZ 93, 64 (66) = NJW 1985, 798; BGH, Urteil vom 01.10.1987 – IX ZR 202/86 = NJW 1988, 265 (266); positivrechtlich ist dieser Gedanke in § 203 BGB zum Ausdruck gekommen.

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lichkeit entheben, den Herausgabeanspruch geltend zu machen, indem sie den Besitz nicht offen zeigen.427 Dieses Ergebnis sei auch insofern sinnstiftend, als zusätzlichen Anreizen zum Missbrauch der Verjährung vorgebeugt würde, da insbesondere Gegenstände im Kunstbereich häufig so wertvoll sind, dass sich andernfalls eine dreißigjährige „Lagerung“ lohnte.428 b) Kritische Auseinandersetzung Allein unter Rekurs auf die drohende Beeinträchtigung der Rechtssicherheit, die aus der gegebenenfalls notwendigen Fallgruppenbildung hervorgehen könnte, kann dieser Lösungsvorschlag freilich noch nicht abgelehnt werden.429 Doch auch jenseits dessen bietet dieses Modell (sowohl im Kontext des Kulturgüterschutzes als auch im hier zu diskutierenden Rahmen) viel Raum für Kritik: Der erste Einwand ergibt sich bereits aus der klaren Wertentscheidung des Gesetzgebers, sämtliche Ansprüche losgelöst von subjektiven Elementen der Verjährung zu unterwerfen.430 Wollte man dem Besitzer bedingt durch dessen Bösgläubigkeit die Berufung auf die Verjährung versagen, würde nicht nur in die durch den Gesetzgeber austarierte Interessenabwägung eingegriffen,431 sondern letztlich die Wertentscheidung durch die Hintertür umgangen.432 Zusätzlich hinkt der Vergleich zu dem den Gläubiger von der Geltendmachung der Forderung aktiv abhaltenden Schuldner, der sich im Anschluss auf die Verjährung beruft. Denn das Schweigen des Diebes bzw. des Bösgläubigen oder Bunkern des Diebesgutes bzw. der Sache ist letztlich als bloßes 427  Müller-Katzenburg, NJW 1999, 2551 (2558); Raue, ZRP 2014, 2 (4) stützt darauf sogar einen Erst-recht-Schluss. 428  Müller-Katzenburg, NJW 1999, 2551 (2558); Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 12 XI 3; in diese Richtung auch Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 21. 429  Kritisch insofern Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 937 Rn. 95; ders., in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 985 Rn. 112 („müssten dann nicht erst zahlreiche andere Fallgruppen positiviert werden, in denen die Rechtslage nur noch aus Großkommentaren ersichtlich ist?“). 430  Siehe dazu schon oben S. 110 f. 431  Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 985 Rn. 112. Durch den Freistaat Bayern wurde ein Gesetzesentwurf vorgelegt (abrufbar unter: https://www.justiz. bayern.de/media/pdf/gesetze/kulturgut_rs.pdf), welcher in eine ähnliche Richtung zielte; durch diesen sollte es dem Dieb versagt werden, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Der Entwurf wurde jedoch ad acta gelegt, vgl. Baldus, a. a. O., und zur kritischen Auseinandersetzung Raue, ZRP 2014, 2 (4 f.). 432  Looschelders, in: Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, 103 (116 f.); diesen Konflikt sieht auch Finkenauer, JZ 2014, 479 (484).



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Unterlassen zu qualifizieren.433 Der Schuldner verhindert nicht aktiv die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs, er bietet dem Gläubiger lediglich keine Möglichkeit dazu. An dieser Einschätzung ändert sich entgegen der Ansicht Finkenauers selbst dann nichts, wenn der bösgläubige Besitzer die Sache lange Zeit einlagert, versteckt oder bewusst hin- und herschiebt;434 auch dieses Verhalten kann nicht als Beeinflussung des Gläubigers verstanden werden und steht somit einem Unterlassen gleich. Bereits rein äußerlich wirkt sich ein Unterlassen jedoch nicht gleichermaßen negativ auf die Durchsetzungsmöglichkeit aus wie das Eingreifen mittels Beeinflussung des Gläubigers.435 Schon deshalb fällt es schwer, von einer Vereitelung der Rechtsverfolgung zu sprechen. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn das Unterlassen einem Tun gleichzustellen ist, weil der Unterlassenden zum Handeln verpflichtet war. Um den Vorwurf eines groben Verstoßes gegen Treu und Glauben an das Unterlassen des Besitzers knüpfen zu können, bedürfte es demnach einer Aufklärungspflicht, die den Schuldner dazu zwingt, den Gläubiger über die anspruchsbegründenden Umstände und seine Person in Kenntnis zu setzen. Worauf eine solche gestützt werden sollte, ist indessen nicht ersichtlich; denn der Dieb bzw. der Bösgläubige hat nicht den Einwand der Verjährung rechtsmissbräuchlich herbeigeführt, sondern allenfalls den der Verjährung unterliegenden Anspruch auf diese Weise entstehen lassen.436 Berücksichtigt man schließlich, dass jedenfalls dem Dieb, der seine Identität preisgibt, regelmäßig Strafverfolgung droht, bleibt ebenfalls offen, wie eine solche Aufklärungspflicht mit dem nemo tenetur-Grundsatz in Einklang zu bringen wäre.437 Der Einwand des Rechtmissbrauchs kann demnach nur in besonderen Fällen, keineswegs aber schon allein aufgrund der Bösgläubigkeit des Besitzers in Erwägung gezogen werden.438 Spiro resümiert zutreffend: „In solchen Fällen mögen moralische Bedenken gegen die Verjährung bestehen; hat aber ihnen Rechnung zu tragen der Gesetzgeber bewusst dem Gewissen des 433  Looschelders, in: Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, 103 (117); Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 60 f. 434  Finkenauer, JZ 2014, 479 (484) („In einem solchen Fall hat [d]er [Besitzer] dem Gläubiger eine rechtzeitige Klageerhebung arglistig erschwert“). 435  Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 60; so auch Prütting, in: FS Meincke (2015), 273 (285). 436  Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 60 f. 437  Wenn bereits gesetzliche Aufklärungspflichten, die einer Selbstbezichtigung nahekommen, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur dann genügen, wenn sie mit einem strafrechtlichen Verwertungsverbot gekoppelt sind, vgl. BVerfGE 56, 37 (41 f.), sollte eine an eben jene Grenzen stoßende Aufklärungspflicht nicht leichtfertig in § 242 BGB hineingelesen werden. 438  Looschelders, in: Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, 103 (117).

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Schuldners überlassen, so darf auch der Richter sie nicht zur Geltung bringen, indem er die Berufung auf die Verjährung als Rechtsmissbrauch […] zurückweist.“439 Man mag es für erforderlich halten, im Kontext des Kulturgüterschutzes von den de lege lata durch die Vindikationsverjährung erzielten Ergebnissen abzuweichen. Jedenfalls der Einwand des Rechtsmissbrauchs vermag indes weder in diesem noch im hiesigen Rahmen als Lösung zu überzeugen. 5. Der Ersitzungstatbestand als Anknüpfungspunkt Wie zuvor gezeigt, können die vorausgegangenen Lösungsansätze insgesamt nicht überzeugen. Abgesehen von der die Berufung auf die Vindika­ tionsverjährung ausnahmsweise ausschließenden Ansicht bieten alle Lösungsansätze vornehmlich hinsichtlich ihrer dogmatischen Legitimation eine breite Angriffsfläche. Zudem vereint die außerordentliche Ersitzung und die „Entsitzung“, dass sie der durch die Gesetzesväter aufgestellten Wertung, dem Besitzer nicht unmittelbar durch Zeitablauf das Eigentum an der Sache zukommen zu lassen, entweder unmittelbar, jedenfalls aber im Ergebnis zuwiderlaufen. Im Folgenden soll deshalb eine eigene Lösung erarbeitet werden, die einen anderen Anknüpfungspunkt wählt. a) Hemmung der Verjährung durch „großzügige“ Auslegung im Kontext der Beutekunstfälle Um den hinter dem anschließend zu präsentierenden Lösungsmodell stehenden Gedanken zu verdeutlichen, soll – entgegen dem hier verfolgten Leit­ faden – noch einmal auf die Vindikationsverjährung gegenüber Kulturgü­ tern,440 genauer die von Baldus gewählte Herangehensweise für die sogeDie Begrenzung privater Rechte, Bd. 1 (1975), S. 31 f. deren strittigen Handhabe Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 20; Müller-Katzenburg, NJW 1999, 2551 (2558); Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 12 XI 3; offen gelassen von Henrich, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 197 Rn. 12; ablehnend gegenüber einer „Sonderbehandlung“ Prütting, in: FS Meincke (2015), 273 (284 f.); nicht überzeugen kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs, siehe dazu oben S. 172 ff.; grundlegend zu diesem Thema Bergmann, Verfall des Eigentums (2015). Jüngst wurde die Diskussion betreffend die Herausgabe von Kulturgütern, die zur Zeit des Kolonialismus nach Europa verbracht wurden, durch den Wiederaufbau bzw. die Eröffnung des Humboldt Forums in Berlin (zumindest in Deutschland) neu entfacht, vgl. nur Weller, ZUM 2018, 484 (486) m. w. N. aus der Presse und Bullinger/Terker, NJW 2019, 731; da im Rahmen dieser Fälle aber zum einen primär die Herausgabeansprüche aus dem Kulturschutzgesetz und nicht § 985 BGB im Zentrum des Diskurses stehen und zum anderen ein rein privater Eigentumsverlust schwerlich mit kolonialen Erwerbsgeschich439  Spiro, 440  Zu



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht177

nannten Beutekunstfälle, zurückgegriffen werden. Dieser attestiert besagten Fällen aus dem Zweiten Weltkrieg ein so erhebliches politisch-moralisches Konfliktpotential, dass die Verjährung allein nicht in hinreichendem Maße befrieden könne,441 und nimmt deshalb eine Ergebniskorrektur vor. Wie schon zuvor, soll die Frage, ob dem in der Sache zuzustimmen ist, unbeantwortet bleiben; von Interesse ist allein die gewählte Herangehensweise: Bal­ dus will jene Fälle durch eine von ihm als „großzügig“ betitelte Auslegung des § 206 BGB – er erwägt dabei sowohl eine direkte als auch analoge Anwendung – erfassen und so eine Hemmung der Verjährung erzielen.442 Konkret sei darüber nachzudenken, ob ein Fall höherer Gewalt443 im Sinne des § 206 BGB vorliegt, wenn Kunstobjekte während des Zweiten Weltkrieges durch Dritte in ein unbekanntes Depot verschleppt wurden.444 Ein solcher Fall könne dem als Unterfallgruppe höherer Gewalt anerkannten Stillstand der Rechtspflege – dieser erfordert, dass entweder die Rechtsverfolgungsbehörden ihre Tätigkeit insgesamt eingestellt haben oder im konkreten Fall verweigern445 – gleichgestellt werden, denn das Anrufen der Gerichte durch ten verglichen werden kann (vgl. Bullinger/Terker, NJW 2019, 731 [732 f. und 735]) soll hierauf nicht weiter eingegangen werden. 441  Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 985 Rn. 115. 442  Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 985 Rn. 133, 114 und 118; dieser betont auch, dass eine teleologische Reduktion der Vindikationsverjährung selbst in dieser Ausnahmekonstellation nicht in Betracht kommen könne. Einzig die sorgsame Untersuchung der existierenden Regelungen auf sachgerechte Auslegungsmöglichkeiten, könne zu einer überzeugenden Lösung führen. Die Schaffung von Sondertatbeständen sollte dagegen ebenso wie der Rückgriff auf § 242 BGB tunlichst vermieden werden, da daraus allein rechtsdogmatische Unsicherheiten resultieren würden, vgl. a. a. O. Rn.  110 ff.; Looschelders, in: Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, 103 (115 f.) zieht § 206 BGB zumindest auch in Erwägung; ablehnend gegenüber der analogen Anwendung des § 206 BGB Jerger/Graf Wolffskeel v. Rei­ chenberg, GWR 2015, 265 (268); kritisch auch Prütting, in: FS Meincke (2015), 273 (284). 443  Zu den strengen Anforderungen an dieses Merkmal siehe nur BGH, Urteil vom 07.05.1997 – VIII ZR 253/96 = NJW 1997, 3164 (3164): Das Hindernis muss auf Ereignissen beruhen, die auch durch die äußerste, billigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden konnten; schon das geringste Verschulden würde der höheren Gewalt entgegenstehen. Vgl. auch die durch den Gesetzgeber ausdrücklich nicht von § 206 BGB erfassten Fälle, BT-Drs. 14/6040, S. 119. 444  Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 985 Rn. 116; die Beschränkung auf diese Fälle will Baldus durch eine zusätzliche Voraussetzung gewährleisten: die kategoriale Abweichung vom Normalfall des Versteckens durch einen Dieb. Dies sei anzunehmen, wenn „Profiteure eines Unrechtsregimes nicht nur über das Ende des Regimes hinaus Nutzen aus ihrer Verstrickung ziehen, sondern überdies Situationen objektiver Ungewissheit und überlegenen Sonderwissens dauerhaft gegen Berechtigte verwenden“, vgl. a. a. O. Rn. 119. 445  Vgl. dazu nur Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 206 Rn. 7 und Bud­ zikiewicz, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 206 Rn. 11 jeweils m. w. N.

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Opfer solcher Beschlagnahmungen war typischerweise von vornherein aussichtslos.446 Die Verjährung müsse deshalb in diesen Fällen gehemmt werden.447 Ohne sich ein Urteil über diesen Lösungsansatz zu erlauben und ungeachtet der Tatsache, dass dieser allein für den benannten Ausnahmefall der hier nicht zu behandelnden entwendeten Kriegskunst fruchtbar gemacht wird, lässt sich doch eine entscheidende Wertung aus diesem ziehen: Der Rechtsanwender sollte sich der Instrumente bedienen, die der Gesetzgeber ihm bereits an die Hand gegeben hat. Die vorhandenen Normen sind deshalb auf sachgerechte Auslegungsmöglichkeiten hin zu überprüfen und eine Lösung allenfalls durch „großzügige“, also die Grenzen der Auslegung ausschöpfende, bzw. (teleologisch) extensive Lektüre des Normtextes zu erzielen.448 Dies als Richtschnur festgelegt, sollte die Lösung für die Vermeidung der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz primär in der Auslegung respektive gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung gesucht werden.449 Dass sich dabei besonders unbestimmte Rechtsbegriffe, wie auch Baldus anhand der höheren Gewalt im Sinne des § 206 BGB gezeigt hat, als Einfallstore zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse eignen, liegt auf der Hand.

446  Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 985 Rn. 117; Grothe, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 206 Rn. 7 m. w. N., der die DDR als Beispiel für das Vorliegen höherer Gewalt benennt, „da dort gerichtliche Hilfe in der praktischen Lebenswirklichkeit wegen politischer Zwänge […] vom Betroffenen nicht in Anspruch genommen werden konnte“; a. A. Heuer, NJW 1999, 2558 (2563), der meint, dass das fehlende Verschulden an der Beschlagnahmung nicht ausreiche, um den Rechtsfrieden fortlaufend zu gefährden; ablehnend gegenüber diesem Ansatz auch OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 02.11.2016 – 2-21 O 251/15 = BeckRS 2016, 19204 („Eine Hemmung der Verjährung gemäß § 203 BGB a. F. wegen Stillstandes der Rechtspflege im Zeitraum zwischen 1942 und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 fand nicht statt, da die Vorschrift des § 203 Abs. 1 BGB a. F. eine Hemmung wegen Stillstandes der Rechtspflege nur innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist begründen kann“). Wie hoch die Anforderungen sind, die an den Stillstand der Rechtspflege gestellt werden, zeigt jüngst die COVID-19-Pandemie; obschon unter besagten Begriff wohl unstrittig auch pandemische Lagen gefasst werden, wurde die Schwelle des Stillstandes zu keinem Zeitpunkt überschritten, vgl. zum Ganzen Willems, ZJS 2020, 183 (188) und Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 206 Rn. 5–5.4 jeweils m. w. N. 447  In der Sache dürfte dieses Lösungsmodell gewissermaßen eine Annäherung an das US-amerikanische Verjährungsrecht darstellen; dort beginnt der Herausgabeanspruch des Eigentümers erst dann zu verjähren, wenn dieser „vom Verbleib seines Kunstwerkes weiß oder jedenfalls bei Aufbringung der erforderlichen Sorgfalt wissen müsste“, siehe dazu Müller-Katzenburg, NJW 1999, 2551 (2558). 448  Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 985 Rn. 110 und 133; dieser erwägt eine analoge Anwendung des § 206 BGB a. a. O. Rn. 114, 118. 449  Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 985 Rn. 110, 112.



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht179

b) Vermeidung des dominium sine re durch „großzügige“ Auslegung des § 937 BGB Angesichts der vorangegangenen Ausführungen hat sich die Zahl denkbarer Lösungsansätze zur Vermeidung respektive Beseitigung des dominium sine re, das auf der Verjährung des § 985 BGB fußt, jedoch bereits erheblich reduziert: Da sich weder die Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs begründen lässt noch dem Besitzer die Erhebung der Verjährungseinrede untersagt werden kann,450 verengt sich das Sichtfeld auf die Lösungsmodelle, die einen (unmittelbaren) Eigentumserwerb des Besitzers ermöglichen. Doch auch die insofern in Betracht kommende Auswahl ist stark geschmälert, denn neben der außerordentlichen Ersitzung und der „Entsitzung“ wurde auch ein Anspruch auf Eigentumsübertragung zugunsten des Besitzers bereits als Lösungsmodell verworfen.451 Zudem haben sich aus der geleisteten Vorarbeit weitere Grenzen ergeben, innerhalb derer sich ein Lösungsmodell bewegen müsste: So kann weder ein unmittelbarer Eigentumserwerb zugunsten des Besitzers durch Ablauf der dreißigjährigen Verjährungsfrist in Betracht kommen – ein solcher würde dem Willen der Gesetzesväter zuwiderlaufen452 – noch sollte angesichts des numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände der Rechtserwerb auf einen de lege lata unbekannten Eigentumserwerbstatbestand gestützt werden. Sucht man unter Beachtung dieser Vorgaben nach einer Norm, die entsprechend der zuvor festgelegten Richtschnur zur Auflösung des dominium sine re durch Eigentumserwerb im Wege „großzügiger“ Auslegung im Stande sein könnte, kommt einzig § 937 BGB in Betracht. Diese einen Eigentumserwerb zugunsten des gutgläubigen Eigenbesitzers durch Zeitablauf ermöglichende Norm beugt nicht nur dem Vorwurf vor, gegen den numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände zu verstoßen, sondern beinhaltet mit der Tatbestandsvoraussetzung des guten Glaubens auch einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher einen gewissen Interpretationsspielraum bietet. Begünstigt wird dieser Ansatz schließlich dadurch, dass der Besitzer die Tatbestandsvoraussetzung des Eigenbesitzes auch dann verwirklichen kann, wenn er Kenntnis von der Eigentümerstellung des Dritten hat. Da die Verjährungseinrede regelmäßig deshalb erhoben werden dürfte, um die Sache auch zukünftig wie ein Eigentümer beherrschen zu können,453 sind die Voraussetzungen des § 872 BGB typischerweise zu bejahen. 450  Zu

Ersterem siehe S. 100 ff., zu Letzterem S. 172 ff. die außerordentliche Ersitzung vgl. S. 157 ff., für die „Entsitzung“ vgl. S. 165 ff., für den Anspruch auf Eigentumsübertragung vgl. S. 169 ff. 452  Vgl. Mugdan, Bd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 235. 453  Zur Maßgeblichkeit des Willens, über die Sache wie ein Eigentümer zu herrschen und zur Unbeachtlichkeit der Kenntnis von der fehlenden Eigentümerstellung 451  Für

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Die Möglichkeit des Eigentumserwerbs mittels Ersitzung steht und fällt folglich mit der Tatbestandsvoraussetzung der Gutgläubigkeit. Gemeinhin wird angenommen, dass die an die Gutgläubigkeit zu stellenden Voraussetzungen der Konstruktion des § 990 BGB entsprechen – der Besitzer muss sich selbst für den Eigentümer halten454 –, der Maßstab sich jedoch nach § 932 II BGB richtet – sowohl positive Kenntnis als auch grob fahrlässige Unkenntnis im Zeitpunkt des Besitzerwerbs schaden.455 Zusätzlich schließt § 937 II Alt. 2 BGB eine Ersitzung zugunsten desjenigen Besitzers, der nachträglich positive Kenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung erlangt hat, expressis verbis aus. Legt man diesen Maßstab an den Rechtsnachfolger im Sinne des § 198 BGB an, der erst nach oder unmittelbar vor Eintritt der Vindikationsverjährung die tatsächliche Sachherrschaft erlangt, kann dieser die Sache unzweifelhaft ersitzen, wenn er sich selbst für den dinglich Berechtigten hält und auch innerhalb der zehnjährigen Ersitzungsfrist keine positive Kenntnis von seiner Nichtberechtigung erlangt – eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz bleibt in diesem Fall aus. Hat der Besitzer demgegenüber zum Zeitpunkt des Besitzerwerbs (grob fahrlässige Un-)Kenntnis von seiner Nichtberechtigung oder erfährt er nachträglich von dieser, scheidet ein Eigentumserwerb im Wege des § 937 BGB bei Zugrundelegung des obigen Maßstabs auch dann aus, wenn er dem Vindikationsanspruch die Einrede der Verjährung entgegenhalten kann. In diesem Fall würden Eigentum und Besitz dauerhaft aufgespalten. Mit Blick auf den oben festgelegten Leitfaden bleibt nun zu erörtern, ob der unbestimmte Rechtsbegriff der Gutgläubigkeit einer so weiten Auslegung zugänglich ist, dass auch der Besitzer, der (grob fahrlässige Un-)Kenntnis von seiner Nichtberechtigung hat, darunter gefasst werden kann, wenn ihm die Einrede der Vindikationsverjährung zur Seite steht. Konkret: Geht mit dem Eintritt der Vindikationsverjährung die Gutgläubigkeit des Besitzers einher?456 Für die Gewährung eines gewissen Interpretationsspielraums spricht einstweilen, dass § 937 BGB selbst keine Legaldefinition für die Gutsiehe Schäfer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 872 Rn. 3 und Götz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.07.2021, § 872 Rn. 5 m. w. N. 454  Buchwitz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.05.2021, § 937 Rn. 34; Heinze, in: Staudinger, 2020, § 937 Rn. 7. 455  Baldus, in: MüKo BGB, 8.  Auflage 2020, § 937 Rn. 44; Buchwitz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.05.2021, § 937 Rn. 37; Heinze, in: Staudinger, 2020, § 937 Rn. 8. 456  Dies ähnelt nur auf erste Sicht einer akquisitiven Verjährung. Bei genauer Betrachtung unterscheidet der hiesige Ansatz sich grundlegend von dieser, denn es kommt nach wie vor auf das subjektive Element des § 937 BGB an. Siehe bereits S. 157 ff.



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gläubigkeit vorsieht. Da es sich insofern um einen originären und nicht derivativen Eigentumserwerb handelt, kann auch der Maßstab des § 932 II BGB nicht unreflektiert zugrunde gelegt werden.457 Mangels eindeutiger gesetzlicher Vorgaben ließe sich also wenigstens erwägen, auch den Besitzer, der im Zeitpunkt des Besitzerwerbs grob fahrlässig gehandelt oder positive Kenntnis von seiner Nichtberechtigung hat, zumindest nach Eintritt der Vindikationsverjährung als gutgläubig einzustufen. Dem Willen der Gesetzesväter würde dies jedenfalls nicht evidentermaßen zuwiderlaufen, da diese sich nur gegen den Eigentumserwerb unmittelbar nach Eintritt der Vindikationsverjährung explizit aussprachen.458 Anders gestaltet sich dies für den Besitzer, der erst nachträglich positive Kenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung erlangt, denn auch die „großzügigste“ Auslegung findet ihre Grenzen in einem eindeutig entgegenstehenden Gesetzeswortlaut.459 Mit dem Wortsinn des § 937 II Alt. 2 BGB ist es nicht vereinbar, besagten Besitzer als gutgläubig zu qualifizieren. Eine weite Auslegung des § 937 BGB kann die Auflösung des auf der Vindikationsverjährung fußenden dominium sine re somit nicht gewährleisten. c) Auflösung des dominium sine re im Wege gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung Damit ist freilich noch nicht gesagt, dass dem Ansatz, eine Konfliktlösung mithilfe des § 937 BGB zu erzielen, die Grundlage entzogen wäre. Denn der Wille des Gesetzgebers kann auch über die Wortlautgrenze hinaus im Wege der Rechtsfortbildung Beachtung finden.460 Den Ersitzungstatbestand des Mobiliarsachenrechts als Anknüpfungspunkt zu wählen, obschon der Besitzer (grob fahrlässige Un-)Kenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung hat, liegt in Anbetracht des Nachfolgenden sogar nahe: Der Besitzer, der nachträglich positive Kenntnis von seiner Nichtberechtigung erlangt461, nimmt, obwohl er schon ausweislich des Wortlauts des § 937 II Alt. 2 BGB 457  Baldus, in: MüKo BGB, 8.  Auflage 2020, § 937 Rn. 42; Buchwitz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.05.2021, § 937 Rn. 34 m. w. N. 458  Vgl. Mugdan, Bd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 235 f.; zu dieser Frage später noch im Detail, siehe S. 186 ff. 459  Bydlinski, Methodenlehre, 2. Auflage, S. 441, 467 f.; Larenz, Methodenlehre, 6. Auflage, S. 322, 343; BVerfGE 71, 81 (105); BVerfGE 83, 130 (144); BVerfGE 92, 1 (12); BGHZ 46, 74 (76); BGHZ 179, 27 (34). 460  Looschelders, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, Anh. zu § 133 Rn. 12. 461  In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen (vgl. S. 180), kann damit nur der Besitzer gemeint sein, der nach oder unmittelbar vor Verstreichen der dreißigjährigen Verjährungsfrist im Wege der Rechtsnachfolge nach § 198 BGB in den Besitz der Sache gelangt ist. Denn der von Beginn an Gutgläubige würde bereits nach Ab-

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die Sache nicht mehr ersitzen kann, durch die Vindikationsverjährung eine Rechtsposition ein, die der des Eigentümers zum Verwechseln ähnelt. Wenn sich der Vindikationsgegner nun aber trotz nachträglich erlangter positiver Kenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung bereits faktisch als Eigentümer gerieren kann, stellt sich die Frage, weshalb diesem der Eigentumserwerb auch fortlaufend kategorisch verwehrt bleiben sollte. Gewiss leuchtet es ohne Weiteres ein, dem Besitzer den Eigentumserwerb zu verweigern, wenn dieser von seiner Nichtberechtigung weiß und der dinglich Berechtigte die Sache noch herausverlangen kann – in diesem Fall besteht kein schutzwürdiges Vertrauen, das es rechtfertigen würde, die Sache in das eigene Vermögen einzugliedern. Grundlegend anders gestaltet sich dies, wenn dem Eigentümer – wie hier – ohnehin keine rechtliche Handhabe mehr gegenüber dem Besitzer zukommt, womit spiegelbildlich eine eigentümerähn­ liche Stellung zugunsten des letzteren einhergeht. Aus dieser lässt sich nicht nur die gesetzliche Billigung ablesen, wenn der Vindikationsschuldner die Sache in einen wirtschaftlichen Zusammenhang einfügt,462 sondern auch, dass es dem Eigentümer keinen Nutzen bringt, zukünftig Inhaber der ausgehöhlten Rechtsposition zu bleiben. Auf diese gesicherte Rechtsposition, die dem Besitzer ausweislich der obigen Ausführungen nach Erhebung der Verjährungseinrede zukommt,463 lässt sich bei genauer Betrachtung sogar ein Erst-recht-Schluss stützen: Wenn auf der einen Seite bereits das Vertrauen des Besitzers in seine Eigentümerstellung und die damit einhergehende Einflechtung in einen wirtschaftlichen Zusammenhang es legitimieren, die Trennung von Eigentum und Besitz aufzuheben, dann muss a fortiori dasselbe für denjenigen gelten, der die Sache aufgrund einer gesicherten Rechtsposition in sein Vermögen integriert. Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man unter dem Blickwinkel der ratio legis des § 937 BGB. Die Ersitzung dient dazu, einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz vorzubeugen, den Verkehrsschutz zu ergänzen und Beweiserleichterungen zugunsten des Besitzers zu erzielen.464 Kurzum: Der lauf der zehnjährigen Ersitzungsfrist das Eigentum an der Sache gemäß § 937 I BGB erwerben, sodass es nie zum Eintritt der Vindikationsverjährung käme. 462  Siehe zu diesem Kriterium und zum Bestandsinteresse im speziellen nur Buch­ witz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.05.2021, § 937 Rn. 3. 463  Siehe zum umfassenden Anspruchsausschluss schon oben S. 76 ff. Wieling, in: Scritti Guarino, Bd. 5 (1984), 2519 (2529) bezeichnet den Eigentumsübergang angesichts dessen als eine sich in „konstruktiven Erfordernissen begründen[de] Formalität“. 464  Buchwitz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.05.2021, § 937 Rn. 2 ff. m. w. N.; Eb­ bing, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 937 Rn. 1; Heinze, in: Staudinger, 2020, Vorb. §§ 937–945 Rn. 3; Kindl, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 937 Rn. 1; Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 937 Rn. 7 („Befriedung, Beruhigung und Vereinfachung unklarer Rechtsbeziehungen“); Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Auf-



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Konflikt zwischen Eigentümer und Besitzer soll bereinigt werden.465 Dass dabei die Vermeidung einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz nicht nur als positive Begleiterscheinung abgetan werden kann, belegen nicht zuletzt die – letztlich verworfenen – Erwägungen der Gesetzesväter, parallel zu § 900 BGB eine außerordentliche Ersitzung nach 30 Jahren zwecks Vermeidung eines dominium sine re zu schaffen.466 Gewiss wird der angesprochene Konflikt durch § 937 BGB lediglich dann im Wege regressfreien Eigentumserwerbs zugunsten des Besitzers gelöst,467 wenn letzterer die ­ strengen Voraussetzungen der Norm erfüllt, weswegen der Gutgläubigkeit des Vindikationsschuldners eine weichenstellende Funktion zukommt. Eine Konfliktlösung mittels Ersitzung zugunsten des Besitzers, der (grob fahrlässige Un-)Kenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung hat, scheidet deshalb – wie schon gezeigt468 – selbst bei „großzügiger“ Auslegung des § 937 BGB aus. Führt man sich allerdings noch einmal die Gesetzesbegründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vor Augen, in der es heißt: „Erst nach Ablauf der Verjährung kann auch der gutgläubige Erwerber sicher sein, dass ihm niemand mehr seine Rechte streitig macht“469, wird deutlich, dass es einer Auflösung des Konflikts zwischen Eigentümer und Besitzer nach Eintritt der Vindikationsverjährung nicht mehr bedarf; dieser wurde bereits zugunsten des letzteren entschieden. Kombiniert man nun diese Erkenntnis mit dem schon zuvor dargelegten Telos des § 937 BGB – der Vorbeugung einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz –, drängt sich unweigerlich eine Frage auf: Wenn der Eigentumserwerb zugunsten des gutgläubigen Besitzers bereits als Instrument zur Konfliktlösung verwendet wird, ist es dann nicht umgekehrt schlüssig, diese Konsequenz auch zugunsten des Besitzers zu ziehen, der zwar (grob fahrlässige Un-)Kenntnis von seiner Nichtberechtigung hatte, zu dessen Gunsten der Konflikt aber bereits im Voraus entschieden wurde? Auf den zuvor beschriebenen Weichensteller lage, § 53 Rn. 85, die von einem Bedürfnis sprechen, nach einer gewissen Zeitspanne die Diskrepanz zwischen wahrer und vorgestellter Rechtslage auszuräumen. Dem Verkehrsschutz kommt jedoch nur eine untergeordnete Rolle zu, wird dieser doch in erster Linie durch die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs garantiert, vgl. Buch­ witz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.05.2021, § 937 Rn. 5; Westermann/Gursky/Pinger, Sachenrecht, 6. Auflage, § 51 I 2 („Erwerbsinteressen des Ersitzenden stehen neben den allgemeinen Interessen an der Beruhigung der Rechtslage“). 465  Ernst, ZfPW 2019, 122 (126). 466  Mugdan, Bd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 235 f.; siehe dazu schon oben S. 153 ff. und 157 ff. 467  Siehe nur Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 937 Rn. 72; zur Frage, inwiefern durch § 937 BGB schuldrechtliche Rückgewähransprüche ausgeschlossen werden, vgl. Meller-Hannich, in: NK BGB, 4. Auflage 2016, § 937 Rn. 11. 468  Vgl. S. 179 ff. 469  BT-Drs. 14/7052, S. 179; siehe dazu schon umfassend oben S. 107 ff.

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könnte es dann nicht mehr entscheidend ankommen, wenngleich selbstredend nicht gänzlich auf subjektive Elemente verzichtet werden darf.470 Offen wäre dann freilich, wie sich eine solch weite Handhabe des § 937 BGB dogmatisch rechtfertigen ließe. d) Teleologische Extension des § 937 BGB zugunsten des redlichen Besitzers Als dogmatisches Fundament käme zur Rechtfertigung eines Eigentums­ erwerbs kraft Ersitzung trotz (grob fahrlässiger Un-)Kenntnis des Besitzers von seiner Nichtberechtigung sowohl die teleologische Extension – das durch Canaris geprägte Instrument gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung471 – als auch die Analogie in Betracht. Da insbesondere die an die teleologische Extension zu stellenden Anforderungen davon abhängen, ob man diese als eigenständige Rechtsfortbildungsmethode versteht, gilt es diese im Folgenden voneinander abzugrenzen. Das Meinungsspektrum ist vielfältig,472 lässt sich im Wesentlichen aber in zwei Hauptströmungen aufgliedern: So wird teilweise die teleologische Extension als ein selbstständiges, neben der Analogie stehendes Instrument begriffen, das dazu dient, dem Normzweck Rechnung zu tragen, indem es den Anwendungsbereich der Norm über die Wortlautgrenze hinaus ausdehnt.473 Dem steht die Ansicht gegenüber, die die teleologische Extension zwar ebenfalls als eine generelle Ausweitung der Norm begreift, diese jedoch unter Verweis darauf, dass auch sie auf dem Spannungsverhältnis zwischen Wortlaut und Telos der Norm basiert und zunächst einer Lückenfeststellung bedarf, als einen Unterfall der Analogie einstuft.474 Welche der beiden Ansichten sich als die vorzugswürdigere erweist, wird deutlich, wenn man die teleologische Extension und die Analogie auf ihre 470  Zur Frage, welche subjektiven Anforderungen anstatt dessen an den Besitzer zu stellen sind, siehe unten S. 190 ff. 471  Canaris, Lückenfeststellung (1983), S. 90. 472  Neben den sogleich nachfolgenden Ansichten sei etwa noch auf den von Muthorst, Grundlagen der Rechtswissenschaft, 2. Auflage, § 8 Rn. 27 ff. vertretenen Standpunkt hingewiesen, der die teleologische Extension zwar als eigenständiges Werkzeug gegenüber der Analogie betrachtet, diese jedoch dadurch charakterisiert, dass an die gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen eine andere Rechtsfolge als die gesetzlich vorgesehene geknüpft wird. 473  Canaris, Lückenfeststellung (1983), S. 90; Larenz, Methodenlehre, 6. Auflage, S. 397; Looschelders/Roth, Methodik (1996), S. 267 ff.; Looschelders, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, Anhang § 133 Rn. 48 m. w. N. 474  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 11. Auflage, Rn. 904; Röhl/Röhl, Rechtslehre, 3. Auflage, S. 621; Bydlinski, Methodenlehre, 2. Auflage, S. 475.



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Unterschiede hin untersucht. Denn auch wenn beide Rechtsfortbildungsmethoden auf denselben Effekt hinauslaufen – „die Rechtsfolgenanordnung einer Norm [wird] für Sachverhalte zur Geltung gebracht, die von ihrem Tatbestand nicht erfaßt sind“475 – divergieren diese erheblich im Detail. Der erste Unterschied zwischen teleologischer Extension und Analogie lässt sich auf der Rechtsfolgenseite verzeichnen. Während letztere die Anwendung der jeweiligen Norm auf einen zweiten, gesetzlich ungeregelten Fall nach sich zieht,476 dehnt erstere den unmittelbaren Anwendungsbereich der jeweiligen Norm entsprechend dem Telos aus.477 Anhand dessen wird auch die unterschiedliche Zielrichtung der beiden Rechtsfortbildungsmethoden deutlich. Die soeben angesprochene Ausdehnung des unmittelbaren Anwendungsbereichs im Wege teleologischer Extension dient dazu, der seitens des Gesetzgebers nur unvollkommen zum Ausdruck gebrachten Regelungsabsicht zur Geltung zu verhelfen. Eine solche Regelungsabsicht ist im Rahmen der Analogie, mangels entsprechender Norm, hingegen nicht einmal in unvollkommener Form erkennbar.478 Damit korrespondierend zeigt sich schließlich die letzte Divergenz: die Legitimation. Während sich die teleologische Extension unmittelbar auf die ratio legis der Norm stützen kann, deren Wortlaut zu eng gefasst wurde – ohne die Extension würde der Zweck der Norm verfehlt –,479 fußt die Analogie allein auf dem Gleichheitsgrundsatz.480 Nach dem Gesagten ist die teleologische Extension mithin als ein eigenes, von der Analogie zu unterscheidendes Instrument gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung zu begreifen.481 475  Looschelders/Roth, Methodik (1996), S. 268; so auch Larenz, Methodenlehre, 6. Auflage, S.  398 f. 476  Canaris, Lückenfeststellung (1983), S. 90; in diese Richtung auch Muthorst, Grundlagen der Rechtswissenschaft, 2011, § 8 Rn. 22. 477  Canaris, Lückenfeststellung (1983), S. 90. 478  Looschelders/Roth, Methodik (1996), S. 268 f. 479  Canaris, Lückenfeststellung (1983), S. 90; Larenz, Methodenlehre, 6. Auflage, S. 397; Looschelders/Roth, Methodik (1996), S. 267. 480  Canaris, Lückenfeststellung (1983), S. 90. 481  Auch die von Muthorst, Grundlagen der Rechtswissenschaft, 2. Auflage, § 8 Rn. 27 ff. dargelegte Ansicht (siehe oben Kap. 2 Fn. 472) bietet Raum für Kritik, denn eine nur unvollständig zum Ausdruck gekommene Regelungsabsicht muss sich nicht ausnahmslos auf eine zu eng gefasste Rechtsfolgenseite beschränken. So mag dies zwar in der von Muthorst hervorgehobenen causa des § 844 II BGB – der BGH urteilte, dass die Witwe des Getöteten nicht nur die nach dem Gesetzeswortlaut erfassten Unterhaltsansprüche, sondern auch die durch den Getöteten möglicherweise noch erarbeiteten Rentenansprüche ersetzt verlangen kann (BGHZ 32, 246) – zutreffen. Etwa im Fall des § 49 II HGB gestaltet sich dies jedoch anders. Dem Gesetzeswortlaut zufolge ist der Prokurist zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken nur berechtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt wird, im Umkehrschluss ist der Prokurist zu diesen Geschäften mithin grundsätzlich nicht ermächtigt. Entsprechend

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

Dies wirkt sich vornehmlich auf den Prüfungskatalog der teleologischen Extension aus. Denn erkennt man, dass im Falle der Analogie der fragliche Sachverhalt nicht nur von keiner Norm erfasst, sondern auch der Gesetzgeber keine Wertentscheidung in dieser Hinsicht gefällt hat, erschließt sich der gesteigerte Begründungsaufwand.482 Demgegenüber genügt es für die teleologische Extension, wenn sich „der Gesetzeszweck eindeutig ermitteln [lässt] und ohne die Korrektur der Zweck in einem Teil der Fälle verfehlt würde, ein schwerwiegender Wertungswiderspruch oder eine offenbare Ungerechtigkeit nicht zu vermeiden wären“.483 Daher gilt es die Frage aufzuwerfen, ob aufgrund des Vorliegens einer gesetzgeberischen Wertentscheidung einzig eine teleologische Extension als Korrekturmethode in Betracht kommt. Mit Blick auf die oben schon dargelegte ratio legis des § 937 I BGB lässt sich die hier Relevanz entfaltende Wertentscheidung unschwer in der Vermeidung einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz erkennen.484 Dieser sogenannten Befriedungsfunktion485 des Ersitzungstatbestandes liefe es zweifellos zuwider, wollte man eine Ersitzung zugunsten des Besitzers, der sich auf die Verjährung des Vindikationsanspruchs beruft, kategorisch ablehnen. Die für die teleologische Extension notwendige unzureichende Umsetzung der gesetzgeberischen Wertentscheidung486 scheint somit in greifbare Nähe zu rücken. Nun ist aber zu beachten, dass die Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht nur den Anlass für die teleologische Extension bietet, sondern diese zugleich begrenzt. Entspricht der eng gefasste Tatbestand der Wertentscheidung des Gesetzgebers, bleibt mithin kein Raum für eine korrigierende Ausweitung desselben. Durch die teleologische Extension kann nur das korrigiert der Diktion des Gesetzes – vgl. etwa § 932 I BGB – ist unter „Veräußerung“ indessen nur das dingliche Verfügungsgeschäft zu verstehen (Krebs, in: MüKo HGB, 5. Auflage 2021, § 49 Rn. 43; Schubert, in: Oetker, HGB, 7. Auflage, 2021, § 49 Rn. 26). Würde man streng am Wortlaut der Norm haften, wäre der Prokurist demnach zu Verpflichtungsgeschäften über Grundstücke befugt. Der ratio legis der Norm, den Immobilienbestand des Handelsgewerbes und das Vermögen des Geschäftsinhabers zu schützen, lässt sich aber nur konsequent Rechnung tragen, wenn auch Verpflichtungsgeschäfte von § 49 II HGB erfasst sind (Schubert, in: Oetker, HGB, 7. Auflage, 2021, § 49 Rn. 27). Entgegen Muthorsts Sichtweise wird in diesem Fall der Tatbestand der Norm teleologisch motiviert ausgedehnt, ohne die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge zu modifizieren. 482  Looschelders/Roth, Methodik (1996), S. 269. 483  Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Auflage, S. 219 f.; Larenz, Methodenlehre, 6. Auflage, S. 400. 484  Siehe dazu oben S. 182 f. 485  Diesen Terminus wählt Buchwitz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.05.2021, § 937 Rn. 2. Vgl. im Übrigen die Nachweise unter Kap. 2 Fn. 464. 486  Looschelders/Roth, Methodik (1996), S. 269.



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werden, was teleologisch geboten ist, nicht aber auch das, was teleologisch erlaubt ist.487 Entscheidend ist demnach, ob die Gesetzesväter eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz ausschließlich zugunsten des Eigenbesitzers vermeiden wollten, der sich im Zeitpunkt des Besitzerwerbs allenfalls aufgrund einfacher Fahrlässigkeit irrigerweise selbst für den dinglich Berechtigten hält und auch später keine positive Kenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung erlangt. Liest man die Ausführungen der Gesetzesväter zum Ersitzungstatbestand unbefangen, drängt sich dieser Eindruck geradezu auf. Dort ist nicht nur regelmäßig von dem „guten Glauben“ oder der „Kenntnis“ des Besitzers die Rede,488 sondern die Gesetzesväter lehnten auch ausgerechnet den Antrag explizit ab, der die Inkorporierung einer außerordentlichen Ersitzung nach Ablauf von 30 Jahren zwecks Vermeidung eines dominium sine re vorsah.489 Beleuchtet man nun aber die hinter der Tatbestandsvoraussetzung der Gutgläubigkeit liegende Intention, ändert sich das Bild. Die Gesetzesväter wollten durch dieses Tatbestandsmerkmal sicherstellen, dass ein Eigentumserwerb nur zugunsten des schutzwürdigen Besitzers490 ermöglicht wird. Expressis verbis brachten sie diese Intention innerhalb der Ablehnung der beantragten außerordentlichen Ersitzung nach 30 Jahren zum Ausdruck. Dort heißt es: „Der Schutz des wirklich Berechtigten, den der Antragsteller mit seinem Vorschlage indirekt herbeiführen wolle, sei nicht so wesentlich“.491 Besonders deutlich tritt dieser Wille auch dadurch hervor, dass neben dem Terminus der „Gutgläubigkeit“ regelmäßig jener der „Redlichkeit“ verwendet wurde.492 Denn, wie noch zu zeigen sein wird, mag der gutgläubige Besitzer zwar stets redlich sein, der Begriff der Redlichkeit geht aber weit über die Grenzen der Gutgläubigkeit hinaus.493 Der Eigentumserwerb zugunsten des gutgläubigen Besitzers entpuppt sich demnach als eine konkretisierte Ausformung der allgemeinen Wertentscheidung, dass Schutz dem Schutzwürdigen gebührt. Eine teleologisch extensive Anwendung des § 937 BGB käme somit dann in Betracht, wenn die Gesetzesväter irrigerweise davon ausgegangen wären, dass die (grob fahrlässige Un-)Kenntnis um die Nichtberechtigung im Zeitpunkt des Besitzerwerbs bzw. die später erlangte positive Kenntnis um Methodik (1996), S. 269. Bd. III, S. 638 f., 641 = Protokolle, Bd. 3, S. 229 ff., 233. 489  Mugdan, Bd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 235 f., dazu schon oben im Detail auf S. 153 ff. 490  Zur Gutgläubigkeit als Maßstab für die Schutzwürdigkeit siehe nur Gursky, JR 1986, 225 (227) für den Fall der bona fides superveniens; Heinze, in: Staudinger, 2020, Vorb. §§ 932–936 Rn. 25. 491  Mugdan, Bd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 236. 492  Vgl. insbesondere Mugdan, Bd. III, S. 639 = Protokolle, Bd. 3, S. 230 f. 493  Siehe dazu unten S. 190 ff. 487  Looschelders/Roth, 488  Mugdan,

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

diese der Schutzwürdigkeit des Besitzers zwingend entgegensteht, sodass die Wertentscheidung durch den Eigentumserwerb zugunsten des Schutzwürdigen keine hinreichende Umsetzung erfahren hätte. Während eine teleologische Extension des § 937 BGB zugunsten desjenigen Besitzers, der trotz (grob fahrlässiger Un-)Kenntnis von seiner Nichtberechtigung im Zeitpunkt des Besitzerwerbs als schutzwürdig einzustufen wäre, sich schon aufgrund des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Gutgläubigkeit“ auch mit dem Wortlaut des § 937 II Alt. 1 BGB vereinbaren ließe, gestaltet sich die Lage hinsichtlich § 937 II Alt. 2 BGB prima facie anders. Unter Berücksichtigung der oben aufgezeigten Grenzen einer teleologischen Extension könnte einem erweiterten Verständnis des Ersitzungstatbestandes zugunsten des Besitzers, der erst nachträglich von seiner Nichtberechtigung erfährt, der Wortlaut dieser Norm entgegenstehen. Denn mit diesem scheint der Gesetzgeber eine eindeutige, nicht im Wege der Rechtsfortbildung zu umgehende Wertentscheidung getroffen zu haben. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass dieser Regelung – entgegen ihrer ersten Anmutung – nicht die genuine Wertung der Gesetzesväter zugrunde liegt, demjenigen Besitzer, der nachträglich positive Kenntnis von seiner Nichtberechtigung erlangt, die Ersitzungsmöglichkeit zwingend zu versagen. Dies zeigt die § 937 II Alt. 2 BGB zugrundeliegende Intention der Gesetzesväter, welche mit der Entscheidung korrelierte, auch eine nachträglich eintretende Bösgläubigkeit der Ersitzung entgegenstehen zu lassen. Der historische Gesetzgeber befürchtete, den Besitzer – für den Fall, dass zur Begründung der Bösgläubigkeit nach gutgläubiger Besitzerlangung bereits grob fahrlässige Unkenntnis ausreichen sollte – mit den „größten Belästigungen“ zu konfrontieren. Denn dann wäre er gezwungen, den Umständen nachzuforschen, die seiner Ersitzung entgegenstehen könnten.494 Das Primärziel des § 937 II Alt. 2 BGB lag somit darin, ausufernde Folgen, die aus der Entscheidung gegen die römischrechtliche Regel mala fides superveniens non nocet zu resultieren drohten, einzudämmen. Die gesteigerten Anforderungen an die Bösgläubigkeit des zum Zeitpunkt des Besitzerwerbs gutgläubigen Besitzers verkörpern mithin eine Privilegierung zu dessen Gunsten. Untermauern lassen sich die vorstehenden Ausführungen zudem durch die folgende Überlegung: Wenn der Gesetzgeber einem Besitzer den Eigentums­ erwerb qua Ersitzung unter allen Umständen hätte versagen wollen, dann hätte es am nächsten gelegen, denjenigen herauszugreifen, dem der schwerwiegendste Vorwurf gemacht werden kann – den Besitzer, der schon im Zeitpunkt des Besitzerwerbs von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung weiß. Hingegen kann dem erst nachträglich von seiner Nichtberechtigung 494  Mugdan,

Bd. III, S. 641 = Protokolle, Bd. 3, S. 233.



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erfahrenden Besitzer nur ein weitaus geringerer Vorwurf zur Last gelegt werden, schließlich erfüllte dieser ursprünglich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 937 BGB. Die Annahme, diesem solle um jeden Preis die Möglichkeit der Ersitzung versagt werden, überzeugt somit nicht. Berücksichtigt man schließlich, dass § 937 II Alt. 2 BGB als eine Konkretisierung der bereits durch § 937 II Alt. 1 BGB geforderten Gutgläubigkeit für den Zeitraum nach Besitzerlangung zu verstehen ist,495 wird deutlich, dass auch § 937 II Alt. 2 BGB die oben bereits genannte Wertung des § 937 II Alt. 1 BGB – Schutz gebührt dem Schutzwürdigen – teilt. Ließe sich der Besitzer, der nachträglich von seiner Nichtberechtigung erfährt, aufgrund anderer Umstände als schutzwürdig einstufen, wäre mithin auch zu seinen Gunsten eine teleologische Extension des § 937 BGB erwägenswert. Gegen den Lösungsansatz in Form der teleologischen Extension des § 937 BGB lässt sich auch nicht einwenden, die Gesetzesväter oder der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes hätten sich durch die Ablehnung einer außerordentlichen Ersitzung bzw. die Anerkennung der Vindika­ tionsverjährung bewusst für eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz entschieden. Das durch die Vindikationsverjährung drohende domi­ nium sine re wurde schon zuvor als aus Sicht der Gesetzesväter unerwünschtes, aber unvermeidbares Nebenprodukt qualifiziert.496 Darüber hinaus käme es auch bei einer teleologisch motivierten extensiven Anwendung des Ersitzungstatbestandes weiterhin auf die Schutzwürdigkeit des Besitzers an; es würden mithin keine geringeren Anforderungen497 an § 937 BGB gestellt als zuvor. Für den Vorwurf, dass eine Ersitzung zugunsten des bösgläubigen, aber schutzwürdigen Besitzers nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen könne, da so ein außerordentlicher Ersitzungstatbestand durch die Hintertür in das BGB inkorporiert würde, bleibt somit kein Raum. Damit liegt die im Folgenden zu thematisierende und für die teleologische Extension des § 937 BGB maßgebende Frage auf der Hand: Kann sich die Schutzwürdigkeit des Besitzers einzig aus dessen Gutgläubigkeit ergeben?

495  Mugdan, Bd. III, S. 641 = Protokolle, Bd. 3, S. 233 („bei nachträglichem bösen Glauben“); siehe auch die Verortung des § 937 II Alt. 2 BGB im Rahmen der einschlägigen Kommentierungen, vgl. nur Buchwitz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.05.2021, § 937 Rn. 44 ff.; Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 937 Rn. 63 f. und Heinze, in: Staudinger, 2020, § 937 Rn. 9. 496  Siehe oben S. 153 ff. 497  Zur Unterscheidung von ordentlicher und außerordentlicher Ersitzung Finken­ auer, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. 1, 748 (750 f.).

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aa) Berücksichtigung von Redlichkeitsgesichtspunkten im Rahmen der Gutgläubigkeit Einen ersten Anhaltspunkt dafür, dass die Schutzwürdigkeit des Besitzers nicht allein an dessen Gutgläubigkeit anknüpft, bietet die Genese eben jener Tatbestandsvoraussetzung. Gemeinhin wird die Gutgläubigkeit aus dem römischen Begriff der bona fides abgeleitet,498 welche im Geltungszeitraum des römischen Privatrechts eine Tatbestandsvoraussetzung der usucapio bildete.499 Daraus zu schlussfolgern, dass bona fides mit dem guten Glauben gleichgesetzt werden kann, wie er heute etwa im Rahmen des § 937 BGB gefordert wird, wäre jedoch zu voreilig. Zweifel an einer solchen Synonymie schürt insbesondere der Umstand, dass der Begriff innerhalb des römischen Rechts nicht nur im Rahmen der usucapio, sondern auch im Obligationenrecht Geltung beanspruchte. Namentlich Söllner knüpft daran die Erkenntnis, dass bona fides keineswegs mit gutem Glauben gleichgesetzt werden könne.500 Der Begriff sei viel weiter zu verstehen, sodass unter ihm – ähnlich wie bei Treu und Glauben innerhalb des § 242 BGB – die nach Redlichkeit, Verkehrssitte und Geschäftsmoral zu wahrende Vertragstreue zu verstehen sei.501 Wenn die Römer innerhalb der usucapio mithin einen guten Glauben des Erwerbers forderten, war dies nicht darauf zurückzuführen, dass der bona fides diese Bedeutung beizumessen war, sondern dieses Erfordernis wurde lediglich aus ihr abgeleitet.502 Auch jüngst wurde in der Kommentarliteratur noch darauf hingewiesen, dass unter bona fides im römischrecht­ lichen Sinne nicht nur die Gutgläubigkeit, sondern vielmehr Redlichkeit im weitesten Sinne zu verstehen sei.503 498  So schon die Gesetzesväter, Mugdan, Bd. III, S. 169 und 191 = Motive, Bd. 3, S. 306 und 344; Klinck, in: BeckOGK BGB, Stand 01.10.2021, § 932 Rn. 29; Fuchs, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 26. Edition 2021, „bona fide“. 499  Siehe dazu nur Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 22. Auflage, § 35 Rn. 11. 500  Söllner, SZ 122 (2005), 2 f.; diese Ansicht teilen auch Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 11 I 1 und Bruns, Das Wesen der bona fides bei der Ersitzung (1872), S. 89 ff.; vgl. auch Finkenauer, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. 1, 748 (749). 501  Söllner, SZ 122 (2005), 2 f., 61; Meissel/Novitskaya, in: Handbuch des römischen Privatrechts (2022), § 78 Rn. 19 m. w. N. 502  Söllner, SZ 122 (2005), 2 f.; so auch Bruns, Das Wesen der bona fides bei der Ersitzung (1872), S. 15. 503  Klinck, in: BeckOGK BGB, Stand 01.10.2021, § 932 Rn. 29; Kaser/Knütel/ Lohsse, Römisches Privatrecht, 22. Auflage, § 35 Rn. 11; teilweise wird auch der Standpunkt vertreten, dass zwischen der bona fides im Sinne eines guten Glaubens und dem im römischen Obligationenrecht ebenfalls verwendeten gleichnamigen Begriff keine Verbindung bestehe, so etwa Hausmaninger, Die Bona Fides (1964), S. 70 f. und 80 („Ein direkter Zusammenhang dieser bona fides der klassischen usu­



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In der Tat erscheint diese Sichtweise vorzugswürdig. So mangelt es bereits an sprachlichen Anhaltspunkten, die es rechtfertigten, bona fides allein die Bedeutung des guten Glaubens beizumessen. Neben den Texten des römischen Juristen Julian, in welchen der Begriff eine ethische, keine psychologische Prägung aufweist und als Vertragstreue begriffen wird, streitet auch die Definition des Cicero (fides = Worthalten) für diese Ansicht.504 Ein weiteres, besonders gewichtiges Argument lässt sich aus den romanischen Sprachen der Gegenwart ableiten, genauer aus der dreisprachigen Ausgabe des schweizerischen Zivilgesetzbuchs von 1907.505 In dessen ersten Artikeln wird sowohl der Begriff Treu und Glauben (Art. 2) als auch guter Glaube (Art. 3) verwendet. Dabei fällt auf, dass die Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen nur innerhalb der deutschen Fassung deutlich wird; sowohl in der italienischen als auch der französischen Fassung ist dagegen einheitlich von „buona fede“ oder „bonne foi“ die Rede. Dies zeigt sich auch in der italienischen und deutschen Fassung des italienischen Zivilgesetzbuchs. In Artt. 1366, 1375 Codice civile etwa wird „buona fede“ mit „Treu und Glauben“ übersetzt, in den für die Ersitzung einschlägigen Regelungen (Artt. 1158 ff. Codice civile) hingegen mit „gutem Glauben“.506 Die Diskussion über die Unterscheidung von Treu und Glauben und guten Glauben vor dem Hintergrund der bona fides lässt sich also auf die im Deutschen vorherrschende Besonderheit zurückführen, dass eine eindeutige Unterscheidung zwischen diesen Begriffen überhaupt möglich ist.507 Söllner konstatiert zutreffend: „Wie in der lateinischen Ursprungssprache meinen diese Begriffe die objektiven Anforderungen von ‚Treu und Glauben‘, zu denen eben unter anderem auch der subjektive gute Glaube gehören kann.“508 Der Schluss liegt deshalb nah, dass nicht nur die Gutgläubigkeit, sondern vielmehr die Redlichkeit im Allgemeinen für die capio mit dem in der bona fides des Obligationenrechts implizierten ethischen Verhaltensmaßstab ist nicht ersichtlich.“); vgl. im Übrigen Söllner, SZ 122 (2005), 2 Fn. 2 m. w. N. 504  Söllner, SZ 122 (2005), 3 ff. mit den einschlägigen Textquellen; Bruns, Das Wesen der bona fides bei der Ersitzung (1872), S. 15, 98. 505  Abrufbar unter: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19070042/ index.html#indexpre. 506  Die italienische und deutsche Fassung des Codice civile (Stand Okt. 2020) ist abrufbar unter https://www.provinz.bz.it/politik-recht-aussenbeziehungen/recht/sprach angelegenheiten/uebersetzte-rechtsvorschriften.asp. Auf europäischer Ebene ist dies ebenfalls zu beobachten, exemplarisch sei Art. 2 h) UGPRL (vgl. Kap. 1 Fn. 157) herausgegriffen: In der deutschen Fassung wird dort der „allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben“ hervorgehoben, in der italienischen und französischen ist demgegenüber von dem „principio generale della buona fede“ bzw. dem „principe général de bonne foi“ die Rede. 507  Söllner, SZ 122 (2005), 10. 508  Söllner, a. a. O.

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

Schutzwürdigkeit des Besitzers maßgebend ist. Bemüht man einmal mehr die bereits angesprochene Wortwahl der Gesetzesväter, die neben dem Begriff der „Gutgläubigkeit“ auch den der „Redlichkeit“ verwendeten,509 scheint dies auch nicht konträr zu deren Vorstellung zu verlaufen. Indem die Gesetzesväter das Kriterium der Gutgläubigkeit entscheidend hervorhoben, gingen diese aber scheinbar davon aus, dass eine (grob fahrlässige Un-)Kenntnis von der fehlenden dinglichen Berechtigung der Redlichkeit des Besitzers zwingend entgegensteht. Diese Annahme gilt es nun auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. (1) D  ie Schutzwürdigkeit des ursprünglich gutgläubigen Besitzers nach Eintritt der Vindikationsverjährung Geht man der Frage nach, ob auch der Besitzer, der Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung hat, aufgrund von Redlichkeit ausnahmsweise als schutzwürdig qualifiziert werden kann, bietet sich eine Orientierung an der Zeitachse an. Beleuchtet man entsprechend dem chronologischen Verlauf zunächst die Situation des Besitzers im Zeitraum vor Eintritt der Vindikationsverjährung, ergeben sich keine Anhaltspunkte, die trotz Kenntnis von dem Fehlen der eigenen dinglichen Berechtigung für die Schutzwürdigkeit streiten könnten. Allein der Umstand, dass „die Uhr zu seinen Gunsten tickt“, der Vindikationsanspruch also im Begriff ist zu verjähren, rechtfertigt es nicht, den Besitzer als schutzwürdig zu qualifizieren. Hinzu kommt, dass die gegenteilige Ansicht nicht mit dem Institut der Vindikationsverjährung in Einklang zu bringen wäre.510 Wendet man sich anschließend dem Zeitraum nach Eintritt der Vindika­ tionsverjährung zu, wird demgegenüber schnell deutlich, dass hier kein Konflikt mit § 197 I Nr. 2 BGB zu entstehen droht, wollte man den Vindikationsschuldner nach Eintritt der Vindikationsverjährung als schutzwürdig ein­ stufen. Folgerichtig ist deshalb danach zu fragen, ob das Verstreichen der 30 Jahre, die zur Verjährung des Vindikationsanspruchs geführt haben, auch Einfluss auf die Redlichkeit des Besitzers haben könnte, der (grob fahrlässige Un-)Kenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung hat.511 Im Wesentlichen kann insofern auf jene Ausführungen zurückgegriffen werden, die schon dagegen sprachen, die Erhebung der Verjährungseinrede als unzulässige Rechtsausübung zu begreifen: Der Umstand, dass der Schuldner sich 509  Siehe

dazu schon oben S. 187. schon im Rahmen der außerordentlichen Ersitzung dargelegt, würde durch die Schaffung einer Ersitzung trotz Bösgläubigkeit die Vindikationsverjährung ihres Anwendungsbereichs beraubt, vgl. S. 162. 511  In diese Richtung schon Ernst, ZfPW 2019, 122 (126 f.). 510  Wie



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht193

dem Gläubiger nicht zu erkennen gibt und im Anschluss auf die Einrede der Verjährung beruft, kann diesem nicht vorgeworfen werden. Weder ist er dazu verpflichtet, den Gläubiger über die den Anspruch begründenden Umstände sowie seine eigene Person zu informieren, noch muss er den Gläubiger an das Bestehen seiner Forderung erinnern. Ebenso wenig kann dem Besitzer die Erhebung der Verjährungseinrede selbst zum Vorwurf gemacht werden, bewegt er sich doch gerade in dem seitens des Gesetzgebers zugebilligten rechtlichen Rahmen.512 Unterstrichen wird dies durch den Erwerb eines Rechts zum Besitz qua Geltendmachung der Vindikationsverjährung.513 Von dieser Warte aus kann mithin keine Rede von einem unredlichen, gegen Treu und Glauben verstoßenden Verhalten sein – ein Aspekt, der angesichts der voran­ gegangenen Überlegungen für die Schutzwürdigkeit des Besitzers spricht, obschon dieser positive Kenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung hat. Vergleicht man den bösgläubigen Vindikationsschuldner mit dem Besitzer, der sich berechtigterweise selbst für den Eigentümer der Sache hält, führt dies ebenfalls zu keinem gegenläufigen Ergebnis. Die Schutzwürdigkeit des letzteren fußt, wie bereits angedeutet, auf seinem berechtigten Interesse am Fortbestand der bestehenden Situation, das seinerseits auf die begründete Annahme zurückgeht, selbst die dingliche Berechtigung über die Sache innezuhaben.514 Daraus lässt sich aber keineswegs umgekehrt schlussfolgern, dass sich der Besitzer durch das Wissen darüber, selbst nicht Eigentümer der Sache zu sein, zwingend als schutzunwürdig erweist. Rekurriert man auf die schon geleistete Vorarbeit,515 wird deutlich, dass auch der Vindikationsschuldner nach Eintritt der Vindikationsverjährung ein Interesse am Fortbestand der Situation haben darf, da diesem durch die Geltendmachung der Verjährungseinrede sogar eine geschützte Rechtsposition zukommt. Allenfalls die Umstände der Besitzerlangung können dem Besitzer mithin vorgeworfen werden. Unschwer lassen sich insofern Vorwürfe gegenüber dem Besitzer erheben, der auf deliktischem Wege die tatsächliche Sachherrschaft erlangt hat – sei es im Wege eines Diebstahls, Raubes, einer Hehlerei oder Unterschlagung –, und dem Besitzer, der im Zeitpunkt der Besitzerlangung die eigene dingliche Berechtigung grob fahrlässig verkennt. Klammert man diese jedoch zunächst aus und beschränkt sein Sichtfeld auf den oben

512  So ausdrücklich Looschelders, in: Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz, 2007, 103 (116); dazu auch schon oben S. 174 ff. 513  Vgl. insofern S. 126 ff. 514  Siehe nur Buchwitz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.05.2021, § 937 Rn. 2. Dazu auch schon oben S. 182 f. 515  Vgl. S. 181 ff.

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

schon in den Fokus gerückten Besitzer,516 der auf gutgläubigem Wege in den Besitz der Sache gelangt ist und erst nachträglich von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung erfährt, vermögen auch die Umstände der Besitzerlangung nicht gegen die Redlichkeit und damit Schutzwürdigkeit des Besitzers zu sprechen. Sind indessen keine Anhaltspunkte ersichtlich, die dagegensprechen können, den Besitzer als redlich und damit schutzwürdig einzustufen, würde es der ratio legis des § 937 BGB widersprechen, diesem pauschal die Möglichkeit des Eigentumserwerbs im Wege der Ersitzung zu verweigern. Dem zu entgegnen, eine solche Rechtsfortbildung konfligiere mit dem Abrücken der Gesetzesväter von der Unbeachtlichkeit der mala fides super­ veniens517 sowie dem in § 937 II Alt. 2 BGB expressis verbis festgelegten Ausschluss der Ersitzung zugunsten des Besitzers, der nachträglich „erfährt, dass ihm das Eigentum nicht zusteht“, vermag nur auf den ersten Blick zu überzeugen. Bereits zuvor wurde dargelegt, dass § 937 II Alt. 2 BGB gerade nicht das Ziel verfolgt, die Ersitzungsmöglichkeit zugunsten desjenigen Besitzers, der nachträglich Kenntnis von seiner Nichtberechtigung erlangt, zwingend auszuschließen, sondern vielmehr eine Privilegierung für den im Zeitpunkt des Besitzerwerbs gutgläubigen Besitzer verkörpert.518 Darüber hinaus ermöglicht der Wortlaut des § 937 II Alt. 2 BGB durch die Verwendung des Begriffs „Zustehen“ eine gewisse Wertung. So ist fraglich, ob mit der nachträglichen Erkenntnis des ursprünglich gutgläubigen Besitzers, nicht Eigentümer der Sache zu sein, auch die Einsicht einhergehen muss, dass ihm das Eigentum an der Sache nicht zusteht; schließlich verbleibt dem Eigentümer – wie schon gezeigt wurde519 – nach Eintritt der Vindikationsverjährung nur das wertlose dominium sine re, das Recht, welches dieses Titels nicht mehr würdig sein soll,520 wohingegen der Besitzer auf der anderen Seite eine der Eigentumsposition gleichende Rechtsstellung erlangt. Demnach wird auch keine bewusste gesetzgeberische Entscheidung durch die Hintertür umgangen, wenn aufgrund der vorstehenden Ausführungen davon ausgegangen wird, dass auch der Besitzer, der nachträglich positive Kenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung erlangt, durch die Geltendmachung der Verjährungseinrede wieder als redlich eingestuft und deshalb der Anwendungsbereich des § 937 BGB auf diesen erstreckt werden kann. Vielmehr lässt sich im Gegenteil argumentieren, dass ein solches Vor516  Vgl.

bereits Kap. 2 Fn. 461. Bd. III, S. 197 = Motive, Bd. 3, S. 355. Vgl. ebenfalls Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 11 I 1; Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 22. Auflage, § 35 Rn. 12 und Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 21. 518  Vgl. S. 188 f. 519  Vgl. S.  74 ff. 520  Siehe schon S. 18. 517  Mugdan,



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht195

gehen kein Novum darstellt. So ist es innerhalb der Jurisprudenz zum einen inzwischen überwiegend anerkannt, dass auch der Besitzer, der einst positive Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung hatte, grundsätzlich wieder gutgläubig, das heißt schutzwürdig werden kann.521 Zum anderen ist auch dem Gesetz ein Eigentumserwerb zugunsten des Besitzers, der zwar Kenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung hat, aber redlich handelt, keineswegs fremd. § 973 BGB prämiert den Finder mit der Möglichkeit des Eigentumserwerbs nach Ablauf von sechs Monaten, wenn er seinen Anzeigepflichten gemäß §§ 965 ff. BGB nachkommt.522 Auch in diesem Fall hat der Besitzer Kenntnis davon, dass die Sache nicht in seinem Eigentum steht. Gleichwohl wird ihm die Möglichkeit des Eigentumserwerbs aufgrund seines redlichen Verhaltens523 zuerkannt. Das Gesetz bringt damit selbst zum Ausdruck, dass die Bösgläubigkeit durch die Redlichkeit aufgewogen werden kann.524 Lässt sich der Vindika­ tionsschuldner, der ursprünglich gutgläubig in den Besitz der Sache gelangt ist, ab dem Zeitpunkt der Vindikationsverjährung indessen nicht mehr als unredlich qualifizieren, ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb die Ersit-

521  Während der Erste Entwurf des BGB in § 886 eine Ersitzung nach Erlangung positiver Kenntnis von der fehlenden Berechtigung noch ausschloss (man ging davon aus, dass nachträglich keine Gutgläubigkeit mehr eintreten könne, vgl. Mugdan, Bd. III, S. 197 = Motive, Bd. 3, S. 355) strich die zweite Kommission diesen Satz, vgl. dazu Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 11 I 2 c bb. Die Möglichkeit, auch nach einstiger Bösgläubigkeit wieder die Voraussetzungen der Gutgläubigkeit verwirklichen zu können, wird auch in der Literatur nicht bestritten, vgl. Gursky, JR 1986, 225 (227); Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung, § 71 I 2d; Meller-Han­ nich, in: NK BGB, 4. Auflage 2016, § 937 Rn. 8 m. w. N.; Heinze, in: Staudinger, 2020, § 937 Rn. 9 m. w. N.; Kindl, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 937 Rn. 6; Bergmann, Verfall des Eigentums (2015), S. 24. 522  Für Fundsachen mit einem Wert von unter 10 € gilt gemäß § 965 II S. 2 BGB zwar keine Anzeigepflicht, dass auch dessen Redlichkeit für den Eigentumserwerb nicht ohne Belang ist, belegt jedoch § 973 II S. 2 BGB – der Finder darf den Fund auf Nachfrage nicht leugnen. 523  Gewiss darf nicht verschwiegen werden, dass durch die Möglichkeit des Eigentumserwerbs insbesondere ein Anreiz geschaffen wird, die Sache an sich zu nehmen, aufzubewahren und den Fund anzuzeigen (siehe nur Oechsler, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 973 Rn. 1; Schermaier, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 973 Rn. 1; Heinze, in: Staudinger, 2020, § 973 Rn. 1). Dadurch wird das Ergebnis in Form der Prämierung des redlich handelnden Finders jedoch nicht erschüttert. 524  Gewiss ist der Finder, nachdem er das Eigentum nach Ablauf von sechs Monaten erhalten hat, gemäß § 977 BGB noch drei weitere Jahre potentiell bereicherungsrechtlichen Ansprüchen des ursprünglichen Eigentümers ausgesetzt. Nach Ablauf dieser Frist ist die Sache dem Finder jedoch auch wirtschaftlich zugeordnet, sodass er im Ergebnis wie jener Eigentümer steht, der das Eigentum gemäß § 937 BGB ersessen hat.

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

zungsfrist des § 937 BGB nicht zu laufen beginnen sollte.525 Zu dessen Gunsten ist folglich eine teleologische Extension des § 937 BGB dergestalt vorzunehmen, dass er trotz des Wissens um seine Nichtberechtigung aufgrund seiner Redlichkeit als gutgläubig anzusehen ist. (2) D  ie Schutzwürdigkeit des von Beginn an bösgläubigen Besitzers nach Eintritt der Vindikationsverjährung Wurde zuvor das Sichtfeld noch auf den ursprünglich gutgläubigen Besitzer beschränkt, der erst später positive Kenntnis von seiner fehlenden Eigentümerstellung erhielt, bleibt nun zu beantworten, ob auch zugunsten des von Beginn an bösgläubigen und damit oftmals deliktischen Besitzers ein Eigentumserwerb bedingt durch die teleologische Extension des § 937 BGB begründet werden kann. Gewiss bewegt sich auch der Besitzer, der bereits im Zeitpunkt des Besitzerwerbs um seine fehlende dingliche Berechtigung weiß, innerhalb der ihm gesetzlich zugebilligten Befugnisse, wenn er mit der Sache nach Eintritt der Vindikationsverjährung wie ein Eigentümer verfährt. Gleichwohl gestaltet es sich bereits vor dem Hintergrund der Einheit der Rechtsordnung als schwierig, den Dieb, Hehler oder Räuber als redlich und damit schutzwürdig einzustufen: Wenn durch das StGB das Verhalten des Täters missbilligt wird, kann das BGB keine gegenteilige Wertung aufstellen. Dass das Zivilrecht die Wertungen des StGB vielmehr teilt, belegt in diesem Kontext § 823 II BGB, welcher dem Eigentümer in Verbindung mit § 242 StGB einen Anspruch auf Herausgabe der Sache gegen den Dieb (§ 249 I BGB – Naturalrestitution) zuspricht. Diese Einschränkung ist auch insofern notwendig, als man andernfalls Anreize zur Begehung von Diebstählen setzen würde. Im Ergebnis kann nichts anderes für den seine eigene dingliche Berechtigung grob fahrlässig verkennenden Besitzer gelten. Dieser mag zwar nicht auf deliktischem Wege die tatsächliche Sachherrschaft über die Sache erlangt haben. Nichtsdestotrotz sprechen die Umstände der Besitzerlangung gegen dessen Redlich- und damit Schutzwürdigkeit. Nur zugunsten des ursprünglich gutgläubigen Besitzers kann § 937 BGB mithin teleologisch extensiv angewandt werden.

525  Auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede sollte es dagegen nicht ankommen, würde die Zusammenführung von Besitz und Eigentum doch andernfalls davon abhängig gemacht, ob der Eigentümer den Vindikationsschuldner in Anspruch nimmt.



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht197

bb) Vereinbarkeit der teleologischen Extension des § 937 BGB mit dem  numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände Nun gilt es abschließend noch danach zu fragen, ob die teleologische Extension eines gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestandes mit dem vormals wiederholt betonten numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände in Einklang zu bringen ist. Bedenken in diese Richtung ließen sich vor allem dann äußeren, wenn qua gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung gleichsam ein neuer, de lege lata nicht vorgesehener Eigentumserwerbstatbestand geschaffen und somit der mit dem Eigentumsübergang einhergehende Eingriff in die Freiheitsrechte unbestimmt vieler Dritter einer kodifizierten Grundlage entbehren würde.526 Da § 937 BGB bereits seinem unmittelbaren Anwendungsbereich nach einen gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestand verkörpert, könnte von der Schaffung eines gesetzlich nicht vorgesehenen Eigentumserwerbstatbestandes allenfalls dann die Rede sein, wenn von dessen Tatbestandsvoraussetzungen so signifikant abgewichen würde, dass gleichsam nur die Rechtsfolge an einen neuen, dem geschrieben Recht unbekannten Tatbestand geknüpft würde. Gegen die faktische Neuschaffung eines gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestandes spricht hier jedoch schon der gewählte Anknüpfungspunkt. In der der Vindikationsverjährung zugrundeliegenden Konstellation kann der Besitzer sich auch nach Eintritt der Verjährung für einen Zeitraum von zehn Jahren in Eigenbesitz halten, sodass er bereits den Großteil des Ersitzungstatbestandes in seiner Person verwirklicht.527 Einzig das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der Gutgläubigkeit ließe sich mit Blick auf den Wortlaut der Norm anzweifeln. Mit der teleologisch motivierten Extension des § 937 BGB wird dieses Problem jedoch nicht etwa durch Verzicht auf das subjektive Element im Rahmen des Ersitzungstatbestandes bereinigt – dies würde die Neuschaffung eines Eigentumserwerbstatbestandes bedeuten. Vielmehr wird die Tatbestandsvoraussetzung der Gutgläubigkeit nur so weit ausgedehnt, dass der Ersitzungstatbestand auch den ihm zugrundeliegenden Normzweck umfassend widerspiegelt. Weil dabei ein eindeutig ermittelbares Telos der Norm sowohl Anlass als auch limitierender Faktor der teleologischen Extension ist,528 wird deutlich, dass auch der ausgedehnte Ersitzungstatbestand unmittelbar auf den Gesetzgeber zurückgeht. Ermöglicht man entsprechend 526  Siehe

dazu auch schon oben S. 164 f. Gewichtigkeit des Eigenbesitzes im Tatbestand des § 937 BGB siehe Mug­ dan, Bd. III, S. 638 = Protokolle, Bd. 3, S. 229 f. („Das Erforderniß des Eigenbesitzes bilde mithin die erste und wichtigste Voraussetzung für die Ersitzung und könne deswegen nicht wie der gute Glauben des Ersitzenden zur Exzeption gestellt werden.“). 528  Detailliert dazu schon oben S. 186 f. 527  Zur

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

der Intention der Gesetzesväter einen Eigentumserwerb durch Ersitzung zugunsten des Besitzers, der zwar nachträglich positive Kenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung erlangt hat, anschließend aber die Einrede der Vindikationsverjährung geltend machen kann, wird somit kein dem geschriebenen Recht unbekannter Eigentumserwerbstatbestand geschaffen. Näher liegt es, die Parallele zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe zu ziehen, wie sie auch innerhalb des Sachenrechts zuhauf vorkommen – verwiesen sei nur auf die Begriffe „Verbindung“, „Vermischung“ und „Verarbeitung“ in den §§ 946 ff. BGB. Dass dabei ein extensives Verständnis sachenrechtlicher Termini sogar aus rechtspolitischen Erwägungen heraus kein Novum darstellt, belegt nicht zuletzt der Herstellerbegriff des § 950 BGB.529 Zu einer illegitimen Ausdehnung des Wie der Eigentumsübertragung kommt es folglich nicht. cc) Die Vorzüge der teleologischen Extension Abschließend soll noch die Vorzugswürdigkeit des hier vertretenen Ansatzes gegenüber den zuvor dargelegten unterstrichen werden. Der bedeutsamste Vorzug erschließt sich mit Blick auf die Kritik, die dem Großteil der zuvor dargelegten Ansätze gemein ist: Sie sind mit dem Rechtsinstitut der Verjährung unvereinbar, da sie die Vindikationsverjährung in Gänze in Frage stellen, indem an den Ablauf von 30 Jahren ein unmittelbarer Eigentumserwerb/ -verlust geknüpft wird. Dieser Vorwurf lässt sich gegenüber der teleologischen Extension des § 937 BGB nicht erheben. Denn dem Besitzer, der nachträglich positive Kenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung erlangt, wird infolge der Rechtsfortbildung nicht bereits durch die Geltendmachung der Vindikationsverjährung das Eigentum zugesprochen. Dieser kann nach Ablauf der dreißigjährigen Verjährungsfrist lediglich wieder als redlich und deshalb schutzwürdig qualifiziert werden, weshalb infolge der teleologischen Extension die Ersitzungsfrist trotz positiver Kenntnis erneut zu laufen beginnt. Damit kommt der Vindikationsverjährung jedenfalls noch bis zum Verstreichen der Ersitzungsfrist Bedeutung zu. Darüber hinaus wird, anders als durch die gesamtanaloge Anwendung der §§ 886, 1169, 1254 BGB, 529  So Füller, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 950 Rn. 20 über das durch die Rechtsprechung gewählte Kriterium der Verkehrsanschauung, vgl. BGHZ 112, 243 (249 f.) = NJW 1991, 1480 (1481); BGH, Urteil vom 25.02.1983 – V ZR 299/81 = NJW 1983, 2022 (2023); BGHZ 20, 159 (163) = NJW 1956, 788 (789); zum Streitstand über den Herstellerbegriff siehe Füller, a. a. O. Rn.  17 ff. und Schermaier, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 950 Rn. 27 ff. Dazu aus historischer Sicht auch Willems, in: Mantovani/Lo Cascio (2017), 569 (573 ff.); im römischen Recht war die Verarbeitung suo nomine ausdrückliche Voraussetzung für die Anwendung der Regeln zur Verarbeitung, vgl. Willems, a. a. O., 569 (576 f.).



B. Dauerhafte Trennung durch Verjährung im Mobiliarsachenrecht199

dem Ersitzungstatbestand durch dessen teleologische Extension nicht ein ganz anderer als der eigentlich verkörperte Inhalt beigemessen oder die Anspruchsrichtung verkehrt. Gewiss mag diese Lösung den Nachteil auf ihrer Seite haben, dass die bestehende Rechtslage noch für einen Zeitraum von zehn Jahren perpetuiert wird, weil – wie soeben erörtert – die nachträglich erlangte positive Kenntnis der Gutgläubigkeit des Besitzers erst ab dem Zeitpunkt der Vindikationsverjährung nicht mehr entgegensteht. An Praktikabilität dürfte die Lösung dadurch jedoch nicht einbüßen. Wenn die Sache bereits 30 Jahre im Besitz des Vindikationsschuldners war oder über diesen Zeitraum stets an einen Rechtsnachfolger im Sinne des § 198 BGB weitergegeben wurde, dann erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass der Besitz noch zehn weitere Jahre andauert. Eine in der Sache konsequente und im Interesse einer zügigen Bereinigung der Rechtslage naheliegende Anrechnung der vor Eintritt der Bösgläubigkeit verstrichenen Ersitzungszeit530 lässt sich, obschon das Gesetz insofern durchaus Argumente bietet, dogmatisch allerdings nicht rechtfertigen. So sieht § 942 BGB zwar eine Unterbrechung der Ersitzung mit der Folge, dass die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht kommt, nur dann vor, wenn der Besitzer den Besitz freiwillig preisgibt (§ 940 I BGB) oder gerichtliche Vollstreckungshandlungen vorgenommen werden (§ 941 BGB). Allein unter dem Blickwinkel dieser beiden Regelungen wäre somit kein Grund ersichtlich, der gegen die Fortsetzung der ursprünglich in Gang gesetzten Ersitzungsfrist spräche, wenn der Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft nicht freiwillig aufgäbe und er Vollstreckungshandlungen durch Berufung auf die fehlende Durchsetzbarkeit des Anspruchs abwendete. Entscheidend gegen eine Fortsetzung der bereits verstrichenen Ersitzungsfrist spricht jedoch § 943 BGB, welcher die Ersitzungsfrist des Rechtsnachfolgers um die bereits in der Hand des Rechtsvorgängers verstrichene Ersitzungszeit verkürzt.531 Es entspricht dabei der überwiegenden Ansicht in Literatur und Rechtsprechung, dass sich die Anrechnung der bereits abgesessenen Ersitzungszeit nicht nur auf den unmittelbaren, sondern auf sämtliche Rechtsvorgänger erstreckt, die die Voraussetzungen des § 937 BGB in ihrer Person verwirklichten.532 Wird diese Kette jedoch an einer Stelle durch einen bösgläubigen Besitzer durchbrochen, kann die Zeitanrechnung erst wieder ab

530  So Ernst, ZfPW 2019, 122 (126 f.) für den Fall des dominium sine re, das auf der Geltendmachung des § 281 BGB statt des Vindikationsanspruchs fußt. 531  Ebbing, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 943 Rn. 1. 532  Heinze, in: Staudinger, 2020, § 943 Rn. 6; Ebbing, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 943 Rn. 1; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 19.12.1974 – 18 U 56/73 = MDR 1976, 223.

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Kap. 2: Exkurs: Das dominium sine re im Kontext der Verjährung

dem nachfolgenden gutgläubigen Besitzer beginnen.533 Überträgt man diese Wertung auf den hiesigen Fall, wird deutlich, dass die ursprünglich in Gang gesetzte Ersitzungsfrist nicht fortgesetzt werden kann. Denn in der Sache kann es keinen Unterschied machen, ob die Kette der Gutgläubigen durch einen bösgläubigen Besitzer unterbrochen wird, der die Sache anschließend an einen gutgläubigen Besitzer weitergibt oder durch einen nur zeitweilig bösgläubigen Besitzer. Ebenso wie die Ersitzungsfrist in ersterem Fall zugunsten des gutgläubigen Besitzers von Neuem zu laufen beginnt, muss dasselbe für den Besitzer gelten, der seine Gutgläubigkeit wiedererlangt.534 Gegen die Fortsetzung der vor Kenntniserlangung von der eigenen Nichtberechtigung verstrichenen Zeit streitet abschließend die folgende Über­ legung: Durch die teleologische Extension des § 937 BGB wird nicht die ursprünglich bestehende, von § 937 BGB unmittelbar vorgesehene Gutgläubigkeit fortgesetzt, sondern eine andere, „neue“ Gutgläubigkeit aufgrund veränderter Umstände neu begründet. Während sich die ursprüngliche Verwirklichung des § 937 BGB auf den berechtigten Glauben stützte, selbst dinglich Berechtigter zu sein, ist sie innerhalb der teleologisch extensiven Anwendung des § 937 BGB auf die Redlichkeit des Besitzers trotz Kenntnis von seiner Nichtberechtigung zurückzuführen. Der Umstand allein, dass die Gutgläubigkeit als Teil der Redlichkeit begriffen werden kann, sich mithin die Redlichkeit des ursprünglich auf seine dingliche Berechtigung vertrauenden Besitzers fortsetzt, rechtfertigt es nicht, über die Divergenz zwischen den für die Redlichkeit streitenden Argumenten hinwegzusehen. Mit Eintritt der Vindikationsverjährung beginnt die Ersitzungsfrist somit von Neuem zu laufen.

C. Fazit Die Verjährung des Vindikationsanspruchs ist eine gesetzgeberische Entscheidung, die man insbesondere mit Blick auf das daraus resultierende ­dominium sine re auf rechtspolitischer Ebene anzweifeln kann; letztlich ist dieser aber Folge zu leisten. Die bisher vorgebrachten Lösungsansätze zur Vermeidung einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz, die durch jene gesetzgeberische Entscheidung auf den Plan gerufen wurden, sind vielfältig und verfolgen ein billigenswertes Ziel, können aber aufgrund der aufgezeigten Schwächen nicht überzeugen. Dagegen bewegt sich die hier vorgeschlagene teleologische Extension des § 937 BGB zugunsten des ursprüng533  Buchwitz, in: BeckOGK, Stand 01.05.2021, § 943 Rn. 14; Heinze, in: Staudinger, 2020, § 943 Rn. 4. 534  So im Ergebnis auch Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 11 I 2 c bb („Wird er wieder gutgläubig, so kann eine neue Ersitzung beginnen“).



C. Fazit201

lich gutgläubigen Besitzers im Rahmen des dogmatisch Zulässigen, ohne sich in Widersprüche zu verwickeln. Zuzugeben ist gleichwohl, dass auch dieser Ansatz Schwächen aufweist: Die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz wird nur sehr begrenzt – namentlich bloß zugunsten des einst gutgläubigen Besitzers – vermieden, sodass dem Ziel, dem auf der Vindikationsverjährung beruhenden dominium sine re konsequent entgegenzuwirken, nur teilweise entsprochen wird. Zusätzlich kann die teleologische Extension des § 937 BGB keine unmittelbare Bereinigung der Rechtslage gewährleisten, vielmehr bedarf die Zusammenführung von Eigentum und Besitz eines beträchtlichen Zeitraums von zehn Jahren.

Kapitel 3

Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH – Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re Auch die dauerhafte Trennung von Besitz und Eigentum, die auf den Ausschluss des Vindikationsanspruchs durch § 281 IV BGB zurückgehen könnte, ist kein erstrebenswerter Rechtszustand. Dies haben schon die obigen Ausführungen zur Lehre vom doppelten Eigentum, zur Wertlosigkeit der verbleibenden Rechtsposition sowie zu den mit einem dominium sine re einhergehenden Rechtsunsicherheiten gezeigt.1 Auch im hiesigen Rahmen lässt sich deshalb ein Allgemeininteresse an der Befriedung der Rechtslage postulieren, welches sich in einer durch Lehre und Rechtsprechung entwickelten Fülle an Lösungsvorschlägen widerspiegelt. Diese reichen von der Annahme einer Dereliktion über die Bejahung einer Eigentumsübertragung brevi manu bis hin zur analogen Anwendung des § 255 BGB oder des § 937 BGB.2 Im Einzelnen ist hier vieles umstritten. Bejaht man die Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch,3 besteht einzig insofern Einigkeit, als es nicht durch § 281 BGB zu einer Trennung von Eigentum und Besitz kommen kann, wenn der Schädiger die Nichtherausgabe nach Ablauf der angemessenen Frist nicht zu vertreten hat, es also bereits dem Grunde nach an einem Schadensersatzanspruch fehlt.4 Deshalb gilt es, die genannten Lösungen im Folgenden genauer zu beleuchten und auf ihre Vorzüge und Nachteile hin zu überprüfen.

1  Siehe für die Lehre vom doppelten Eigentum S. 92  ff.; die Wertlosigkeit des ­ ominium sine re wurde schon auf S. 74 ff. und insbesondere 82 ff. behandelt; für d die aus dem dominium sine re hervorgehenden Rechtsunsicherheiten vgl. S. 87 ff. 2  Zu den aufgezählten Lösungsansätzen sogleich im Einzelnen. Eine Übersicht mit möglichen Lösungsvorschlägen, findet sich auch bei Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 122; zur Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung Schä­ fer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 40 ff. 3  Zu dieser Diskussion siehe schon oben S. 52 ff. 4  Kohler, NZM 2014, 729 (732); Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 122.



A. Schadensersatz statt der Vindikation – Ermittlung der Schadenshöhe203

A. Schadensersatz statt der Vindikation – Ermittlung der Schadenshöhe Ehe auf die einzelnen Lösungsmodelle, die zur Auflösung des in der Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ entstehenden dominium sine re führen sollen, eingegangen werden kann, bedarf es jedoch einer vorgelagerten Auseinandersetzung mit der bisher nur angedeuteten Frage, auf welche Höhe sich der Schadenersatzanspruch, der statt der Vindikation geltend gemacht wird, beläuft. Durch die Antwort auf diese Frage werden gerade die im Folgenden noch zu diskutierenden Lösungen zur Vermeidung des dominium sine re bedingt. Deshalb ist dem Umstand, ob es zu der oftmals als „kaufähnlich“ betitelten Situation5 kommt oder lediglich Schadensersatz in Höhe des Besitzwertes geschuldet ist, eine entscheidende Bedeutung beizumessen. Das Problem der Schadensbemessung verkörpert dabei keineswegs ein Resultat der jüngeren Rechtsprechung des BGH, sondern geht bereits auf § 283 BGB a. F. zurück.6

I. Schadensersatz in Höhe des Besitzwertes Der Ausgangspunkt all jener Auffassungen, die eine Bemessung des Schadensersatzes statt der Vindikation in Höhe des Besitzwertes postulieren, ist stets derselbe: § 985 BGB ist nicht auf eine Rückübereignung der Sache gerichtet, deshalb könne sich der die Herausgabe ersetzende Schadensersatzanspruch nicht auf eine das Eigentum substituierende Höhe belaufen.7 Dieser Erkenntnis lässt sich einstweilen wenig entgegenhalten. Unabhängig davon, wie weit man den Pflichtenkreis des Vindikationsschuldners zieht – auf Auskehrung des unberechtigten Besitzes8 oder Rückführung der Sache an den Eigentümer9 –, lässt sich schwerlich begründen, dass das Äquivalent für die Auskehrung oder Rückführung wertmäßig dem Eigentum entspricht. Der Verkehrswert der Sache ergibt sich nicht aus der bloßen Herrschaftsgewalt 5  So schon im römischen Recht und auch heute noch, vgl. Ernst, ZfPW 2019, 122 (122 f.); vgl. für das römische Recht Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 22. Auflage, § 37 Rn. 19. 6  Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 40 ff.; Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 146 ff. und Schaltenbrand, Schadensersatz statt der Leistung (2008), S. 114 ff. 7  Jochem, MDR 1975, 177 (179); Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (115  ff.); Schwab, NZM 2003, 50 (50 f.) zu § 545 BGB. 8  So Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (107). 9  So die wohl herrschende Meinung, BGHZ 79, 211 (213); w. N. bei Picker, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof – Festgabe aus der Wissenschaft, Bd. I (2000), S. 693, 727 in Fn. 81 und 82; genauer dazu unten S. 206 f.

204

Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

über diese, sondern aus den in § 903 BGB einfachgesetzlich normierten, umfassenden Befugnissen des Eigentümers. Da diese aber nur durch die Verfügung des Vollrechts übertragen werden, liegt der Schluss nahe, dass allein die Rechtsmacht zur Verschaffung des Vollrechts ein Äquivalent in Höhe des Sachwertes begründen kann.10 Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch die regelmäßig befürchtete Überkompensation des Eigentümers, wenn dieser Schadensersatz in Höhe des Sachwertes geltend machen kann, obwohl er seine Rechtsposition nicht preisgeben muss.11 Bestätigung findet diese Sichtweise durch den folgenden – noch immer umstrittenen12 – Vergleichsfall: Wenn der nichtberechtigte Besitzer die nicht abhandengekommene Sache an einen gutgläubigen Dritten wirksam weiterveräußert, ist er nach herrschender Ansicht13 nicht gemäß § 285 BGB dazu verpflichtet, dem Eigentümer den Verkaufserlös herauszugeben, weil dieser gerade nicht an die Stelle des Besitzes tritt.14 Vor diesem Hintergrund sei es nicht einzusehen, weshalb anders entschieden werden sollte, wenn Schadensersatz statt des Vindika­tionsanspruchs geltend gemacht wird.15 Sofern man § 281 BGB überhaupt auf § 985 BGB anwenden wollte,16 sei deshalb eine besitzbezogene Schadensbemessung indiziert.17 Die eine Schadensbemessung in Höhe des Besitzwertes postulierende Ansicht kann mithin gewichtige Argumente für sich geltend machen und leuchtet bis auf Weiteres ein. NZM 2014, 729 (735). Kohler, NZM 2014, 729 (735), vgl. auch Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 199. 12  Jochem, MDR 1975, 177 (179 ff.), Picker, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof – Festgabe aus der Wissenschaft, Bd. I (2000), S. 693, 721 f.; zum Streitstand siehe Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 200 ff. 13  Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 201 mit diversen Nachweisen; Katzen­ stein/Hüftle, NZM 2004, 601 (603) zum Herausgabeanspruch aus § 546 BGB; Cas­ per, in: Staudinger, 2019, § 285 Rn. 19 m. w. N.; Emmerich, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 285 Rn. 15 m. w. N.; Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 285 Rn. 4; Dornis, in: BeckOGK BGB, Stand 01.03.2020, § 285 Rn. 37; zur gegenläufigen Ansicht Weiss, JuS 2012, 965 (967). 14  Schwab, NZM 2003, 50 (50). 15  Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (109, dort Fn. 61); zu § 546 BGB mit derselben Argumentation Katzenstein/Hüftle, NZM 2004, 601 (603) und Schwab, NZM 2003, 50 (50). 16  Insofern sei auf die Ausführungen auf S. 52 ff. verwiesen; kritisch dazu insbesondere Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 82. 17  Kohler, NZM 2014, 729 (735); Brauer, NotBZ 2002, 402 (403 f.) der dies für den Fall der Geltendmachung von Schadensersatz statt des § 546 BGB festhält. Zusätzlich weist dieser darauf hin, dass sich die Verpflichtung zur Zahlung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes gegen Übereignung der streitigen Sache besonders dann als unbillig herausstelle, wenn der Vermieter nicht zugleich der Eigentümer der Sache ist. 10  Kohler,

11  Exemplarisch



A. Schadensersatz statt der Vindikation – Ermittlung der Schadenshöhe205

1. Die Bemessung des Besitzwertes Nun drängt sich in der Konsequenz freilich die brisante Frage auf, wie der Besitzwert dann zu bestimmen ist18 und welche Folgen dies für die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz nach sich zieht. Auch wenn in Teilen der Literatur Einigkeit darin bestehen mag, dass nur eine besitzbezogene Bemessung der Schadensersatzhöhe in Betracht kommen kann, divergieren die Lösungsvorschläge zur Bemessung des konkreten Wertes erheblich. Da die Anwendung des § 281 BGB auf § 546 BGB gewissermaßen als Ursprung der Zwangskaufproblematik19 begriffen werden kann und sich zu dieser Vorschrift bereits ein gewisses Meinungsspektrum gebildet hat,20 bietet es sich auf den ersten Blick an, auf die dort gefundenen Lösungen zurückzugreifen und diese für den Vindikationsanspruch fruchtbar zu machen. Die zu § 546 BGB präsentierten Lösungsvorschläge reichen von Schadensersatz gerichtet auf Naturalrestitution, das heißt Herausgabe des Mietobjektes, über Schadensersatz gerichtet auf den kapitalisierten Nutzungswert bis hin zur Bestimmung des Schadens anhand der durch die Ergreifung der Sache erforderlichen Vermögenseinbußen. a) Die Vergleichbarkeit von § 985 BGB und § 546 BGB Freilich muss, bevor die Lösungen im Einzelnen fokussiert werden können, herausgearbeitet werden, ob sich die beiden genannten Normen überhaupt ähneln und somit Rückschlüsse zulassen. Namentlich gilt es zu erörtern, welche Pflichten § 985 BGB im Vergleich zu § 546 BGB formuliert, sodass man unweigerlich zu der schon angedeuteten Diskussion gelangt, welche Rechtsfolge der Vindikationsanspruch nach sich zieht.21 Unabhängig davon, welche Sichtweise man insofern präferiert, lässt sich indessen schwerlich von einer inhaltlichen Identität der Ansprüche sprechen. Denn § 985 BGB bleibt jedenfalls insofern hinter § 546 BGB zurück,22 als mit letzterem 18  Schon die Gesetzesväter scheuten sich, dem Besitz einen konkreten Wert beizumessen oder dessen Qualität genauer zu bestimmen, vgl. Mugdan, Bd. II, S. 1076 = Protokolle, Bd. 2, S. 573. 19  Zu diesem Begriff und seiner Bedeutung schon oben S. 65 ff. 20  So auch Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 200; zu § 546 BGB siehe u. a. Schwab, NZM 2003, 50 (50 f.); Katzenstein/Hüftle, NZM 2004, 601 (601 f.); zu der hier interessierenden Problematik vermisst man dagegen ein genuines Meinungsspektrum. 21  Dazu schon oben S. 203. 22  Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 985 Rn. 79; Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 159; Spohnheimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 59; Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 12 I 2 a; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung, § 84 III 1 Fn. 8.

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zusätzliche Pflichten in Form der Beseitigung von Veränderungen und Wegnahme von Einrichtungen einhergehen können – solche fließen nicht in vergleichbarer Form aus der Herausgabepflicht des § 985 BGB.23 Um die zu § 546 BGB getroffenen Wertungen auf den hier interessierenden Fall ummünzen zu können, ist es jedoch auch nicht erforderlich, dass sich der aus § 546 BGB resultierende Pflichtenkatalog mit jenem aus § 985 BGB vollständig deckt. Entscheidend ist vielmehr, ob der Vindikations­ anspruch – vergleichbar mit den Exhibitionsansprüchen der §§ 867, 1005 BGB24 – lediglich zu einer bloßen Duldung der Wegnahme verpflichtet oder zu mehr und somit eine Leistung im Sinne des § 241 I BGB darstellt.25 Es kommt folglich auf die Rechtsfolgenseite des vindikatorischen Herausgabeanspruchs an – muss der Besitzer die Sache lediglich auskehren, das heißt an die Grenze des eigenen Rechtskreises bringen,26 oder dem Eigentümer den Besitz an der Sache ver­schaffen?27 Ein gewichtiges Argument zugunsten der letztgenannten Rechtsfolge lässt sich aus dem Wortlaut ablesen. § 985 BGB spricht, im Unterschied zu den zuvor genannten Exhibitionsansprüchen, nicht nur von einer „Gestattung“, sondern von der „Herausgabe“ der Sache.28 Diese Sichtweise teilten auch die Gesetzesväter, die hervorhoben: „In ihrem wesentlichen Inhalte ist diese Leistungspflicht, welche dem Besitzer oder Inhaber gegenüber dem Eigentümer als solchen obliegt, von der Herausgabepflicht des Mieters […] nicht verschieden“. Darüber hinaus wurde der obligationsähnliche Charakter des § 985 BGB ausdrücklich betont.29 Der Vindikationsanspruch lässt sich mit der überwiegenden Ansicht folglich als Besitzverschaffungsanspruch begreifen.30 Festzuhalten bleibt deshalb, dass § 546 BGB und § 985 BGB trotz bestehender Unterschiede bezüglich der Beseitigung von Veränderungen und der Wegnahme von Einrichtungen vergleichbar sind. Beide Normen formulieren die Pflicht, die Sache zurück zu verschaffen,31 23  Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 159. Die Frage, ob vergleichbare Ergebnisse durch das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis erzielt werden können, kann offenbleiben, da sich dadurch an der Reichweite des Vindika­tionsanspruchs als solchem nichts ändert. Derartige Ansprüche wären an das Vorliegen weiterer Voraussetzungen gebunden. 24  Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 159. 25  Diese Frage wird umfassend von Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 35 ff. behandelt. Dazu auch schon auf S. 55 f. 26  Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch (1972), S. 158. 27  Für Nachweise zu beiden Ansichten schon oben Kap. 3 Fn. 8 f. 28  Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 159. Darauf stellt auch Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 201 ab. 29  Mugdan, Bd. III, S. 222 = Motive, Bd. 3, S. 398. 30  Aus jüngerer Zeit vertritt die gegenteilige Ansicht etwa Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (106). 31  So auch Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 202.



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und bieten daher Raum für gegenseitige Rückschlüsse. In Anbetracht dessen soll nun das für das Mietrecht entwickelte Meinungsspektrum dargelegt und anschließend die Frage der Übertragbarkeit desselben auf den Vindikationsanspruch aufgeworfen werden. b) Schadensersatz bemessen nach dem kapitalisierten Nutzungswert Teilweise wird zur Bestimmung des Besitzwertes der für die voraussichtliche Restnutzungsdauer berechnete, kapitalisierte Nutzungswert herangezogen.32 Demnach sei die Höhe des Schadensersatzes anhand dessen zu ermitteln, wie lang der Besitzer die Sache voraussichtlich noch hätte benutzen können. Doch bevor sich der Frage gewidmet wird, inwiefern dieser Ansatz auf den hier maßgebenden Fall übertragbar ist, bleibt zu erörtern, ob die Lösung überhaupt für den im Mietrecht originär anvisierten Fall des § 546 BGB überzeugen kann; schließlich würde der Ansatz erheblich an Überzeugungskraft einbüßen, wenn er bereits dort keine befriedigenden Ergebnisse erzielen könnte. Denkbar wäre es, der Schadensbemessung in Höhe des kapitalisierten Nutzungswertes entgegenzuhalten, dass sie den Unterschied zwischen dem Besitz und der Berechtigung zum Besitz verkennt.33 Anknüpfungspunkt wäre somit keine geringere Frage als diejenige, ob der Besitz als bloßes Faktum zu begreifen ist oder nicht doch die Eigenschaften eines Rechts aufweist.34 Insbesondere Katzenstein und Hüftle erkennen dem Besitz rechtliche Qualitäten ab und argumentieren, dass Schadensersatz statt Herausgabe der Sache nur dann in Höhe des kapitalisierten Nutzungswertes gewährt werden könne, wenn mit dem Besitz der Sache zugleich ein Nutzungsrecht an ihr einherginge. Denn wie schon die deliktsrechtlichen Wertungen zeigten, könne sich eine geldwerte Nutzungsmöglichkeit nur aus einer normativen Zuweisung ergeben.35 Selbst wenn man der teilweise vertretenen Ansicht folgen 32  Schwab, NZM 2003, 50 (50 f.); es wird verbreitet darauf hingewiesen, dass der Besitz die Möglichkeit der Nutzung der Sache vermittle, sodass entgangene Nutzungen einen Vermögensschaden begründen könnten, vgl. Wieser, JuS 1970, 557 (557 ff.); Medicus, AcP 165 (1965), 115 (120); Hager, in: Staudinger, 2017, § 823 Rn. B 168. 33  Katzenstein/Hüftle, NZM 2004, 601 (604), so auch Kohler, NZM 2014, 729 (736). 34  Zu dieser Frage schon Savigny, Das Recht des Besitzes (1865), S. 43: „klar, dass der Besitz an sich, seinem ursprünglichen Begriffe nach, ein blosses Factum ist: ebenso gewiss ist es, dass rechtliche Folgen damit verbunden worden sind. Demnach ist er Factum und Recht zugleich“. Zu dieser Diskussion siehe auch Braun, JZ 1998, 763 (766). 35  Katzenstein/Hüftle, NZM 2004, 601 (604); Kohler, NZM 2014, 729 (736); zu den im Deliktsrecht parallel angestellten Erwägungen siehe nur Wagner, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 823 Rn. 324.

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und auch dem nichtberechtigt, aber entgeltlich und redlich Besitzenden vor Rechtshängigkeit Nutzungsersatzansprüche gewähren wollte, wenn diesem der Besitz entzogen wird,36 ergebe sich daraus kein Konflikt; denn die §§ 987, 988, 990, 993 I BGB verkörperten eine Minimalform des Gutglau­ benserwerbs,37 sodass aus diesen eine materielle Rechtszuweisung zugunsten des Besitzers hervorgehe.38 Auch wenn sich Besitz und Eigentum hinsichtlich der negativen Funktion ähnelten – auch durch ersteren werden andere von der Nutzung ausgeschlossen – unterschieden sich diese doch in Bezug auf die positive Funktion. Der Besitz ermögliche seinem Inhaber zwar die Nutzung der Sache, das Recht zur Nutzung ergebe sich aus diesem indes nicht.39 Nach Verlust der Besitzberechtigung gebühre die Nutzziehung demnach nicht dem Besitzer, sodass sich ein an der entgangenen Nutzungsmöglichkeit orientierter Nutzungswert nicht als Äquivalent für die unterbliebene Besitzrückgewähr begreifen lasse.40 Diesen Erwägungen lässt sich einstweilen wenig entgegenhalten; im Gegenteil dürften diese den zu bevorzugenden Ansatz für die Bestimmung der Werthaltigkeit des Besitzes im Rahmen des Deliktsrechts widerspiegeln. Bei genauerer Betrachtung ist genau dies jedoch auch die entscheidende Schwäche dieser Argumentation: Sie basiert einzig auf den Wertungen des Deliktsrechts. Damit sich der Besitz im Rahmen des § 823 I BGB als werthaltig erweisen kann, muss dieser zwangsläufig als „sonstiges Recht“ qualifiziert werden können.41 Lehnt man es legitimerweise ab, die tatsächliche Sachherrschaft als Recht in diesem Sinne zu begreifen, resultiert daraus die Wertlosigkeit des Besitzes im Rahmen des Deliktsrechts, aber eben auch nur in diesem Rahmen. Dass die Rechtsqualität desselben jedoch nicht gemeinhin gültige Voraussetzung für dessen Werthaltigkeit ist, ergibt sich schon aus dem Bereicherungsrecht.42 Dort wird auch der von einem Rechtserwerb 36  Dafür etwa Teichmann, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 823 Rn. 16; vgl. auch Hager, in: Staudinger, 2017, § 823 Rn. B 168 der diese Ansicht ablehnt, aber weitere Nachweise aufführt. 37  So auch Köbl, Das Eigentümer Besitzer Verhältnis im Anspruchssystem des BGB (1971), S. 227; Gursky, in: Staudinger, 2013, Vorb. §§ 987–993 Rn. 4; Katzen­ stein/Hüftle, NZM 2004, 1 (7). 38  Katzenstein/Hüftle, NZM 2004, 601 (604). 39  Medicus, Bürgerliches Recht, 27. Auflage, Rn. 607. 40  Katzenstein/Hüftle, NZM 2004, 601 (604). Diese Sichtweise dürfte zumindest mit Blick auf das Deliktsrecht wohl der herrschenden Meinung entsprechen, vgl. BGHZ 73, 355 (362) = NJW 1979, 1358; BGHZ 79, 232 (236 f.) = NJW 1981, 865; BGHZ 114, 305 (312) = NJW 1991, 2420; BGHZ 137, 89 (98) = NJW 1998, 377; für die Lehre siehe nur Hager, in: Staudinger, 2017, § 823 Rn. B 168 f. 41  So auch Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 202; zur Werthaltigkeit des Besitzes im Deliktsrecht Wilhelm, Sachenrecht, 6. Auflage, Rn. 539. 42  Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 202 f.



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losgelöste, bloß unberechtigte Besitz als Bereicherungsgegenstand anerkannt.43 Dem Besitz vor diesem Hintergrund völlige Wertlosigkeit zu attestieren, erscheint mithin bedenklich und die Ablehnung der präsentierten Lösungsmöglichkeit allein auf dieser Grundlage voreilig.44 Damit ist freilich noch nicht gesagt, dass der Lösungsvorschlag zu überzeugen vermag. Offen bleibt insbesondere, ob durch die Gewährung von Nutzungsersatz für einen begrenzten Zeitraum der Eigentümer, der bedingt durch § 281 IV BGB nicht mehr die Möglichkeit hat, die Sache herauszuverlangen, in hinreichendem Maße kompensiert würde.45 Eine genauere Auseinandersetzung mit dieser Frage wäre jedoch entbehrlich, wenn sich der Berechnungsansatz ohnehin nicht sinnvollerweise auf den hier interessierenden Fall übertragen ließe. Wie eingangs dargelegt, soll der kapitalisierte Nutzungswert anhand der Zeit ermittelt werden, die der Besitzer die Sache voraussichtlich noch hätte nutzen dürfen. Bei Zugrundelegung eines Mietverhältnisses wäre der Besitzer demnach dazu verpflichtet, den Mietzins für den sich aus der Prognose ergebenden Zeitraum im Voraus zu zahlen und würde im Gegenzug das Recht erhalten, die Sache für diesen Zeitraum weiter zu nutzen.46 Die sich stellende Schlüsselfrage ist somit die, wie der Zeitraum zu bestimmen ist, in dem der Besitzer die Sache grundsätzlich noch hätte nutzen können. Das Mietrecht ist insofern noch für Lösungen zugänglich. So könnte das potentiell vereinbarte Mietende als maßgebender Zeitpunkt dienen, anhand dessen der „Restmietertrag“47 zu berechnen wäre. Alternativ könnte auf jene Zeitspanne rekurriert werden, die für die Rückführung des Besitzes an den Eigentümer im Wege der Zwangsvollstreckung erforderlich ist. Bei Zugrundelegung der ersten Alternative würde die Zuverlässigkeit der präsentierten Lösung indes bereits auf jene Fälle beschränkt werden, in denen der Vermieter das Mietverhältnis vorzeitig beendet, da allein dann gemutmaßt – oder bei einem befristeten Mietverhältnis abgelesen – werden kann, wie lang dieses gerade ohne die vorzeitige Beendigung fortbestanden hätte. Jenseits des Mietrechts, namentlich im Kontext des § 985 BGB, würde diese Berechnungsmethode jedoch endgültig an ihre Grenzen stoßen. So entbehrt die in: Staudinger, 2007, § 812 Rn. 73 m. w. N. Werthaltigkeit des Besitzes losgelöst von deliktsrechtlichen Erwägungen siehe unten S. 217 ff. 45  Bedenken hat insofern auch Brauer, NotBZ 2002, 402 (406), welcher meint, dass zur vollständigen Kompensation dem Eigentümer der Besitz letztlich wieder eingeräumt werden müsste. 46  Schwab, NZM 2003, 50 (50 f.); so auch Oechsler, NZM 2004, 881 (889), der jedoch Bedenken in Bezug auf das dem Mieter nach § 314 BGB zustehende Kündigungsrecht äußert. 47  Schwab, NZM 2003, 50 (50 f.). 43  Lorenz, 44  Zur

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

Frage danach, wie lange das Rechtsverhältnis des Diebes zum bestohlenen Eigentümer noch fortbestanden hätte, wenn dieser von der Geltendmachung seines Vindikationsanspruchs abgesehen hätte, jeglichen Sinnes.48 Für die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ kann dieser Ansatz mithin nicht fruchtbar gemacht werden. c) Schadensersatz gerichtet auf Naturalrestitution Alternativ wird vorgeschlagen, den Schadensersatz, der anstatt des § 546 BGB geltend gemacht wird, auf Naturalrestitution zu richten.49 Diese Lösung lässt sich gedanklich zwar unproblematisch auf den hiesigen Fall des § 985 BGB projizieren, wirft jedoch nicht zuletzt rechtsdogmatische Fragen auf. So sorgt diese Sichtweise schon beim ersten Lesen für Verwunderung: § 281 IV BGB würde seiner Funktion beraubt, wenn der zunächst erlöschende Erfüllungsanspruch postwendend wiederbelebt würde. Gerechtfertigt werden soll diese Handhabe mittels der sogenannten Surrogationstheorie, die dem Geschädigten die Möglichkeit offeriert, seine Primärleistung trotz der Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung zu erbringen. Daneben sei eine inhaltliche Divergenz zwischen der Rechtsposition, die dem Gläubiger durch die Geltendmachung des Schadensersatzes zukommt, und jener, die diesem bereits durch den Primäranspruch zukam, zu verzeichnen. Durch das Setzen einer Frist werde der Weg zur verschärften Haftung gemäß § 287 BGB geebnet und die Geltendmachung weiterer, etwa auf § 252 BGB fußender, Schadensposten ermöglicht. Es komme also nicht zu der befürchteten bloßen Wiederbelebung des Erfüllungsanspruchs. Schließlich ergebe sich aus den §§ 249 ff. BGB die gemeinhin bekannte Wertung, dass Schadensersatz in geldwerter Form nur dann möglich ist, wenn die Natural­ restitution aufgrund von Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit nach § 251 BGB ausscheidet. Im Falle des Besitzes lasse sich die Regel in umgekehrter Form interpretieren: Wenn eine Entschädigung in Geld ausscheidet, könne nur eine Entschädigung durch Naturalrestitution in Betracht kommen.50 48  Es bliebe nichts anderes übrig, als den Eigentümer gleichsam als dauerhaften „Vermieter“ der gestohlenen Sache zu betrachten. Auf diesem Wege würden fortlaufend Nutzungsersatzansprüche gegenüber letzterem generiert. Die Sache selbst könnte der Eigentümer jedoch nicht mehr zurückerlangen. Ob es als billiges Ergebnis betrachtet werden kann, dem Eigentümer den Dieb als gewissermaßen aufgezwungenen Vertragspartner zu präsentieren, erscheint äußerst fragwürdig. Daneben würden mit einer solchen Auffassung auch weitere Fragen einhergehen: Kann der Nutzungsersatz in diesem Fall auch über den Wert der Sache hinausgehen? Heinrichs, in: FS Derleder (2005), 87 (95) steht diesem Maßstab ebenfalls ablehnend gegenüber. 49  Brauer, NotBZ 2002, 402 (406). 50  Brauer, a. a. O.



A. Schadensersatz statt der Vindikation – Ermittlung der Schadenshöhe211

Gerade die letztgenannte Schlussfolgerung stößt jedoch auf erhebliche Bedenken. Ausweislich der amtlichen Überschrift des § 281 BGB begründet dieser einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung. Bereits die Terminologie lässt also erkennen, dass der Anspruch nicht darauf abzielt, dem Gläubiger einen Anspruch auf die ursprüngliche Leistung in natura zuzubilligen. Das Bestehen eines solchen ist vielmehr Voraussetzung dafür, überhaupt den Schadensersatzanspruch statt der Leistung geltend machen zu können, vgl. § 281 I S. 1 BGB. Entsprechend dem Ziel, den unbefriedigt gebliebenen Anspruch auf Leistung in natura in monetärer Form zu substituieren, sind entgegen der allgemeinen Wertung der §§ 249 ff. BGB die Schadensersatzansprüche statt der Leistung deshalb von vornherein auf Geldersatz und nicht auf Naturalrestitution gerichtet.51 Diese Regel gilt zwar nicht ausnahmslos, für eine Abweichung wäre allerdings ein berechtigtes Interesse des Gläubigers an der Naturalrestitution erforderlich.52 Angenommen wird ein solches etwa dann, wenn die Geldleistung für den Gläubiger nicht ausreichend oder möglicherweise wertlos ist.53 Angespielt wird damit auf Zeiten spürbarer Warenverknappung, namentlich Krisen- und Kriegszeiten.54 Dass die Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch nicht schlechterdings mit einem solchen Fall gleichgesetzt werden kann, ist evident. Regelmäßig dürfte es daher an einem berechtigten Interesse des Gläubigers an der Naturalrestitution fehlen. Untersucht man die Gläubigerinteressen, verwundert das auch nicht: Der Vindikationsgläubiger macht den Schadensersatzanspruch gerade deshalb geltend, um den Vindikationsgegenstand liquidieren zu können.55 Durch die Verweisung des Eigentümers auf die Naturalrestitution käme es im Ergebnis also zu einer den Gläubigerinteressen zuwiderlaufenden Nichtanwendung des § 281 BGB.56 Dies lässt sich zusätzlich anhand der ratio legis des § 281 BGB belegen; dieser dient nicht zuletzt dazu, den Gläubiger vor der Aufdrängung einer Leistung in natura zu bewahren, wenn

51  Im Speziellen für § 281 BGB Schwarze, in: Staudinger, 2019, § 281 Rn. B 128 und Dauner-Lieb, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 281 Rn. 58 m. w. N.; allgemein für Schadensersatzansprüche statt der Leistung Schwarze, in: Staudinger, 2019, § 280 Rn.  E 37 m. w. N.; Emmerich, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, Vorb. § 281 Rn. 7; BGH, Urteil vom 22.07.2010 – VII ZR 176/09 = NJW 2010, 3085 (3086, dort Rn. 10). 52  Schwarze, in: Staudinger, 2019, § 281 Rn. E 37. 53  Siehe nur Emmerich, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, Vorb. § 281 Rn. 7. 54  Emmerich, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, Vorb. § 281 Rn. 7, der insofern das Beispiel des Verlusts wertvoller Maschinen oder Materialien benennt. In diesem Fall soll der Gläubiger die Lieferung entsprechender Gegenstände verlangen können. 55  Riehm, Grundsatz der Naturalerfüllung (2015), S. 417 betont, dass die Nacherfüllung bereits nach dem Gedanken des § 281 IV BGB ausgeschlossen ist. 56  So schon Gursky, JURA 2004, 433 (436).

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

dieser – etwa aufgrund eines erfolgten Deckungsgeschäfts57 – das Interesse daran verloren hat. Auch im Kontext des § 281 BGB davon auszugehen, dass Schadensersatz in Geld nur dann in Betracht kommt, wenn die Naturalrestitution ausscheidet, ist demnach verfehlt und dem präsentierten Ansatz somit das Fundament entzogen. d) Die tatsächliche Besitzergreifung als Schadensposten Schließlich wird der Ansatz verfolgt, den besitzbezogenen Schadensersatz allein anhand der Nachteile zu bemessen, die aus der pflichtwidrigen Nichtherausgabe des Besitzes an den Herausgabegläubiger erwachsen.58 Auch dieser Standpunkt erscheint nachvollziehbar. Stellt man sich auf den Punkt, dass dem Besitz selbst kein Vermögenswert zukommt59 oder dieser nicht ermittelt werden kann,60 bleiben als Anknüpfungsmöglichkeit zur Ermittlung der Schadenshöhe nur noch jene Kosten, die durch die Rückholung der Sache verursacht wurden.61 Während sich der Schadensersatzanspruch bei Zugrundelegung dieser Ansicht am Beispiel eines Mieters, der die Mietsache entgegen § 546 I BGB nicht an den Vermieter herausgibt, von Lagerungs- über Räumungs- bis hin zu Prozesskosten erstrecken kann62 – den Mieter trifft neben der Pflicht, den Besitz umfänglich und ungestört zu übertragen, auch die Obliegenheit, die Mietsache zu räumen63 –, können in die § 985 BGB betreffende Schadensbemessung deutlich weniger Schadensposten einfließen. Grund dafür ist die bereits dargelegte Divergenz auf Rechtsfolgenebene zwischen § 985 BGB und § 546 BGB.64 Der Vindikationsanspruch beschränkt sich zwar ausweislich der obigen Ausführungen nicht nur auf die Auskehrung des Besitzes, geht jedoch auch nicht über die Rückführung der Sache an den Vindikanten hinaus. Neben Prozesskosten dürften effektiv somit nur diejenigen Kosten durch § 281 BGB ersetzt werden, die infolge einer hypothetischen Selbstvornahme entstehen würden – namentlich Transportkosten. Grundsatz der Naturalerfüllung (2015), S. 393. NZM 2014, 729 (736) und Zehelein, in: BeckOGK BGB, Stand 01.07.2021, § 546 Rn. 121 jeweils zu § 546 BGB; ähnliche Erwägungen stellt auch Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern (1984), § 8 II 2 an. 59  So etwa die oben präsentierte Ansicht, welche das Deliktsrecht als Maßstab heranzieht, vgl. S. 207 f. 60  Medicus, AcP 165 (1965), 115 (140). 61  Katzenstein/Hüftle, NZM 2004, 601 (604 f.). 62  Katzenstein/Hüftle, NZM 2004, 601 (605). 63  Kohler, NZM 2014, 729 (736); Katzenstein/Hüftle, NZM 2004, 601 (602). 64  Siehe dazu und zum Nachfolgenden schon oben S. 205 ff. 57  Riehm,

58  Kohler,



A. Schadensersatz statt der Vindikation – Ermittlung der Schadenshöhe213

Einstweilen lässt sich somit festhalten, dass eine konkrete Schadensermittlung auf dieser Basis durchaus möglich ist. Wie Becker zutreffend festhält, provoziert der Ansatz aber „die leidige Frage nach dem Sinn des Ganzen: Weshalb sollte dem Eigentümer Kostenersatz für eine Handlung zugesprochen werden, zu der er gar keine Befugnis mehr hat?“65 Wollte man dem entgegenhalten, dass der Gläubiger im Fall des § 546 BGB noch andere Ansprüche, insbesondere § 985 BGB, zur Hilfe nehmen kann, um die Herausgabe des Mietobjekts zu erzielen,66 stößt das auf Bedenken. Gewiss stehen zivilrechtliche Ansprüche grundsätzlich in freier Anspruchskonkurrenz. Dass aber ein Konflikt zu entstehen droht, wenn der Gläubiger neben Schadensersatz statt der Leistung zusätzlich Leistung in natura, gestützt auf eine andere Anspruchsgrundlage, erlangen könnte, geht allein schon aus der Terminologie hervor – der Gläubiger wäre offenkundig überkompensiert. Deshalb umfasst der Anspruchsausschluss des § 281 IV BGB jede konkurrierende Anspruchsgrundlage, durch die der Gläubiger weiterhin Leistung in natura verlangen kann, und das unabhängig davon, ob die konkurrierenden Ansprüche ebenfalls geltend gemacht wurden.67 Neben dem Telos streitet für dieses Verständnis auch der Wortlaut der Norm: Nicht ohne Grund erfasst § 281 IV BGB den „Anspruch auf die Leistung“, ohne Beschränkungen auf eine bestimmte Anspruchsgrundlage vorzunehmen. Dem zu entgegnen, der Gläubiger würde bei Zugrundelegung dieser Interpretation nicht hinreichend kompensiert, vermag nicht gegen die Reichweite des Anspruchsausschlusses zu sprechen. Vielmehr wirft dies umgekehrt die Frage auf, ob die Schadensbemessung anhand der Kosten, die für die tatsächliche Besitzergreifung anfallen, überzeugt. Diese Überlegung schlägt die Brücke zum nächsten Kritikpunkt: die Verfehlung der Gläubigerinteressen. Es ist schwerlich vorstellbar, dass sich der Vindikant damit einverstanden erklären würde, seinen Vindikationsanspruch aufzugeben und im Gegenzug allenfalls einen Bruchteil des Wertes zu erhalten, den das Eigentum eigentlich verkörpert. Zu einer solchen „Entwaffnung“ seiner Eigentumsposition wird er sich in der Regel nur dann bereit erklären, wenn er im Gegenzug die Aussicht auf den Erhalt des Sachwertes erhält.68 Wollte man dem erst- wie auch dem zweitgenannten Einwand vorbeugen, indem man dem Gläubiger unterstellt, er mache seinen Anspruch nur unter der Bedingung geltend, damit nicht zugleich seinen Besitzrückgewähranspruch erlöschen zu lassen, würde man faktisch § 286 II BGB a. F. wiederbeleben, der die Interessengemäßheit als Voraussetzung für den Übergang auf Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 203. NZM 2004, 601 (604 f.). 67  So nur Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 111; vgl. auch S. 84 f. 68  Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 64.

65  Becker,

66  Katzenstein/Hüftle,

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

den Schadensersatz statt der Leistung vorsah.69 Dieser Weg soll – so zumindest Kohler  – jedoch systemgerecht sein, da § 281 IV BGB nur dann zur Anwendung komme, wenn sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 280 I, 281 I-III BGB vorlägen; entfalle durch § 281 IV BGB indes der ersatzfähige Schaden, könne es insofern auch nicht zu einer Anwendung des vierten Absatzes kommen.70 Bedenken gegenüber dieser Sichtweise ergeben sich allerdings unmittelbar aus der Gesetzesbegründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, hat der Gesetzgeber für § 281 BGB doch ausdrücklich darauf verzichtet, die Möglichkeit, Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen, von dem Interesse des Gläubigers abhängig zu machen.71 Daneben bleibt fraglich, inwiefern eine solche Abdingbarkeit des § 281 IV BGB mit dessen Funktion zu vereinbaren wäre. Dieser Absatz verfolgt nicht nur den Zweck, den Schädiger davor zu bewahren, sich dauerhaft zur Erbringung der primären Leistungspflicht und zusätzlich zur Zahlung des Schadensersatzes leistungsbereit halten zu müssen,72 sondern dient auch dazu, einer Überkompensation des Gläubigers vorzubeugen, die dadurch zu entstehen droht, dass der Geschädigte neben dem an die Stelle der Primärleistung tretenden Schadensersatzanspruch zusätzlich seinen Primärleistungsanspruch geltend machen kann. Diese Regelung zur Disposition des Schadensersatzgläubigers zu stellen, erscheint deshalb überaus bedenklich. Wollte man dem entgegenhalten, dass durch die Bemessung des Schadensersatzes in Höhe der Kosten, die für die Besitzergreifung anfallen, weder eine Überkompensation des Eigentümers noch eine unzumutbare Belastung für den Schuldner drohen würde, gelangte man zu dem schon oben angedeuteten Punkt zurück: Wenn es § 281 IV BGB nicht zur Vermeidung einer Überkompensation bedarf, wurde dann die Schadenshöhe richtig bemessen?73 Berücksichtigt man schließlich, dass die Möglichkeit, Schadensersatz und die Primärleistung fordern zu können, ein typisches Charakteristikum des Schadensersatzes neben und nicht statt der Leistung darstellt, wird das missliche Ergebnis des diskutierten Lösungsansatzes deutlich: § 281 BGB würde durch die Aushöhlung von dessen Abs. 4 zu einem Schadensersatzanspruch neben der Leistung degradiert – geschaffen wäre eine mit § 280 I BGB identische Norm, die um die Voraussetzung der Fristsetzung erweitert wurde.74 69  Dies

gesteht auch Kohler, NZM 2014, 729 (737) ein. NZM 2014, 729 (737); Gursky, JURA 2004, 433 (436) referiert ebenfalls das Ausklammern des § 281 IV BGB. 71  BT-Drs. 14/6040, S. 138 f. 72  BT-Drs. 14/6040, S. 140. 73  In diese Richtung auch Brauer, NotBZ 2002, 402 (406). 74  In eine ähnliche Richtung geht Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 62, wenn dieser davon spricht, dass § 281 BGB durch das Ausklammern der Wirkung des Abs. 4 „ein völlig anderer Charakter zukäme“. 70  Kohler,



A. Schadensersatz statt der Vindikation – Ermittlung der Schadenshöhe215

Ob dieses Aufschwingen vom Rechtsanwender zum Rechtssetzer durch die dem ersten Anschein nach billigenswerte Intention, eine besitzwertbezogene Schadensbemessung anzustellen, gerechtfertigt werden kann, ist zweifelhaft.75 Vielmehr lässt sich hinterfragen, was das geringere Übel darstellt: Die auf der einen Seite stehende Nichtanwendung des § 281 IV BGB contra legem ohne hinreichende Indikation, um zu gewährleisten, dass der Eigentümer nicht nur Prozess- und Transportkosten für die dauerhafte Preisgabe des ihm zustehenden Besitzes über § 281 I BGB erhält, sondern auch die Sache selbst noch herausverlangen kann, oder die auf der anderen Seite stehende Festlegung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes, obgleich der Vindikationsanspruch lediglich auf die Herausgabe der Sache gerichtet ist. 2. Zwischenergebnis Festzuhalten bleibt somit, dass die Intention, den an die Stelle des Herausgabeverlangens tretenden Schadensersatz in Höhe des Besitzwertes zu ermitteln, zwar in der Sache nachvollziehbar ist, die präsentierten Ansätze aber zu keinen überzeugenden Ergebnissen führen. Eben bei jenem Versuch, den Wert des Besitzes zu beziffern, stoßen sämtliche oben erörterten Ansichten an ihre Grenzen. Ein Aufwiegen des Besitzwertes durch Verwendungsersatzansprüche scheitert spätestens daran, dass die Restnutzungsdauer im Rahmen des § 985 BGB sinnvollerweise nicht ermittelt werden kann.76 Die den Schadensersatzanspruch aus § 281 BGB auf Naturalrestitution richtende Ansicht umgeht das Problem der Bemessung des Besitzwertes auf Kosten dogmatischer Überzeugungskraft und führt letztlich zur Nichtanwendung der Norm.77 Lediglich jene Ansicht, die den Schadensersatz anstatt der Besitzherausgabe allein anhand möglicher Prozess- und Transportkosten bemessen will, scheint der selbst gesetzten Anforderung, eine rein besitzbezogene Schadensersatzbemessung anzustellen, gerecht zu werden. Darüber hinaus ließe sich eine Übertragung auf den hiesigen Fall erwägen, da die Herausgabehandlung im Rahmen des § 985 BGB einen nicht unbedeutenden Schadensposten darstellt. Auch gegen diese Ansicht sind indessen dogmatische Bedenken zu erheben, wird § 281 BGB doch contra legem in einen Schadensersatzanspruch neben der Leistung umgewandelt, damit überhaupt eine Grundlage für mögliche Herausgabehandlungen gegeben ist.78 75  Dies gilt umso mehr, berücksichtigt man, dass sowohl Transport- als auch Prozesskosten im Wege des § 280 I BGB als Schadensersatz neben der Leistung ersetzt werden können. 76  Vgl. S. 207 ff. 77  Vgl. S. 210 ff. 78  Vgl. S. 212 ff.

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

Dass die Bemessung des dem Besitz zukommenden Wertes erhebliche Schwierigkeiten bereitet, überrascht nicht. Noch heute ist die Diskussion darüber, ob es sich beim Besitz lediglich um ein rein tatsächliches Verhältnis handelt oder nicht, Streitgegenstand in der Fachliteratur.79 Führt man sich sodann vor Augen, dass bereits Jhering 1869 den Wert der possessio nicht schätzen müssen wollte,80 Medicus knapp 100 Jahre später von einer unlösbaren Frage sprach81 und aus jüngerer Zeit Brauer noch attestiert, es sei „kaum denkbar“, eine Antwort auf die Frage zu geben, welcher Wert dem Besitz beigemessen werden kann,82 drängt es sich zunehmend auf, eine andere Herangehensweise für die Schadensbemessung zu wählen.

II. Schadensersatz in Höhe des Vorenthaltungsschadens Eine alternative Herangehensweise wurde insbesondere durch Heinrichs gewählt. Dieser umging das Problem, dem Besitz einen konkreten Wert beizumessen, indem er den Schadensersatz in Höhe des Vorenthaltungsschadens festlegte, wenn die Herausgabe der Sache nicht unmöglich war und auch der Besitzer nicht die Unmöglichkeit der Herausgabe behauptete.83 Auch wenn der Gedankengang nachvollziehbar erscheint, die Vorenthaltung einer Sache mit der Nichtherausgabe gleichzusetzen, weist doch auch diese Ansicht gravierende Schwächen auf. Diese würde sich ebenfalls dem Vorwurf aussetzen, § 281 IV BGB aus den Angeln heben zu müssen, damit überhaupt noch ein Herausgabeanspruch besteht, dessenthalben der Vorwurf der Vorenthaltung erhoben werden kann.84 Parallel zur Lösung, die den Schadensersatz anhand der Kosten bemessen möchte, die zur tatsächlichen Besitzergreifung notwendig sind,85 würde § 281 BGB folglich zu einem Schadensersatzanspruch neben der Leistung umgeformt.86 Zusätzlich würde der Ersatz des Vorenthaltungsschadens der Intention des Eigentümers nicht gerecht werden, welcher auf eine Substitution des Erfüllungsinteresses in Geld abzielt.87 Diese 79  Siehe

dazu schon oben S. 207, insbesondere Fn. 34. Über den Grund des Besitzschutzes, 2. Auflage, S. 96 Fn. 101. 81  Medicus, AcP 165 (1965), 115 (140). 82  Brauer, NotBZ 2002, 402 (405). 83  Heinrichs, Palandt, 63. Auflage 2004, § 281 Rn. 4, der in dieser Auflage betonte, dass der Anspruch aus § 281 BGB mit dem aus §§ 280 Abs. 2 i. V. m. § 286 BGB identisch sei; inzwischen hat er diese Sichtweise jedoch aufgegeben, vgl. ders., Palandt, 65. Auflage 2005, § 281 Rn. 4 und ders., in: FS Derleder (2005), 87 (95). 84  Gursky, JURA 2004, 433 (436). 85  Vgl. schon oben S. 212 ff. 86  Siehe auch Gursky, JURA 2004, 433 (436 f.), der betont, dass der Vorenthaltungsschaden schon über §§ 280 I, II, 286 BGB abgeschöpft wird. 87  Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 62. 80  Jhering,



A. Schadensersatz statt der Vindikation – Ermittlung der Schadenshöhe217

Ansicht umgeht somit zwar das Problem der Besitzbemessung, im Ergebnis überwiegen indessen auch hier die Kritikpunkte.

III. Schadensersatz in Höhe des Sachwertes Abschließend soll deshalb erörtert werden, ob es sich nicht doch als vorzugswürdig erweist, den Schadensersatz in der Höhe des Sachwertes zu beziffern. Besinnt man sich noch einmal auf die schon vorangegangenen Überlegungen, dass durch einen Schadensersatzanspruch statt der Vindikation ­allein der Besitz substituiert werden kann, da auf der Rechtsfolgenseite des Vindikationsanspruchs allein die Herausgabe des Besitzes steht,88 ergibt sich die Grundvoraussetzung, welche für eine vom Besitzwert abweichende Bemessung der Schadenshöhe maßgebend ist: Der Schadensersatz statt der Leistung dürfte entgegen seiner auf das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zurückgehenden Bezeichnung nicht zwingend eine strenge Kongruenz zwischen der eigentlich geschuldeten Leistung und dem Surrogat fordern. Lässt man diesen Gedanken zu, finden sich schnell erste Anhaltspunkte, die diese These stützen. Nach dem Willen der Gesetzesväter galt es durch § 255 BGB klarzustellen, dass der geschädigte Eigentümer trotz der ihm verbleibenden Rechtsposition Schadensersatz in voller Höhe verlangen kann.89 Kehrseite dieser sogenannten Totalreparation war und ist die Pflicht zur Abtretung der eigenen Ansprüche gegen den Dritten, wenn der andere Schädiger den Gläubiger befriedigt.90 Diese Norm verkörpert daher gleich zwei für den hiesigen Fall relevante Gedanken: Zum einen spricht sie gegen eine strenge Kongruenz zwischen der eigentlich geschuldeten Leistung und dem Surrogat und zum anderen könnte sie aufgrund ihrer Rechtsfolge – Rechtsübertragung gegen Zahlung des Schadensersatzes in voller Höhe – auch als möglicher Lösungsweg zur Vermeidung eines dominium sine re in Betracht kommen. Dem ersteren Punkt soll sich sogleich gewidmet werden, dem letzteren erst an späterer Stelle.91

88  Vgl.

dazu schon S. 203 f. in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 45; Johow, in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission, Sachenrecht, Teil I (1982), S. 1076 ff.; Mugdan, Bd. II, S. 13 f. = Motive, Bd. 2, S. 254 f.; Planck, BGB, Bd. II, 1./2. Auflage 1900, § 255 Anm. 1. 90  Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 45. 91  Siehe unten S. 242 ff. 89  Jansen,

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

1. Positives Interesse und Differenzhypothese Vertieft man die zuvor aufgeworfene entscheidende Frage, ob eine strenge Kongruenz zwischen der geschuldeten Leistung und dem diese substituierenden Schadensersatz bestehen muss,92 ergeben sich auch abseits des § 255 BGB Anhaltspunkte, die gegen einen strengen Gleichlauf von Besitzwert und Höhe des Schadensersatzes sprechen. Insbesondere die gesicherte Erkenntnis, dass der Schadensersatz statt der Leistung aus § 281 BGB auf Ersatz des positiven Interesses gerichtet ist,93 lässt sich insofern benennen. Wenn der Schadensersatz auf den Ersatz des positiven Interesses gerichtet ist, muss der Gläubiger so gestellt werden, wie er stünde, wenn der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt hätte.94 Die so ermittelte Güterlage ist jener gegenüber zu stellen, die nach Eintritt des schädigenden Ereignisses vorzufinden ist (sogenannte Differenzhypothese).95 Den ersten Schritt in Richtung der Bestimmung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes geht die weit gefasste Definition des positiven Interesses, die sich nicht lediglich auf den Wert der geschuldeten Leistung beschränkt, sondern unschwer auch darüber hinausgehende Vermögenseinbußen erfassen kann. Widerhall findet dies auch unmittelbar im Gesetz; § 252 BGB ersetzt den über das Äquivalent der Leistung hinausgehenden entgangenen Gewinn, um nur das prominenteste Beispiel zu benennen.96 Nutzt man dieses schulmäßige Vorgehen sodann nicht nur als Wertungsaspekt, sondern wendet dieses auch im hiesigen Fall an, offenbart sich zudem ein entscheidender Vorteil gegenüber den bisher diskutierten Ansätzen zur Bemessung der Schadensersatzhöhe: Es geht nicht länger darum, den Wert des in der Hand des Schädigers liegenden Besitzes zu bestimmen, sondern darum, zu ermitteln, was dem Eigentümer ohne den Besitz verbleibt.97 Auf den hier maßgebenden Fall übertragen, gestaltet sich die Vermögenslage des Eigentümers bei einer hypothetisch ordnungsgemäßen Erfüllung durch den Schuldner folgendermaßen: Der Gläubiger würde nicht nur die Rechtsposition Eigentum, sondern auch die tatsächliche Sachherrschaft in seiner Person vereinen. Um nun anhand der Differenzhypothese die soeben skizzierte Ver92  Dafür

Jochem, MDR 1975, 177 (179) m. w. N. Schuldrecht AT, 18. Auflage, § 44 Rn. 3 f.; Larenz, Schuldrecht AT, Bd. 1, 7. Auflage, § 27 II (S. 395 ff.); Emmerich, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, Vorb. § 281 Rn. 3 ff.; Schulze, in: HandKomm BGB, 10. Auflage 2019, § 281 Rn. 16; Stadler, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 281 Rn. 16. 94  Siehe nur Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, Vorb. § 249 Rn. 16. 95  Emmerich, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, Vorb. § 281 Rn. 14. 96  Zu diesen Erwägungen bereits Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S.  204 f. 97  Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 205. 93  Looschelders,



A. Schadensersatz statt der Vindikation – Ermittlung der Schadenshöhe219

mögenslage mit jener vergleichen zu können, die nach Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Vindikation wegen nicht ordnungsgemäßer Er­ füllung eintritt, ist zunächst die letztere genauer zu definieren: Macht der Eigentümer aufgrund pflichtwidriger Nichtherausgabe der Sache § 281 BGB statt der Vindikation geltend, verbleibt ihm zwar noch seine Rechtsposition in Gestalt des Eigentums, er geht jedoch seines Rechtsverwirklichungsanspruchs aufgrund von § 281 IV BGB sowie sonstiger mit dem Eigentum korrelierender Ansprüche verlustig;98 was bleibt, ist das dominium sine re. Welche Differenz sich nun zwischen der Güterlage mit und ohne schädigendes Ereignis ergibt, ist angesichts der obigen Ausführungen zur Werthaltigkeit des dominium sine re nicht mehr schwer zu bestimmen. Dort wurde festgehalten, dass die Wertlosigkeit der dem Eigentümer verbleibenden, entkernten Rechtsposition gerade ein Grund dafür ist, die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz zu vermeiden99 – der Wert des Eigentums beläuft sich demnach auf null. Vergleicht man vor diesem Hintergrund im Wege der Differenzhypothese die Vermögenslage des Eigentümers, der neben dem Eigentum auch die tatsächliche Sachherrschaft in seiner Person vereinigt, mit der des Eigentümers, der allenfalls in formaler Hinsicht noch als solcher bezeichnet werden kann, beläuft sich der Schaden auf die Höhe des Sachwertes, obgleich durch § 985 BGB allein die Herausgabe der Sache gefordert werden kann. Dieses Ergebnis entspricht auch der gängigen Handhabe der Schadensersatzberechnung gegenüber einem Dieb. Der bestohlene Eigentümer kann gegenüber diesem Schadensersatz in Höhe des Sachwertes aus § 823 I BGB geltend machen, ohne diesem zuvor Eigentum an der Sache verschaffen zu müssen.100 Abschließend ergibt sich ein besonders gewichtiges Argument aus dem Prozessrecht. § 6 S. 1 ZPO legt fest, dass der Streitwert eines Prozesses anhand des Wertes der Sache bestimmt wird, wenn es auf deren Besitz ankommt. Das Gesetz selbst setzt den Streitwert des Vindikationsprozesses folglich in Höhe des objektiven Verkehrswertes der Sache an, obwohl allein die Herausgabe des Besitzes geschuldet ist.101

98  Siehe

dazu detailliert schon oben S. 69 ff. und 82 ff. oben S. 74 ff. 100  Ernst, ZfPW 2019, 122 (124), der zusätzlich darauf verweist, dass dies auch im Sinne des Gesetzes sei, was sich im Umkehrschluss aus § 255 BGB ergebe; a. A. wohl Streyl, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 546a Rn. 86. 101  So ausdrücklich Spohnheimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 114 und Fritzsche, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 46; Heinrich, in: Musielak/Voit ZPO, 18. Auflage 2021, § 6 Rn. 2 m. w. N. aus der Rechtsprechung. 99  Siehe

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

2. Dogmatische Legitimation Auch wenn sich durch schulmäßiges Anwenden der Differenzhypothese ein eindeutiges Ergebnis in Form des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes abzeichnet, das sich zusätzlich durch das Prozessrecht stützen lässt, verbleibt doch ein gewisses Unbehagen.102 Schließlich kann nicht ernsthaft angezweifelt werden, dass der Sachwert das Surrogat des Eigentums und nicht des Besitzes darstellt. Wenn aber punitive Gesichtspunkte als dem Zivilrecht grundsätzlich fremde Gedankengänge eingestuft werden,103 wirft das die Frage nach der Rechtfertigung dieser Schadenshöhe auf. Diese soll Gegenstand der folgenden Ausführungen werden. Den ersten Anhaltspunkt zur Rechtfertigung bietet das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, genauer die Rechtsfolgen der §§ 989, 990 BGB. Gegeben sei der Fall, dass ein aufgrund Bösgläubigkeit oder Rechtshängigkeit verschärft haftender Besitzer die herauszugebende Sache untergehen lässt.104 Die soeben genannten Normen sehen als Rechtsfolge Schadensersatz – im Falle des Untergangs der Sache einen solchen statt der Leistung – vor. Wollte man, wie oben geschildert, auf der Gleichwertigkeit von eigentlich geschuldeter Leistung und dem diese substituierenden Schadensersatz beharren, würde sich auch hier die Frage nach der Wertbemessung des Besitzes stellen. Bemerkenswerterweise kommt diese jedoch nirgends auf. Vielmehr wird das in diesem Rahmen gefundene Ergebnis, Schadensersatz in Höhe des Sachwertes, ohne Weiteres hingenommen.105 Nun ließe sich natürlich der Standpunkt einnehmen, dass durch den Untergang der Sache jedenfalls in faktischer Hinsicht auch das Eigentumsrecht selbst zumindest in monetärer Hinsicht „untergeht“. Dies ist indessen keine allein dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis vorbehaltene Überlegung. Denn geht nicht auch durch die Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung durch den Eigentümer und Erhalt des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes das Eigentum, wenngleich die formale Rechtsposition als solche nicht berührt wird,106 gewissermaßen unter? Eine Antwort auf diese Frage wurde durch die Feststellung der Wertlosigkeit des dominium sine re107 in

102  Siehe

auch Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 210. schon Kap. 1 Fn. 107. 104  Diesen Prüfstein benennt auch Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 209. 105  Siehe etwa Thole, in: Staudinger, 2019, § 989 Rn. 48 f. m. w. N.; Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Auflage, § 12 III 2 c. 106  Dazu an späterer Stelle, vgl. S. 226 ff. 107  Siehe dazu schon oben S. 74 ff. 103  Vgl.



A. Schadensersatz statt der Vindikation – Ermittlung der Schadenshöhe221

gewisser Hinsicht schon vorweggenommen. Allein darauf soll hier aber nicht abgestellt werden. Von besonderer Bedeutung ist zusätzlich die Ausgestaltung der Rechtslage des Besitzers, die aus der Zahlung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes resultiert und die Kehrseite des umfassenden Anspruchsausschlusses zu Lasten des Eigentümers bildet. Der Besitzer erlangt durch Erfüllung der Schadenersatzforderung eine gefestigte Rechtsposition, die jener des Eigentümers zumindest ähnelt:108 Diesem kommt in erster Linie ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB zu.109 Dies ist konsequent, wenn man beachtet, dass auch dem Besitzer, der sich gegenüber dem Eigentümer auf die Einrede der Verjährung berufen kann, ein solches Recht zugebilligt wurde.110 Wenn bereits die durch die Vindikationsverjährung eintretende Verteidigungsposition des Besitzers in Gestalt der Einrede ausreicht, um ein Recht zum Besitz zu begründen, muss dies erst recht gelten, wenn durch § 281 IV BGB der Vindikationsanspruch sogar erlischt. Befriedigt der Schuldner das Schadensersatzverlangen, steht ausweislich der obigen Ausführungen ferner fest, dass der Eigentümer gegenüber dem Schädiger zukünftig – für die Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gilt dies bereits aufgrund des Besitzrechts111 – auch keine Nutzungsersatzansprüche geltend machen kann.112 Ebenso wenig ist der Besitzer einer Verzugshaftung aufgrund von Nichtherausgabe der Sache ausgesetzt; dem steht das Erlöschen des Vindikationsanspruchs durch § 281 IV BGB entgegen.113 Im Ergebnis kann der Schadensersatzschuldner somit nach Zahlung des Schadensersatzes als Ei-

108  Ernst, ZfPW 2019, 122 (128); ders., in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 124. 109  Riehm, Grundsatz der Naturalerfüllung (2015), S. 417; Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 124; Ernst, ZfPW 2019, 122 (125); a. A. Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 54, der seine Sichtweise damit begründet, dass ein solches Verständnis weder mit der Natur des § 281 IV BGB noch mit dessen Wortlaut in Einklang zu bringen wäre. 110  Siehe oben S. 126 ff. 111  A. A. Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 58 f. Dass man auch ohne die Annahme eines Besitzrechts zugunsten des Besitzers weitere Ansprüche des Eigentümers aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis ausschließen kann, wurde oben bereits dargelegt S. 84 f. 112  Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 124; ders., ZfPW 2019, 122 (125); Schwab, NZM 2003, 50 (51) zu § 546 BGB; in dieselbe Richtung Kähler, NJW 2015, 1041 (1044), welcher dem Eigentümer Nutzungsersatzansprüche nur dann zubilligt, wenn § 985 BGB besteht; umfassend zu dieser Frage schon oben S. 83 ff. 113  Zum Erlöschen des Vindikationsanspruchs durch § 281 IV BGB schon oben S. 69 ff.

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

genbesitzer mit der Sache verfahren.114 Seinerseits ist er zudem über § 1007 BGB und das Deliktsrecht geschützt;115 freilich würde dies voraussetzen, dass man den berechtigen Besitz als ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 I BGB begreift.116 Bejaht man dies, dürfte der Schutz gleichermaßen gegenüber dem Eigentümer zur Geltung kommen,117 ohne dass sich dieser auf den dolo agit-Einwand berufen könnte.118 Durch die Geltendmachung des § 281 BGB statt der Vindikation ändert sich an der Verfügungsbefugnis als solcher dagegen nichts,119 diese ist weiterhin allein auf Seiten des Eigentümers zu verorten. Allerdings ist der Eigentümer mangels Herausgabeanspruchs gegenüber dem Besitzer nicht mehr dazu in der Lage, die Sache an einen Dritten weiter zu übertragen.120 Der Besitzer ist hingegen bei der Veräußerung an einen Dritten zwar auf die Vorschriften über den gutgläubigen Eigentumserwerb angewiesen – ihm steht insofern § 1006 BGB zur Seite –, auch hier entfaltet die Befriedigung des Schadensersatzverlangens jedoch ihre Wirkung; durch diese erlangt der Besitzer gleichsam eine faktische Verfügungsbefugnis. Legt man den Schadensersatz in der Höhe des Sachwertes fest, kann nach Erhalt der Abfindung die streitgegenständliche Sache zum einen nicht mehr als abhandengekommen gelten121 und zum anderen ist es dem abgefundenen Eigentümer nach wohl vorzugswürdiger Ansicht durch § 242 BGB verwehrt, die Vermutung des § 1006 BGB zu widerlegen oder die Be114  Ernst, ZfPW 2019, 122 (125), der zusätzlich betont, dass diese Rechtsfolge unabhängig davon eintritt, ob der Besitzer den Schadensersatz statt der Leistung widerstandslos zahlt oder dazu verurteilt wird. 115  Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 124; ders., ZfPW 2019, 122 (125). 116  Siehe zum Streitstand nur Wagner, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 823 Rn.  324 ff. 117  So auch Ernst, ZfPW 2019, 122 (126). 118  Selbst wenn man ein Recht zum Besitz ablehnen und den Besitzer daher als unberechtigt betrachten wollte, würde dies, wenngleich nach weit verbreiteter Ansicht § 823 I BGB nur den berechtigten Besitzer erfassen soll (vgl. Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 27. Auflage, Rn. 607; Medicus, AcP 165 (1965), 115 (117); Teich­ mann, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 823 Rn. 16), einem deliktischen Schutz des Besitzers nicht entgegenstehen. Denn dem Besitzer kommt durch § 281 IV BGB unabhängig davon, ob man ein Besitzrecht anerkennt, neben einem Ausschlussrecht auch ein Nutzungsrecht zu, vgl. Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S.  58 f. 119  Siehe dazu unten S. 226 ff. 120  Ernst, ZfPW 2019, 122 (126). Die einzige insofern in Betracht kommende Möglichkeit zur Eigentumsübertragung ist die Abtretung eines putativen Herausgabeanspruchs. Dies würde allerdings erfordern, dass der Besitzer seinen Besitz anschließend an den Putativzessionar auskehrt, vgl. § 934 Alt. 2 BGB. 121  Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 124; Flach, Anwendung der §§ 281 und 283 BGB (1928), S. 28.



A. Schadensersatz statt der Vindikation – Ermittlung der Schadenshöhe223

hauptung aufzustellen, der Erwerber sei bösgläubig gewesen.122 Im Ergebnis kann der Besitzer also trotz fehlender Berechtigung nach seinem Gutdünken über die Sache verfügen.123 Die Heilung des Abhandenkommenseins durch die Zahlung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes erschließt sich, wenn man beachtet, dass dieser Zustand auch bei Rückerlangung der Sache selbst endet.124 Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb nicht durch den Erhalt des Äquivalents dieselbe Rechtsfolge erzielt werden sollte. Auf eben diesen Umstand lässt sich auch die vorgenannte Bemühung des § 242 BGB stützen. Wenn der Gläubiger bereits Schadensersatz erhalten hat, der wertmäßig die Einbuße der in § 903 BGB normierten umfassenden Eigentümerbefugnisse kompensiert,125 dann erscheint es nicht unbillig, wenn dieser den tatsächlichen Rechtsverlust nicht mehr verhindern kann. Unzutreffend ist schließlich die Annahme, der Eigentümer könne jedenfalls durch den unfreiwilligen Verlust oder die unwirksame Verfügung seitens des Besitzers an einen Dritten durch das Aufleben eines neuen Vindikationsanspruchs der Sache wieder habhaft werden. Ungeachtet des Umstands, dass dies wohl als „Glücksfall“126 angesehen werden dürfte, erlischt – parallel zur Vindikationsverjährung127 – das Recht zum Besitz zugunsten des Schadensersatzschuldners in diesem Fall nicht.128 Der Eigentümer könnte im Wege des § 985 BGB lediglich die Herausgabe an den ursprünglichen Besitzer fordern. Summiert man nunmehr die Wertlosigkeit der dem Eigentümer verbleibenden Rechtsstellung auf der einen Seite und die dem Eigentum gleichende 122  Ernst, ZfPW 2019, 122 (126); ähnlich wie durch § 198 BGB wird so das Wiederaufleben einer Vindikationslage aufgrund Verfügung des Besitzers unabhängig von einem Recht zum Besitz unterbunden. 123  Nicht zuletzt daraus ergibt sich, dass die Sache dem Vermögen des Besitzers angehört, weshalb auch dessen Erben nach seinem Tod in seine Rechtsstellung eintreten. Konsequenterweise fällt die Sache im Falle der Insolvenz des Besitzers in dessen Insolvenzmasse. Dem Eigentümer dabei die Möglichkeit der Aussonderung gemäß § 47 I InsO abzusprechen, erscheint aufgrund der erlangten Abfindung unbedenklich. Parallel dazu ist dem Eigentümer die Drittwiderspruchsklage zu versagen, wenn ein Gläubiger des Besitzers die Sache pfändet, vgl. zum Ganzen Ernst, ZfPW 2019, 122 (126). 124  Zur Beendigung des Abhandenkommenseins nach Rückerlangung der Sache siehe Kindl, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 935 Rn. 11 m. w. N. 125  Vgl. dazu schon oben S. 203 f. 126  So zutreffend Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 217; dazu, dass die Rechtsordnung nicht mit Zufällen rechnen kann und darf, schon oben S. 74 ff. 127  Vgl. dazu oben S. 128. 128  Implizit wohl auch Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 124 („Aufgrund und ab der urteilsgemäßen Zahlung steht zwischen dem Eigentümer und dem Beklagten fest, dass letzterer gegenüber dem Eigentümer zum Besitz berechtigt ist: Der Eigentümer kann die Sache vom Besitzer nicht mehr herausverlangen“).

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

Rechtsposition des Besitzers auf der anderen Seite, verflüchtigt sich das Unbehagen. Dies gilt umso mehr, berücksichtigt man, dass dem Besitzer gegebenenfalls die Möglichkeit zukommt, das Eigentum zu erwerben. Unter Bezugnahme auf die oben diskutierte Lösung129 lässt sich die Festlegung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes somit nicht lediglich als das „geringere Übel“ bezeichnen, sondern vielmehr als überzeugend und geboten einstufen.130 Im weiteren Verlauf stellt sich dann freilich die Frage, ob und, wenn ja, wie der bereits angedeutete mögliche Eigentumserwerb zugunsten des Besitzers zur Vermeidung der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz vonstattengehen kann.

B. Wege zur Auflösung eines dominium sine re nach Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch Die Frage, wie die Rechtslage hinsichtlich der beim Besitzer verbleibenden Sache zu begreifen ist, wenn die erfolgreiche Vindikation zu einer Geldwertverurteilung in Höhe des Sachwertes führte, stellte sich schon den römischen Juristen.131 Beantwortet wurde diese durch die Annahme einer käuferähnlichen Lage des Besitzers, sodass dieser, falls die Sache in die Hände eines Dritten fiel, diesem gegenüber Herausgabe der Sache durch die actio Publiciana, den Vorgänger des § 1007 BGB, verlangen konnte.132 Die Historie dieser Problematik reicht also weit zurück. 129  Vgl.

oben S. 215. entspricht sowohl der Ansicht der Rechtsprechung, vgl. BGH NJW 2016, 3235 (3237 Rn. 20 f.), OLG Brandenburg, Urteil vom 24.10.2012 – 3 U 106/11 = NJOZ 2013, 1253 (1254) als auch der herrschenden Lehre Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 281 Rn. 4; Dauner-Lieb, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 281 Rn. 6 ff. bemisst den Schadensersatz ebenfalls in Höhe des Sachwertes, steht der Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch jedoch skeptisch gegenüber; Heinrichs, in: FS Derleder (2005), 87 (95); Ulber, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 281 Rn. 14; implizit auch Lorenz, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 281 Rn. 9; Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 122, der im Allgemeinen Bedenken gegenüber der Bestimmung der Höhe des Schadensersatzanspruchs anhand der Besitzposition anmeldet. Auf das Argument, mangels Maßstabs zur Erfassung des Besitzwertes bleibe nichts anderes übrig, als den Schadensersatz in Höhe des Sachwertes zu bemessen, in diese Richtung Heinrichs, in: FS Derleder (2005), 87 (95), kommt es folglich nicht an; kritisch gegenüber dem letztgenannten Argument Kohler, NZM 2014, 729 (736). 131  Der römische Jurist Julian stellte den auf Geld verurteilten Vindikationsschuldner einem Käufer der Sache gleich. Auch unter Justinian änderte sich an dem Eigentumserwerb zugunsten des Schuldners nichts, vgl. Iul. D. 25, 2, 22 pr., Iul.-Ulp. D. 6, 2, 7, 1; Paul. D. 6, 1, 46; vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 22. Auflage 2021, § 37 Rn. 19. Dazu auch schon oben S. 18 f. 132  Ernst, ZfPW 2019, 122 (122 f.). 130  Dies



B. Auflösung eines dominium sine re nach Anwendung des § 281 BGB

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Entsprechend üppig fällt die Zahl an Lösungsvorschlägen aus, die für diese vor und nach Erlass des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes entwickelt wurden133 und denen sich im Folgenden zugewandt werden soll. Zu berücksichtigten gilt es dabei jedoch, dass der Auflösung des dominium sine re im hiesigen Rahmen eine noch bedeutendere Rolle zukommt. Denn insofern streiten nicht nur die bereits genannten Aspekte, sondern auch der Umstand, dass andernfalls der Ausschluss des Vindikationsanspruchs durch § 281 IV BGB in Zweifel gezogen werden könnte, für die Vermeidung einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz.134

I. Originärer Eigentumserwerb Zunächst soll ein möglicher originärer Eigentumserwerb des Besitzers betrachtet werden. Entscheidet man den Diskurs darüber, ob das Stammrecht Eigentum von seinem Verwirklichungsanspruch getrennt werden kann, entsprechend der allgemeinen Ansicht,135 dann scheidet eine separate Abtretung des § 985 BGB unabhängig vom Eigentumsrecht aus. Sollte dennoch der Versuch unternommen werden, § 985 BGB abzutreten, ist die Zession aufgrund von Inhaltsänderung gemäß § 399 Fall 1 BGB unwirksam.136 Stellt man diese enge Verbindung zwischen dem Eigentum und dem Rechtsverwirklichungsanspruch in Rechnung, lässt sich darüber nachdenken, ob das Eigentum nicht das Schicksal teilt, welches der Vindikationsanspruch durch die Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung durch § 281 IV BGB erleidet.137 Insofern kommen drei Ansätze in Betracht. 133  Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 217; Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 40 ff.; Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 146  ff. und Schaltenbrand, Schadensersatz statt der Leistung (2008), S.  114 ff. 134  Siehe dazu oben S. 69 ff. 135  Auf die Diskussion wurde zuvor bereits hingewiesen, vgl. S. 69 f. Auf eine vertiefte Streitdarstellung wird hier verzichtet, entspricht die Untrennbarkeit von Eigentum und Verwirklichungsanspruch doch der inzwischen ganz herrschenden ­ ­Meinung, vgl. dazu: Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung, § 84 VI 3; Herrler, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 985 Rn. 1; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 27. Auflage, Rn.  445 f.; Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Auflage, § 11 Rn. 44; Bittner/ Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 21; Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 4 mit einer Fülle an Nachweisen. Ursprünglich bejahten aber selbst die Gesetzesväter die Abtretbarkeit des § 985 BGB, vgl. Mugdan, Bd. III, S. 222 f. = Motive, Bd. 3, S. 399 f. Vgl. zur Entstehung dieser heute allgemeinen Ansicht Röver, in: BeckOGK BGB, Stand 15.08.2021, § 255 Rn. 53 ff. 136  Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 399 Rn. 7 und 12; Röver, in: BeckOGK BGB, Stand 15.08.2021, § 255 Rn. 54. 137  Dies ziehen Wallerath, JR 1970, 161 (163) und Gursky, JURA 2004, 433 (436) in Erwägung.

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

1. Paralleles Erlöschen/paralleler Übergang von Eigentum und Vindikationsanspruch durch § 281 IV BGB Eine Variante wäre die Annahme, dass das Eigentum und der Vindikationsanspruch als Einheit zu begreifen seien, sodass bedingt durch den auf § 281 IV BGB fußenden Ausschluss des Vindikationsanspruchs auch das Eigentum an der Sache verloren ginge.138 Das Eigentum und sein Verwirklichungsanspruch würden gleichsam als akzessorisches Sicherungsrecht und gesicherte Forderung behandelt.139 Der Besitzer könnte sich nach Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs durch den Eigentümer die Sache aneignen. Ein ähnlicher Vorschlag wäre es, das Eigentum durch § 281 IV BGB unmittelbar auf den Schädiger übergehen zu lassen – § 281 IV BGB wäre dann als gesetzlicher Eigentumserwerbstatbestand zu begreifen.140 Der erstgenannte, zunächst attraktiv wirkende Ansatz – würde die Rechtslage doch umgehend bereinigt – stößt indes auf Bedenken. Gewiss mögen das Eigentum und sein Rechtsverwirklichungsanspruch zu der akzessorischen Sicherheit und der gesicherten Forderung eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen, immerhin folgt der vindikatorische Herausgabeanspruch dem Eigentum ebenso nach wie die akzessorische Sicherheit der zu sichernden Forderung. Dass der Vergleich dennoch hinkt, zeigt sich, nimmt man diesen beim Worte. Als akzessorische Sicherheit wäre im hiesigen Fall der Vindikationsanspruch zu identifizieren, wohingegen das Eigentum die zu sichernde Forderung verkörpern würde. Wollte man nun argumentieren, dass durch Erlöschen des Vindikationsanspruchs (das heißt der akzessorischen Sicherheit) das Eigentum (also die gesicherte Forderung) gleichermaßen unterginge, würde die akzessorische Sicherheit, den gesetzlichen Vorstellungen zuwider, die gesicherte Forderung bedingen und nicht umgekehrt, vgl. § 401 BGB. Allein darin erschöpft sich die Kritik freilich nicht. Weitere Anhaltspunkte offenbaren sich, wenn man danach fragt, als was der Vindikationsanspruch definiert wird – vertreten wird neben der Qualifizierung als Annex zum Eigentum141 die Versinnbildlichung des Eigentums selbst.142 Bei Zugrundelegung der 138  Vgl. Wallerath, JR 1970, 161 (163), der ein unmittelbares Erlöschen des Eigentums durch § 283 BGB a. F. ablehnt; Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 146. 139  Dies erwägt Wallerath, JR 1970, 161 (163). 140  So ausdrücklich Flach, Anwendung der §§ 281 und 283 BGB (1928), S. 38 ff., der jedoch selbst von einer „gewagten Konstruktion“ spricht; dies erwägend, aber ablehnend auch Gursky, JURA 2004, 433 (436). 141  So etwa Hellwig, Anspruch und Klagerecht (1900), S. 30 ff. und Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 69. 142  Gursky, JURA 2004, 433 (435); ders., in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 3; Gern­ huber, Bürgerliches Recht (1991), § 23 I; Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (102).



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erstgenannten Sichtweise ergibt sich das ausschlaggebende Moment, wenn man die Richtigkeit der geschilderten Variante – durch Erlöschen des § 985 BGB würde auch das Eigentum untergehen – unterstellt: Bei solch einem Verständnis würde der Annex des Eigentums Einfluss auf die dingliche Rechtslage selbst nehmen. Dies würde nicht nur das Ursache-Wirkung-Prinzip ins Gegenteil verkehren, sondern auch der Grundregel des § 952 BGB zuwiderlaufen,143 wonach der Annex stets dem Hauptrecht folgt und nicht umgekehrt.144 Auch wenn man die zweitgenannte Sichtweise zugrunde legte – § 985 BGB als Ausschnitt des Eigentumsrechts –, dürfte sich im Ergebnis nichts ändern. Denn unter den Vertretern dieser Ansicht besteht ebenfalls dahingehend Einigkeit, dass § 985 BGB nicht das gesamte Recht, sondern allenfalls einen Teil der Rechtsposition repräsentieren kann.145 Erlischt ein Teil der Rechtsposition des Eigentums, stellt das eine Beschränkung des dinglichen Rechts selbst dar, führt aber nicht zum Erlöschen des Eigentums in toto.146 Letztlich ausschlaggebend gegen den Vorschlag, das Eigentum mit Erlöschen des § 985 BGB gleichermaßen untergehen zu lassen oder das Eigentum dem Schadensersatzschuldner durch Erlöschen des Rechtsverwirklichungsanspruchs unmittelbar zuzubilligen, spricht jedoch der folgende Punkt: Damit aufgrund von § 281 IV BGB das Eigentum des Schadensersatzschuldners unmittelbar übergehen oder erlöschen könnte, müssten sich die Rechtsfolgen besagter Norm auch auf das Sachenrecht erstrecken. Diese müsste zu nicht weniger im Stande sein, als dingliche Rechtsänderungen herbeizuführen, also gleichsam als Eigentumserwerbs- oder -verlusttatbestand fungieren.147 Da sich Eigentumserwerbs- und -verlusttatbestände zwar überwiegend auf das Dritte Buch des BGB beschränken, gleichwohl nicht ausschließlich dort vorzufinden sind – exemplarisch sei auf § 1922 BGB verwiesen – kann nur im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob die Erwägung, § 281 IV BGB eine dingliche Wirkung beizumessen, letztlich einen fruchtbaren Gedankengang darstellt: Der Wortlaut spricht allein vom Ausschluss des Anspruchs auf Leistung und lässt deshalb keine Schlüsse auf

143  Dass sich § 952 BGB hier zur Begründung eignet, ergibt sich schon aus den parallelen Termini; auch dort ist die Rede von einem „Annex“ oder „Akzessorium“ zum verbrieften Recht, vgl. Heinze, in: Staudinger, 2020, § 952 Rn. 1; so auch Ode­ mer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 69. 144  Heinze, in: Staudinger, 2020, § 952 Rn. 17. 145  Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 3 („Eigentum selbst in spezieller Form“); so auch Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (102). 146  So bereits Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2011), S. 193. 147  Diese Überlegung stellt auch Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 147 an.

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

eine dingliche Rechtsfolge zu.148 Nichts Gegenteiliges lässt sich aus der systematischen Verortung der Norm im allgemeinen Schuldrecht entnehmen; eher bestärkt diese den aufkommenden Eindruck, dass es sich um eine Regelung mit rein schuldrechtlicher Wirkung handelt.149 Untermauern lässt sich dies schließlich durch die folgende Überlegung: Wenn dem Schadensersatzschuldner bereits das Eigentum an der Sache zugebilligt wird oder der Gläubiger seine dingliche Rechtsposition verliert, bedarf es dann überhaupt noch des gesetzlich expressis verbis vorgeschriebenen Anspruchsausschlusses? Schließen sich der Anspruchsausschluss und der in Frage stehende unmittelbare Eigentumsüber/-untergang nicht vielmehr gewissermaßen gegenseitig aus? Diese Schlussfolgerung liegt nahe, denn ungeachtet dessen, ob man § 985 BGB als Versinnbildlichung des Eigentums selbst oder bloßen Annex begreift, wäre ein Ausschluss desselben durch § 281 IV BGB jedenfalls dann hinfällig, wenn das Eigentum bereits auf den Schadensersatzschuldner übergegangen wäre.150 Nun ließen sich dieser einstweilen recht eindeutigen Auslegung freilich zweierlei Aspekte entgegenhalten: Zum einen finden auch die Normen des Schuldrechts innerhalb des Sachenrechts Anwendung und zum anderen wurde zuvor noch betont, dass ein Ausschluss des vindikatorischen Herausgabeanspruchs durch § 281 IV BGB davon abhängt, ob Eigentum und Vindikationsanspruch wieder zusammengeführt werden können.151 Zweifellos trifft es zu, dass ein unmittelbarer Eigentumsübergang oder ein unmittelbares Erlöschen der Eigentümerbefugnisse aufgrund von § 281 IV BGB mit anschließender Aneignungsmöglichkeit den kürzesten Weg zur Bereinigung der Rechtslage darstellen und auch schuldrechtliche Regelungen innerhalb des Sachenrechts Anwendung finden können, vgl. nur § 990 II BGB.152 Gleichwohl vermögen diese beiden Aspekte es nicht zu legitimieren, die zivilrechtliche Dogmatik zu untergraben. Die Zuordnungsfrage stellt die Grenze der 148  So auch Gursky, JURA 2004, 433 (436) („Eine solche Lösung entfernt sich aber allzu weit vom Wortlaut des § 281 IV BGB, als dass man sie ernsthaft in Betracht ziehen könnte.“). 149  Gursky, JURA 2004, 433 (436) („Zudem ist eine Norm des allgemeinen Schuldrechts systematisch nicht der richtige Ort für die Regelung eines Eigentumsübergangs“). 150  Siehe dazu Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 64 und Schä­ fer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 50 f. Dem lässt sich auch nicht mit dem Argument entgegentreten, Abs. 4 spiegle lediglich die Folgen des Eigentumserwerbs wider – dies wird insbesondere zu § 241a I BGB diskutiert, siehe dazu unten S. 299 ff. –, dem steht der weite Anwendungsbereich entgegen. 151  Vgl. zu letzterem Punkt oben S. 69 ff. 152  Siehe zur Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch schon oben S. 53 ff.



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Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen im Sachenrecht dar.153 Hintergrund dessen ist, dass sich absolute Rechte von sachen- oder schuldrechtlichen Ansprüchen sowohl hinsichtlich ihrer rechtlichen Struktur als auch ihrer Zielrichtung unterscheiden; während schuldrechtliche Ansprüche typischerweise von vornherein nur auf das Verhältnis inter partes beschränkt sind, wirken absolute Rechte erga omnes.154 Die Differenzierung zwischen absoluten Rechten auf der einen und schuldrechtlichen Ansprüchen auf der anderen Seite spiegelt sich auch im Prozessrecht wider: Ist der Vindikationsanspruch Gegenstand eines Prozesses, dann wird in diesem in der Regel155 nicht über die denknotwendigerweise vorausgegangene Frage des Eigentums rechtskräftig entschieden, sondern allein über die des Herausgabeanspruchs; die Rechtskraft der Entscheidung beschränkt sich allein auf die am Prozess beteiligten Parteien.156 Für den hiesigen Fall lässt sich der Kerngehalt der vorangegangenen Überlegungen besonders anhand der folgenden Parallele verdeutlichen: „Ebenso wie etwa ein Verpflichtungsgeschäft das Verfügungsgeschäft nur ‚vorbereiten‘ kann, vermag der Untergangsgrund für einen Anspruch nur den Untergang des ihm zugrunde liegenden absoluten Rechts ‚vorzubereiten‘, nicht aber den Untergang selbst zu bewirken.“157 Anknüpfend an diese Erwägung lässt sich sogar ein Erst-recht-Schluss ziehen: Wenn sich die Wirkung des § 281 IV BGB bereits auf den Erfüllungsanspruch als solchen beschränkt, das Schuldverhältnis im weiteren Sinne hingegen unberührt lässt, dann kann durch diesen a fortiori nicht die dingliche Berechtigung des Schadensersatzgläubigers erlöschen oder übergehen; andernfalls würde der Wirkungskreis des § 281 IV BGB sogar noch weit über die Grenzen des Schuldverhältnisses im weiteren Sinne ausgedehnt.158 Behält man diese Unterscheidung zwischen 153  Weber, in: Staudinger, 11. Auflage 1961, § 242 Rn. A 29; Westermann/Gursky/ Pinger, Sachenrecht, 6. Auflage, § 2 II 3; Ballerstedt, SJZ 1948, 388 (389); Mühl, NJW 1956, 1657 (1657 f.), der dies anhand der Rechtsprechung des Reichsgerichts zu § 242 BGB belegt; Wallerath, JR 1970, 161 (163); Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 147. Dass § 449 I BGB als schuldrechtliche Regelung die für eine Eigentumsübertragung erforderliche dingliche Einigung betrifft, vermag diesem Ergebnis nicht entgegenzustehen. Insofern handelt es sich lediglich um eine Auslegungsregel, siehe dazu nur Mock, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 449 Rn. 1. Unmittelbare Auswirkungen auf die dingliche Rechtslage entfaltet die Norm jedoch nicht. 154  Wallerath, JR 1970, 161 (163); siehe dazu auch schon auf S. 164. 155  Die Möglichkeit der Zwischenfeststellungsklage nach § 256 II ZPO außen vor gelassen. 156  Wallerath, JR 1970, 161 (163). 157  Zitat nach Wallerath, JR 1970, 161 (163); vgl. auch Westermann/Gursky/Pin­ ger, Sachenrecht, 6. Auflage, § 1 II 2 a. 158  Diesen Erstrechtschluss zieht auch Wallerath, JR 1970, 161 (163); vgl. zudem Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 147.

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

schuldrechtlichen Ansprüchen und absoluten Rechten im Blick, scheidet es schlechterdings aus, dass durch die Geltendmachung von Schadensersatz statt des Vindikationsanspruchs Einfluss auf die dingliche, auch gegenüber Dritten wirkende, Rechtslage genommen wird.159 Letztlich läuft die vorstehende Kritik somit auf den schon zuvor genannten numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände hinaus.160 Wollte man den vorausgegangenen Erkenntnissen zum Trotz das Eigentum durch § 281 IV BGB unmittelbar auf den Schadensersatzschuldner übergehen oder erlöschen lassen, besagte Norm mithin als gesetzlichen Eigentumserwerbsoder -verlusttatbestand qualifizieren, würde ein neuer, den §§ 929 ff. BGB fremder Tatbestand – Übergang bzw. Verlust des Eigentums aufgrund Ausschlusses des Vindikationsanspruchs – geschaffen. Den nur relative Schuldverhältnisse betreffenden § 281 BGB in den Bestand dinglicher Rechte eingreifen zu lassen, würde folglich den numerus clausus der Erwerbstatbestände konterkarieren.161 Weder ein unmittelbarer Eigentumsübergang noch ein Erlöschen der Eigentumsposition bedingt durch § 281 IV BGB können somit überzeugen. 2. Dereliktion und Aneignung Ein originärer Eigentumserwerb könnte jedoch noch mittels Dereliktion des Eigentümers und anschließender Aneignung durch den Besitzer vonstattengehen.162 Dies würde freilich voraussetzen, dass der Tatbestand des § 959 BGB, der sich aus dem Realakt der Besitzaufgabe und dem sogenannten Entschlagungswillen zusammensetzt,163 erfüllt wäre. In der Tat lässt sich jedenfalls von einer Besitzaufgabe sprechen, wenn der Eigentümer Schadensersatz statt der Leistung geltend macht und in der Folge bedingt durch § 281 IV BGB seinen Vindikationsanspruch einbüßt. Zwar hat der Eigentümer zum Zeitpunkt der Geltendmachung des § 281 BGB lediglich den mitJR 1970, 161 (163); Gursky, JURA 2004, 433 (436). dazu schon oben S. 164 161  Auch der Wille der Gesetzesväter dürfte gegen die soeben diskutierten Ansätze sprechen, entschieden diese sich im Rahmen der Gesetzgebung zu § 223 BGBE1, dem Vorläufer des § 255 BGB, doch ausdrücklich gegen einen unmittelbaren ­Eigentumsübergang nach Zahlung des Schadensersatzes, wobei sie sich vornehmlich auf das Publizitätsinteresse stützten, vgl. Mugdan, Bd. II, S. 14 = Motive, Bd. 2, S. 25 und Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 47. 162  Horstmann, Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen (1938), S. 54 f. erwägt einen solchen Verzicht des Eigentümers. Er lehnt diesen im Ergebnis indes ab, da es zweckmäßiger sei, von einem Übereignungsangebot im Sinne des § 929 S. 2 BGB auszugehen. 163  Siehe nur Schermaier, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 959 Rn. 7. 159  Wallerath, 160  Siehe



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telbaren Besitz inne, doch dürfte es inzwischen der herrschenden Ansicht entsprechen, dass auch die Aufgabe dieser Besitzposition eine Besitzaufgabe im Sinne des § 959 BGB darstellt.164 a) Wille zur Dereliktion Hingegen stellen sich insbesondere mit Blick auf den für eine Dereliktion erforderlichen Willen des Eigentümers zur Eigentumsaufgabe diverse Fragen: Kann allein von der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs statt des § 985 BGB im Wege der Auslegung auf einen Dereliktionswillen geschlossen werden?165 Falls ja, wie verhält es sich, wenn der Eigentümer ausdrücklich kommuniziert, das Eigentum an der Sache nicht aufgeben zu wollen, und dennoch Schadensersatz in Höhe des Sachwertes geltend macht? Kann in diesem Fall die Klage aufgrund von Zuvielforderung ganz oder teilweise abgewiesen werden?166 Da letztlich alle Fragen auf dem Kernproblem fußen, ob mittels Auslegung ein dahingehender Wille des Eigentümers ermittelt werden kann, die Sache zu derelinquieren, soll sich primär diesem gewidmet werden. Grundsätzlich ist eine Dereliktion auch durch die Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung auf konkludentem Wege denkbar.167 Die Annahme, dass eine Dereliktion dem Willen des Eigentümers entspricht, dürfte aber nur dann das Ergebnis einer lebensnahen Auslegung sein, wenn die Eigentums­ position für diesen gänzlich wertlos, ihm an der Sache nichts mehr gelegen und die Eigentumsübertragung auf den Besitzer somit recht ist.168 164  Ebbing, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 959 Rn. 5; Heinze, in: Staudinger, 2020, § 959 Rn. 6 mit diversen Nachweisen; a.  A. das LG Berlin, Urteil vom 10.02.2009 – 19 O 116/08 = BeckRS 2009, 6409, die Kammer betonte in der Entscheidung, dass ein mittelbarer Besitzer das Eigentum nicht durch Verzicht auf den Vindikationsanspruch aufgeben könne. Skeptisch auch Schäfer, Verbindung des Schadenersatzanspruchs, (1972), S. 41. 165  Skeptisch insofern Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 193; befürwortend Falk, Übertragung der schuldrechtlichen Regeln (1928), S. 20, der eine unbedingte Dereliktion des Eigentümers annimmt, wenn der Besitzer kein Interesse daran hat, das Eigentum an der Sache zu erwerben. 166  Weder eine vollständige noch eine teilweise Abweisung der Klage könnte mit Blick auf die obigen Ausführungen angenommen werden, denn um die Schadenshöhe auf den Sachwert festlegen zu können, bedarf es keiner Dereliktion seitens des Eigentümers, vgl. S. 217 ff. 167  Kindl, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 959 Rn. 2. 168  Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 148; Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 41 bezweifelt einen solchen Willen des Eigentümers bereits deshalb, weil dieser die Sache dem Schädiger eher für die Zahlung des Schadensersatzes zukommen lassen will.

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

Gegen die Willenskonformität der Eigentumsaufgabe vor Befriedigung der Schadensersatzforderung sprechen indessen gleich mehrere Umstände: Bis zur Zahlung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes durch den Schädiger ist die Rechtslage des Eigentümers mit der eines Sicherungseigen­ tümers vergleichbar; diesem kommt die Möglichkeit zu, bevorzugt zum Zwecke der Befriedigung seiner Schadensersatzforderung in die Sache zu vollstrecken, falls der Besitzer nicht zahlt.169 Die verbleibende, ausgehöhlte Rechtsposition des Eigentümers erfüllt somit jedenfalls noch einen Sicherungszweck, sodass vor Erfüllung der Schadensersatzforderung der Eigentumsposition nicht jeglicher Wert abgesprochen werden kann. Darüber hinaus streitet gegen die Unterstellung eines Dereliktionswillens zu diesem Zeitpunkt der daraus folgende Anreizverlust für den Besitzer, das Schadensersatzverlangen zu befriedigen. Denn welcher Anreiz besteht für den Schädiger, die Schadensersatzforderung zu erfüllen, wenn er sich das Eigentum bereits selbst im Wege der Aneignung einverleiben und deshalb für sein pflichtgemäßes Verhalten keine Gegenleistung mehr erwarten kann?170 Es liegt somit fern, dem Eigentümer einen konkludenten Dereliktionswillen vor Erhalt der vollständigen Schadensersatzsumme zu unterstellen. Andernfalls würden sich die durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hinzugewonnenen rechtlichen Möglichkeiten als Eigentümerfalle entpuppen, da durch die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung der eigene Rechtskreis unmittelbar geschmälert und dem Schuldner der Anreiz genommen würde, das Schadensersatzbegehren zu befriedigen. b) Aufschiebend bedingter Wille zur Dereliktion Nach Zahlung des Schadensersatzes in voller Höhe gestaltet sich die Rechtslage freilich anders. Der dem Eigentümer verbleibenden, entkernten Rechtsposition kommt dann aufgrund Erlöschens der Forderung regelmäßig keine Sicherungsfunktion mehr zu und dem Schädiger müssen keine Anreize mehr zum pflichtgemäßen Verhalten gesetzt werden. Naheliegenderweise wird deshalb erwogen, ob in der Geltendmachung von Schadensersatz statt des Vindikationsanspruchs gleichzeitig der Wille des Eigentümers erblickt werden kann, seine Rechtsposition unter der aufschiebenden Bedingung der 169  Wallerath, JR 1970, 161 (164); auf die Diskussion, ob dem Sicherungseigentümer ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus § 805 ZPO zukommt oder die Drittwiderspruchsklage aus § 771 ZPO an die Hand gegeben wird, soll hier nicht weiter eingegangen werden, vgl. dazu nur Lackmann, in: Musielak/Voit ZPO, 18. Auflage 2021, § 771 Rn. 16. 170  Wallerath, JR 1970, 161 (164); so auch Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 147.



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vollständigen Zahlung der Schadensersatzsumme preiszugeben. Wollte man dem zunächst unreflektiert folgen (eine genauere Auseinandersetzung folgt sogleich), würde bereits die Frage aufkommen, ob der Entschlagungswille überhaupt aufschiebend bedingt werden kann. Dessen rechtliche Qualifikation ist streitig. Während die einen dessen Äußerung als Willenserklärung einstufen171 und folgerichtig die Möglichkeit, den Entschlagungswillen unter eine aufschiebende Bedingung zu stellen, bejahen,172 qualifizieren andere ihn als eine reine Willensbetätigung und nehmen daher Bedingungsfeindlichkeit an.173 Ohne diese Diskussion näher zu beleuchten, provoziert die Erweiterung der Dereliktion um eine aufschiebende Bedingung noch weitere Einwände. So ist insbesondere erörterungsbedürftig, wie man im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung überhaupt zu der Schlussfolgerung gelangen kann, dass der Eigentümer nicht nur einen Entschlagungswillen geäußert, sondern diesen zusätzlich unter eine aufschiebende Bedingung gestellt hat. Ziel des § 158 I BGB ist es, die Wirkung eines Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen und zudem ungewissen Ereignis abhängig zu machen,174 womit die Notwendigkeit der Feststellung von Zweifeln einhergeht.175 Auf diese Zweifel muss, in Abgrenzung zur Störung der Geschäftsgrundlage, ein zusätz­ licher Geschäftswille zurückgeführt werden können.176 Es gestaltet sich indessen schwierig, einen solchen Geschäftswillen in die bloße Geltendmachung des Schadensersatzes statt des Vindikationsanspruchs hineinzulesen. Denn allein auf die Interessen des Eigentümers kann ein solcher zusätzlicher Geschäftswille nicht gestützt werden. Dies ergibt sich aus der strikten Unterscheidung zwischen den für die Willensbildung maßgebenden Motiven auf 171  LG Ravensburg, Urteil vom 03.07.1987 – 3 S 121/87 = NJW 1987, 3142 (3143); Oechsler, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 959 Rn. 3; Henssler, in: Soergel, 13. Auflage 2002, § 959 Rn. 1 f.; Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Auflage, § 53 Rn. 70; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung, § 78 II 1a; Finkenauer, JuS 2009, 934 (937); Berger, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 959 Rn. 1; Schermaier, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 959 Rn. 7. 172  Schermaier, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 959 Rn. 29 m.  w. N.; Oechsler, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 959 Rn. 6. 173  Heinze, in: Staudinger, 2020, § 959 Rn. 1; Wallerath, JR 1970, 161 (164); Wie­ ling/Finkenauer, Sachenrecht, 5. Auflage, § 11 Rn. 55 qualifizieren den Entschlagungswillen zwar als Willenserklärung, gehen aber dennoch von Bedingungsfeindlichkeit aus. 174  Ellenberger, in: Palandt, 80. Auflage 2021, Einf. v. § 158 Rn. 1. 175  Westermann, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 158 Rn. 10; Rövekamp, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 158 Rn. 3; BayObLG, Beschluß vom 05.12.1966 – BReg. 1 a Z 32/66 = NJW 1967, 729 (729). 176  Bork, in: Staudinger, 2020, Vorb. §§ 158–163 Rn. 8; Westermann, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 158 Rn. 50 f.

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der einen und den Vertragsbestandteilen auf der anderen Seite.177 Würden diese Grenzen verschwimmen, wäre der Rechtsanwender nicht mehr in der Lage, eine den besonderen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende Entscheidung zu treffen.178 Wollte man erst in der prozessualen Geltendmachung des Schadensersatzes die Dereliktion erblicken, die unter der aufschiebenden Bedingung der Verurteilung des Besitzers steht, ließe sich zwar argumentieren, dass die die Bedingung charakterisierende Ungewissheit gleichsam umgangen würde,179 weshalb ein entsprechender Geschäftswille eher angenommen werden könnte. Dadurch würden die vorausgegangenen Bedenken allerdings nur abgemildert und nicht vollständig behoben. Hinzukommend würde die Annahme, nur durch eine prozessuale Geltendmachung des § 281 BGB könne eine aufschiebend bedingte Dereliktion begründet werden, weitere Kritikpunkte eröffnen: Der Schadensersatzschuldner wäre dazu genötigt, stets einen Prozess zu provozieren, um sicherzugehen, das Eigentum an der Sache nach Entrichtung des Substanzwertes erhalten zu können. Dies liefe nicht zuletzt einer Entlastung der Gerichte zuwider. Eine noch tiefergehende Auseinandersetzung mit den Fragen, ob sich der Entschlagungswille des Eigentümers als bedingungsfeindlich erweist und inwiefern in die Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung eine aufschiebende Bedingung hineingelesen werden kann, wäre allerdings nur dann indiziert, wenn überhaupt ein Entschlagungswille des Eigentümers angenommen werden könnte. Abermals kommt es also auf die schon unter der vorangegangenen Überschrift entscheidende Frage an, ob in der (gerichtlichen) Geltendmachung des § 281 BGB statt des § 985 BGB ein Entschlagungswille des Eigentümers erblickt werden kann. Wie bereits zu Anfang dargelegt, kann ein Dereliktionswille nicht schon durch Verweis auf die obigen Ausführungen abgelehnt werden. Ebenso wenig lässt sich daraus aber im Umkehrschluss entnehmen, der Eigentümer wolle die Sache nach Erhalt des Schadensersatzes zwingend derelinquieren. Dass auch losgelöst von dem hier interessierenden § 281 IV BGB in Zweifelsfällen jedoch nicht zugunsten einer Dereliktion entschieden werden kann,180 ergibt sich aus dem Folgenden: Zum einen wird die Willenserklärung des Eigentümers zur Dereliktion manin: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 158 Rn. 4, 50 m. w. N. Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 66; BVerfG NJW 2011, 1339 (1341 Rn. 43); BGH, Urteil vom 23.01. 2013 – VIII ZR 80/12 = NJW 2013, 991 (993 Rn. 36). 179  Gerade aus diesem Grund ist die bedingte Aufrechnung im Prozess zulässig, vgl. nur Skamel, in: BeckOGK BGB, Stand 01.10.2021, § 388 Rn. 40.1. m. w. N. zu dieser sowie alternativen Begründungen. 180  So ausdrücklich Oechsler, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 959 Rn. 3 und implizit Heinze, in: Staudinger, 2020, § 959 Rn. 1 („aus dem sich sein Dereliktionswille unzweideutig ergibt“). 177  Westermann, 178  Odemer,



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gels Empfangsbedürftigkeit gemäß § 133 BGB rein subjektiv ausgelegt,181 weshalb teilweise von einer wohlwollenden Auslegung zugunsten des Erklärenden die Rede ist.182 Zum anderen ist die wertsetzende Bedeutung des Art. 14 I S. 1 GG zu berücksichtigen. Eine vorschnelle Bejahung des Dereliktionswillens verbietet sich somit. Versucht man folgerichtig zu ergründen, weshalb der Eigentümer seine (wenn auch wertlose) Rechtsposition preisgeben sollte, so kommen allein altruistische Motive in Betracht;183 das Eigentum könnte nach der Dereliktion wieder zu einem werthaltigen Recht erstarken. Dem Eigentümer einen altruistischen Willen zugunsten des sich der Herausgabe der Sache verweigernden Besitzers zu attestieren, dürfte aber als reine Fiktion abgetan werden.184 Zweifel an einem auf die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gestützten Dereliktionswillen ergeben sich zudem aus dem Umstand, dass der Eigentümer durch § 281 IV BGB allein zum Ausdruck bringt, die Entgegennahme der Sache zu verweigern.185 Daraus lässt sich nicht ohne Weiteres die Intention ableiten, auch das Eigentum an der Sache preisgeben zu wollen, zumal es dem BGB grundsätzlich fremd ist, an die Geltendmachung eines rechtlich gewährten Anspruchs zunächst die Aufgabe einer eigenen Rechtsposition zu knüpfen.186 Auch nach Befriedigung des Schadensersatzverlangens kann im Wege der Auslegung mithin kein (aufschiebend bedingter) Dereliktionswille des Eigentümers ermittelt werden.187 In der Folge erübrigen sich die zu Anfang aufgeworfenen Fragen ebenso wie die Diskussion über die rechtliche Qualifikation des Dereliktionswillens. 181  So jedenfalls die überwiegende Ansicht, vgl. nur Oechsler, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 959 Rn. 3; Schermaier, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 959 Rn. 10 betitelt diese Ansicht ebenfalls als die herrschende Lehre. Eine objektive Auslegung präferieren dagegen Heinze, in: Staudinger, 2020, § 959 Rn. 1 m. w. N. und das LG Ravensburg NJW 1987, 3142 (3143). 182  Oechsler, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 959 Rn. 3. 183  Ausweislich der obigen Ausführungen bedarf es zur Rechtfertigung der Schadensbemessung in Höhe des Sachwertes keiner Dereliktion, vgl. S. 217 ff. 184  So schon Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 218; Wallerath, JR 1970, 161 (163 f.). 185  Wallerath, JR 1970, 161 (164); Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 147. 186  Zu letzterem Punkt siehe Ernst, ZfPW 2019, 122 (124), der es für befremdlich hält, ein dem Gläubiger zustehendes Recht durch eine Obliegenheit zu beschränken; die Leistung Zug-um-Zug (§ 320 BGB) mag insofern eine Ausnahme bilden, die auf die Besonderheiten eines synallagmatischen Vertrags zurückzuführen ist; zu § 816 I S. 1 BGB lässt sich demgegenüber keine Parallele ziehen, dort muss der Eigentümer seine Eigentumsposition durch Genehmigung der unwirksamen Verfügung preisgeben, damit der Anspruch überhaupt entsteht. 187  So auch Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 147; Wallerath, JR 1970, 161 (164); Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 193.

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Losgelöst vom Willen des Eigentümers lässt sich dieses Ergebnis abschließend durch die Risiken, die aus der Auflösung des dominium sine re im Wege der Dereliktion zulasten des Schädigers erwachsen, unterstreichen. So hat dieser, falls er nur den mittelbaren Besitz innehat, zu befürchten, dass er als Besitzmittler ins Hintertreffen gerät, wenn der unmittelbare Besitzer sich vor ihm die Sache im Wege des § 958 BGB aneignet.188 3. Entsitzung Schließlich könnte ein originärer Eigentumserwerb noch auf das Lösungsmodell in Form der „Entsitzung“ nach 30 Jahren gestützt werden, welches primär für jenes dominium sine re entwickelt wurde, das aus der Verjährung des Vindikationsanspruchs resultiert. Legt man dieses zugrunde, verlöre der Eigentümer nach Ablauf von 30 Jahren sein Eigentum, wenn er die Sache nicht zurück in seinen Besitz brächte, weshalb dem Besitzer die Möglichkeit der Aneignung zukäme. Allein die Verschiebung dieses Modells aus dem Kontext der Vindikationsverjährung hin zu der hier maßgeblichen Konstellation der sogenannten „Chorarchiventscheidung“ vermag indessen nichts an der Validität der zuvor bereits geäußerten Kritik zu ändern. Im hiesigen Rahmen würde durch die Anerkennung einer solchen „Entsitzung“ gleichermaßen nicht nur die Verjährung des Vindikationsanspruchs in Frage gestellt, sondern auch der eng umrissene Tatbestand des § 937 BGB hinfällig.189 4. Zwischenergebnis Im Übrigen sind weder einzelne Normen noch ein Konglomerat verschiedener Vorschriften auffindbar, zu deren Tatbestand der Empfang einer Ersatzleistung zählt und die als Rechtsfolge den Eigentumserwerb vorsehen.190 Somit kommt eine Auflösung des aus der Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch entstehenden dominium sine re im Wege des originären Eigentumserwerbs nicht in Betracht.

Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 65. zu dieser Lösung im Allgemeinen und weiteren Kritikpunkten schon oben S. 165 ff. Auf die übrigen dort präsentierten Lösungsvorschläge soll nicht erneut eingegangen werden. Zwar verfolgen diese gleichermaßen das Ziel, die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz zu vermeiden, jedoch gilt für diese nichts anderes als für die ausdrücklich angesprochene Ersitzung: Allein durch die Verschiebung der Lösung in den Kontext der „Chorarchiventscheidung“ kommt es nicht zur Auflösung der einschlägigen Kritikpunkte. 190  So auch Ernst, ZfPW 2019, 122 (124). 188  Odemer, 189  Siehe



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II. Derivativer Eigentumserwerb Mangels Vorliegens eines originären Eigentumserwerbstatbestandes ist der Blick im Folgenden auf einen möglichen derivativen Erwerb zu richten. Ein solcher ließe sich begründen, indem man in der Klageerhebung, im Verlangen des Schadensersatzes oder auch erst im Empfang desselben ein konkludentes Angebot auf Eigentumsübertragung im Sinne des § 929 S. 2 BGB und in der Zahlung des Schadensersatzes eine, wiederum konkludente, Annahme des Angebotes sehen wollte.191 Wie bereits im Rahmen einer möglichen Dereliktion festgehalten wurde, ist ein solches Übereignungsangebot nicht erforderlich, um den Schadensersatz in Höhe des Sachwertes festlegen zu können.192 Gleichwohl könnte sich auch diese Lösung als gangbarer Weg zur Vermeidung der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz herausstellen und ist deshalb näher zu beleuchten. Mit Blick auf die vorangegangenen Ausführungen ist jedoch gleich zu Beginn festzuhalten, dass im Rahmen dieser Lösung gleichermaßen der Einwand greift, welcher bereits der Annahme, in der Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung liege gleichzeitig eine Dereliktion, entgegengehalten wurde: Wollte man in eben jenes Verhalten ein unbedingtes Angebot auf Übereignung der streitgegenständlichen Sache hineinlesen, würde der Eigentümer den Schädiger für sein pflichtwidriges Verhalten privilegieren und ihm den Anreiz nehmen, die Schadensersatzforderung pflichtgemäß zu erfüllen.193 Bis zur Erfüllung der Schadensersatzforderung streitet gegen die Annahme eines konkludenten und unbedingten Übereignungsangebotes ferner auch in diesem Kontext die Werthaltigkeit des Eigentums.194 Zum Teil wird daher – wiederum parallel zur Lösung im Wege der Dereliktion – der soeben präsentierte Ansatz modifiziert: Der Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung oder der Klageerhebung soll der Wille des Eigentümers, seine Rechtsposition durch § 929 S. 2 BGB preiszugeben, nur dann im Wege der Auslegung entnommen werden können, wenn besagter 191  Dafür Horstmann, Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen (1938), S. 55; vgl. auch Ernst, ZfPW 2019, 122 (124) und Wallerath, JR 1970, 161 (163). Falk, Übertragung der schuldrechtlichen Regeln (1928), S. 20 geht von einer unbedingten Übereignung durch den Eigentümer auf den Besitzer aus, wenn letzterer ein Interesse daran hat, das Eigentum an der Sache zu erwerben. 192  Siehe dazu schon oben S. 217 ff.; vgl. auch Ernst, ZfPW 2019, 122 (124). 193  Dazu ausführlich schon oben S. 231 f.; Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 148 befürchtet durch eine voreilig angenommene Übereignung gar, dass der Schuldner ermuntert würde, die Sache zu behalten; Horstmann, Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen (1938), S. 54 f. und Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 50 f. äußern ebenfalls Bedenken. 194  Auch Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 147 sieht dies als nicht lebensnah und interessengerecht an.

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Wille zusätzlich unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Sachwertzahlung stehe.195 Naheliegenderweise resultiert daraus auch in diesem Rahmen die Folgefrage, ob überhaupt eine aufschiebende Bedingung seitens des Eigentümers angenommen werden kann.196 Abermals käme es jedoch nicht auf diese Diskussion an, wenn sich aus der Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung im Wege der Auslegung bereits kein Angebot auf Übereignung der Sache ablesen ließe. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Es ergeben sich keine Unterschiede zu dem im Rahmen der Dereliktion gefundenen Befund. Ebenso wenig wie dem Eigentümer zuvor ein Entschlagungswille unterstellt werden konnte, lässt sich nun im Wege der Auslegung ein altruistischer Übereignungswille ermitteln, der einzig das Ziel einer Zusammenführung von Eigentum und Besitz verfolgt.197 Ungeachtet dessen drängt sich zusätzlich die Frage auf, wie verfahren werden soll, wenn der Eigentümer expressis verbis erklärt, dass mit der Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung nicht gleichzeitig ein aufschiebend bedingtes Übereignungsangebot verknüpft ist. Den entgegenstehenden Willen des Eigentümers als unbeachtliches venire contra factum proprium abzutun, wäre allenfalls dann denkbar, wenn den Vindikationsgläubiger durch die Geltendmachung des Schadensersatzes die Pflicht zur Übereignung der Sache träfe. Gestützt werden könnte eine solche Verpflichtung höchstens auf § 242 BGB. Dann bliebe freilich zu ergründen, weshalb es gegen Treu und Glauben verstößt, wenn der Eigentümer Schadensersatz statt der Vindikation geltend macht, ohne zeitgleich seine dingliche Rechtsposition preiszugeben. Berücksichtigt man, dass die nach Geltendmachung der Schadensersatzforderung noch formal bestehende Eigentumsposition bis zum Zeitpunkt der Erfüllung aufgrund der bereits angesprochenen Sicherungsfunktion198 nicht als gänzlich wertlos betrachtet werden kann, lässt sich zu diesem Zeitpunkt kein Konflikt zu § 242 BGB erkennen; der Eigentümer hat bis zur Erfüllung der Schadensersatzforderung ein berechtigtes Interesse am Fortbestand seiner Rechtsposition. Eine auf § 242 BGB gestützte Übereignungspflicht ließe sich folglich allenfalls Zug um Zug gegen Befriedigung des Schadensersatzverlangens erwägen. Der einzig denkbare, einen mögli195  Namentlich Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 42 f. vertritt diesen Lösungsansatz. 196  Dieser Aspekt wurde bereits im Rahmen der Dereliktion behandelt, siehe S. 233 ff. 197  Vgl. dazu die vorausgegangenen Ausführungen auf S. 230 ff.; Ernst, ZfPW 2019, 122 (124) („Die Deutung, der Kläger würde eine gewillkürte Eigentumsübertragung […] anbieten, ist eine Fiktion“); gegen die Annahme einer (unbedingten) Übereignung seitens des Gläubigers spricht sich auch Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 148 aus. 198  Siehe S. 232.



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chen Verstoß gegen Treu und Glauben begründende Anknüpfungspunkt könnte dann darin bestehen, dass der Eigentümer überkompensiert würde, wenn er Schadensersatz in Höhe des Sachwertes erhielte, ohne seine dingliche Rechtsposition aufgeben zu müssen. Dass diese Erwägung indessen nur bedingt zutrifft, haben schon die obigen Ausführungen gezeigt. Die Wert­ losigkeit der verbleibenden Eigentumsposition auf der einen und das Anwachsen an Rechten zugunsten des Besitzers auf der anderen Seite rechtfertigen eine Bemessung in Höhe des Sachwertes, ohne dass der Eigentümer seine Rechtsposition preisgeben muss.199 Freilich kann dennoch nicht geleugnet werden, dass der Schadensersatzgläubiger jedenfalls noch um die formelle Eigentumsposition bereichert ist. Auf diesen Umstand gestützt kann zwar – wie noch zu zeigen sein wird – ein auf § 242 BGB fußender Übereignungsanspruch in Betracht gezogen werden, denn auch in dieser Norm kommt das Bereicherungsverbot zum Ausdruck.200 Da dieser Ansatz jedoch Schwächen birgt, lässt sich an der hier in Frage stehenden unmittelbaren Übereignungspflicht gleichermaßen zweifeln. Doch selbst wenn man über das Vorstehende hinwegsähe und davon ausginge, dass das Eigentum im Wege der brevi manu traditio aufschiebend bedingt übereignet würde, resultierte daraus keine endgültige Bereinigung der Rechtslage. Denn mit der Übereignung allein wäre dem Schadensersatzschuldner mangels Rechtsgrundes und somit fehlender Kondiktionsfestigkeit noch nicht geholfen201 – das dominium sine re könnte wieder aufleben. Wie ließe sich also die Kondiktionsfestigkeit eines solchen Erwerbs ihrerseits begründen? Es läge nahe, angesichts der schon durch die Römer als „kaufähnlich“ betitelten Situation,202 den Rechtsgrund in einem ebenfalls konkludent abgeschlossenen Kaufvertrag zu suchen.203 Zweifelhaft wäre insofern freilich, worauf sich die Annahme, dass der Schadensersatzgläubiger dem Schuldner die streitgegenständliche Sache konkludent zum Kauf anbietet, stützen sollte. Eine solche konkludente Willenserklärung ist insbesondere aufgrund der mit einem wirksamen Kaufvertrag einhergehenden rechtlichen Folgen in Zweifel zu ziehen. Denn wenn man bereits eine derartige Kauf­ 199  Dazu

vertieft schon oben S. 217 ff. Lösungsansatz in Form des auf § 242 BGB gestützten Übereignungsanspruchs sowie zu den Kritikpunkten siehe S. 275 ff. 201  § 255 BGB kann in direkter Anwendung nicht in Betracht kommen, siehe dazu unten S. 243. Ein Ausschluss der Kondiktion durch § 814 BGB ist ebenfalls fernliegend; wenn der Vindikationsgläubiger Kenntnis von seiner Nichtschuld hat, dann erscheint es mit Blick auf die obigen Ausführungen unrealistisch, dass er dem Schuldner überhaupt eine aufschiebend bedingte Übereignung der Sache anbietet, vgl. S. 238. 202  Siehe schon Kap. 3 Fn. 5. 203  Auch Ernst, ZfPW 2019, 122 (124) stellt diese Erwägung an. 200  Zum

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

situation mittels konkludenten Vertragsschlusses annehmen wollte, müssten dann dem Käufer nicht auch Mängelgewährleistungsrechte im Falle der Mangelhaftigkeit der Sache zustehen?204 Würde der Schädiger durch sein schuldhaftes und pflichtwidriges Verhalten also letztlich insofern privilegiert, als der Geschädigte ihm gegenüber haften könnte? Und was wäre, wenn der Vindikationsgläubiger sich einer kaufvertraglichen Beziehung zum Vindika­ tionsschuldner verschließen würde?205 Dem Eigentümer gleichsam einen Kontrahierungszwang aufzuerlegen206 wäre nicht nur unter Beachtung der gemeinhin geltenden Vertragsfreiheit, die zur Ablehnung eines jeden Vertragsschlusses berechtigt,207 als kritisch einzustufen, sondern auch vor dem Hintergrund, dass der Eigentümer ein ihm durch die Rechtsordnung zugebilligtes Recht geltend macht. Dieses kann nicht ohne Weiteres durch die Obliegenheit belastet werden, zusätzlich mit dem Besitzer zu paktieren.208 Wollte man einen kondiktionsfesten Eigentumserwerb im Wege einer aufschiebend bedingten Übereignung kurzer Hand begründen, wäre man folglich dazu genötigt, eine Fülle an Erklärungen in die Geltendmachung des Schadensersatzes hineinzulesen, die der Lebenswirklichkeit zuwiderlaufen. Zudem würden die Rechtsfolgen so weit reichen, dass dem Eigentümer im Ergebnis davon abzuraten wäre, Schadensersatz statt des § 985 BGB geltend zu machen,209 womit die Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch insgesamt in Frage gestellt würde.

204  Ernst, a. a. O. Dies dürfte jedenfalls dem weiten Verständnis des Gesetzes hinsichtlich der Mängelgewährleistung entsprechen. Gemäß § 365 BGB trifft den Schuldner die Mängelgewährleistungshaftung selbst ohne Abschluss eines Kaufvertrags (nach der inzwischen herrschenden Theorie der Erfüllungsvereinbarung wird durch die Annahme an Erfüllung statt kein neuer Schuldgrund geschaffen, vgl. nur Fetzer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 365 Rn. 1 und Looschelders, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 365 Rn. 3), wenn dieser dem Gläubiger eine andere Sache an Erfüllung statt anbietet. Erst recht müsste dies somit dann gelten, wenn ein Kaufvertrag konkludent zum Zwecke der Kondiktionsfestigkeit abgeschlossen werden sollte. 205  Insbesondere zu der letztgenannten Frage auch schon Ernst, ZfPW 2019, 122 (124). 206  Wie auch zur Übereignung der Sache müsste der Eigentümer zum Abschluss eines Kaufvertrags durch Kontrahierungszwang verpflichtet sein, stünde es diesem doch andernfalls frei, sich dem Abschluss zu verweigern, die Kondiktionsfestigkeit zu verhindern und das dominium sine re wieder aufleben zu lassen, vgl. Ernst, ZfPW 2019, 122 (124). 207  Siehe dazu nur Möslein, in: BeckOGK BGB, Stand 01.05.2019, § 145 Rn. 20 ff. und für die Fälle des Kontrahierungszwangs Rn. 50 ff. 208  Ernst, ZfPW 2019, 122 (124); so auch Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 18. 209  Ernst, a. a. O.



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Die Untauglichkeit dieses Rechtskonstrukts zeigt sich abschließend besonders deutlich, wenn man dieses auf die Übertragung von Grundstücken zu projizieren versucht. Allein durch § 281 IV BGB kann jedenfalls keine Grundbucheintragung fingiert werden. Darüber hinaus gilt es die Formvorschrift des § 925 BGB zu beachten, die in ihrem Abs. 2 sogar ausdrücklich die Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung vorschreibt.

III. Erwerb durch Hoheitsakt Ebenfalls denkbar ist die Möglichkeit des Eigentumserwerbs durch Hoheitsakt. Genauer ist damit die Situation gemeint, dass dem Besitzer das ­Eigentum durch das jeweilige Gericht zugesprochen wird. Dies würde angesichts des Art. 20 III GG indessen eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage erfordern. Eine solche ist weder im materiellen Recht noch im Prozessrecht auffindbar.210 Daneben lässt sich an die obigen Ausführungen anknüpfen, die den Gegenstand des Verfahrens einzig auf den Herausgabeanspruch festlegten und die Beschränkung der Rechtskraft auf die am Verfahren beteiligten Parteien hervorhoben.211 An ein § 985 BGB betreffendes materiell rechtskräftiges Urteil kann daher keine neue Festlegung der Eigentümerverhältnisse erga omnes geknüpft werden. Dieses stellt lediglich die materiellrechtlich entstandene Rechtslage fest.212 Ob das Urteil dabei die reelle materielle Rechtslage widerspiegelt oder nicht, ist für dessen Rechtskraft ebenso ohne Belang wie die Ursache für diese potentielle Abweichung.213 Ungeachtet dessen wäre es auch deshalb bedenklich, den Eigentumserwerb durch Hoheitsakt als Lösung heranzuziehen, weil der Eigentümer sein Schadensersatzverlangen nicht zwingend vor einem Zivilgericht ausfechten muss – zu denken ist insbesondere an eine außergerichtliche Einigung. Den sich außergerichtlich einigenden oder den Schadensersatz gar streitlos zahlenden Besitzer schlechter zu stellen, lässt sich angesichts des auch in diesem Fall eintretenden Vindikationsverbrauchs gemäß § 281 IV BGB nicht rechtfertigen.214 Der Hoheitsakt als Instrument für den Eigentumserwerb des Besitzers scheidet folglich ebenfalls aus.

210  So

auch Ernst, ZfPW 2019, 122 (125). dazu schon S. 229. 212  So die inzwischen beinah allgemeine Meinung, siehe nur Musielak, in: Musielak/Voit ZPO, 18. Auflage 2021, § 322 Rn. 4 m. w. N. 213  Gottwald, in: MüKo ZPO, 6. Auflage 2020, § 322 Rn. 5. 214  Ernst, ZfPW 2019, 122 (125). 211  Siehe

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

IV. Übereignungsanspruch durch analoge Anwendung des § 255 BGB Eine weitere vielerorts vertretene Möglichkeit, die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz aufzulösen, welche aus der Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch resultiert, ist die analoge Anwendung des § 255 BGB.215 Primär die Historie spricht für die Auflösung des soeben genannten Konflikts zwischen Eigentümer und Schädiger durch Heranziehung dieser Norm. Das bereits zur Zeit des § 283 BGB a. F. bekannte Pro­ blem wurde seinerzeit nicht nur seitens der herrschenden Meinung durch einen Ausgleich im Wege des Regresses gelöst,216 sondern schon die Gesetzesväter favorisierten diesen Lösungsweg, wenn die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Vindikation im Raum stand.217 Während die Literatur sich jedoch nicht daran gehindert sah, den Regress als Verpflichtung zur Übertragung des Resteigentums auszugestalten,218 lehnten die Gesetzesväter eine Eigentumsübertragung infolge des Regresses ausdrücklich ab.219 Weiter 215  BGHZ 209, 270 (276) Rn. 21 = NJW 2016, 3235; OLG Köln, Urteil vom 27.01.2004 – 3 U 71/03 = NJW-RR 2004, 1391 (1391); OLG Brandenburg NJOZ 2013, 1253 (Kohler, NZM 2014, 729 (735) betont bzgl. dieser Entscheidung jedoch, dass das OLG diese in materiellrechtlicher Hinsicht nicht getroffen hätte, wenn es nicht prozessual unvermeidlich von einer Anwendung des § 281 IV BGB hätte ausgehen müssen); Rüßmann, in: JurisPK, 9. Auflage 2020, § 255 Rn. 17; Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 255 Rn. 9 und § 281 Rn. 4; Herrler, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 985 Rn. 14; Lorenz, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 281 Rn. 9; Luckey, in: PWW, 16. Auflage 2021, § 255 Rn. 5; Forster, in: Soergel, 13. Auflage 2014, § 255 Rn. 9; Riehm, Grundsatz der Naturalerfüllung (2015), S. 417; Be­ cker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 218 m. w. N.; Heinrichs, in: FS Derleder (2005), 87 (95); Gruber/Lösche, NJW 2007, 2815 (2818) Fn. 40; Fritzsche, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 30; Gebauer/Huber, ZGS 2005, 103 (106); Lieder, JuS 2011, 874 (876); Medicus, in: MüKo BGB, 4. Auflage 2004, § 985 Rn. 40; Spohnheimer, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 985 Rn. 26.14; teilweise wird dasselbe Ergebnis über die Grundsätze der Vorteilsausgleichung erzielt, vgl. Kohler, NZM 2014, 729 (735). A. A.: Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 18; Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn.  122 f.; Röver, in: BeckOGK BGB, Stand 15.08.2021, § 255 Rn. 57 f. Ablehnend auch Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 80 m. w. N. Ob es dabei auf den dolo petit Einwand ankommt, wenn der Eigentümer einerseits dazu verpflichtet ist, dem Besitzer das Eigentum zu übertragen, andererseits aber seinen Vindikationsanspruch geltend macht, ist hingegen aufgrund der Rechtswirkung des § 281 IV BGB fragwürdig, so aber Gursky, JURA 2004, 433 (436). 216  Löwisch, in: Staudinger, 2001, § 283 Rn. 11 m. w. N. 217  Mugdan, Bd. II, S. 14 = Motive, Bd. 2, S. 25 f., § 223 BGB-E1 entspricht funktional dem heutigen § 255 BGB; Mugdan, Bd. III, S. 222 = Motive, Bd. 3, S. 399, § 243 BGB-E1 ist wiederum der Vorläufer des § 283 BGB a. F. 218  Dazu unten im Detail S. 253 ff. 219  Mugdan, Bd. II, S. 14 = Motive, Bd. 2, S. 25.



B. Auflösung eines dominium sine re nach Anwendung des § 281 BGB

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zu konkretisieren vermochten oder wollten diese den Terminus „Regress“ jedoch nicht, soweit es die Zession des Vindikationsanspruchs betraf. Nichtsdestotrotz erfreut sich jene Ansicht, die den Eigentümer analog § 255 BGB Zug-um-Zug gegen Erhalt des Schadensersatzes dazu verpflichtet, das Eigentum auf den Schädiger zu übertragen, nach wie vor großer Beliebtheit.220 Als Abwandlung dieser Auffassung wird vereinzelt gar vertreten, dass § 255 BGB direkt angewendet werden könne, da es zu einem Rechtsverlust im Sinne der Norm gekommen sei.221 Begründet wird dies mit dem aus § 281 IV BGB folgenden Erlöschen des § 985 BGB nach Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung; gerade aus diesem Umstand erwachse der Schadensersatzanspruch.222 Jedenfalls ein Übereignungsanspruch aufgrund unmittelbarer Anwendung des § 255 BGB223 kann als Lösungsmodell indes schon im Ansatz nicht überzeugen. Zwar geht ein wesentlicher und vor allem wertbildender Faktor der Rechtsposition Eigentum durch das Erlöschen des Vindikationsanspruchs verloren, zweifelhaft ist indessen, ob der Schadensersatz gerade für das Erlöschen des § 985 BGB gewährt wird oder nicht vielmehr aufgrund der Pflichtverletzung zu leisten ist.224 Spätestens aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 255 BGB, welcher als Rechtsfolge lediglich die Abtretung von Ansprüchen vorsieht und sich auf Dreipersonenverhältnisse beschränkt, kann eine unmittelbare Anwendung besagter Norm indessen nicht in Betracht kommen. Wollte man § 255 BGB direkt auf die hier in Frage stehende Konstellation der „Chorarchiventscheidung“, die sich auf zwei Personen beschränkt und als Rechtsfolge einen Eigentumserwerb erfordert, anwenden, würden die Grenzen der Methodik gesprengt.225 Somit kann allenfalls eine analoge Anwendung der Norm statthaft sein.

220  Siehe

Kap. 3 Fn. 215. Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 45 ff.; Flach, Anwendung der §§ 281 und 283 BGB (1928), S. 23. 222  So ausdrücklich Flach, Anwendung der §§ 281 und 283 BGB (1928), S. 23; vgl. Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 45 f. 223  So Schulz, Rückgriff und Weitergriff (1907), S. 109. 224  Zwar erlischt durch die Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung der Vindikationsanspruch, wie jedoch gezeigt (vgl. S. 217 ff.), stützt sich die Höhe des Schadensersatzes nicht allein darauf; entsprechend lässt sich bezweifeln, dass der Schadensersatz „für“ (§ 255 BGB) das Erlöschen des § 985 BGB zu leisten ist. So bereits Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 221. 225  Becker, a. a. O. 221  Schäfer,

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

1. Vergleichbare Interessenlage Trotz der historischen Verankerung dieses Lösungsansatzes wurde und wird diesem eine Fülle an Kritik entgegengebracht, wobei sich die Kritiker im Wesentlichen darauf berufen, dass § 255 BGB „etwas ganz anderes [regele] als die hier gegebene Situation“.226 Freilich macht die Divergenz zwischen dem gesetzlich geregelten Fall und jenem, der einer Lösung zuzuführen ist, das Wesen der Analogie aus.227 Gleichwohl soll es aufgrund der Fülle an Unterschieden an der für die Analogie erforderlichen vergleichbaren Interessenlage fehlen.228 Um diese Sichtweise auf ihre Validität hin überprüfen zu können, muss zunächst der Inhalt des § 255 BGB selbst bestimmt werden. Dieser baut dergestalt auf ein Dreipersonenverhältnis auf, dass der Eigentümer zwei Schuldnern gegenübersteht, die aufgrund des Verlusts einer Sache (oder eines Rechts) schadensersatzpflichtig sind. Geht ersterer sodann gegen einen der Schuldner vor, kann er den vollen Schadensersatz nur gegen Abtretung der Ansprüche verlangen, die ihm auf Grund des Eigentums an der Sache noch gegen den anderen Schuldner zustehen.229 Diesen Inhalt gilt es nun der hier maßgebenden Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ gegenüberzustellen. a) Verlust einer Sache aa) § 281 IV BGB als „Verlust“ Der erste gegen eine vergleichbare Interessenlage sprechende Aspekt wird unmittelbar im Wortlaut des § 255 BGB verortet. Der Tatbestand der Norm erfasst den „Verlust einer Sache“, der durch den Zessionar zu verantworten sein muss. Dass vorliegend nur schwerlich von einem solchen gesprochen werden könne, ergebe sich aus demselben Umstand, der überhaupt erst zur 226  Das Zitat findet sich bei Gursky, JURA 2004, 433 (436); Dedek, in: DaunerLieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis (2003), 183 (201) („offenkundig unpassend“); Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (108); Kohler, NZM 2014, 729 (735); selbst die Befürworter der Ansicht gestehen ein, dass an den Analogievoraussetzungen gezweifelt werden kann, vgl. Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S.  66 ff. 227  So auch Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 218. 228  Gursky, JURA 2004, 433 (436); Dedek, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis (2003), 183 (201); Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (108). 229  Die insofern abzutretenden Ansprüche umfassen in erster Linie jene aus §§ 861, 1007 I, II S. 1 und §§ 823, 989, 990 sowie solche Bereicherungsansprüche, die aus dem Eigentum selbst fließen, vgl. nur Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 255 Rn. 8.



B. Auflösung eines dominium sine re nach Anwendung des § 281 BGB

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Entstehung eines dominium sine re in der Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ geführt hat: Der Vindikationsanspruch ist lediglich auf Herausgabe der Sache gerichtet.230 Macht der Gläubiger Schadensersatz statt der Vindikation geltend, kann der Eigentümer zwar nicht mehr die Herausgabe der Sache verlangen, die vom Herausgabeanspruch zu unterscheidende Rechtszuständigkeit an der Sache bleibt dagegen unberührt – dem Eigentümer verbleibt seine Rechtsposition.231 Vereinzelt wird daraus geschlussfolgert, dass die Sache für den Geschädigten weder unerreichbar noch vernichtet sei.232 Zudem könne allein das sich aus der Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch ergebende unbillige Resultat der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz die für eine entsprechende Anwendung des § 255 BGB erforderliche Fiktion eines Rechtsverlusts nicht rechtfertigen.233 Aus dem Umstand, dass durch § 281 IV BGB allein der Vindikationsanspruch, nicht jedoch die Rechtszuständigkeit als solche untergeht, zu schlussfolgern, es fehle an einem Verlust der Sache, geht indes zu weit. Dem stehen nicht nur die obigen Ausführungen zur Bemessung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes, in denen herausgearbeitet wurde, dass mit der Geltendmachung des § 281 BGB und der Erfüllung der Forderung durch den Schuldner eine vollständige Aushöhlung der Eigentumsposition einhergeht,234 sondern auch die extensive Auslegung des Tatbestandsmerkmals selbst entgegen. Um von einem Verlust sprechen zu können, wird grundsätzlich verlangt, dass der Ersatzberechtigte den Besitz an der Sache verliert. Seitens der Lehre wird zudem auf der Grundlage von Wertungsgesichtspunkten der ­Verlust der Eigentumsposition einem „Verlust der Sache“ gleichgestellt,235 wenngleich ein Eigentumsverlust nicht zwingend zugleich einen Besitzverlust mit sich bringt.236 Nun ist zwar zuzugeben, dass der Eigentümer weder 230  Siehe

zur Diskussion über die Rechtsfolge des § 985 BGB schon oben S. 206 f. argumentiert vornehmlich Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (108). 232  Brauer, NotBZ 2002, 402 (403); Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S.  67 f.; Gursky, JURA 2004, 433 (436). Zurückzuführen ist diese Sichtweise wohl auf die dem Gesetzgeber paradigmatisch vorschwebende Situation des nachlässigen Verwahrers, dem die Sache gestohlen wird, vgl. Mugdan, Bd. II, S. 14 = Motive, Bd. 2, S. 265 f., sowie den Umstand, dass der Vindikationsanspruch durch § 281 IV BGB nicht ausgeschlossen werden könne, vgl. Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 48 ff.; zu Letzterem siehe schon oben S. 69 ff. 233  Katzenstein, AcP 206 (2006), 93 (108). 234  Vgl. S. 74 ff., 82 ff. und 220 ff. 235  Bittner/Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 24; Teichmann, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 255 Rn. 4; Knöfler, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 255 Rn. 5; Lorenz, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 255 Rn. 5; Schulze, in: HandKomm BGB, 10. Auflage 2019, § 255 Rn. 3; Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 10 m. w. N. 236  Das gesteht auch Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 10 ein. 231  So

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

eine Besitzposition innehat, die er verlieren könnte – andernfalls läge keine Vindikationslage vor –, noch kann ausweislich der vorangegangenen Ausführungen von einem Eigentumsverlust ausgegangen werden. Die Absenz eines Besitz- bzw. Eigentumsverlustes spricht jedoch keineswegs zwingend gegen die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals und damit gegen eine vergleichbare Interessenlage. Vielmehr streitet jene Wertung, die der Gleichsetzung von Eigentums- und Besitzverlust zugrunde liegt, dafür, auch im hiesigen Kontext von einem Verlust zu sprechen. Hintergrund dieser Gleichbehandlung ist der, dass durch den Verlust der Rechtsstellung auch die Befugnis verloren geht, einem anderen die Besitzposition zu entziehen.237 Durch die Geltendmachung des § 281 BGB statt der Vindikation wird dem Eigentümer in gleicher Weise eben jene Befugnis entzogen. Für das Vorliegen eines „­Verlusts“ im Sinne des § 255 BGB streitet zudem der folgende Umstand: Diese Tatbestandsvoraussetzung wird überwiegend auch dann bejaht, wenn die Sache derart beschädigt wurde, dass sie für den Ersatzberechtigten wertlos geworden ist, er sie mithin in wirtschaftlicher Hinsicht verloren hat.238 Überträgt man diesen Gedanken auf den hiesigen Kontext, lassen sich leicht Parallelen ziehen. Durch die Geltendmachung des § 281 BGB statt des § 985 BGB wird die Eigentumsposition ebenfalls faktisch wertlos, wenn der Eigentümer den vollen Substanzwert erhalten und im Gegenzug sämtliche Befugnisse an der Sache eingebüßt hat.239 Die aus § 281 IV BGB resultierende tatsächliche Rechtslage lässt sich somit unschwer als Sachverlust im Sinne des § 255 BGB begreifen. Bislang unberücksichtigt blieb jedoch der folgende Umstand: Eben jener Verlust der Sache geht in der Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ nicht etwa auf die Nachlässigkeit eines Verwahrers240 zurück, sondern auf das Verhalten des Gläubigers. Dieser führt die Entwertung seiner Eigentumsposition und damit den „Verlust“ durch sein Schadensersatzbegehren selbst erst herbei.241 237  Vgl.

nur Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 10. in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 10; Knöfler, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 255 Rn. 5; es wird sogar verbreitete die Anwendung der Norm bei jeder Beschädigung befürwortet, vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 19.10.2012 – 13 S 38/12 = NJW-RR 2013, 275 (277); Lorenz, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 255 Rn. 5. Ein Verlust im Sinne des § 255 BGB wird schließlich noch bei „sonstigen Entwertungen“ angenommen, vgl. Röver, in: BeckOGK BGB, Stand 15.08.2021, § 255 Rn. 24. 239  Zur Entwertung der Eigentumsposition nach Befriedigung des Schadensersatzverlangens in Höhe des Sachwertes schon oben S. 74 ff., 82 ff. und 220 ff. 240  Vgl. Kap. 3 Fn. 232. 241  Vor der Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung im Sinne des § 281 IV BGB stehen dem Gläubiger sowohl die Leistung in natura als auch Schadensersatz statt der Leistung in elektiver Konkurrenz zu, vgl. nur Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 73. 238  Oetker,



B. Auflösung eines dominium sine re nach Anwendung des § 281 BGB

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Von dieser Warte aus betrachtet könnte weniger von einem Verlust als vielmehr von einer mutwilligen Preisgabe der Sache gesprochen werden. Da dieser Einwand von niemandem erhoben wird, ist er jedoch nur theoretischer Natur. Beachtet man die befürwortende Haltung der vorherrschenden Literatur zu der Frage, ob die Genehmigung einer zunächst unwirksamen Verfügung als Verlust einer Sache im Sinne des § 255 BGB zu begreifen ist,242 verwundert dies auch nicht. Dieser Fall gleicht dem hiesigen insofern, als der Verlust der Sache durch den Schädiger gleichsam nur provoziert, durch den Eigentümer aber letztlich herbeigeführt wird. Freilich deckt sich die Genehmigung einer zunächst unwirksamen Verfügung nicht in jedweder Hinsicht mit der Geltendmachung des Schadensersatzbegehrens statt der Leistung nach erfolgloser Fristsetzung. Denn während der erstgenannte Fall zum Verlust der Eigentumsposition des Geschädigten führt, behält dieser seine Rechtsposition im Falle des § 281 IV BGB jedenfalls noch in formaler Hinsicht. Nichtsdestotrotz kann die augenscheinliche Parallelität der beiden Fälle nicht als unbedeutend abgetan werden. Vielmehr mangelt es an Gründen, die eine abweichende Handhabe gegenüber dem Eigentümer rechtfertigen könnten, der durch die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs statt der Vindikation eine Entkernung seiner Rechtsposition erzielt. Aus dem Vorstehenden ergibt sich die Quintessenz, dass das soeben diskutierte Tatbestandsmerkmal offenkundig einer weiten Interpretation zugänglich und keineswegs starr zu behandeln ist. Unter diesem Blickwinkel kann somit unschwer von einem „Verlust“ gesprochen werden, wenn die Rechtsposition des Eigentümers durch die Geltendmachung des Schadensersatzverlangens und die anschließende Erfüllung der Forderung vollständig ausgehöhlt wird. bb) Unmittelbarkeit des Sachverlustes Anknüpfend an die vorstehenden Ausführungen soll eine weitere, der Vergleichbarkeit der Interessenlagen widersprechende Differenz zwischen der Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ und dem Wortlaut des § 255 BGB gleichwohl darin zu sehen sein, dass das den Schadensersatz begründende Ereignis nicht etwa der Verlust der Sache im eigentlichen Wortsinne wäre, sondern die Nichtherausgabe innerhalb der durch den Eigentümer gesetzten Frist.243 Dies würde dem Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage aber nur dann entgegenstehen, wenn die Norm die unmittelbare Verursachung des Sachverlustes durch das schadensbegründende Ereignis voraussetzen würde. Der Wortlaut des § 255 BGB bietet insofern keine Anhalts242  Siehe nur Bittner/Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 24; Schulze, in: HandKomm BGB, 10. Auflage 2019, § 255 Rn. 3. 243  Flach, Anwendung der §§ 281 und 283 BGB (1928), S. 32.

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

punkte; gefordert wird einzig das Erwachsen eines Schadensersatzanspruchs aus dem Verlust der Sache. Beachtet man daneben, dass der Ersatzverpflichtete jedenfalls mittelbar für den Sachverlust verantwortlich ist, kann die fehlende Unmittelbarkeit nur wenig ins Gewicht fallen.244 Denn könnte dem Schuldner nicht der Vorwurf der schuldhaften Nichtleistung trotz Fälligkeit, Möglichkeit und Durchsetzbarkeit gemacht werden, würde der Eigentümer durch die Geltendmachung seines Schadensersatzbegehrens auch nicht die Wirkung des § 281 IV BGB erzielen, welcher seinerseits den „Verlust der Sache“ im Sinne des § 255 BGB zur Folge hat. Zudem bietet es sich an, noch einmal auf die Ausführungen unter der vorstehenden Überschrift zurückzugreifen: Legt man die Sichtweise zugrunde, an die der hier diskutierte Kritikpunkt anknüpft, dann läge das schadensbegründende Ereignis im Falle des Eigentümers, der seinen Rechtsverlust durch Genehmigung einer zunächst unwirksamen Verfügung herbeiführt, ebenfalls nicht in der Genehmigung, sondern in der unberechtigten Verfügung. Die Parallelität liegt auf der Hand, dennoch sucht man in der Literatur vergebens nach Stimmen, die deshalb daran zweifeln, ob dieser Fall von § 255 BGB erfasst ist. Auch der ratio legis der Regelung245 lässt sich nichts Gegenteiliges abgewinnen, diese kann unabhängig von der mittelbaren oder unmittelbaren Verursachung des Sachverlustes tangiert sein. cc) Die Genese des § 255 BGB Finale Bestätigung erfährt die Einschätzung, dass der hier interessierende Fall gleichermaßen als Verlust im Sinne des § 255 BGB begriffen werden kann, schließlich durch die Genese der Norm. Um dieses Argument hinreichend fundiert darlegen zu können, muss weiter ausgeholt werden. Der Eigentümer schafft durch das Setzen einer angemessenen Frist – die freilich durch den Schuldner verpasst werden muss – und die anschließende rechtsgeschäftsähnliche Erklärung,246 Schadensersatz statt der Leistung zu fordern, ein künstliches Leistungshindernis in Form der Fiktion des Unvermögens. Becker spricht zutreffend davon, „dass es allein in [der Hand des Eigentümers] liegt, […] das Erfüllungsfenster durch Erklärung zu schließen und somit die Unmöglichkeit der Leistung auf fiktivem Wege herbeizuführen.“247 Betrachtet man vor diesem Hintergrund die Gesetzgebungshistorie zu § 255 244  So

auch Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 46. dazu unten S. 250 ff. 246  Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 99. 247  Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 145 f.; für eine Unmöglichkeitsfiktion schon die Gesetzesväter, vgl. Mugdan, Bd. II, S. 29 = Motive, Bd. 2, S. 53; so auch Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung (1973), S. 200; Ennec­ cerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse (1958), § 50 II (S. 216); Katzenstein, 245  Siehe



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BGB, gelangt man zu dem Ergebnis, dass ein fingiertes Unvermögen aufgrund Vorenthaltung der Sache ebenfalls von der Norm erfasst sein soll. So besagte § 223 BGB-E1, der Vorläufer des heutigen § 255 BGB: „Wird in Folge der Entziehung oder der Vorenthaltung einer Sache oder eines Rechtes Schadensersatz für den Verlust der Sache oder des Rechtes selbst von dem Ersatzberechtigten geleistet, so gehen auf den letzteren mit der Ersatzleistung die Ansprüche über, welche dem Entschädigten auf Grund des Eigenthumes oder des sonstigen Rechtes gegen Dritte zustehen.“

Bereits die Entwurfsfassung setzte mithin die Vorenthaltung einer Sache dem Verlust gleich und billigte dem schadensersatzpflichtigen Besitzer einen Anspruch auf die Ausgleichsleistung zu. Innerhalb der Motive stellte die Erste Kommission sodann klar, dass darunter auch die Fälle des § 243 BGBE1 gefasst werden sollten, in denen „eine nicht vorhandene Unmöglichkeit der Restitution fingiert wird, um einen Anspruch auf Ersatz des Schadens in Geld zu begründen.“248 Da § 243 BGB-E1 auch als Vorläufer des § 283 BGB a. F. fungierte, welcher seinerseits den Vorläufer des § 281 BGB darstellt, haben die Gesetzesväter somit selbst klargestellt, dass auch die Fiktion des Unvermögens als bloße sprachliche Variation der Tatbestandsvoraussetzung „Verlust der Sache“ zu begreifen ist.249 Im Ergebnis kann die analoge Anwendung des § 255 BGB mithin nicht an dieser Tatbestandsvoraussetzung scheitern. b) Zweipersonenkonstellation Wie bereits angedeutet, könnte der Vergleichbarkeit der Interessenlage aber ein anderer Umstand entgegenstehen: Während im Fall der Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch lediglich zwei Personen, der Eigentümer und der Besitzer betroffen sind, schwebt § 255 BGB ausweislich des Normtextes – dort ist von dem Ersatzberechtigten, dem Schädiger sowie dem Dritten die Rede – eine Dreipersonenkonstellation vor.250 Allein auf diese Divergenz lässt sich die Schlussfolgerung, dass eine analoge Anwendung auf ein Zweipersonenverhältnis von vornherein ausscheidet, freilich nicht stützen. Vielmehr ist insofern eine genauere Beleuchtung der § 255 BGB abzugewinnenden Aussagen erforderlich. Knüpfen diese ausnahmslos an die Beteiligung dreier Personen an, verbliebe kein einer VerallAcP 206 (2006), 96 (101, 123 f. und Fn. 135); ders., JURA 2005, 217 (218 f.); Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 82 a. E. 248  Mugdan, Bd. II, S. 14 = Motive, Bd. 2, S. 25. 249  So auch Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 220. 250  Gursky, JURA 2004, 433 (436); Kohler, NZM 2014, 729 (735); in diesem Sinne auch Brauer, NotBZ 2002, 402 (404 f.).

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gemeinerung im Zweipersonenverhältnis zugänglicher normativer Rest, der Anlass für eine Analogie bieten würde.251 Lässt sich ein normativer Rest ausfindig machen, ist danach zu fragen, ob dieser auch hier fruchtbar gemacht werden kann. Gewiss mögen die schon aufgezeigten Erwägungen der Gesetzesväter zu § 255 BGB ein Indiz für die Annahme eines solchen verallgemeinerungsfähigen Rests erkennen lassen; diese fassten auch die evident auf ein Zweipersonenverhältnis beschränkten Fälle des heutigen § 281 BGB unter den Anwendungsbereich des § 255 BGB.252 Gleichwohl kann letztlich nur eine Gesamtschau der ratio legis für Klarheit sorgen, die gemeinhin durch die folgenden drei Aussagen zusammengefasst wird: Erstens hat es keine mindernden Auswirkungen auf den Ersatzanspruch des Geschädigten gegen den Schädiger, wenn ersterem noch weitere Ansprüche gegenüber einem Dritten zustehen; der Schädiger haftet unabhängig davon auf vollen Schadensersatz.253 Zweitens trifft den Geschädigten die Pflicht zur Abtretung der Ansprüche, die ihm gegenüber dem Dritten zustehen, um eine aus dem ersten Satz möglicherweise resultierende Überkompensation – andernfalls könnte der Geschädigte doppelten Ausgleich erhalten – zu verhindern;254 § 255 BGB verleiht insofern dem Rechtsgedanken des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots Ausdruck.255 Drittens wird durch die Norm das Innenverhältnis 251  Bydlinski, Grundzüge der juristischen Methodenlehre, 3. Auflage, S. 63 (Es kommt […] darauf an, ob der problemrelevante Zweck des Gesetzes sich nur auf die tatbestandlich erfassten Sachverhalte erstreckt […] oder darüber hinausgeht); Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 221. 252  Siehe dazu schon oben S. 248 f. Dieses Argument führt auch Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 221 an, der darüber hinaus betont, dass die durch § 255 BGB primär anvisierte Rechtsfolge die Eigentumsverschaffung sei, welche gerade kein Dreipersonenverhältnis erfordere. 253  Nach Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 45 ist das die schadensrechtlich zentrale Aussage des § 255 BGB; Mugdan, Bd. II, S. 13 f. = Motive, Bd. 2, S.  24 f.; Johow, in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission, Sachenrecht, Teil I (1982), S. 1076 ff.; Planck, BGB, Bd. II, 1./2. Auflage 1900, § 255 Anm. 1; Bittner/Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 8. 254  Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 45; Johow, in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission, Sachenrecht, Teil I (1982), S. 1078; Mugdan, Bd. II, S. 13 f. = Motive, Bd. 2, S. 24 f.; Bittner/Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 8; Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 1; BGHZ 60, 358 = NJW 1973, 1190; BGH, Urteil vom 12.12.1996 – IX ZR 214/95 = NJW 1997, 1008 (1012); Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 255 Rn. 1; Boecker/ von Sonntag, JURA 1997, 1 (8) m. w. N. 255  BGH NJW 1997, 1008 (1012); Bittner/Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 8; Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 152 spricht von einer stereotypen Wiederholung dieses Grundsatzes. Der Norm diese ratio beizumessen, lässt sich schon mit dem Willen der Gesetzesväter belegen, die unter Zugrundelegung des Grundsatzes der Totalreparation (siehe zu diesem Grundprinzip des deutschen Scha-



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der beiden Schädiger dergestalt geregelt, dass der dem Schaden näherstehende Dritte diesen vollständig zu tragen hat, wohingegen dem anderen Schädiger „lediglich“ das Liquidationsrisiko – also das Risiko, die abgetretenen Ansprüche gegenüber dem Letztverantwortlichen erfolgreich geltend machen zu können – auferlegt wird.256 Der letztgenannte Zweck setzt evident ein Dreipersonenverhältnis voraus; in einem Zweipersonenverhältnis kann mangels Existenz eines zweiten Schädigers bereits kein Innenverhältnis existieren, sodass die Übertragung dieser Wertung auf einen solchen Fall jeglicher Sinnhaftigkeit entbehrt. Ebenso kann der erstgenannte Zweck nur innerhalb eines Mehrpersonenverhältnisses Bedeutung erlangen, setzt dieser doch Ansprüche des Geschädigten gegenüber mehreren Schädigern voraus. Allein der zweitgenannte Zweck kann somit noch als für ein Zweipersonenverhältnis fruchtbarer Rechtsgedanke in Betracht kommen. Das Ziel, Überkompensationen zu vermeiden, stellt keine genuine Wertung des § 255 BGB dar, sondern ist im gesamten BGB allgegenwärtig.257 Zur Verwirk­ lichung dieses Rechtsgedankens existiert gar ein eigener Abschnitt im BGB – das Bereicherungs- oder, für die hiesigen Zwecke noch einprägsamer, Abschöpfungsrecht.258 Anhand dessen lässt sich bereits die Verallgemeinerungsfähigkeit dieser Wertung erahnen. In der Tat kann die ratio, dass der Geschädensrechts Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 39) eine Überkompensation des Schadensersatzgläubigers befürchteten, vgl. Mugdan, Bd. II, S. 13 f. = Motive, Bd. 2, S. 24 f. Die dieser Sichtweise entgegenstehende sogenannte Liquidationstheorie (vgl. dazu Goette, VersR 1974, 526; Forster, in: Soergel, 13. Auflage 2014, § 255 Rn. 3) kann insofern vernachlässigt werden. Deren Vertreter sehen den Zweck der Norm darin, dem Eigentümer das Liquidationsrisiko der Herausgabeansprüche abzunehmen, die aus dem Eigentum resultieren. In der Folge käme es zu einer teleologischen Reduktion der Vorschrift, indem der Anwendungsbereich auf die Fälle beschränkt würde, in denen die herauszugebende Sache selbst oder ihr Surrogat noch vorhanden sind. Dies würde jedoch schon dem Wortlaut des § 255 BGB widersprechen, welcher den Zedenten allgemein zur Abtretung von Ansprüchen verpflichtet und gerade keine Beschränkungen auf Herausgabeansprüche vornimmt, vgl. Röver, in: BeckOGK BGB, Stand 15.08.2021, § 255 Rn. 25. 256  Bittner/Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 8 f.; Lorenz, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 255 Rn. 1. 257  Hingewiesen sei generell auf die Problematik der drohenden Überkompensation bei Schuldnermehrheiten. Im Rahmen der Gesamtschuldverhältnisse hat der Gesetzgeber diese Problematik einer Lösung zugeführt, indem der Gläubiger die umfängliche Leistung nur einmal von einem der Schuldner verlangen kann, vgl. § 421 BGB. Zur Genese und zum heutigen Verständnis der §§ 421 ff. Meier, in: HKK, 2007, §§ 420–432/I., Rn. 200 ff. 258  Siehe zur Abschöpfungsfunktion des Bereicherungsrechts Sprau, in: Palandt, 80. Auflage 2021, Einf. v. § 812 Rn. 1 und Sachsen Gessaphe, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, Vorb. §§ 812 ff. Rn. 4 ff.

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digte durch das schädigende Ereignis nicht besser stehen soll als ohne, von der Personenanzahl abstrahiert werden. Denn letztlich ist es zweitrangig, ob die drohende Überkompensation auf der Möglichkeit basiert, zwei Schädiger auf dieselbe Sache in Anspruch nehmen oder nur einen Schädiger sozusagen doppelt belasten zu können, indem dieser Schadensersatz in Höhe des Sachwertes leisten muss, ohne im Gegenzug die Eigentumsposition zu erhalten. Damit wird genau das angesprochen, was im Falle der Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch und der Bemessung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes oftmals für Bedenken sorgt: Wenn der Eigen­ tümer bereits Schadensersatz in Höhe des Sachwertes erhält, wäre es dann nicht unbillig, diesem auch das Eigentum zu belassen?259 Diese für eine Vergleichbarkeit der Interessenlage streitende Argumentation leuchtet prima facie zwar ein, ist jedoch in Anbetracht der zuvor festgestellten Schadensbemessung anhand des Sachwertes260 in Frage zu stellen. Insbesondere die von § 255 BGB anvisierte und hier in den Fokus gerückte Vermeidung einer Überkompensation des Eigentümers als Basis für die analoge Anwendung des § 255 BGB heranzuziehen, ist vor dem Hintergrund der rechtlichen Situation des Eigentümers nach Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung zweifelhaft. Wie bereits oben ausgeführt wurde, fußt die Schadensbemessung in Höhe des Sachwertes zum einen auf der mit der Zahlung des Schadensersatzes einhergehenden Aushöhlung der Eigentumsposition und zum anderen auf der Wertlosigkeit der Hoffnung, dass ein Dritter ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen werde. Daneben erfuhr die Festlegung des Schadens in dieser Höhe durch das Anwachsen von Rechten auf Seiten des Besitzers eine Rechtfertigung.261 Dem Eigentümer verbleibt lediglich das der Eigentumsbezeichnung nicht mehr würdige262 dominium sine re. Es fällt mithin schwer, in Anbetracht der nur noch rein formal bestehenden Rechtsposition des Eigentümers von einer Überkompensation desselben zu sprechen. Bedenklich erscheint deshalb der Versuch, die Vermeidung einer Überkompensation als die tragende Säule für eine analoge Anwendung des § 255 BGB heranzuziehen. Die Übereignung der Sache auf den Schädiger, dem de facto schon sämtliche Eigentumsbefugnisse zukommen, als 259  Siehe schon Kap. 1 Fn. 378; so auch Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 222. Freilich nicht überzeugen kann demgegenüber jene Ansicht, die eine analoge Anwendung des § 255 BGB mit der Begründung ablehnt, dass durch dessen Zweck der Schaden in Höhe des Sachwertes überhaupt erst begründet würde, vgl. Selb, in: Staudinger, 2001, § 255 Rn. 9 ff. Dass die Schadensbemessung sich nicht erst aufgrund von § 255 BGB nach dem Sachwert richtet, wurde oben auf S. 217 ff. bereits dargelegt. 260  Siehe oben S. 217 ff. 261  Vgl. zum Ganzen oben S. 74 ff., 82 ff. und 220 ff. 262  Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 148.



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zwingend für die Vermeidung einer Überkompensation anzusehen, greift zu weit. Freilich würde eine Überkompensation des Eigentümers vorliegen, wollte man – entgegen der hier vertretenen Ansicht – dessen Rechtsposition nicht bereits durch die Zahlung des Schadensersatzes als gänzlich entkernt betrachten. Dies würde im Umkehrschluss jedoch das Dilemma nach sich ziehen, dass dann unklar bliebe, wie das nach Anwendung der Differenzhypothese verbleibende Unbehagen263 aufgelöst werden könnte. Mit anderen Worten würde sich die Frage, auf welche Höhe sich der Schadensersatzanspruch im Rahmen des § 985 BGB beläuft, in gewisser Hinsicht erneut stellen. Die Annahme, dem Besitzer gebühre billigerweise nach Begleichung der Schaden­ ersatzforderung in Höhe des Sachwertes das Eigentum an dem Vindikations­ gegenstand,264 mag zwar in der Sache zutreffen, allein darauf kann aber die Betroffenheit des Telos nicht gestützt werden. Festzuhalten bleibt somit, dass sich dem Telos des § 255 BGB zwar ein normativer Rest entnehmen lässt, der auch innerhalb einer Zweipersonenkonstellation fruchtbar gemacht werden kann und der deshalb die Grundlage einer Analogie bilden könnte. Da im hiesigen Kontext dem Eigentümer jedoch nur eine ausgehöhlte, wertlose Eigentumsposition verbleibt, kann insofern nicht von einer vergleichbaren Überkompensation die Rede sein, wie sie dem unmittelbaren Anwendungsbereich von § 255 BGB vorschwebt. c) Rechtsfolge in Form der Eigentumsübertragung Hinzukommend wird gegen eine analoge Anwendung des § 255 BGB vorgebracht, dass eine Divergenz jenseits der Tatbestandsseite zu verzeichnen sei. Kohler bemerkt insofern unter Berufung auf den Wortlaut des § 255 BGB, dass dieser lediglich die Abtretung von Ansprüchen vorsehe, wohingegen im hier interessierenden Fall eine Rechtsübertragung von Nöten wäre.265 Denn allein mit der Zession des § 985 BGB wäre es, ungeachtet der Frage, ob eine solche überhaupt möglich ist,266 noch nicht getan. Darüber hinaus sei 263  Dazu

ebenfalls oben S. 220. Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 44. 265  So Kohler, NZM 2014, 729 (735) zu § 546 BGB; dieser argumentiert zusätzlich, dass angesichts der unterschiedlichen Rechtsfolgen und der divergierenden Personenzahlen eine doppeltanaloge Anwendung des § 255 BGB notwendig wäre, was weitere Zweifel am Vorliegen der Analogiebasis schüren würde, vgl. ebd.; dieselben Bedenken hegt Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 44 f.; kritisch gegenüber der Rechtsfolge in Gestalt der Eigentumsübertragung auch Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 153. Dazu sogleich ausführlich S. 258 ff. 266  Vgl. S. 69 f. 264  So

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die Abtretung des Vindikationsanspruchs nicht nur wegen der Trennung von Eigentum und Rechtsverwirklichungsanspruch fragwürdig,267 sondern auch, weil dieser Anspruch dem Eigentümer durch § 281 IV BGB nicht länger zustehe.268 Es bleibt freilich zu hinterfragen, ob diese Argumentation stichhaltig ist. Dem ersteren, auf die Rechtsfolge zielenden Einwand ist zwar darin zuzustimmen, dass eine Rechtsübertragung dem Wortlaut des § 255 BGB in unmittelbarer Form nicht entnommen werden kann. Allein daraus zu schlussfolgern, dass einer entsprechenden Anwendung der Norm die Analogiebasis entzogen sei, wäre allerdings verfrüht. Denn insbesondere dann, wenn die Pflicht des ersatzberechtigten Eigentümers zur Abtretung seines Vindikationsanspruchs in Frage steht, wird darüber gestritten, ob damit nicht ausnahmsweise die Pflicht zur Eigentumsübertragung angesprochen ist.269 Folglich ist eine genauere Auseinandersetzung mit der Rechtsfolgenseite des § 255 BGB angezeigt. aa) Die Untrennbarkeit von Eigentum und Verwirklichungsanspruch als Argument für eine Eigentumsübertragung aufgrund von § 255 BGB Wie schon angedeutet, liegt der Ursprung der sich ergebenden Diskussion in dem oben bereits angesprochenen und zum Teil als Dauerbrenner betitelten270 Diskurs darüber, ob das Stammrecht Eigentum von seinem Verwirk­ lichungsanspruch getrennt werden kann.271 Dieser Konflikt wird nach inzwi267  Von einem „misslichen Rechtszustand“ spricht Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 153. 268  Vgl. Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 219, der diesen Einwand referiert, aber gleichzeitig betont, dass er von niemandem ernsthaft erhoben wird. 269  Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 44  f.; Planck, BGB, Bd. II, 1./2. Auflage 1900, § 255 Anm. 1 a. E.; Warneyer, BGB Kommentar, Bd. I, 1923, § 255 Anm. III; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse (1958), § 17 II 2 Fn. 10 (S. 87) vermuten eine Einigung über den Eigentumsübergang; RGZ 59, 367 (371); Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern (1984), § 8 II 2. Aus jüngerer Zeit: OLG Köln NJW-RR 2004, 1391 (1391); Forster, in: Soergel, 13. Auflage 2014, § 255 Rn. 9; Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 255 Rn. 9; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Auflage, S. 686 f. m. w. N., welche sogar eine Übereignung zugunsten des Diebes befürworten (a. A. insofern Ebert, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 255 Rn. 5, die darauf verweist, dass das Interesse des Eigentümers schwerer wiegt als das des bspw. verpflichteten Diebes); Bittner/Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 21 m. w. N.; Luckey, in: PWW, 16. Auflage 2021, § 255 Rn. 5; Rüßmann, in: JurisPK, 9. Auflage 2020, § 255 Rn. 17 betrachtet die in § 255 BGB genannte Rechtsfolge gar als zu eng formuliertes Redaktionsversehen. 270  Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 194. 271  Bittner/Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 21.



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schen beinah allgemeiner Ansicht zugunsten der Untrennbarkeit von Eigentum und Verwirklichungsanspruch aufgelöst.272 § 255 BGB benennt als Rechtsfolge indes die Abtretung jeglicher dem Eigentümer verbleibender Ansprüche und erfasst vom Wortsinn somit auch den Vindikationsanspruch. Um eine gesetzlich angeordnete dauerhafte Trennung von Eigentum und § 985 BGB zu verhindern, wird daher die Erweiterung der Rechtsfolgenseite des § 255 BGB diskutiert. Nun drängt sich freilich die Frage auf, weshalb überhaupt eine Erweiterung der Rechtsfolgenseite und nicht etwa das Ausklammern des Vindikationsanspruchs im Wege teleologischer Reduktion zur Diskussion steht; schließlich wurde die Auffassung, die eine Trennung von Eigentum und Verwirklichungsanspruch ablehnt, unlängst noch als beinah allgemeine Ansicht betitelt, weshalb der Schluss nahezuliegen scheint, dass der Wortlaut weiter gefasst wurde als zur Verwirklichung der ratio legis erforderlich.273 Die Antwort auf diese Frage lautet typischerweise wie folgt: Würde der Vindikationsanspruch auch in diesem Kontext beim Eigentümer verbleiben, bestünde die Gefahr der Überkompensation des Ersatzberechtigten. Dieser könnte neben Wertersatz in Höhe des Sachwertes unter Umständen zusätzlich Herausgabe der Sache verlangen.274 Argumentativ beschränkt sich diese Rechtfertigung mithin auf eine Wiederholung eines der dem § 255 BGB zugrundeliegenden Teloi.275 Veranschaulichen lässt sich diese Befürchtung anhand des folgenden Beispiels: Stiehlt ein unbekannter Dritter dem Entleiher die entliehene Sache, so schuldet letzterer dem Verleiher Schadensersatz in Höhe des Sachwertes aufgrund subjektiver Unmöglichkeit, die Sache zurückzugeben (§§ 280 I, III, 283 BGB). Wollte man nun das Recht des Entleihers, die Abtretung sämtlicher Ansprüche zu verlangen, die dem „Ersatzberechtigten aufgrund des Eigentums an der Sache […] gegen den Dritten zustehen“, um den Vindikationsanspruch kürzen, könnte der Eigentümer auch nach Erhalt des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes nach § 985 BGB Herausgabe von dem Dritten fordern.276 272  Siehe

dazu oben S. 69 f. in: BeckOGK BGB, Stand 15.08.2021, § 255 Rn. 55 stellt ebenfalls die Frage nach der Notwendigkeit der Zession; Lorenz, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 255 Rn. 10 („erklärungsbedürftig“). 274  Bittner/Kolbe, Staudinger, 2019, § 255 Rn. 20. 275  Siehe zu diesen schon oben S. 250 f.; Bittner/Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 20. Kritisch gegenüber dieser Argumentation Röver, in: BeckOGK BGB, Stand 15.08.2021, § 255 Rn. 55, der angesichts der ansonsten umfassenden Rechtsfolge des § 255 BGB – dem Schädiger steht ein Anspruch auf die Abtretung sämtlicher dem Eigentümer verbleibenden Herausgabeansprüche zu (etwa § 861 BGB, § 823 I i. V. m. § 249 BGB, § 812 I BGB) –, die Notwendigkeit anzweifelt, diesem auch den Vindikationsanspruch zuzusprechen. 276  Damit ist allerdings noch nichts darüber gesagt, ob eine auf § 255 BGB fußende Verpflichtung zur Eigentumsübertragung zu überzeugen vermag, dazu unten S. 258 ff. 273  Röver,

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Die wohl herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung will diesen Konflikt durch den zuvor schon angesprochenen Eigentumserwerb zugunsten des Ersatzverpflichteten lösen.277 Denn selbst wenn man über die Untrennbarkeit von Eigentum und Vindikationsanspruch hinwegsähe und eine Zession des § 985 BGB bejahte, sei mangels Eigentumserwerbs die „überschießende Ausgleichsleistung“,278 der Schadensersatz in Höhe des Sachwertes, noch nicht kompensiert.279 Lediglich durch die Begründung einer Eigentumsübertragung könne ein im Sinne des § 255 BGB liegendes Ergebnis erzielt und die Trennung von Eigentum und Rechtsverwirklichungsanspruch verhindert280 werden. Die durch die Regelung vorgesehene Zession wird deshalb, zumindest soweit es die Abtretung des § 985 BGB betrifft, sogar teilweise als „Mittel zum Zweck“ zur Erreichung der eigentlich anvisierten Rechtsfolge, des Eigentumserwerbs, angesehen.281 bb) Dogmatische Begründung der Eigentumsübertragung aufgrund von § 255 BGB Nun stellt sich aber die Frage, wie der Eigentumserwerb zugunsten des Ersatzverpflichteten dogmatisch begründet werden kann. Die oben schon genannten Vertreter legen eine Zession des Vindikationsanspruchs zugrunde, an die sie zeitgleich eine Übertragung der Rechtsposition selbst knüpfen.282 Dies soll – so die überwiegend präsentierte Lösung – im Wege der §§ 929 S. 1, 931 BGB erfolgen.283 Könne die Eigentumsübertragung einmal nicht im Wege der Zession gewährleistet werden, solle hilfsweise auf anderweitige Erwerbsformen zurückgegriffen werden, wie etwa § 929 S. 2 BGB.284 Beinahe stereotyp übergangen wird jedoch die Frage, wie die dingliche Einigung 277  Siehe

Kap. 3 Fn. 269. in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 12 m. w. N. 279  Siehe die Nachweise in Kap. 3 Fn. 269. Auch hier ist also die Frage entscheidend, ob der Vindikationsanspruch mit dem Sachwert aufgewogen werden kann; zur Frage, ob der Ausschluss des Vindikationsanspruchs einen Schadensersatz in Höhe des Sachwertes rechtfertigt schon oben S. 217 ff. 280  Bittner/Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 21. 281  Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 48; sich anschließend Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 219. 282  Vgl. insofern die in Kap. 3 Fn. 269 genannten Vertreter. 283  Siehe exemplarisch Forster, in: Soergel, 13. Auflage 2014, § 255 Rn. 9; Grü­ neberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 255 Rn. 9; Bittner/Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 21 m. w. N. 284  Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 48 m.  w. N. in Fn. 3; Flach, Anwendung der §§ 281 und 283 BGB (1928), S. 34; auch Knöfler, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 255 Rn. 9 geht davon aus, dass aufgrund der Zession des Vindikationsanspruchs das Eigentum auf den Zessionar übergeht. Die insofern 278  Bittner/Kolbe,



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zwischen Ersatzberechtigtem und -verpflichtetem zustande kommen soll.285 Wird der Abschluss eines dinglichen Vertrags doch einmal thematisiert, wird das für eine dingliche Einigung erforderliche Angebot auf Übertragung des Eigentums in der Abtretung als solcher verortet, welches durch die Annahme der Zession seitens des Schädigers wiederum angenommen werde.286 Dass der Ersatzberechtigte ausweislich des Normtextes des § 255 BGB nur zur Abtretung des Vindikationsanspruchs, nicht aber dazu verpflichtet ist, dem Ersatzverpflichteten das Eigentum an der Sache zu verschaffen, auf deren Herausgabe der Vindikationsanspruch gerichtet ist, wird dabei übergangen. Zwar ergibt sich aus der Zession des Vindikationsanspruchs die Möglichkeit eines Eigentumserwerbs – es ist durchaus denkbar, dass Geschädigter und Schädiger nach Befriedigung der Schadensersatzforderung (konkludent) einen dinglichen auf Übereignung der verlorenen Sache gerichteten Vertrag schließen. Mangels eines sich aus dem Normtext ergebenden Anspruchs des Schädigers gegen den Ersatzberechtigten zur Abgabe einer auf die Übertragung des Eigentums gerichteten dinglichen Willenserklärung ist dies jedoch keineswegs zwingend der Fall.287 Auch verbietet es sich, eine konkludente dingliche Einigung schlicht zu unterstellen288 oder in die Abtretungserklärung hineinzulesen.289 Insofern handelt es sich um zwei zwingend zu unterscheidende Rechtsgeschäfte, die auch durch § 255 BGB nicht zu einem einerforderliche dingliche Einigung scheint Knöfler selbst dann zu fingieren, wenn der Eigentümer ein Interesse am Erhalt seiner Eigentumsposition hat. 285  Exemplarisch: Keine Erwähnung eines dinglichen Vertrags findet sich bei Planck, BGB, Bd. II, 1./2. Auflage 1900, § 255 Anm. 1; Warneyer, BGB Kommentar, Bd. I, 1923, § 255 Anm. III spricht sogar davon, dass das Eigentum mit der Abtretung „ohne weiteres“ übergehe. Auch in jüngerer Zeit wird der dingliche Vertrag nicht behandelt, sondern ein Eigentumsübergang schlicht vorausgesetzt: Forster, in: Soergel, 13. Auflage 2014, § 255 Rn. 9; Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 255 Rn. 9; Knöfler, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 255 Rn. 9; Bittner/Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 21. 286  Schulz, Rückgriff und Weitergriff (1907), S. 108. 287  Auch Lorenz, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 255 Rn. 10 betont, dass eine Eigentumsübertragung gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Dieser befürwortet aber dennoch eine analoge Anwendung des § 255 BGB, vgl. ders., in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 281 Rn. 9. 288  Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 18; ablehnend auch Walle­ rath, JR 1970, 161 (163); Kritik gegenüber der Unterstellung eines solchen Willens zulasten des Eigentümers wurde auch schon oben geübt, vgl. S. 230 ff. und S. 237 ff. 289  So aber Schulz, Rückgriff und Weitergriff (1907), S. 108 und Horstmann, Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen (1938), S. 54 f. Letzterer erwägt, in der Geltendmachung des Schadensersatzes einen Verzicht auf das Eigentum zu sehen, lehnt dies aber ab, da es zweckmäßiger sei, von einem Antrag auf Übertragung des Eigentums brevi manu auszugehen. Ebenfalls für eine Vermutung der dinglichen Einigung Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse (1958), § 17 II 2 Fn. 10 (S. 87).

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zigen verschmelzen.290 Die notwendige Verpflichtung des Geschädigten zur dinglichen Einigung mit dem Schädiger – andernfalls könnte der Eigentümer sich einer dinglichen Einigung auch verweigern – wird offenbar in die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge der Zession hineingelesen.291 Legte man dieses Verständnis von § 255 BGB zugrunde, wäre der Norm die Rechtsfolge in Form der Eigentumsübertragung keineswegs fremd, woraus ein Argument für eine vergleichbare Interessenlage und somit auch für die analoge Anwendung der Regelung im hier fraglichen Kontext gewonnen werden könnte. cc) Kritik an der Eigentumsübertragung aufgrund von § 255 BGB Frei von Kritik ist die Sichtweise, dass § 255 BGB eine Vindikationszession anordnet, an die gleichzeitig eine Übertragung des Eigentums geknüpft wird, freilich nicht. Allen voran lässt sich der Vorwurf erheben, mit § 399 Fall 1 BGB in Konflikt zu geraten, wollte man auch den Vindikationsanspruch als von dem in § 255 BGB angeordneten Abtretungsanspruch erfasst ansehen. Denn mit der Vindikationszession würde eine Inhaltsänderung einhergehen.292 Diesen Umstand aufgrund drohender Überkompensation des Ersatzberechtigten in den Hintergrund treten zu lassen,293 erscheint bedenklich, schließlich vermag nicht einmal der Zweck der Eigentumsübertragung eine Zession des vindikatorischen Herausgabeanspruchs zu rechtfertigen.294 Wollte man an die Vindikationszession dann noch den Übergang des Eigen290  Röver, in: BeckOGK BGB, Stand 15.08.2021, § 255 Rn. 58; kritisch gegenüber der Rechtsfolge des Eigentumserwerbs auch Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 153. Gewiss kann im Einzelfall eine Eigentumsübertragung zwischen den Parteien gewollt sein, der Eigentümer ist indes nicht von Gesetzes wegen zur Übertragung verpflichtet. 291  Das dürfte für die Vertreter der herrschenden Ansicht gelten, die von einem Eigentumsübergang ausgehen, wenn die Zession des § 985 BGB in Frage steht, vgl. die beiden vorstehenden Fn. 283 und 284; so ausdrücklich Weimar, JR 1959, 92 (92) („[Der Ersatzverpflichtete] kann vom Geschädigten neben der Abtretung des Herausgabenspruchs die Einigung über den Eigentumsübergang an der abhanden gekommenen Sache verlangen“). Würde diese Rechtsfolge nicht in § 255 BGB hineingelesen, stellte sich parallel zu der auf S. 230 ff. und S. 237 ff. geführten Diskussion die Frage, ob der Eigentümer überhaupt dazu bereit ist, sein Eigentum preiszugeben. 292  Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 399 Rn. 7 sowie Rn. 12; Röver, in: BeckOGK BGB, Stand 15.08.2021, § 255 Rn. 54. 293  Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 45 etwa stellt zunächst fest, dass sich der Vindikationsanspruch nicht vom Eigentum trennen lässt, stellt unmittelbar darauf aber fest, dass „mit der Abtretung des Herausgabeanspruchs“ auch das Eigentum übergeht. 294  Dies entspricht der überwiegenden Ansicht, siehe nur Herrler, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 931 Rn. 3 und Klinck, in: BeckOGK BGB, Stand 01.10.2021, § 931 Rn. 20 m. w. N.; a. A. etwa Wilhelm, Sachenrecht, 6. Auflage, Rn. 1184.



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tums knüpfen, ließe sich nicht nur der schon bekannte Vorwurf erheben, dass das Hauptrecht gewissermaßen dem Annex folgen und dadurch insbesondere die Wertung des § 952 BGB verletzt würde,295 sondern auch die Eigentümer­ interessen drohten unterlaufen zu werden.296 Denn spricht man dem Schädiger einen Anspruch auf Übereignung der Sache zu, kann der Geschädigte die Sache nur dann zurückerlangen, wenn er mit dem Schädiger paktiert – freilich nur unter der Bedingung, dass der Schädiger sich überhaupt auf ein solches Geschäft einlässt. Das gegebenenfalls bestehende Interesse des Eigentümers, die Sache zurückzuerlangen,297 würde durch die endgültige Übereignung an den Schädiger unmöglich.298 Es droht eine Überbewertung der Interessen des Verpflichteten, eine doppelte Befriedigung des Geschädigten zu vermeiden.299 Besonders anstößig erscheint dies mit Blick auf den Dieb, der den Eigentümer zunächst bestiehlt und die Sache dann weiterveräußert. Legt man das Verständnis der herrschenden Meinung zugrunde, müsste der Geschädigte auch an diesen das Eigentum mit oder nach Erhalt der Schadensersatzsumme übertragen, obschon dem § 935 BGB wertungstechnisch entgegensteht.300 Um diese Unbilligkeit zu umgehen und das gegebenenfalls 295  Siehe

dazu oben S. 227. in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 18; Ebert, in: Erman BGB, 16. Auflage 2020, § 255 BGB Rn. 5; in diese Richtung auch Schulze, in: HandKomm BGB, 10. Auflage 2019, § 255 Rn. 4. 297  Ebert, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 255 Rn. 5; Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 70 spricht gar davon, dass dem Eigentümer regelmäßig daran gelegen sein wird, die Sache zurückzuerlangen; vgl. auch Knöfler, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 255 Rn. 9. 298  Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 18; gerade dieses Ziel wollen Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Auflage, S. 686 f. jedoch zugunsten des Ersatzverpflichteten (selbst zugunsten des Diebes) erreichen, damit potentielle Rechtsstreitigkeiten über die Rückgewähr der Schadensersatzleistung und insofern ggfs. zu berücksichtigende Entwertungen der Sache ebenso wie Ansprüche auf Nutzungsersatz nicht länger Gegenstand gerichtlicher Verhandlungen sind. Forster, in: Soergel, 13. Auflage 2014, § 255 Rn. 9 teilt die Ansicht von Lange und Schiemann, bejaht aber dennoch einen Anspruch auf Rückübereignung Zug-um-Zug gegen Rückzahlung der Schadensersatzleistung und belebt dadurch das zu vermeiden versuchte Problem wieder. Ungeachtet dessen, erscheint diese Sichtweise äußerst fragwürdig, so betont auch Ernst, ZfPW 2019, 122 (124), dass der Geschädigte gegenüber dem Dieb Schadensersatz verlangen kann, ohne zuvor sein Eigentum an der Sache selbst preisgeben zu müssen. 299  Ebert, in: Erman BGB, 16. Auflage 2020, § 255 BGB Rn. 5; um dies vorzubeugen, wird teilweise ein Wahlrecht des Eigentümers vorgeschlagen, vgl. Caemme­ rer, JR 1959, 462 (463 f.); ebenso Knöfler, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 255 Rn. 9; Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 153. 300  § 935 BGB belegt gerade, dass der Eigentümer in einem solchen Fall seine Rechtsposition nicht verliert. Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 70; in eine ähnliche Richtung auch Ernst, ZfPW 2019, 122 (124). 296  Oetker,

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bestehende schutzwürdige Interesse des Eigentümers wahren zu können, sieht sich jene Ansicht gezwungen, dem Schadensersatzgläubiger einen de lege lata nicht vorgesehenen und auch gesetzlich nicht präzisierbaren301 Anspruch auf Rückübereignung Zug-um-Zug gegen Rückgewähr der Ersatzleistung einzuräumen.302 Die historische Auslegung der Norm spricht ebenfalls gegen eine Erweiterung der Rechtsfolgenseite des § 255 BGB in dem unter der vorstehenden Überschrift303 beschriebenen Sinne. Wie bereits erwähnt,304 stand der historische Gesetzgeber einem auf § 255 BGB fußenden Eigentumserwerb ablehnend gegenüber.305 Dieser befasste sich bei der Schaffung des § 223 BGBE1 – dem Vorgänger des heutigen § 255 BGB – mit dem im Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuch niedergeschriebenen Pendant, namentlich dessen § 305. Gemäß dieser Norm gingen nicht nur die verbleibenden Ansprüche aus dem Recht, sondern die Rechtsposition in toto auf den leistenden Schädiger über.306 Die Gesetzesväter betitelten die Lösung „schon wegen des Traditionsprinzips [als] anomal und überhaupt bedenklich“, soweit es das Mobiliarsachenrecht betraf. Im Hinblick auf das Immobiliarsachenrecht sahen sie einen Konflikt mit dem Grundbuchrecht.307 Ein weiterer, mit der Genese des § 255 BGB korrespondierender Kritikpunkt liegt in der – wiede301  Knöfler, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 255 Rn. 9 bemüht etwa § 242 BGB; Bittner/Kolbe, in: Staudinger, 2019, § 255 Rn. 43; Forster, in: Soergel, 13. Auflage 2014, § 255 Rn. 9; Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 255 Rn. 9; Münch­ bach, Regreßkonstruktionen in Schadensfällen (1976), S. 116 rekurriert ebenfalls auf § 242 BGB und benennt als Beispiele neben Kunstwerken und Sammlungsgegenständen auch Erinnerungsstücke; siehe auch Wernecke, Die Gesamtschuld (1990), 52 f.; Schulze, in: HandKomm BGB, 10. Auflage 2019, § 255 Rn. 4 erwägt, die seitens der herrschenden Meinung unterstellte dingliche Einigung abzulehnen, wenn der Eigentümer etwa aufgrund eines hohen ideellen Wertes, ein schützenswertes Interesse an der Wiedererlangung der Sache hat. Diese Lösung würde natürlich Rechtsunsicherheiten nach sich ziehen. 302  Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 18. 303  Dort insbesondere S. 258. 304  Vgl. oben S. 242. 305  Zur Genese der technischen Ausgestaltung des Ausgleichs siehe Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 47. Erwogen wurde neben der Bemühung des § 255 BGB eine bereicherungsrechtliche Lösung, ein unmittelbarer Eigentumsübergang nach Zahlung des Schadensersatzes und eine cessio legis. 306  Durch § 305 des Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuches wurde der Beklagte nach Zahlung des Schadensersatzes so behandelt, als hätte er die Sache vom Eigentümer käuflich erworben, vgl. Siebenhaar, Commentar zu dem bürgerlichen Gesetzbuche für das Königreich Sachsen, Bd. I, 1864, § 305. 307  Mugdan, Bd. II, S. 14 = Motive, Bd. 2, S. 25, dort findet sich auch das vorausgegangene Zitat. Dass ein auf § 255 BGB fußender Eigentumserwerb im Immobiliarsachenrecht durch das Grundbuchrecht an seine Grenzen stößt, zeigt sich schon anhand folgender Überlegung: Mit der bloßen Einigung und „Abtretung“, wie es in



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rum unter der vorangegangenen Überschrift bereits dargelegten – dogmatischen Legitimation des durch die Vindikationszession bedingten Eigentums­ erwerbs begründet. Denn die Rechtsfolge des § 255 BGB um die Verpflichtung des Geschädigten zu erweitern, sich mit dem Schädiger dinglich zu einigen, erscheint insbesondere mit Blick auf den historischen Gesetzgeber bedenklich. Dieser führte hinsichtlich eines auf § 223 BGB-E1 gestützten Eigentumserwerbs aus: „Man müßte den Berechtigten zur Mitwirkung behufs Erfüllung der nach den sachenrechtlichen Vorschriften bestehenden gesetzlichen Voraussetzungen des Rechtsüberganges für verpflichtet erklären, was besser vermieden wird.“308 Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des sich lediglich auf die „Abtretung der Ansprüche“ beschränkenden Wortlauts309 kann die Behauptung, die in § 255 BGB vorgesehene Rechtsfolge der Abtretung diene lediglich der eigentlich anvisierten Rechtsfolge in Form der Eigentumsübertragung, in Zweifel gezogen werden.310 Wollte man sich über den Wortlaut des § 255 BGB sowie den Willen des historischen Gesetzgebers hinwegsetzen und dennoch einen Eigentumserwerb aufgrund der Vindikationszession annehmen, käme das der Schaffung eines de lege lata unbekannten gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestandes gleich – Eigentumserwerb bei notwendiger Abtretung des Vindikationsanspruchs. Denn wenn ein Angebot auf Übertragung des Eigentums seitens des Geschädigten weder unterstellt noch die Verpflichtung zur Abgabe eines solchen in die Rechtsfolge des § 255 BGB hineingelesen werden kann, ließe sich eine Eigentumsübertragung gestützt auf §§ 929 S. 1, 931 BGB nur begründen, wenn unter Verletzung des numerus clausus der Eigentumserwerbs­ tatbestände311 auf das Erfordernis der dinglichen Einigung verzichtet würde.312 § 255 BGB heißt, lässt sich keine Eintragung in das Grundbuch begründen, vgl. § 873 I BGB; so auch Odemer, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 69. 308  Mugdan, Bd. II, S. 14 = Motive, Bd. 2, S. 25. 309  Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 153 verweist ebenfalls auf den eindeutigen Wortlaut. 310  Die Zession pauschal als Mittel zum Zweck des Eigentumserwerbs anzusehen, erscheint schon vor dem Hintergrund, dass diese auch Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche erfasst, zu weitgehend, vgl. Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 15. Die Argumentation Odemers, Schadensersatz statt der Leistung (2019), S. 71, dass der Eigentümer sich im Kontext des § 281 BGB bewusst für den Schadensersatz statt der Leistung entscheide, weshalb eine Übereignungspflicht nicht unbillig sei, vermag nicht über das fehlende dogmatische Fundament hinwegzuhelfen. 311  Dazu schon oben auf S. 164 f. 312  Siehe dazu auch Röver, in: BeckOGK BGB, Stand 15.08.2021, § 255 Rn. 58, der von einer analogen Anwendung des § 931 BGB spricht. Wenn schon das Abbedingen des § 950 BGB im Interesse der Verkehrsfähigkeit von Sicherungseigentum unter Verweis auf die Indisponibilität des Sachenrechts durch die h. L. abgelehnt wird

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dd) Die Untrennbarkeit von Eigentum und Rechtverwirklichungsanspruch als Argument gegen eine Eigentumsübertragung aufgrund von § 255 BGB Die vorangegangenen Ausführungen haben verdeutlicht, dass jene Ansicht, die einen auf § 255 BGB gestützten Eigentumserwerb postuliert, wenn die Zession des § 985 BGB in Frage steht, durchaus kritikwürdig erscheint. Lehnte man entgegen vieler Stimmen313 einzig eine auf § 255 BGB gestützte Eigentumsübertragung ab, ergäbe sich angesichts des unzweifelhaft auch den Vindikationsanspruch erfassenden Wortlauts des § 255 BGB daraus jedoch die bedenkliche314 Konsequenz, dass der Vindikationsanspruch abgetreten werden müsste, ohne dass es zu einem Eigentumserwerb zugunsten des Zessionars käme – Eigentum und Verwirklichungsanspruch fielen a­ useinander.315 Um dieses Dilemma zu umgehen, erscheint es insbesondere erwägenswert, eine Zession des § 985 BGB aufgrund von § 255 BGB von vornherein abzulehnen.316 Diese Idee ist keineswegs neu, sondern wurde schon im Jahre 1921 vertreten.317 Der genannte Ansatz ist insofern reizvoll, als das durch die wohl überwiegende Ansicht selbst geschaffene Problem,318 wie das Stammrecht und der Vindikationsanspruch nach dessen Zession wieder zusammenzuführen sind, umgangen werden könnte. Nun wurde zuvor freilich die Argumentation referiert, dass der Vindikationsanspruch nicht schlechterdings aus dem Anwendungsbereich des § 255 BGB ausgeklammert werden könne, da andernfalls eine Überkompensation des ersatzberechtigten Eigentümers drohe.319 Zweifellos erhielte der Geschädigte zu viel, könnte er, nachdem er in Höhe des (vgl. nur Schermaier, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 950 Rn. 26 ff.), stellt sich die Frage, weshalb dann hinsichtlich der Neuschaffung eines gesetzlich nicht vorgesehenen Eigentumserwerbstatbestandes anders verfahren werden sollte; zum Herstellerbegriff schon oben S. 198, dort Fn. 529. 313  Vgl. Kap. 3 Fn. 269. 314  Zur wiederholt hervorgehobenen Untrennbarkeit von Eigentum und Verwirk­ lichungsanspruch vgl. S. 254 ff. und 69 f. 315  Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 14 f. und 18 scheint eine Trennung von Eigentum und Verwirklichungsanspruch hinzunehmen, denn er billigt die Zession des § 985 BGB aufgrund von § 255 BGB (Oetker, a. a. O., Rn. 15), lehnt einen Eigentumsübergang aufgrund von § 255 BGB ab (Oetker, a. a. O., Rn. 18) und befürwortet anstatt dessen einen Rückgriff auf das Bereicherungsrecht (Oetker, a. a. O., Rn.  14). 316  Zu dieser Erwägung schon oben S. 255. 317  Wolff, Sachenrecht, 1921, § 84 VI Fn. 25; fortgeführt von Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung, § 84 VI 3. 318  So auch Röver, in: BeckOGK BGB, Stand 15.08.2021, § 255 Rn. 58. 319  Vgl. oben S. 255.



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Sachwertes Kompensation erfahren hat, zusätzlich noch die Sache aufgrund des Vindikationsanspruchs herausverlangen. Der Frage, ob daraus die Notwendigkeit der Vindikationszession hervorgeht, und damit korrelierend das Erfordernis, dem Ersatzverpflichteten einen Anspruch auf Übereignung zuzubilligen, wurde bisher jedoch noch keine Beachtung geschenkt. In der Tat ließe sich darüber nachdenken, der Überkompensation des Eigentümers, die dann entsteht, wenn dieser neben dem Schadensersatz die Sache selbst zurückerhält, mit dem Bereicherungsrecht zu begegnen, anstatt zu versuchen, dieser schon durch die Vindikationszession vorzubeugen. Namentlich könnte ein Kondiktionsanspruch aus § 812 I S. 2 Alt. 1 BGB erwogen werden, da sich der Schaden durch die Rückerlangung der Sache retrospektiv als nicht so groß erweist, wie zunächst angenommen.320 Den fehlenden Rechtsgrund für die Leistung des Schädigers ersetzt § 255 BGB nicht.321 Zwar bemisst die Norm den Schadensersatz in Höhe des Sachwertes aufgrund andernfalls drohender komplizierter Berechnungen der Schadenshöhe,322 eine Überkompensation des Geschädigten durch die Konstituierung eines Rechtsgrundes wird dadurch jedoch nicht gerechtfertigt – im Gegenteil.323 Gewährt man dem Rückgriff auf das Bereicherungsrecht gegenüber der Vindikationszession den Vorzug, brächte dies außerdem den Vorteil mit sich, dass der Geschädigte nicht zwingend seine Rechtsposition preisgeben müsste; die Eigentümerinteressen würden nicht unterlaufen. Indem man der Überkompensation des Geschädigten nicht präventiv entgegenwirkt, sondern sich dieser erst dann annimmt, wenn sie tatsächlich eintritt, würden folglich gleich zwei der wesentlichen Kritikpunkte umgangen. Gleichwohl gilt es auch diesen Lösungsansatz prüfend zu hinterfragen. Kritikwürdig sind insbesondere zwei Aspekte: Zum einen spricht der weit gefasste Wortlaut des § 255 BGB („Abtretung der Ansprüche“) dagegen, den Vindikationsanspruch auszuklammern, und zum anderen darf die ratio legis des § 255 BGB nicht unbeachtet bleiben, die durch den präsentierten Ansatz 320  So schon Lorenz, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 255 Rn. 10 und Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 14, auch wenn letzterer anstelle einer condictio ob causam finitam eher eine condictio indebiti zu bevorzugen scheint („Der ‚Schädiger‘ hat hier auf eine in Wirklichkeit nicht bestehende Schadensersatzschuld geleistet, so dass ihm ein Bereicherungsanspruch zusteht.“). Dabei käme dem Schädiger freilich nicht pauschal ein Anspruch auf Erstattung der ganzen Ersatzleistung zu, vielmehr müsste ein ggfs. vorliegender Nutzungsausfall oder auch mögliche Beschädigungen an der Sache von dem Bereicherungsanspruch abgezogen werden, vgl. insofern Oetker, a. a. O. 321  Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 14. 322  Mugdan, Bd. II, S. 14 = Motive, Bd. 2, S. 25. 323  Zur ratio legis des § 255 BGB, der als Ausprägung des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots zu verstehen ist, schon auf S. 250 f.

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unterlaufen zu werden droht. Während man dem weit gefassten Wortlaut noch § 399 Fall 1 BGB entgegenhalten könnte,324 lässt sich der zweitgenannte Aspekt nicht ohne Weiteres entkräften. Tatsächlich würde § 255 BGB um eines seiner Teloi gebracht, wenn dieser zwar den Schadensersatzanspruch in Höhe des Sachwertes rechtfertigen, umgekehrt aber nicht die Überkompensation des Geschädigten vermeiden würde.325 Der Vindikationsanspruch kann folglich nicht von § 255 BGB unberücksichtigt bleiben. Modifiziert man den gewählten Ansatzpunkt etwas, stellt jedoch auch dies kein unüberwindbares Hindernis dar: Anstatt den Vindikationsanspruch gänzlich von der Rechtsfolgenseite des § 255 BGB auszuschließen und einer möglichen Überkompensation mit dem Bereicherungsrecht zu begegnen, könnte die Möglichkeit der Umdeutung gemäß § 140 BGB erwogen werden. Wie schon zuvor betont, erfasst § 255 BGB durch seinen weit gefassten Wortlaut („Abtretung der Ansprüche“) unzweifelhaft auch den Vindikationsanspruch. Das Gesetz verpflichtet den Ersatzberechtigten mithin unter anderem dazu – mit oder nach Befriedigung seines Schadensersatzverlangens –, dem Ersatzverpflichteten den ihm verbleibenden Vindikationsanspruch abzutreten. Da einer Vindikationszession indessen nicht zuletzt § 399 Fall 1 BGB entgegensteht, ließe sich eine seitens des Ersatzberechtigten vorgenommene unwirksame Abtretung des Vindikationsanspruchs nach § 140 BGB in die Ermächtigung zur Einziehung desselben analog § 185 BGB umdeuten.326 Unter dieser Prämisse könnte der Ersatzverpflichtete den Vindikationsanspruch seinerseits prozessual im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend machen327 und Leistung an sich selbst fordern.328 Die Forderung als solche würde jedoch beim ersatzberechtigten Eigentümer verbleiben, da durch das Konstrukt der Einziehungsermächtigung lediglich ein Forderungsausschnitt übertragen wird.329 Diese Lösung würde folglich weder mit der mangelnden Abtretbarkeit des § 985 BGB konfligieren, noch die ratio legis des § 255 BGB, eine drohende Überkompensation des Ersatzberechtigten zu 324  Vgl.

dazu schon oben S. 258 f. schon oben S. 255. 326  Lorenz, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 255 Rn. 10; Röver, in: BeckOGK BGB, Stand 15.08.2021, § 255 Rn. 55; Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn.  6 f. m. w. N.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung, § 84 VI 3; Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Auflage, § 11 Rn. 44; in eine ähnliche Richtung geht auch Schwerdt­ ner, Verzug im Sachenrecht (1973), S. 149, der sowohl die analoge Anwendung des § 255 BGB als auch die Anwendung des § 242 BGB ablehnt und anstatt derer das Schadensersatzverlangen als „eine Genehmigung der Verfügung des Schuldners über die Sache im Sinne eines Anspruchs Zug-um-Zug“ versteht. 327  Lorenz, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 255 Rn. 10; Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 398 Rn. 32. 328  Thole, in: Staudinger, 2019, § 985 Rn. 8. 329  Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 398 Rn. 32. 325  Siehe



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vermeiden, konterkarieren. Gelangte die Sache durch einen Dritten oder den Ersatzleistenden in den Besitz des Geschädigten zurück, käme dem Ersatzleistenden der oben schon genannte Anspruch aus § 812 I S. 2 1. Alt. BGB zugute.330 Ob es darüber hinaus überzeugt, diesen Ansatz zu erweitern und dem Ersatzverpflichteten nach Zahlung des Schadensersatzes mittels analoger Anwendung des § 255 BGB einen unmittelbaren Anspruch auf Einräumung einer Einzugsermächtigung zuzusprechen – dadurch müsste der Ersatzverpflichtete nicht erst ein falsches Verlangen auf Grundlage von § 255 BGB geltend machen –, ist letztlich zweitrangig.331 Denn jedenfalls haben die vorstehenden Ausführungen zur Umdeutung der unwirksamen Vindikationszession in eine Einziehungsermächtigung gezeigt, dass es zur Vermeidung der drohenden Überkompensation des Geschädigten nicht zwingend einer dem Gesetzessystem zuwiderlaufenden Zession des Vindikationsanspruchs zugunsten des Ersatzverpflichteten bedarf. Ein dem Telos des § 255 BGB konformes und somit überzeugendes Ergebnis kann auch durch die Umdeutung der unwirksamen Vindikationszession in eine Einziehungsermächtigung erzielt werden.332 Somit schließt sich die Klammer für die hier interessierende Frage, ob sich die Rechtsfolge des § 255 BGB über den Wortlaut hinaus auch auf den Eigentumserwerb zugunsten des Ersatzverpflichteten erstreckt, folgender­ ­ maßen: § 255 BGB zieht nach hier vertretener Auffassung bereits in direkter Anwendung keinen Anspruch auf Übereignung zugunsten des Ersatzverpflichteten nach sich. Wollte man durch eine Analogie zu § 255 BGB dem schadensersatzleistenden Besitzer einen Anspruch auf Übereignung der streitgegenständlichen Sache zubilligen, bedürfte es somit in der Tat einer doppelten Analogie. Denn die Norm ist in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich nicht nur auf eine Dreipersonenkonstellation beschränkt, sondern auch die Rechtsfolge in Form der Eigentumsübertragung ist ihr fremd.333

330  Der Umstand, dass die Gesetzesväter es als nicht überzeugend ansahen, den Ersatzleistenden auf die condictio ob causam finitam zu verweisen, wenn „der Geschädigte das Entzogene wieder erlangen kann“ (Mugdan, Bd. II, S. 14 = Motive, Bd. 2, S. 25) steht dem nicht entgegen. Denn hier hat der Geschädigte die Sache tatsächlich wiedererlangt, sodass es keine vergleichbaren Berechnungsschwierigkeiten gibt wie bei der Bemessung potentiell aussichtsreicher Ansprüche. 331  So Röver, in: BeckOGK BGB, Stand 15.08.2021, § 255 Rn. 56. 332  Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 45 hat Zweifel an dieser Lösung, da § 255 BGB lediglich von einer „Abtretung“ spricht. 333  Siehe schon Kap. 3 Fn. 265.

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d) Zwischenergebnis In Anbetracht der Gegenüberstellung von § 255 BGB und der der „Chorarchiventscheidung“ zugrundeliegenden Konstellation lässt sich somit an dem Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage zweifeln. Allein der Umstand, dass auch im hiesigen Fall vom Verlust einer Sache gesprochen werden kann, vermag die Divergenzen auf Rechtsfolgenseite und die fehlende Gefahr einer Überkompensation des Eigentümers bei Zugrundelegung einer Zwei-Personen-Konstellation nicht aufzuwiegen. 2. Planwidrige Regelungslücke Im Folgenden soll der Blick darüber hinaus auf die Voraussetzung der planwidrigen Regelungslücke gerichtet werden, die von Literatur und Rechtsprechung in diesem Kontext wenig Beachtung erfahren hat. Gewiss hält das Gesetz keine Regelung bereit, die originär für die Zusammenführung von Eigentum und Verwirklichungsanspruch im Falle der Geltendmachung von Schadensersatz statt des Vindikationsanspruchs geschaffen wurde. Gleichwohl lässt sich auch das Vorliegen dieser Analogievoraussetzung hinterfragen, berücksichtigt man die rechtliche Situation des Besitzers, die dieser durch die Zahlung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes erlangt.334 Der Besitzer ist ab Zahlung des Schadensersatzanspruchs nicht nur zum Besitz berechtigt, sondern muss auch keine Forderungen bezogen auf Schadens- oder Nutzungsersatzansprüche fürchten.335 Dies gilt selbst bei Beschädigung oder gar Zerstörung der Sache. Zudem ist der Eigentümer trotz seiner dinglichen Berechtigung faktisch kaum mehr – jedenfalls nicht ohne Bemühung des gutgläubigen Erwerbs und Übergabe durch den Besitzer – dazu im Stande, wirksam über die Sache zu verfügen.336 Auf der anderen Seite kann der Besitzer als Verfügungsberechtigter auftreten, denn dem Eigentümer ist es durch § 242 BGB versagt, die zugunsten des Besitzers wirkende Vermutung des § 1006 BGB zu widerlegen.337 Die Eigentumsposition des Schadensersatzgläubigers wird somit gänzlich entkernt, wohingegen der Besitzer durch die Erfüllung der Schadensersatzforderung eine Rechtsposition erlangt, die rechtlich umfassend geschützt, wenngleich nicht mit dem Eigentum identisch ist.338 334  So auch Ernst, ZfPW 2019, 122 (128); vgl. zur rechtlichen Situation des Besitzers nach Zahlung des Schadensersatzes schon oben S. 74 ff., 82 ff. und 220 ff. 335  Zum Besitzrecht siehe S. 221, für Schadens- und Nutzungsersatzansprüche siehe S. 82 ff. 336  Dazu ebenfalls auf S. 222, dort Fn. 120. 337  Vgl. bereits oben S. 222 f. 338  Ernst, ZfPW 2019, 122 (128); ders, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 124.



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Angesichts dieser Rechtslage ist es zwar durchaus nachvollziehbar, den allenfalls noch kleinen Schritt zu gehen und die ohnehin sinnentleerte Rechtsposition des Eigentümers aufzulösen, den Eigentumswechsel hin zum Besitzer zu vollziehen und damit die Rechtslage zügig zu bereinigen. Rechtlich indiziert dies aber keine Regelungslücke; im Gegenteil ist die Rechtslage hier durch die Entwertung der Eigentumsposition auf der einen und das Anwachsen der Rechte zugunsten des Besitzers auf der anderen Seite sogar alles andere als untragbar. Es ist nichts ungeregelt, was der Ausfüllung durch die analoge Heranziehung einer Regelung bedürfte.339 3. Analogiefähigkeit Zweifel gegenüber einem auf die analoge Anwendung des § 255 BGB gestützten Übereignungsanspruchs zugunsten des Schädigers könnten sich schließlich aus der Frage nach der Analogiefähigkeit der Norm ergeben. Dieser Prüfungspunkt ist vor allem auf den berühmten Satz singularia non sunt extendenda340 zurückzuführen, welcher die Anwendung von Ausnahmevorschriften über die Wortlautgrenze hinaus negiert,341 um das gesetzlich intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis zu schützen.342 Zu erörtern ist daher, ob auch § 255 BGB eine solche Sonderstellung zukommt. Anhaltspunkte, die gegen die Verallgemeinerungsfähigkeit des in § 255 BGB niedergelegten Rechtsgedankens sprechen, könnten sich von der historischen Warte aus betrachtet ergeben. Denn eine mit § 255 BGB vergleichbare Regel war weder dem römischen noch dem älteren Gemeinen Recht bekannt. Es finden sich zwar bereits Quellen, die eine Abtretung von Klagen im Prozess statuierten,343 weder diesen noch der Lehre des 19. Jahrhunderts, 339  Vgl.

Ernst, ZfPW 2019, 122 (128). zu dieser Regel Kramer, Methodenlehre, 6. Auflage 2019, S. 241 ff. 341  Deutlich tritt dieser Grundsatz insbesondere in der Rechtsprechung des BGH zu § 1374 II BGB hervor. Dort wird immer wieder betont, dass diese Regelung eine enge persönliche Beziehung zwischen Erwerbenden und zuwendenden Dritten kennzeichnet, weshalb eine darüber hinausgehende Anwendung nicht in Betracht kommen könne, vgl. BGHZ 68, 43 = NJW 1977, 377 (377) (Lottogewinn); BGHZ 80, 384 = NJW 1981, 1836 (1837) (Schmerzensgeld); BGHZ 82, 149 = NJW 1982, 279; BGHZ 82, 149 = NJW 1982, 279 (Witwenrentenabfindung). Dies entspricht auch der h. L., siehe nur Koch, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 1374 Rn. 20 m. w. N. und Budzikiewicz, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 1374 Rn. 10. Kritisch gegenüber dem Grundsatz singula­ ria non sunt extendenda Würdinger, AcP 206 (2006), 946, (955 ff. und 967 f.). 342  Vgl. Kramer, Methodenlehre, 6. Auflage 2019, S. 242, der diese Begründung kritisch hinterfragt. 343  Siehe Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 46 und Selb, in: FS Larenz (1973), 517 (527 ff.), die die in der Monographie Mühlenbruch, Lehre von der Cession (1836), S. 400  ff., 409  ff. genannten Fälle wiedergeben: (1.) Der Vindika­ 340  Umfassend

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die besagte Quellen erneut aufgriff, kann jedoch nachgesagt werden, sie hätten versucht, einen dem § 255 BGB entsprechenden allgemeinen Grundsatz aufzustellen.344 Innerhalb des Pandektenrechts beschränkte man sich gleichermaßen darauf, einen Anspruch auf Schadensersatz in voller Höhe gegen Abtretung eigener Ansprüche nur in Ausnahmefällen, namentlich bei der rei vindicatio345 sowie innerhalb des Zessionsrechts346, zu gewähren. Konsequenterweise fand sich im Teilentwurf für das Sachenrecht eine entsprechende Regelung allein für den Vindikationsanspruch.347 Historisch betrachtet lässt sich die Gewährung von Schadensersatz in voller Höhe gegen Abtretung der verbleibenden Forderungen somit als Ausnahmefall qualifizieren. Durch die Schaffung des § 255 BGB erhoben die Gesetzesväter diesen Ausnahmefall jedoch unter Verweis auf das Pandektenrecht348 zu einer gemeingültigen Regel.349 Nun lässt sich allein aufgrund fehlenden historischen Vorbildes oder womöglich unzutreffender Interpretation des Pandektenrechts allerdings nicht tionsbeklagte, der zur Herausgabe nicht mehr im Stande ist, (2.) der Reeder, der für den Diebstahl oder die Sachbeschädigung durch seine Leute einzutreten hat, (3.) der Handwerker, der zwecks Werkvertrags im Besitz fremder Kleider war, (4.) derjenige der den Sklaven eines anderen „verdorben“ hat und (5.) der Verwahrer, der seiner Rückgabepflicht aufgrund von Arglist nicht nachkommen kann. 344  Insbesondere Mühlenbruch, Lehre von der Cession (1836), S. 400 ff., 409 ff. Auch Selb, in: FS Larenz (1973), 517 (526) und Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 46 betonen, dass Mühlenbruch primär das Ziel der Systematisierung verfolgt haben dürfte. 345  Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 7. Auflage, S. 582 (§ 193, Fn. 12). 346  Vangerov, Lehrbuch der Pandekten, 6. Auflage, Bd. III, S. 124 (§ 574, Anm. 3, Nr. 4). 347  Vgl. § 192 Teilentwurf für das Sachenrecht: „Läßt der Eigenthümer sich wegen der mitherauszugebenden Erzeugnisse und sonstigen Ausbeute von dem Besitzer entschädigen, oder läßt der Eigenthümer einer beweglichen Sache sich von demjenigen, gegen welchen der Eigenthumsanspruch auf deren Herausgabe begründet ist, wegen der von demselben veräußerten oder sonst abhanden gekommenen Sache entschädigen, so gehen mit der Leistung der Entschädigung das Eigenthum jener Erzeugnisse und sonstigen Ausbeute, sowie in dem anderen Fall das Eigenthum der beweglichen Sache und die dem Eigenthümer in Betreff derselben gegen Dritte zustehenden Ansprüche auf den Entschädigenden über.“ Vgl. dazu Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldverhältnisse I (1978), S. 118 f. 348  Die Gesetzesväter verwiesen auf Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 7. Auflage, S. 582 (§ 193, Fn. 12) und Vangerov, Lehrbuch der Pandekten, 6. Auflage Bd. III, S. 124 (§ 574, Anm. 3, Nr. 4), vgl. Mugdan, Bd. II, S. 13 f. = Motive, Bd. 2, S. 24 Fn. 3. Selb, in: FS Larenz (1973), 517 (542) kritisiert daran, dass die rei vindicatio und die Zession nur äußerlich Gemeinsamkeiten aufweisen. 349  Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldverhältnisse I (1978), S. 121 f.



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die Verallgemeinerungsfähigkeit der gesetzgeberischen Entscheidung oder gar die Geltung der Norm insgesamt in Frage stellen. Vielmehr streitet deren Verortung innerhalb des Allgemeinen Schuldrechts sowie der Umstand, dass § 255 BGB als spezielle Ausprägung des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots gleichermaßen für Zweipersonenverhältnisse fruchtbare Wertungen enthält,350 für eine Analogiefähigkeit. Auf Grundlage der Genese des § 255 BGB daran zu zweifeln, ob dessen Tatbestandsvoraussetzungen nicht nur hinreichende, sondern notwendige Voraussetzungen zur Verkörperung der angeordneten Rechtsfolgen darstellen,351 kann somit nicht ernstlich in Betracht gezogen werden. Sowohl die aufgezeigten Abweichungen von den historischen Vorbildern als auch die von Selb in seinem Festschriftbeitrag von 1973 dargelegten, mit der Regelung verbundenen Probleme – die Norm werde auch jenseits der Fälle, die in der Monographie Mühlenbruchs352 genannt wurden,353 vieldeutig und lückenhaft354 – können lediglich Anlass dazu geben, das Vorgehen der Gesetzesväter zu hinterfragen,355 der Analogiefähigkeit des § 255 BGB vermögen sie aber nicht entgegenzustehen. 4. Das Erfordernis von Ausnahmen Ein weiterer gegen die analoge Anwendung des § 255 BGB sprechender Aspekt ergibt sich jedoch mit Blick auf die Zuverlässigkeit dieses Lösungsansatzes. Denn stellt man diesen auf die Probe, zeigt sich, dass der Schadensersatzgläubiger der Verpflichtung, die Sache nach Erhalt der Schadens350  Siehe

dazu schon oben S. 249 ff. dieser Voraussetzung ermittelt Luther, JA 2013, 449 (450) die Analo-

351  Anhand

giefähigkeit. 352  Mühlenbruch, Lehre von der Cession (1836), S. 400 ff., 409 ff.; Selb, in: FS Larenz (1973), 517 (542) nimmt an, dass die durch die Gesetzesväter neu geschaffene Regel in dessen Monographie wurzelt („Das BGB nimmt im § 255 BGB eine lehrhafte und äußerliche Gemeinsamkeiten verschiedenartigster Fälle beschreibende Überschrift aus einer Monographie über die Zession auf und macht eine Rechtsnorm daraus.“). 353  Vgl. Kap. 3 Fn. 343. 354  Selb, in: FS Larenz (1973), 517 (542 ff.), dieser verweist insbesondere darauf, dass der gleichbleibende Leitsatz durch die sich verändernden rechtlichen Faktoren immer wieder anders zu verstehen sei; auch Stamm, Regreßfiguren im Zivilrecht (2000), S. 85 ff. legt die Schwächen der Regelung im Hinblick auf das Gesetzgebungsverfahren und den Wortlaut offen. 355  Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 45 f. spricht von einem Fremdkörper im System des Schadensersatzrechts und von einer nicht „bis zum Ende durchdachten Norm“; ähnlich Selb, in: FS Larenz (1973), 517 (517); im Rahmen der späteren Reformdiskussion wurde die Formulierung dieser allgemeinen Regel hingegen nicht mehr in Frage gestellt, vgl. Hohloch, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I (1981), 375 (475).

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ersatzsumme an den Schädiger zu übereignen, nicht immer nachkommen kann. Typischerweise wird in diesem Zusammenhang die Verpflichtung zur Übereignung eines Objekts genannt, das im Sinne der §§ 93 f. BGB wesentlicher Bestandteil einer einheitlichen Sache (geworden) ist.356 Der Vindikationsanspruch kann auf Herausgabe einer nicht sonderrechtsfähigen Sache gerichtet sein, sofern der Anspruchsteller Inhaber der Hauptsache ist; auf der anderen Seite ist es dem Eigentümer aber nicht möglich, den nicht sonderrechtsfähigen, wesentlichen Bestandteil separat an den Schädiger nach Abfindung zu übereignen.357 Der Anspruch des Schädigers auf Übertragung des Eigentums, der aus der analogen Anwendung des § 255 BGB hervorgehen soll, ginge mithin ins Leere.358 Dieses Risiko wurde jedoch auch seitens der Verfechter einer analogen Anwendung des § 255 BGB erkannt und mit dem Argument entkräftet, dass es sich insofern um eine seltene Ausnahme handele.359 In Anbetracht dessen sei der geschilderte Fall aus dem Anwendungsbereich des § 281 BGB heraus­ zunehmen.360 Dies dürfte in der Tat die zutreffende Schlussfolgerung darstellen und der präsentierten Lösung nicht ausschlaggebend entgegenstehen, wenn sich neben diesem Fall keine weiteren Ausnahmen zeigten, in denen der analog herangezogene § 255 BGB keine befriedigenden Lösungen herbeizuführen vermag. Insofern sorgt jedoch der Fall des sogenannten Putativeigentümers für weitere Bedenken, ob durch die analoge Anwendung des § 255 BGB kon­ 356  Gursky, JURA 2004, 433 (436); ders., in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 80; Lö­ wisch, in: Staudinger, 2001, § 283 Rn. 11; siehe insgesamt zu den Bedenken gegenüber der Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch Horstmann, Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen (1938), S. 52 ff.; zur Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch schon oben S. 53 ff. 357  Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 88. 358  Gursky, JURA 2004, 433 (436) und Kohler, NZM 2014, 729 (731 f.) schlussfolgern aus diesem Befund ein Argument gegen die Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch; die Anwendbarkeit des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch wurde bereits oben behandelt, vgl. S. 53 ff. 359  Die Herausgabe eines Gebäudeteils wird regelmäßig als das praktisch wohl bedeutsamste Anwendungsbeispiel qualifiziert, vgl. Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 223; Gursky, JURA 2004, 433 (436); zu Einzelfällen Ellenber­ ger, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 93 Rn. 5. Becker, a. a. O. nimmt das zum Anlass, rhetorisch danach zu fragen, wie häufig es vorkomme, dass der Eigentümer nur isoliert die Herausgabe eines Gebäudeteils geltend macht, das ihm ebenfalls gehörende Gebäude aber im Besitz des Schuldners belässt. 360  Horstmann, Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen (1938), S. 52 ff.; Walle­ rath, JR 1970, 161 (166); Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 223; die Anwendung des § 281 BGB könnte in diesem Kontext gar als rechtsmissbräuchlich eingestuft und somit nach § 242 BGB ausgeschlossen werden, vgl. BMJ, Abschlussbericht zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1992, S. 135.



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stant billige Ergebnisse erzielt werden können. Gegeben sei die Konstellation, dass ein vermeintlicher Eigentümer gegenüber dem Schädiger Schadensersatz statt der Vindikation geltend macht und das Gericht die fehlende Berechtigung des Schadensersatzgläubigers übersieht oder aufgrund der Beweislage nicht beachten kann;361 auch ein Versäumnisurteil ist als Ursache einer solchen Konstellation denkbar. Wird der Schädiger nunmehr rechtskräftig dazu verurteilt, den Schadensersatz in Höhe des Sachwertes an den Putativeigentümer zu zahlen, wäre letzterer analog § 255 BGB seinerseits dazu verpflichtet, sein Eigentum an der Sache auf den ersteren zu übertragen. Die Übereignung der streitgegenständlichen Sache durch die Hand des Putativeigentümers wäre indes allenfalls unter Heranziehung des § 932 I BGB denkbar. Die entscheidende Frage wäre deshalb, ob der Schädiger als gutgläubig qualifiziert werden kann. Berücksichtigt man, dass die insofern verbindliche Übereignung zugunsten des Schädigers unter anderem im Wege der brevi manu traditio begründet werden soll,362 könnte ein gutgläubiger Erwerb schon daran scheitern, dass der Schädiger den Besitz nicht vom Anspruchsteller erhalten hat, vgl. § 932 I S. 2 BGB.363 Das sorgt in zweierlei Hinsicht für Bedenken: Zum einen bliebe offen, wie in einer solchen Situation der vermeintliche Eigentümer der sich aus § 255 BGB analog ergebenden Pflicht nachkommen, also dem Besitzer das Eigentum an der Sache verschaffen soll. Zum anderen liefe der die Schadensersatzforderung des Putativeigentümers vollständig befriedigende Besitzer Gefahr, erneut auf Herausgabe der Sache oder Schadensersatz statt Herausgabe seitens des Eigentümers in Anspruch genommen zu werden. Auch in diesem Fall geriete die analoge Anwendung des § 255 BGB demnach an ihre Grenzen. Auf den vermeintlichen Eigentümer bleiben die Komplikationen jedoch nicht begrenzt. Zu denken ist auch an den wahren Eigentümer, der Schadensersatz statt der Leistung geltend macht, jedoch nicht (allein) verfügungsbefugt ist.364 Angesprochen ist damit etwa die Konstellation, in der ein Ehepartner Schadensersatz statt Herausgabe eines in seinem Eigentum stehenden Gegenstandes verlangt, der nahezu das gesamte Vermögen repräsentiert.365 Auch in diesem Fall ist dem Schadensersatzgläubiger eine Übertragung des 361  Auch Ernst, ZfPW 2019, 122 (127 f.) benennt diesen Fall als Prüfstein. Dieser auch zum Folgenden. 362  Siehe dazu oben S. 256. 363  Darauf verweist auch Ernst, ZfPW 2019, 122 (128). 364  So auch Brauer, NotBZ 2002, 402 (404 f.), für den Fall des § 546 BGB, wenn der Vermieter nur Miteigentümer oder verheiratet ist. 365  Kohler, NZM 2014, 729 (735) benennt ebenfalls diesen Fall. Zur Diskussion, was unter dem Begriff „Vermögen im Ganzen“ im Sinne des § 1365 BGB zu verstehen ist, siehe Budzikiewicz, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 1365 Rn. 8 m. w. N. für die Gesamt- und Einzeltheorie.

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Eigentums bei verweigerter Zustimmung seitens des anderen Ehegatten nicht möglich, vgl. § 1365 BGB. Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich, dass die analoge Anwendung des § 255 BGB auch abseits der Konstellation, in der der Eigentümer Schadensersatz statt der Herausgabe eines wesentlichen Bestandteils geltend macht, nicht konstant zu billigen Ergebnissen führt. Sämtliche zuvor genannten Fälle ebenfalls als seltene Ausnahmen vom Anwendungsbereich des § 281 BGB auszuschließen, wäre jedenfalls der Übersichtlichkeit abträglich. 5. § 255 BGB als Gegenrecht im Sinne des § 273 BGB Zuletzt ist der Blick auf das Resultat zu richten, wollte man dem Schädiger einen Übereignungsanspruch analog § 255 BGB gegen den Vindikationsgläubiger zubilligen, wenn dieser den Schadensersatzanspruch in Höhe des Sachwertes befriedigt. Auf die damit korrelierende oben bereits behandelte sogenannte Zwangskaufproblematik366 soll an dieser Stelle nicht erneut detailliert eingegangen werden. Gleichwohl eignen sich die Ausführungen des BGH zu diesem Thema besonders gut als Überleitung zu der hier interessierenden Frage. Der Senat versuchte den faktisch eintretenden Zwangskauf zulasten des Schuldners zu relativieren, indem er unter anderem betonte, dass dieser „rechtlich nicht gezwungen [sei], die Sache zu erwerben“.367 Inwiefern diese Argumentationslinie überzeugt, ist fraglich, hier aber nicht entscheidend.368 Von Interesse ist allein die Feststellung, dass der Vindikationsschuldner auch durch die analoge Anwendung des § 255 BGB nicht dazu verpflichtet sei, das Eigentum an der Sache zu erwerben. In der Tat begründet besagte Norm – unter der Prämisse, dass man die Rechtsfolgen des § 255 BGB erweitert369 – lediglich einen Anspruch auf Übereignung des Vindika­ tionsgegenstandes zugunsten des Schädigers, den dieser dem Schadensersatzverlangen des Geschädigten im Wege des § 273 BGB als Einrede entgegen366  Siehe

dazu schon oben S. 65 ff. NJW 2016, 3235 (3237 Rn. 21). 368  Das anstößig anmutende Moment ist nicht die Möglichkeit des Schädigers, gleichsam als „Gegenleistung“ für die Erfüllung der Schadensersatzforderung, Eigentum an der streitgegenständlichen Sache erlangen zu können. Mit dem Vorwurf, die Geltendmachung von Schadensersatz statt des Vindikationsanspruchs führe faktisch zu einem „Zwangskauf“, wird vielmehr darauf angespielt, dass der Vindikationsschuldner nach Fristablauf Schadensersatz in Höhe des Sachwertes entrichten muss. Der Vorwurf des „Zwangskaufs“ ergibt sich folglich weniger aus der Möglichkeit des Eigentumserwerbs zugunsten des Schädigers als vielmehr aus der Schadenshöhe. 369  Dass dies abzulehnen ist, wurde oben schon dargelegt, vgl. S. 258 ff. 367  BGH



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halten kann.370 Demnach obliegt es nach Befriedigung der Schadensersatzforderung allein dem Schädiger, ob dieser die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz aufrechterhält oder nicht. Die Auflösung eines dominium sine re allein dem Willen – oder der rechtlichen Unkenntnis – einer Person zu unterwerfen, kann jedoch nicht als erstrebenswert angesehen werden. Denn was soll geschehen, wenn der Verpflichtete auf sein Gestaltungsrecht verzichtet oder dieses etwa mangels Kenntnis nicht geltend macht?371 Raum für den Vorwurf einer evidenten Überkompensation besteht auch in diesem Fall freilich nicht.372 Wie zuvor festgestellt, ist die Bemessung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes nicht auf einen Verlust der Eigentumsposition auf Seiten des Schadensersatzgläubigers angewiesen.373 Nichtsdestotrotz bleibt offen, wie die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz in diesem Fall vermieden werden könnte. Die eher hypothetisch angestellten Erwägungen Brauers, mittels doppelt analoger Anwendung des § 255 BGB den Eigentumserwerb obligatorisch auszugestalten und so einen „Eigentumserwerb nach Schuldrecht“ zu erzielen, sind – wie dieser selbst betont – nicht überzeugend.374 Eine derartige Aufdrängung des Eigentums durch einseitige Erklärung des Eigentümers ist nicht nur den Eigentumserwerbstatbeständen des Sachenrechts fremd, deren Bemühung es bedürfte, um einen Eigentumsübergang zu begründen, sondern auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich.375 Eine Erweiterung der Analogie im soeben genannten Sinne würde diesen Lösungsansatz somit gänzlich von seiner dogmatischen Grundlage abtrennen.376 Folglich ließe sich auch mithilfe einer analogen Anwendung des § 255 BGB nach Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung 370  Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 255 Rn. 12 f. m. w. N.; Schulze, in: HandKomm BGB, 10. Auflage 2019, § 255 Rn. 4; Brauer, NotBZ 2002, 402 (404); Grüneberg, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 255 Rn. 7; Teichmann, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 255 Rn. 6; Knöfler, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 255 Rn. 8; BGH, Urteil vom 24.01.1997 – V ZR 294/95 = NJW-RR 1997, 654 (655); BGH NJW 1997, 1008 (1012). 371  Diese Frage stellt auch Brauer, NotBZ 2002, 402 (404). 372  So aber Brauer, a. a. O., der meint, dass spätestens in diesem Fall eine Angleichung der Schadenshöhe erfolgen müsse, um eine Überkompensation des Eigentümers zu vermeiden. 373  Vgl. oben S. 217 ff. 374  Brauer, NotBZ 2002, 402 (404). 375  Ob diese Argumentation letztlich auf Art. 14 GG gestützt wird (so Brauer, NotBZ 2002, 402 [404] Fn. 25 und wohl auch BGH, Urteil vom 19.01.2011 – IV ZR 7/10 = MittBayNot 2012, 138 [140], der in Art. 14 GG eine negative Erbfreiheit erkennt) oder man eine Aufdrängung von Eigentum vor dem Hintergrund des Grundsatzes invito beneficium non datur betrachtet und deshalb auf Art. 2 I GG rekurrieren möchte (so Menzel, MittBayNot 2013, 289 [289 f.]) kann im Ergebnis dahinstehen. Falk, Übertragung der schuldrechtlichen Regeln (1928), S. 20. 376  Kohler, AcP 220 (2020), 141 (156); Brauer, NotBZ 2002, 402 (404).

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ein dominium sine re nicht ausnahmslos vermeiden – eine Auflösung hinge vom Willen des Schädigers ab. Wenn überhaupt, dann erscheint somit ein zwingender Eigentumswechsel indiziert.377 6. Zwischenergebnis Die vorausgegangenen Analysen haben gezeigt, dass eine analoge Anwendung des § 255 BGB als Lösung für die Zusammenführung von Eigentum und Besitz in der Hand einer Person durchaus Raum für Kritik bietet. Nicht nur das Vorliegen der Analogievoraussetzungen in Form der vergleichbaren Interessenlage und planwidrigen Regelungslücke lässt sich anzweifeln, sondern auch die Rechtsfolge in Form des Anspruchs auf Eigentumsübertragung birgt Schwachstellen. Diese werden besonders dann deutlich, wenn ein dinglich nicht oder nur beschränkt Berechtigter dazu verpflichtet wird, das Eigentum auf den Schadensersatzschuldner zu übertragen oder letzterer den Übereignungsanspruch nicht geltend macht. Gleichwohl kann dieser Ansatz nicht als offenkundig ablehnungswürdig abgetan werden. Denn insbesondere dann, wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung das dominium sine re nicht als gänzlich wertlos einstuft und in § 255 BGB auch die Rechtsfolge der Eigentumsübertragung erkennt, ließen sich die Analogievoraussetzungen bejahen. Daneben ist dem auf eine analoge Anwendung des § 255 BGB gestützten Übereignungsanspruch zugutezuhalten, dass dieser jedenfalls in einem Großteil der Fälle eine zügige Zusammenführung von Besitz und Eigentum gewährleisten kann.

V. Parallel zur analogen Anwendung des § 255 BGB verlaufende Lösungsmodelle 1. Auflösung des dominium sine re über die Vorteilsausgleichung und „Neu für Alt“ Zu einem im Wesentlichen mit dem aus der analogen Anwendung des § 255 BGB übereinstimmenden Ergebnis gelangt man schließlich über den allgemeinen Rechtsgedanken der Vorteilsausgleichung378 oder durch einen

377  So

auch Kohler, AcP 220 (2020), 141 (156) zum vindikationslosen Eigentum. 60, 358 = NJW 1973, 1190; vgl. Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 122; zum historischen Hintergrund siehe Jansen, in: HKK, 2007, §§ 249–253, 255 Rn. 78 ff. 378  BGHZ



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Abzug „Neu für Alt“.379 Auch diese beiden Ansätze fußen letztlich auf dem zum Telos des § 255 BGB parallelen Gedanken, dass der Geschädigte durch das schädigende Ereignis nicht besser stehen soll, als er ohne dieses gestanden hätte – eine Überkompensation soll vermieden werden.380 Angespielt wird somit auf den Umstand, dass der Eigentümer zumindest formal seine Rechtsstellung behält, obwohl dieser Kompensation in Höhe des Sachwertes erfahren hat. Zweifelhaft ist bei genauer Betrachtung allerdings schon die Anwendbarkeit dieser allgemeinen Rechtsgedanken. So setzen die Grundsätze der Vorteilsausgleichung voraus, dass dem Geschädigten ein Vorteil aus dem schadensstiftenden Ereignis erwächst.381 Im hiesigen Fall kann der Vorteil allenfalls in der ausgehöhlten, aber dennoch formal bestehenden Eigentumsposition des befriedigten Schadensersatzgläubigers erblickt werden. Da die dingliche Berechtigung dem Eigentümer indessen bereits vor dem schädigenden Ereignis zustand, liegen bereits die Anwendungsvoraussetzungen für die Grundsätze der Vorteilsausgleichung nicht vor.382 Ebenso wenig trifft der Ansatz „Neu für Alt“ das hier auftretende Grundproblem. Denn dieser Rechtsgedanke versucht jene Überkompensationen zu vermeiden, die daraus resultieren, dass der Gläubiger den Neuwert der Sache als Schadensposten geltend macht, obwohl die Sache inzwischen gealtert ist – der Gläubiger soll nur den Zeitwert erhalten.383 Im hiesigen Fall beruht die „Überkompensation“ jedoch nicht auf der mit dem Zeitablauf typischerweise einhergehenden Entwertung der Sache, sondern allenfalls auf der dem Geschädigten formal noch verbleibenden Rechtsposition. Die genannten Ansätze sind folglich nicht zur Auflösung des hiesigen Konflikts geeignet. 2. Auflösung des dominium sine re über § 242 BGB Abschließend wird versucht, eine dem Ergebnis der analogen Anwendung des § 255 BGB entsprechende Lösung durch Heranziehung des § 242 BGB

379  OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.03.1995 – 18 U 176/94 = NJW RR 1996, 480 (481); vgl. Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 122, der allerdings vom „Abzug ‚Alt für Neu‘ “ spricht. 380  In diese Richtung OLG Düsseldorf NJW RR 1996, 480 (481) für den Abzug „Neu für Alt“ und Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 249 Rn. 228 für die Grundsätze der Vorteilsausgleichung. 381  Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 281 Rn. 123. 382  Ernst, a. a. O. rekurriert auf die Vindikation als solche, i. E. lehnt er diesen Lösungsansatz aber gleichermaßen ab. 383  Ernst, a. a. O.

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zu erzielen384 – der Vindikant wäre nach bzw. Zug-um-Zug gegen Zahlung des Schadensersatzes dazu verpflichtet, das Eigentum auf den Vindikationsschuldner zu übertragen. Dies lässt sich im Wesentlichen darauf zurückführen, dass das in § 255 BGB zum Ausdruck kommende Bereicherungsverbot als eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben verstanden werden kann.385 Argumentativ stützt sich diese Herangehensweise daher auf eine Wiederholung der ratio legis des § 255 BGB. Auch hier steht der Umstand im Fokus, dass der Eigentümer seine Rechtsposition zumindest formal nicht preisgeben muss, obwohl er Schadensersatz in Höhe des Sachwertes erhält.386 Es entspräche der Billigkeit und einem gerechten Interessenausgleich, wenn der Geschädigte dazu verpflichtet wäre, das Eigentum an der Sache auf den Schädiger zu übertragen.387 In der Tat kann § 242 BGB nicht von vornherein als ungeeignet abgetan werden, bietet das im Grundsatz von Treu und Glauben ebenfalls verkörperte Bereicherungsverbot doch durchaus Raum dafür, einen Übereignungsanspruch Zug-um-Zug gegen Zahlung des Schadensersatzes zu begründen.388 Darüber hinaus erscheint die Auflösung des Konflikts durch Bemühung des Grundsatzes von Treu und Glauben insofern attraktiv, als § 242 BGB entsprechend seiner Funktion389 als Auffangtatbestand weit gefasst ist und somit Bedenken hinsichtlich der Überschreitung der Tatbestands- oder der Rechtsfolgenseite praktisch nicht bestehen. Die Kritikpunkte, die insofern gegen die

384  Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung, § 84 VI 2; Horstmann, Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen (1938), S. 52 ff.; Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 49; Mühl, in: Soergel, 12. Auflage 1989, § 985 Rn. 19; Groepper, in: Erman, 3. Auflage 1962, § 283 Bem. 2; Mühl und Groepper erwähnen § 242 BGB zwar nicht ausdrücklich, meinen aber, dass der Gläubiger die Sache zur Verfügung stellen müsse, wenn er den Schadensersatz erhalte. 385  Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (2012), S. 222; Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 49. Aus diesem Umstand schlussfolgern die beiden Autoren, dass die analoge Anwendung gemäß dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali vorgehe. 386  Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung, § 84 VI 2; Horstmann, Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen (1938), S. 52 ff. Jeweils wird argumentiert, dass es nicht angehen könne, dem Eigentümer einerseits einen Schadensersatzanspruch statt der Vindikation zuzubilligen, ihm andererseits aber seine (nur noch formal bestehende) Rechtsposition zu belassen. 387  Schäfer, Verbindung des Schadensersatzanspruchs (1972), S. 49; in dieser Richtung argumentiert auch Horstmann, Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen (1938), S. 54 f., der von einer Pflicht des Eigentümers zur Übertragung seiner Rechtsposition ausgeht, wenn der Besitzer den Schadensersatz geleistet hat. 388  So ausdrücklich Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung, § 84 VI 2. 389  Zu den einzelnen Funktionen siehe Mansel, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 242 Rn. 5 ff.



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Analogievoraussetzungen des § 255 BGB vorgebracht wurden, können hier nicht verfangen. Gänzlich losgelöst von den obigen Ergebnissen kann dieser Ansatz freilich dennoch nicht betrachtet werden, zieht dieser doch parallel zur analogen Anwendung des § 255 BGB einen Anspruch auf Eigentumsübertragung nach sich. Es macht letztlich keinen Unterschied, ob der Schadensersatzschuldner analog § 255 BGB einen Anspruch auf Übereignung der streitgegenständlichen Sache erhält oder dasselbe Ergebnis durch Verschiebung der Anspruchsgrundlage hin zu § 242 BGB erzielt wird; die hinsichtlich der Eigentumsübertragung bereits aufgezählten Komplikationen greifen unabhängig von der Anspruchsgrundlage; auch der auf § 242 BGB fußende Lösungsansatz stößt an seine Grenzen, wenn die Übereignung eines wesentlichen Bestandteils einer einheitlichen Sache in Rede steht oder ein Putativeigentümer den Schadensersatz statt Herausgabe der Sache geltend macht und ein Urteil zu seinen Gunsten gefällt wird.390 Daneben ließe sich abermals der Vorwurf erheben, dass es allein in der Hand des Schädigers liegt, ob es zu einer Zusammenführung von Eigentum und Besitz kommt – die Ausgestaltung des § 242 BGB als Eigentumserwerbstatbestand ipso iure zugunsten des Schädigers scheidet angesichts des konfligierenden numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände aus.391 Abschließend legt das der analogen Anwendung des § 255 BGB entsprechende Fundament – auch ein auf § 242 BGB gestützter Übereignungsanspruch wäre auf das schadensrechtliche Bereicherungsverbot zurückzuführen – einen Rückgriff auf die obigen Ausführungen nahe. So erscheint es im hiesigen Rahmen ebenfalls bedenklich, die drohende Über­ kompensation des Geschädigten als tragendes Argument für einen Übereignungsanspruch zugunsten des Schädigers heranzuziehen. Denn während der Besitzer durch die Befriedigung des Schadensersatzverlangens in eine eigentümerähnliche Rechtsposition eintritt, verbleibt dem Geschädigten nur eine vollständig entkernte Rechtsposition.392 Festzuhalten bleibt somit, dass weite Teile der Kritikpunkte, die bereits einer Lösung im Wege analoger Anwendung des § 255 BGB entgegengehalten wurden, gleichermaßen gegen eine Auflösung des Konflikts durch den Grundsatz von Treu und Glauben streiten. Gleichwohl ist dieser Ansatz ebenso wenig wie die zuvor behandelte analoge Anwendung des § 255 BGB offensichtlich ablehnungswürdig. Denn wollte man dem verbleibenden domi­ nium sine re nicht jeglichen Wert absprechen, ließe sich die Betroffenheit des Bereicherungsverbotes bejahen. Zusätzlich weiß diese Lösung insbesondere 390  Siehe

dazu schon S. 269 ff. diesen Erwägungen bereits auf S. 272 ff. 392  Siehe schon S. 252 f. 391  Zu

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die noch gegenüber der analogen Anwendung von § 255 BGB geäußerten Zweifel hinsichtlich des Vorliegens der Analogievoraussetzungen zu umgehen.

VI. Teleologische Extension des § 937 BGB Nun sollen die vorangegangenen Ausführungen jedoch keinen Anlass dazu bieten, vor dem auf § 281 BGB fußenden dominium sine re zu resignieren. Gewiss mag die Rechtslage, die aus der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz resultiert, nicht derart unklar sein, dass sie eine planwidrige Regelungslücke nach sich zieht.393 Das ändert jedoch nichts an dem oben postulierten Streben nach Vermeidung eines dominium sine re. Darüber hinaus brächte ein Eigentumserwerb zugunsten des Besitzers vielerlei Vorteile mit sich. So ließe sich auf diesem Wege nicht zuletzt die oftmals dargelegte Befürchtung, der Eigentümer werde überkompensiert, wenn er den vollen Sachwert erhält, obwohl er seine Rechtsposition nicht preisgeben muss, ausräumen.394 Das aus der Vindikationsverjährung hervorgehende dominium sine re konnte mittels teleologischer Extension des § 937 BGB zumindest für den ursprünglich gutgläubigen Besitzer in überzeugender Form bereinigt werden.395 Entsprechend nahe liegt der Versuch, zur Auflösung des aus der Anwendung von § 281 BGB auf den Rechtsverwirklichungsanspruch resultierenden dominium sine re ebenfalls den Ersitzungstatbestand zu bemühen. Subsumiert man den hiesigen Fall des Vindikationsschuldners, der den Sachwert als Schadensersatz an den Eigentümer entrichtet, den Tatbestandsvoraussetzungen des § 937 I BGB, gelangt man zu der Erkenntnis, dass einzig an der Gutgläubigkeit des Schadensersatzschuldners bei Zugrundelegung der gemeingültigen Definition gezweifelt werden kann.396 Denn bei lebensnaher Auslegung dürfte dieser die Sache spätestens nach Zahlung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes als ihm gehörend besitzen.397 Insofern besteht Parallelität zu dem bereits erörterten Fall der Vindikationsverjährung.398 Schenkt man der Möglichkeit des sogenannten „Gutgläubigwer­ 393  Siehe

S. 266 f. Gründe für die Vermeidung der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz wurden oben auf S. 71 ff. dargelegt. Für die drohende Überkompensation siehe S. 82 f. 395  Vgl. insofern oben S. 176 ff. und insbesondere 192 ff. 396  Zu dieser schon oben S. 180. 397  Auf die Überzeugung, selbst Eigentümer der Sache zu sein, kommt es gerade nicht an, siehe etwa Götz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.07.2021, § 872 Rn. 5 und Schäfer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 872 Rn. 3 m. w. N. 398  Siehe schon S. 179. 394  Die



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dens“399 besondere Beachtung, ließe sich im hiesigen Fall – anders als im Rahmen der Vindikationsverjährung – sogar erwägen, noch weiter zu gehen und § 937 BGB unmittelbar anzuwenden. Gleichsam als Gegenstück zur Entscheidung der Gesetzesväter, dass auch nachträglich eintretende Bösgläubigkeit dem Eigentumserwerb qua Ersitzung entgegensteht,400 kommt dem Besitzer, der einst positive Kenntnis von seiner fehlenden Eigentümerstellung erlangt hat, die Möglichkeit zu, die Voraussetzungen des § 937 BGB wieder in seiner Person zu verwirklichen.401 Die ursprüngliche Bösgläubigkeit ist also nicht irreversibel. Für den Wiedereintritt in die Schutzwürdigkeit genügt es allerdings nicht, dass der Nichtberechtigte seine fehlende Berechtigung schlicht vergisst.402 Vielmehr muss etwa durch ein nachträglich abgeschlossenes (vermeintlich wirksames) Erwerbsgeschäft eine neue Situation geschaffen werden, die den Besitzer fortan als schutzwürdig erscheinen lässt.403 Wird der nichtberechtigte Besitzer durch einen (Putativ-)Eigentümer auf Zahlung von Schadensersatz statt Herausgabe der Sache in Anspruch genommen und befriedigt der Besitzer das Schadensersatzverlangen, dann lässt sich – insbesondere, wenn der Besitzer juristischer Laie ist – erwägen, ob letzterer nunmehr von einem wirksamen, ihn als Eigentümer berechtigenden Erwerbsgeschäft ausgeht. Mit dieser Erwägung würde freilich die Frage einhergehen, ob die nachträgliche Gutgläubigkeit des Besitzers auch darauf gestützt werden könnte, dass dieser das Trennungs- und Abstraktionsprinzips verkennt und aufgrund dessen irrigerweise die Existenz eines Erwerbsgeschäfts annimmt oder ob in diesem Fall der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu erheben ist. Eben jene neue, die Bösgläubigkeit beseitigende Situation in der Zahlung des Schadensersatzes zu erkennen, ist zumindest mit Blick auf die Rechtsprechung des BGH nicht abwegig. Denn dieser hat zum einen verdeutlicht, dass ein Eigentumserwerb im Wege der Ersitzung auch dann in Betracht kommen kann, wenn der Erwerbsprätendent nur irrigerweise davon

399  Diesen

Terminus verwendet Heinze, in: Staudinger, 2020, § 937 Rn. 9. Regel mala fides superveniens non nocet auch schon oben S. 194. 401  Vgl. schon Kap. 2 Fn. 521. 402  Heinze, in: Staudinger, 2020, § 937 Rn. 9; Gursky, JR 1986, 225 (227); Baldus, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 937 Rn. 66; Ebbing, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 937 BGB Rn. 7. 403  Heinze, in: Staudinger, 2020, § 937 Rn. 9 m. w. N.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung, § 71 I 2d; Meller-Hannich, in: NK BGB, 4. Auflage 2016, § 937 Rn. 8; Buchwitz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.05.2021, § 937 Rn. 41 nennt als Beispiel den Besitzer, der zunächst bösgläubig eine gestohlene Sache kauft und diese anschließend noch einmal vom vermeintlich wahren Eigentümer erwirbt; Gursky, JR 1986, 225 (227) betont jedoch, dass es nicht zu einer leichtfertigen Annahme eines Eigentumserwerbs kommen darf. 400  Zur

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ausgeht, dass das Eigentum auf ihn übertragen werde,404 und zum anderen betont, dass gerade bei juristischen Laien „die Kenntnis des Abstraktionsprinzips […] nicht in jedem Fall vorausgesetzt werden“ kann.405 Entsprechend fern liegt es, auf Grundlage der Rechtsprechung des BGH, dem juristisch nicht geschulten Besitzer den Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen, wenn dieser an die Zahlung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes irrigerweise einen Eigentumserwerb knüpft.406 Doch auch wenn man sich daran stoßen wollte, den das Trennungs- und Abstraktionsprinzip verkennenden und deshalb irrigerweise von einer Übereignung ausgehenden Laien als gutgläubig einzustufen, bedeutet dies nicht, dass dem Schadensersatzschuldner pauschal die Möglichkeit des Eigentumserwerbs im Wege der Ersitzung zu verwehren ist. Wie schon die Ausführungen im Rahmen der Vindikationsverjährung gezeigt haben, könnte die Gutgläubigkeit des Besitzers auch auf anderem Wege begründet werden, namentlich durch erweiterte Auslegung oder teleologische Extension des § 937 BGB. Abermals parallel zur Vindikationsverjährung stößt eine erweiterte Auslegung der Gutgläubigkeit jedoch spätestens dann an ihre Grenzen, wenn jener Besitzer in Rede steht, der erst nachträglich positive Kenntnis von seiner Nichtberechtigung erlangt, vgl. § 937 II Alt. 2 BGB,407 sodass auch hier die Anwendung des Ersitzungstatbestandes allenfalls im Wege gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung denkbar wäre. Anders als im Rahmen der Vindikationsverjährung könnte dieser Lösungsansatz – vorausgesetzt man begreift die teleologische Extension als Unterfall der Analogie und fordert deshalb identische Voraussetzungen – im hiesigen Kontext allerdings bereits aufgrund der zuvor abgelehnten planwidrigen Re-

404  BGH, Urteil vom 14.12.2006 – I ZR 34/04 Rn. 33 = NJW-RR 2007, 1530 (1532) (leihweise Überlassung von Fotoabzügen). Der Senat stützte den Vorwurf grober Fahrlässigkeit einzig darauf, dass die Fotoabzüge rückseitig mit dem Hinweis versehen wurden, nur leihweise überlassen zu werden. Die übergeordnete Frage, ob die irrige Annahme eines Erwerbsgeschäfts überhaupt ausreicht, um schutzwürdiges Vertrauen begründen zu können, wurde dagegen nicht aufgeworfen. Heinze, in: Staudinger, 2020, § 937 Rn. 8 betont ebenfalls, dass ein Rechtsirrtum nur dann beachtlich ist, wenn dieser auf grober Fahrlässigkeit beruht. 405  BGH, Urteil vom 19.06. 2007 – X ZR 5/07 = NJW 2007, 2844 (2845). 406  Insofern ist auch die Parallelität zwischen dem Fall, der beinah stereotyp zwecks Illustrierung des „Gutgläubigwerdens“ herangezogen wird – der bösgläubige Besitzer, der die Sache nachträglich von demjenigen kauft, den er berechtigterweise für den Eigentümer hält (vgl. nur Buchwitz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.05.2021, § 937 Rn. 41 und Kindl, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 937 Rn. 6) – und dem hiesigen zu beachten; denn zumindest faktisch kommt die Zahlung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes einem Kauf der Sache gleich. 407  Vgl. dazu schon oben im Rahmen der Vindikationsverjährung S. 180 f.



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gelungslücke408 präkludiert sein. Entscheidend ist demnach das Verhältnis der gesetzesimmanenten409 Rechtsfortbildungsmethoden – hinsichtlich der Qualifizierung als solche dürfte jedenfalls Einigkeit bestehen410 – zueinander. In Anbetracht der obigen Ausführungen, die die Unterschiede zwischen Analogie und teleologischer Extension zum Gegenstand hatten und aus denen die letztere Rechtsfortbildungsmethode als eigenständiges Instrument gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung hervorging,411 können aufkommende Bedenken jedoch schnell ausgeräumt werden. Denn aus der inhaltlich stark divergierenden theoretischen Begründungsstruktur von Analogie und teleologischer Extension ergeben sich auch die unterschiedlichen Anforderungen an die beiden Rechtsfortbildungsmethoden. Die teleologische Extension zielt nur darauf ab, jene Lücken zu schließen, die durch die unzureichende Umsetzung der gesetzgeberischen Wertentscheidung entstehen. Demnach bedarf es zwar auch einer Regelungslücke, diese muss aber auf die unzureichende Umsetzung der gesetzgeberischen Wertentscheidung zurückzuführen sein und nicht auf das Fehlen einer solchen.412 Auch im hier zugrundeliegenden Fall ist daher eine genauere Auseinandersetzung mit der teleologischen Extension des § 937 BGB indiziert. 1. Zugänglichkeit der Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ zur teleologischen Extension des § 937 BGB Betrachtet man die faktische Eigentümerstellung des Besitzers auf der einen und die gänzlich ausgehöhlte Rechtsposition des dinglich Berechtigten auf der anderen Seite,413 kommt – wie schon im Kontext der Vindikationsverjährung – unweigerlich die Frage auf, weshalb man einen Eigentumserwerb durch § 937 BGB zugunsten des Besitzers weiterhin ablehnen sollte. Der Eigentümer trägt keinen Nutzen davon, dass der Besitzer das Eigentum nicht erwirbt, weil er ohne dessen Zutun der Sache ohnehin nicht mehr habhaft werden kann. Darüber hinaus wurde das Eigentum bereits durch die Zahlung des Sachwertes wirtschaftlich substituiert. Abermals gilt es deshalb zu erörtern, weshalb der Ersitzungstatbestand auf den gutgläubigen Besitzer 408  Siehe

S. 266 f. Methodenlehre, 6. Auflage, S. 397. 410  Vgl. die systematische Verortung bei Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Auflage, S.  216 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 11. Auflage, Rn. 904; Muthorst, Grundlagen der Rechtswissenschaft, 2. Auflage, § 8 Rn. 30; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Auflage, S. 621. 411  Eine detailliertere Abgrenzung zwischen Analogie und teleologischer Extension findet sich oben auf S. 184 ff. Dort auch schon zu Folgendem. 412  Looschelders/Roth, Methodik (1996), S. 269. 413  Zu Ersterem siehe S. 221 ff., zu Letzterem siehe S. 74 ff. und 82 ff. 409  Larenz,

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

beschränkt sein, ein dominium sine re durch § 937 I BGB also einzig zugunsten des Besitzers aufgelöst werden soll, der sich berechtigterweise selbst für den Eigentümer hält. Den Anstoß für die teleologisch motivierte extensive Anwendung des § 937 BGB gab im Rahmen der Vindikationsverjährung die Erkenntnis, dass hinter der einschränkenden Tatbestandsvoraussetzung der Gutgläubigkeit die allgemeine Wertentscheidung des Gesetzgebers steht, die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz zugunsten des schutzwürdigen Besitzers zu vermeiden. Eine unzureichende Umsetzung dieser Wertentscheidung könnte auch den hiesigen Schadensersatzschuldner empfindlich treffen und daher das Bedürfnis nach einer teleologischen Extension auf den Plan rufen. 2. Die Schutzwürdigkeit des Vindikationsschuldners Der für eine teleologisch extensive Handhabe des § 937 BGB maßgebliche Aspekt ist somit abermals die Schutzwürdigkeit des Vindikationsschuldners.414 Im Kontext der Vindikationsverjährung wurde die Gutgläubigkeit des Besitzers, der mittels Rechtsnachfolge im Sinne des § 198 BGB die tatsächliche Sachherrschaft erlangt und erst nachträglich von seiner Nichtberechtigung erfahren hat, auf die Berücksichtigung von Redlichkeitsaspekten gestützt. Dieser bewegt sich im Rahmen der ihm gesetzlich zugebilligten Möglichkeiten, wenn er die Herausgabe der Sache unter Verweis auf die Vindikationsverjährung verweigert. Darüber hinaus konnten diesem auch die Umstände der Besitzerlangung nicht zum Vorwurf gemacht werden.415 Offen ist nun, ob sich die Schutzwürdigkeit des Schadensersatzschuldners bedingt durch Redlichkeit im hiesigen Rahmen auf die gleiche Art und Weise begründen lässt. Der Besitzer, der dem Herausgabeverlangen des Eigentümers trotz Fristsetzung in schuldhafter Weise nicht nachkommt, ist selbstredend nicht schutzwürdig. Deshalb erscheint es geradezu anstößig, diesem bereits durch die bloße Geltendmachung des Schadensersatzes seitens des Eigentümers einen Anspruch auf Übereignung an der Sache zuzusprechen, würde er in diesem Fall doch unmittelbar für sein pflichtwidriges Verhalten prämiert. Diese Einschätzung ändert sich jedoch, sobald der Besitzer seiner Pflicht nachkommt und den Anspruch des Eigentümers aus § 281 BGB befriedigt. Nach Zahlung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes erhält der Besitzer ausweislich der obigen Ausführungen eine faktische Eigen­ tümerstellung,416 sodass er auch dann gesetzeskonform agiert, wenn er mit 414  Vgl.

oben S. 190 ff. S. 192 ff. 416  Dazu oben S. 221 ff. 415  Siehe



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der Sache wie ein Eigentümer verfährt – ein Aspekt, der unweigerlich für seine Redlich- und damit Schutzwürdigkeit spricht. a) Teleologische Extension des § 937 BGB zugunsten des von Beginn an bösgläubigen Besitzers? Einer präziseren Auseinandersetzung bedarf es jedoch hinsichtlich der Frage, wie sich die Umstände der Besitzerlangung bzw. eine möglicherweise vorliegende Bösgläubigkeit des Besitzers vor Geltendmachung des Rechtsverwirklichungsanspruchs auf die extensive Anwendung des § 937 BGB auswirken. Fraglich ist insofern, ob und, wenn ja, wie die Redlich- und somit Schutzwürdigkeit des ursprünglich bösgläubigen oder gar deliktischen Besitzers begründet werden könnte. Die Entscheidung darüber, ob man diesem gleichermaßen die Möglichkeit zubilligt, das Eigentum im Wege des § 937 BGB zu erlangen, hängt in erster Linie davon ab, für wie dehnbar man den Begriff der Gutgläubigkeit auffasst.417 Diese Fragestellung ist nicht neu, sondern stellte sich in paralleler Form bereits im Rahmen der Vindikationsverjährung. Am angegebenen Ort wurde dargelegt, dass einzig der ursprünglich gutgläubige Besitzer, der erst nachträglich positive Kenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung erlangt, als schutzwürdig eingestuft werden kann.418 Der Schluss, im hiesigen Kontext ähnlich zu verfahren, liegt daher nahe. Aber der Reihe nach: Obschon sowohl aus der Vindikationsverjährung als auch aus der Anwendung des § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch letztlich dasselbe „perhorreszierte Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum“419 folgt, können nicht sämtliche Erwägungen ohne das Anstellen von Reflexionen übernommen werden. Im Unterschied zu jener Trennung von Eigentum und Besitz, die auf der Vindikationsverjährung fußt, ist die Redlichkeit des Besitzers, der das Schadensersatzverlangen des Eigentümers befriedigt hat, auf eine Handlung desselben und nicht bloßen Zeitablauf zurückzuführen. In Anbetracht dessen lässt sich selbst das im Kontext der Vindikationsverjährung abgelehnte und anstößig Anmutende erwägen: die Redlichkeit des deliktischen Besitzers. Denn unabhängig davon, auf welche Weise dieser die tatsächliche Sachherrschaft erlangt hat, ist letztlich entscheidend, ob die Schadensersatzforderung in Höhe des Sachwertes beglichen wurde oder nicht. Gleichwohl darf die in der Sache zutreffende Betonung von Redlichkeitsgesichtspunkten für die Frage der Schutzwürdigkeit des Besitzers nicht in ZfPW 2019, 122 (126 f.). schon S. 192 ff. 419  So Ernst, ZfPW 2019, 122 (126). 417  Ernst, 418  Vgl.

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Konflikt mit der übrigen (Zivil-)Rechtsordnung geraten. Namentlich § 197 I Nr. 2 BGB könnte einer so weitreichenden teleologischen Extension des § 937 BGB entgegenstehen, da erstere Norm dem Eigentümer sowohl gegenüber dem bösgläubigen als auch dem deliktischen Besitzer die Möglichkeit einräumt, 30 Jahre lang den Vindikationsanspruch geltend zu machen. Gewiss leuchtet die Stichhaltigkeit dieses Arguments zunächst wenig ein, wenn der wahre Eigentümer die Trennung von Eigentum und Besitz durch die Forderung von Schadensersatz statt der Herausgabe der Sache herbeiführt. Schließlich wird der Eigentümer in diesem Fall nicht nur in Höhe des Sachwertes entschädigt, sondern sein Vindikationsanspruch erlischt ohnehin aufgrund von § 281 IV BGB, sodass er weder gegen den Besitzer noch dessen Rechtsnachfolger vorgehen könnte. Insofern kann § 197 I Nr. 2 BGB mithin keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Die Einschätzung ändert sich jedoch, führt man sich den Fall des Putativeigentümers vor Augen, der etwa aufgrund einer Fehlvorstellung Schadensersatz statt der (vermeintlichen) Vindikation geltend macht und dessen Verlangen aufgrund einer Verurteilung oder deshalb befriedigt wird, weil der Besitzer aus freien Stücken zahlt. Dabei kann die erstere Alternative auch nicht als seltener Ausnahmefall abgetan werden. Zugunsten des Putativeigentümers kann ein Urteil nicht nur dann ergehen, wenn das Gericht die mangelnde Berechtigung des Anspruchstellers verkennt, sondern auch dann, wenn diese aufgrund der Beweislage nicht berücksichtigt werden kann oder der (Putativ-)Schuldner im Prozess säumig ist.420 Die Zahlung der geforderten Schadensersatzsumme an den Putativeigentümer kann der Besitzer dem wahren Eigentümer nicht entgegenhalten, vielmehr muss ersterer sich bezüglich der Rückzahlung des geleisteten Schadensersatzes an den vermeintlichen Rechtsinhaber halten.421 Geradezu widersinnig wäre es daher, wenn die Erfüllung der von einem Putativeigentümer gestellten Schadensersatzforderung durch einen bösgläubigen oder gar deliktischen Besitzer noch weitreichendere Folgen dergestalt nach sich ziehen würde, dass der wahre Eigentümer nunmehr einen Rechtsverlust befürchten müsste. Weder der bösgläubige noch der deZfPW 2019, 122 (127); dazu auch schon oben S. 270 f. ZfPW 2019, 122 (127). Freilich stellt sich in solch einem Fall die Frage nach Regressmöglichkeiten des Besitzers, der die Schadensersatzforderung des Putativeigentümers begleicht. Befriedigt der Besitzer das Scha­ densersatzverlangen des Putativeigentümers aus freien Stücken heraus, liegt eine Leistung auf eine Nichtschuld vor, er kann folglich aus condictio indebiti gegen den Putativeigentümer vorgehen. Beruht die Zahlung des Besitzers hingegen auf einem Fehlurteil, greift diese Möglichkeit nicht länger, weshalb zu erwägen ist, diesem einen Rückforderungsanspruch entsprechend §§ 437, 323, 346 BGB zuzusprechen. Wusste der Putativeigentümer um seine fehlende Eigentümerstellung, liegt ein Betrug vor, mit dem Regressmöglichkeiten für den Besitzer aus §§ 823 II i. V. m. § 263 StGB sowie § 826 BGB einhergehen. Vgl. zum Ganzen Ernst, a. a. O., 122 (127 f.). 420  Ernst, 421  Ernst,



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liktische Besitzer erfüllt die Voraussetzungen des § 937 BGB in seiner Person, weshalb dem wahren Eigentümer kein Rechtsverlust durch Ersitzung drohte.422 Eine gegenläufige Sichtweise, die trotz dieser Bedenken eine teleologische Extension des § 937 BGB auch zugunsten des bösgläubigen oder deliktischen Besitzers in Betracht zöge, wäre nicht nur aus wertungstechnischen Gesichtspunkten fragwürdig, sondern es würde auch eine gesetzliche Grundlage fehlen, die es legitimieren könnte, § 197 I Nr. 2 BGB derart zu beschneiden.423 Vor dem Hintergrund, dass ein Konflikt mit § 197 I Nr. 2 BGB lediglich dann in Betracht kommt, wenn der von Beginn an bösgläubige Besitzer den Schadensersatz an einen Putativeigentümer entrichtet, ließe sich erwägen, ob nicht zumindest dann ein Eigentumserwerb auch zu dessen Gunsten möglich sein sollte, wenn er an den wahren Eigentümer leistet. In diesem Fall hat der Eigentümer – wie zuvor gezeigt – kein berechtigtes Interesse mehr an der Aufrechterhaltung seiner Rechtsposition. Diese Erwägung kann indessen aus mehreren Gründen heraus nicht überzeugen. Zunächst gilt es, die aus einer Differenzierung zwischen dem wahren und einem Putativeigentümer resultierenden Rechtsunsicherheiten zu berücksichtigten – der Besitzer hält den Schadensersatzgläubiger typischerweise für den wahren Eigentümer, wenn er an diesen leistet. Daneben ist es unumgänglich, den deliktisch handelnden Besitzer – damit ist sowohl derjenige gemeint, der auf deliktischem Wege die tatsächliche Sachherrschaft über die Sache erlangt hat, als auch derjenige, der zwar rechtmäßig in den Besitz der Sache gelangt ist, diese aber unterschlägt424 – trotz Zahlung des Schadensersatzes als bösgläubig einzustufen, will man keine Anreize zur Begehung von Straftaten schaffen und eine gesetzlich nicht vorgesehene Privilegierung von Straftätern vermeiden. Ein vergleichbares Argument lässt sich einer Ersitzung zugunsten des Besitzers entgegenhalten, der rechtmäßig – etwa auf Grundlage eines Leih- oder Mietverhältnisses – den Besitz erlangt hat und die Herausgabe verweigert, ohne den Straftatbestand des § 246 StGB zu verwirklichen. Wollte man auch diesem die Möglichkeit des Eigentumserwerbs nach Zahlung des Schadensersat422  Dies gilt jedenfalls dann, wenn man in der Zahlung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes verbunden mit der irrigen Annahme des Eigentumserwerbs kein neues, die Gutgläubigkeit begründendes Ereignis erblicken wollte, vgl. dazu oben S. 279 f., oder es dem Besitzer bekannt ist, dass die Befriedigung der Schadensersatzforderung keine dingliche Wirkung mit sich bringt. 423  Ernst, ZfPW 2019, 122 (127). Im Rahmen des dominium sine re, das durch die Vindikationsverjährung entsteht, greift diese Argumentation freilich nicht, da die in § 197 I Nr. 2 BGB vorgesehen Verjährungsfrist bereits verstrichen ist. Zur teleologischen Extension des § 937 BGB im Rahmen der Vindikationsverjährung S. 184 ff. 424  Zur Frage, unter welchen Umständen in der unterlassenen Herausgabe eine Manifestation des Zueignungswillens erblickt werden kann, siehe nur Hohmann, in: MüKo StGB, 4. Auflage 2021, § 246 Rn. 28.

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

zes einräumen, würde der Besitzer für sein vorausgegangenes vertragswidriges Verhalten prämiert.425 Dass es insofern unbedenklich ist, den deliktisch handelnden Besitzer zur Zahlung des Sachwertes zu verpflichten, ohne ihm gleichzeitig einen Eigentumserwerb in Aussicht zu stellen, belegt nicht zuletzt die gängige Praxis. Auch der Schadensersatz, den der Eigentümer auf Grundlage von § 823 I BGB bzw. § 823 II BGB i. V. m. § 242 StGB gegenüber dem Dieb geltend macht, beläuft sich in seiner Höhe auf den Sachwert, ohne den Anspruchsteller gleichzeitig dazu zu verpflichten, seine Rechts­ position preiszugeben.426 Für den bösgläubigen Besitzer, der kein strafrechtlich relevantes Verhalten erkennen lässt, ergibt sich zumindest im Ergebnis nichts anderes. Dieser erhält infolge der Zahlung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes eine eigentümerähnliche Rechtsposition. Abschließend bleibt festzuhalten, dass durch die Ablehnung einer teleologischen Extension des § 937 BGB zugunsten des von Beginn an bösgläubigen Besitzers die Trennung von Eigentum und Besitz nicht auf Dauer perpetuiert wird. Denn das dominium sine re wird nach Befriedigung des Schadensersatzverlangens auch durch Veräußerung der Sache an einen Dritten aufgelöst.427 Ob der dinglich Berechtigte der Verfügung des Nichtberechtigten dabei die Bösgläubigkeit des Erwerbers oder ein Abhandenkommen der Sache entgegenhalten kann, hängt davon ab, an wen der Nichtberechtigte den Schadensersatz entrichtet hat.428 b) Der ursprünglich gutgläubige Besitzer Während es auf der einen Seite einleuchtet, den von Beginn an bösgläubigen oder deliktischen Besitzer nicht durch die teleologisch extensive Handhabe des § 937 BGB zu privilegieren, bleibt auf der anderen Seite die Frage offen, ob ein Eigentumserwerb im Wege des § 937 BGB auch dem Besitzer verwehrt werden sollte, der ursprünglich im guten Glauben war und erst aufgrund der Inanspruchnahme durch einen (Putativ-)Eigentümer von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung erfahren hat. Wie schon unter der vorherigen Überschrift angedeutet, sind insofern zwei Fallkonstellationen denkbar: der ursprünglich gutgläubige Besitzer, der das Schadensersatzbegehren des ZfPW 2019, 122 (128). ZfPW 2019, 122 (124); auch der BGH, Urteil vom 27.03.1969 – VII ZR 165/66 = NJW 1969, 1165 impliziert das; anders dagegen Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Auflage, S. 686 f. 427  Ernst, ZfPW 2019, 122 (127). 428  Dazu, dass die Sache nach Befriedigung des Schadensersatzverlangens nicht mehr als abhandengekommen gilt und es dem Eigentümer verwehrt ist, sich auf die Bösgläubigkeit des Erwerbers zu berufen, schon auf S. 222 f. 425  Ernst, 426  Ernst,



B. Auflösung eines dominium sine re nach Anwendung des § 281 BGB

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wahren Eigentümers befriedigt, und der ursprünglich gutgläubige Besitzer, der selbiges Verlangen des Putativeigentümers in dem Glauben befriedigt, es handele sich um den wahren Eigentümer. Greift man zunächst den letztgenannten Fall auf, lässt sich feststellen, dass der Eigentümer ohnehin Gefahr lief, seine dingliche Rechtsposition durch Ersitzung zu verlieren.429 Zu keinem abweichenden Ergebnis gelangt man, wenn sich der Besitzer dem Herausgabeverlangen des Putativeigentümers gebeugt und die Sache an diesen herausgegeben hätte – freilich unter der Prämisse, dass der sich auf § 985 BGB berufende vermeintliche Eigentümer seinerseits einem Irrtum im Hinblick auf seine dingliche Berechtigung unterlag und daher gutgläubig war. Würde dem Besitzer, der das Schadensersatzbegehren des seinerseits gutgläubigen Putativeigentümers befriedigt, die Ersitzungsmöglichkeit pauschal verwehrt, käme es zu einer nicht nachvollziehbaren Privilegierung des Eigentümers; dieser hätte bei der Herausgabe der Sache an den Putativeigentümer einen Eigentumsverlust ebenso fürchten müssen, wie wenn der Besitzer nicht auf Herausgabe in Anspruch genommen worden wäre. Für Verwunderung dürfte dieses Ergebnis zusätzlich sorgen, da es schon als „glücklich“ bezeichnet werden kann, wenn der Putativeigentümer überhaupt dazu in der Lage ist, dem Besitzer die Rechtslage so darzulegen, „dass er sich bei Anlegung eines durchschnittlichen Maßstabes der Erkenntnis seiner mangelnden Berechtigung nicht verschließen konnte.“430 Allenfalls der Umstand, dass der wahre Eigentümer dann nicht mit einem drohenden Eigentumsverlust durch Ersitzung konfrontiert gewesen wäre, wenn der Besitzer die Sache an eine bösgläubige und damit deliktisch handelnde Person in dem Glauben herausgegeben hätte, dass es sich um den Eigentümer handelt, könnte folglich noch Anlass dazu bieten, einer Ersitzung zugunsten des ursprünglich gutgläubigen Besitzers, der das Schadensersatzverlangen des Putativeigentümers befriedigt, mit Skepsis gegenüberzustehen. Bei Lichte betrachtet hätte dies aber zur Folge, dass der Besitzer, der irrigerweise von der dinglichen Berechtigung des deliktisch Handelnden ausgeht – andernfalls hätte dieser die Schadensersatzforderung nicht beglichen431 –, für das verwerfliche Vorgehen des vermeintlichen Eigentümers mitbestraft würde.432 Dem ursprünglich gutgläubigen Besitzer das deliktische Verhalten eiZfPW 2019, 122 (126 f.). in: Staudinger, 2020, § 937 Rn. 9; BGHZ 26, 256 Rn. 49 = NJW 1958, 668 („Rechte des Eigentümers durch liquide Beweise dargetan“). 431  Weiß der Besitzer von der Nichtberechtigung des Anspruchstellers und zahlt er trotzdem, dann büßt dieser schon ausweislich des § 814 BGB seine Schutzwürdigkeit ein. 432  Dem die Parallele in Form der abhandengekommenen Sache entgegenzuhalten, kann nicht überzeugen. Zwar mag die Sachlage eine ähnliche sein, wenn der 429  Ernst,

430  Heinze,

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

nes Dritten zum Nachteil gereichen zu lassen, überzeugt nicht.433 Durchschlagender Natur können somit auch diese Bedenken nicht sein. Berücksichtigt man nun die Korrelation der vor Geltendmachung des § 985 BGB durch den Putativeigentümer vorliegenden Gutgläubigkeit mit dem später eintretenden pflichtgemäßen Verhalten in Form der Schadens­ ersatzzahlung, verbleiben keine Anhaltspunkte, die gegen die Redlichkeit des Besitzers angeführt werden könnten. Weder die Umstände der Besitzerlangung noch die Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft können diesem zum Vorwurf gemacht werden. Der ursprünglich gutgläubige Besitzer ist nach Befriedigung des Schadensersatzverlangens folglich schutzwürdig, sodass er von der Wertentscheidung der Gesetzesväter, eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz zugunsten des Schutzwürdigen zu vermeiden, erfasst wird. Indem dieser dennoch nicht unter den Tatbestand des § 937 BGB fällt, offenbart sich eine weitere Umsetzungslücke. Konsequenterweise kann es zu keinem abweichenden Ergebnis führen, wird der Besitzer durch den wahren Eigentümer in Anspruch genommen. Denn auch hier greift die Überlegung, dass der Vindikationsschuldner durch die Kumulation der ursprünglichen Gutgläubigkeit mit der durch die Zahlung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes eintretenden Redlichkeit als schutzwürdig einzustufen ist. Befriedigt der ursprünglich gutgläubige Besitzer das Schadensersatzverlangen des (vermeintlichen) Vindikationsgläubigers, verwirklicht dieser mithin erneut die Voraussetzungen des § 937 BGB. Er ist aufgrund teleologisch extensiver Anwendung des Ersitzungstatbestandes in Anbetracht seiner Redlichkeit als gutgläubig anzusehen. Das Wissen um seine Nichtberechtigung steht dem nicht entgegen. Wie auch schon im Rahmen der Vindikationsverjährung kann die Ersitzungsfrist, die bereits vor Geltendmachung des Vindikationsanspruchs zu laufen begonnenen hat, nach Zahlung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes jedoch nicht fortgesetzt werden. Dies ergibt sich wiederum insbesondere aus dem schon zuvor herausgearbeiteten Umstand, dass es mit Blick auf § 943 BGB keinen Unterschied machen kann, ob die Kette der Gutgläubigen durch einen Bösgläubigen unterbrochen wird, der die Sache anschließend an einen gutgläubigen Besitzer weitergibt oder durch einen nur zeitweilig bösgläubigen Besitzer.434 gutgläubige Erwerber an einer abhandengekommenen Sache kein Eigentum erwerben kann. Ebenfalls Berücksichtigung finden muss aber der Umstand, dass § 937 BGB gerade auch abhandengekommene Sachen erfasst, entscheidend ist insofern allein die Schutzwürdigkeit des Besitzers. 433  Zur verhaltenssteuernden Wirkung rechtlicher Regelungen siehe schon S. 122 f. 434  Zur vertieften Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Ersitzungsfrist von neuem zu laufen beginnt oder die bereits in Gang gesetzte Ersitzungsfrist fortgesetzt wird, siehe bereits oben S. 199 f.



B. Auflösung eines dominium sine re nach Anwendung des § 281 BGB

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3. Stellungnahme Wie gezeigt, existiert eine Vielzahl an denkbaren Lösungsansätzen für die Vermeidung eines dominium sine re im Kontext der „Chorarchiventscheidung“. Jedenfalls auf dogmatischer Ebene vermag jedoch nur die teleologische Extension des § 937 BGB zu überzeugen. Diese bietet gegenüber den zuvor genannten Lösungsmodellen nicht zuletzt den Vorteil, dass sich der Eigentumserwerb zugunsten des ursprünglich gutgläubigen Besitzers ipso iure vollzieht. Es bedarf folglich weder vage konstruierter dinglicher Einigungen noch Rechtsgründe im Sinne des Bereicherungsrechts, um die Kondiktionsfestigkeit zu gewährleisten. Zudem entsteht durch die teleologische Extension des § 937 BGB, wie schon im Rahmen der Vindikationsverjährung gezeigt, kein Konflikt mit dem numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände – durch diese wird lediglich der Gutglaubensbegriff entsprechend dem Willen des Gesetzgebers ausgedehnt.435 Dass es bis zur finalen Bereinigung der Rechtslage noch einer erheblichen Zeitspanne von zehn Jahren bedarf, ist kein untragbarer Zustand. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Rechtsverhältnisse bereits durch die Begleichung der Schadensersatzforderung hinreichend geklärt sind.436 Zum anderen sind jene Gegenstände, derentwegen ein Schadensersatzbegehren statt der Vindikation geltend gemacht wird, typischerweise auch so beständig bzw. wirtschaftlich bedeutsam, dass ein zehnjähriger Eigenbesitz realistisch erscheint. Korrespondierend mit dem Eigentumserwerb ipso iure lässt sich diesem Ansatz außerdem zugutehalten, dass dieser einen Eigentümerwechsel unabhängig von der dinglichen Berechtigung des Schadensersatzschuldners gewährleistet. In der Folge kann der ursprünglich gutgläubige, die Voraussetzungen des § 937 BGB verwirklichende, schutzwürdige Besitzer vor einer Doppelbelastung bewahrt werden, wenn dieser Schadensersatz an den Putativeigentümer leistet, den er irrigerweise für den dinglich Berechtigten hält. So besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass die Ersitzungsfrist abläuft, bevor der Eigentümer seinen Vindikationsanspruch geltend macht. Der auf analoger Heranziehung des § 255 BGB fußende Eigentumsübertragungsanspruch kann dies angesichts der Einschränkungen des gutgläubigen Erwerbs durch § 932 I S. 2 BGB ebenso wenig gewährleisten wie die übrigen nicht auf einem Eigentumserwerb ipso iure fußenden Ansätze. Darüber hinaus kann dieser Lösung nicht entgegengehalten werden, dass sie zum Schutz vor einer Überbetonung der Besitzerinteressen auf einen de lege lata nicht vorgesehenen Rückübereignungsanspruch Zug-um-Zug gegen 435  Vgl.

schon oben S. 197 f. auch Ernst, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 281 Rn. 124 („Das Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz ist in der konkreten Situation für bewegliche Sachen nicht so unpraktikabel, wie man oft denkt“). 436  So

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Kap. 3: Die Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ des BGH

Rückzahlung des Schadensersatzes angewiesen ist, sollte der Eigentümer ein berechtigtes Interesse am Rückerhalt der Sache haben.437 Denn durch die teleologisch motivierte extensive Handhabe des § 937 BGB hat der Besitzer gerade nicht unmittelbar nach Befriedigung des Schadensersatzverlangens einen Anspruch auf Übereignung der Sache, sondern erwirbt das Eigentum erst nach Verstreichen der Ersitzungsfrist. Nach deren Ablauf kann mit Blick auf die dem Ersitzungstatbestand immanente Wertung – hält der schutzwürdige Besitzer die Sache zehn Jahre lang in Eigenbesitz, kann auch ein gegenläufiges Interesse des Eigentümers am Erhalt seiner Rechtsposition einer Ersitzung nicht entgegenstehen438 – indessen nicht mehr der Vorwurf erhoben werden, die Besitzerinteressen würden überbetont. Dass durch den hiesigen Ansatz weder dem deliktischen noch dem von Beginn an bösgläubigen Besitzer die Möglichkeit des Eigentumserwerbs zuteilwird und deshalb die Trennung von Eigentum und Besitz zu dessen Lasten fortbesteht, ist in Anbetracht des andernfalls ausgehöhlten § 197 I Nr. 2 BGB unumgänglich. Dieses Ergebnis erscheint wertungstechnisch aber auch nicht untragbar, immerhin ist der von Beginn an bösgläubige oder gar deliktische Besitzer weniger schutzwürdig als derjenige Besitzer, der ursprünglich im Begriff war, die Sache zu ersitzen. Erfüllt der Vindikationsschuldner ferner die Schadensersatzforderung gegenüber dem wahren Eigentümer, erlangt er ohnehin eine Rechtsposition, die der des Eigentümers ähnelt, sodass die Wahrscheinlichkeit einer Zusammenführung von Besitz und Eigentum infolge Veräußerung der Sache durch den Besitzer hoch ist.439 Die teleologisch motivierte Extension des Ersitzungstatbestandes stellt folglich einen Mittelweg dar: Zum einen werden die Kritikpunkte, die den oben genannten Lösungen entgegenstanden, umgangen und zum anderen die Redlichkeit des Besitzers, die durch die Erfüllung der Schadensersatzforderung eintritt, im Einklang mit dem in § 937 BGB zum Ausdruck gekommenen Gesetzgeberwillen hinreichend berücksichtigt. Gleichwohl muss sich der Ansatz erneut den Vorwurf gefallen lassen, nur für den sehr beschränkten Kreis der ursprünglich gutgläubigen Besitzer eine Auflösung des dominium sine re gewährleisten zu können. 437  Zur Notwendigkeit eines Rückübereignungsanspruchs zugunsten des Eigentümers, wenn dem Schadensersatzschuldner ein Übereignungsanspruch analog § 255 BGB zugebilligt wird, schon oben S. 259 f. 438  Streitig dürfte nur die Frage sein, ob durch die Ersitzung mögliche Kondik­ tionsansprüche des ursprünglichen Eigentümers ausgeschlossen sind, siehe dazu nur Buchwitz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.05.2021, § 937 Rn. 69 ff. 439  So auch Ernst, ZfPW 2019, 122 (126 f.); wie schon zuvor betont, gilt die Sache nach Zahlung des Schadensersatzes in Höhe des Sachwertes an den Eigentümer nicht mehr als abhandengekommen und der Eigentümer kann auch nicht mehr die Bösgläubigkeit des Erwerbers geltend machen, vgl. S. 222 f.

Kapitel 4

Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes – § 241a BGB Bereits zu Anfang dieser Arbeit wurde aufgezeigt, dass neben der Vindikationsverjährung und der Geltendmachung von Schadensersatz statt der Vindikation auch § 241a I BGB Ursache für eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz sein kann. Besagte Norm schließt auch den Vindikationsanspruch des Unternehmers aus, wenn dieser unbestellt Waren an einen Verbraucher liefert. Eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz ist die Folge.1 Dass es auch in diesem Rahmen erwägenswert ist, die unbefriedigende dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz mittels Eigentumserwerbs aufzulösen, belegen nicht zuletzt die beiden vorausgegangenen Kapitel. Welche Möglichkeiten zur Auflösung des dominium sine re im hiesigen Kontext in Betracht kommen können oder ob gar das Problem der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz in toto präkludiert werden kann, soll Gegenstand nachfolgender Ausführungen sein.

A. Billigende Inkaufnahme des dominium sine re durch den Gesetzgeber? Ehe man sich jedoch mit den in Betracht kommenden Lösungen auseinandersetzen kann, gilt es, die elementare Vorfrage zu behandeln, ob jegliche Diskussion über mögliche Ansätze zur Auflösung der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz im Kontext des § 241a I BGB durch den limitierenden Faktor des eindeutigen Gesetzgeberwillens2 hinfällig wird. In der Gesetzesbegründung heißt es zu § 241a I BGB: „Soweit dies dazu führt, dass in diesem Fall sachenrechtlich ausnahmsweise Besitz und Eigentum dauerhaft auseinanderfallen können, ist dies durch den Schutzzweck

1  Vgl.

bereits S. 27 ff. dazu schon oben Kap. 2 Fn. 316. Einigkeit besteht auch im Hinblick auf die Regel: je jünger das Gesetz, desto beachtlicher der Gesetzgeberwille, vgl. Schmalz, Methodenlehre, 4. Auflage, Rn. 264; Haft/Eisele, in: Gedächtnisschrift Meurer (2002), 245 (252) und Engisch, Einführung in das juristische Denken, 12. Auflage, S. 143 f. 2  Siehe

292

Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

der Regelung gerechtfertigt und im Übrigen – z. B. im Hinblick auf die Verjährung von Herausgabeansprüchen – kein Einzelfall im BGB.“3

Nicht wenige Autoren entnehmen diesem Satz den unbedingten Willen des Gesetzgebers, ein dominium sine re entstehen zu lassen,4 sodass eine Auflösung desselben im Wege des Eigentumsübergangs nicht in Betracht käme. Regelmäßig nicht hinreichend Beachtung erfährt indessen die Konjunktion „soweit“ am Satzanfang. Durch diese hat der Gesetzgeber aufgezeigt, dass es durch § 241a I BGB nicht zwingend zu einer dauerhaften Trennung von Besitz und Eigentum kommen muss. Ob dies nun dem Umstand geschuldet ist, dass der Verbraucher die Ware kontraobligatorisch an den Unternehmer zurücksendet oder dieser entgegen der Regel doch unmittelbar das Eigentum an der versendeten Ware erlangt, etwa weil der Unternehmer dem Verbraucher eine Probe schenkweise in Verbindung mit einem unbedingten Übereignungsangebot zukommen lässt,5 wurde dabei nicht spezifiziert. Dem Gesetzgeber den Willen zur unbedingten Entstehung eines dominium sine re zu attestieren, lässt sich folglich zumindest hinterfragen. Zunehmend zweifelhaft wird diese Ansicht eingedenk der schon von den Vätern des BGB kundgetanen Abneigung gegenüber der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz6 sowie des Telos des § 937 BGB, welcher nicht zuletzt auf die Vermeidung eines dominium sine re innerhalb des Mobiliarsachenrechts abzielt.7 Es wäre nicht einzusehen, weshalb der Gesetzgeber auf der einen Seite die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz zugunsten des gutgläubigen und damit schutzwürdigen Besitzers zu verhindern versucht, auf der anderen Seite aber die Entstehung eines dominium sine re zulasten des ebenfalls schutzwürdigen Verbrauchers forcieren sollte. Diese sich diametral entgegenstehenden Wertungen würden den Vorwurf eines innergesetzlichen Widerspruchs provozieren.

3  BT-Drs. 14/2658, S. 46. Der BGH, Urteil vom 03.07.1998 – V ZR 34–97 = NJW 1999, 489 (492) formulierte schon vor 22 Jahren im Kontext des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes einen ähnlichen Satz: „Die Möglichkeit eines dauernden Auseinanderfallens von Eigentum und Besitz muß – wie in anderen Fällen auch – hingenommen werden“. 4  Exemplarisch Reichling, JuS 2009, 111 (112); vgl. für die Parallele zur Vindikationsverjährung auch Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 113 m. w. N. Zur Frage, ob der Gesetzgeber das Ziel hatte, § 241a I BGB als Eigentumserwerbstatbestand auszugestalten, siehe unten S. 307 ff. 5  Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 112, der das Beispiel eines Werbegeschenks in Form einer Probepackung bildet. 6  Mugdan, Bd. III, S. 140 = Motive, Bd. 3, S. 253 (Eigentum ohne Vindikationsanspruch „steht praktisch dem Nichteigentum gleich“). 7  Zur ratio legis des § 937 BGB schon auf S. 182 f.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re293

Näher liegt es daher, die aus § 241a I BGB eventuell hervorgehende dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz als ein unerwünschtes Nebenprodukt zu qualifizieren, dessen Auflösung schlechterdings nicht Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens war. Daraus zu schlussfolgern, der Gesetzgeber sei Möglichkeiten zur Auflösung dieser Rechtsfolge gegenüber gänzlich verschlossen, würde zu weit gehen.8 Vielmehr dürfte die Hinnahme eines domi­ nium sine re die letzte Konsequenz darstellen, sollte keine überzeugende Auflösungsmöglichkeit gefunden werden. Dies belegt auch die bereits seitens des Gesetzgebers erkannte Rechtfertigungsbedürftigkeit dieser möglichen und für unbillig erachteten Rechtsfolge, die er durch Heranziehung der Parallele aus dem Verjährungsrecht zu befriedigen versucht.9

B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re im Kontext des § 241a BGB I. Unmittelbarer Eigentumserwerb durch § 241a I BGB Wie sich schon anhand der Fülle der zuvor erörterten Gründe, die für die Vermeidung eines dominium sine re sprechen, erahnen lässt,10 findet die Überlegung, nicht nur einen umfassenden Anspruchsausschluss aus § 241a I BGB zugunsten des Verbrauchers zu ziehen, sondern diesem zeitgleich das Eigentum an der Ware zuzusprechen, großen Anklang in der Literatur.11 Betrachtet man diesen Ansatz allein vom Ergebnis her, ist dies auch wenig 8  Walter, Erbringung unbestellter Leistungen (2009), S. 193 („man kann dem Gesetzgeber nicht unterstellen, dass er es wünsche, eine von ihm erkannte, als problematisch eingeschätzte aber billigend in Kauf genommene Rechtslage wie das Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz beizubehalten, wenn Lösungsmodelle zur Verfügung stehen, um eine harmonische Rechtslage zu erreichen“), der einen Eigentumserwerb zugunsten des Verbrauchers aber dennoch ablehnt, a. a. O., S. 193 ff. 9  BT-Drs. 14/2658, S. 46. 10  Siehe oben S. 71 ff. 11  Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36; Schmidt-Kessel, in: PWW, 9. Auflage 2014, § 241a Rn. 3 und 12; Kramme, in: PWW, 16. Auflage 2021, § 241a Rn. 3 und 14; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, 6. Auflage, Rn. 49; Sagan, jM 2020, 52 (55). Bunte, in: FS Gaedertz (1992), 87 (93) versteht den unmittelbaren Eigentumserwerb als einfachen und gerechten Weg, der bereits europarechtlich angelegt sei und zitiert dazu das Diskussionspapier der EG-Kommission vom 8.8.1991 über den Distanzkauf, in dem es heißt: „Unter unverlangten Waren und Dienstleistungen versteht man die Zusendung eines Produktes mit der Rechnung an die Wohnung des Verbrauchers, obwohl dieser keinen Auftrag erteilt hat. Die gleiche Praxis gibt es bei Dienstleistungen. Die einfache Vorgehensweise besteht darin, alle unverlangten Waren oder Dienstleistungen als ein Gratisgeschenk zu betrachten. Daher kann keine Zahlung verlangt werden.“, a. a. O., 87 (91).

294

Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

überraschend: Wollte man auf Rechtsfolgenseite des § 241a I BGB (unter anderem) einen Eigentumserwerb zugunsten des Verbrauchers erkennen, würde besagte Norm gleichsam der Fähigkeit beraubt, ein dominium sine re nach sich ziehen zu können; der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz würde vorgebeugt. Gewiss bietet weder der Wortlaut des § 241a I BGB – dort ist lediglich von Ansprüchen die Rede – noch die systematische Stellung ganz zu Anfang des Allgemeinen Schuldrechts Anlass dazu, der Regelung eine dingliche Wirkung beizumessen.12 Insofern lässt sich eher im Gegenteil auf das zu § 281 IV BGB gefundene Ergebnis innerhalb der Ausführungen zur Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ zurückgreifen; dort wurde eine dingliche Wirkung der genannten Norm unter anderem aufgrund dieser beiden Aspekte verneint.13 Die Sichtweise, die § 241a I BGB eine dingliche Wirkung beimisst, kann allein auf die beiden soeben genannten auch hier greifenden Argumente gestützt jedoch nicht als von vornherein gänzlich abwegig abgetan werden. Dagegen sprechen die europarechtlichen Wurzeln des § 241a BGB und – damit korrespondierend – ein Blick über die Landesgrenzen Deutschlands hinaus.14 Dass insofern auch die Rechtsordnungen der anderen EU-Mitgliedstaaten für das deutsche Recht nicht gänzlich ohne Beachtung bleiben können, belegt nicht zuletzt der Verweis des Gesetzgebers innerhalb der Gesetzesbegründung auf das portugiesische Pendant zu § 241a BGB. Dieses bemühte der Gesetzgeber als Argument für die Rechtfertigung des Vindikationsausschlusses durch § 241a I BGB.15 Daneben sahen einige andere europäische Mitgliedstaaten bereits vor Erlass der Fernabsatz- bzw. Verbraucherrechterichtlinie gesetzliche Regelungen für den Fall der unbestellten Zusendung von Waren vor und bieten daher insbesondere mit Blick auf den Einfluss, den die zuvor genannten Richtlinien insofern genommen haben, Raum für Wertungen und Rückschlüsse. Damit ist hinreichend Anlass für eine detailliertere Auseinandersetzung gegeben.

12  Hinsichtlich des Wortlauts Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 33; bzgl. der Systematik Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 17. 13  Siehe dazu oben S. 227 f. 14  Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (212) betont ebenfalls, dass eine solche Lösung „rechtsvergleichend zumindest nicht singulär“ wäre. 15  „Es erscheint jedoch angemessen, auch diesen Anspruch als Sanktion des Wettbewerbsverstoßes des Versenders auszuschließen, wie dies auch in anderen europäischen Staaten Praxis ist. So sieht beispielsweise Artikel 15 des portugiesischen Gesetzesdekrets Nr. 272/87 vom 3. Juli 1987 (Decreto-Lei no. 272/87) vor, dass der Empfänger unbestellter Erzeugnisse diese in jedem Fall kostenlos behalten kann, was im Ergebnis auf eine Schenkung hinausläuft.“, vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 46.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re295

1. Rechtsvergleichender Überblick Namentlich das Vereinigte Königreich und Portugal können als Vorreiter auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Umgangs mit unbestellt zugesandten Waren betitelt werden. Nördlich des Ärmelkanals stand bereits 1971 – 31 Jahre vor Erlass der Fernabsatzrichtlinie (FARL) – durch S. 1(1) des Unsolicited Goods and Services Act fest,16 dass der Empfänger unbestellter Ware diese wie ein nicht von einer Bedingung abhängiges Geschenk (unconditio­ nal gift) betrachten könne. „In the circumstances specified in the following subsection, a person who after the commencement of this Act receives unsolicited goods, may as between himself and the sender, use, deal with or dispose of them as if they were an unconditional gift to him, and any right of the sender to the goods shall be extinguished.“

In der Konsequenz erwarb der Empfänger das Eigentum an der unbestellt zugesandten Ware. Aus der Perspektive eines deutschen Juristen mag sich das zwar nicht unmittelbar aus dem Normtext ablesen lassen;17 vor dem Hintergrund des englischen Rechts ist dies aber die einzig treffende Schlussfolgerung. Denn entweder man betont den Umstand, dass „das englische […] Recht sachenrechtlich dem Traditions[prinzip] folg[t]“, weshalb aus der fingierten Schenkung nach Zusendung der Ware auch die dingliche Berechtigung des Empfängers resultiere,18 oder man hebt hervor, dass Handschenkungen im englischen Recht gänzlich ohne Verpflichtungsgeschäft auskommen und sich nur durch eine Eigentumsübertragung im vollen Bewusstsein der Unentgeltlichkeit auszeichnen.19 Ob der Eigentumserwerb des Empfän16  Abrufbar unter https://www.legislation.gov.uk/ukpga/1971/30/enacted. Zu bemerken ist indes, dass der Unsolicited Goods and Services Act nicht für ganz Großbritannien Geltung beanspruchte, ausgenommen war gemäß S. 7 (3) Nordirland. 17  Aus der Formulierung „as between himself and the sender“ könnte auf eine Beschränkung der Wirkung inter partes geschlossen werden, wohingegen der Wortlaut am Ende der Regelung „any right of the sender to the goods shall be extinguished“ dafür spricht, dass der Versender auch seiner Eigentumsposition verlustig geht. 18  So Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (211, dort Fn. 78) und Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24; vgl. auch Häcker, ZeuP 2011, 335 (339) („Gemessen an den Maßstäben des kontinentaleuropäischen Rechts lässt sich die [vor allem im Kaufrecht Geltung beanspruchende] solo consensu Regel am ehesten mit dem in Frankreich geltenden Konsens- oder Einheitsprinzip vergleichen“); Häcker postuliert aber gleichzeitig, dass dem Übereignungstatbestand in Form der delivery, welcher insbesondere im Schenkungsrecht zum Tragen kommt, ein Trennungsprinzip zugrunde liegt, vgl. a. a. O., 335 (340 ff.); kritisch auch Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Auflage, § 64 Rn. 103 („Aber auch die früher übliche Einordnung unter das Einheits- und Konsens­ prinzip wird den Dingen nicht gerecht“). 19  Häcker, ZeuP 2011, 335 (342) und dies., Consequences of Impaired Consent Transfers (2009), S. 191. Zur Frage, ob der Beschenkte das Verfügungsgeschäft annehmen muss, wiederum dies., ZeuP 2011, 335 (341 f.) mit diversen Nachweisen.

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

gers auf der Fiktion eines Schenkungsvertrags beruht oder der fingierte Schenkungsvertrag ein fiktives dingliches Übereignungsangebot verkörpert, ist letztlich zweitrangig. An dem Ergebnis in Form der Eigentumsübertragung hat auch der Erlass der FARL nichts geändert. Bereits die der Umsetzung besagter Richtlinie dienenden Consumer Protection (Distance Selling) Regulations 200020 wiederholten in reg 24 Abs. 2, 3 nahezu wortlautidentisch S. 1(1) des Unsolicited Goods and Services Act. Die im Anschluss daran erlassene, der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie (VRRL) dienende Consumer Contracts (Information, Cancellation and Additional Charges) Regulation 201321 (dort regulation 39) transferierte die Regelung schließlich in die Consumer Protection from Unfair Trading Regulation 2008 (dort regulation 27a).22 Auch Portugal traf früh eine Regelung für den Fall unbestellt zugesandter Ware: Art. 15 I des Gesetzesdekrets Nr. 272/87 v. 03.07.1987 (Decreto-Lei no. 272/87) statuierte parallel zur Rechtslage im Vereinigten Königreich, dass der Empfänger die Sache in diesem Fall, ohne eine Gegenleistung erbringen zu müssen, behalten darf (conservá-lo a título gratuito), was im Ergebnis in einer Schenkung mündet.23 „Sem prejuízo do disposto no artigo 62.º do Decreto-Lei n.º 28/84, de 20 de Janeiro, o destinatário de um produto recebido sem que por ele tenha sido encomendado ou solicitado, ou que não constitua o cumprimento de qualquer contrato válido, não fica obrigado à sua devolução ou pagamento, podendo conservá-lo a título gratuito.“

Umfassend zur Bedeutung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips in England dies., Consequences of Impaired Consent Transfers (2009), S. 191 ff. Dazu auch Baur/Stür­ ner, Sachenrecht, 18. Auflage, § 64 Rn. 103 („eigenartige Gemengelage zwischen Trennungs- und Einheitsprinzip“); vgl. im Übrigen Kap. 4 Fn. 49. 20  Abrufbar unter: https://www.legislation.gov.uk/uksi/2000/2334/contents/made. Diese erstreckten ihren Anwendungsbereich auch auf das ursprünglich ausgenommene Nordirland reg. 1 Abs. 2 Consumer Protection (Distance Selling) Regulations 2000. 21  Abrufbar unter: https://www.legislation.gov.uk/uksi/2013/3134/contents/made. 22  Siehe zum Ganzen auch Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2020, § 241a Rn. 140 m. w. N. Der am 01.01.2021 vollzogene Brexit hat bisher zu keiner Änderung dieser Rechtslage geführt. Perspektivisch sind Änderungen zwar nicht auszuschließen, in Anbetracht dessen, dass das englische Recht bereits vor Erlass der Fernabsatz- und Verbraucherrechterichtlinie schon einen Eigentumsübergang auf den Empfänger vorsah, können solche jedoch als unwahrscheinlich eingestuft werden. 23  BT-Drs. 14/2658, S. 46; Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 140; Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 73.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re297

Rekurriert man nun (abermals) auf das Konsensprinzip, dem auch das portugiesische Recht auf sachenrechtlicher Ebene folgt,24 wird deutlich, dass aus dieser Regelung ebenfalls ein Eigentumserwerb zugunsten des Empfängers hervorging. Das später zur Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie dienende Dekret Nr. 57/2008 vom 26.03.2008 (Decreto-Lei no. 57/2008) griff den Wortlaut schließlich in Art. 13 I wieder auf. Sowohl in Großbritannien als auch in Portugal wurden folglich die einen unmittelbaren Eigentumserwerb zugunsten des Verbrauchers postulierenden Regelungen nach Umsetzung der einschlägigen europäischen Richtlinien beibehalten. Daraus lässt sich jedenfalls eine Indizwirkung zugunsten der Vereinbarkeit eines unmittelbaren Eigentumserwerbs durch Zusendung unbestellter Ware erkennen. Erörterungsbedürftig bleibt jedoch, ob sich vor diesem Hintergrund aus dem schon angesprochenen Verweis des deutschen Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung auf die portugiesische Lösung25 der gesetzgeberische Wille ableiten lässt, das Eigentum auch in Deutschland unmittelbar auf den Verbraucher übergehen zu lassen26. Trotz teilweise bestehenden Konsenses hinsichtlich eines unmittelbaren Eigentumserwerbs durch Zustellung der unbestellten Ware aufgrund von § 241a I BGB divergieren die dogmatischen Begründungen im Einzelnen erheblich. 2. § 241a I BGB als gesetzlicher Eigentumserwerbstatbestand Namentlich Finkenauer befürwortet einen unmittelbaren Eigentumserwerb durch § 241a I BGB und rechtfertigt dieses Ergebnis, indem er die Rechtsfolge des Eigentumsübergangs aus der Norm herausliest. Der Verbraucher könne sich daher frei entscheiden, ob er schlicht kraft Gesetzes das Eigentum an der Ware erwirbt oder gegen Entrichtung des Kaufpreises zusätzlich mögliche Mängelgewährleistungsrechte gegenüber dem Unternehmer auf seiner Seite wissen möchte.27 Sein Hauptargument liegt in der Vermeidung der an24  Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (211, dort Fn. 78) und Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24; siehe auch Kap. 4 Fn. 49. 25  Vgl. bereits Kap. 4 Fn. 15. 26  So etwa Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36; dazu unten im Detail S. 309 ff. 27  M. E. lässt sich die von Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36 gewählte Formulierung „[d]er Verbraucher kann sich daher frei entscheiden, ob er das Angebot annehmen oder bereits nach dem Gesetz Eigentümer werden möchte“ nur wie dargelegt interpretieren. Denn wenn es in der Hand des Verbrauchers liegen soll, ob er das Eigentum durch Annahme des aufschiebend bedingten Übereignungsangebotes und Erfüllung eben jener Bedingung erhält, dann müsste § 241a I BGB als gesetzlicher Eigentumserwerbstatbestand seinerseits unter der Bedingung stehen, dass der Besitzer nicht das aufschiebend bedingte Übereignungsange-

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

dernfalls drohenden dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz.28 Er betont aber auch, dass diese Sichtweise ebenfalls dem Willen des Gesetzgebers entspreche, da sich dieser allein aufgrund in der Sache unzutreffender verfassungsrechtlicher Bedenken – namentlich Art. 14 GG – geniert habe, einen Eigentumserwerb zugunsten des Verbrauchers anzuordnen.29 Vor dem Hintergrund, dass diese Bedenken bereits im Rahmen des Ausschlusses des § 985 BGB nicht verfingen,30 könne für den Eigentumserwerb, der auf Rechtsfolgenseite ein nahezu identisches Ergebnis erzielen würde, nichts anderes gelten.31 Bei genauer Betrachtung gesteht Finkenauer mit dieser Argumentation jedoch ein – ohne diese Fragestellung vorwegnehmen zu wollen32 –, dass seine Ansicht weder vom Gesetz noch vom Willen des Gesetzgebers gedeckt ist; denn selbst wenn sich dieser irrigerweise verfassungsrechtlich gehindert sah, einen unmittelbaren Eigentumserwerb anzuordnen, so hat er sich letztlich doch bewusst gegen eine solche Regelung entschieden. Gleichwohl ist diese Ansicht, anders als der lediglich vom Ausschluss gesetzlicher Ansprüche sprechende Wortlaut des § 241a I BGB (dazu sogleich vertieft)33 und die Stellung ganz zu Anfang des Allgemeinen Schuldrechts vermuten lassen, nicht unpopulär. Insbesondere Riehm, der ebenfalls die drohende Entwertung des Eigentums vor Augen hat, plädiert gleichermaßen für einen unmittelbaren Eigentumserwerb durch § 241a I BGB.34 Anders als bot annimmt. Andernfalls würde letzterer durch Erhalt der Ware und damit bereits bevor er die Gelegenheit dazu hatte, das dingliche Angebot anzunehmen, Eigentümer – es handelt sich schließlich um unbestellte Ware, bis zu ihrer Zustellung hat der Verbraucher folglich keine Kenntnis von dieser. Dass Finkenauer den Eigentumserwerb durch § 241a I BGB einer aufschiebenden Bedingung unterstellen möchte, ist aber nicht erkennbar. Auch wenn mit dem angesprochenen „Angebot“ jenes auf Abschluss eines Kaufvertrags seitens des Unternehmers gemeint sein sollte, würde dadurch die Entscheidung über die Umstände des Eigentumserwerbs nicht in die Hände des Verbrauchers gelegt. Zusätzlich betont Finkenauer, dass der Verbraucher, sollte er tatsächlich Interesse an der zugesandten Sache haben, den Vertrag schon aus „Anstand“ annehmen werde, vgl. ebd. 28  Finkenauer, a. a. O. 29  So neben Finkenauer, a. a. O. auch Schwarz, NJW 2001, 1449 (1454). 30  Vgl. dazu oben S. 39 ff. 31  Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 6; Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24 Fn. 128; so auch Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, § 12 II 3a, der § 241a I BGB im Ergebnis aber als verfassungswidrig einstuft; in dieselbe Richtung geht Schwarz, NJW 2001, 1449 (1454). A. A.: Altmeppen, in: FS Westphalen (2010), 1 (7), der einen Eigentumsübergang durch § 241a I BGB für verfassungswidrig hält; so auch Verweyen, JURA 2006, 571 (575). 32  Siehe zum Willen des Gesetzgebers sogleich auf S. 307 ff. 33  Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36 gesteht selbst ein, dass sich aus dem Wortlaut keinerlei Anhaltspunkte für diese Sichtweise ergeben. 34  Riehm, JURA 2000, 505 (512).



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re299

Finkenauer gesteht dieser jedoch nicht ein, von der Norm und dem Gesetzgeberwillen abzuweichen; vielmehr hält Riehm dem prima facie eindeutigen Gesetzestext die Wertungen aus dem Wechsel- und Scheckgesetz entgegen.35 Die insofern interessierenden Artt. 16 II WG und 21 ScheckG betreffen den Fall, dass dem Inhaber das jeweilige Wertpapier abhandengekommen ist. Sie konstatieren jeweils, dass Herausgabe von dem neuen Inhaber nur dann verlangt werden kann, wenn dieser bösgläubig oder grob fahrlässig war. Trotz des sich lediglich negativ auf den Ausschluss des Herausgabeanspruchs beschränkenden Wortlauts liest die allgemeine Meinung36 in diesen Normen einen Eigentumserwerb zugunsten des gutgläubigen Erwerbers. Daraus schlussfolgert Riehm, dass es dem geltenden Recht nicht fremd sei, an den Ausschluss eines Herausgabeanspruchs auch einen Eigentumserwerb zu knüpfen.37 Wenn das Gesetz schon an anderer Stelle einer erweiterten Lesart trotz eindeutigen Wortlauts nicht verschlossen gegenübersteht, dann sei kein Grund ersichtlich, weshalb im Rahmen des § 241a BGB nicht in gleicher Weise verfahren werden sollte.38 Müller-Helle greift diesen Gedanken auf und vertieft ihn.39 Der Rechtsanwender habe in den genannten Regeln des Wertpapierrechts erkannt, dass der Gesetzgeber nur die Konsequenz einer hinter der Norm stehenden Regel – die des gutgläubigen Erwerbs – kodifiziert hat:40 Da ein Herausgabeanspruch nur gegenüber dem bösgläubigen oder grob fahrlässigen Inhaber des Wertpapiers in Betracht kommt, muss im Umkehrschluss der gutgläubige Inhaber das Eigentum erworben haben. Dies gelte parallel für § 241a I BGB, der den umfassenden Anspruchsausschluss zulasten des Eigentümers nur deshalb festhalte, weil dieser bereits durch die Versendung seine Rechtsposition an der Ware eingebüßt habe. Das Gesetz konstatiere den Eigentums­verlust zulasten des Unternehmers demnach lediglich mittelbar, indem es den Ausschluss sämtlicher Ansprüche formuliert.41 Dies stelle trotz fehlender An35  Riehm, JURA 2000, 505 (512); dem schließt sich auch Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 232 an. 36  Siehe nur Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, 12. Auflage 1986, § 8 IV 2 b aa; Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 24.  Auflage 2020, Art. 16 WG Rn. 13; Hakenberg, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Auflage 2020, Bd. 2, B Anhang Rn. 74; Nobbe, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, Kap. 11 § 62 Rn. 17. 37  Riehm, JURA 2000, 505 (512). 38  Riehm, a. a. O. 39  Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 232, der jedoch keinen unmittelbaren Eigentumserwerb durch § 241a I BGB zu erwirken versucht, sondern die Lösung der Verwirkung bevorzugt, siehe dazu unten S. 342 ff. 40  Müller-Helle, a. a. O. 41  Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 232 und 236; Riehm, JURA 2000, 505 (512).

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

haltspunkte innerhalb des Wortlauts des § 241a I BGB für einen Eigentums­ erwerb auch keine Rechtsfortbildung dar, was sich zum einen anhand der Tatsache belegen lasse, dass innerhalb der soeben genannten Regelungen zum Wertpapierrecht die Rechtsfolge des Eigentumserwerbs ebenfalls unmittelbar aus dem umfassenden Anspruchsausschluss geschlussfolgert wurde und zum anderen auch andere europäische Rechtsordnungen die Rechtsfolge des Eigentumsübergangs präferieren, ohne dies ausdrücklich in der jeweils einschlägigen Regelung zu formulieren.42 3. Kritische Auseinandersetzung mit dem unmittelbaren Eigentumserwerb durch § 241a I BGB Nun stellt sich jedoch die Frage, ob ein unmittelbarer Eigentumsübergang als Rechtsfolge der Zustellung unbestellter Ware zu überzeugen vermag. Beantworten lässt sich diese nur durch Auslegung des § 241a BGB sowie eine genaue Beleuchtung der zuvor aufgeführten Argumente. a) Auslegung des § 241a I BGB Den ersten Anknüpfungspunkt einer Auslegung bietet der Gesetzeswortlaut. Gemäß § 241a I BGB „wird ein Anspruch gegen den Verbraucher nicht begründet“, wenn diesem die Ware unbestellt zugesandt wird. Diese Formulierung ist für das BGB eher untypisch; zwar sprechen auch § 656 I S. 1 BGB und § 762 I S. 1 BGB von einer Nichtbegründung, dem ist jedoch das Wort „Verbindlichkeit“ und nicht „Anspruch“ vorangestellt. Lediglich in § 1179a II S. 2 BGB findet sich eine identische Formulierung. Dort heißt es: „Durch die Vereinigung einer Hypothek mit dem Eigentum nach § 1163 Abs. 2 wird ein Anspruch nach Absatz 1 nicht begründet.“ Es bietet sich daher an, die durch den Gesetzgeber anvisierten Rechtsfolgen dieser Norm zumindest knapp zu beleuchten,43 um daraus möglicherweise Wertungen für den hier in Frage stehenden § 241a I BGB gewinnen zu können.

42  Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 232 f. Verwiesen wird auf die Rechtsordnungen in Dänemark, Portugal, Spanien und den Niederlanden. Sowohl in England als auch in Irland ist der Untergang des Eigentums demgegenüber ausdrücklich genannt, vgl. ebd. Zu den Regelungen in England und Portugal schon oben S. 295  ff.; zur kritischen Auseinandersetzung mit diesem Argument siehe unten S. 302 f. 43  Für eine umfassende Auseinandersetzung mit § 1179a BGB siehe Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S.  143 ff.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re301

§ 1179a I BGB statuiert einen Anspruch44 auf Löschung anderer nachoder gleichrangiger Hypotheken zugunsten eines Hypothekengläubigers gegenüber dem Eigentümer. Nach dem Willen des Gesetzgebers gehört dieser Anspruch zum Inhalt der Hypothek selbst, das heißt zum dinglichen Sicherungsrecht.45 Demgegenüber stellt § 1179a II BGB einen Ausnahmenkatalog von dem in Abs. 1 derselben Norm niedergelegten Grundsatz auf, der auch die unlängst genannte und hier interessierende Formulierung enthält. Ließe sich diesem Ausnahmetatbestand eine dingliche Wirkung attestieren, wären möglicherweise Rückschlüsse auf § 241a I BGB denkbar. Um nun eine mögliche dingliche Wirkung des § 1179a II S. 2 BGB eruieren zu können, bedarf es einer genaueren Auseinandersetzung mit der Frage, welche Technik der Gesetzgeber zur Regelung der Ausnahmen angewandt hat. Wäre der Löschungsanspruch zugunsten des Hypothekengläubigers insofern gleichsam aufschiebend bedingt, als dass keine der Ausnahmen des § 1179a II BGB einschlägig sein dürfte, käme der Norm eine dingliche Wirkung zu; denn dann beschränkte sie – wie der Gesetzgeber eigens betonte – das dingliche Sicherungsrecht. Anders würde sich die Sachlage gestalten, hätte der Gesetzgeber dem Hypothekengläubiger ein unbedingtes Löschungsrecht zubilligen wollen. Unter dieser Prämisse würde § 1179a II BGB nicht das dingliche Sicherungsrecht beschränken, sondern nur einen Anspruchsausschluss bewirken.46 Letztlich ist es für die Zwecke dieser Arbeit aber nicht erforderlich, sich für eine der beiden Auslegungsalternativen zu entscheiden. Denn selbst wenn man die erstgenannte präferieren und § 1179 II S. 2 BGB eine dingliche Wirkung beimessen wollte, wäre es zu voreilig, allein aufgrund der parallelen Diktion innerhalb des § 241a I BGB Rückschlüsse zu ziehen, würde doch ein entscheidender Aspekt außer Acht gelassen: Die dingliche Wirkung des § 1179a II S. 2 BGB wäre in diesem Fall nicht genuin auf die Formulierung „Anspruch nicht begründet“ zurückzuführen, sondern ergäbe sich vielmehr aus der Kontextualisierung, namentlich dem in Abs. 1 derselben Norm ex­ pressis verbis benannten Bezugspunkt in Form der Hypothek. Einen solchen dinglichen Bezugspunkt sucht man im Rahmen des § 241a I BGB jedoch vergebens. Aus der gleichlautenden Formulierung in § 1179a II S. 2 BGB lässt sich mithin per se kein Argument für die dingliche Wirkung des § 241a I BGB gewinnen. 44  Kritisch gegenüber der Formulierung „Anspruch“ Wolfsteiner, in: Staudinger, 2019, § 1179a Rn. 11 ff. 45  BT-Drs. 8/89, S. 10. 46  Ausführlich zu den beiden denkbaren Auslegungsalternativen Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S. 145; Neie, in: BeckOGK BGB, Stand 01.07.2020, § 1179a Rn. 32, wendet sich implizit gegen eine dingliche Wirkung, indem er von einem „Ausschluss“ des Löschungsanspruchs spricht.

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Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch dann nicht, zieht man § 241a II BGB hinzu – im Gegenteil. Dieser spricht davon, dass gesetzliche Ansprüche gegen den Verbraucher etwa dann „nicht ausgeschlossen“ sind, wenn die Bestellung nicht für den Empfänger bestimmt war. Aus dieser Formulierung lassen sich gleich zwei wesentliche Erkenntnisse ableiten: Zum einen ergibt sich im Umkehrschluss, dass dem Unternehmer nach Lieferung unbestellter Waren an den Verbraucher gesetzliche Ansprüche zustehen können, die – dies legt nicht zuletzt die systematische Verortung dieser Ausnahmereglung unmittelbar nach § 241a I BGB nahe – erst durch § 241a I BGB „ausgeschlossen“ werden. Zum anderen impliziert § 241a II BGB, dass deren Geltendmachung in diesem besonderen Fall nicht durch § 241a I BGB verhindert wird.47 Weder die erstere noch die letztere Erkenntnis wäre mit einem auf § 241a I BGB zurückgehenden unmittelbaren Eigentumserwerb durch Zustellung der unbestellten Ware in Einklang zu bringen, der das Erlöschen jeglicher Rechtsposition nach sich zöge und deshalb auch sämtliche gesetz­ lichen Ansprüche präkludierte. Wollte man § 241a I BGB als gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestand begreifen, wäre dessen Abs. 2 mithin sinnentleert. Beheben ließe sich dies nur, indem man davon ausginge, dass § 241a II BGB den Ausschluss der dinglichen Wirkung des Abs. 1 in den genannten Fällen impliziert. Dadurch würde § 241a II BGB jedoch zu einer rein deklaratorischen Norm degradiert. Zu Recht bemerkt Klose: „So missglückt § 241a BGB in seiner sprachlichen Fassung auch sein mag, ist nicht zu vermuten, dass der Gesetzgeber die Sachverhalte unbestellter Lieferungen auf derart konfuse Weise regeln wollte.“48 Auch durch den Vergleich zu Rechtsordnungen anderer EU-Mitgliedstaaten wird der Wortlaut des § 241a I BGB einer weitergehenden Interpretation nicht zugänglich. Zwar mag es zutreffen, dass im innereuropäischen Ausland zum Teil ein Eigentumserwerb an die Zustellung unbestellter Ware geknüpft wird, ohne dass diese Rechtsfolge ausdrücklich in der jeweils einschlägigen Regelung genannt wird. Daraus können allerdings schon deshalb keine Rückschlüsse auf die deutsche Rechtsordnung gezogen werden, weil sich das Trennungs- und Abstraktionsprinzip gleichsam als Charakteristikum der deutschen Rechtsordnung begreifen lässt, das den meisten anderen europäischen Mitgliedstaaten – darunter auch den von Müller-Helle zitierten – jedenfalls in dieser Ausprägung fremd ist.49 Der sich nur auf das Verhältnis 47  Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S. 149 („Einen Anspruch nicht auszuschließen impliziert, ihn regelrecht zu gewähren“.). 48  Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S. 150. 49  In Frankreich: Artt. 711, 938, 1138, 1538 CC, Belgien: Art. 711, 712, 938, 1138, 1583 CC, Italien: Art. 1376 CC und Portugal: Artt. 408, 1317 CC gilt das sogenannte Einheits- und Konsensprinzip, vgl. DCFR, Vol. 5, S. 4447 ff.; in den Niederlanden Art. 3:84 BW, Spanien, Artt. 609, 1095 CC und Dänemark ist die im Deut-



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zwischen Verbraucher und Unternehmer konzentrierende Wortlaut50 vermag somit vorerst nicht für eine dingliche Wirkung des § 241a I BGB zu sprechen.51 Das Telos des § 241a I BGB, den Verbraucher vor der Entstehung von Gegenleistungspflichten zu bewahren,52 setzt zu dessen Erreichung ebenso wenig zwingend einen Eigentumsübergang voraus. Demgegenüber ergibt sich ein weniger eindeutiges Ergebnis aus der Systematik. Zwar bildet die Verortung der Norm zu Anfang des Schuldrechts einen Anhaltspunkt, der ebenfalls gegen eine Auswirkung auf die Eigentumszuordnung spricht.53 Dass dieser allerdings nicht sonderlich ins Gewicht fallen dürfte,54 lässt sich schon aus der Gesetzesbegründung ablesen. Dort sprach selbst der Gesetzgeber davon, dass „ein zwingender Standort für eine solche Regelung nur schwer auszumachen“ sei.55 b) Wortlautauslegung vor dem Hintergrund des Wertpapierrechts Zu erörtern bleibt nun, ob der einstweilen eindeutig erscheinende Wortlaut vor dem Hintergrund der Artt. 16 II WG und 21 ScheckG in ein anderes Licht gerückt werden kann. Diesen Regelungen des Wertpapierrechts wird, ausweislich der obigen Ausführungen, eine dingliche Wirkung beigemessen, obwohl sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut ergibt.56 Im Zentrum schen vorzufindende strikte Unterscheidung zwischen dinglichem Vertrag und Kausalgeschäft ebenfalls unbekannt, vgl. DCFR, Vol. 5, S. 4439 f., 4441 f., 4452. So ausdrücklich auch zum portugiesischen und englischen Recht Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (211, dort Fn. 78) und Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24. Ein ähnliches Vorgehen wie in Deutschland findet sich nur in Griechenland und Estland, vgl. DCFR, Vol. 5, S. 4443 ff. Vgl. auch schon die obigen Ausführungen zum englischen und portugiesischen Recht S. 295 ff. 50  Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 33. 51  So auch Jacobs, JR 2004, 490 (491). 52  Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 46 und Art. 27 sowie Erwägungsgrund 60 VRRL. 53  Siehe dazu schon oben S. 294. 54  A. A. Jacobs, JR 2004, 490 (491). 55  BT-Drs. 14/2658, S. 46. Kritisch gegenüber der Verortung der Regelung insbesondere Flume, ZIP 2000, 1427 (1428) sowie Hensen, ZIP 2000, 1151 (1151); umfassend zu diesem Aspekt Dornheim, Sanktionen und ihre Rechtsfolgen (2005), S. 89 ff. Wie Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 233 zusätzlich darauf zu verweisen, dass eine strikte Trennung zwischen Schuld- und Sachenrecht ohnehin nicht vollzogen werde, greift jedoch zu weit; gewiss beansprucht das Schuldrecht auch im Kontext des Sachenrechts Geltung, gleichwohl findet die Anwendung schuldrechtlicher Normen dort ihre Grenzen, wo sachenrechtliche Zuordnungsfragen im Zentrum stehen, vgl. dazu schon oben S. 228 f. 56  Vgl. oben S. 299 ff.

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der folgenden Ausführungen soll daher die Frage stehen, ob sich aus dieser Singularität Rückschlüsse für die dingliche Wirkung des § 241a I BGB ziehen lassen. Um sich mit dem aus dem Wertpapierrecht abgeleiteten Argument hinreichend fundiert auseinandersetzen zu können, muss insbesondere in historischer Hinsicht weiter ausgeholt werden. Vor Erlass des BGB war der Jurisprudenz ein gutgläubiger Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten fremd, es galt der altdeutsche Rechtsgrundsatz „Hand wahre Hand“. Nach diesem hatte nur „die Hand, der man den Besitz an einer beweglichen Sache anvertraut hat[te], die Gewähr dafür [zu] bieten […], daß die Sache wieder zurückgegeben wird, und nur diese Hand allein muß[te] die Gewähr bieten, nicht aber eine Dritte Hand, in deren Besitz die Sache gelangt [war]“.57 Die Rechtsfolgenseite beschränkte sich demnach auf den Ausschluss des Herausgabe­ anspruchs,58 das Eigentum als solches blieb dagegen unberührt.59 Insbesondere durch den im Jahr 1861 erlassenen Art. 306 ADHGB wurde der „Hand wahre Hand“-Grundsatz sodann fortentwickelt – dort war bereits der Eigentumserwerb als Rechtsfolge vorgesehen60 –, bis er 39 Jahre später schließlich in die allgemeine Anerkennung eines gutgläubigen Erwerbs mündete.61 Berücksichtigt man nun die Genese der Artt. 16 II WG und 21 ScheckG, die dem Wortlaut nach ebenfalls nur den Herausgabeanspruch des Berechtigten gegenüber einem gutgläubigen Besitzer ausschließen, zeigt sich, dass diese gleichsam eine Hommage an den „Hand wahre Hand“-Grundsatz darstellen. Beide Regelungen des Wertpapierrechts fußen zwar auf überstaatlichen Abkommen, namentlich den Genfer Abkommen zum Einheitlichen 57  Bülow, AcP 186 (1986), 576 (577 f.); siehe dazu auch Orgis, in: Handwörterbuch Rechtsgeschichte (2010), 698 (698 f.), der das, was durch den Rechtssatz zum Ausdruck gebracht werden soll, zusätzlich danach differenziert, ob man sich an den Geber oder den Besitzer der Sache wendet. 58  Orgis, in: Handwörterbuch Rechtsgeschichte (2010), 698 (698) („die Sache nur von diesem [seinem Vertrauensmann], nicht aber von einem Dritten heraus verlangen“); Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 24. Auflage 2020, Art. 16 WG Rn. 13; Orgis, a. a. O., 698 (699 f.) betont zusätzlich, dass regelmäßig danach differenziert wurde, welche Art Rechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Vertrauensmann bestand und wie die Sache in die Hände des Dritten gelangt ist. Zu dieser Unterscheidung auch Bülow, AcP 186 (1986), 576 (578). 59  Lohsse, AcP 206 (2006), 527 (532). 60  Lohsse, AcP 206 (2006), 527 (532 f.); vgl. zur Entstehung des „Hand wahre Hand“-Grundsatzes Engstfeld, Erwerb vom Nichtberechtigten (2002), S. 37 ff. 61  Das Reichsgericht spricht davon, dass das BGB den Grundsatz aufgenommen habe, vgl. RGZ 54, 68 (72). Siehe zum gesamten Entwicklungsprozess Oechsler, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 932 Rn. 1 und Bülow, AcP 186 (1986), 576 (577 ff.); Engstfeld, Erwerb vom Nichtberechtigten (2002), S. 4 ff. hat sich intensiv mit der Thematik befasst.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re305

Wechsel- bzw. Scheckrecht,62 der gewählte Wortlaut scheint jedoch nicht das Resultat der Verhandlungen zu diesen Abkommen zu sein, sondern aus der Feder des deutschen Gesetzgebers zu stammen. So geht der in Art. 16 II des Genfer Abkommens zum Einheitlichen Wechselrecht niedergeschriebene Normtext, der die Grundlage des gegenwärtigen Art. 16 II WG bildet, auf Art. 15 II des Haager Wechselrechtsübereinkommens zurück, welcher seinerseits Art. 74 der deutschen Wechsel-Ordnung entsprach.63 Die letztgenannte Norm wurde bereits 1862 – fast 70 Jahre vor Ratifizierung des Genfer Abkommens und 50 Jahre vor Abschluss der Zweiten Haager Konferenz zur Vereinheitlichung des Wechsel- und Scheckrechts64 – erlassen. In Anbetracht des beinahe identischen Wortlauts liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die bereits bestehende deutsche Regelung in Art. 16 II des Genfer Abkommens zur Vereinheitlichung des Wechselrechts übernommen wurde. Für das Scheckrecht gilt im Ergebnis nichts anderes, verwies § 8 des ScheckG in der Fassung von 1908 – 23 Jahre vor der Vereinheitlichung des Scheckrechts durch das entsprechende Genfer Abkommen – betreffend die Verpflichtung zur Herausgabe des Schecks doch auf den vorgenannten Art. 74 der Wechsel-Ordnung. Führt man sich nun vor Augen, dass zur Zeit der Verabschiedung des Art. 74 Wechsel-Ordnung im Jahr 1862 ausweislich der obigen Ausführungen ein gemeinhin Gültigkeit beanspruchender gutgläubiger Eigentumserwerb noch nicht existierte, sondern der „Hand wahre Hand“-Grundsatz vorherrschte, erschließt sich, weshalb Artt. 16 II WG und 21 ScheckG dem Wortlaut nach lediglich den Ausschluss des Herausgabeanspruchs vorsehen. Mit Blick auf die Genese des gutgläubigen Eigentumserwerbs – dieser wurzelt ausweißlich der obigen Ausführungen im „Hand wahre Hand“-Grundsatz – verwundert der Standpunkt der allgemeinen Ansicht daher nicht länger, die trotz des ungenauen Wortlauts65 in dem durch Artt. 16 II WG und 21 ScheckG angeordneten Anspruchsausschluss einen Eigentumserwerb erkennen. Die Überlegung, dass auch § 241a I BGB auf dem „Hand wahre Hand“Grundsatz beruhen könnte, ist demgegenüber nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen. So lässt die Norm bereits einen expliziten Ausschluss des Herausgabeanspruchs vermissen, wie man ihn in den Regelungen des Wertpapierrechts vorfindet. Im Gegenteil wird angesichts des offenen Wortlauts, der besagt, dass „Ansprüche gegenüber dem Verbraucher nicht begründet werden“, noch 62  Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 24.  Auflage 2020, Art. 16 WG Rn. 13 und Einl. WG Rn. 4; Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (212). 63  Quassowski, ZfAuIPR 1930, 770 (778) („Art. 74 der deutschen WO wurde in Art. 16 II EinheitlWechsGes beibehalten“). 64  Siehe zu letzterem Übereinkommen Hupka, ZfAuIPR 1930, 205 (205 ff.). 65  Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, 12. Auflage 1986, § 8 IV 2 b aa („Wiederum ist die Sprache des Gesetzgebers sehr ungenau“).

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

immer lebhaft darüber gestritten, ob der Herausgabeanspruch des § 985 BGB überhaupt von § 241a I BGB erfasst sein soll.66 Schon aufgrund des historischen Hintergrundes der Regelungen aus dem Wertpapierrecht liegt es mithin fern, aus diesen Rückschlüsse für § 241a I BGB zu ziehen.67 Addiert man zu der zuvor dargelegten Genese der Regelungen des Wertpapierrechts schließlich noch die zwischen diesen und § 241a I BGB bestehenden Divergenzen, wird es immer beschwerlicher, den ersteren Wertungen zugunsten einer dinglichen Wirkung des letzteren zu entlocken. Die beiden Normen des Wertpapierrechts stellen jeweils rechtsgeschäftliche Eigentums­ erwerbsvorschriften zugunsten des Gutgläubigen dar.68 Sie verhelfen demnach einem Verfügungsgeschäft über die fehlende Berechtigung des Verfügenden hinweg und somit einem Rechtsgeschäft zur Geltung, auf dessen Wirksamkeit der Erwerber berechtigterweise vertrauen durfte – ein ausweislich der §§ 932, 892 BGB dem Zivilrecht keineswegs fremder Rechtsgedanke. Im Kontext des § 241a I BGB gestaltet sich die Situation indessen grundlegend anders. Hier mangelt es in der Regel nicht an der Berechtigung des Verfügenden, sondern an dem Willen, die Verfügung bedingungslos auszugestalten. Mithilfe eines rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbstatbestandes zugunsten des Gutgläubigen lässt sich indessen nicht eine aufschiebende Bedingung des Verfügenden kompensieren, zumal der Verbraucher regelmäßig Kenntnis davon hat oder haben muss, dass die unbestellt zugesandte Ware nur mit einem aufschiebend bedingten Übereignungsangebot verbunden ist.69 Um an den Anspruchsausschluss des § 241a I BGB einen Eigentumsübergang auf den Verbraucher knüpfen zu können, müsste die Norm folglich als gesetzlicher Eigentumserwerbstatbestand ausgestaltet sein. Jedenfalls innerhalb des BGB sucht man jedoch vergebens nach einem Pendant, das die 66  Siehe

dazu oben S. 33 ff. Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (212) aus dem Umstand, dass beide Regelungen des Wertpapierrechts auf einem überstaatlichen Abkommen fußen, einen „staatsvertraglichen Charakter“ zu schlussfolgern, der Rückschlüsse auf andere Normen des Zivilrechts gänzlich ausschließt, kann angesichts des offenbar deutschen Ursprungs der Regelungen nur bedingt überzeugen. 68  Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 24.  Auflage 2020, Art. 21 ScheckG Rn. 1 und Art. 16 WG Rn. 13. Das Vertrauen fußt bei Art. 21 ScheckG auf dem Besitz des Verfügenden (Baumbach/Hefermehl/Casper, a. a. O., Art. 21 ScheckG Rn. 2) und bei Art. 16 II WG zusätzlich auf einer ununterbrochenen Indossamentenkette (Baumbach/Hefermehl/Casper, a. a. O., Art. 16 WG Rn. 13). In diese Richtung argumentiert auch Walter, Erbringung unbestellter Leistungen (2009), S. 195. 69  Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452); Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 112 spricht davon, dass ein unbedingtes Angebot seitens des Unternehmers „nur ganz ausnahmsweise“ vorliegen dürfte. 67  Wie



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re307

Rechtsfolge des Eigentumserwerbs durch einen umfassenden Anspruchsausschluss kommuniziert. Aus systematischer Sicht ist vielmehr festzuhalten, dass der Gesetzgeber offenkundig von der Konzeption, einen Rechtsübergang durch Ausschluss des Herausgabeanspruchs anzuordnen, abgerückt ist. Als Beleg lassen sich exemplarisch §§ 937 ff. BGB und §§ 946 ff. BGB heranziehen, in denen ein gesetzlicher Eigentumserwerb ausnahmslos expressis verbis angesprochen wird. Dies entspricht auch dem gesetzgeberischen Willen, hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse Klarheit und Eindeutigkeit zu gewährleisten.70 Davon auszugehen, der Gesetzgeber hätte den Eigentumserwerb konfligierend mit diesem Grundsatz und der übrigen Gesetzgebung lediglich mittelbar in § 241a I BGB angelegt, erscheint somit fernliegend.71 Daneben spricht für die unbestrittene Lesart der Artt. 16 II WG und 21 ScheckG, dass sie nicht zuletzt dem Verkehrsschutz und der Verkehrs­ fähigkeit von Wertpapieren dienen.72 Ein solches Attribut vermag der sich allein auf den Verbraucherschutz konzentrierende § 241a I BGB nicht für sich geltend zu machen. Abschließend gilt es zu berücksichtigen, dass die Auslegung der Regelungen des Wertpapierrechts als Eigentumserwerbsvorschriften zugunsten des Gutgläubigen trotz gegenläufigen Wortlauts in Anbetracht der soeben dargelegten Genese des gutgläubigen Eigentumserwerbs im Zivilrecht sowie der Entstehung der Artt. 16 II WG und 21 ScheckG auch dem Willen des Gesetzgebers entspricht.73 Gerade dies ist jedoch bei einem auf § 241a BGB gestützten Eigentumserwerb fraglich. Im verneinenden Falle wäre jenem auf dem Wertpapierrecht fußenden Argument endgültig der Boden entzogen, weshalb sich dem im Folgenden gewidmet werden soll. c) Der Wille des Gesetzgebers Jene in dem unlängst vorausgegangenen Satz mitschwingende Ungewissheit bereitet die Überleitung zu der nachfolgend zu thematisierenden Frage: Entspricht ein Eigentumserwerb durch bloße Zusendung der Ware überhaupt in: Staudinger, 1995, Einl. §§ 929 ff. Rn. 9. im Ergebnis auch Dornheim, Sanktionen und ihre Rechtsfolgen (2005), S.  182 f.; Schwarz, NJW 2001, 1449 (1450); Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (212). 72  Die Verkehrsfähigkeit von Wertpapieren betonen Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 24. Auflage 2020, Art. 16 WG Rn. 13 und Hueck/ Canaris, Recht der Wertpapiere, 12. Auflage 1986, § 8 IV 2 b bb. Die letzteren ziehen die naheliegende Parallele zu § 935 II BGB. 73  Leiß, Unbestellte Leistungserbringung (2006), S. 110; zum Willen des Gesetzgebers Bülow, AcP 186 (1986), 576 (577 ff.); das betont auch Förderer, Der Anspruchsausschluss (2020), S. 26. 70  Wiegand, 71  So

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

dem Willen des Gesetzgebers? Der Antwort hierauf kommt dabei eine übergeordnete Rolle zu. Sie ist nicht nur für den Aspekt maßgebend, ob eine Übertragbarkeit der Wertungen aus dem Wertpapierrecht endgültig der Boden entzogen ist, sondern auch für die Frage, ob ein auf § 241a I BGB gestützter Eigentumserwerb überhaupt methodisch zulässig ist. Letzteres gilt umso mehr, berücksichtigt man, dass die Gewichtigkeit des Gesetzgeberwillens durch das Alter des Gesetzes bedingt wird. Denn je jünger das Gesetz, desto geringer sind typischerweise die Abweichungen der gegenwärtigen Lebensverhältnisse von jenen, die der Gesetzgeber seiner Normvorstellung zugrunde gelegt hat.74 Diese Regel bestätigt sich auch im hiesigen Fall; es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Normvorstellungen, die der Gesetzgeber § 241a I BGB ursprünglich zugrunde gelegt hat und die 2014 aktualisiert wurden,75 heute nicht mehr zeitgemäß wären. Zieht man nun zur Ermittlung des Gesetzgeberwillens zunächst die Gesetzgebungsmaterialien heran, zeichnet sich prima facie jedoch kein eindeutiges Ergebnis ab. Zwar spricht der Gesetzgeber innerhalb der relevanten, die gesetzlichen Ansprüche betreffenden Textpassagen ausnahmslos von einem „Ausschluss“, was zunächst gegen eine Einflussnahme auf die dingliche Rechtslage spricht.76 Unter Rekurs auf die Regelungen des Wertpapierrechts könnte man dies jedoch wiederum zum Anlass nehmen, dem Gesetzgeber einen Willen zur unmittelbaren Eigentumsübertragung zu attestieren, schließlich genügte im Rahmen der Artt. 16 II WG, 21 ScheckG auch der Ausschluss des Herausgabeanspruchs zur Begründung des Eigentumsübergangs.77 In der Tat lässt sich der Annahme, der Ausschluss des Vindika­ tionsanspruchs impliziere einen gleichsam untechnisch formulierten Eigentumsübergang, nicht allein mit der Diktion der Gesetzesbegründung begegnen. Denn aus dieser geht nicht unzweifelhaft hervor, dass der Gesetzgeber die dingliche Rechtsposition unangetastet belassen wollte. Letztlich gelangt man zu dieser Einschätzung jedoch selbst dann, wenn man die augenscheinlichen Differenzen, dass die Regelungen des Wertpapierrechts im Gegensatz zu § 241a I BGB einen Ausschluss des Herausgabeanspruchs unmittelbar im Normtext benennen und darüber hinaus eine Hommage an den „Hand wahre

74  BGH, Beschluß vom 18.11.1993 – V ZB 43/92 = NJW 1994, 457 (458); Schmalz, Methodenlehre, 4. Auflage, Rn. 264; Haft/Eisele, in: Gedächtnisschrift Meurer (2002), 245 (252); BGHZ 124, 147 (149 f.); Eisele, JR 2001, 270 (272); Larenz, Methodenlehre, 6. Auflage, S. 329 und 344; Vogel, Juristische Methodik (1998), S.  128 ff. 75  Vgl. BGBl. 2013, 3642 Nr. 58 vom 27. September 2013. 76  BT-Drs. 14/2568, S. 46. 77  Siehe zu den Erwägungen auf Grundlage des Wertpapierrechts schon oben S. 299 f. und 303 ff.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re309

Hand“-Grundsatz darstellen,78 außen vor lässt. Es genügt, dass man sich die Konsequenzen vor Augen führt, die mit der Annahme, der Gesetzgeber kommuniziere einen Eigentumserwerb durch den Ausschluss von Ansprüchen, einhergingen: Würde der Gesetzgeber den Anspruchsausschluss synonym zu einem Eigentumsübergang verwenden, wäre dieser aus Gründen der Unterscheidbarkeit dazu gezwungen, sämtliche Bereiche, die die verabschiedete Norm nicht betreffen soll, aufzuzählen, sollte einmal kein Eigentumsübergang gewollt sein. Die Folge wäre ein erschwertes und verlangsamtes Gesetzgebungsverfahren sowie eine unnötigerweise aufgeblähte und unübersichtliche Gesetzesbegründung.79 Vor diesem Hintergrund ist es f­ernliegend, auf den Ausschluss des Vindikationsanspruchs einen Eigentumsübergang zu stützen. Legt man das soeben entfaltete Verständnis der Gesetzgebungsmaterialien zugrunde – der Ausschluss des Vindikationsanspruchs kann nicht als untechnisch formulierter Eigentumsübergang begriffen werden –, bieten sich weitere Kritikpunkte, die dagegen sprechen, § 241a I BGB als gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestand zu qualifizieren: Entspräche es ohnehin dem Willen des Gesetzgebers, dem Verbraucher das Eigentum an der versendeten Ware zuzubilligen, wäre der eben diskutierte, durch den Gesetzgeber explizit angesprochene Ausschluss des § 985 BGB obsolet.80 Daneben wurde innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens ausschließlich die Verfassungsmäßigkeit eines Vindikationsausschlusses diskutiert, wohingegen die Verfassungsmäßigkeit eines Eigentumsübergangs nicht Gegenstand desselben war.81 Gegen diese Feststellung wird zwar vereinzelt eingewandt, dass der Gesetzgeber betreffend den Ausschluss des § 985 BGB auf die portugiesische Rechtsordnung verwiesen hat, die gerade nicht nur den Vindikationsanspruch ausschließt, sondern das Eigentum als solches auf den Verbraucher überge78  Siehe

dazu schon oben S. 303 ff. Eigentum als nudum ius (2016), S. 150 stellt dieselben Erwägungen an. Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe den Eigentumsübergang negativ durch den Anspruchsausschluss angeordnet, spricht außerdem, dass der letztgenannte die notwendige Vollständigkeit entbehrt. Zwar benennt der Gesetzgeber den Ausschluss von Schadens- sowie Nutzungsersatz und entbindet den Verbraucher von der Pflicht zur Aufbewahrung und Rückgabe der Sache, der den Vindikationsanspruch substituierende § 816 BGB wird dagegen nicht genannt. Darüber hinaus haben die Ausführungen zum Wertpapierrecht (dazu auf S. 303 ff.) bereits belegt, dass eine negative Formulierung der eigentlich anvisierten Rechtsfolge in Gestalt des Eigentumsübergangs innerhalb der Gesetzesbegründung als fragwürdig zu qualifizieren ist; wenn bereits der Ausschluss von Herausgabeansprüchen im Gesetzestext nicht auf einen Eigentumsübergang schließen lässt, dann kann für die Gesetzesbegründung nichts anderes gelten. 80  Jacobs, JR 2004, 490 (491). 81  BT-Drs. 14/2568, S. 46. 79  Klose,

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

hen lässt.82 Die fehlende Validität dieses Arguments erschließt sich indes spätestens dann, wenn anschließend auf die verfassungsrechtlichen Bedenken des Gesetzgebers in Bezug auf einen gesetzlichen Eigentumsübergang durch Zusendung der Ware eingegangen wird und diese unter Verweis auf die Ähnlichkeit der Rechtsfolgen, die aus dem Ausschluss des § 985 BGB resultieren, verworfen werden.83 Wenn sich ein Eigentumserwerb durch Zusendung der Ware und die Rechtsfolgen aus dem Vindikationsausschluss derart ähneln, ist dann nicht auch der Verweis auf das portugiesische Recht seitens des Gesetzgebers schlüssig?84 Der zugegebenermaßen zumindest auf den ersten Blick Verwirrung stiftende Verweis dürfte letztlich darauf zurückzuführen sein, dass keine andere europäische Rechtsordnung das deutsche Trennungsprinzip kennt.85 Angesichts des in Portugal angeordneten Eigentumsübergangs bedingt durch Schenkung kam Artikel 15 des portugiesischen Gesetzesdekrets Nr.  272/87 (Decreto-Lei no. 272/87) lediglich der in Deutschland eintretenden Rechtsfolge des § 241a I BGB – der vollständigen Entwertung der Eigentumsposition auf der einen und das Aufstreben des Besitzers zum faktischen Eigentümer auf der anderen Seite – am nächsten.86 Es verbleibt somit kein Raum für die Annahme, die Legislative wollte durch 82  Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36; in diese Richtung auch Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24, der daraus schlussfolgert, dass der Gesetzgeber keine „klar durchdachte Vorstellung von dem hatte, was er tat, als er sich entschied, den Verbraucher lediglich vom Herausgabeanspruch freizustellen“; freilich ist einschränkend zu bemerken, dass Dorn einen Eigentumserwerb ipso iure ablehnt und diese Argumentation allein zugunsten eines Übereignungsanspruchs bzw. einer Verwirkung vorbringt. Siehe zu den Regelungen in Portugal schon oben S. 296 f. 83  Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36 und 6; Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24, dort insbesondere Fn. 128; zur Verfassungskonformität eines auf § 241a I BGB gestützten Vindikationsausschlusses schon oben S. 39 ff. 84  Zugegeben sei an dieser Stelle aber, dass die Formulierung des Gesetzgebers unglücklich gewählt ist. Wenn zuvor allein der Ausschluss des § 985 BGB in Rede steht, ist eine Untermalung dieser Wertentscheidung mit dem portugiesischen Recht, das in seinen Rechtsfolgen über den Ausschluss des Vindikationsanspruchs hinausgeht, jedenfalls prima facie irritierend und verleitet zu Missverständnissen. 85  Insbesondere in der durch den Gesetzgeber ausdrücklich angesprochenen portugiesischen, aber auch der englischen Rechtsordnung, die gleichermaßen eine Schenkungsfiktion als Lösungsmodell präsentieren (vgl. S. 295 ff.), gilt das Konsens- bzw. Traditionsprinzip. Durch die Fiktion einer Schenkung geht das Eigentum folglich unmittelbar über, sodass sich das Problem einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz nicht stellt, vgl. dazu auch Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (211, dort Fn. 78) und Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24. Generell zu der unterschiedlichen Handhabung des Eigentumsübergangs innerhalb der Europäischen Union DCFR, Vol. 5, S. 4437 ff. sowie Kap. 4 Fn. 49. 86  In eine ähnliche Richtung geht Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (212), der meint, dass der Gesetzgeber durch § 241a I BGB den wirtschaftlichen Effekt einer Handschenkung erreichen wollte, ohne jedoch das Trennungsprinzip vor Augen gehabt zu haben.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re311

den Verweis auf das portugiesische Recht die Möglichkeit des Eigentums­ erwerbs nahelegen. Dies wird letztlich auch seitens des Gesetzgebers klargestellt, wenn dieser hervorhebt, dass eine im Einzelfall möglicherweise eintretende dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz hinzunehmen sei. Würde der Verbraucher bereits durch den Erhalt der Ware das Eigentum an dieser erwerben, wäre eine dauerhafte Trennung von Besitz und Eigentum präkludiert und somit die bereits angesprochene Konjunktion „soweit“, die dem zur Hinnahme einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz auffordernden Satz87 vorangestellt wurde, hinfällig. Diese bedingte Inkaufnahme eines dominium sine re durch den Ausschluss eines unmittelbaren Eigentumserwerbs auf Grundlage des § 241a I BGB mag zwar ungewöhnlich anmuten, ergab doch bereits die vorausgegangene Wortlautauslegung, dass besagte Norm nicht die dingliche Rechtslage betrifft.88 Dass einer solchen über den eigentlichen Regelungsbereich der Norm hinausgehenden Entscheidung des Gesetzgebers dennoch Folge zu leisten ist, lässt sich aber folgendermaßen begründen: Der Gesetzgeber beabsichtigte mittels § 241a BGB die Zusendung unbestellter Ware im Ganzen zu regeln, weshalb dieser auch Entscheidungen über den eigentlichen Anwendungsbereich der Norm hinaus treffen kann, sofern diese thematisch denselben Sachbereich betreffen.89 Grenzen werden ihm lediglich durch die europäischen Vorgaben, genauer die vollharmonisierende VRRL, aufgezeigt, vgl. insofern Art. 4 derselben. Mit der vollharmonisierenden Wirkung der VRRL würde die vorgenannte Sichtweise nur dann konfligieren, wenn diese sich gegenteilig gegenüber einem Eigentumserwerb zugunsten des Verbrauchers geäußert, einen solchen mithin vorgesehen hätte. Mit Blick auf die obigen Ausführungen, die die Diskussion zum Gegenstand hatten, ob es überhaupt unionsrechtskonform ist, den Vindikationsanspruch durch § 241a I BGB auszuschließen,90 kann dies aber nicht ernstlich in Betracht gezogen werden. Die VRRL entfaltet, wie bereits dargelegt, lediglich in Bezug auf vertragliche Rechtsbeziehungen eine vollharmonisierende Wirkung.91 Darüber hinaus lässt sich erneut auf Erwägungsgrund 51 der VRRL rekurrieren, welcher nahelegt, dass der europäische Gesetzgeber keine Regelungen treffen wollte, die die dingliche Rechtslage in den einzelnen Mitgliedstaaten betreffen.92 Zwar ist zuzugeben, dass der genannte Er87  BT-Drs.

14/2685, S. 46; siehe dazu schon oben S. 292. schon S. 300 ff. 89  So auch Walter, Erbringung unbestellter Leistungen (2009), S. 193. 90  Siehe dazu schon oben S. 33 ff. 91  Die vollharmonisierende Wirkung der VRRL wurde bereits oben umfassend behandelt, vgl. S. 43 ff. 92  Zu diesem bereits auf S. 47 f. 88  Vgl.

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

wägungsgrund keinen unmittelbaren Bezug auf die unbestellte Lieferung von Waren nimmt. Wenn der europäische Gesetzgeber sich indes schon zuvor nicht dazu hinreißen ließ, in die mitgliedsstaatlichen Regelungen zum Übergang des Eigentums einzugreifen, dann dürfte für die unbestellte Zusendung von Waren nur etwas anderes gelten, wenn dies ausdrücklich vorgesehen ist. Da dem Verbraucher jedoch nur ein „vertraglicher Rechtsbehelf“93 an die Hand gegeben werden sollte, der ihn vor der „Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung“ bewahrt,94 kann nicht davon ausgegangen werden, dass der europäische Gesetzgeber dem Verbraucher auch das Recht an der Ware selbst zubilligen wollte. Der deutsche Gesetzgeber überschreitet somit nicht die durch den europäischen Gesetzgeber gesetzten Grenzen, wenn er sich gegen einen unmittelbaren Eigentumserwerb durch § 241a I BGB entscheidet. Ob dabei der für die Versagung des Eigentumserwerbs angeführte Grund – die verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber Art. 14 GG95 – letztlich überzeugt oder die seitens der Literatur geäußerten Bedenken gegenüber diesem zutreffen, ist nicht von Belang.96 Würde man sich über die Gesetzesbegründung unter Verweis auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines unmittelbaren Eigentumserwerbs hinwegsetzen und diesen als Rechtsfolge des § 241a I BGB ansehen, deckte sich der objektive Regelungsgehalt der Norm nicht länger mit dem subjektiven Regelungsvorhaben des Gesetzgebers.97 Dies 93  So

ausdrücklich in Erwägungsgrund 60 der VRRL. Art. 27 VRRL. 95  Der Gesetzgeber spricht nur davon, dass der Ausschluss des § 985 BGB angemessen ist, vgl. BT-Drs. 14/2685, S. 46, der zuvor auf seine verfassungsrechtliche Vereinbarkeit überprüft wurde, vgl. BT-Drs. 14/292, S. 5 und 14. Gegenüber einem Eigentumserwerb scheint er dies anders zu beurteilen, wird unmittelbar im Anschluss an die soeben genannte Feststellung doch darauf eingegangen, dass eine dauerhafte Trennung von Besitz und Eigentum ggfs. hinzunehmen sei, vgl. BT.-Drs. 14/2685, S. 46. 96  Vgl. insbesondere Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 6 der den Einwand erhebt, dass zwischen einem Eigentumsübergang ipso iure gemäß § 241a I BGB und dem gesetzlichen Ausschluss des § 985 BGB kein nennenswerter Unterschied besteht, dazu bereits auf S. 298 und in Fn. 31. In der Sache dürfte dieser Einwand durchaus zutreffen, denn wenn bereits gegen die Schaffung eines domi­ nium sine re mittels Ausschlusses des § 985 BGB keine durchschlagenden verfassungsrechtlichen Bedenken sprachen, kann für den Eigentumsverlust des Unternehmers durch Versendung der unbestellten Ware nicht etwas grundlegend anderes gelten, divergieren die Rechtsfolgen doch letztlich marginal. A. A. Altmeppen, in: FS Westphalen (2010), 1 (7). Auch die europarechtlichen Vorgaben dürften dem nicht entgegenstehen, da diese für die dingliche Ebene keine abschließenden Regelungen treffen, vgl. S. 43 ff.; allgemein zur Vereinbarkeit des Vindikationsausschlusses mit den europarechtlichen Vorgaben und zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit auf S. 33 ff. 97  Siehe zu diesen Erwägungen auch Walter, Erbringung unbestellter Leistungen (2009), S. 193. 94  Vgl.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re313

wäre sowohl mit Blick auf die limitierende Wirkung des eindeutig erklärten Gesetzgeberwillens98 als auch in Anbetracht der Gewaltenteilung bedenklich. Derjenige, der das Gesetz klüger als den Gesetzgeber einstuft99 und somit den Vorrang der Rechtsanwendung gegenüber der Rechtssetzung postuliert, würde die Gewaltenteilung untergraben.100 Festzuhalten bleibt somit, dass es auch dem Willen des Gesetzgebers widerstrebt, dem Verbraucher durch Zusendung der unbestellten Ware das Eigentum unmittelbar zuzusprechen, obschon er die Möglichkeit der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz erkannt hat.101 Aus diesem Ergebnis erschließt sich nun nicht nur die methodische Unzulässigkeit jener Lösungen, die einen Eigentumserwerb ipso iure durch § 241a I BGB aufgrund Zusendung der Ware zu begründen versuchen, sondern es bestätigt sich auch final die fehlende Überzeugungskraft der aus dem Wertpapierrecht gezogenen Parallele – während der in Art. 21 ScheckG und Art. 16 II WG gelesene gutgläubige Erwerb dem Willen des Gesetzgebers entspricht, läge das Hineinlesen eines Eigentumserwerbs in § 241a I BGB gerade nicht im Interesse desselben.102 Im Ergebnis ist ein Eigentumserwerb durch bloße Zusendung der Ware somit methodisch unzulässig. d) Drohende Lasten für den Verbraucher Losgelöst von der Frage nach der methodischen Zulässigkeit eines auf § 241a I BGB gestützten unmittelbaren Eigentumserwerbs zugunsten des Verbrauchers wird oftmals noch ein eher praktischer Einwand gegen einen solchen erhoben: drohende Lasten für den Verbraucher, die mit dem unmit98  Vgl.

Kap. 2 Fn. 316 und Kap. 4 2. NJW 1981, 2081 (2087); Otte, NJW 1998, 1918 (1919). 100  Pestalozza, a. a. O. 101  BT-Drs. 14/2658, S. 46. So ausdrücklich Weber, Sachenrecht I, 4. Auflage, § 10 Rn. 82; unter Verweis auf den Willen des Gesetzgebers lehnen Schwarz, NJW 2001, 1449 (1450) und Walter, Erbringung unbestellter Leistungen (2009), S. 194 f. die Überzeugungskraft der Gegenargumentation ab. Dafür, dass sich der Gesetzgeber bewusst gegen einen Eigentumserwerb zugunsten des Verbrauchers entschieden hat, auch Leiß, Unbestellte Leistungserbringung (2006), S. 111; Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (212) betont ebenfalls den eindeutigen Willen des Gesetzgebers, „der offensichtlich nicht den Mut zu einem solchen Radikalschritt hatte“; Dornheim, Sanktionen und ihre Rechtsfolgen (2005), S. 182 f.; Haft/Eisele, in: Gedächtnisschrift Meurer (2002), 245 (252); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322); Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 33, der es für bedenklich hält, die Entscheidung des Gesetzgebers nur wenige Jahre nach Erlass der Norm zu konterkarieren. 102  Dies stellen auch Walter, Erbringung unbestellter Leistungen (2009), S. 194 f. und Leiß, Unbestellte Leistungserbringung (2006), S. 111 fest. 99  Pestalozza,

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

telbaren Rechtserwerb verbunden sein könnten.103 Legt man zwecks Konkretisierung dieser Befürchtung das von Walter gebildete Beispiel des Unternehmers zugrunde, der sämtliche Abfälle des Vertriebes auf einem Grundstück deponiert, um dieses dem Verbraucher sodann zum Kauf anzubieten,104 gelangt man zu dem Ergebnis, dass die Befürchtung unbegründet ist. Spätestens seit Aufhebung der FARL durch Art. 31 VRRL und der darauf fußenden Modifikation des § 241a I BGB dürfte das Beispiel als gänzlich ungeeignet eingestuft werden. Denn zum einen hat der Gesetzgeber den Begriff der „Sache“ durch jenen der „Ware“ entsprechend Art. 2 Nr. 3 der VRRL ersetzt, sodass nunmehr bereits ausweislich des Gesetzeswortlauts nur bewegliche Sachen von dem Anwendungsbereich des § 241a I BGB erfasst sind, und zum anderen könnte einem solchen Fall durch den Einwand des Rechtsmissbrauchs begegnet werden.105 Dies allein entbindet aber nicht von einer genaueren Auseinandersetzung mit dem Argument, dass mit dem Erwerb des Eigentums auch Lasten verbunden sein können. Dessen Stichhaltigkeit dürfte letztlich davon abhängen, was unter dem Begriff der „Lasten“ zu verstehen ist. Wollte man allein die dinglichen Sicherungsrechte an einer Mobilie darunter fassen, kann daraus kein ernst zu nehmendes Risiko für den Verbraucher und somit kein Argument gegen einen Eigentumserwerb ipso iure durch § 241a I BGB abgeleitet werden. Dagegen spricht neben der Möglichkeit des lastenfreien Erwerbs gemäß § 161 III BGB und der Beschränkung der Haftung auf den Wert des Gegenstandes – vgl. etwa für das Pfandrecht § 1204 I BGB – auch die Möglichkeit, sich der Ware jederzeit im Wege der Dereliktion entledigen zu können.106 Legt man dieses Verständnis zugrunde, gibt es keine Anhaltspunkte für Bedenken. Fasst man den Begriff dagegen weiter und lässt unter „Lasten“ jegliche Unannehmlichkeiten finanzieller Natur fallen, die dem Besitzer bedingt durch die unbestellte Zusendung der Ware widerfahren können, gestaltet sich die Lage anders. Zu denken ist etwa an die Aufwendungen, die der Verbraucher tätigt, um die Ware kontraobligatorisch an den Unternehmer zurückzusenden oder um die Ware zu entsorgen. Diese hätte der Verbraucher als Eigentümer primär selbst zu tragen.107 Besonders letzteres Beispiel erlangt vor 103  Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, 6. Auflage, Rn. 638, dort werden die möglichen Kosten für eine Beseitigung genannt; Leiß, Unbestellte Leistungserbringung (2006), S. 111; Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24; Walter, Erbringung unbestellter Leistungen (2009), S. 194. 104  Walter, Erbringung unbestellter Leistungen (2009), S. 194. 105  Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36, dort Fn. 154 („abstrus geradezu das Beispiel“). 106  Darauf stellt Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36 ab. 107  Leiß, Unbestellte Leistungserbringung (2006), S. 111; so auch Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, 6. Auflage, Rn. 638.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re315

dem Hintergrund der für Sondermüll zusätzlich anfallenden Kosten mehr Plastizität.108 Dadurch soll keineswegs das Bild eines Unternehmers entstehen, der defekte und als Sondermüll zu qualifizierende Ware versendet – ob § 241a I BGB und die zugrundeliegende VRRL einen solchen Fall vor Augen hatten, dürfte mangels entsprechenden Angebotes auf Abschluss eines Kaufvertrags ohnehin zweifelhaft sein.109 Vielmehr ist an den Verbraucher zu denken, der keine Verwendung für die funktionstüchtige, bei Entsorgung aber gleichwohl als Sondermüll einzustufende Ware findet und sich ihrer deshalb sachgerecht und unter Aufwendung finanzieller Mittel entledigt. Zwar ließe sich erwägen, dass der Verbraucher die getätigten Aufwendungen im Wege der Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber dem Unternehmer geltend machen könnte, jedoch würden sich angesichts des dann eingetretenen Eigentumsübergangs im Hinblick auf die Herleitung des Anspruchs Schwierigkeiten ergeben.110 Denn durch den Erwerb des Eigentums würde die Entsorgung der Ware ausschließlich die Rechtsposition des Verbrauchers beeinträchtigen,111 weshalb ein objektiv eigenes und kein fremdes Geschäft vorliegen würde. Das Führen eines eigenen Geschäfts zieht indessen weder geschäftsführungsrechtliche noch bereicherungsrechtliche Ansprüche nach sich.112 Gewiss dürften die finanziellen Lasten typischerweise wenig ins Gewicht fallen, ein gewisses Risiko für den Verbraucher lässt sich aber dennoch nicht bestreiten. An dieser Einschätzung würde auch eine typisierend wirtschaftliche Betrachtung,113 wie der BGH sie zugrunde legt, wenn der Eigen108  Besonders anschaulich aufgrund der nach Stückzahl anfallenden, nicht unerheblichen Kosten ist der unbestellt zugesandte Feuerlöscher, der nach der Bund Länder Arbeitsgemeinschaft Abfall als Sondermüll eingestuft wurde, vgl. https://www. hwk-duesseldorf.de/31,0,2487.html (zuletzt abgerufen 06.01.2021), wenngleich dieser Fall als eher realitätsfern einzustufen ist. Realitätsnäher dürfte dagegen die unbestellte Zusendung von Elektrogeräten sein, die ebenfalls getrennt entsorgt werden müssen, vgl. § 10 I ElektroG. 109  Gewiss lässt sich auch erwägen, den unbestellt zugesandten Sondermüll in Anbetracht der Weite des Warenbegriffs als von § 241a I BGB erfasst zu betrachten, sofern der Unternehmer den Verbraucher nur dazu auffordert, den Müll zu bezahlen, aufzubewahren oder zurückzusenden. Die praktische Relevanz derartiger Fälle ist allerdings fraglich. Zum entscheidenden Merkmal der Unlauterkeit vgl. Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 10. 110  Leiß, Unbestellte Leistungserbringung (2006), S. 112, der insofern auf Bülow/ Artz, Verbraucherprivatrecht, 2. Auflage, S. 153 verweist. Diese thematisieren jedoch keine Aufwendungsersatzansprüche des Verbrauchers nach Erhalt des Eigentums. 111  Zu diesem Kriterium nur Schäfer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 677 Rn. 40. 112  So jedenfalls die überwiegende Ansicht, siehe nur Bergmann, in: Staudinger, 2020, Vorb. §§ 677 ff. Rn. 123 mit einer Fülle an Nachweisen und Schäfer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 677 Rn. 40 ebenfalls m. w. N. 113  Nach dieser soll es unter anderem darauf ankommen, ob der „Rechtsnachteil seiner abstrakten Natur nach geeignet ist, nicht nur das Erworbene aufzuzehren, son-

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

tumserwerb an einem Grundstück zugunsten eines Minderjährigen in Rede steht,114 nichts ändern. Denn es ist angesichts des typischerweise niedrig anzusetzenden Wertes der unbestellt zugesandten Ware nicht auszuschließen, dass die Entsorgungs- oder Rücksendekosten diesen übersteigen. 4. Zwischenergebnis Damit bleibt festzuhalten, dass ein originärer Eigentumserwerb des Verbrauchers durch Zusendung der Ware auf Grundlage des § 241a I BGB schon aus methodischen Gründen nicht in Betracht kommt und deshalb entsprechend der herrschenden Meinung115 abzulehnen ist. Zwar mag die unmittelbare Eigentumsübertragung auf den Verbraucher durch den Erhalt der unbestellt zugesandten Ware die Rechtslage am schnellsten und einfachsten bereinigen. Allein dies vermag jedoch nicht darüber hinwegzuhelfen, dass sich ein Eigentumserwerb als Rechtsfolge des § 241a I BGB weder im Wege der Auslegung ermitteln lässt, noch dieser dem Willen des Gesetzgebers entspricht.

II. Mittelbarer Eigentumserwerb durch § 241a I BGB Der eindeutig erklärte Gesetzgeberwillen, dass § 241a I BGB keinen gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestand verkörpert, lässt die Möglichkeiten zur Übertragung des Eigentums jenseits dessen – insbesondere den rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb – jedoch unberührt. Im Folgenden soll deshalb erörtert werden, ob mittels Rechtsgeschäfts das Eigentum auf den Verbraucher übergehen könnte.

dern darüber hinaus Vermögensbeeinträchtigungen herbeizuführen“, vgl. Stürner, AcP 173 (1973), 402 (448). Grundlegend zu der typisierend wirtschaftlichen Betrachtung Stürner, a. a. O.; vgl. auch Duden, in: BeckOGK BGB, Stand 01.04.2021, § 107 Rn.  44 ff. m. w. N. 114  BGH, Beschluß vom 25.11.2004 – V ZB 13/04 = NJW 2005, 415 (418); BGH, Beschluß vom 03.02.2005 – V ZB 44/04 = NJW 2005, 1430 (1431); BGH, Beschluss vom 30.09.2010 – V ZB 206/10 = NJW 2010, 3643 (3644); dazu auch Stürner, AcP 173 (1973), 402 (431 ff.). 115  Sutschet, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 9; Mansel, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 241a Rn. 5; Toussaint, in: JurisPK BGB, 9. Auflage 2020, § 241a Rn. 14; Schulze, in: HandKomm BGB, 10. Auflage 2019, § 241a Rn. 8; Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 39; Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 17 und 26; Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 32; Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322); Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (212); Schwarz, NJW 2001, 1449 (1450); Berger, JuS 2001, 649 (651); Leiß, Unbestellte Leistungserbringung (2006), S.  110 ff.; Förderer, Der Anspruchsausschluss (2020), S. 26 ff.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re317

1. Gesetzliche Fiktion einer Handschenkung a) Das Lösungsmodell Ein zu jener Ansicht, die § 241a I BGB als gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestand einstuft, vergleichbares Ergebnis ließe sich erzielen, wollte man besagte Norm als gesetzliche Fiktion einer Handschenkung begreifen.116 Als innereuropäische Vorbilder können wiederum die schon zuvor angesprochenen Regelungen aus dem Vereinigen Königreich117 und Portugal118 genannt werden;119 in beiden Ländern kann der Verbraucher die unbestellt erhaltene Ware als Geschenk betrachten, sodass es gar nicht erst zu einer Trennung von Eigentum und Besitz kommt.120 In Deutschland charakterisiert sich die Handschenkung im Sinne des § 516 I BGB dadurch, dass das dingliche Rechtsgeschäft und das Kausalgeschäft zeitlich zusammenfallen.121 Wollte man annehmen, dass § 241a I BGB die gesetzliche Fiktion einer Handschenkung anordnet, würde dies demnach auf zweierlei gesetzliche Unterstellungen hinauslaufen: Einerseits die Erklärung des Unternehmers, dass die Ware ein Geschenk im Sinne des § 516 BGB darstellt, und andererseits ein unbedingtes Übereignungsangebot. Anders als durch jene Ansicht, welche in § 241a I BGB einen gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestand erkennt, würde das Eigentum somit nicht ipso iure durch Zustellung der Ware, sondern erst dann auf den Verbraucher übergehen, wenn dieser das Übereignungsangebot annimmt. Argumentativ wird dieses Lösungsmodell darauf gestützt, dass nur so der Ausschluss gesetzlicher Ansprüche und die Rückausnahme in Abs. 2 des § 241a BGB kohärent erklärt werden könnten.122 Verwiesen wird insbesondere auf die andernfalls entstehenden unbilligen Ergebnisse, wenn der Ver116  Vorangetrieben wurde diese Ansicht durch Schmidt-Kessel, in: PWW, 9. Auflage 2014, § 241a Rn. 3 und 12. Heute ebenso Kramme, in: PWW, 16. Auflage 2021, § 241a Rn. 3 und 14; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, 6. Auflage, Rn. 49; Sagan, jM 2020, 52 (55). Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322) sieht die Fiktion einer Willenserklärung kritisch („konstruktiv kaum zu bewerkstelligen“). 117  Regulation 27a Consumer Protection from Unfair Trading Regulation 2008. 118  Art. 13 Abs. 1 des Dekrets Nr. 57/2008 vom 26.03.2008 (Decreto-Lei no. 57/2008). 119  Im Einzelnen zu diesen Regelungen schon oben S. 295 ff. 120  Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (211, dort Fn. 78); Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 140; BT-Drs. 14/2658, S. 49; zu dem Verweis des deutschen Gesetzgebers auf die portugiesische Regelung sowie dazu, dass die Bemühung anderer europäischer Rechtsordnungen kein für das deutsche Recht tragfähiges Argument darstellt, siehe schon oben S. 309 ff. und S. 302 ff. 121  Siehe nur Gehrlein, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 516 Rn. 1. 122  Kramme, in: PWW, 16. Auflage 2021, § 241a Rn. 3.

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

braucher die Ware seinerseits weiterveräußert; ohne die Annahme einer Handschenkung könnte der Unternehmer gegen den Dritten vorgehen, weshalb der Verbraucher im Wege der Rechtsmängelhaftung letztlich in Mitleidenschaft gezogen und der Verbraucherschutz unterlaufen würde.123 Auf die Gesetzgebungsmaterialien, in denen der Gesetzgeber ausdrücklich auf das eine Handschenkung vorsehende portugiesische Lösungsmodell verweist, rekurrieren die Verfechter dieses Lösungsmodells dagegen nicht.124 b) Kritische Auseinandersetzung Hinterfragt man diesen Lösungsansatz kritisch, finden sich allerdings schnell Gründe dafür, an diesem zu zweifeln. Durchschlagende Argumente ergeben sich bereits aus den obigen Ausführungen: So lässt sich auch der gesetzlichen Fiktion einer Handschenkung entgegnen, dass § 241a I BGB weder nach dem Wortlaut der Norm noch nach dem Willen des Gesetzgebers Auswirkungen auf die dingliche Rechtslage hat.125 Darüber hinaus lässt der Normtext im Speziellen Anhaltspunkte für eine Schenkungsfiktion vermissen. Nichtsdestotrotz soll dieses Lösungsmodell im Detail auf seine Validität hin überprüft werden. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die beiden zuvor genannten Stützpfeiler diese Ansicht tragen können. Hinsichtlich des seitens der Vertreter dieses Lösungsmodells zumindest nicht ausdrücklich herangezogenen Gesetzgeberverweises auf die portugiesische Rechtsordnung ist diese nicht mehr schwer zu beantworten. Wie schon zuvor festgestellt, rührt dieser allein daher, dass die portugiesische Lösung im Ergebnis der durch den deutschen Gesetzgeber anvisierten ähnelt.126 Ein auf § 241a I BGB gestützter Eigentumserwerb lässt sich daraus indessen nicht ableiten. Hebt man daneben noch einmal hervor, dass auch der portugiesischen Rechtsordnung 123  Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, 6. Auflage, Rn. 49. Fragwürdig an dieser Argumentation ist bereits die Einstufung der fehlgeschlagenen Übereignung des Verbrauchers auf den Dritten als Rechtsmangel. Nach überwiegender Ansicht bedarf es in einem solchen Fall noch nicht des Rückgriffs auf das Mängelgewährleistungsrecht. Der Dritte könnte mangels wirksamer Eigentumsverschaffung vielmehr noch seinen Primäranspruch geltend machen, vgl. dazu nur Gutzeit, in: BeckOGK BGB, Stand 01.03.2021, § 435 Rn. 23 ff. m. w. N. zu beiden Ansichten. 124  Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 46; dieses Argument führt Jacobs, JR 2004, 490 (491) an, der die Lösung gleichwohl ablehnt. Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24 meint, dass der deutsche Gesetzgeber angesichts dieses Verweises eine Rechtslage schaffen wollte, die der portugiesischen entspricht. Dieser folgt indessen nicht dem Lösungsmodell der gesetzlich fingierten Handschenkung. 125  Siehe schon oben S. 300 ff. Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36 lehnt die Lösung ebenfalls ab. 126  Siehe zu den Einzelheiten die Ausführungen auf S. 309 ff.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re319

das deutsche Trennungsprinzip fremd ist,127 das heißt an die Fiktion des einen Rechtsgeschäfts in Form der Schenkung gleichzeitig ein Eigentumsübergang geknüpft wird, kann allein der Verweis des deutschen Gesetzgebers auf die portugiesische Lösung schwerlich die Fiktion zweier Willenserklärungen des Unternehmers – im deutschen Zivilrecht bedürfte es neben einem Schenkungs- eben auch eines Übereignungsangebotes – rechtfertigen.128 Gegen eine so weitreichende Interpretation sprechen nicht zuletzt auch die hohen Anforderungen, die an die Annahme einer gesetzlichen Fiktion gestellt werden.129 Offen ist somit noch die Stützkraft der zweiten Säule, weshalb es die Frage zu stellen gilt, ob der Verbraucher tatsächlich nur im Wege der fingierten Handschenkung vor möglichen Ansprüchen aus „Rechtsmängelhaftung“130 bewahrt werden könne, die gegen ihn zu entstehen drohen, wenn er über die Ware verfügt. Dabei ist bereits vorab festzuhalten, dass ein erfolgreiches Vorgehen des Unternehmers gegenüber dem Dritten nur dann denkbar ist, wenn der Verbraucher wirksam aber unentgeltlich (§ 816 I S. 2 BGB) oder unwirksam (§ 985 BGB) über die Ware verfügt; schon diese zusätzlichen Voraussetzungen schwächen das Risiko für den Dritten, durch den Unternehmer erfolgreich in Anspruch genommen zu werden, ab, weshalb das Argument an Gewicht einbüßt. Kehrt man vor diesem Hintergrund zur Ausgangsfrage zurück, stellt man zudem fest, dass der drohende Konflikt keineswegs nur durch die Annahme einer gesetzlich fingierten Handschenkung vermieden werden kann. Liest man in § 241a I BGB etwa anstatt einer gesetzlich fingierten Handschenkung eine gesetzliche Ermächtigung zur Verfügung über die Ware,131 könnte die Situation gleichermaßen bereinigt werden.132 In diesem Fall verfügte der Verbraucher als Berechtigter, sodass der Empfänger unabhängig von den Voraussetzungen der §§ 932 ff. BGB Eigentum an den Waren erwerben würde. Folglich hätte der Unternehmer keine Handhabe gegenüber dem Dritten und es bestünde keine Gefahr für den Verbraucher, 127  Siehe

dazu schon oben S. 296 f. und S. 302 f. wurde eine solche Fiktion nicht namentlich in den Gesetzgebungsmaterialien genannt, wie dies etwa in der Schweiz bzgl. des fingierten Dereliktionswillens der Fall ist, vgl. S. 330 f. 129  Dazu sogleich im Text. 130  Zur Kritik an der Einstufung der fehlgeschlagenen Übereignung als Rechtsmangel siehe schon Kap. 4 Fn. 123. 131  Dafür Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (210 f.). Kritisch gegenüber einer Verfügungsermächtigung durch § 241a I BGB Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322). 132  Für diese Lösung finden sich jedoch ebenso wenige Anhaltspunkte im Wortlaut der Norm und der Gesetzesbegründung wie für die gesetzliche Fiktion einer Handschenkung. Kritisch gegenüber diesem Ansatz insbesondere Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24, der die Wiederbelebung der Lehre vom doppelten Eigentum fürchtet, dazu schon oben S. 92 ff. 128  Insbesondere

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

seinerseits durch den Dritten in Anspruch genommen zu werden.133 Auch eine gesetzliche Verfügungsbefugnis – ein im Vergleich zur Fiktion einer Handschenkung gleichsam milderes Mittel – könnte folglich dem Präven­ tionscharakter des § 241a I BGB Rechnung tragen.134 Daran anknüpfend streitet auch die Erforderlichkeit gegen das Lösungsmodell in Gestalt der gesetzlich fingierten Handschenkung, denn der Fiktion eines schuldrecht­ lichen Geschäfts, welches die Verfügungsbefugnis wiederum legitimiert, bedarf es nicht zwingend. Durch die gesetzliche Fiktion einer Handschenkung würde demnach mehr fingiert als für die Erreichung des angestrebten Ziels – dem Schutz des Verbrauchers vor möglichen Ansprüchen des Dritten aus „Rechtsmängelhaftung“135 – eigentlich notwendig wäre. Die zweite Säule ist somit ebenfalls nicht tragfähig. Abschließend offenbart der diskutierte Ansatz mit Blick auf die verwendete Begrifflichkeit „Fiktion“ ein methodisches Manko. Die Fiktion ist insbesondere von der unwiderleglichen Vermutung zu unterscheiden, wobei als Abgrenzungskriterium die gesetzgeberischen Motive dienen.136 Während die unwiderlegliche Vermutung sowohl Fälle des Vorliegens als auch des Nichtvorliegens der vermuteten Tatsache erfasst, steht bei einer gesetzlichen Fiktion von vornherein fest, dass diese nicht mit der Lebenswirklichkeit übereinstimmt.137 Subsumiert man die vorgeschlagene Lösung der fingierten Handschenkung dieser Einsicht, gelangt man zu Folgendem: Zwar mag es keineswegs die Regel darstellen, dass der Unternehmer die Ware schenkweise an den Verbraucher versendet, gänzlich ausgeschlossen werden kann ein solcher Fall indessen nicht.138 Berücksichtigt man zusätzlich das Fehlen der eine gesetzliche Fiktion typischerweise kennzeichnenden Worte „gilt“

133  Diese Lösung brächte zusätzlich den Vorteil mit sich, mögliche Ansprüche gegen den Verbraucher aus § 816 I BGB und § 822 BGB bereits tatbestandlich auszuschließen, vgl. dazu Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (210 f.). 134  Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (212); Bunte, in: FS Gaedertz (1992), 87 (94); a. A. Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322), der den Einbruch in die Privatsphäre des Verbrauchers durch die Versendung bereits aufgrund der Nutzungsbefugnisse zugunsten des Verbrauchers als kompensiert betrachtet; kritisch auch Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 31a; zur Frage, ob der Unternehmer nach wirksamer Verfügung des Verbrauchers noch einen Anspruch aus § 816 I BGB geltend machen kann bereits oben S. 80 ff. 135  So Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, 6.  Auflage, Rn. 49; siehe dazu schon S. 318 Fn. 123. 136  Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2018, § 292 Rn. 3. 137  Laumen, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 13. Auflage 2021, § 292 Rn. 2; Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2018, § 292 Rn. 3; Creifelds, Rechtswörterbuch, 26. Edition 2021, „Fiktion“. 138  So auch Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 112.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re321

oder „gelte“139 im Normtext des § 241a I BGB sowie das Schweigen der Gesetzesbegründung hinsichtlich einer Schenkungsfiktion, erhärtet sich der Verdacht, dass nicht eine Fiktion, sondern allenfalls die unwiderlegliche Vermutung einer Handschenkung in besagter Norm niedergelegt sein könnte. Lässt man die Vorfrage, ob dem Gesetz bzw. der Gesetzesbegründung die Vermutung für eine Handschenkung eher entnommen werden kann als eine Fiktion, zunächst außen vor und wendet sich direkt der Widerlegbarkeit derselben zu, finden sich sogar Argumente für die Unwiderlegbarkeit der Vermutung. Zwar sind nach § 292 S. 1 ZPO gesetzliche Vermutungen nur dann unwiderleglich ausgestaltet, wenn das Gesetz dies vorschreibt; die insofern an das Gesetz gestellten Anforderungen werden gemeinhin als hoch eingestuft,140 weshalb die Unwiderleglichkeit einer Vermutung typischerweise anhand des Wortlauts der Norm zu erkennen ist141 oder sich jedenfalls aus besonderen Anhaltspunkten ergibt.142 Zumindest besondere Anhaltspunkte für die Unwiderlegbarkeit einer gesetzlich vermuteten Handschenkung fänden sich jedoch in § 241a III BGB. Das dort niedergelegte Umgehungsverbot untersagt es dem Unternehmer, von den durch § 241a BGB getroffenen Regelungen zum Nachteil des Verbrauchers abzuweichen. Nähme man eine gesetzlich vermutete Handschenkung der unbestellt zugesandten Ware zugunsten des Verbrauchers an, spräche mithin viel dafür, diese auch als unwiderleglich anzusehen. Indessen legen weder der Wortlaut noch die Gesetzesbegründung den Schluss nahe, dass bei Versendung unbestellter Ware an einen Verbraucher durch § 241a I BGB das Vorliegen eines Schenkungs- und Übereignungsangebotes vermutet werden soll. Der Verweis innerhalb der Gesetzgebungsmaterialien auf das portugiesische Recht kann dem nicht entgegengehalten werden. Wie schon zuvor dargelegt, ist die insofern gezogene Parallele auf die Vergleichbarkeit der Rechtsfolgen zurückzuführen, die durch § 241a I BGB und Art. 15 des Decreto-Lei no. 272/87 für den Fall des Erhalts unbestellter Waren vorgesehen wurden.143 139  Siehe

nur Bacher, in: BeckOK ZPO, 42. Ed. Stand 01.09.2021, § 292 Rn. 5. in: BeckOK ZPO, 42. Ed. Stand 01.09.2021, § 292 Rn. 4; Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2018, § 292 Rn. 4 („im Gesetz klar zum Ausdruck kommt“); OVG Münster, Urteil vom 14.09.1988 – 14 A 1053/85 = NVwZ-RR 1989, 500 (500) („[es bedarf] einer unzweideutigen gesetzlichen Anordnung […], um annehmen zu können, eine Vermutung lasse den Beweis des Gegenteils nicht zu, sondern sei unwiderleglich“). 141  Bacher, in: BeckOK ZPO, 42. Ed. Stand 01.09.2021, § 292 Rn. 4. Siehe exemplarisch § 1566 II BGB. 142  Bacher, a. a. O.; Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Auflage 2018, § 292 Rn. 4 („im Gesetz klar zum Ausdruck kommt“); OVG Münster NVwZ-RR 1989, 500 (500). 143  Vgl. S. 309 ff. Siehe zudem Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 113, der danach fragt, wie die auf der einen Seite postulierte Nichtigkeit des Angebotes auf Abschluss eines Kaufvertrags mit einem wirksamen Übereig140  Bacher,

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

2. Gesetzliche Fiktion eines unbedingten Übereignungsangebotes a) Das Lösungsmodell Gleichsam als Minus im Vergleich zur gesetzlich fingierten Handschenkung – auf die Fiktion des Kausalgeschäfts wird verzichtet – ließe sich erwägen, durch § 241a I BGB ein unbedingtes Übereignungsangebot seitens des Unternehmers zu fingieren.144 Auch hier käme es lediglich mittelbar, das heißt erst durch die Annahme des Übereignungsangebotes zu einem Eigentumsübergang auf den Verbraucher. Für diese Sichtweise ließe sich abermals eine europäische Parallele heranziehen, namentlich das niederländische Recht. Dort findet sich das Pendant zu § 241a I BGB in Art. 7:7 Abs. 1 BW,145 der wie folgt lautet: „Degene aan wie een zaak is toegezonden en die redelijkerwijze mag aannemen dat deze toezending is geschied ten einde hem tot een koop te bewegen, is ongeacht enige andersluidende mededeling van de verzender jegens deze bevoegd de zaak om niet te behouden, tenzij het hem is toe te rekenen dat de toezending is geschied.“

Der Wortlaut selbst mag dem ersten Anschein nach zwar lediglich fest­ legen, dass der Empfänger die Ware unentgeltlich behalten darf (de zaak om niet te behouden), was aus der Perspektive eines deutschen Juristen keineswegs unmissverständlich für eine dingliche Wirkung streitet. Nichtsdestotrotz zieht die niederländische Fachliteratur aus Art. 7:7 Abs. 1 BW überwiegend den Schluss – obschon sich weder das Gesetz noch die Gesetzesbegründung146 mit der sachenrechtlichen Seite der Regelung befasst hat –, dass es zu einem Eigentumsübergang zugunsten des Empfängers kommt.147 Begrünnungsangebot auf der anderen Seite in Einklang zu bringen ist und darüber hinaus betont, dass selbst der rechtskundige Verbraucher die Zusendung der unbestellten Ware nicht als schenkweise Angebot des Eigentums verstehen wird. 144  Wendehorst, DStR 2000, 1311 (1317) scheint Sympathien für diese Lösung zu hegen, wenn sie betont, dass es eine bessere Alternative zu der vom Gesetzgeber getroffenen Regelung gewesen wäre, ein Übereignungs­angebot des Unternehmers zu fingieren. Kritik gegenüber der Fiktion einer Willenserklärung äußert Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322). 145  Siehe zur Rechtsvergleichung zwischen Deutschland und den Niederlanden in Bezug auf § 241a BGB Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 186 ff. und 220. 146  Siehe Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 187 m. w. N. 147  Castermans/Krans, in: Burgerlijk Wetboek Tekst & Commentaar, 2013, Art. 7 1. „Algemeen“, die es angesichts der Schenkungsparallele als plausibel erachten, dass der Besitzer, wenn er es wünscht, auch das Eigentum an der Sache erwerben kann; vgl. im Übrigen die Nachweise bei Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware 2005, S. 187.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re323

det wird dies nicht zuletzt damit, dass der Gesetzesentwurf und die Gesetzesbegründung zu der vorherigen Fassung des Art. 7:7 Abs. 1 BW einen Schenkungsbezug aufwiesen.148 Auf erste Sicht ergeben sich also keine nennenswerten Unterschiede etwa zur portugiesischen Rechtslage, zumal auch dem niederländischen Recht das in Deutschland postulierte Trennungsprinzip fremd ist.149 Da das Burgerlijk Wetboek, anders als das portugiesische Recht,150 jedoch nicht dem Konsensprinzip, sondern dem Traditionsprinzip folgt – neben der Verpflichtung zur Eigentumsübertragung bedarf es zusätzlich einer Übergabe –,151 könnte die niederländische Regelung bzw. deren Interpretation durch die niederländische Fachliteratur für das deutsche Recht mit Blick auf die dogmatische Rechtfertigung des Eigentumsübergangs Relevanz entfalten. Die niederländische Lehre bemüht für den Übergang des Eigentums an der unbestellt zugesandten Ware auf den Empfänger die allgemeine Bestimmung des Burgerlijk Wetboek zur Übertragung von Eigentum, den Art. 3:84 Abs. 1.152 Dieser setzt sich aus den folgenden drei Tatbestandsvoraussetzungen zusammen: (1) einem gültigen Titel (geldige titel), der die Übertragung rechtfertigt und sowohl in einem schuldrechtlichen Vertrag als auch in einer gesetzlichen Bestimmung begründet liegen kann,153 (2) einer Lieferung (­levering) – dazu sogleich genauer – und (3) der Verfügungsberechtigung (bevoegd is over het goed te beschikken).154 Rekurriert man noch einmal auf die bereits hervorgehobene Schenkungsparallele, mag es naheliegen, im Falle des Art. 7:7 Abs. 1 BW den gültigen Titel in einer (fingierten) Schenkung zu erblicken, die im niederländischen Recht – anders als in England155 – ebenfalls einen Vertrag darstellt, vgl. 148  Castermans/Krans, in: Burgerlijk Wetboek Tekst & Commentaar, 2013, Art. 7 1. „Algemeen“ mit Verweis auf Abs. 3 des Gesetzesentwurfs und die Gesetzesbegründung, Parl. Gesch. InvW 7, S. 91. 149  Vgl. schon Kap. 4 Fn. 49. 150  Siehe oben S. 297. 151  Salomons, in: Farber/Lurger, National Reports on the Transfer of Movables in Europe, Bd. 15, 2011, 1 (61) m. w. N. 152  Zur Einordnung des Art. 3:84 Abs. 1 BW als allgemeiner Eigentumsübertragungstatbestand siehe Salomons, in: Farber/Lurger, National Reports on the Transfer of Movables in Europe, Bd. 15, 2011, 1 (53). Dazu, dass Art. 3:84 Abs. 1 BW auch dann bemüht wird, wenn unbestellt Waren versandt werden, siehe Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 187 m. w. N. 153  Salomons, in: Farber/Lurger, National Reports on the Transfer of Movables in Europe, Bd. 15, 2011, 1 (53, 62 ff.). 154  Siehe insgesamt zu den Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 3:84 Abs. 1 BW Salomons, in: Farber/Lurger, National Reports on the Transfer of Movables in Europe, Bd. 15, 2011, 1 (53 ff.). 155  Siehe schon S. 295.

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Art. 7:175 Abs. 1 BW.156 Dies entspricht aber nicht dem Vorgehen der niederländischen Lehre, die von einer Schenkungsfiktion absieht und Art. 7:7 Abs. 1 BW selbst als den die Eigentumsübertragung rechtfertigenden Titel heranzieht, da der Gesetzgeber darin implizit die Legitimität eines Eigentumsübergangs zum Ausdruck gebracht habe.157 Die zweite Tatbestands­ voraussetzung in Form der Lieferung ist, anders als ein deutscher Jurist vermuten würde, nicht bereits aufgrund der unbestellten Zustellung der Ware erfüllt. Vielmehr setzt sich der Vorgang der Lieferung im niederländischen Recht aus zwei Elementen zusammen: erstens der Vereinbarung zwischen Übertragendem und Empfänger, in der die gemeinsame Absicht zur Übertragung des Vermögenswertes zum Ausdruck kommt (dies entspricht der dinglichen Einigung im deutschen Recht) und zweitens einer Handlung, die diese Absicht belegt (dies dürfte der deutschen Übergabe nahekommen).158 Parallel zum deutschen Recht stellt sich mithin die Frage, wie eine Vereinbarung des Inhalts, dass der Empfänger das Eigentum bereits durch Erhalt der unbestellt zugesandten Ware erhalten soll, begründet werden kann. Die Antwort der niederländischen Fachliteratur besteht darin, dass sie auch den Übertragungswillen aufgrund der Wertung des 7:7 Abs. 1 BW als gegeben ansieht.159 Der für die Eigentumsübertragung erforderliche dingliche Wille wird mithin fingiert.160 Aufgrund der Äquivalenz des deutschen und niederländischen Rechts im Hinblick auf die für eine rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung erforderliche dingliche Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber stellt sich nun die Frage, ob hinsichtlich des § 241a I BGB in gleicher Weise verfahren werden kann: Lässt sich ein unbedingtes Übereignungsangebot des Unter156  Salomons, in: Farber/Lurger, National Reports on the Transfer of Movables in Europe, Bd. 15, 2011, 1 (53) qualifiziert die Schenkung im niederländischen Recht ebenfalls als Vertrag. 157  Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 187. 158  Salomons, in: Farber/Lurger, National Reports on the Transfer of Movables in Europe, Bd. 15, 2011, 1 (60). 159  Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 187 f. m. w. N. Dieser weist zu Recht darauf hin, dass es aus der Perspektive eines deutschen Juristen befremdlich ist, auf der einen Seite an einen rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbstatbestand anzuknüpfen, auf der anderen Seite aber sämtliche Voraussetzungen für diesen zu fingieren und diesen dadurch faktisch zu einem gesetzlichen Eigentums­ erwerbstatbestand auszugestalten, vgl. a. a. O., S. 188. 160  In der Sache überrascht diese Schlussfolgerung nicht, berücksichtigt man, dass das Burgerlijk Wetboek auch im Übrigen darauf bedacht ist, eine Trennung von Eigentum und Besitz zu vermeiden, vgl. nur Art. 3:105 Abs. 1 BW. Dies dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass auch im niederländischen Recht ein nume­ rus clausus gilt, sodass nur jene absoluten Rechte anerkannt werden, die Einzug in das Burgerlijk Wetboek gefunden haben, vgl. nur Salomons, in: Farber/Lurger, National Reports on the Transfer of Movables in Europe, Bd. 15, 2011, 1 (11).



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re325

nehmers auch in Deutschland fingieren? Dem deutschen Recht ist die Fiktion einer Willenserklärung jedenfalls nicht grundlegend fremd, obgleich eine solche nicht die Regel darstellt.161 Für prominente Beispiele sei neben § 108 II S. 2 BGB, § 177 II S. 2 BGB und § 516 II S. 2 BGB auf § 362 I S. 1 HGB sowie das kaufmännische Bestätigungsschreiben verwiesen.162 Insbesondere den beiden letztgenannten Fällen könnte möglicherweise eine für den Fall des § 241a I BGB fruchtbare Wertung entnommen werden, lässt sich doch auch dem Unternehmer eine kaufmannsähnliche Eigenschaft attestieren.163 b) Kritische Auseinandersetzung Nun gilt es freilich, die Annahme, § 241a I BGB fingiere eine unbedingte dingliche Willenserklärung des Unternehmers auf Übereignung, genauer zu beleuchten. Allein unter Verweis darauf, dass kein kondiktionsfester Erwerb gewährleistet würde, kann dieser Ansatz nicht abgelehnt werden, schließt § 241a I BGB doch trotz fehlenden Rechtsgrundes mögliche Ansprüche aus § 812 BGB aus. Anders verhält sich dies in Bezug auf den Wortlaut der Norm sowie die einschlägige Gesetzesbegründung. Weder ersterer noch letztere bieten Anhaltspunkte für die Fiktion einer dinglichen Willenserklärung des Unternehmers. Darüber hinaus kann der Umstand, dass dem Gesetz selbst die Fiktion einer Willenserklärung keineswegs fremd ist,164 einer solchen Interpretation nur auf den ersten Blick zugutegehalten werden. Denn bei genauerer Betrachtung würde die hier in Frage stehende Fiktion eines Angebotes auf Übertragung des Eigentums ein zivilrechtliches Novum begründen; sämtliche zuvor genannten Regelungen führen allenfalls zur Fiktion einer Annahmeerklärung. Allein darin erschöpft sich die Kritik indessen nicht, weshalb nachfolgend die gesetzlichen Fiktionen im Einzelnen beleuchtet werden sollen.

161  Grundsätzlich kommt Schweigen kein Erklärungsgehalt zu, vgl. nur Möslein, in: BeckOGK BGB, Stand 01.02.2018, § 146 Rn. 34 und Bork, in: Staudinger, 2020, § 146 Rn. 5 jeweils m. w. N. 162  Möslein, in: BeckOGK BGB, Stand 01.02.2018, § 146 Rn. 43  ff.; Bork, in: Staudinger, 2020, § 146 Rn. 6; Welter, in: MüKo HGB, 5. Auflage 2021, § 362 Rn. 1 und 13; nach Wertenbruch, BGB AT, 4. Auflage, § 10 Rn. 61 kommt es praktisch nicht darauf an, ob das kaufmännische Bestätigungsschreiben deklaratorische oder konstitutive Wirkung hat. 163  Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 220. Ausreichend ist bereits das Auftreten wie ein Kaufmann im Rechtsverkehr, vgl. Wertenbruch, BGB AT, 4. Auflage, § 10 Rn. 62; Möslein, in: BeckOGK BGB, Stand 01.02.2018, § 146 Rn. 49. 164  Für die angesprochenen Beispiele siehe unter der vorausgegangenen Überschrift S. 325.

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Sowohl das kaufmännische Bestätigungsschreiben als auch § 362 I S. 1 HGB tragen den besonderen Umständen des Verkehrs zwischen Kaufleuten Rechnung. Schon unter der Geltung des Preußischen Allgemeinen Landrechts war es Brauch,165 dass „sich der Kaufmann, der sein Gewerbe mit Geschäftsbesorgungen betreibt, der Besorgung eines ihm aufgetragenen Geschäfts unterziehen will, wenn er nicht widerspricht.“166 Ziel ist es, dem anbietenden Kaufmann die Aufwendung von Ressourcen, die er ansonsten in die Überprüfung des Vorliegens einer konkludenten Annahmeerklärung investieren müsste, zu ersparen.167 Ein Brauch des Inhalts, dass der Verbraucher das Eigentum an der unbestellt zugesandten Ware erwerben soll, kann jedoch nicht ernsthaft erwogen werden.168 Ein Rückgriff auf die aus § 108 II S. 2 BGB oder § 177 II S. 2 BGB resultierenden Fiktionen kann ebenfalls nicht aushelfen. Diese fußen zwar nicht auf einem Handelsbrauch, sondern dienen primär dazu, eine Schwebelage zu beenden,169 und umgehen damit den zuvor genannten Vorwurf. Allerdings lässt sich umgekehrt aus der daraus resultierenden Distanz zu der dem Unternehmer näherliegenden Kaufmannseigenschaft ein Gegenargument gewinnen. Auch im Übrigen vermag diese Überlegung nicht zu überzeugen, wenngleich sich erwägen lässt, dass der Zweck des § 241a BGB auch darin liegt, Rechtsklarheit zu schaffen, und dem Gedanken, eine Schwebelage zu be­ enden, damit zumindest ähnelt. Denn aus dem fruchtlosen Ablauf der gesetzten Frist folgt sowohl gemäß § 108 II S. 2 BGB als auch gemäß § 177 II S. 2 BGB die Verweigerung einer Genehmigung. Im Interesse der Rechtsklarheit wird im Zweifelsfall somit keine Verbindlichkeit begründet. Dieses Prinzip würde ins Gegenteil verkehrt, wollte man eine Willenserklärung des Unternehmers zur Übertragung des Eigentums fingieren.

165  Vgl. den Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (1857), S. 125. Dort fand der Handelsbrauch in Art. 240 des preußischen Entwurfs für ein HGB Berücksichtigung; siehe im Übrigen Welter, in: MüKo HGB, 5. Auflage 2021, § 362 Rn. 13. 166  Welter, in: MüKo HGB, 5. Auflage 2021, § 362 Rn. 13; vgl. auch Möslein, in: BeckOGK BGB, Stand 01.02.2018, § 146 Rn. 47. 167  Roth, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, 9. Auflage 2019, § 362 Rn. 9. 168  Vgl. zum Ganzen auch Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 220. 169  Zum Telos der §§ 108 II S. 2, 177 II S. 2 BGB vgl. Duden, in: BeckOGK BGB, Stand 01.04.2021, § 108 Rn. 41; Spickhoff, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 108 Rn. 23 („den […] belastenden dauernden Schwebezustand […] beenden“); Schäfer, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 177 Rn. 34 („Schwebezustand möglichst schnell zu beenden und Klarheit bezüglich der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts zu erlangen“); Schubert, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 177 Rn.  26 ff.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re327

Somit verbleibt nur noch das Schenkungsrecht als möglicher Anknüpfungspunkt für die Fiktion einer Willenserklärung. § 516 II S. 2 BGB fingiert die Annahme des Schenkungsangebotes, wenn der Beschenkte nicht binnen der durch den Schenker gesetzten Frist etwas Gegenteiliges erklärt.170 Dieser Fall scheint zumindest dem ersten Anschein nach der § 241a BGB zugrundeliegenden Situation zu gleichen, vollzieht der Schenker doch auch in diesem Fall die Schenkung, bevor ein Schenkungsvertrag geschlossen wurde – er liefert ungeachtet fehlender vertraglicher Einigung.171 Dass daraus dennoch keine Wertung zugunsten der Fiktion einer unbedingten Willenserklärung gewonnen werden kann, ergibt sich aus der eingangs schon angesprochenen gegenläufigen Richtung des § 516 II S. 2 BGB – dieser begründet allenfalls eine Annahmeerklärung, wohingegen hier die Fiktion eines Angebotes in Rede steht. Auch im Übrigen kann aus § 516 II S. 2 BGB keine Wertung zugunsten einer unbedingten Übereignungserklärung zulasten des Unternehmers entnommen werden, unterscheiden sich die auf der Fiktion einer Schenkungsannahme fußenden Rechtsfolgen doch erheblich von jenen, die aus der Fiktion eines unbedingten Übereignungsangebotes hervorgehen würden: Während der Rechtskreis des Beschenkten durch die Fiktion eine Erweiterung erfährt, würde derjenige des wettbewerbswidrig handelnden Unternehmers infolge der Fiktion potentiell – erforderlich wäre zusätzlich die Annahme des Angebotes durch den Verbraucher – geschmälert. Hinzukommend kann § 516 II S. 2 BGB die Vermutung für sich geltend machen, dass zumindest grundsätzlich jeder gern eine unentgeltliche Zuwendung erhält.172 Der Schenker kann deshalb berechtigterweise erwarten, dass der Beschenkte, sollte diese Vermutung einmal nicht zutreffen, entsprechend protestiert.173 Ein Pendant, dass Waren bevorzugt unentgeltlich zugewendet werden, existiert hingegen nicht. Noch grotesker wäre das Aufstellen einer solchen Vermutung, wenn sie den Unternehmer betrifft, der durch seine Tätigkeit seinen Lebensunterhalt bestreitet.174 Daran vermag auch der Um170  Siehe

dazu nur Weidenkaff, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 516 Rn. 12. in: BeckOGK BGB, Stand 01.10.2021, § 516 Rn. 113. 172  Flume, BGB AT, Bd. 2, 4. Auflage, § 10 2 (S. 118) („Man sagt vielfach, das Gesetz entspreche dem ‚mutmaßlichen‘ Willen des Unterlassenden“); Harke, in: BeckOGK BGB, Stand 01.10.2021, § 516 Rn. 116. 173  Harke, in: BeckOGK BGB, Stand 01.10.2021, § 516 Rn. 116. Die Vermutung des § 516 II S. 2 BGB konterkariert auch nicht das oben herausgearbeitete Argument in Form der drohenden Lasten für den Verbraucher, die mit einem unmittelbaren Eigentumserwerb aufgrund Zustellung der unbestellten Ware einhergehen können, vgl. S. 313 ff. Denn der Beschenkte könnte – anders als der Verbraucher – gerade dann, wenn er keine Verwendung für die geschenkte Sache hat und diese deshalb kostenpflichtig entsorgen müsste, die Vermutung widerlegen. 174  Diese Erwägungen stellt auch Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S.  140 f. an. 171  Harke,

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stand, dass Ware vereinzelt unentgeltlich zugewandt wird,175 nichts zu ändern. Greift man den letztgenannten Punkt erneut auf und stellt fest, dass auch die Abgabe einer unbedingten Übereignungserklärung durch den Unternehmer zwar unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen ist, müssen schließlich dieselben methodischen Erwägungen angestellt werden, die bereits unter der vorausgegangenen Überschrift diskutiert wurden. Hier wäre es gleichermaßen indiziert, die unbedingte dingliche Übereignungserklärung des Unternehmers, wenn, dann als unwiderlegliche Vermutung auszugestalten. Auch hinsichtlich der Kritik wäre indessen auf die obigen Ausführungen zu verweisen. Denn ungeachtet des Umstands, dass § 241a III BGB für die Unwiderleglichkeit einer gesetzlichen Vermutung streiten könnte, fehlt es jedenfalls an Anhaltspunkten innerhalb des Gesetzes und der Gesetzesbegründung, die die Annahme einer gesetzlichen Vermutung rechtfertigen.176 Den finalen Kritikpunkt bietet das schon zuvor angedeutete deutsche Unverständnis gegenüber der niederländischen Lehre, die neben einem wirksamen Titel auch die Lieferung der Sache177 und damit den Großteil der für einen rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb gemäß Art. 3:84 Abs. 1 BW notwendigen Voraussetzungen aufgrund von Art. 7:7 Abs. 1 BW fingiert.178 Weshalb sollte innerhalb des deutschen Zivilrechts die Lösung zur Vermeidung einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz in einem rechtsgeschäftlichen Eigentumsübergang gesucht werden, wenn jedenfalls das den rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb charakterisierende Merkmal, die dingliche Einigung,179 ohnehin fingiert und somit faktisch ein gesetzlicher Eigentumserwerb begründet wird? 3. Zwischenergebnis Weder die gesetzliche Fiktion einer Handschenkung noch die einer unbedingten Übereignungserklärung sind demnach dazu im Stande, die Rechtslage überzeugend zu bereinigen. Der zweitgenannte Ansatz würde zu einer dem Gesetz fremden Fiktion eines Angebotes führen und überdies die Frage in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 112. dazu schon S. 320 f. 177  Zu den Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 3:84 Abs. 1 BW schon oben auf S. 323 f. 178  Siehe dazu schon die Fn. 159. 179  Während die Übergabe sich durch Übergabesurrogate ersetzen lässt und über die fehlende dingliche Berechtigung durch die Gutgläubigkeit des Erwerbers hinweggeholfen werden kann, vgl. §§ 930 ff. BGB, ist die dingliche Einigung unverzichtbar. 175  Fritzsche, 176  Siehe



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re329

unbeantwortet lassen, weshalb überhaupt der Weg des rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs eingeschlagen wurde. Gegen den erstgenannten Lösungsvorschlag spricht nicht zuletzt die Frage nach der Notwendigkeit eines gesetzlich fingierten Verpflichtungsgeschäfts. Abschließend lassen sich beiden Lösungsansätzen nicht nur fehlende Anhaltspunkte im Gesetz und der Gesetzesbegründung entgegenhalten, sondern auch, dass es methodisch zumindest unpräzise ist, eine Fiktion zu postulieren.

III. Eigentumserwerb jenseits des unmittelbaren Anwendungsbereichs des § 241a I BGB Aus den vorausgegangenen Ausführungen ergibt sich, dass an § 241a I BGB schwerlich die Rechtsfolge des mittelbaren oder unmittelbaren Eigentumserwerbs zugunsten des Verbrauchers geknüpft werden kann; weder ist die Norm als gesetzlicher Eigentumserwerbstatbestand zu begreifen noch kann die gesetzliche Fiktion einer Handschenkung oder eines unbedingten Übereignungsangebotes in sie hineingelesen werden. Nachfolgend soll deshalb erörtert werden, ob eine Bereinigung der Rechtslage auch ohne eine Erweiterung der Rechtsfolgenseite des § 241a I BGB erzielt werden kann. 1. Dereliktion Eine von § 241a I BGB unabhängige Auflösung des dominium sine re könnte erreicht werden, indem die Zusendung der unbestellten Ware als Dereliktion begriffen würde.180 Diesen Ansatz in Betracht zu ziehen, liegt auf erste Sicht durchaus nahe, berücksichtigt man die aus der Zusendung resultierenden Konsequenzen: Der Unternehmer verliert jegliche Besitzposition an der Ware; auch eine nur mittelbare Besitzposition des Unternehmers kommt mangels Besitzmittlungsverhältnisses und fehlender potentieller He­ ­ rausgabeansprüche gegenüber dem Verbraucher – diese sind durch 180  Bunte, in: FS Gaedertz (1992), 87 (95), erwägt dies unter Berufung auf das durch den Unternehmer einkalkulierte Verlustrisiko, obgleich einschränkend darauf hinzuweisen ist, dass die Überlegung zu einem Entwurf der FARL angestellt wurde; Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451 f.) spricht zwar nur von einer „unsicheren Dereliktionsmöglichkeit“, schließt diese gleichwohl nicht vollständig aus. Das einkalkulierte Verlustrisiko betont auch Berger, JuS 2001, 649 (651); vgl. zudem Jacobs, JR 2004, 490 (491). Altmeppen, in: FS Westphalen (2010), 1 (7) erwägt, dass die Sache durch Versendung herrenlos werde, verwirft diesen Gedanken jedoch, da eine solche Sichtweise weder mit Art. 14 GG konform gehe, noch Anhaltspunkte innerhalb der Gesetzesmaterialien dafür zu finden seien; ablehnend gegenüber einer Dereliktion auch Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36.

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§ 241a I BGB ausgeschlossen181 – nicht in Betracht.182 Ein so umfänglicher Verlust des Besitzes erinnert stark an den Tatbestand des § 959 BGB, welcher voraussetzt, dass sich der Eigentümer von jeglichen Besitzpositionen vollständig und dauerhaft löst.183 Bestärkt wird dieser Eindruck durch den Umstand, dass aus dieser tatsächlichen Handlung regelmäßig Rückschlüsse auf einen dahinterstehenden Dereliktionswillen gezogen werden.184 Auch in rechtsvergleichender Hinsicht würde diese Lösung, insbesondere mit Blick auf das schweizerische Recht, keine Singularität darstellen. Gewiss ist die Schweiz mangels EU-Mitgliedschaft nicht an die VRRL gebunden. Angesichts der dort ebenfalls gelebten Unterscheidung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft185 erscheint ein Vergleich zu der in dieser Rechtsordnung getroffenen Regelung betreffend die Zusendung unbestellter Waren aus Wertungsgesichtspunkten gleichwohl attraktiv. Tatsächlich vermutet der schweizerische Gesetzgeber einen Dereliktionswillen – dieser ist pa­ rallel zum deutschen Recht auch in der Schweiz Voraussetzung für die Aufgabe des Eigentums an beweglichen Sachen186 – bei der Versendung unbestellter Waren.187 Würde man auf dieser Grundlage eine Dereliktion bejahen, käme dem Empfänger in der Folge die Möglichkeit zu, sich die Sache anzueignen, vgl. § 718 ZGB. Gleichwohl ist einzugestehen, dass durch diese Vermutung auch im schweizerischen Recht keine unmittelbare Bereinigung 181  Zum umfassenden Anspruchsausschluss durch §  241a I BGB siehe oben S. 29 ff. und 80 ff. 182  Schwarz, NJW 2001, 1449 (1450  f.); Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, 6. Auflage, Rn. 638; Jacobs, JR 2004, 490 (491). 183  Zu dieser Voraussetzung siehe nur Oechsler, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 959 Rn. 8 und § 929 Rn. 54 ff. 184  Schermaier, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 959 Rn. 10. 185  Für Immobilien ergibt sich dies ausdrücklich aus Art. 974 II ZGB, das Eigentum an Mobilien geht gemäß Art. 714 ZGB durch Übertragung des Besitzes auf den Erwerber über. Das Abstraktionsprinzip ist dagegen auch dem schweizerischen Recht fremd. Vgl. zum Ganzen Kessler, in: NK BGB, 4. Auflage 2016, Sachenrecht, Schweiz Rn. 35; Schwander, in: Basler Kommentar ZGB, 6. Auflage 2019, Art. 714 Rn. 3. Gerade die fehlende Unterscheidung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft in vielen der innereuropäischen Rechtsordnungen wurde schon oben als Kritikpunkt angeführt, der gegen die Tragfähigkeit des Arguments sprach, dass in anderen EU-Mitgliedstaaten ein Eigentumserwerb unmittelbar durch Entgegennahme der Ware stattfindet, vgl. insbesondere S. 302 f. 186  Rey/Strebel, in: Basler Kommentar ZGB, 6. Auflage 2019, Art. 666 Rn. 4. 187  Die einschlägige Stelle in der Gesetzesbegründung (Botschaft 86.030 vom 07.05.1986, S. 385) lautet: „Dabei ist für den sachenrechtlichen Aspekt von der Vermutung auszugehen, der Absender verzichte auf das Eigentum (Dereliktion). Ausgenommen ist die offensichtlich irrtümliche Zusendung. Man hat sich für diese einfache Lösung entschieden, die gleichzeitig besser geeignet erscheint, unerwünschten Praktiken einen Riegel zu schieben.“



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re331

der dinglichen Rechtslage eintritt; dem steht die Reichweite der Vermutungswirkung entgegen.188 Weder aus der Gesetzesbegründung noch aus Art. 6a OR, welcher festlegt, dass aus der unbestellten Zusendung von Waren keine Verpflichtungen zulasten des Empfängers entstehen,189 ergibt sich die Unwiderleglichkeit des vermuteten Dereliktionswillens. Der Absender kann also, indem er etwa in einem Begleitschreiben etwas Gegenteiliges erklärt, die Vermutung widerlegen und so einem Eigentumsverlust vorbeugen.190 Im Ergebnis wird in der Schweiz eine Dereliktion des Unternehmers durch Versenden der Ware daher überwiegend verneint.191 Von diesem Punkt aus soll die Brücke hin zu der im deutschen Recht ebenfalls maßgebenden Frage geschlagen werden, ob dem Unternehmer ein Dereliktionswille attestiert werden kann. Eine Vermutung des Dereliktionswillens, wie sie sich in der Gesetzesbegründung des schweizerischen Gesetzgebers findet, lässt sich allerdings weder § 241a I BGB noch der einschlägigen Gesetzesbegründung entnehmen. Denkbar nah liegt es deshalb, folgenden Erst-recht-Schluss zu ziehen: Wenn bereits im schweizerischen Recht ein Dereliktionswille regelmäßig nicht vermutet werden kann, obwohl der Gesetzgeber dies in der Gesetzesbegründung ausdrücklich vorgesehen hat, dann kann für das deutsche Recht a fortiori nichts anderes gelten, schweigt der deutsche Gesetzgeber doch hinsichtlich eines fingierten Dereliktionswillens. In der Tat wird ein Dereliktionswille des Unternehmers seitens der Lehre überwiegend verneint.192 Führt man sich erneut die Argumente vor Augen, die bereits im Rahmen der Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ ent188  Siehe zur Unterscheidung zwischen Fiktion und Vermutung schon oben S. 320. 189  Im Detail lautet dieser: „(1) Die Zusendung einer unbestellten Sache ist kein Antrag. (2) Der Empfänger ist nicht verpflichtet, die Sache zurückzusenden oder aufzubewahren. (3) Ist eine unbestellte Sache offensichtlich irrtümlich zugesandt worden, so muss der Empfänger den Absender benachrichtigen.“ 190  Zwar wird teilweise versucht, durch Heranziehung des Art. 6a II OR die gesetzliche Vermutung auf die Stufe einer gesetzlichen Fiktion anzuheben (vgl. Müller-Hel­ ler, Zusendung unbestellter Ware [2005], S. 219 m. w. N.), sodass der entgegenstehende Wille des Unternehmers unbeachtlich wäre. Dass diese Sichtweise insbesondere der Praxis widerspricht, belegt aber bereits die Entscheidung der Berufungskammer des waadtländischen Kantonsgerichts aus dem Jahr 1997, vgl. SJZ, 1999, 250 (252). 191  Piotet, SJZ, 1993, 149 (149 und 151); für weitere Nachweise siehe MüllerHelle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 219 insbesondere Fn. 989. Anstatt dessen wird an Art. 6a OR die Rechtsfolge geknüpft, dass „[d]er Empfänger unbestellt zugesandter Ware […] diese ohne Entgelt behalten, ohne weiteres frei über sie verfügen und sie insb. Konsumieren [kann].“, vgl. Zellweger-Gutknecht, in: Basler Kommentar OR, 7. Auflage 2020, Art. 6 Rn. 3. 192  Jacobs, JR 2004, 490 (491) und Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451); ablehnend gegenüber einem Dereliktionswillen auch Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 33; Altmeppen, in: FS Westphalen (2010), 1 (7).

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

faltet wurden – der Dereliktionswille wird nicht nur subjektiv ausgelegt, sondern im Zweifelsfall ist ein solcher eher abzulehnen193 –, kann dies auch die einzig richtige Schlussfolgerung darstellen.194 Von der Lieferung der Ware als solcher einmal abgesehen195 sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, weshalb dem Unternehmer in diesem Kontext ein Wille zur Dereliktion unterstellt werden könnte. Ihm den altruistischen Willen zu attestieren, das Eigentum an der versendeten Ware zwecks Vermeidung einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz preisgeben zu wollen, erscheint gar noch realitätsferner als in der der „Chorarchiventscheidung“ zugrundeliegenden Konstellation, will der Unternehmer durch sein Geschäft doch seinen Lebensunterhalt bestreiten. Zur Aufgabe seiner Rechtsposition würde dieser allenfalls dann bereit sein, wenn er im Gegenzug ein Äquivalent erhielte.196 Rekurriert man schließlich auf die zuvor schon hervorgehobene subjektive Auslegung des Dereliktionswillens – es kommt somit darauf an, wie die Besitzaufgabe vom Aufgebenden gemeint war197 –, erscheint die Annahme eines Dereliktionswillens geradezu unvertretbar.198 Denn es greift derselbe Umstand, der schon gegen die Vermutung eines Dereliktionswillens in der Schweiz vorgebracht wurde: Der Unternehmer wird in der Regel einen gegenteiligen Willen ausdrücklich erklären.199 Es mangelt daher am Verzichtswillen.200 Auch wenn dieser unter Umständen das Verlustrisiko einkalkuliert haben mag,201 kompensiert dies nicht den entgegenstehenden ausdrücklichen 193  Siehe

oben S. 234 f. der Umstand, dass bei geringwertigen Sachen – diese werden regelmäßiger versendet als hochwertige Waren, vgl. Casper, ZIP 2000, 1602 (1602) – leichter auf einen Dereliktionswillen geschlossen werden kann, vgl. Schermaier, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 959 Rn. 11, kann dem nicht ausschlaggebend entgegenstehen. 195  So auch Klose, Eigentum als nudum ius (2016), S. 141. 196  Klose, a. a. O.; in diese Richtung gehen auch Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322) und Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452). 197  Siehe nur Oechsler, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 959 Rn. 3. 198  An diesem Ergebnis ändert sich selbst dann nichts, wenn man den Derelik­ tionswillen objektiv nach dem Empfängerhorizont auslegen möchte, vgl. Kap. 3 Fn. 181. Auch nach §§ 133, 157 BGB ergibt sich aus der bloßen Zusendung der Ware insbesondere angesichts des typischerweise beiliegenden und einen Eigentumsvorbehalt enthaltenden Begleitschreibens, vgl. Kap. 4 Fn. 270 f., kein Dereliktionswille des Unternehmers. 199  Walter, Erbringung unbestellter Leistungen (2009), S. 194; Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 218; Leiß, Unbestellte Leistungserbringung (2006), S. 112. 200  Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 33; Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451); Altmeppen, in: FS Westphalen (2010), 1 (7). 201  Bunte, in: FS Gaedertz (1992), 87 (95); Kramme, in: PWW, 16. Auflage 2021, § 241a Rn. 4; Berger, JuS 2001, 649 (651) betont einerseits, dass bei geringwertigen 194  Allein



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re333

Willen. Die Umstände202 sprechen folglich gegen die Annahme einer Dereliktion.203 Doch selbst wenn man dem Unternehmer einen Dereliktionswillen entgegen der vorausgegangenen Ausführungen unterstellen wollte, ließen sich dieser Lösung Bedenken entgegenhalten. Es entspricht der allgemeinen Ansicht, dass die Dereliktion nicht zugunsten einer bestimmten Person erfolgen kann.204 Notwendig ist vielmehr, dass „die Aneignung einer von vornherein unbestimmten Zahl von Personen möglich ist“.205 Gerade dies ist bei unbestellter Versendung von Ware an einen bestimmten Adressaten dagegen nicht gewährleistet. Eher kann in dem Versuch, eine Sache zugunsten einer bestimmten Person zu derelinquieren, ein Übereignungsangebot erblickt werden.206 Im Folgenden soll deshalb ein möglicher Eigentumsübergang aufgrund von §§ 929 ff. BGB in den Fokus genommen werden.

Sachen der Unternehmer in der Regel nicht mit der Rückerlangung rechne und § 241a I BGB insofern nur die unternehmerische Entscheidung nachzeichne, hebt aber andererseits hervor, dass eine solche Kalkulation nicht pauschal unterstellt werden könne. 202  Vgl. Herrler, in: Palandt, 80.  Auflage 2021, § 959 Rn. 1 („Ob aus [der] Bes[itza]ufg[abe] auf den Verzichtswillen geschlossen werden kann, hängt von den Umst[änden] ab“). 203  Dies entspricht auch der wohl überwiegenden strafrechtlichen Einordnung des § 241a I BGB als möglicher Rechtfertigungsgrund, sodass die tatbestandliche Verwirklichung einer Unterschlagung oder Sachbeschädigung an unbestellten Waren für möglich erachtet wird, vgl. schon Kap. 1 Fn. 404. 204  RGZ 83, 223 (229) – „Bonifatius“; Schermaier, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 959 Rn. 1, 31; Herrler, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 959 Rn. 1; Kindl, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 959 Rn. 2; Heinze, in: Staudinger, 2020, § 959 Rn. 4. 205  Schermaier, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 959 Rn. 31. 206  Kindl, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 959 Rn. 2; BGH, Beschluss vom 11.12.2018 – 5 StR 198/18 = BeckRS 2018, 36656 Rn. 20; Wieling/ Finkenauer, Sachenrecht, 6. Auflage, § 11 Rn. 55. Wollte man weiter davon ausgehen, dass eine Besitzaufgabe nur dann vorliegt, wenn die Sache besitzlos geworden ist (so eine Ansicht im Schrifttum: Berger, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 959 Rn. 2; Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Auflage, § 53 Rn. 70; Quack, in: MüKo BGB, 4. Auflage 2004, § 959 Rn. 11; Jacobs, JR 2004, 490 (491); anders die h. M., die auf das Erfordernis der völligen Besitzlosigkeit verzichtet und nur den vollständigen Besitzverlust des Derelinquenten verlangt: OLG Hamm JMBl NRW 1963, 145; Heinze, in: Staudinger, 2020, § 959 Rn. 5 f.; Kindl, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 959 Rn. 4; Westermann/Gursky/Pinger, Sachenrecht, 6. Auflage, § 58 II 2 b) ergäbe sich ein weiterer Kritikpunkt. Denn ein besitzloser Zustand tritt bei Versendung der Ware an eine bestimmte Person nicht ein.

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

2. Unbedingtes Übereignungsangebot Für die Auseinandersetzung mit einem Eigentumsübergang bedingt durch §§ 929 ff. BGB spricht neben der unlängst angesprochenen Besitzübertragung auf den Verbraucher auch das diesem regelmäßig in Form einer Realofferte207 unterbreitete Angebot auf Übertragung des Eigentums, welches an die Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung geknüpft ist.208 Da bedingt durch § 241a I BGB nicht ohne Weiteres vom Abschluss eines Kaufvertrags ausgegangen werden kann,209 wird der Verbraucher den Kaufpreis jedoch im Zweifel nicht zahlen und somit die aufschiebende Bedingung nicht erfüllen. Die Entstehung eines dominium sine re wird auf diesem Wege folglich allenfalls in Ausnahmefällen verhindert. Gleichwohl bietet das aufschiebend bedingte Übereignungsangebot des Unternehmers einen Anknüpfungspunkt, durch den die dauerhafte Trennung von Besitz und Eigentum beseitigt werden könnte. Ließe sich allein die aufschiebende Bedingung aus dem Übereignungsangebot herauskürzen, ohne die Wirksamkeit der Willenserklärung im Übrigen anzutasten, würde das Eigentum an der Ware bereits durch Zustellung an den Verbraucher übergehen, vorausgesetzt letzterer akzeptiert das Angebot. Dieser Ansatz210 kann nicht bereits unter Verweis darauf verworfen werden, dass sich schon zuvor die gesetzliche Fiktion eines unbedingten Übereignungsangebotes als nicht überzeugend herausgestellt hat,211 wenngleich er in eine ähnliche Richtung tendiert. Denn während die oben diskutierte Fiktion eine vom Unternehmer nicht abgegebene unbedingte Willenserklärung gleichsam schaffen würde, geht es hier darum, ob die tatsächlich abgegebene Willenserklärung des Unternehmers auf Übereignung der Ware lediglich um ihre Bedingung erleichtert werden kann. a) Protestatio facto contraria Zunächst wäre zu erwägen, ob der insofern ausdrücklich erklärte entgegenstehende Wille eine protestatio facto contraria darstellt und somit als unbeachtlich abgetan werden könnte. Abstrakt gesprochen verkörpert dieser Grundsatz, dass ein ausdrücklich erklärter, aber im Widerspruch zum tatsäch207  So

Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451). Kap. 4 Fn. 270 f. 209  Vgl. S. 29 ff. 210  Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 219  ff. erwägt diesen Ansatz. 211  Siehe schon oben S. 322 ff. 208  Vgl.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re335

lichen Verhalten stehender Vorbehalt unbeachtlich ist.212 Allein durch „verbalen Protest“213 kann eine gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge nicht verhindert werden. Diese Regel lässt sich auch dahingehend ummünzen, dass bei einem Widerspruch zwischen Verhalten und Erklärung einer Person ersteres maßgebend ist.214 Allerdings kann auch aus dieser Erwägung heraus kein Eigentumserwerb zugunsten des Besitzers begründet werden, würde andernfalls doch der zweite vor dem ersten Schritt gemacht. Die Möglichkeit, den entgegenstehenden Willen des Unternehmers als unbeachtlich einzustufen – unabhängig davon, ob man das Rechtskonstrukt insgesamt anerkennen wollte215 – würde gerade voraussetzen, dass es zu einem Eigentumserwerb zugunsten des Verbrauchers durch Zusendung der unbestellten Ware kommt. Ob der Verbraucher das Eigentum an der Ware durch Zusendung erwirbt, ist indes gerade die Frage der hiesigen Ausführungen. Würde § 241a I BGB einen Eigentums­ erwerb zugunsten des Besitzers anordnen, dann wäre der entgegenstehende Wille des Unternehmers selbstverständlich unbeachtlich. Der Grund dafür wäre allerdings nicht, dass „Taten schwerer als Worte wiegen, sondern weil der Gesetzgeber dies als Rechtsfolge angeordnet hat“.216 b) Die Unwirksamkeit der aufschiebenden Bedingung Eine weitere Möglichkeit, das Übereignungsangebot des Unternehmers von der aufschiebenden Bedingung zu befreien, um so einen Eigentumserwerb zugunsten des Verbrauchers zu ermöglichen, könnte darin bestehen, letztere aufgrund eines Verstoßes gegen § 241a BGB als unwirksam einzustufen. Diese einstweilen an Rosinenpicken erinnernde These ließe sich zumindest auf den ersten Blick sogar argumentativ stützen: Die Zusendung 212  Möslein, in: BeckOGK BGB, Stand 01.10.2020, § 133 Rn. 77; die Rechtsfolge non valet tritt freilich nur dann ein, wenn der gegenläufig erklärte Wille im Kontext eines nicht auslegungsbedürftigen, d. h. nicht mehrdeutigen Verhaltens erklärt wird, vgl. Wertenbruch, BGB AT, 4. Auflage, § 10 Rn. 26 f. 213  Formulierung nach Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 27.  Auflage, Rn. 191, der die Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Willens jedoch ablehnt. 214  Mayer-Maly, in: MüKo BGB, 3. Auflage 1993, § 133 Rn. 45; Busche, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 133 Rn. 64. 215  Zur kritischen Auseinandersetzung mit der protestatio facto contraria siehe Dette, venire contra factum proprium (1985), S.  97 ff.; Teichmann, in: FS Michaelis (1972), 294 (315); Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 27. Auflage, Rn. 191. 216  Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 188 f. und 221. Auch Dette, venire contra factum proprium (1985), S. 98 weist darauf hin, dass die Unbeachtlichkeit des Protestes nicht auf die protestatio facto contraria zurückgeht, sondern weil bereits eine Rechtsänderung eingetreten ist. Siehe zudem Teichmann, in: FS Michaelis (1972), 294 (315).

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

unbestellter Ware verbunden mit der Aufforderung zur Zahlung des Kaufpreises oder Rücksendung bzw. Aufbewahrung derselben stellt ausweislich des § 3  III UWG in Verbindung mit Nr. 29 Anhang 3 zu § 3  III UWG eine unlautere Geschäftspraktik dar, mit der neben Ansprüchen auf Unterlassung, Schadens- und Nutzungsersatz, vgl. §§ 8 ff. UWG,217 auch Verstöße gegen § 134 BGB und § 138 BGB einhergehen könnten. Gleichwohl besteht dahingehend Einigkeit, dass ein Wettbewerbsverstoß in der Regel keinen Einfluss auf die Wirksamkeit eines darauf basierenden Vertrags haben soll;218 das gilt grundsätzlich auch für die Zusendung unbestellter Waren mit entsprechender Zahlungs-, Rücksendungs- oder Aufbewahrungsaufforderung.219 Denn ein unter Verstoß gegen § 3  III UWG in Verbindung mit Nr. 29 Anhang 3 zu § 3  III UWG wettbewerbswidrig zustande gekommener Vertrag lässt sich weder als sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB einstufen noch verstößt dieser gegen ein Verbotsgesetz, vgl. § 134 BGB. Letztere Norm betrifft allein den Inhalt des Vertrags, nicht jedoch die Modalitäten des Zustandekommens,220 § 138 BGB erscheint bereits angesichts divergierender Terminologie unpassend – „Sittenwidrigkeit“ gegenüber „Unlauterkeit“ gemäß § 3  I UWG.221 Damit ist jedoch noch nichts über die Zulässigkeit gesagt, die Übereignung unter die aufschiebende Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung zu stellen. Bedenken gegenüber dem Versuch, die Nichtigkeit nur auf die aufschiebende Bedingung zu beschränken, offenbaren sich freilich schon mit Blick auf § 3 III UWG in Verbindung mit Nr. 29 Anhang 3 zu § 3  III UWG, wel217  Zu beachten ist allerdings, dass diese Ansprüche lediglich Mitbewerbern und bestimmten Verbänden zugesprochen werden, vgl. § 8 III UWG, nicht jedoch dem einzelnen Verbraucher, vgl. Götting, in: Götting/Nordemann, UWG, 3. Auflage 2016, § 3 Rn. 179; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Auflage 2021, § 3 Rn. 10.1. 218  Allgemein dazu Götting, in: Götting/Nordemann, UWG, 3. Auflage 2016, § 3 Rn. 180 und Sosnitza, in: MüKo UWG, 3. Auflage 2020, § 3 Rn. 109 sowie § 3a Rn.  38 f. 219  So die h. M., vgl. nur Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 73 m. w. N.; implizit auch Mansel, in: Jauernig, 18. Auflage 2021, § 241a Rn. 5; a. A.: Kramme, in: PWW, 16. Auflage 2021, § 241a Rn. 13; Olzen, in: Staudinger, 2019, § 241a Rn. 31. 220  Siehe dazu nur Seibl/Fischinger/Hengstberger, in: Staudinger, 2021, § 134 Rn.  477 m. w. N.; Ellenberger, in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 134 Rn. 24. Den wettbewerbswidrig zustande gekommenen Vertrag aufgrund von § 134 BGB als nichtig einzustufen, wird deshalb allgemein abgelehnt, siehe nur Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39.  Auflage 2021, Einl. Rn.  7.8; BGH, Urteil vom 25.01.1990 – I ZR 19/87 = GRUR 1990, 522 (528). 221  Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39.  Auflage 2021, Einl. Rn. 7.8; vgl. auch BGH, Urteil vom 14.05.1998 – I ZR 10/96 = GRUR 1998, 945 (946).



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re337

cher das den Wettbewerbsverstoß begründende Verhalten benennt – die Zusendung unbestellter Ware verbunden mit der Aufforderung zur Aufbewahrung, Rücksendung oder Zahlung des Kaufpreises. Die aufschiebende Bedingung des dinglichen Übereignungsangebotes wird insofern nicht aufgeführt, sodass es sich bereits schwierig gestaltet, in dieser den Wettbewerbsverstoß zu erblicken.222 Doch selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die aufschiebend bedingte Übereignung einen Wettbewerbsverstoß begründet, ergäbe sich ausweislich der obigen Ausführungen daraus nicht gleichzeitig ein Verstoß gegen § 134 oder § 138 BGB, der die Nichtigkeit der Bedingung bedeuten könnte. Die Feststellung der überwiegenden Ansicht, dass der Vertrag in seiner Gültigkeit durch die wettbewerbswidrigen Umstände seines Zustandekommens nicht berührt wird, kann nicht dahingehend interpretiert werden, dass lediglich der aufschiebenden Bedingung die Wirksamkeit versagt werden sollte. Endgültig verworfen werden muss dieses Lösungsmodell jedoch, folgt man der herrschenden Meinung sowie dem Willen der Gesetzesväter und qualifiziert die aufschiebende Bedingung als einen untrennbaren Bestandteil des Rechtsgeschäfts.223 Gemäß § 139 BGB wäre bei Nichtigkeit der Bedingung demnach das gesamte Rechtsgeschäft unwirksam, weshalb eine separierte Nichtigkeit der Bedingung ausscheidet. Einzig durch die Annahme, dass aus § 241a BGB die Bedingungsfeindlichkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts hervorgeht, ließe sich mithin noch die Wirksamkeit der aufschiebenden Bedingung beseitigen.224 Als Fundament für die Bedingungsfeindlichkeit könnte allenfalls das in § 241a  III S. 2 BGB niedergelegte Umgehungsverbot dienen. Freilich würde das wiederum vo­ raussetzen, dass der Eigentumserwerb zugunsten des Verbrauchers das originäre Ziel des § 241a BGB darstellt, was ausweislich der vorangegangenen 222  Das Belästigungsmoment ist vielmehr darin zu sehen, dass der Verbraucher die unbestellte Ware annehmen muss, um sich vom Inhalt der Sendung vergewissern zu können. Aus dem somit erlangten Besitz folgt die psychische Zwangslage für den Verbraucher, sich entscheiden zu müssen, ob er die Anstrengung unternimmt und die Sache zurücksendet oder diese aus Trägheit behält. Vertieft dazu Köhler, in: Köhler/ Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Auflage 2021, § 7 Rn. 84 und Schmidt, Zusendung unbestellter Waren (2005), S. 68 f. 223  Mugdan, Bd. I, S. 491 = Motive, Bd. 1, S. 251; dazu auch Willems, in: HKK, (im Erscheinen), Anh. §§ 2064–2086 Rn. 67 m.  w.  N.; Ellenberger, in: Palandt, 80. Auflage 2021, Einf v. § 158 Rn. 11; Bork, in: Staudinger, 2020, Vorb. §§ 158–163 Rn. 33 und 12; Westermann, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 158 Rn. 46; a. A.: Reymann, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 158 Rn. 105.1. 224  Dieser Erwägung stellt auch Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 221 f. an. Die Frage, worauf die Bedingungsfeindlichkeit zu stützen wäre, lässt dieser jedoch unbeantwortet.

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

Ausführungen225 jedoch zu bezweifeln ist.226 Damit allein soll die Frage der Bedingungsfeindlichkeit aber nicht ihr Bewenden haben. Auch jenseits des Umstands, dass § 241a BGB nicht primär den Eigentumserwerb zugunsten des Verbrauchers anstrebt, würde die Annahme der Bedingungsfeindlichkeit Angriffsfläche bieten. Diese zeigt sich vor allem durch eine Gegenüberstellung zu den kodifizierten Fällen von Bedingungsfeindlichkeit,227 die zum einen das Ziel verfolgen, Dritte oder den Rechtsverkehr zu schützen228 und zum anderen die Bedingungsfeindlichkeit expressis verbis benennen. Weder Ersteres noch Letzteres trifft auf § 241a BGB zu; dessen Wortlaut schweigt zu einer möglichen Bedingungsfeindlichkeit und die Norm dient nur dem Schutz eines Beteiligten, des Verbrauchers.229 Selbst von der Warte der Gestaltungsrechte aus betrachtet, deren Bedingungsfeindlichkeit mit Ausnahme des § 388 S. 2 BGB230 nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt, aber dennoch gemeinhin anerkannt ist,231 ändert sich nichts an der fehlenden Überzeugungskraft des Ansatzes. Zwar fußt die Bedingungsfeindlichkeit der Gestaltungsrechte auf dem Schutz des Erklärungsgegners und weist damit dieselben Attribute wie § 241a BGB auf. Dennoch verbietet es sich, Gestaltungsrechte und § 241a BGB insofern gleichzusetzen, geht die Schutzwürdigkeit des Erklärungsgegners doch darauf zurück, dass durch die Gestaltungserklärung 225  Vgl.

insbesondere S. 297 ff. Norm dient dazu, den Verbraucher vor der Aufdrängung vertraglicher Verpflichtungen zu bewahren, vgl. Art. 27 und Erwägungsgrund 60 VRRL sowie BTDrs. 14/2658, S. 46. Vgl. auch schon oben S. 29 ff. Vor diesem Hintergrund lässt sich zusätzlich der Anknüpfungspunkt der Bedingung als solcher anzweifeln. Denn der Unternehmer könnte, ohne dabei mit § 241a III BGB in Konflikt zu geraten, die unerwünschte unbedingte Übereignung schlicht umgehen, indem er die Sache nicht bedingt übereignet, sondern sich vertraglich dazu verpflichtet, diese erst nach Erhalt des Kaufpreises übereignen zu müssen. 227  Exemplarisch genannt seien § 925 II BGB, § 1947 BGB, §§ 50 I und 126 II im HGB sowie Art. 12 I S. 2 WG; für weitere Beispiele siehe Bork, in: Staudinger, 2020, Vorb. §§ 158–163 Rn. 35 und Reymann, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 158 Rn.  126 ff. 228  Bork, in: Staudinger, 2020, Vorb. §§ 158–163 Rn. 35. Inwiefern dies bei den jeweils bedingungsfeindlichen Rechtsgeschäften der Fall ist, wurde vertieft von Pietsch, Bedingungsfeindlichkeit (1967) behandelt, vgl. insofern insbesondere seine Ergebnisse auf S. 166. 229  So auch Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 221 f. 230  Die Regelung dient neben dem Schutz des Aufrechnungsgegners auch der Vermeidung eines innergesetzlichen Konflikts. Da dem Gläubiger keine bedingte Erfüllung aufgedrängt werden kann, würde die Aufrechnung als Erfüllungssurrogat ungerechtfertigt bessergestellt, wenn diese nicht bedingungsfeindlich ausgestaltet wäre, vgl. Schlüter, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 388 Rn. 3 und Skamel, in: BeckOGK BGB, Stand 01.10.2021, § 388 Rn. 25. 231  Dies entspricht der allgemeinen Meinung, siehe nur Mörsdorf, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 355 Rn. 60. 226  Die



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re339

unmittelbar in seinen Rechtskreis eingegriffen wird.232 Ein solcher Eingriff in den Rechtskreis fehlt aber, wenn der Unternehmer dem Verbraucher unbestellt Ware zusendet. Hier ließe sich bedingt durch § 241a BGB allenfalls von einer Ausdehnung des Rechtskreises sprechen.233 Doch selbst wenn man das mit der Zusendung unbestellter Ware einhergehende Belästigungsmoment mit einem Eingriff in den Rechtskreis gleichsetzen wollte, wäre die Unterstellung von Bedingungsfeindlichkeit auch in der Sache nicht zielführend. Denn das Ergebnis eines Verstoßes gegen diese ist nämlich grundsätzlich die Nichtigkeit des gesamten bedingungsfeindlichen Geschäfts. Etwas anderes gilt nur, wenn das Gesetz selbst etwas Gegenteiliges vorsieht.234 Dafür finden sich in § 241a  I BGB aber ebenso wenige Anhaltspunkte wie für die Annahme, dass das dingliche Rechtsgeschäft in diesem Fall bedingungsfeindlich sei. 3. Übereignungsanspruch Da nach dem Vorstehenden der Eigentümer augenscheinlich nicht dazu bereit ist, seine Rechtsposition ohne Gegenleistung preiszugeben und die Unterstellung bzw. Fiktion eines solchen Willens unter Berufung auf § 241a  I BGB gleichsam als Gesetzeskorrektur begriffen werden kann,235 sind nur noch solche Lösungen in Betracht zu ziehen, die nicht auf einen entsprechenden Willen des Eigentümers angewiesen sind. Erwogen wird insbesondere, ob der Verbraucher das Eigentum durch einen Zwischenschritt, namentlich die Geltendmachung eines Übereignungsanspruchs, erlangen kann. Dies brächte den Vorteil mit sich, dass § 241a  I BGB gerade nicht in systemwidriger Weise eine dingliche Wirkung beigemessen oder dem Eigentümer ein Übereignungs-/Dereliktionswille unterstellt werden müsste. Zusätzlich wäre der Verbraucher auf diesem Wege vor der Aufdrängung des Eigentums und den damit unter Umständen verbundenen Lasten bewahrt236 – der Eigentums­ erwerb läge allein in seiner Hand. Gestützt wird dieser Anspruch auf die originär für die Vindikationsverjährung entwickelte und oben schon diskutierte gesamtanaloge Anwendung der §§ 886, 1169, 1254 BGB.237 Diesen in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2020, § 158 Rn. 139. Stellung des Verbrauchers nach Erhalt der unbestellten Sache siehe oben S. 33 ff. und 80 ff. 234  Ganz h. M., siehe nur Reymann, in: BeckOGK BGB, Stand 01.09.2021, § 158 Rn. 146 und Pietsch, Bedingungsfeindlichkeit (1967), S. 160 f. 235  So schon Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 222. 236  Das betont Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24; siehe zu dem Aspekt drohender Lasten bedingt durch einen unmittelbaren Eigentumserwerb schon oben S. 313 ff. 237  Löhnig, JA 2001, 33 (35); Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24; begründet wurde diese Lösung durch Flume, in: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik, Bd. 84, 1934, 340 (341 ff.); umfassend zu diesem Lösungsansatz schon oben S. 169 ff. 232  Reymann, 233  Zur

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

Normen wird eine über den unmittelbaren Anwendungsbereich hinausgehende Wertung entnommen, die auch im hiesigen Kontext die Basis der Analogie darstellen soll: An dem Erhalt eines dinglichen Rechts, dessen Durchsetzung dauerhaft ausgeschlossen ist, besteht kein schützenswertes Interesse.238 Zwar kann allein durch den Verweis auf eine fehlende planwidrige Regelungslücke dieser Ansatz noch nicht abgelehnt werden.239 Denn zum einen hat sich der Gesetzgeber innerhalb der Gesetzgebungsmaterialien lediglich indirekt gegen einen unmittelbaren Eigentumserwerb durch § 241a  I BGB ausgesprochen und nicht mit möglichen in der Hand des Verbrauchers liegenden Übereignungsansprüchen auseinandergesetzt.240 Zum anderen würde das pauschale Ablehnen einer planwidrigen Regelungslücke der zuvor schon behandelten Konjunktion „soweit“ nicht gerecht.241 Allerdings können die bereits im Rahmen der Vindikationsverjährung dargelegten, gegen eine vergleichbare Interessenlage sprechenden Bedenken allein durch die neue Kontextualisierung der Gesamtanalogie nicht kompensiert werden. Insofern lässt sich auf die vorausgegangenen Ausführungen verweisen.242 Im Rahmen des § 241a  I BGB lässt sich die Kritik sogar über die bereits genannten, eine vergleichbare Interessenlage konterkarierenden Aspekte hi­ naus erweitern. So spricht zusätzlich gegen eine vergleichbare Interessenlage, dass den Fällen der §§ 886, 1169, 1254 BGB bereits aufgrund der Natur der Sache – es handelt sich um Sicherungsrechte – meist wirtschaftlich bedeutsame Rechtsgeschäfte zugrunde liegen, wohingegen sich selbiges für § 241a  I BGB nicht behaupten lässt.243 Gerade vor diesem Hintergrund offenbaren sich Zweifel gegenüber der Praktikabilität und Angemessenheit dieser Lösung: Wie ist die Notwendigkeit, den Anspruch auf Übereignung der gering238  Löhnig, JA 2001, 33 (35); vgl. auch Plambeck, Verjährung der Vindikation (1997), S. 180 f.; dazu auch schon oben S. 169. 239  So aber Dornheim, Sanktionen und ihre Rechtsfolgen (2005), S. 184. 240  Zum Willen des Gesetzgebers bereits oben S. 307 ff. 241  Vgl. S. 292. 242  Siehe zu diesen Einwänden mit entsprechenden Nachweisen schon oben S. 171 f. Die oben bereits genannten Argumente greift auch die überwiegende Ansicht in der Lehre auf, siehe Saenger, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 241a Rn. 17; Leiß, Unbestellte Leistungserbringung (2006), S. 115; Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451); Haft/Eisele, in: Gedächtnisschrift Meurer (2002), 245 (252); Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36; Walter, Erbringung unbestellter Leistungen (2009), S. 195; ob sich allein auf die Erkenntnis des Gesetzgebers gestützt, dass es zu einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz kommen kann, das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke ablehnen lässt (so Förderer, Der Anspruchsausschluss [2020], S. 28), ist mit Blick auf die schon oben angesprochene Konjunktion „soweit“ jedoch zweifelhaft, vgl. S. 291 f. 243  Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 223.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re341

wertigen Ware äußerstenfalls sogar gerichtlich geltend machen zu müssen, mit der ratio legis des § 241a  I BGB, den Verbraucher vor Belästigungen zu schützen,244 in Einklang zu bringen? Wiederum damit korrelierend – wenngleich nicht auf den Fall des § 241a  I BGB beschränkt – käme die bereits bekannte Frage auf, weshalb es der Entscheidung des Verbrauchers obliegen sollte, ob es zu einer Auflösung des dominium sine re kommt oder nicht.245 Dies ist gerade angesichts des mit der Analogie verfolgten Ziels, „die Trennung von Eigentum und Besitz aufzulösen und beides in der Person des Verbrauchers zusammenzuführen“, bedenklich.246 Die Erreichung desselben würde gleichsam durch den Willen des Verbrauchers von einer unbestimmten Komponente abhängig gemacht. Abschließend lässt sich gegenüber Löhnig, einem der ersten Fürsprecher, der mittels gesamtanaloger Anwendung der §§ 886, 1169, 1254 BGB einen Übereignungsanspruch im hiesigen Rahmen zugunsten des Verbrauchers erwirken wollte, der Vorwurf interner Unstimmigkeit erheben. Dieser billigt dem Verbraucher einerseits einen Übereignungsanspruch aus dem Agglomerat der soeben genannten Normen zu, liest zweifelhafterweise aber gleichzeitig in die dauerhafte Nutzung der Ware die Annahme des Angebotes auf Abschluss eines Kaufvertrags hinein.247 Ungeachtet des Umstands, dass bereits in der bloßen Nutzung der Ware kein Abschluss eines Kaufvertrags erblickt werden kann,248 ist es nicht nachvollziehbar, weshalb derjenige Besitzer, der vor Nutzung der Ware seinen Übereignungsanspruch geltend macht, diese unentgeltlich erwerben soll, wohingegen der Besitzer, der die Ware erst nutzt, vertraglich gebunden werden und seinen Übereignungsanspruch analog §§ 886, 1169, 1254 BGB verlieren soll. Derart weitreichende Rechtsfolgen an ein solches Zufallsmoment zu knüpfen, erscheint nicht nur unbillig, sondern der unlauteren Geschäftspraktik würde letztlich gar zum Erfolg verholfen.249

244  Müller-Helle, a. a. O.; in eine ähnliche Richtung geht Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36, wenn er vom „Nachteil der Umständlichkeit“ spricht. 245  Zu dieser Frage bereits oben im Rahmen der analogen Anwendung des § 255 BGB, siehe S. 272 ff. 246  Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24. 247  Löhnig, JA 2001, 33 (35), der indes keine Begründung für diese Sichtweise darlegt, sondern lediglich konstatiert, dass dem Verbraucher kein dauerhaftes Nutzungsrecht eingeräumt wird. 248  Siehe dazu schon oben S. 29 ff. 249  Auch Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 223 sieht diesen Umstand kritisch.

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

4. Verwirkung des Eigentums Somit verbleibt noch das Lösungsmodell, das einen Rechtsverlust durch Gesetz und einen Eigentumserwerb durch Realakt zu begründen versucht, einer Untersuchung bedürftig. Diesem Ansatz liegt die Idee zugrunde, dass der Eigentümer seiner Rechtsposition durch Zusendung der Ware verlustig geht250 und der Verbraucher sodann das Eigentum durch Aneignung erlangen kann.251 Der Eigentumsverlust wird dabei unmittelbar auf § 241a  I BGB gestützt, denn besagte Norm spiegele durch den umfassenden Anspruchsausschluss lediglich die Rechtsfolgen des eintretenden Eigentumsverlusts wider.252 Dogmatisch wird § 241a I BGB folglich als Verwirkungstatbestand qualifiziert, welcher den Rechtsverlust des Eigentums auf der einen und die Möglichkeit des Rechtserwerbs zugunsten des Verbrauchers auf der anderen Seite begründet.253 Betrachtet man diesen Ansatz im Lichte der vorangegangenen Ausführungen, wird jedoch schnell ein fundamentaler Kritikpunkt deutlich, der schon zuvor gegen einen unmittelbaren Eigentumserwerb durch Zusendung der unbestellten Ware sprach: § 241a  I BGB entfaltet keine dingliche Wirkung. Da es im Ergebnis zweitrangig ist, ob § 241a I BGB contra legem dergestalt eine dingliche Wirkung beigemessen wird, dass das Eigentum unmittelbar durch Zusendung auf den Verbraucher übergeht, besagte Norm mithin als gesetzlicher Eigentumserwerbstatbestand fungieren soll, oder sich die ding­ liche Wirkung auf einen Eigentumsverlust beschränkt, § 241a  I BGB folglich als Dereliktionstatbestand interpretiert wird, kann im Wesentlichen – die Erwägungen zum Wertpapierrecht ausgenommen – auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.254 Auch die Betrachtung der Rechtsfolgen des § 241a  I BGB im Lichte der Ansicht Gurskys, welcher § 985 BGB als nichts anderes als das Eigentum selbst begreift,255 vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern.256 Denn selbst wenn man § 985 BGB als „das Eigentum“ versteht, kann der Vindikationsanspruch allenfalls einen Teil der Rechtsposi250  Diese Lösung erinnert an die schon im Rahmen der Vindikationsverjährung diskutierte „Entsitzung“ der Sache, vgl. dazu oben S. 165 ff. Mangels Zeitablaufs muss hier freilich eine andere Argumentation bemüht werden, vgl. Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24 und dort Fn. 125. 251  Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 236 f. Zu diesem Ansatz auch Dorn, in: HKK, 2007, § 241a Rn. 24. 252  Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 231 ff. und 236. Zu dieser Argumentation schon oben S. 299 f. 253  Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 234 ff. 254  Siehe S. 300 ff. 255  Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 3; vgl. auch schon S. 69 f. 256  Dazu Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 234.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re343

tion repräsentieren, geht diese ihrem Inhalt nach doch weit über das Recht, Herausgabe von einem Dritten verlangen zu können, hinaus.257 Der Ausschluss des § 985 BGB durch § 241a I BGB würde unter dieser Prämisse lediglich eine dingliche Beschränkung des Rechts selbst und damit keineswegs einen der Rechtsordnung fremden Vorgang darstellen.258 Vielmehr wird an dieser Stelle eine Unstimmigkeit in der von Müller-Helle vertretenen Ansicht deutlich: Die bloße Beschränkung des Eigentumsrechts auf der einen kann nicht zum vollständigen Rechtsverlust auf der anderen Seite führen.259 Gurskys Kommentierung als Beleg für einen auf § 241a I BGB fußenden Rechtsverlust anzuführen, würde zudem die mit ihr verfolgte Intention zweckentfremden. Denn Ziel war es, die Untrennbarkeit von Eigentum und Vindikationsanspruch zu belegen, nicht aber das Eigentum demselben Schicksal wie dem des erlöschenden Vindikationsanspruchs zu unterwerfen.260 Damit lässt sich bereits festhalten, dass auch dieses Lösungsmodell nicht zu überzeugen vermag, da auf § 241a  I BGB kein Eigentumsverlust gestützt werden kann. Nichtsdestotrotz soll im Folgenden noch kurz auf den Ansatz, § 241a  I BGB als Verwirkungstatbestand zu qualifizieren, eingegangen werden. (Gesetzliche) Verwirkungstatbestände261 zeichnen sich dadurch aus, dass eine Pflichtverletzung einen Rechtsverlust auslöst, der unter Umständen sogar mit einem Rechtserwerb zugunsten der Gegenpartei verknüpft sein kann, vgl. nur §§ 339 und 354 BGB.262 Legt man die Richtigkeit der Annahme zugrunde, dass der Unternehmer durch § 241a I BGB unmittelbar seine Eigentumsposition verliert, wenn dieser die Ware unbestellt an einen Verbraucher versendet, läge ein Rechtsverlust vor.263 Dem Verbraucher käme sodann die Möglichkeit 257  So auch Gursky, in: Staudinger, 2013, § 985 Rn. 3, wenn dieser davon spricht, dass § 985 BGB das Eigentum selbst „in einer speziellen Funktion“ und deshalb „mit dem Eigentumsrecht untrennbar verbunden“ sei; Katzenstein, AcP 206 (2006), 96 (103 f.); Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (212), S. 193 interpretiert die Kommentierung Gurskys in gleicher Weise. 258  Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung (212), S.  193  f., der als Belege Art. 14 GG, § 903 S. 1 BGB sowie beschränkt dingliche Rechte aufführt. 259  So auch Casper, ZIP 2000, 1602 (1606). 260  Dies entspricht dem schon oben gefundenen Ergebnis, dass das Erlöschen des Vindikationsanspruchs durch § 281 IV BGB keine unmittelbaren Auswirkungen auf die dingliche Rechtslage als solche hat, vgl. oben S. 226 ff. 261  Zum Begriff der Verwirkung Menzel, Grundfragen der Verwirkung (1987), S.  2 ff. 262  Krämer, Verwirkung von Rechten (1964), S. 1 f.; Menzel, Grundfragen der Verwirkung (1987), S. 4. 263  Ein solcher könnte, wollte man darin nicht lediglich das Spiegelbild des Eigentumsverlusts zulasten des Unternehmers sehen, freilich auch in dem aus § 241a I BGB fließenden umfassenden Anspruchsausschluss erblickt werden.

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zu, sich die Ware anzueignen. Nun gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass ein Rechtserwerb infolge von Verwirkung ausweislich des Gesetzes die Ausnahme darstellt. Belegen lässt sich dies anhand der schon genannten §§ 339, 354 BGB, in deren Rahmen der Gesetzgeber den Rechtserwerb explizit vorgeschrieben hat; e contrario bleibt ein solcher in den übrigen Fällen der Verwirkung somit aus.264 Um § 241a  I BGB als Verwirkungstatbestand mit der Konsequenz des Rechtserwerbs begreifen zu können, hätte es also eines gesetzlichen Hinweises bedurft. Einen solchen sucht man im Normtext des § 241a  I BGB allerdings vergebens. Dies verwundert umso mehr, knüpft das Gesetz ausweislich der §§ 339, 354 BGB einen Rechtserwerb infolge von Verwirkung – wenn es einen solchen überhaupt vorsieht – stets unmittelbar an die Pflichtverletzung.265 An den Verwirkungstatbestand nur einen bedingten dingliche Rechtserwerb zu knüpfen – der Verbraucher müsste sich die Ware erst aneignen –, würde folglich ein Novum für das BGB darstellen.266 Die Ansicht, dass § 241a  I BGB einen Verwirkungstatbestand begründet, erscheint somit ungeachtet des Umstands, dass es bereits an einem Rechtsverlust mangelt, fragwürdig.267 5. Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass auch die zuvor behandelten Lösungsvorschläge das auf § 241a BGB fußende dominium sine re nicht überzeugend bereinigen können. Für einen Eigentumsverlust nach § 959 BGB mangelt es bereits an dem fehlenden Willen, die Ware zu derelinquieren, und die seitens des Unternehmers typischerweise aufschiebend bedingte Übereignung kann nicht lediglich um ihre Bedingung erleichtert werden. Zudem kann ein Übereignungsanspruch zugunsten des Verbrauchers im Kontext des § 241a BGB dogmatisch ebenso wenig überzeugen, wie dies im 264  So

auch Krämer, Verwirkung von Rechten (1964), S. 1. BGB („so ist der Gläubiger bei dem Eintritt dieses Falles zum Rücktritt von dem Vertrag berechtigt“), § 339 BGB („so ist die Strafe verwirkt, wenn er in Verzug kommt“). 266  Dem ließe sich auch nicht mit der Überlegung entgegentreten, dass die Verwirkung – ob nun gesetzlich ausdrücklich vorgesehen oder auf § 242 BGB gestützt – eine Einwendung darstelle und deshalb „eine Berufung auf das Verteidigungsmittel erforderlich ist.“ Die Verwirkung verändert unmittelbar die materielle Rechtslage, die geänderte rechtliche Situation muss ohne weitere Voraussetzungen Beachtung finden (Salzmann, Die zivilrechtliche Verwirkung [2015], S. 149 f., auch das vorausgegangene Zitat findet sich dort.). 267  Mit Finkenauer, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 241a Rn. 36 lässt sich zudem kritisieren, dass der Eigentumserwerb so vom Willen des Verbrauchers abhängig gemacht würde. 265  § 354



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re345

Rahmen Vindikationsverjährung der Fall war; zumindest im Ergebnis gilt dasselbe für die Verwirkung des Eigentums.

IV. Eigentumserwerb durch analoge Anwendung des Ersitzungstatbestandes Zu erörtern bleibt somit allein noch eine mögliche Auflösung des Konflikts im Wege des § 937 BGB, welcher bereits im Kontext der Vindikationsverjährung sowie der der „Chorarchiventscheidung“ zugrundeliegenden Konstellation zu tragfähigen Ergebnissen geführt hat. Den gedanklichen Anstoß dazu, diese Lösung auch im hiesigen Kontext zu thematisieren, hat der Gesetzgeber gleichsam selbst gegeben, indem er innerhalb der Gesetzesbegründung zum § 241a I BGB, soweit es die Entstehung eines dominium sine re betraf, auf die Vindikationsverjährung verwies.268 Wie schon in den beiden soeben genannten Fallgruppen scheidet eine unmittelbare Anwendung des § 937 BGB zumindest auf den ersten Blick aus.269 Einige Stimmen in der Literatur betonen, dass der Verbraucher typischerweise nicht der Vorstellung unterliege, durch den Erhalt der unbestellten Ware auch das Eigentum an dieser zu erwerben und, falls dies doch einmal der Fall sein sollte, der Rechtsirrtum angesichts des der Ware typischerweise beiliegenden, neben einem Eigentumsvorbehalt auch eine Zahlungsaufforderung270 enthaltenden Schreibens als grob fahrlässig einzustufen wäre.271 Ob dem uneingeschränkt zuzustimmen ist, lässt sich mit Blick auf den seitens Finkenauer postulierten, unmittelbar auf § 241a  I BGB gestützten Eigentums­ erwerb aufgrund Erhalt der unbestellt zugesandten Ware272 jedoch zumindest dann hinterfragen, wenn der Verbraucher Kenntnis von § 241a  I BGB hat. Denn wenn bereits namhafte Vertreter innerhalb der Jurisprudenz die Rechtsfolge des Eigentumserwerbs unmittelbar aus der Norm herauslesen, lässt sich gegenüber dem Verbraucher schwerlich der Vorwurf grober Fahrlässigkeit erheben, wenn dieser gestützt auf § 241a I BGB einen Eigentumserwerb an-

268  BT-Drs.

14/2658, S. 46. scheinbar nur Wendehorst, DStR 2000, 1311 (1317) („Wegen § 937 Abs. 2 BGB ist selbst unklar, ob nach zehn Jahren Ersitzung stattfinden kann.“). 270  Dazu Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452). 271  Schwarz, a. a. O.; Ebbing, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 937 BGB Rn. 13; eine Ersitzung gestützt auf den nicht im Wege gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung erweiterten § 937 BGB lehnen auch Riehm, JURA 2000, 505 (512); Lorenz, in: FS W. Lorenz (2001), 193 (212); Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware (2005), S. 213 und Leiß, Unbestellte Leistungserbringung (2006), S. 113 grundsätzlich ab. 272  Vgl. 297 ff. 269  Anders

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nimmt. In diesen Fällen ließe sich ungeachtet der Frage, wie gehäuft diese auftreten,273 die unmittelbare Anwendung des § 937 BGB erwägen. Wollte man ein auf § 241a  I BGB zurückzuführendes dominium sine re abseits dieser Konstellation durch Rückgriff auf den Ersitzungstatbestand verhindern, bedürfte es jedoch in der Tat einer gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung.274 Gegenwärtig findet sich in der Literatur lediglich ein Befürworter, der das dauerhafte Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz durch analoge Anwendung des § 937 BGB verhindern möchte – Ebbing. 275 Als Begründung nennt dieser den andernfalls drohenden Vorwurf der Inkonsequenz, wenn der Verbraucher zwar eine eigentümerähnliche Stellung erlangt, diesem aber auch nach Ablauf von zehn Jahren die Ersitzung unter Verweis auf die fehlende Gutgläubigkeit verwehrt würde.276 Weitere Ausführungen zur „entsprechenden Anwendung“ des § 937 BGB bleibt Ebbing jedoch schuldig. Für die Tragfähigkeit dieses Ansatzes kommt es nunmehr darauf an, ob der Ersitzungstatbestand durch die Analogie gleichsam um die Voraussetzung der Gutgläubigkeit gebracht, mithin eine außerordentliche Ersitzung losgelöst von subjektiven Elementen geschaffen würde, oder die Gutgläubigkeit des Verbrauchers unter anderem auf die Berücksichtigung gesetzlicher Wertungen gestützt werden soll. Bei Zugrundelegung der ersteren Alternative müsste der Lösungsansatz von vornherein ausscheiden. Denn wie schon zuvor dargelegt wurde, stünde die Etablierung einer außerordentlichen Ersitzung durch die Hintertür nicht nur in Konflikt mit dem Gesetz – die Vindikationsverjährung würde ihre Daseinsberechtigung einbüßen – und dem numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände, sondern würde auch der Entscheidung der Gesetzesväter, die eine solche außerordentliche Ersitzung diskutiert und ­expressis verbis abgelehnt haben, zuwiderlaufen.277 Die Rechtsfortbildung darf nicht dazu missbraucht werden, unliebsame Entscheidungen des Gesetzgebers zu konterkarieren.278 In Anbetracht dessen soll für die folgenden Ausführungen allein die letztere Alternative – die Begründung der Gutgläu-

273  Für eine marginale Bedeutung dieser Fälle spricht, dass dem Durchschnittsverbraucher bereits § 241a BGB nicht bekannt ist, vgl. Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 14 und Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 20. 274  So schon Ebbing, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 937 Rn. 13. 275  Ebbing, a. a. O.; a. A. Kindl, in: BeckOK BGB, 59. Ed. Stand 01.08.2021, § 937 Rn. 3, jedoch ohne Begründung; kritisch auch Lüke, Sachenrecht, 4. Auflage, Rn. 254. 276  Ebbing, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 937 Rn. 13. 277  Mugdan, Bd. III, S. 642 = Protokolle, Bd. 3, S. 235 f., zur kritischen Auseinandersetzung mit einer außerordentlichen Ersitzung schon oben S. 160 ff. 278  Kramer, Methodenlehre, 6. Auflage, S. 263 m. w. N.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re347

bigkeit unter anderem durch Berücksichtigung gesetzlicher Wertungen – maßgebend sein.

V. Stellungnahme Insbesondere vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen279 stellt sich jedoch die Frage, ob die Analogie tatsächlich das vorzugswürdige gesetzesimmanente Rechtsfortbildungsinstrument darstellt. Am angegebenen Ort wurde herausgearbeitet, dass die teleologische Extension keinen Unterfall der Analogie verkörpert und zudem einen gleichsam milderen „Eingriff“ in die unangefochtene Gesetzgebungsbefugnis der Legislative darstellt. Durch sie wird einer unvollkommen zum Ausdruck gekommenen, das heißt bereits kodifizierten Regelungsabsicht des Gesetzgebers zur Geltung verholfen, wohingegen die Analogie die legislative Kompetenz des Gesetzgebers berührt.280 Besinnt man sich nun noch einmal auf die schon oben herausdestillierte, hinter § 937 BGB stehende allgemeine Wertentscheidung zurück – das domi­ nium sine re soll zugunsten des gutgläubigen und deshalb schutzwürdigen Besitzers aufgelöst werden281 –, wird deutlich, dass der Gesetzgeber seine Regelungsabsicht bereits im Gesetz zum Ausdruck gebracht hat. Stellt man dann zusätzlich fest, dass sich die Schutzwürdigkeit des Besitzers nicht einzig anhand des Kriteriums (grob fahrlässiger Un-)Kenntnis von der eigenen Nichtberechtigung messen lässt,282 erscheint die teleologische Extension als Rechtsinstrument zur Erfassung jener Fälle, in denen der Besitzer trotz (grob fahrlässiger Un-)Kenntnis schutzwürdig ist, gegenüber der Analogie vorzugswürdig – in diesen Fällen bleibt der Normtext des § 937 BGB hinter der Regelungsabsicht des Gesetzgebers zurück. Bei genauer Betrachtung spielt auch Ebbing eben darauf an, wenn er auf der einen Seite die ratio legis des § 937 BGB, ein dauerhaftes Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz zu vermeiden,283 hervorhebt und sodann den Vorwurf der Inkonsequenz erhebt.284

279  Siehe

S. 184 ff. dem letztgenannten Aspekt Muthorst, Grundlagen der Rechtswissenschaft, 2. Auflage, § 8 Rn. 18. 281  Siehe S. 190 ff. 282  Vgl. dafür insbesondere S. 192 ff. und S. 286 ff.; für die Gründe, die neben der ratio legis des § 937 BGB für einen Eigentumserwerb zugunsten des Besitzers sprechenden siehe S. 181 ff. 283  Dazu schon auf S. 182 f. 284  Siehe zu Ebbings Argumentation schon auf S. 346. 280  Zu

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

1. Teleologische Extension des § 937 BGB zugunsten des rechtskundigen Verbrauchers Folglich kommt es abermals auf die für die teleologisch extensive Anwendung des § 937 BGB maßgebliche Frage an, ob der Verbraucher trotz Kenntnis von seiner Nichtberechtigung als schutzwürdig eingestuft werden kann. Obschon der Verbraucher wohl in den überwiegenden Fällen285 zu keinem Zeitpunkt davon ausgeht, dass er das Eigentum an der Ware erwirbt bzw. ein solcher Irrtum jedenfalls bei fehlender Kenntnis von der Existenz des § 241a  I BGB als grob fahrlässig einzustufen wäre – hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu den beiden zuvor genannten Konstellationen der Vindikationsverjährung und der „Chorarchiventscheidung“286 –, stellt die Begründung der Redlichkeit desselben kein unüberwindbares Hindernis dar.287 Vielmehr ergibt sich die Redlich- und damit Schutzwürdigkeit unmittelbar daraus, dass der Verbraucher Opfer der unlauteren Geschäftspraktik eines Unternehmers geworden ist. Denn zum einen verbietet § 3  III UWG in Verbindung mit Nr. 29 Anhang 3 zu § 3  III UWG das Liefern unbestellter Ware an den Verbraucher verbunden mit der Aufforderung zur Bezahlung, Rücksendung oder Aufbewahrung und zum anderen schützt § 241a  I BGB diesen durch die gesteigerten Anforderungen an das Vorliegen einer Annahmeerklärung288 und den umfassenden Anspruchsausschluss zulasten des Unternehmers.289 Das Gesetz selbst bringt folglich unmissverständlich die Schutzwürdigkeit des Verbrauchers zum Ausdruck, wenn dieser Opfer der besagten unlauteren Geschäftspraktik wird. Zudem folgt als Kehrseite aus dem bereits angesprochenen umfassenden Anspruchsausschluss eine eigentümerähnliche Stellung des Verbrauchers. Der Vorwurf unredlichen Verhaltens lässt sich demnach selbst dann nicht erheben, wenn der Verbraucher mit der Ware wie ein Eigentümer verfährt, ohne das geforderte Entgelt zu entrichten – auch in diesem Fall bewegt dieser sich im Rahmen der ihm gesetzlich zugebilligten Befugnisse.290 Lässt man zur Bestimmung der Schutzwürdigkeit des Verbrauchers die Redlichkeit als gleichberechtigten Partner neben die (fahrlässige) Unkenntnis von der eigenen Nichtberechtigung treten, entspricht auch der Ver285  Vgl.

S. 345 f. im Kontext der Vindikationsverjährung als auch in der Konstellation der „Chorarchiventscheidung“ wurde eine teleologische Extension des § 937 BGB nur zugunsten des Besitzers befürwortet, der ursprünglich keine Kenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung hatte, vgl. S. 192 ff. und S. 286 ff. 287  Dies war im Rahmen der zuvor thematisierten Fallkonstellationen noch anders, vgl. S. 196 und S. 283 ff. 288  Zu Letzterem siehe schon oben S. 29 ff. 289  BT-Drs. 14/2658, S. 46. 290  Zum umfassenden Anspruchsausschluss schon oben S. 33 ff. und 80 ff. 286  Sowohl



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re349

braucher als Empfänger unbestellter Ware somit dem Leitbild eines gutgläubigen Besitzers. Gleichwohl würde es dem Willen des historischen Gesetzgebers zuwiderlaufen, wollte man die für die Verwirklichung des Ersitzungstatbestandes notwendige Schutzwürdigkeit des Ersitzungsprätendenten einzig auf gesetz­ liche Wertungen stützen und somit gänzlich von einem subjektiven Element loslösen.291 Folglich bleibt zu erörtern, an welches zusätzliche subjektive Element sich die Redlichkeit des Verbrauchers als Empfänger unbestellter Ware knüpfen ließe. Insofern kommt insbesondere die schon angesprochene Kenntnis von der Schutzwirkung des § 241a  I BGB in Betracht. Denn weiß der Verbraucher, dass er von Gesetzes wegen keine Ansprüche des Unternehmers fürchten muss, ist es wahrscheinlich, dass er die Ware – vorausgesetzt es besteht ein Interesse an dieser – in einen wirtschaftlichen Zusammenhang einfügt. Insofern gleicht die Situation derjenigen, in welcher der Besitzer zwar berechtigterweise davon ausgeht, das Eigentum an der Sache erlangt zu haben, dem Rechtserwerb aber beispielsweise § 935  I BGB entgegensteht. Gewiss ist einschränkend zu bemerken, dass der letztgenannte Besitzer auf den Eigentumserwerb angewiesen ist, um sich erfolgreich gegen Herausgabeansprüche des Eigentümers zur Wehr setzen zu können, wohingegen der Verbraucher als Empfänger unbestellter Ware schon aufgrund von § 241a  I BGB gegen ein Herausgabeverlangen des Unternehmers geschützt ist. Allein aus diesem Unterschied ergibt sich indessen kein durchschlagendes Argument gegen die Vergleichbarkeit. Vielmehr bietet sich insofern Raum für das schon oben genannte argumentum a fortiori: Wenn bereits das berechtigte Vertrauen in die eigene dingliche Berechtigung ausreicht, um einen Eigentumserwerb im Wege der Ersitzung zu ermöglichen, dann muss dasselbe erst recht für das Erlangen einer eigentümerähnlichen Stellung gelten.292 Dass mit dieser Argumentation dem nicht rechtskundigen Verbraucher die Ersitzungsmöglichkeit verwehrt bleibt, erscheint nicht untragbar. Denn ist dem Verbraucher die Rechtslage unbekannt, wird ein fehlendes Interesse an der Ware regelmäßig dazu führen, dass er diese kontraobligatorisch zurücksendet. Dagegen dürfte ein bestehendes Interesse an der Ware entweder im Abschluss eines Kaufvertrags – dann wäre der Verbraucher aufgrund von § 433  II BGB dazu verpflichtet, die durch den Unternehmer gesetzte aufschiebende Bedingung eintreten zu lassen, weshalb sich das Problem des dominium sine re nicht länger stellen würde293 – oder in einer (straflo­ 291  Vgl.

unter anderem S. 346. schon S. 182. 293  Finkenauer, in: MüKo BGB, 16. Auflage 2019, § 241a Rn. 36 meint, dass der Verbraucher aus Anstand in diesem Falle den Vertragsschluss vorziehen werde, zumal daraus auch potentielle Mängelgewährleistungsrechte erwachsen würden. 292  Siehe

350

Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

sen)294 Unterschlagung münden. Dass der Besitzer im letztgenannten Fall aufgrund seiner Gesinnung weniger schutzwürdig erscheint als der rechtskundige Besitzer, liegt auf der Hand. Diesem eine auf die teleologische Extension des § 937 BGB gestützte Ersitzungsmöglichkeit zu versagen, ist schließlich deshalb unbedenklich, da bereits § 241a  I BGB umfassenden Schutz vor Ansprüchen des Unternehmers gewährleistet. Folglich kann der rechtskundige Verbraucher, der unbestellt Waren erhält, als redlich und somit schutzwürdig angesehen werden. Damit bestätigt sich: Die Wertentscheidung der Gesetzesväter, eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz zugunsten des Schutzwürdigen aufzulösen, droht unterlaufen zu werden, wenn dem rechtskundigen Verbraucher ein auf § 937 BGB gestützter Eigentumserwerb verwehrt bliebe.295 In der Sache ist Ebbings Intention, eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung auf Grundlage der in § 937 BGB erkennbaren Wertung anzustreben,296 somit zuzustimmen. Da das drohende Unterlaufen einer gesetzgeberischen Wertentscheidung jedoch ein Charakteristikum der teleologischen Extension verkörpert,297 ist nicht die Analogie, sondern das erstgenannte Rechtsfortbildungsinstrument zu wählen.298 Folglich bietet es sich an, zugunsten des rechtskundigen Verbrauchers § 937 BGB teleologisch extensiv anzuwenden, und diesen trotz des Wissens um seine Nichtberechtigung aufgrund seiner Redlichkeit als gutgläubig einzustufen.

294  Zu den problematischen Auswirkungen des § 241a I BGB auf eine mögliche Strafbarkeit des Verbrauchers und zur Begründung der Straffreiheit schon oben S. 88 und dort Fn. 404. 295  Der in § 241a I BGB zum Ausdruck gekommene Gesetzgeberwille steht mit diesem Ergebnis nicht in Konflikt. Denn es mag zwar dem Willen des Gesetzgebers widerstreben, an § 241a I BGB einen unmittelbaren Eigentumserwerb zu knüpfen, vgl. S. 300 ff., daraus lässt sich aber keineswegs der Wille schlussfolgern, ein domi­ nium sine re zwingend entstehen zu lassen, vgl. bereits S. 291 ff. 296  Ebbing, in: Erman, 16. Auflage 2020, § 937 Rn. 13. 297  Zur Abgrenzung siehe schon oben S. 184 ff. 298  Im Ergebnis würde sich freilich nichts ändern, wollte man mit Ebbing die Analogie als vorzugwürdig betrachten. Die Schutzwürdigkeit des Verbrauchers ließe sich gleichermaßen für eine vergleichbare Interessenlage bemühen, zudem wurde schon zuvor durch die Ausführungen zur Konjunktion „soweit“ (S. 292) und den Gesetzgebungsmaterialien zum Ersitzungstatbestand (S. 182 f.) klargestellt, dass der Gesetzgeber nicht auf die Entstehung eines dominium sine re abzielt. Offen bliebe allerdings, wie die Analogie mit dem numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände in Einklang zu bringen wäre.



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re351

2. Vereinbarkeit der teleologischen Extension des § 937 BGB zugunsten des rechtskundigen Verbrauchers mit dem numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände Nun gilt es noch den Ansatz, im Wege teleologischer Extension des § 937 BGB ein dauerhaftes Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz zu verhindern, auf seine Vereinbarkeit mit dem zuvor wiederholt betonten numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände hin zu überprüfen. Wie bereits im Rahmen der obigen Ausführungen herausgearbeitet wurde, kann allein aufgrund des teleologisch extensiven Verständnisses der Gutgläubigkeit schwerlich von der Schaffung eines gesetzlich nicht vorgesehenen Eigentumserwerbstatbestandes und einer damit korrespondierenden Durchbrechung des numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände gesprochen werden.299 Im hiesigen Kontext ist neben dem Umstand, dass der Verbraucher regelmäßig Kenntnis von seiner fehlenden dinglichen Berechtigung hat oder haben muss,300 aber noch ein weiterer schon zuvor angedeuteter Umstand zu berücksichtigen: Anders als der Vindikationsschuldner, der sich auf die Verjährungseinrede beruft oder die Schadensersatzforderung in Höhe des Sachwertes begleicht, hat der hier in Rede stehende rechtskundige Verbraucher nicht immer ein Interesse an der streitgegenständlichen Ware. Fehlt es aber an einem solchen Interesse, wird der Besitzer typischerweise auch nicht den Willen entwickeln, diese wie ein Eigentümer zu beherrschen.301 Gerade dies wäre aber Voraussetzung für die Bejahung des Eigenbesitzes im Sinne des § 872 BGB,302 der „die erste und wichtigste Voraussetzung für die Ersitzung [bildet]“303. Von einem teleologisch motivierten geringfügigen Eingriff in den Ersitzungstatbestand kann aber dann keine Rede mehr sein, wenn neben einer Erweiterung des Gutglaubensbegriffs auch ein Verzicht auf die Voraussetzung des Eigenbesitzes erforderlich wäre. Vielmehr würde sich die Frage stellen, wie ein solcher Verzicht dogmatisch legitimiert werden könnte. Vor diesem Hintergrund zu argumentieren, dass zur Ermöglichung einer Ersitzung im hiesigen Rahmen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 937 BGB verwässert werden müssten, sodass letztlich doch ein de lege lata unbekannter Eigentumserwerbstatbestand geschaffen würde, wäre jedoch verfrüht. Denn wie zuvor herausgearbeitet, kommt eine teleologische Extension des § 937 BGB lediglich zugunsten des rechtskundigen Verbrauchers in Be299  Zur Vereinbarkeit der teleologischen Extension des § 937 BGB mit dem nume­ rus clausus der Eigentumserwerbstatbestände schon oben S. 197 f. 300  Vgl. S. 345. 301  Walter, Erbringung unbestellter Leistungen (2009), S. 195, dort Fn. 1231. 302  Götz, in: BeckOGK BGB, Stand 01.07.2021, § 872 Rn. 5 m. w. N. 303  Mugdan, Bd. III, S. 638 = Protokolle, Bd. 3, S. 229 f.

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Kap. 4: Das dominium sine re als Resultat des Verbraucherschutzes

tracht. Dass dieser den Willen entwickelt, die Ware wie ein Eigentümer zu beherrschen, liegt insbesondere dann nahe, wenn ein Interesse an der Ware besteht. Jedenfalls der rechtskundige, an der Ware interessierte Verbraucher verwirklicht somit auch die Tatbestandsvoraussetzung des Eigenbesitzes. Zu dessen Gunsten kann – bedingt durch das teleologisch extensive Verständnis der Gutgläubigkeit – deshalb die Ersitzungsfrist zu laufen beginnen, sobald er die tatsächliche Sachherrschaft über die Ware erlangt. Der Eingriff in die Freiheitsrechte unbestimmt vieler Dritter304 erfolgt demnach im Einklang mit dem numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände auf Grundlage und im Rahmen einer gesetzlichen Normierung. Nun ließe sich Selbiges mitnichten für den rechtskundigen Verbraucher behaupten, der kein Interesse an der Ware hat und diese deshalb nicht als in seinem Eigentum stehend behandelt. Fraglich ist indessen, ob es für diesen Besitzer überhaupt indiziert ist, eine Möglichkeit zu schaffen, Eigentum an der unbestellten Ware zu erwerben. Denn in Anbetracht des fehlenden Inte­ resses an der Ware erscheint es bereits unwahrscheinlich, dass der Verbraucher diese (zehn Jahre) in seinem Besitz hält. Näher liegt es, dass er diese kontraobligatorisch zurücksendet oder wegwirft. In diesem Falle dürfte es daher schon an einem praktischen Bedürfnis fehlen, Eigentum und Besitz wieder in einer Person zu vereinen. 3. Vorzüge der teleologischen Extension des § 937 BGB Abschließend sollen die dogmatischen Vorzüge der teleologisch extensiven Anwendung des Ersitzungstatbestandes näher thematisiert und der hiesige Ansatz den gegen die übrigen Lösungsvorschläge sprechenden Unstimmigkeiten und Kritikpunkten gegenübergestellt werden. Allen voran streitet für eine teleologische Extension des § 937 BGB die Vereinbarkeit dieser Lösung mit dem Wortlaut des § 241a I BGB sowie dem Willen des Gesetzgebers. Der hier vertretene Ansatz ist weder auf die Fiktion von Willenserklärungen seitens des Unternehmers angewiesen noch läuft dieser auf die faktische Neuschaffung eines Eigentumserwerbstatbestandes hinaus; vielmehr steht er im Einklang mit dem dritten Buch des BGB. Verfassungsrechtliche Zweifel wie etwa solche, die der Gesetzgeber gegenüber einem unmittelbaren Eigentumserwerb durch Zustellung der Ware angestellt haben soll,305 kommen in

304  Vgl.

Kaulbach, JuS 2011, 397 (400) und schon oben S. 164. Erbringung unbestellter Leistungen (2009), S. 193, dort insbesondere Fn. 1213 attestiert dem Gesetzgeber Skepsis gegenüber einem Eigentumsübergang, weil dieser den Ausschluss des Herausgabeanspruchs als angemessen eingestuft hat. Verfassungsrechtliche Bedenken äußert insbesondere auch Altmeppen, in: FS West305  Walter,



B. Lösungsvorschläge zur Vermeidung des dominium sine re353

Anbetracht dieses Fundaments gar nicht erst auf. Selbiges gilt für Bedenken in Bezug auf die Richtlinienkonformität des Eigentumserwerbs, denn dieser geht nicht auf § 241a I BGB und somit auf die Umsetzung der VRRL zurück, sondern speist sich nur durch dessen Rechtsfolge in Form des umfassenden Anspruchsausschlusses.306 Diese Lösung dürfte eher im Gegenteil dem Sanktionsgedanken des Gesetzgebers entsprechen.307 Weiterhin wird – entsprechend den gemeinhin bestehenden Bemühungen des Gesetzgebers, innerhalb der Gestaltung der Eigentumsverhältnisse für Eindeutigkeit und Klarheit zu sorgen308 – das Schicksal des Eigentums nicht durch einen Übereignungsanspruch in die Hände des Verbrauchers gelegt, sondern das Gesetz selbst sorgt unbedingt durch Zeitablauf für Rechtsklarheit. Der darauf fußende Vorwurf, dem Verbraucher könnten Lasten aufgedrängt werden,309 lässt sich freilich nicht ernsthaft erheben. Denn der Ersitzungstatbestand gewährleistet bereits einen lastenfreien Eigentumserwerb, wenn der Erwerber bezüglich fehlender Rechte Dritter gutgläubig war, vgl. § 945 BGB. Im Übrigen hat der Gesetzgeber durch § 937 BGB selbst die Wertung kodifiziert, dass sonstige Lasten im weiteren Sinne, das heißt Steuern, Entsorgungskosten etc., dem gutgläubigen Besitzer aufzuerlegen sind, wenn dieser die Sache zehn Jahre in Eigenbesitz hält. Vor Ablauf der Ersitzungsfrist könnte der Verbraucher etwaige Entsorgungskosten im Wege der Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber dem Unternehmer geltend machen.310 Abschließend darf nicht ohne Beachtung bleiben, dass durch die teleologische Extension des § 937 BGB eine Zusammenführung von Eigentum und Besitz losgelöst von einer dinglichen Berechtigung des Unternehmers gewährleistet werden kann. Insbesondere dieser Aspekt spricht gegen all jene Lösungsmodelle, die dem entgegenstehenden Gesetzgeberwillen auszuwei-

phalen (2010), 1 (7). Zur Verfassungskonformität des § 241a BGB siehe schon S. 39 ff. 306  Siehe S. 347 ff. 307  BT-Drs. 14/2658, S. 46 („Es erscheint jedoch angemessen, auch diesen Anspruch als Sanktion des Wettbewerbsverstoßes des Versenders auszuschließen“); ungeachtet des Umstands, wie kritisch man die Niederlegung von Sanktionen innerhalb des BGB gegenüberstehen mag (vgl. etwa Casper, ZIP 2000, 1602 (1606) m. w. N.; dazu auch schon oben S. 36 f. und dort Fn. 107), kann dies nichts an der Beachtlichkeit des ausdrücklich kommunizierten und vergleichsweise jungen Gesetzgeberwillens ändern, vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 46. 308  Walter, Erbringung unbestellter Leistungen (2009), S. 194; so schon Wiegand, in: Staudinger, 1995, Einl. §§ 929 ff. Rn. 9. 309  Siehe dazu schon oben S. 313 ff., dort Fn. 103. 310  Vgl. schon oben S. 315.

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chen und deshalb einen rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb zu begründen versuchen.311 4. Die Praktikabilität der teleologischen Extension des § 937 BGB Die teleologische Extension des § 937 BGB, die zuvor schon dazu im Stande war, der Entstehung eines dominium sine re bedingt durch die Vindikationsverjährung oder die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Vindikation in Teilen Einhalt zu gebieten, bleibt jedoch auch in diesem Rahmen nicht frei von Kritik. Insbesondere an der Praktikabilität der Lösung lässt sich zweifeln. Denn während es in den beiden zuvor genannten Fällen aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache praktikabel und realistisch erschien, dass der Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft auch noch zehn weitere Jahre lang ausübt, lässt sich dies im hiesigen Rahmen mit Blick auf den typischerweise niedrig anzusetzenden Wert312 oder auch die Haltbarkeit der unbestellt zugesandten Ware zumindest bezweifeln. Verstärkt wird dieser Kritikpunkt weiter dadurch, dass § 241a I BGB in Verbraucherkreisen weitgehend unbekannt ist,313 weshalb die Zahl derer, zu deren Gunsten ein Eigentumserwerb nach Zusendung unbestellter Ware aufgrund teleologischer Extension des § 937 BGB überhaupt in Betracht kommt, gering sein dürfte. Insofern wird sich der hier vertretene Ansatz den Vorwurf gefallen lassen müssen, im Elfenbeinturm der juristischen Dogmatik entwickelt worden zu sein. Gleichwohl kann dies allein nicht Grund genug sein, die teleologisch motivierte Extension des § 937 BGB im hiesigen Rahmen in Misskredit zu bringen, trägt es doch jedenfalls zur Rechtssicherheit und -klarheit bei, wenn in allen Fällen des dominium sine re, die Gegenstand dieser Arbeit wurden, eine Zusammenführung von Eigentum und Besitz durch dieselbe Lösung erzielt werden kann. Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass die teleologisch extensive Anwendung des Ersitzungstatbestandes auch für das dominium sine re, welches aus § 241a I BGB hervorzugehen droht, zumindest dogmatisch die einzig überzeugende Möglichkeit darstellt, dieses rechtlich bedenkliche Phänomen einzudämmen.

311  Diese wurden auf S. 316  ff. behandelt; dasselbe Argument lässt sich auch gegen die Annahme, der Unternehmer derelinquiere die Ware durch unbestellte Versendung an den Verbraucher (S. 329 ff.) und den Lösungsansatz in Form des Übereignungsanspruchs (S. 339 ff.) geltend machen. 312  Casper, ZIP 2000, 1602 (1602). 313  Krebs, in: NK BGB, 4. Auflage 2021, § 241a Rn. 20; Fritzsche, in: BeckOGK BGB, Stand 01.08.2021, § 241a Rn. 14.

Fazit: Die wesentlichen Untersuchungsergebnisse in Thesen 1.  Dominium sine re beschreibt die Situation, in der der Eigentümer zwar noch Inhaber des dinglichen Rechts ist, faktisch aber keine Zugriffsmöglichkeit mehr auf die Sache hat – Eigentum und Besitz sind dauerhaft voneinander getrennt.1 2.  Die Ursache für ein dauerhaftes Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz liegt dabei im Ausschluss des Vindikationsanspruchs.2 3. Ein dominium sine re droht im Mobiliarsachenrecht zu entstehen, wenn der Anspruch des Eigentümers aus § 985 BGB aufgrund von Verjährung einredebehaftet ist.3 Selbiges gilt, wenn ein Unternehmer unbestellt Ware an einen Verbraucher sendet und der Vindikationsanspruch deshalb durch § 241a I BGB ausgeschlossen ist.4 Schließlich ist an den Eigentümer zu denken, der Schadensersatz statt des Eigentumsverwirklichungsanspruchs geltend macht und aufgrund von § 281 IV BGB keine Zugriffsmöglichkeit mehr auf die Sache hat; dabei gilt es aber die Einschränkung zu beachten, dass § 281 BGB analog nur zulasten des schutzunwürdigen Besitzers angewandt werden kann.5 § 105a BGB lässt sich demgegenüber nicht als Ursache für eine dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz identifizieren, da durch diese Regelung auch die dingliche Willenserklärung des Geschäftsunfähigen fingiert wird.6 4.  Die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz ist kein erstrebenswerter Zustand und sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Dafür streiten neben dem Umstand, dass das BGB inhalts- und wertlose Rechte vermeiden möchte und nach den Wertvorstellungen des Gesetzes Besitz und Eigentum grundsätzlich in der Hand einer Person liegen,7 auch die mit diesem

1  S. 18 ff. 2  S. 21 f. 3  S. 22

und 100 ff.

4  S.  27 ff.

5  S. 49  ff., zur Beschränkung auf den bösgläubigen oder verklagten Besitzer auf S. 59 ff. 6  S. 22 ff. 7  Zu Ersterem S. 74 ff., zu Letzterem S. 89 ff.

356

Fazit: Die wesentlichen Untersuchungsergebnisse in Thesen

Konstrukt zusammenhängenden Folgeprobleme8 sowie die faktische Wiederbelebung der Lehre vom doppelten Eigentum.9 5.  Die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz bedingt durch Verjährung der Vindikation kann nicht präkludiert werden, indem der Vindikationsanspruch unverjährbar gestellt wird. Die (verfassungsrechtlichen) Bedenken, die der in § 197 I Nr. 2 BGB niedergelegten Wertentscheidung entgegengehalten werden, vermögen nicht zu überzeugen. Zum einen greifen auch für den Vindikationsanspruch die die Verjährung rechtfertigenden Gründe ein – die Vindikationsverjährung führt zu Rechtsfrieden und -sicherheit –10 und zum anderen zieht § 197 I Nr. 2 BGB keine unbilligen Ergebnisse nach sich; weder wird der verbotene Eigenmacht ausübende Eigentümer privilegiert, noch verkörpert die Norm eine Schutzvorschrift allein zugunsten von Hehlern und Dieben.11 6.  Der historische Gesetzgeber hat die drohende Entstehung eines domi­ nium sine re aufgrund Verjährung der Vindikation zwar erkannt und insbesondere durch die Ablehnung einer außerordentlichen Ersitzung nach 30  Jahren hingenommen. Daraus lässt sich aber nicht seine Verschlossenheit gegenüber Ansätzen zur Auflösung einer dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz schlussfolgern.12 7.  An Ansätzen, die das Ziel verfolgen, Eigentum und Besitz nach Eintritt der Vindikationsverjährung wieder zusammenzuführen, mangelt es nicht. Diese können jedoch nicht überzeugen: Eine außerordentliche Ersitzung zugunsten des Besitzers nach 30 Jahren würde nicht zuletzt mit dem Willen der Gesetzesväter in Konflikt geraten,13 eine „Entsitzung“ nach 30 Jahren würde unter anderem die Vindikationsverjährung obsolet werden lassen14 und ein Anspruch auf Eigentumsverzicht/-übertragung aufgrund gesamtanaloger Anwendung von §§ 896, 1169, 1254 BGB scheitert an der fehlenden Vergleichbarkeit der Interessenlagen.15 Dem Besitzer die Berufung auf die Einrede der Verjährung gestützt auf § 242 BGB versagen zu wollen, würde schließlich die Verjährung durch die Hintertür um das Erfordernis der Gutgläubigkeit erweitern.16 8  S. 87 ff. 9  S.  92 ff.

10  S. 111 ff.

und S. 129 ff. Ersterem S. 121 ff., zu Letzterem S. 107 ff. 12  S. 153 ff. 13  S. 157 ff. 14  S. 165 ff. 15  S. 169 ff. 16  S. 172 ff. 11  Zu



Fazit: Die wesentlichen Untersuchungsergebnisse in Thesen357

8. Eine teleologische Extension des § 937 BGB als Lösungsansatz im Kontext der Vindikationsverjährung zu bemühen, wurde bis dato noch nicht erwogen.17 Eine solche bietet sich jedoch an, berücksichtigt man die dem Ersitzungstatbestand zugrundeliegende Wertung – der Schutz des Schutzwürdigen –18 auf der einen Seite und die Redlich- und damit Schutzwürdigkeit des Besitzers, der gutgläubig im Wege der Rechtsnachfolge in den Besitz der Sache gekommen ist und erst nachträglich von seiner Nichtberechtigung erfahren hat, auf der anderen Seite; diesem kann weder hinsichtlich der Besitz­ erlangung noch bezüglich der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft ein Vorwurf gemacht werden. Insofern ist der Tatbestand des § 937 BGB demnach zu kurz geraten, sodass eine teleologische Extension indiziert ist.19 Mit dem Eintritt der Vindikationsverjährung ist der ursprünglich gutgläubige Besitzer trotz des Wissens um seine Nichtberechtigung wieder als gutgläubig im Sinne der Norm einzustufen. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Ersitzungsfrist deshalb – ohne Anrechnung der bereits zuvor verstrichenen Ersitzungszeit – von Neuem zu laufen.20 9.  Wendet man § 281 BGB auf den Vindikationsanspruch an, bemisst sich die Höhe des Schadensersatzes nach dem Wert der Sache und nicht nach den einzelnen Leistungsbestandteilen der Vindikation in Form des Besitzes oder der Besitzverschaffung.21 10.  Der Trennung von Eigentum und Besitz durch Geltendmachung von Schadensersatz statt der Vindikation lässt sich nicht im Wege originären Eigentumserwerbs vorbeugen. Ein paralleles Erlöschen bzw. ein paralleler Übergang von Vindikationsanspruch und Eigentum würde entweder in einer dem BGB fremden Art und Weise das dingliche Recht dem Vindikationsanspruch nachfolgen lassen oder dem Verpflichtungsgeschäft würde in systemwidriger Weise eine dingliche Wirkung beigemessen.22 Ein Eigentumserwerb zugunsten des Besitzers im Wege der Aneignung kommt nicht in Betracht, da dem Eigentümer weder vor noch nach Erhalt der Schadensersatzsumme in Höhe des Sachwertes ein Wille zur Preisgabe seiner Rechtsposition unterstellt werden kann.23 Aus demselben Grund scheitert ein derivativer Eigentumserwerb.24 Durch Hoheitsakt lässt sich ein Eigentumserwerb ebenfalls

17  S. 176 ff. 18  S. 190 ff. 19  S. 192 ff. 20  S. 199 f.

21  S. 203 ff. 22  S. 226 ff. 23  S. 230 ff. 24  S. 237 ff.

358

Fazit: Die wesentlichen Untersuchungsergebnisse in Thesen

nicht begründen, da das gerichtliche Urteil die materielle Rechtslage nur widerspiegelt, diese aber nicht setzt.25 11.  Einen Übereignungsanspruch zugunsten des Verbrauchers durch analoge Anwendung des § 255 BGB zu begründen, ist kritik-, jedoch nicht offensichtlich ablehnungswürdig.26 Dieser Ansatz, für den vornehmlich die Möglichkeit streitet, die Rechtslage zügig zu bereinigen, lässt sich insbesondere aufgrund seiner dogmatischen Grundlage infrage stellen. Der für eine Analogie erforderlichen vergleichbaren Interessenlage kann zum einen entgegenhalten werden, dass die Betroffenheit des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots im Fall der Geltendmachung von Schadensersatz statt der Vindikation fragwürdig ist und § 255 BGB zum anderen die Rechtsfolge der Eigentumsübertragung fremd ist.27 Daneben ist das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke zweifelhaft.28 12.  Der Besitzer, der ursprünglich gutgläubig in den Besitz der Sache gelangt ist und der nach Geltendmachung des § 281 BGB die Schadensersatzforderung des Eigentümers begleicht, ist schutzwürdig. Dies ergibt sich insbesondere aus der Korrelation seines ursprünglich guten Glaubens mit der späteren pflichtgemäßen Befriedigung des Schadensersatzverlangens. Ihm können weder die Umstände der Besitzerlangung noch die Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft zum Vorwurf gemacht werden. Auch dieser sollte mittels teleologischer Extension des § 937 BGB mit Erfüllung der Schadensersatzforderung deshalb wieder als gutgläubig im Sinne der Norm angesehen werden, sodass die Ersitzungsfrist ab diesem Zeitpunkt von Neuem zu laufen beginnt.29 13. Die Entstehung eines dominium sine re aufgrund des Anspruchsausschlusses des § 241a I BGB wurde durch den Gesetzgeber nicht angestrebt, sondern als unerwünschtes Nebenprodukt hingenommen.30 14.  Einem unmittelbaren Eigentumserwerb durch § 241a I BGB steht neben dem Wortlaut der Norm auch der eindeutige Gesetzgeberwille entgegen.31 Der sich ebenfalls auf den Ausschluss des Herausgabeanspruchs beschränkende Wortlaut der Regelungen des Wertpapierrechts ist als eine Hommage an den „Hand wahre Hand“-Grundsatz zu verstehen, sodass der an

25  S. 241.

26  S. 242 ff. 27  Zu

Ersterem S. 249 ff. zu Letzterem S. 253 ff.

28  S. 266 f.

29  S. 286 ff. 30  S. 291 ff. 31  S. 293 ff.



Fazit: Die wesentlichen Untersuchungsergebnisse in Thesen359

diese Regelungen geknüpfte Eigentumserwerb keine Rückschlüsse in Bezug auf § 241a I BGB zulässt.32 15.  § 241a I BGB lässt sich nicht als gesetzliche Fiktion einer Handschenkung oder gesetzlich fingiertes unbedingtes Übereignungsangebot verstehen.33 16.  Der unbestellten Zusendung von Ware an einen Verbraucher kann kein Dereliktionswille des Unternehmers entnommen werden.34 17. Das seitens des Unternehmers typischerweise unterbreitete aufschiebend bedingte dingliche Übereignungsangebot lässt sich nicht lediglich um die aufschiebende Bedingung erleichtern. Die aufschiebende Bedingung kann weder im Wege der protestatio facto contraria als unbeachtlich abgetan noch als unwirksam eingestuft werden.35 18.  In Gesamtanalogie zu §§ 886, 1169, 1254 BGB lässt sich kein Übereignungsanspruch zugunsten des Verbrauchers begründen.36 19.  Der Verbraucher, dem unbestellt Ware zugesandt wird, ist schutzwürdig, wenn er von der Schutzwirkung des § 241a I BGB Kenntnis hat. Dafür streitet neben der in § 241a I BGB getroffenen gesetzlichen Wertung insbesondere der Umstand, dass er Opfer einer unlauteren Geschäftspraktik wurde. Der Beschränkung auf den rechtskundigen Verbraucher bedarf es, da dem Mobiliarsachenrecht eine von subjektiven Elementen losgelöste Ersitzung fremd ist. Zugunsten des rechtskundigen Verbrauchers ist § 937 BGB deshalb teleologisch extensiv anzuwenden; dieser ist trotz seines Wissens um seine Nichtberechtigung als gutgläubig anzusehen.37 20.  Die teleologische Extension des § 937 BGB führt in allen hier behandelten Fällen, die ein dauerhaftes Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz nach sich ziehen können, jedenfalls zu dogmatisch überzeugenden Ergebnissen; ein dominium sine re wird zumindest zugunsten des schutzwürdigen Besitzers eingedämmt.

32  S. 303 ff. 33  Zu

Erstgenanntem S. 317 ff., zu Zweitgenanntem S. 322 ff.

35  Zu

Ersterem S. 334 f., zu Letzterem S. 335 ff.

34  S. 329 ff. 36  S. 339 ff. 37  S. 347 ff.

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Stichwortverzeichnis Abgrenzung, teleologische Extension und Analogie  184 ff. Abholung/Recht auf Abholung, § 241a I BGB  41 f. Abtretbarkeit des Vindikationsanspruchs  69 ff. Allgemeininteressen siehe Vindikationsverjährung Analogie –– § 255 BGB siehe Anspruch auf Eigentumsverzicht/-übertragung –– § 281 BGB, Vindikationsanspruch  63 ff. –– §§ 886, 1169, 1254 BGB siehe Anspruch auf Eigentumsverzicht/ -übertragung –– § 937 BGB  345 ff. –– Abgrenzung, teleologische Extension siehe dort –– Fähigkeit  267 ff. Anspruch auf Eigentumsverzicht/-übertragung –– § 242 BGB  275 ff. –– § 255 BGB analog  242 ff. –– §§ 886, 1169, 1254 BGB analog  169 ff., 339 ff. –– „Neu für Alt“  274 f. –– Vorteilsausgleichung  274 f. Ausschluss des Vindikationsanspruchs –– Schadensersatz statt der Vindikation, § 281 IV BGB  53 ff. –– Verjährung des Vindikationsanspruchs  99 ff. –– Zusendung unbestellter Ware, § 241a BGB  33 ff. Außerordentliche Ersitzung  155 f., 157 ff., 187, 189, 346

Besitzwert –– Besitzergreifung als Schadensposten  212 ff. –– kapitalisierter Nutzungswert  207 ff. –– Naturalrestitution  210 ff. Beweisnot  112 ff. Bewirken § 105a BGB  23 ff. Bona fides  163, 190 ff. „Chorarchiventscheidung“  49 ff., 202 ff., siehe auch Schadensersatz statt der Vindikation Dereliktion –– „Chorarchiventscheidung“, § 281 BGB  230 ff. –– Zusendung unbestellter Ware, § 241a I BGB  329 ff. Derivativer Eigentumserwerb  237 ff. Dieb –– bestohlener Dieb siehe Vindikationsverjährung –– Profiteur der Vindikationsverjährung siehe Vindikationsverjährung Differenzhypothese  218 ff. Dominium directum  20, 92 ff. Dominium sine re –– Begriff  18 ff. –– Fallgruppen  21 ff. –– Folgeprobleme  87 ff. –– Inkaufnahme durch den Gesetzgeber, § 241a I BGB  291 ff. –– Lehre vom doppelten Eigentum  92 ff. –– Wertlosigkeit  74 ff. –– Wertvorstellungen des Gesetzes  89 ff. Dominium utile  20, 92 ff.

Stichwortverzeichnis383 Eigentumserwerb, unmittelbarer –– durch § 241a I BGB  293 ff. –– durch Hoheitsakt  241 Elektive Konkurrenz  51 Entsitzung  165 ff., 236 Erfordernis von Ausnahmen  269 ff. Ersitzungstatbestand, § 937 BGB –– analoge Anwendung siehe Analogie –– Anrechnung Ersitzungszeit  199 f., 357 –– „großzügige“ Auslegung  179 ff. –– keine abschließende Rechtssicherheit  107 ff. –– teleologische Extension siehe dort Fernabsatzrichtlinie  27 ff., 34 ff. Fiktion –– dingliches Rechtsgeschäft, § 105a BGB  22 ff. –– Handschenkung  317 ff. –– unbedingtes Übereignungsangebot  322 ff. Gegenrecht, § 255 BGB analog,  272 ff. Gesamtverjährung, § 816 BGB und § 985 BGB  133 ff. Geschäftsunfähig  22 ff. Gesetzesimmanente Rechtsfortbildung siehe Analogie und teleologische Extension Gleichheitsgrundsatz  64, 185 „Großzügige“ Auslegung siehe ­Ersitzungstatbestand „Gutgläubigwerden“  278 ff. Hehler siehe Dieb Hoheitsakt siehe Eigentumserwerb Individualinteressen siehe Vindikationsverjährung „Kleingartenfall“  71, 90, 149 ff. Lasten  313 ff., 339, 353

Lehre vom doppelten Eigentum siehe dominium sine re Longi temporis praescriptio  92 f. Mala fides superveniens non nocet  188, 194 Marktlenkungserfolg  37 „Neu für Alt“ siehe Anspruch auf Eigentumsverzicht/-übertragung Nießbrauchsrecht, dauerhaftes  18 f. Nuda proprietas  19 f., siehe auch dominium sine re, Begriff Nuda spes  76, 80, 82, 87 Nudum ius  18 ff., siehe auch dominium sine re, Begriff –– Quiritium  19 f. Numerus clausus der Eigentumserwerbstatbestände –– außerordentliche Ersitzung  164 f. –– Eigentumsübergang durch § 281 IV BGB  230 –– Entsitzung  168 –– teleologische Extension  197 f., 289, 351 ff. –– Übereignungsanspruch § 242 BGB  277 –– Übereignungsanspruch analog § 255 BGB  261 Obligationsähnlicher Charakter  56, 63, 206 Originärer Eigentumserwerb –– Dereliktion siehe dort –– Entsitzung siehe dort –– paralleles Erlöschen/paralleler Übergang von Eigentum und Vindikationsanspruch siehe dort Paralleles Erlöschen/paralleler Übergang von Eigentum und Vindikationsanspruch  226 ff. Positives Interesse  218 ff., siehe auch Schadenshöhe Praescriptio acquisitiva  163

384 Stichwortverzeichnis Praescriptio extinctiva  163 Präskriptionslehre, einheitliche  163, 167 Protestatio facto contraria siehe unbedingtes Übereignungsangebot Punitiver Charakter/Strafgesichtspunkte –– Vindikationsverjährung  123 –– Zusendung unbestellter Ware, § 241a I BGB  36 Recht zum Besitz  75, 78 f., 84, 87, 126 ff., 221 ff. Rechtskundiger Verbraucher  348 ff. Rechtsunsicherheiten  87 ff., 285 Rechtsvergleiche –– Eigentumserwerb durch Zusendung unbestellter Ware  295 ff. –– Vindikationsverjährung siehe dort Redlichkeit des Besitzers –– Berücksichtigung im Rahmen der Gutgläubigkeit 190 ff. –– „Chorarchiventscheidung“  282 ff. –– Empfänger unbestellter Ware  348 ff. –– Vindikationsverjährung  192 ff. Res extra commercium  81 f. Res mancipi  19 Richtlinienkonformität  45 ff. Sachverlust  244 ff. Schadensersatz statt der Vindikation  53 ff. –– Analogie, § 281 BGB siehe dort –– beschränkte Anwendung, § 281 BGB  59 ff. –– Schadenshöhe siehe dort –– unbeschränkte Anwendung, § 281 BGB  57 ff. Schadenshöhe –– Besitzwert siehe dort –– Sachwert  217 ff. –– Vorenthaltungsschaden  216 f. Schuldrechtsmodernisierung –– Schadensersatz statt der Vindikation  60 ff.

–– Vindikationsverjährung 103 ff., 147 ff. Sperrwirkung des § 993 I Hs. 2 BGB  60 ff., 79, 83 Tabularersitzung  97 ff., 126 Teleologische Extension von § 937 BGB –– „Chorarchiventscheidung“  278 ff. –– numerus clausus der Eigentums­ erwerbstatbestände siehe numerus clausus –– Vindikationsverjährung  184 ff. –– Zusendung unbestellter Ware  348 ff. Teleologische Reduktion –– Fremdbesitzerexzess  131 f. –– Vindikationsausschluss durch § 241a I BGB  34 ff. Totalreparation  217, 250 f. Unbedingtes Übereignungsangebot –– protestatio facto contraria  334 f. –– Unwirksamkeit der aufschiebenden Bedingung  335 ff. Unionsrechtliche Auslegung  44 f. Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs  100 ff. Unzulässige Rechtsausübung, Vindika­ tionsverjährung siehe dort Verbotene Eigenmacht siehe Vindika­ tionsverjährung Verbraucherrechterichtlinie  27 ff. Verdunkelnde Macht der Zeit siehe Beweisnot Verfassungskonforme Auslegung  38 ff. Verschweigung  98 Verwirkung des Eigentums  342 ff. Vindikationsverjährung –– Allgemeininteressen  117 ff. –– bestohlener Dieb  105, 128 f. –– Individualinteressen  112 ff. –– Privilegierung von Hehlern und Dieben  104 f., 107 ff., 159, 160 f.

Stichwortverzeichnis385 –– Rechtsfrieden § 816 BGB   129 ff. –– Rechtsvergleich  100 ff. –– unzulässige Rechtsausübung  172 ff. –– verbotene Eigenmacht  105, 121 ff. Vollharmonisierung der Verbraucherrechterichtlinie, § 241a BGB  43, 45 ff.

Vorteilsausgleichung siehe Anspruch auf Eigentumsverzicht/-übertragung Wertlosigkeit siehe dominium sine re Zwangskauf  65 ff., 205, 272 Zweipersonenkonstellation  249 ff.