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German Pages 105 [108] Year 1860
Prvtestmttenfrage in
Tiro l.
München,
1860.
R. ^Dldenbourg.
I.
Es war im August des verhäugnißvollen Jahres 1859,
als Seine kaiserliche Hoheit Erzherzog Carl
Ludwig,
Statthalter
von
Tirol
und
Borarlberg,
Männer seines Vertrauens — den sogenannten "ver stärkten"
ständischen Ausschuß
— nach
berief, um von ihnen die dringendsten
Innsbruck
Bedürfnisse
des Landes, die gerechten Wünsche und Anliegen der
Bevölkerung
zu
vernehmen
und
sie zur
Kenntniß
seines kaiserlichen Bruders zu bringen.
Welche Wünsche dies waren, ihr Umfang und ihre Motivirung
blieb dem Lande ein Geheimniß;
da brachte der amtliche Tirolerbote am 16. Septem
ber desselben Jahres folgende Kundmachung:
"Da es in den Wünschen Seiner apostolischen
Majestät des Kaisers gelegen ist, in den zu erlassen
den Landesstatuten die Verhältnisse und Bedürfnisse
der
betreffenden Länder
zu
berücksichtigen und den
1
4 billigen und begründeten Wünschen ihrer Bevölkerungen, soweit es mit den Gesammtinteressen des Reiches
vereinbar ist, zu entsprechen, haben Allerhöchstdieselbeu mit Handbillet v. 7. d. Mts. Seine kaiserliche Hoheit
den durchlauchtigsten Erzherzog Statthalter zu er
mächtigen gernht, den Entwurf des Landesstatuts für ganz Tirol nebst Borarlberg von dem in Folge A. h.
Entschließung v. 17. Mai d. Js. verstärkten LandesAusschnsse berathen zu lasseu.
Ferner haben Seine
Majestät über die von Seiner kaiserlichen Hoheit zur allerhöchsten Kenntniß gebrachten Bitten und An
träge des verstärkten Landesausschusses bezüglich: I. der Gemeindeordnung, II. des Organismus und Geschäftsganges der
Behörden und HL der Ansäßigmachung der Akatholiken mittelst
Handbillets vom selben Datum zu eröffnen geruht: I. daß den zur Berathung des Gemeindegesetzes
in den verschiedenen Kronländern von den betreffen
den Länder-Chefs zusammenzusetzenden Commissionen die Ermächtigung ertheilt werde, auch meritale Mo difikationen des Gesetzes zu beantragen, sowie ihnen
5
auch die Begutachtung der wichtigen Frage über die Bestellung und Wirksamkeit von Organen zugewiesen ist,
die zwischen die Gemeinde und die unterste
landesfürstliche Behörde
gestellt
einige
öffentliche
Geschäfte besorgen und an der Gemeindetutel mit
wirken könnten. II. daß Seine kaiserliche Hoheit bei Gelegen
heit der Berathung über das Landesstatut und die
Gemeindeordnung besondern Anlaß finden werden auf die vorzugsweise befürwortete 'Zuweisung öffentlicher Geschäfte an Gemeinden, Eorporationen und Stände
durch detaillirte Vorschläge zurückzukommen.
III. was die Ansäßigm achung von Akatholiken in Tirol anbelange, so sei es der
allerhöchste Wille Seiner Majestät, daß diese von allen Seiten reiflicher Erwä gung bedürftige Frage seiner Zeit dem dortigen Landtage zur Berathung Vorbe
halten werd e. Die Entwürfe des Gemeindegesetzes und des
Landesstatuts wurden bereits von eigens berufenen Bertrauenseommissionen berathen und geprüft; die Vor
arbeiten darüber sind abgeschlossen; nur die eine Frage
6 der Ansäßiginachung der Akatholiken bleibt dem künf
tigen Landtage Vorbehalten, und ist somit noch eine
offene. Die reifliche Erwägung dieser Frage nach allen
Seiten, eine vorurtheilsfreie, leidenschaftslose Prüfung
aller für und wider die Ansäßigmachung sprechenden
Gründe vom Standpunkte des Katholicismus, des Rechtes und der Politik ist die Aufgabe
dieses
Schriftchens. Möge der Leser dasselbe mit eben der Ruhe und Unpartheilichkeit zur Hand nehmen, die sich der Ver fasser zum Grundsätze gemacht hat.
II. Von der Eider bis an die Etsch,
vom Rhein
bis an die Elbe finden wir auf der Karte kein so reinkatholisches Land wie Tirol. Mit Ausnahme der
Iudengemeinde zu Hohenems, die seit Jahrhunderten
in friedlichster Eintracht mit den Christen zusammenlebt, und etlicher Israeliten zu Innsbruck und Botzen
sind nur begütert.
einige protestantische Familien im Lande
Die gesammte Bevölkerung
von nahezu
900,000 Seelen gehört dem röinisch-katholischen Be kenntnisse
mit einer Ueberzeugung
und Hingebung
an, die weder die Stürme der Reformation zu er schüttern, noch die feine Luft der französischen Auf klärung zu zersetzen vermochten. Niemand wird bestreiten,
daß diese Einheit des
Glaubens ein unschätzbares heiliges Gut ist, an dessen
Erhaltung
dem Lande Alles gelegen sein muß; es
kann sich daher nur um die Fragen handeln:
8 Wird diese Einheit des Glaubens durch Gestattuug der Ansäßigmachung vou Akatholiken gefährdet? und läßt sich selbst in diesem Falle ein Verbot der
Ansiedlung als ein nothwendiges und erlaubtes Mittel zur Bewahrung
der
katholischen Glaubenseinheit
rechtfertigen? Es wird von Wichtigkeit sein, sich vor Beant
wortung dieser Fragen über den Begriff zu verstän
digen, den mau mit den. Worten: „Ansäßigmachung, Ansiedlung," — die wir für gleichbedeutend nehmen
— verbindet, ob man nämlich darunter — wie es in der That bisher in Tirol der Fall war ■— nur
den Ankauf von Grund und Boden, eines Ackerlan
des, eines Landhauses, mit einem Worte nur die
sogenannte
Realbesitzfähigkeit versteht,
oder
die förmliche Niederlassung mit den Rechten der Ge-
meindezuständigkeit und den Consequenzen der Parität.
Im ersteren Fall, wenn die An
säßigmachung gleichbedeutend mit der Realbesitzfähig keit genommen wird, ist schwer abzusehen, weshalb dagegen eine besondere Einsprache erhoben werden
sollte; denn mit dem bloßen Realitätenbesitze sind nach unseren Gesetzen weder die Gemeindeangehörigkeit,
9 noch irgend welche wesentliche Rechte verbunden, die dem grnndbesitzlosen Akatholiken, dem Gewerbsmanne
u. s. w. nicht in gleichem Blaße zuständen.
Man
müßte, um gerecht und konsequent zu sein, dann
ebenso den Aufenthalt der Gewerbslente, ja selbst die
zeitweilige Anwesenheit von Fremden bekämpfen, ein Versuch, der unseres Wissens bisher selbst von der extremsten Partei, wenigstens nicht
offen
gewagt
wurde.
Der Grundbesitz galt noch zu allen Zeiten für
eine Garantie der Stabilität und einer konservativen Gesinnung; weshalb sollte denn gerade der grnndbesitzende Akatholik dem Staate, der Religion und den
Sitten gefährlicher sein, als der Gewerbsmann oder
gar
der
bursche,
hernmvagirende leichtsinnige der anstandslos
Hanvwerks-
im Lande geduldet wird,
wessen Bekenntnisses er auch sei?
In der Realbesitzfähigkeit der Protestanten allein können wir daher unmöglich eine besondere
Gefährdung unseres Vaterlandes erblicken.
Anders
verhält es sich in dem zweiten Falle; der Gemeindebürger hat größer» Einfluß auf die Angelegen-
heiten seiner Gemeinde, er ist an den Schicksalen der-
10 selben näher bethciligt, und die Verschiedenheit des Cultus in einer und derselben Gemeinde wird nie eine
erfreuliche Erscheinung sein und kann zweifelsohne auch nachtheilige Folgen haben.
Wenn wir daher
von den Bedenken gegen die Ansiedlung sprechen und ihre Prüfung versuchen, so haben wir nur diesen
zweiten Fall vor Augen.
Gelingt cs uns die laut
gewordenen Besorgnisse zu beschwichtigen, oder sie
wenigstens ans ihr richtiges Maß zurückzuführen, so sind dadurch selbstverständlich auch die Einwendungen
gegen die Realbesitzfähigkeit widerlegt.
III. Ein flüchtiger Ueberblick möge uns vorerst über die bisherige Haltung des Landes, des Clcrus
und
der Regierung in der Ansiedlungsfragc belehren.
Wir
übergehen dabei die ältere Geschichte des Landes, aus
der wir keine Folgerungen für die Neuzeit zu ziehen
vermögen, gleichwie die früheren Petitionen der Land
tage gegen die josephinischen Neuerungen und
--die
fast ganz ohne Vorrecht der herrschenden Religion
ausgebreitete Toleranz,-, da sie größtentheils unge
hört oder wenigstens unerledigt verhallten.
Wir be
ginnen mit den Jahren 1826 bis 1837, der Epoche,
in welcher die Gegner
der Duldung ihre stolzesten
Triumphe feierten, und die tirolischen Landstände die Austreibung der Zillerthaler Jnklinanten
Wer
mit
der
forderten.
vaterländischen Geschichte
nur
einigermassen vertraut ist, kennt diese Episode, die von den einen noch jetzt als ruhmreiche That geprie-
12 fen, von den andern als unauslöschlicher Schandfleck
gebraudmarkt wird.*)
Ueber hundert Familien verließen in Folge A. h. Entschließung v. 12. Jänner 1837, womit den Sektirern die Alternative gestellt wurde, entweder auszu
wandern oder in die katholische Kirche zurückzukchren,
ihr Vaterland und wanderten nach preußisch Schle sien,.wo ihnen König Friedrich Wilhelm III. eine neue Heimath angewiesen hatte.
Wir enthalten uns hier jedes Urtheils über diese
Maßregel; für unsere Aufgabe genügt es zu bemer ken: daß die Regierung gleich bei der ersten Kunde von dem Auftreten der Sektirer, noch ehe die Bischöfe
und das Land ihre Stimme erhoben, die raschesten
Vorkehrungen getroffen hatte der weitern Ausbreitung der Sekte Schranken zu setzen, und daß daher der
oft wiederholte Vorwurf, sie hätte es an der nöthi-
*) Der unvergeßliche Professor Für, dem wir die nachstehenden Daten zum Theil verdanken, hatte die Absicht, eine Ge schichte des Abfalles der Zillerthaler zu schreiben; seine Berufung nach Rom scheint ihn jedoch von der Aus führung, die ihm schon die Unerquicklichkeit des Stoffes verleidet hatte, vollends abgehalten zu haben
13 gen Wachsamkeit und Strenge fehlen lassen, durchaus
grundlos und ungerecht ist.
Freidenkende Beamte
wurden versetzt; Priester, die durch unkluges Beneh-
men und blinden Fanatismus das Uebel noch schlim mer machten, entfernt; man versuchte die Abtrünnigen
durch Ertheilung von Unterricht,
Androhung von
weltlichen und geistlichen Strafen in den Schooß der
katholischen Kirche zurückzuführen, allein vergeblich. Wie jede Einmischung in religiöse und politische Ue berzeugungen, weil sie zu leicht deu gehässigen Schein
der Verfolgung annimmt, nur dahin führt die Zahl
ihrer Anhänger zu mehren, sie entschiedener und hart näckiger zu machen, so war es auch hier; alle Maß
regeln dienten nur den Umfang, den die Sekte be reits gewonnen hatte, aufzudecken, ihr zahlreichere Anhänger znzuführen, und die Apostaten in ihrem
Starrsinne zu bestärken.
Hätte man sich darauf be
schränkt, gegen die Ruhestörer nach der Strenge der
Gesetze vorzugehen, und die Leute in ihrem Wahne, so lange er nicht gemeingefährlich ward, durch welt
liche Jutervention uicht beirrt, so wären sie vielleicht von selbst davon zurückgekommen und im Laufe der
Zeit wieder in die katholische Gemeinschaft eingetreten.
14 Es wäre dies um
so eher zu hoffen gewesen,
als ihre Apostasie, wenn sie sich auch auf einzelne
unklare protestantische Lehrsätze stützte, mehr in einer feindseligen Stimmung gegen den ihnen lästigen Ein
fluß der Geistlichkeit, in einer Zurückweisung der ka
mit einem Worte in einer
tholischen Gnadenmittel
Negation des Katholicismus bestand, und sich noch in keinem
bestimmten
fremden Bekenntnisse ausge
sprochen hatte, zu dem sie erst erst allmählig hinge
drängt wurden. In der That hatten auch die Bischöfe des Lan
des selbst Mäßigung empfohlen. Der Erzbischof von Salzburg schrieb ausdrück lich: er könne und dürfe nicht fordern, daß
man die Toleranzgesetze für unanwendbar
erkläre, nur die Errichtung
einer Kirche
wäre zu Hintertreiben. In gleicher Weise verlangte Fürstbischof Galura
nicht die Aufhebung,
sondern die Anwendung
Toleranzgesetze, Bestrafung der Sektirer,
der
wenn sie
sich gegen die Gesetze vergingen. er am
1. März
1830, bei ihren Grundsätzen, man
erweise
„Man
lasse sie,
schrieb
15 ihnen Gerechtigkeit und Liebe, nur mache
man ihnen keineHoffnung auf einBetha us." Hätte man diesen christlichen Worten des edlen Kir
chenfürsten Gehör gegeben, hätte die Landesstelle ent schieden an
den Toleranzgesetzcn festgchalten,
statt
ihre Anwendbarkeit, wenn auch vergeblich, in Zweifel
zu ziehen, hätten die Stände die Regierung nicht zu beit äußersten Schritten genöthigt, Zillerthal wäre
wahrscheinlich wieder ruhig und katholisch geworden,
ohne daß man nöthig gehabt hätte seine
kräftigsten
Söhne in die Verbannung zu schicken. Wir haben
es ist bekannt, herab
dessen
hier des Toleranzpatentes erwähnt; daß man
bis auf die neueste Zeit
Geltung für Tirol ans dem Grunde
bestritt, weil es im Lande nicht kundgemacht worden
sei, und bisher keine Anwendung gefunden habe. Beide Folgerungen sind unrichtig; das Toleranz
patent wurde für den ganzen Umfang der österreichi schen Erbländcr öffentlich durch Druck kund gemacht,
und ist somit auch für Tirol giltig;
der Umstand,
daß ein Gesetz während eines bestimmten Zeitraumes keine Anwendung findet, kann an dessen Giltigkeit
16 nichts ändern; es kommt eben in Anwendung, sobald Fälle eintreten, die sich darunter subsumiren lassen.
Das Toleranzpatent fand aber auch Anwendung
in Tirol.
Läge nicht schon eine Anerkennung des
selben in obigen Worten der Bischöfe, so wird sich
in der A. h. Entschließung vom
12. Jänner 1837
ausdrücklich darauf bezogen uud verordnet: daß den entschiedenen Apostaten die durch das Toleranzpatent
nur dispensando zu gebende Erlaubniß zu Realitä-
ten-Erwerbu.ngen nicht zu ertheilen sei. Noch bestimmter drückt sich eine Präsidial-Verordnung vom 2. Februar 1846 Zl. 364 aus, worin
den Kreisämteru bedeutet wurde: "daß die Toleranzverordnung vom 6. Dezbr. 1781, a ls öffentlich im Drucke kund gemacht,
auch in Tirol giltig sei, daß das
DiSpensationsrecht aber nur bei den Mei
sterrechten ii. s. w. den Kreisämtern znstehe, sonst aber der Landesstelle." —
Diese Ver
ordnung wurde den Bischöfen mit der ausdrücklichen
Ermächtigung mitgetheilt, auch den Clerus davon zu verständigen, und es kann daher nur befremden, daß
man trotzdem die Giltigkeit des Toleranzpatentes gerade
17 von dieser Seite fortwährend in Zweifel zu ziehen sucht.
Die Veranlassung zu dieser Verordnung hatte der Ankauf der Schloßruine Kropfsberg von Seite der
Fräulein Agnes und Eveline von Angern aus Mag
deburg geboten.
Beide Damen standen nicht mehr
in der Blüthe ihrer Jahre, ihre Sittlichkeit und Un
bescholtenheit war durch die vollgültigsteu Zeugnisse bestätigt, und frei von jeder Verdächtigung; allein
die Thatsache, daß sie sich am Eingänge des Zillerthales angekauft hatten, reichte hin, sie dem damali gen Gouverneur Grafen Brandts bedenklich erscheinen zu lassen. Ihr Umgang mit den angesehensten Atels familien, ja sogar ihre Wohlthätigkeit gegen Noth-
leidende wurde übel vermerkt, und als inan vollends nach langer, sorgfältiger Umfrage eine protestantische
Bibel entdeckte, die sie einer Chirurgensfrau zum Andenken hinterlassen hatten, war der Stab über die beiden Damen gebrochen, sie erschienen nun unzwei
felhaft als höchst gefährliche Emissäre, ausgesendet
von der großen protestantischen Propaganda die alten Glanbenszweifel im kaum beruhigten Zillerthal neu erdings zu Hellen Flammen auzufachen.
Die Dispens des Toleranzpatentes wurde ohne 2
Protestantenfrage.
18 weiters verweigert, und die Fräulein waren am Ende froh, daß sie sich ohne fernere Behelligung zurück
ziehen konnten, und daß das Aerar die Entschädigung an die früheren Schloßbesitzer übernahm. Was wir hier sagten, gründet sich nicht etwa
auf unzuverläßliche Zeitungsberichte, es ist verbürgte
Wahrheit, und mag zugleich zum Beweise dienen,
wie strenge die Landeöstelle das Toleranzpatent aus
legte, wie sie bemüht war die Ansiedlung von Akatho-
liken auf jede Weise zu Hintertreiben, wie auch der leiseste Borwand benützt wurde, die Dispens zu ver
sagen, die doch nach Vorschrift des Toleranzgesetzes
ohne alle Erschwerung sollen.
hätte ertheilt werden
Fällt der Regierung eine Parteilichkeit zur
Last, so können sich darüber wohl die Protestanten, sicher nicht die Katholiken beklagen.
Wenn dessenun
geachtet katholische Stimmen der Regierung vorwarfen,
daß sie die Güterankäufe der Protestanten begün stige,
weil sie sich nie entschieden dagegen ausge
sprochen habe, so liegt darin nur die weise Lehre,
daß man
sich
durch
sophistische Deutelei, durch
diplomatische Wendungen und Ausflüchte selbst bei denen keine Achtung und keinen Dank erwirbt, zu
19 deren Gunsten man den geraden Weg des Gesetzes
verläßt. Von einer milderen und humaneren Gesinnung als ihre Vorfahren in den dreißiger Jahren waren
die Vertreter Tirols auf dem Landtage von 1848 beseelt.
Als damals der Antrag gestellt wurde, man
möge in dem Entwürfe des Landesstatuts durch einen eigenen Paragraph feststellen,
daß in Tirol kein
anderer Cultus als der katholische geduldet werden dürfe, erschien diese Fassung zu grell, man wollte
nicht den Beschlüssen des Reichstages vorgreifen, und entschied sich einstimmig für den Entwurf des Ver
fassungsausschusses, der lautet: „es sei die Auf gabe des Landtags durch alle gesetzlichen
Mittel dahin zu wirken, daß der römisch-
katholischen Religion allein die öffentliche
Ausübung
des
Gottesdienstes
gesichert
bleibe. Die Vertreter des geistlichen Standes Canonicus Amberg und Duile erklärten sich damit vollkommen
beruhigt und zufrieden, und als ein vorlauter, übel
berathener Sprecher des vierten Standes dem Land tage ob dieser Lauheit im Glauben Vorwürfe machte,
2*
20
und die bekannte Phrase vom "Herren erschlagen« in die Versammlung schlenderte, war nur Eine Stimme der Entrüstung, und wieder waren es Vertreter des Clerns, die den Sprecher zurechtwiesen. Prof. Flir, dessen acht katholische Gesinnung und warme Vater landsliebe gewiß nicht bezweifelt wird, wies bei die sem Anlasse ausdrücklich darauf hin, daß "gegen Rel igio n s störcr und Wühler die Polizei einzuschreiten habe, daß aber eine zweite Austreibung eine UnMöglichkeit und eine U n v e r u u n f t w ä r e. Alan erkannte auf dem Landtage, daß die Re gelung der Religionsverhältnisse eine An gelegenheit des ganzen Staates sei, inan wollte nicht in dein Augenblicke, wo die Bischöfe die unbeschränkte Freiheit für die katholische Kirche ge fordert hatten, einen feindseligen Akt gegen fremde Bekenntnisse üben; ja selbst die heftigsten Gegner der Dnldlmg verlangten nur die Alternative: Entweder Schntz der Cnltnöeinheit oder volle Freiheit für die Kirche, damit ihr die Hände nicht gebunden seien. Nun diese Freiheit ist der katholischen Kirche durch das Coucordat im vollsten Maße geworden;
21 man begnüge sich damit, und bedenke, daß man durch
fortwährcndcs Anderer
nur
Mäckcln
an
der Gleichberechtigung
die Zahl der Concordatögcgner
ver
mehrt! Wir gehören sicher nicht zu denselben, aber wir
müssen gestehen,
daß
das Concordat erst dann für
die Entfaltung des kirchlichen Lebens wahrhaft segens reich sein wird, wenn die Gleichberechtigung
aller
christlichen Bekenntnisse ebenso konsequent und voll-
konimen dnrchgcführt,
und
die bürgerliche Freiheit
unabhängig davor gewahrt wird.
Bekanntlich ging der Landtag vom Jahre 1848 nach Hause, ohne daß seine Beschlüsse eine weitere
Beachtung gefunden hätten; die Frage der Cultus
einheit blieb somit gleichfalls unerledigt. In den nächstfolgenden Jahren fanden in eini
gen Gemeinden des Etschthaleö, Mais, Lana, Kur tatsch, den zwölf Malgreien, vereinzelnte Gutskäufe durch Protestanten statt, die von den Gerichten an
standslos verfocht wurden.
Sobald Seine kaiserliche
Hoheit, der Erzherzog Statthalter Carl Ludwig, der
im November 1855 die Leitung des Landes übernahni, auf Seiner Rundreise hievon Kenntniß erhielt, wurde
22
zwar den Behörden unter Hinweisung auf das Tolcranzpatcnt untersagt in Zukunft selche Käufe ohne
Dispens, die sich Seine kaiserliche Hoheit vorbehielt, zu verfachen, über die bereits rcalisirtcn Käufe, und
die dagegen erhobenen Beschwerden erfolgte jedoch
keine Erledigung.
Sic wurden als vollendete That
sachen geduldet, ohne daß man sich entschließen konnte,
zu sanc-
dieselben
durch Ertheilung der Dispens
tioniren.
Es machte sich auch hier dieselbe Unent
schiedenheit — aber nur zu Gunsten der katholischen
Kirche — geltend, deren wir oben erwähnten, und die der Regierung keinen bessern Dank eintrng, als
daß man sic geradezu beschuldigte die protestantischen
Ansiedlungen zu begünstigen.
In diesem Stadium des Schwankens, AusweichenS, Vertagens befand sich die Frage bis zu dem
Zeitpunkte, wo ihre Beurtheilung von Seiner apo
stolischen Majestät neuerdings dem tirolischen Land tage anheiingestellt wurde. Erst in neuester Zeit im Jahre 1859 u. 1860
wurden einzelne Gutsankäufe von Akatholiken mit
ausdrücklicher Genehmigung der Landesstelle verfacht. Die Veranlassung dazu gab eine Beschwerde
23 des russischen Fürsten Alexander von Lieven, der in
der Nähe von Marling ein kleines Anwesen gekauft
hatte, die gerichtliche Verfachung des Kaufes aber beim Bezirksamte Lana, das sich auf obiges Präsidi
alverbot berief, nicht erlangen konnte. Der Vertreter des Fürsten wandte sich sofort an das Oberlandes
gericht Innsbruck, das mit aller Entschiedenheit aus sprach, die Beanständigung derartiger Käufe sei in keinen gesetzlichen Vorschriften begründet, und das Bezirksamt habe ihre Verfachung ungesäumt vorzu
nehmen. *)
*) Da die Entscheidungsgrüude des k. k. Oberlandesgerichtes
für
die juridische Auffassung der Ansiedlungsfrage und
den Verlaus unserer Darstellung
sind,
führen
Oberlandesgericht rc. findet:
auch
von hoher Bedeutung
wir dieselben hier wörtlich an:
der §. 39
Das k.
In Erwägung, daß wenn
des a. b. G., welcher die Regel auf
stellt, daß die Verschiedenheit der Religion auf die Pri vatrechte keinen Einfluß habe, vermöge des beschränken den Schlußsatzes
noch
Toleranzpatent,
welches
Zweifel bestehen
läßt,
ob das
die Ansäßigmachung der Aka-
tholiken von der Beibringung einer politischen Dispens
24 Die Bestimmtheit dieses Ausspruches, der von dem Justizministerium vollkommen gebilligt wurde, abhängig machte,
noch gegenwärtig in Tirol Geltung
habe, dieser Zweifel durch die späteren Gesetze behoben worden
ist;
in Erwägung,
—
daß
schon durch die
Bundesakte die Rechtsgleichheit zwischen den Bekennern
der
verschiedenen christlichen Bekenntnisse
gewährleistet
wurde, wornach diese Rechtsgleichheit auch in
Tirol zur Geltung kam; in Erwägung, daß durch das kais. Patent v. 4. März 1849 §. 1 ausgesprochen wurde, daß der Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte vom
Religionsbekenntnisse unabhängig sei, und
diese Bestimmung, Patentes durch
wenn auch
jenes
Kraft gesetzt wurde,
vom durch
aller Staatsangehörigen
drücklich bestätigt/' erhalten worden ist,
der
31.
übrige Inhalt des
Dezbr.
1851
außer
die Worte „die Gleichheit
vor dem Gesetze
werde aus
im letzteren hohen Patente aufrecht
und eine Ausnahme nur bezüglich
der Israeliten (kais. Verordn,
v. 2. Oct. 1853) festge
setzt wurde; in Erwägung endlich, daß die Eigenschaft des Rekurrenten als Ausländer dem Erwerbe unbeweg
licher Güter in Oesterreich nach §. 33 des a. b. G. B. nicht entgegensteht, — dem Recurse u. f. w. stattzugeben,
25 scheint auch das schwankende Statthalterei-Präsidium
in Innsbruck veranlaßt zu haben, der Ansicht der Justizbehörden beizutreten.
Wenigstens erhielt das
Bezirksamt Lana auf seine sofortige Anfrage, wie es sich bei dem Widersprüche des politischen Präsi-
dialvcrbotes und des oberlandesgerichtlichen Auftrages zu benehmen habe, die gemessene Weisung letzterem Folge zu leisten und den Kauf zu verfachen.
Aehn-
liche Weisungen ergingen später an das Bezirksgericht Meran, wo ein Engländer Graf Stenbock bedeutende
Besitzungen in Obermais an sich gebracht hatte, und
an das Bezirksamt Reutte, wo sich der Fabriksbesitzer Herrmann seit Jahren vergeblich um die Kaufsbe willigung der Schloßruine Ehrenberg bemüht hatte. und zu verordnen, es sei der Kaufsvertrag dem Ber« sachbuche einzuverleiben.
IV. Werfen wir einen Blick auf die gegenwärtige Stimmung der Bevölkerung und die Stellung der
Parteien im Laude, zeugung auf,
so drängt sich uns die Ueber
daß die Zahl derjenigen,
welche ent
weder die Befürchtungen, welche man an die An
siedlung von Akatholiken knüpft, nicht theilen, oder ihre Ausschließung aus andern Gründen für unzu-
läßig und unausführbar halten, keineswegs eine un bedeutende ist.
Es gehören hieher, wie wir mit Sicherheit an
nehmen dürfen,
aus dem Laien stände alle jene,
welche während der Universitätsstudien
Gelegenheit
hatten, sich mit den Prinzipien des Rechtes, den Ideen
der Humanität, den Lehren der Geschichte und den unabweisbaren Forderungen der Politik näher ver traut zu machen; es gehört hieher die Mehrheit der
27 Städter, die überwiegende Zahl aus dem Handels
und Gewerbsstande, die durch häufigeren Verkehr mit Andersgläubigen an eine mildere Beurtheilung der
Verhältnisse gewohnt ist. Ja selbst unter dem Land volke ist die Furcht vor den Protestanten keineswegs
so allgemein, wie man uns hie und da einreden will.
Die vielen Tausende junger Leute, die alljährlich aus Südtirol, Vintschgau, Oberinnthal u. s. w. in die Schweiz, nach Württemberg u. s. w. auf Arbeit ziehen
und monatelang friedlich und ungestört unter Akatholiken leben, bringen die Grundsätze der Duldung, die ihnen zu Theil geworden, auch in ihre heimathlichen Thäler zurück, und widerlegen das Vorurtheil, als ob
es im Auslande nur schlechte Christen und Gottesläugner gäbe.
Selbst der angesessene Bauer verhält
sich in der Streitfrage mehr indifferent.
Seine An
hänglichkeit an den Glauben der Väter ist zu fest,
seine Auffassung der Verhältnisse zu einfach und na türlich, als daß ihm die geträumten Gefahren pro
testantischer Einwanderungen wirklich ernsthafte Be
sorgnisse einflößen könnten.
Erhebt er dessenunge
achtet seine Stimme, so geschieht es wohl nur auf den dringenden Rath des Seelsorgers und aus ange-
28
boruem Aiißtrauen gegen Alles, was nicht dem alten Herkommen entspricht. Den eifrigsten Widerstand fin
det die Ansäßigmachung der Akatholiken bei dem größ ten Theile unseres Clerus.
Daß sich derselbe nicht für die Duldung aus spricht, müssen wir seiner Stellung zu Gute halteu, es stünde ihn: schon deshalb, weil die Streitfrage eine
politische ist, nicht zu,' darin die Initiative zu ergreifen.
Wir tönneu es ihm aber auch uicht verargen,
wenn er sich derselben widersetzt.
Die Gefahren,
welche dem Katholicismus drohen, sind keine einge
bildeten, nur kounnen sie nach unserer Ansicht nicht vom Protestantismus, sondern von dem gemeinsamen Feinde aller positiven Religionen, dem Jndifferen-
tismus. Der Landklerus macht diesen Unterschied nicht
immer; an dem Gymnasium und Seminar eines Land
städtchens, ohne Universitätsstudien herangebildet, ohne
andere Lektüre, als die streng kirchlicher Blätter, ohne andern Umgang, als den seines untergebenen Dorf-
Lehrers, fehlt ihm nicht selten das unbefangene Ur theil und der freiere Blick auf die bewegenden Trieb
federn der Welt- und Menschengeschichte. Boll Eifer
29
für die Sache seines Berufes, von der alleinseligma
chenden Wahrheit seines Glaubens auf das innigste
überzeugt, zweifelt er
qii
der Ehrlichkeit der Ueber
zeugung Andersgläubiger: er sieht in ihnen nur hart
näckig Verstockte, die der anerkannten christlichen Wahr heit vorsätzlich widerstreben, und deshalb nicht blos bedaueruswerth, sondern auch fluchwürdig seien. Des
halb ist ihm das räudigste Schaf seiner Heerde, ja selbst der Heide weniger ein Stein des Anstoßes als der harmloseste Protestant. Aber nicht alle unter dem Clerus theilen diese harte Auffassung; es gibt eine große Anzahl würdi
ger Priester, deren Urtheil gegen Andersgläubige be sonnener und schonender lautet. Wenn sich diese nicht offen gegen die Uebertreibungen mancher ihrer Kol
legen aussprechen, so unterbleibt es wohl nur des
halb, weil man den inneren Frieden nicht stören will,
und weil man, bei der Einseitigkeit und Leidenschaft
lichkeit, mit der die Ansiedlungsfrage bisher discutirt wurde, sich uur zu leicht dem Vorwurfe ausgesetzt hätte mit deu Feinden des Glaubens zu liebäugeln. Hat sich aber einmal die Negierung be
stimmt
für
die
Ansäßigmachuug
ausge-
30 sprechen, so zweifeln wir nicht, daß der größte Theil des Clerus, die Unvermeidlichkeit dieser Maß
regel einsehen, nnd selbst durch Wort und Beispiel
dahin wirken werde, allzu ängstliche Gemüther zu
beruhigen.
Die unheilvolle Begriffsverwirrung unserer Tage,
die Verwechselung
zwischen
Religion
und
Politik,
Kirche und Staat, hat sich auch auf dem beschränk ten
Gebiete
unserer
Streitfrage
fühlbar
gemacht.
Man hat versucht, die Ansäßigmachung der Akatholiken zu einer rein religiösen Angelegenheit zu ma
chen, und behauptet:
ihre Gestattung sei mit dem
katholischen Gewissen unverträglich, und ein Vertreter Tirols dürfe nie und ninnner einer Maßregel das
Wort führen, die den Glauben seiner Väter zu er schüttern drohe. Wir können diese Auffassung nicht theilen; nach
unserer Ueberzeugung ist die Frage der Ansäßig machung rein politischer Natur, und als solche
der Berathung des Landtags überwiesen, der sich nicht gleich einem Concilium mit Feststellung neuer Dogmen
zu befassen hat.
32 Daß der Ankauf von Grund und Boden, die
Niederlassung in einer Gemeinde an und für sich kein religiöser Akt ist, wird uns der freundliche Leser gerne
zugeben; die Frage, welchem Bekenntnisse der Käufer angehöre, die Befürchtung, daß möglicherweise da
durch der Katholik in seiner Ueberzeugung beirrt wer den könnte, ändert hierin nichts.
Auch die Gewerbefreiheit ist, wenn wir ihren Gegnern glauben wollen, eine gefährliche Feindin des Katholicismus; Eisenbahnen, Börsen und manche an dere Institutionen der Neuzeit werden als ebenso
viele Quellen der Entsittlichung bezeichnet, und doch
ist es unseres Wissens noch 'Niemanden beigefallen diese Fragen für religiöse zu erklären, zu behaupten,
der Katholik werde ein Verräther an seinem Vater-
laude, wenn er einer dieser Institutionen das Wort führe.
Ginge man von diesem Gesichtspunkte aus, so
gäbe es keinen Akt der Gesetzgebung, der nicht zu einer katholischen Glaubenssache gestempelt werden könnte, es gäbe dann keine andere politische Ueberzeu
gung als die, welche der Seelsorger seinem Beicht
kind vorschreibt.
33
Der Katholik aller Länder hat bei Beurtheilung solcher Fragen keine andere Gewissenspflicht, als die
eines jeden ehrlichen Mannes und Staatsbürgers: nach seiner besten Einsicht zu urtheilen. Wäre die Frage der Ansäßigmachung eine aus
schließlich religiöse, wäre sie mit dem Wesen des Ka tholicismus und den Rechten der römischen Kirche unzertrennbar verknüpft, wie käme es dann wohl, daß derselben in dem Concordate, worin doch alle Forde-
rLingen der Kirche im ausgedehntesten Maße berück
sichtigt wlirden, mit keiner Silbe Erwähnung geschah?
Daß selbst die Wiener bischöfliche Versammlung in ihrer Proposition vom 16. Juni 1849 an die Staats regierung um Ausschließung des akatholischen Cultus in Tirol nur aus wichtigen Gründen der Staats
klugheit gebeten, dieselbe keineswegs als ein un abweisbares Recht des tirolischen Katholicismus ge
fordert hatte? Wie hätten denn die strengsten Ka tholiken,
ja selbst österreichische Kirchenfürsten die
Gleichstellung der Confessionen laut als einen Beweis der hohen Gerechtigkeitsliebe und Staatsweisheit un seres Monarchen preisen können, wenn dadurch das
Wesen des Katholicismus gefährdet, die Gewissen der Protestantenfrage. 3
34 katholischen Unterthanen verletzt worden wären? Oder
ist etwa der Katholicismus in Tirol ein anderer,
als in Ungarn und Siebenbürgen? ist bei uns Sünde, was dort Regententugend und Bürgerglück genannt
wird? Sind wir Tiroler wirklich das auserwählte Volk des neuen Bundes,
welches die Dogmen des
Katholicismus in unverfälschterer Reinheit zu bewahreu hat, als es außerhalb seiner Marken geschieht? Wo ist denn die kirchlich geographische Gränze der tirolischen Glanbenseinheit? Richtet sie sich nach den schwarzgelben Schlagbäumen und den politischen Orrs-
tafelu, oder nach der Diözesan-Eintheilnng? Bildet Tirol in kirchlicher Beziehung ein Ganzes? Gehörte
nicht der Westen des Landes bis vor etlichen Jahr-
zehnden zum Bisthume Chur und der nordöstliche Theil nicht gegenwärtig noch zum Erzbisthum Salz burg, und ist etwa in letzterer Diözese den Prote stanten der Erwerb von Grund und Boden verwehrt?
Wäre die Frage eine religiöse, müßten dann nicht wenigstens in einer und derselben Diözese die gleichen
Grundsätze gelten? — Der Katholik als solcher kennt kein anderes Va
terland, als das der römisch-katholischen Christenheit,
35
ihm sind die Pässe Strub, Scharnitz, Ehrenberg, Finstermünz u. s. w. keine Gränzen einer besonderen Gemeinde, außerhalb deren der Irrthum geduldet werden dürfte. Christianorum non est una gens, sed ex Omnibus gentibus unus populus. Orig, in Epist. ad Rom. 8, 6 tom. IV p. 628 D. Omnium enim Christianorum una respublica est. Augustinus de operc monachorum § 33 tom. VI. p. 363 C. Bin ich als Katholik verpflichtet, meine Stimiiie gegen die Duldung und Gleichberechtigung An dersgläubiger zu erheben, so darf ich meinen Protest nicht blos auf die Bergveste Tirol beschränken, ich muß sie überall bekämpfen und darf nicht ruhen, bis ich alle politischen Rechte den Katholiken allein zurück erobert habe. Wer unserer Gegner möchte wohl in seinen Consequenzen so weit gehen? „Aber — wen det man ein — in andern Provinzen haben die Akatholiken bereits Rechte erworben, die respektirt werden müssen, während dieß in Tirol nicht der Fall ist". Angenommen, daß die Andersgläubigen wirklich kein Recht zum Gütererwerb in Tirol nachweisen könnten, was wir später erörtern werden, so hätte 3*
36 dieß doch auf die Beurtheilung der Frage vom reli
giösen Standpunkte aus gar keinen Einfluß. Dem Katholicismus gegenüber kann der Irr thum nie und nimmer ein berechtigter werden, da
gibt es keine Ersitzung, keinen Vergleich, kein Privi
legium; der Katholik müßte die seßhafte eingebür gerte Irrlehre ebenso eifrig bekämpfen, wie jene, die erst an die Thore um Einlaß klopft.
Wir wiederholen es: die Gewissenspflicht der Irrlehre zu widerstreben, ihre Ausbreitung zu
hindern, ist für den katholischen Tiroler dieselbe, wie für den Katholiken in Ungarn, in Preußen und Eng
land; der Katholik darf nirgends indifferent sein. Etwas Anderes aber ist die Versagung politischer
Rechte, dazu verpflichtet ihn sein Glaube nicht, das ist eine Angelegenheit, in der er lediglich sein staats
bürgerliches Gewissen zu Rathe zu ziehen hat. Ja, wir gehen noch weiter, wir behaupten: wenn
die Frage der Ansäßigmachung nur vor dem Richter stuhle Glaubens des zur Entscheidung zu kommen
hätte, ließe sich die Nichtgestattung derselben nur um
so schwerer rechtfertigen. Duldung und Nächstenliebe
sind ja die ersten Gebote des göttlichen Heilandes,
37 die er durch sein Leben und Leiden verherrlicht, und seine Jünger der ganzen Welt verkündet haben. „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst",
und „was Du
nicht willst, daß man Dir thue, das thue auch dem Anderen nicht"! sind die Grundprinzipien des Chri
Durch Gebet, Predigt und Beispiel hat
stenthums.
der Herr seiner Lehre den Weg gebahnt und Gebet,
Beispiel und Ueberredung sind die einzigen Waffen,
die wir zu ihren: Schutze, zu ihrer Ausbreitung füh
ren dürfen. Man berufe sich nicht auf einzelne Texte der
hl. Schrift; denjenigen, der die Verfolgung der Akatholiken mit den Worten Johannes 2, 10 und Paul
Gal. I. 8 zu rechtfertigen sucht, den verweisen wir auf die Worte des göttlichen Heilandes: "In meines
Vaters Hause sind viele Wohnungen"
und auf die
herrliche Lehre der Liebe und Duldung des Apostels Paulus
im 14. und 15. Capitel seines Sendschrei
bens an die Christen von Rom.
«Den Schwachen im Glauben nehmet auf ohne
Zank über Meinungen".
Röm. 14, 1.
--Einer hält den einen Tag für heiliger als den andern;
ein anderer hält alle Tage
gleich.
Ein
38 halte sich
Jeder
an seine Ueberzeugung«.
Röm.
14, 5. »Wir Stärkere müssen demnach die Schwachheit der
Schwächeren
Selbstgefälligkeit".
mit Schonung tragen
ohne alle
Röm. 15, 1.
Wer wagt es wohl,
einen Stein zu erheben
gegen den Stellvertreter Christi? und doch sind
in
dec heiligen Stadt Rom, der Metropole der Christen heit die Juden nicht nur geduldet, sondern dürfen
sogar Gewerbe ausübeu, ja selbst Häuser wenn auch unter Beschränkungen besitzen.
Man wende nicht ein, daß der Haß und die
Verfolgung nur dem Irrthume,
nicht der Person
gelte; diese Unterscheidung hört auf, sobald mau sich nicht mehr mit geistigen Waffen begnügt,
und zur
Entziehung oder Schmälerung bürgerlicher Rechte die
Zuflucht nimmt. Diese Art von Toleranz erinnert, wie ein geistreicher Autor bemerkt, allzusehr an die Fabel von dem Bären, der auch nur die Fliege vom Gesicht seines schlummernden Herrn wegscheuchen wollte, ihm
aber
dabei in seiner
zarten Weise
den Kopf zer
schmetterte.
Ob man den Ketzer mit Feuer und Schwert ver-
39 tilgt, ob man ihm Speise und Trank entzieht, oder ihn in der Ausübung der natürlichen Rechte der Be sitzerwerbung von Grund und Boden hindert, beruht auf einem und deniselben Prinzipe, cs bleibt Zwang, wenn er sich auch in die inildere Form unseres Jahr hunderts kleidet, und ist als solcher der christlichen
Lehre fremd, gleichviel in welcher Weise er auftritt. „Besser Unrecht leiden als Unrecht thun-- gilt
auch auf diesem Gebiete.
Wer da behauptet, durch
die Ansiedlung der Protestanten werde der Katholi cismus gefährdet, beweist nur,
daß er das Wesen
des Katholicismus und seine Geschichte nicht kennt,
oder daß seine eigene Ueberzeugung nur eine schwan
kende ist.
Der Katholicismus ist eine Weltreligion; unab
hängig von Staatsformen und politischen Vorrechten
gedeiht er unter jedem Himmelsstriche,
unter jeder
Regierung, sei sie Monarchie oder Republik, absolut oder konstitutionell.
Oder
entfaltete das Christen
thum, dessen unverfälschte Bewahrung uns der Ka tholicismus ist, nicht gerade zur Zeit der heftigsten
Verfolgung seine schönsten Blüthen, gewann es nicht damals seine rascheste Verbreitung, seine tvdesmuthig-
40
ften Anhänger? Und nun besorgt und prophezeit man aus der friedliche» Annäherung eines fremden Be kenntnisses eine Gefahr für den Katholicismus. Wäh rend man stolz und frohlockend darauf hinweiSt, wie das unterdrückte Irland in Elend und Noth treu im katholischen Glauben beharrt, wie der Katholicismus in Altenglaud und andern protestantischen Staaten fortwährend an Boden gewinnt, fürchtet man im glau bensstarken Tirol ans der leisesten Berührung mit Protestanten eine Zersetzung desselben! Eine katholische Stimme hat unlängst in einem Tirolerblatte darauf aufmerksam gemacht, daß in pari tätischen Landen die Ueberzeugung, die Glaubenstreue der Katholiken viel lebendiger, viel inniger sei, als in Tirol, wo die religiösen Uebungen nicht selten zur äußerlichen gedankenlosen Gewohnheit geworden. In der That, die Erfahrung lehrt überall dasselbe; in dem Kampfe mit fremden Meinungen erstarkt die ei gene Ueberzeugung; der Gegensatz fremder Bekennt nisse hat stets nur zur Läuterung, Kräftigung und Verherrlichung des Katholicismus gedient. Wahrlich unser Glaube mit dem Reichthum seiner Gnaden mittel, der Fülle seiner Tröstungen, seiner glanzvollen,
41 Herz und Sinne fesselnden Erscheinung, er, den selbst
die Pforten darf die
der Hölle
Begegnung
nicht überwältigen werden, mit
andern
Religionen
scheuen, ja er soll und muß sie suchen,
nicht
damit die
Verheißung in Erfüllung gehe, daß dereinst eine Heerde
und ein Hirt sein werde auf Erde»!
VI.
Wir haben so eben gesehen, daß die Ansäßigmachung der Akatholiken nicht eine religiöse, sondern eine politische Frage, und ihre Bekänipfung keines wegs eine Glaubenspflicht des Tirolers sei; wir ha ben nachgewiesen, daß der Katholicismus dadurch un möglich gefährdet werden könne, ja daß die Unduld samkeit dem Wesen desselben geradezu widerstrebe. Prüfen wir nun die einzelnen Einwendungen, wie sie in Büchern und Blättern gegen die Ansäßigmachung vorgebracht wurden, so werden wir finden, daß auch sie nicht hinlänglich begründet, daß es größtentheils nur Befürchtungen sind, die vielleicht, im schlimm sten Falle theilweise eintreten können, keines wegs aber als nothwendige Folge eintreten müs sen, ja nicht einmal im Bereiche der Wahrschein lichkeit liegen.
43 Da heißt es vor Allem: »Die Priestcrschaft, der Lehrstand, die Literatur,
die Verwaltung und das Vermögen des Landes, die
im Lande bestehenden Anstalten, Stiftungen und Ver
eine müßten ihre Kräfte und Mittel theilen, mit denen sie bisher den katholischen Glauben, die katholische Sitte, die katholische Wissenschaft ungetrübt und ohne Rücksicht
auf die Empfindelei des Protestantismus
pflegen konnten.
Hätten wir Protestanten im Lande,
so ruft man aus, so müßten wir ihnen Bcthäuser
bauen und Schulen errichten, das alte Tirolerthum müßte sich vor ihnen verkriechen, die katholische» Lan-
deskiudcr ihnen im Genusse der Landesstiftungeu aller
Art, in Spitälern und Versorgungshäusern den Platz räumen.»
Die Uebertreibung in diesen Sätzen ist so grell,
daß wir Mühe haben unsere Ruhe zu bewahren. Nur gänzliche Unkenntniß der österreichischen Gesetze mag
die Behauptung entschulvigen, daß unsere katholischen Stiftungen
ihre Mittel mit den
neuen Ansiedlern
theilen, daß wir ihnen Bethäuser und Schulen bauen
müßten. Solche Eingriffe in Rechte der Katholiken waren
44 den Protestanten in Oesterreich nie und nirgends ge
stattet; seit deni Concordat, das die Verwaltung des Kirchen - und Stiftungsvcrmögens den Ordinariaten cinräumt, gehören sie vollends in das Reich der Un möglichkeit. Daß wir den Leidenden aller Confessionen, auch
den Nichtchristen, in unsern Spitalern Aufnahme gön
nen müssen ist allerdings richtig;
es ist aber auch
dem Tirolervolke bisher
nicht eingefallen,
Gottlob
seine Barinhcrzigkeit gegen Kranke und Nothleidende von dem Glaubensbekenntnisse
abhängig zu machen.
Es hat die verwundeten Krieger mit gleicher Liebe
und Sorgfalt gepflegt, ohne Unterschied, ob cs Grie
chen, Protestanten oder Israeliten waren. Ob und weshalb man von den grundbesitzcnden Protestanten eine größere Belastung der tiroli
schen Spitäler und Krankenhäuser befürchtet, als von herumziehenden Handwerksburschen, ist ein Räthsel, das wir vergebens zu entziffern suchten.
Gegen wirkliche Eingriffe in Rechte der Katho
liken, gegen Verletzung und Verhöhnung katholischer Sitte gibt eö ein wirksameres Mittel als Verfolgung
45
aller auch der ruhigen und ehrlichen Akatholiken, näm
lich den Schutz der Gesetze. Man hat uns unlängst in verschiedenen Blättern
einen Vorfall aus Steiermark erzählt, von einem pro testantischen Bauern, der sich so weit verging, die
gottesdienstlichen Handlungen der Katholiken zu stö ren, und selbst die Altäre in frechster Weise zu be
sudeln.
Aehnliche, und weit haarsträubendere Ge
schichten über Gewaltthätigkeiten aller Art werden aus den verschiedensten Zeitungen der Welt zusam mengetragen, zum Beweise, daß der Protestantismus
"weder Lug noch Trug scheue" seine Zwecke durchzu setzen.
Den Schluß solcher Erzählungen bildet ge
wöhnlich die menschenfreundliche Reflexion, daß mit Ansiedlung der Protestanten auch in Tirol solche Rohei
ten an die Tagesordnung kommen würden, oder wohl gar die salbungsvolle Ermahnung, dessen ungeachtet
als gute Christen unsern Nächsten — sei er Prote
stant, Jude, Türke oder Heide —- wie uns selbst zu lieben.
Glauben die Berichterstatter solcher anmuthigen
Histörchen alles Ernstes, daß die Protestanten in
Oesterreich ungestraft schänden, morden und sengen
46
dürfen, ohne daß dem Katholiken eine Gegenwehr er
laubt sei, oder schwebt ihnen blos die christliche Moral vor Augen: schlägt dich Jemand auf die rechte Wange,
so wende ihm auch die andere zu — ist ihr freund schaftlicher Rath Einfalt oder Perfidie, — wir wollen
das nicht entscheiden, wohl aber möchten wir ihnen zu bedeuten geben, daß wir in einem geordneten Staate
leben, und in Oesterreich der Schutz der Gesetze den
Katholiken sicher nicht entzogen werden wird. Wir können daher unseren Landsleuten unmög
lich eine so weit gehende Nachsicht eulpfehlen. Was wir unter Duldung verstehen, ist nicht Gestattung
einer schrankenlosen Willkühr, einer zügellosen Frei
heit zu Uebergriffen aller Art, sondern Gleichberech tigung, gleicher Schutz der Gesetze für den Katholiken
wie für den Protestanten. Es zeigt von großer Lieb losigkeit und gänzlicher Verkehrtheit des Urtheils, wenn
man die Sünden jedes Einzelnen der ganzen Reli
gionsgenossenschaft, der Lehre selbst zur Last legt; was würde man wohl sagen, wenn in gleicher Weise der Katholicismus für die Vergehen jedes einzelnen Ka
tholiken veranwortlich gemacht würde! Leute die Excesse verüben gibt es unter allen
47
Religionen,
entweder sind es Narren und gehören
in das Tollhaus
oder sie verfalleu als Verbrecher
dem Arme der strafenden Gerechtigkeit.
Diesen rufe
man, und man wird nicht nöthig haben, den resignirten Märtyrer «katholischer Verfolgungswuth zu spielen.
VII.
Ein zweites Bedenken gegen die Ansäßigmachung der Akatholiken ist die Furcht vor gemischten Ehen,
ffbie wie die Erfahrung in Tirol bereits zeige, dort unausbleiblich seien,
wo die Protestanten mit den
Katholiken bleibend in Berührung kommen."
Wir stehen nicht an, zu erklären, daß nach un
serer Auffassung das innigste Verständniß der beiden Gatten in den wichtigsten Lebensbeziehungen, somit
vor allem in ihrer religiösen Ueberzeugung, die erste
und unerläßlichste Bedingung zu einer wahrhaft glück
lichen Ehe sei, und daß die Kluft des verschiedenen Bekenntnisses nur durch hohe Bildung und seltene Vorzüge des Geistes und Herzens überbrückt werden
können, allein wir finden zwischen der Ansiedlung der Protestanten und den gemischten Ehen den be
denklichen Causalnexus nicht.
Wir möchten fragen,
ob die Katholiken blos dort mit den Protestanten in
49 bleibende Berührung kommen, wo letztere Realitäten besitzen? oder ob die Liebe wohl gar durch den Grund
besitz bedingt werde?
Die leidenschaftliche Liebe, die
schon einmal die nachtheiligenFolgen der gemischten Ehen
nicht scheut, die Abmahnungen der Kirche nicht achtet,
wird keinen Unterschied machen zwischen dem Gewerbe
treibenden und Grundbesitzer, sie wird sich wenig um Ansäßigmachung und Gemeindebürgerrecht kümmern, sie wird — und gerade davon haben wir in Tirol
Beweise — Heimath und Vaterland opfern, um dem
Geliebten in die Fremde zu folgen.
Man hüte sich
dazu zu drängen!
Wenn ein Katholik oder eine Katholikin in pro testantische Lande hinausheirathet, so wird dort, in
der Ferne, die Gefahr der Verführung drohender sein, es kann ihre Ueberzeugung durch fremden Einfluß in
fremder Umgebung schwankend werden; bei der Ehe mit einem in Tirol ansäßigen Protestanten wird man dies weit weniger zu befürchten haben, ja es wird
gerade der umgekehrte Fall eintreten. Die Macht der
öffentlichen Meinung, die katholische Umgebung, die nahen Erinnerungen und Berührungen mit treuen,
glaubenseifrigen Katholiken Protestantensrage.
werden
nicht nur
4
das
50
schwankende Gemüth von dem Abfalle zurückhalten, sie werden auch den nichtkatholischen Theil mit un
widerstehlicher Macht in nufere Kirche zurückführen. Die Erfahrung hat es bewiesen.
--Wenn ein Bruder eine Nichtchristin zur Frau
hat, und sie zufrieden ist, so scheide er sich nicht von
ihr! auch wenn eine Christin einen Nichtchristen zum Manne hat, und er zufrieden ist, so scheide sie sich
nicht von ihm. Denn der nichtchristliche Mann wird
durch die christliche Fran geheiliget, und die nicht christliche Frau durch den christlichen Mann. Paul I
an die Korinth. 7, 12 u. s. w." Wir wiederholen eS, wir sind keine Lobredner
gemischter Ehen, wir verkennen die Nachtheile der
selben keineswegs, aber sie sind nicht politischer
Natur. Mag die Kirche, welche die gemischten Ehen mißbilliget, dieselben mit aller Strenge, wie sie es
bisher in Tirol gethan, zu hindern suchen, mag sie mit dem Aufgebote all ihrer geistlichen Macht dagegen
ankämpfen, der Katholik wird sich ihren Anordnungen
fügen müssen; aber ein politisches Verbot der Ansied lung fordere man nicht, denn zu einem Einschreiten
des Staates fehlt auch die leiseste Berechtigung.
VIII.
Die Freiheit der Gewissen — heißt es weiter —
würde aufgehoben, dem tirolischen Gewissen Zwang angethan; denn „müßten die katholischen Tiroler den neuen, eifrig thätigen, sich greifbar geltend machenden
Protestantismus, und mit ihm die Bedrohung ihres
Glaubens, die Gefährdung ihrer Seelen in den Schwa chen und bestechbaren Armen an Geist, Geld und
Würden gewähren lassen, sollte den unbefangenen, in Bezug auf Religion, wie man sagt, blindlings gläu
bigen, Lug und Trug nicht ahnenden Tirolern ein so propagandistisches Element, wie der Alles zersetzende Protestantismus ist, zur Theilnehmung an ihrer Ge
schichte, an ihren Rechten und Verdiensten,
an dem
Besitze und den heiligen Vermächtnissen ihrer katho^ lischen Väter aufgedrungen werden: so könnten, so
müßten sie dieses nur gegen ihre katholisch religiöse Ueberzeugung und Pflicht, nur gegen ihr Gewissen, 4*
52
nur gegen die Verbindlichkeiten thun, welche sie mit ihrem Tauf- uud Fahueneide, mit dem Bande der
Ehe, mit ihren Kindern übernommen, für deren See
lenheil sie verantwortlich sind".
„Die Tiroler, fährt
man fort, müßten aus Aocommodatiou gegen den Pro
testantismus die Anrufung der seligsteu Jungfrau Maria unterlassen, die freie Uebung und Entfaltung
der katholischen Religion würde durch das Beispiel des Gegentheils, durch Anregung im Verkehre, durch
beherrschenden und bestechenden Einstuß, durch Legen-
ausbeutuug, Traktätleinregeu, und aus tausend Rück sichten beeinträchtigt, eingeengt und beschränkt; indem
kleinen Bändchen, den engen Thälern, in den kleinen Städtchen, Märkten und Dörfern, wo sich alles so nahe gerückt ist, müßte daraus nothwendig eine all-
mählige Abschwächung des Glaubens, Gleichgiltigkeit in Religiouosacheu, eine Aufgebung der Gewissenhaf
tigkeit gegen Gott und Kirche erfolgen, und die Treu
losigkeit im Allerheiligsten wäre an der Tagesord nung".
Wir können diesen Einwendungen gegenüber, die wir zur bessern Würdigung größteutheils wörtlich anführten, nur auf das verweisen, was wir bereits
53
bei der Darlegung, daß die Ansiedlungsfrage keine Glaubenssachc fei, gesagt haben. Die Freiheit des Gewissens kann durch Zulassung der Protestanten so wenig beirrt werden, als der Katholicismus; der Ti roler muß deshalb an seiner Ueberzeugung nicht ein Jota andern, er darf nicht ein Haarbreit von seiner Pflichterfüllung abweicheu. Die Behanptnng, daß wir den Protestanten zu Liebe den Marienknlt, unsere Maiandacht, unsere Bilderverehrung unterlassen müßten, ist so willkürlich und widersinnig, daß sie uns jeder Antwort enthebt. Solche Zumuthungen werden den Katholiken in pari tätischen Landen nirgends gemacht, und können in einem civilisirten Staate, wo die Gleichberechtigung eine Wahrheit ist, nicht gemacht werden. Der ka tholische Prediger wird ehe wie vor fortfahren dür fen, die Irrlehre zu bekämpfen, sie zu widerlegen, vor ihrer Verbreitung zu warnen, nur grundloser Schmähungen, gehässiger Anklagen, wie sie dem Munde eines Priesters ohnehin nicht ziemen, wird er sich zu enthalten haben. Weshalb fürchtet man denn gerade in Tirol so entsetzliche Folgen, Abfall vom Glauben, Aufgeben
54
der Gewissenhaftigkeit, und Treulosigkeit im Aller heiligsten ?
Sollte der katholische Glaube, der doch so fest
sitzt in dem Herzen des Tirolers, mit der Geschichte und den Erinnernngen seines Landes so innig verwebt ist, im Grunde doch nur auf Sand gebaut sein, daß er beim ersten feindlichen Windhauch znsammenstürzte;
sollte er trotz des Jahrhunderte alten Wachsthums noch immer eine so zarte Pflanze sein,
daß er
vor jedem freien Luftzug geschützt werden müßte?
Wäre der vielbesprochene Einfluß, die Berufstreue, die Bildung und UeberzeugungSkraft unseres Clerus
wirklich so schwach, daß sie nicht ausreichtc, das »Gift»
einzelner Ansiedler unschädlich zu machen, „der An regung im Verkehre, dem bestechenden Einfluß, dem Traktätleinregen» u. s. w. durch Belehrung und Bei spiel entgegenzuwirkcn? Während man sich auf die
Anhänglichkeit der Tiroler an alteö Herkommen und gewohnte Sitte beruft, und auf die bekannte That
sache hinweist, daß der Tiroler gegen jeden Auslän
der und gegen alles Ausländische ein anhaltendes
Mißtrauen nährt, »so daß selbst der edle Fürstbischof Galura in Brixen nie wahrhaft populär werden konnte,
55 weil er nicht im Lande geboren, auch nicht den Dia
lekt des Land sprach», — eifert man in einem Athem gegen die Ansiedlung der Protestanten, weil dadurch
die fromme Sitte der Vater zerstört, daS alte Tirolerthum vernichtet werde.
Die Popularität, die sich
d?r liebenswürdige, fromme und wohlthätige Kirchen fürst Galura nicht erwerben konnte,
soll der erste
beste protestantische Ansiedler so leichten Kaufes er
obern!
Hier warnt ein Gegner der Ansiedlung vor den
Protestanten,
weil sie größtenthcils Jndifferentisten,
Verächter jeder positiven Religion seien; ein anderer aus:
dort ruft
Nicht die Jndifferentisten,
deren
gäbe es auch im Lande genug, sondern die Frömmler, die bibelspendenden Damen seien eS, die dem ohne
hin zum Pietismus geneigten Tiroler gefährlich wür den.
Wo bleibt bei solchem Raisonnement die Logik,
wo die Achtung
vor dem Charakter
des
Tiroler
volkes ? Es ist immerhin möglich, daß der Einzelne durch
die Berührung mit dem protestantischen Nachbar in seinem Glauben irre, zum Abfall verleitet werde; wir
finden es auch verzeihlich,
wenn man dem Tiroler
56 das Festhalten an
seinem Glauben durch Wegräu-
mung jeder Versuchung möglichst erleichtern will; —
aber deshalb keinem Andersgläubigen den Zutritt ge statten, hieße ungefähr so viel, als alle Sünder aus dem Lande schaffe», damit der Fromme und Tugend hafte weniger Gefahr laufe, an seiner Seele Scho
den zu leiden.
IX.
Wie
der
geneigte Leser
bemerkt haben wird,
waren die Bedenken, die wir bisher kennen lernten,
vorzugsweise religiöser Natur; wir kommen nun zu jenen Einwänden,
die in katholischen Blättern
nicht minder zahlreich,
aber kaum gewichtiger, gegen
die Ansiedlnng vom politischen Standpunkte aus erhoben werden.
Man sagt nämlich: Tirol sei durch den Katho licismus
gewissermassen eine Nation gegenüber dem
in Konfessionen zerfallenen Deutschland, man dürfe
diese Nationalität nicht zersplittern.
In dem Maße,
als es gelänge Tirol zu Protestantismen, in demselben
Maße werde Tirol
mehr
ein
Land des
Bundes als ein Land Oesterreichs.
deutschen
Tirol sei bereits
mit seiner katholischen Bevölkerung überfüllt,
Protestanten in das Land eingeführt werden,
so
müßten die Tiroler
den Fremden
sollten
(sic)
ihren Platz
58 räumen, der Charakter des Landes würde verschwin den, Tirol ein Land der Fremden werden. Daß Tirol durch deu Katholicismus eine Nation sei, ist ein schöner poetischer Gedanke, aber ohne Wahrheit, ohne praktischen Werth. Die Einheit Tirols — wir müssen es gestehen, so sehr es uns schmerzt diese wunde Stelle unsers theuern Vater landes zu berühren — ist leider kaum mehr als ein schöner Traum aus alter, läugstverkluugeuer Zeit. Der Katholieismus heilt und einigt hier nicht. Der Watsche haßt den Deutschen und die österreichische Regierung, trotzdem daß sie das Coneordat abge schlossen hat. Weder die vorausgegaiigeue Vertrei bung der Zillerthaler noch das spätere Votum des Tiroler Landtags für die Ausschließlichkeit des katho lischen Cultus konnte die Wälschtiroler und Vorarl berger im I. 1848 bestimmen, sich diesem Landtage anzuschließen. Die Trennungsgelüste Südtirols sind weder durch die protestantischen Güterankäufe in Botzen, Meran und Kurtatsch erregt, noch durch die Agitation da gegen beschwichtigt worden. Ein streng gerechtes, ächt freisinniges RegiernngS-
59 system, das nothwendigerweise die Gleichberechtignng in sich schließt, kann allein zur Wiedergewinnung der entfremdeten Gemüther führen. Wir haben allen Grund zu bezweifeln, daß das in
Confessionen zerfallene Bayern, Würtemberg, Preußen
u. s. w. politisch mehr zersplittert ist, als unser ar
mes, kleines,
glanbenseiniges Vaterland, und cs ist
eine Einseitigkeit vorauszusetzen, daß den Protestan ten ihr Vaterland weniger theuer sei,
als den
Katholiken.
Weshalb Tirol dadurch, daß es mit den übrigen
österreichischen Kronländern
dieselben
Grundrechte
theilt, daß in ihm die Protestanten gleiche Berechti gung finden wie in Siebenbürgen,
Ungarn
und
Böhmen, von diesen Kronländern mehr und mehr
entfremdet, mehr ein Land des deutschen Bundes als Oesterreichs werden sollte, ist vollends nicht abzu
sehen.
Wir hätten geglaubt, eine einheitliche Gesetz
gebung in de» Grundprincipien sei vielmehr das
nothwendige, einigende Band für die verschiedenen Kronländer,
die Absonderung
träte weit schärfer
hervor, wenn man Tirol von der Freizügigkeit der
übrigen Provinzen ausschlösse.
60 Und wäre denn, möchten wir fragen, eine An
näherung an Deutschland wirklich ein so entsetzlicher, furchtbarer Gräuel? wäre es den Urhebern dieser Bedenken erwünschter, wenn sich Tirol mehr zum
Suden hingezogen fühlte, wenn es seine politischen
Sympathien nach seinem Glauben regelnd für das rein katholische Italien und Frankreich schwärmte!
Freilich, wenn man sich unter der Ansiedlung der Akatholiken eine förmliche Einfuhr von Prote
stanten, eine massenhafte preußische Invasion vorstellt, die den Tiroler von Haus und Hof verdrängt, so wird die Sache gefährlicher; aber man bedenke doch,
daß die Armuth Tirols, die Theurung der nothwen digsten Lebensbedürfnisse, seine geringe Eignung zu
industriellen Anlagen und Unternehmungen, und an dere ungünstige Verhältnisse kaum große Massen von
Einwanderern
anlocken
dürften.
Im Falle eines
Krieges aber würde auch das entschiedenste Cultus-
Votum der tiroler Landstände schwerlich respectirt
werden.
Allerdings haben in den letzten Jahren zahl reiche Auswanderungen aus Tirol stattgefunden, aber
es ist doch noch keinem vernünftigen Menschen ein-
61 gefallen den Grund dafür in der Gefährdung der Religion und des Besitzes durch Akatholiken zu suchen. Die Auswanderungen nach Peru und Brasilien erfolg
ten fast durchaus ans Thälern und Ortschaften, wohin noch selten oder nie ein Protestant seinen Fuß gesetzt hat. Auch wir halten den Charakter des Landes heilig,
und wissen seine Eigenthümlichkeiten zu schätzen; wir lieben die trauliche Abgeschiedenheit unserer Thäler,
die spitzen Kirchthürme mit dein frommen Glockenge läute, die dunkeln, immergrünen Fichtenwälder, die
duftigen Alpenmähder und schneeigen Firnen; wir
kennen Sinn und Bedeutung der zahlreichen Kreuze und Wegkapellen, den Zauber der Wallfahrten, die
Andacht und Freudigkeit der ländlichen Bitt- und Betgänge.
Die Sitte des Bauern daheim in der
getäfelten Stube, wie außen am Hochzeitstage und Kirchweihfeste ist uns wohlbekannt; wir achten die
Züchtigkeit der Jungfrauen und ehren den Muth der
Männer, wir waren selbst dabei, als es galt des
Landes Grenze zu schützen, und das edle Spiel am Scheibenstande ist uns ebensowenig fremd, als die
süße Romantik der Schloßruinen mit den sagenhaften Schauern vergangener Jahrhunderte.
62 Ja, in unbewachten Augenblicken schwärmen wir
selbst für Geringeres,
und gedenken mit Vergnügen
der guten alten Zeiten, wo uns statt der Locomotive im liniengeraden Fluge ein paar wackere Gäule ge
müthlich bergauf bergab zogen, bis uns ein statt liches Hans mit buntem Schilde freundliche Einkehr
winkte,
und der behäbige Wirth, achtungsvoll das
grüne Sammtkäppchen in der Hand, ein Glas ächten rothen Traminers kredenzte.
Wenn nun Manches anders, und vielleicht auch schlechter geworden im Lande, wenn mit unsern stol
zen Wäldern auch deren Poesie
mehr
und mehr zu
schwinden beginnt, soll dafür der Protestantismus die
Verantwortung tragen? Sind es nicht eben die frem den Touristen, deren Gefühlsschwärmerei und über schwängliches Entzücken beim Anblicke unserer Natur
schönheiten wir so oft belächeln? Nicht der materielle Reichthum, der poetische Zauber
unsers Ländchens
lockt die Ausländer an; wer nicht Herz und Sinn für unser Volksleben mit sich bringt, wird auf die
Dauer wenig in unsern Bergen zu suchen haben.
Wenn sich der Materialismus des Jahrhunderts auch bei uns breit zu machen anfängt,
so tragen
63 protestantische Ansiedlungen sicher keine Schuld daran,
sie können deshalb auch kein Gegenstand unserer An
feindung sein.
Mit stillen Phantasien, mit kindlichen
Träumen von idyllischer Einfachheit und mahrchenhafter Unschuld wird der Geist der Zeiten überhaupt nicht gebannt, der Flug der Locomotive nicht aufge
halten.
Auch das Neue hat seine Berechtigung, und
nicht dadurch, daß wir die Forderungen der Gegen
wart feindselig von uns weisen, sondern dadurch, daß wir sie in vernünftige, maßvolle Bahne» zu lenken
versuchen,
wird es möglich sein auch das Gute der
alten Zeit vor dem Verfalle zu schützen.
X. Die Ansäßigmachung —
fahren die Gegner
derselben fort — sei gerade
gegen das moderne
Princip der Gleichberechtigung, denn vermöge dersel
ben müßten den Katholiken vorerst alle Rechte, alle geistigen und materiellen Güter zurückgegebcn werden, die ihnen "bald durch die grobe Gewalt des Prote
stantismus, bald durch die feinere Säcularisation geraubt wurde»."
Zudem werde auch diese Gleich
berechtigung von den Protestanten den Katholiken gegenüber nicht geübt.
Es scheint uns kaum glaublich, daß diese Ein
wendung ernstlich gemeint sein sollte. nämlich
Wir verstehen
unter Gleichberechtigung der verschiedenen
Bekenntnisse nicht eine gleiche Austheilung aller Kir
chengüter,
und gleiche Besetzung aller Aemter und
Stellen, wir verlangen nicht, „daß die Protestanten
65 in alle katholischen Rechts- und Güterschätze eingesetzt werden, zu welchen sie keine Hand gerührt, keinen
Heller beigetragen, für welche sie keinen Tropfen Blut
oder Schweiß geopfert haben:"
sondern wesentlich
iiui*, daß das verschiedene Bekenntniß allein in der
Erwerbung politischer und bürgerlicher Rechte keinen Unterschied begründen dürfe, daß Katholiken und Pro
testanten dieselbe Rechtsfähigkeit zukomme. Ob der Protestautismus bei seinem Entstehen durch Vergewaltigung in den unrechtmäßigen Besitz
geistiger und materieller Güter gelaugte, ist eine Frage, die, wenn sie auch bejaht wird, weder mit der
Ansiedlung noch mit der Gleichberechtigung etwas zu schaffen hat.
Wenn man als Basis der Gleichberechtigung eine restitutio in integrum, eine Herausgabe aller
„bald durch die grobe Gewalt des Protestantismus, bald durch die
feinere Säcularisation" geraubten
Güter fordert, wo ist dann die Grenze bei welcher diese restitutio zu beginnen hätte? Sollte gerade der faktische Besitz der Katholiken beim Beginne der Re
formation der maßgebende, der allein rechtliche sein? Protestantenfrage.
5
66 Könnte man denn nicht noch weiter zurückgehen, auf
jene Urzeiten, wo Carl der Große die Sachsen mit
dem Schwerte zur Taufe trieb, was doch auch eine Gewaltthat war,
und wenn dann ein Nachkomme
jener Heiden aufträte und ausriefe: Ihr Christen seid in unsere SBätrev gedrungen, ihr habt unsere heiligen
Eichen gefällt, unsere Altäre zertrümmert-; gebt her aus das Land das ihr uns abgerungen, die Schätze die ihr unsern Göttern geraubt, dann erst könnt ihr
auf Gleichberechtigung Anspruch machen; wäre ein
solcher Heide mit seiner Forderung der restitutio nicht ebenso im vollen Rechte? Könnte die restitutio nicht auch in der Richtung geltend gemacht werden,
daß inan die Herausgabe aller jener Güter verlangte,
die zur Zeit des Faustrechts vou deu Raubrittern den Kaufleuten abgejagt, und in bußfertiger Todes
stunde einer Kirche oder einem Kloster geschenkt wurden? Der Leser möge uns vergeben, daß wir uns mit
Widerlegung von Einwürfen aufhalten, die auf einer
totalen Begriffsverwirrung beruhen, und daher einem vernünftigen Raisonnement kaum zugänglich sind. Die Gleichberechtigung, in dein Sinne, wie wir
sie nehmen und wie sie von den Akatholiken gefordert
67 wird, will nichts anderes besagen als:
Wir sind
Menschen und Staatsbürger wie Ihr, wir tragen die gleichen Pflichten, also gebt uns auch die gleichen
Rechte! Die Gleichberechtigung in diesem Sinne schließt
jede Vergewaltigung aus. Wer wird auch ini Ernste den Protestantismus
der Gegenwart für die Gewaltthaten der Vorzeit zur Rechenschaft ziehen, wer von dem einzelnen Prote
stanten, der sich in Tirol ankaufen will, fordern, daß
er vorerst alles Unrecht gnt mache, das irgend ein Protestant vor 300 Jahren einem Katholiken zuge
fügt haben soll?
Wer bürgt dafür, daß die Nach-
koinmen dieses Protestanten nicht mittlerweile wieder Katholiken geworden, und man also diese nm die restitutio angehen müßte?
Wo käme man mit solchen Forderungen hin? müßten wir es uns dann nicht gefallen lassen, wenn
man ebenso jeden Katholiken für die Gräuel der In quisition, für die blutige Verfolgung der Hugenotten
u. s. w. verantwortlich machen wollte? Daß in Schwe den, Norwegen und Dänemark nicht dieselbe Gleich5*
68 berechtigung den Katholiken gegenüber geübt wird, ist zu beklagen; fremdes Unrecht kann aber nie das eigene entschuldigen, und am Ende wäre damit nichts
gewonnen, als daß wir den schwedischen und däni schen, nicht aber den deutschen Protestanten die Auf
nahme verweigern könnten.
XL
„Es wäre eine Verletzung des Hausrechts, wenn
man den Hausvater nöthigte
fremde Leute aufzu-
nehmeu, und das Hausrecht sei bei der Gemeinde
mit) dem Volke nicht minder heilig zu halten, wie bei
der Familie; deshalb könne und dürfe die Duldung der Akatholiken dem Lande nicht aufgenöthigt werden."
Familie, Gemeinde, Provinz und Staat sind
organische Gliederungen, die, so viele gemeinsame Merkmale sie auch haben, sich doch ebenso wesentlich
unterscheiden.
theorie,
Huldigt man dieser oder jener Staats
nimmt man auch für den Staat dasselbe
Princip wie für die Familie an, so wird doch Nie
mand daraus folgern, daß die Rechte und Pflichten dieser organischen Gruppen die gleichen seien, man
wird zugeben, daß sie sich nach den Letzteren selbst
enger oder weiter begränzen. Das Hausrecht der Familie ist ein wesentlich
70 verschiedenes von dem der Gemeinde; die Familie
ist das innerste, abgeschlossenste Heiligthum, das sich
den Eingriffen des Staates, den Anforderungen des öffentlichen Lebens am meisten entzieht.
Der Hans
vater wird den unbequemen Fremden ohne weitere Rechenschaft von der Thüre weisen können, dadurch wird die Freizügigkeit, Wandel nicht beirrt.
der öffentliche Handel inib
Anders verhält es sich mit der
Gemeinde; diese ist schon eine öffentliche Genossen
schaft, ihre Berührungspunkte mit dem Staate, ihre
Anforderungen an denselben sind zahlreicher, somit auch ihre Pflichten ausgedehnter.
Eben wegen dieser
größeren Theilnahme an dem öffentlichen Leben, dem
öffentlichen Verkehr, wegen ihres Verhältnisses zu andern Gemeinden und mit diesen zum Lande, zu
andern Provinzen, zum Staate, ist der Kreis der Pflichten und Rechte für sie viel weiter, sie wird dem
allgemeinen
öffentlichen
Interesse manches
Opfer
bringen müssen, was von der Familie nie gefordert
werden dürfte, und bei dieser als ein unberechtigter Eingriff erscheinen müßte.
So wäre es zweifelsohne
eine Verletzung des Hausrechts der Familie, wenn
man den Hausvater zwingen wollte sein Haus den
71 Fremden offen zn halten; Niemand aber wird es eine Verletzung deS Hansrechts einer Gemeinde nen
nen, wenn der Staat sie verhält seinen Bürgern freien Durchzug zu gestatten.
Setzen wir den Fall,
daß die Gemeinde an: Brenner den Beschluß gefaßt habe ihr Gebiet gänzlich abzusperren, keine Straße
durch dasselbe zu dulden, könnte ein solcher Beschluß vom Staate respectirt werden, wäre in einem solchen
Falle die Expropriation ein unberechtigter Eingriff in
das Hanörecht der Gemeinde?
Wenn man schon einmal solches Gewicht aus die Autonomie der Gemeinde legt, warum bleibt man
sich nicht consequent, und überläßt es nicht jeder Gemeinde selbst, ob sie diesen oder jenen akatholischen
Ansiedler aufnehmen will? warum verlangt man ein allgemeines Verbot? Ist es minder eine Bevormundung, wenn man
zur Gemeinde sagt: Du darfst unter keinen Umstän
den einen Protestanten aufnehmen, als: unter gewis
sen Bedingungen darfst du auch einem Protestanten die Aufnahme nicht verweigern? Man wende nicht ein, die Gemeinden Tirols hätten sich schon klar und bestimmt gegen dieZulassung
72
von Akatholiken ausgesprochen; erstens ist dies durch aus nicht unbedingt richtig, und dann können solche
Beschlüsse nur von Fall zu Fall gefaßt werden. ES ist nicht zulässig,
es widerstrebt dem Begriff
und Wesen einer Gemeindeverwaltung und könnte schon im Interesse der Freiheit der Gemeinde nicht
geduldet werden, daß die zufällige Anschauung einer Vorstehnng znm bindenden Gesetz für alle nachkommcudeu Generationen, für weltewige Zeiten würde.
Beruft mau sich auf die Autonomie der Gemeinden,
so könnte man höchstens den Weg einschlagen, die Erwerbung der Gemeindezuständigkeit —
nicht etwa die bloße Duldung des Aufenthaltes und Wohnsitzes — überhaupt, ohne Unterschied des Be
kenntnisses, von der Zustimmung der Gemeinde
abhängig zu machen. Es ist dies ungefähr derselbe Weg, den schon Dr. Haßlwandter auf dem Landtage von 1848 em
pfahl, der aber freilich wieder eine volle zur Wahr
heit gewordene Entvormundung der Gemeinden nach jeder Seite voraussetzt. Selbstverständlich stünde auch
gegen eine solche Entscheidung der Gemeinde die Berufung an die Bezirksgemeinde und die Landes-
73 Vertretung offen.
Auf diese Weise durfte den weit
gehendsten Besorgnissen ängstlicher Gemüther begeg net werden, ohne daß es eines besonderen Gesetzes
bedürfte, das sich in keiner Weise rechtfertigen ließe, und unserem Vatcrlande nur den gehässigen Vor
wurf der Unduldsamkeit aufbürden würde.
XII. Auch die Geschichte soll Zeugniß geben gegen die Duldung der Akatholikeu. „Sie lehre, behauptet man, daß die Tiroler sich erst dann, aber erst dann
auf Leben uud Tod gegen das bayerische Regiment empört haben, als dieses Regiment ihren Glauben,
ihre Religion, ihre Priester und Kirchen, ihre reli
giösen Ueberzeugungen angriff; das Land habe sich
bei der Vertreibung der Zillerthaler und im Jahre 1848 in der Petition von 100,000 unterschriebenen Männern einstimmig gegen solche Eingriffe verwahrt, und auch feine jetzige Mißstimmung sei unter Anderm
daraus entstanden, daß inan Protestanten im Lande
bereits zugelassen, und daß es fortwährend den An schein hatte, als begünstigte man dies von Oben herab, weil man sich noch niemals entschieden dagegen
ausgesprochen und keine geeigneten Gegenmaßregeln ergriffen hat.
75 Wenn daher Protestanten in Tirol zugelassen würden, auch gegen den in blutigen Thaten ausge-
sprochencn Willen der Bevölkerung, so zerreiße man
dadurch eines der festesten Bande, welche des Tiro
lers Herz an Oesterreich knüpfen.»
Allerdings lehrt die Geschichte, daß sich Tirol
auf Leben und Tod gegen die Fremdherrschaft erhob, aber eS erhob sich aus Treue gegen das angestammte
Fürstenhaus, dasselbe, dessen Kaiser auch das Toleranz patent erlassen hatten, es erhob sich gegen die Unter
drücker seiner Rechte und Freiheiten, gegen die fre velnden Spötter und Vcrrather seiner frommen Sitte
und religiösen Uebungen, nicht gegen den Protestan tismus.
Bayerns und Frankreichs Herrscher waren
Katholiken, ihre Regierung eine katholische und nur ausnahmsweise waren Protestanten die Vollstrecker der Gesetze.
Nicht
gegen
die Protestanten,
gegen die polizeiliche Bevormundung, die
sich selbst auf die religiösen Uebungen ausdehnte, war die Erbitterung gerichtet. Damit hat die Ansiedlung
der Akatholiken nichts zu schaffen; durch diese werden,
wie wir schon gezeigt habe», weder die religiösen Uebungen, noch die frommen Sitten und Gebräuche
76 unseres Landes beirrt, und wenn sich Einzelne Ex
cesse zu Schulden kommen lassen, so reichen dagegen die Strafgesetze vollkommen aus. Wohl wissen wir, daß Petitionen bedeckt mit
Hunderttausenden von Unterschriften durch das Land liefen, die Reinhaltung des katholischen Glaubens und die Ausschließung der Akatholikc» fordernd,
allein
wir sind auch mit der Art und Weise der Entstehung
solcher Urkunden auf das genaueste vertraut; wir wissen, daß daö Landvolk, welches die größte Anzahl
unleserlicher Namen und Kreuze lieferte, oft nicht die geringste, und selten die richtige Kenntniß dessen hatte,
um was cs sich handelte.
»Wollt Ihr katholisch
bleiben?» das war in den meisten Fällen die bündige Gewissensfrage, die der Landmann mit seiner Unter
schrift zu bejahen hatte. Und wie hätte er diese auch, selbst wenn er näher eingeweiht war, verweigern sol
le», wenn ihm die schrecklichen Folgen der Ansiedlung mit so grellen Farben geschildert wurden?
War es
da nicht für die Ruhe seines Seelenheils und den
Frieden mit dem Seelsorger weit einfacher, seinen
Namen ohne Widerrede beizusetzen?
Wir gestehen offen, unsere Achtung vor solchen
77 Schriftstücken und ihrer Beweiskraft ist eine sehr
zweifelhafte, ihr Zustandekommen hängt von so vielen Einflüßen, fremdartigen Berechnungen und zufälligen
Umständen ab, daß sie äußerst selten der richtige Aus
druck der wahren Gesinnung sind. Wer möchte wohl z. B. aus der Thatsache, daß
die Beiteidsadresse an das in seinem weltlichen Be sitze bedrohte Oberhaupt der Kirche in der Stadt Bozen mit mehr als 2000 Unterschriften bedeckt wurde, während sie iu der Landeshauptstadt deren kaum 900
zählte, den gewagten Schluß ziehen, daß der Gerech
tigkeitssinn der Einwohner von Innsbruck in eben
diesem Verhältnisse schwächer, ihre Begeisterung für den heiligen Vater kühler gewesen sei?
Die neueste Geschichte hat uns über den Werth solcher Kundgebungen des Volkswillens zur Genüge
belehrt, und wir sind überzeugt, daß auch unsere Re gierung diese Erfahrungen beherzigen werde.
Von
dem klugen kaiserlichen Prinzen, der an der Spitze unserer Laudesverwaltung steht, und in den schwie
rigsten Verhältnissen ein so feines und richtiges Ver ständniß unserer Bedürfnisse an den Tag gelegt hat,
dürfen wir mit Zuversicht erwarten, daß er die wahre
78
und ruhige Stimmung des Landes von der künstlich
erregten wohl zu uuterscheiden wisse. Daß die gegenwärtige Mißstimmung Tirols, auf
welche die Wortführer einer Parthei mit bedenklichem Achselzucken Hinweisen, zum Theil in der Begünsti
gung ihren Grund habe, welche die Regierung den protestantischen Allsiedlern zu gewähren scheine, ist eilte Unwahrheit, ebenso schamlos, wie die versteckte
Drohung, daß man dadurch die Baude, welche Tirol au Oesterreich knüpfen, zerreiße.
Wir haben bereits
gesehen, welcher Art diese angeblichen Begünstigungen sind, daß sie nur in der strengsten Auslegung und Handhabung der Gesetze gegen die Akatholiken be
standen.
Man gehe hin in unsere Städte und Dörfer,
man frage in den abgelegensten Thälern und einsam sten Bauernhösen nach dem, was des Tirolers Herz
bedrückt, seinen Frohsinn in Kummer verwandelt!
Viele, gerechte und ungerechte Klagen wird man hören über Steuerdruck, "Finanzer" und Gensd'armen, über
Beamte und vielleicht anch über die Geistlichkeit, aber die Unterdrückung der katholischen Religion, dieBegünstignng von Akatholiken wird der Regierung nirgends
79 zum Vorwurf gemacht werdeu, es wäre beim, baß
sich hie uub ba ein Fanatiker burch besoubcre Anre-
guug einer solcheu Beschwerde gelteub zu machen be mühte. — Wir haben die Stimmung der Bevölkerung, wie sie uns die wahre scheint, bereits oben zu schil
dern versucht; eiuzelue übermüthige Bursche und ver
kommene Kleinhäusler mögen immerhin den Anlaß benützen und mit dem "Herren erschlagen" drohen,
die besonnene Mehrzahl des Volkes hat keine Lust an solchem Scandal und bleibt diesen Umtrieben fremd.
XIII. Wir haben int Vorhergehenden die wesentlichsten
Bedenken gegen die Ansiedlung geprüft und zu ent kräften versucht; wir schreiten nunmehr zur Beurthei
lung der Frage vom rechtlichen Standpunkte, zur Behauptung, daß den Protestanten durch ihren Aus schluß nicht zu uahe getreten werde, weil sie kein Recht
hätten die Ansäßigmachung in Tirol zu verlangen, während umgekehrt die Rechte der Tiroler durch diese beeinträchtigt und verletzt würden.
Vom rechtlichen Standpunkte aus kann es sich nur um zwei Fragen handeln:*)
*) Es würde uns zu weit führen, und dem folgenden Abschnitte
wollten wir in diesem alle Gründe des Rechtes
und der Politik, die für die Gleichberechtigung,
welche
die Gestattung der Ansäßigmachung nothwendig in sich schließt, geltend gemacht werden,
ausführlich erörtern,
wir müssen uns in Kürze nur auf das Zunächstliegende
beschränken.
81
Hat Tirol in der That ein Recht die Ausschließ ung der Akatholiken zu fordern, und: können die Pro testanten irgend einen gesetzlichen Titel nachweisen, der
sie berechtigt auf die ungehinderte Zulassung zum Realbesitze auch in Tirol zu dringen?
Die erste Frage müssen wir unbedingt verneinen. Das Naturrecht kennt keinen Gewissenszwang, keine
Beschränkung der Eigenthums- und Desitzhandlungen
durch dies oder jenes Bekenntniß; ebensowenig schließt
das bürgerliche Gesetzbuch die Akatholiken vom Grund
besitze aus.
Ja es existirt nicht einmal eine politi
sche Verordnung, welche die Zulassung der Akatholi ken unbedingt untersagte; selbst die Präsidial-Erlässe
der neuesten Zeit, die hierin am weitesten gehen, und bei Güterankäufen, ja selbst bei Gewerbsverleihungen
möglichste Hintanhaltung von Protestanten empfehlen,
enthalten kein solches Verbot. Von einer Ersitzung des Ausschließungsrechtes zu sprechen, wie es da und dort ebenfalls versucht wurde,
kann vollends nur dem juridisch Ungebildeten beifallen. Die Ersitzung und Verjährung ist ein Institut des Privatrechtes; die Frage ob die Akatholiken in
Tirol Grundeigenthnm erwerben dürfen, gehört aber Protestantensrage. 6
82 dem öffentlichen Rechte an.
Wer aber durchaus die
Bestimmungen des allg. bürg. Gesetzbuches über Er
sitzung und Verjährung auf die besitzerwerbenden Pro testanten in Tirol anwenden will, den möchten wir fragen, welche Personen das Ausschließungsrecht er sessen, und welche das Antäufsrecht verjährt haben?
Den
verweisen
wir ferner ans die §§. 355 , 356,
1459 und 1481 des allg. bürgerl. Gesetzbuches, und
wir denken, es müßte ihm schwer werden,
ein thatsächliches oder gesetzliches Moment geträumte
Ersitzung
des
auch nur für die
Ausschließungsrechtes
der
Protestanten von: Grundbesitzerwerbe in Tirol aufzu
finden. Die Gegner der Ansiedlung können sich daher nur auf unerledigte Wünsche und Beschwerden, aber
auf kein Gesetz, auf keinen Rcchtstitel berufen. Anders verhält es sich mit den Ansprüchen der Akatholiken; diesen ist, abgesehen von den Grundsätzen
des
natürlichen Rechtes, die Realbesitzfähigkeit
und
Ansäßigmachung in Tirol durch positive Gesetze aus drücklich gewährleistet. Die Justizbehörden, deren Ur theil in juridischen Dingen doch maßgebend sein dürfte,
haben daher auch, wie wir oben sahen, keinen An stand genommen,
die Berfachung der Gutskäufe von
83 Protestanten vorzunehmen.
Und in der That schon
der Absatz 7 des josephinischen Toleranzpatentes vom 6.
Dezember 1781
lautet
bestimmt
und
deutlich:
"Können die Akatholiken zum Häuser- und Güterankauf, zum Burger- und Meisterrecht, zu akademischen
Würden und Civilbedienstungen künftig dispensando
zugelassen
werden.
—
Dergleichen Dispensationes
Possessionum und zum Bürger - und Meistcrrechte
sind bei den uuterthänigcn Städten durch die Kreis ämter, bei den königlichen und Leibgedingstädten durch Landeskämmerer, oder in deren Ermanglung durch die
Landesstelle ohne alle Erschwerung zu ertheilen.
Die sich ergebenden Abschlagsmotive sind jedesmal der Landeöstelle
und
von da dem A. h. Orte zur Ein
holung der A. h. Entschließung anzuzeigen." So das josephinische Toleranzpatent, dessen Gil tigkeit für Tirol wir bereits nachgewiesen haben.
Wäre dasselbe aufgehoben, so könnte es nur durch das kaiserliche Patent
vom 31. Dezember 1851 ge
schehen sein, in dessen Eingänge es heißt: „Wir erklären jedoch durch gegenwärtiges Pa
tent ausdrücklich, daß Wir jede in den Eingangs er wähnten Kronländern gesetzlich anerkannte Kirche und
6*
84 Religionsgesellschaft in dem Rechte der gemeinsamen öffentlichen
Religionsübung
erhalten
und
schützen
wollen."
Gibt man diesen kaiserlichen Worten die Deu
tung, als hatten sie nur auf jene Kronländer Bezug, wo fremde Religionsgenossenschaften den öffentlichen
Cultus bereits auSübten, und beruft man sich dar auf, daß eben dieses in Tirol nicht der Fall sei, über
sieht man die weitere in dasselbe Patent aufgenominciie Bestimmung, daß die Gleichheit aller Staats
angehörigen vor dem Gesetze gewahrt bleibe, so wird man doch wenigstens auf das Toleranzpatent zurück
kommen, und dieses für die maßgebende 9iorm der Ansiedlung halten müssen. Man hat zwar behauptet, daß auch nach dem
Toleranzpatente nur Protestanten der österreichischen
Kronländcr, nicht aber Ausländer berechtigt wären in
Tirol Grundbesitz zu erwerben; diese Unterscheidung
ist aber für die Praxis ohne Werth.
Ob der ein
wandernde Protestant ein Oesterreicher, Würtemberzer oder Preuße ist, macht ihn der Einheit des katholischen
Glaubens im Lande Tirol nicht mehr oder minder gefährlich, auch wäre dadurch höchstens das erreicht,
85
daß ein Ausländer, dem wirklich viel an einem Grund besitze in Tirol gelegen ist, sich zuerst um die Auf
nahme in einer andern Provinz, wo ihm kein Hin derniß in den Weg gelegt wird, umthun müßte, um
sich dann von dort aus als österreichisch er Staats
bürger in Tirol anznkaufen.
Wenn der protestanti
schen Propaganda, wie so oft behauptet wird, wirk-
lich so sehr um die Protestantisirung des Landes zu thun wäre, würde sie diese geringe Mühe nicht scheuen, und wir hätten trotz aller Sophistik die Gefahr doch nicht abgewendet. Es ist aber noch ein anderes Verhältniß
ins
Ange zu fassen, das auch die Ausländer, das heißt die Angehörigen der deutschen Bundesstaaten, mittel
bar zum Grundbesitze berechtigt,
indem es sie den
Inländern gleichstellt, wir meinen die Artikel 16 und
18 der dentschen Bnndesakte.
XIV. Der Artikel 16 der deutschen Bundesakte lautet
bekanntlich: "Die
Berschiedenhcit
Religionspartheien
kann
der
christlichen
in den
Ländern
nnd Gebieten des deutschen Bundes keinen Unterschied in dem Genusse der bürgerli
chen und politischen Rechte begründen«. Damit wird wohl unzweifelhaft jede Rcchtsun-
gleichheit, die lediglich dem Titel eines verschiedenen christlichen Bekenntnisses entspringt, aufgehoben, es
wird klar und bestimmt ausgesprochen, daß den Deut schen in allen deutschen Ländern der gleiche,
Genuß der
volle
bürgerlichen und politischen Rechte —
worunter wir, und wohl jeder Jurist, nicht nur den faktischen Besitz,
sondern auch
die Erwerbfähigkeit
dieser Rechte verstehen — wegen der bloßen
Ver
schiedenheit ihres Bekenntnisses nie und nimmer dürfe
87 verkümmert werden, daß der Protestant an der Elbe und Eider dem Katholiken am Inn und an der Donau unter
denselben Verhältnissen vollkommen gleichgestellt wer
den müsse. Nach unserer Ansicht kann diesem Artikel un
möglich ein anderer Sinn untergestcllt werden; dessen
ungeachtet begegneten wir in neuester Zeit in Meh rern Blättern*) einer ganz verschiedenen Auffassnng.
Nach dieser enthält nämlich der besagte Artikel nur
eine Zusicherung jeder Regierung ihren bereits im Lande befindlichen eigenen Unterthanen gerecht zu werden, mit Ausschluß jeder Gegenseitigkeit unter den
verschiedenen
Bundesstaaten.
Es würde damit,
auf
Oesterreich angewendet, diesem blos die Verpflichtung
auferlegt, die Staatsbürger in den deutsch-österreichi
Kronländern — nicht aber die Ausländer —
schen
ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit ihres Bekennt
nisses
gleichzustellen.
Da Kaiser Franz
der Erste
nicht als gefürsteter Graf von Tirol, als Herzog von Steiermark oder König von Böhmen mit jedem die-
*) Histor. pol. Blätter 1859. 44. B.
Bote Nr. 38 von 1860.
S. 929.
Tirol.
88 ser Länder einzeln, sondern als Kaiser von Oester reich mit seinen deutschen Provinzen dem Bunde bei
trat, so versteht sich wohl von selbst, daß diese Gleich stellung der christlichen Bekenntnisse jedenfalls auf alle
deutschen Länder Oesterreichs unter sich Anwendung es kann also selbst nach dieser beschränkten
finde;
Auslegung nicht dem mindesten Zweifel unterliegen,
daß den Protestanten der deutsch-österreichischen Kren länder schon vermöge des Art. 16 die
Erwerbung
von Grund und Boden in Tirol, die Gleichstellung mit
den
Katholiken
nicht verweigert werden
d ürfe. Obwohl damit die Frage der Ansäßigmachung
eigentlich zu Gunsten der Protestanten — auch der aus
ländischen — entschieden wäre, können wir dieser Auf
fassung doch nicht beistimmen, und müssen schon nach den Grundsätzen der natürlichen Logik dem Art. 16
einen weiteren Sinn und eine allgemeinere Bedeutung vindiziren.
Man mag von der deutschen Dundesakte
und ihrer nachherigen Handhabung halten was man
will, so wird man doch zugeben, daß die Absicht der
Contrahenten und ihr leitender Gedanke dahin ging, um die Länder und Völker deutscher Zunge ein ein-
89
heitliches Band zu schlingen.
Das Prinzip der Ge
genseitigkeit muß daher allen ihren Bestimmungen zu
Grunde liegen.
Hätte die Zusicherung des Art. 16
nur auf die Unterthanen im eigenen Lande Bezug,
so wäre, abgesehen von der Textirung, die ganz all
gemein „von den Ländern und Gebieten des deutschen Bundes" spricht, nicht wohl erklärbar, wie eine solche
Bestimmung, die dann lediglich eine innere Hausan gelegenheit jedes Staates geblieben wäre, mit solchem Nachdruck Eingang in die deutsche Bundesakte ge funden hätte. Diese unsere Auffassung wird bestätigt durch die
Norm vom 2. März 1820 über die Freizügigkeit in nerhalb des deutschen Bundes.
Darin ist ausdrück
lich ausgesprochen, daß diese Freizügigkeit „auf dem Prinzipe einer unter den deutschen Bundesstaaten ge
genseitig geltenden Gleichstellung des Ausländers mit
dem Inländer beruhe". Diese Gegenseitigkeit, diese Gleichstellung des Ausländers mit
dem Inländer ohne Unterschied des Be kenntnisses ist also, wir wiederholen es, das
Prinzip der deutschen Bundesakte.
Ob man
demselben allseitig nachkam, ist eine Frage, die mit
90
der Auslegung nichts zu schaffen hat. Iliacos intra muros peccatur et extra. Auch ist damit keines wegs gesagt, daß die Staaten jeden Ausländer ohne Weiteres an- und anfnehmen mußten. Niemanden wird es beifallen, den Regierungen das Recht abzu sprechen, gewisse Nachweisungen z. B. über Subsi stenzmittel, Leumund, geleistete Militärpflicht u. s. w. zu fordern, nur die Verschiedenheit des christ lichen Bekenntnisses kaun nach Art. 16 kein Ausschließungsgruud sein; ex titulo confcssionis wird dein Einen unter sonst gleichen Verhält nissen nicht versagt werden dürfen, was man dem Andern gewährt. Wie wäre es auch sonst erklärbar, daß in den zahlreichen Freizügigkeitsverträgen, die das in seinen deutschen Provinzen überwiegend katholische Oesterreich mit vorherrschend protestantischen Staaten abschloß, nirgends des religiösen Bekenntnisses er wähnt, nirgends eine Ausnahme für Tirol stipulirt wurde?
Wäre selbst im Jnlande die Gleichberechtigung der eigenen Unterthanen aufrichtig und rückhaltslos, wenn dem Protestanten blos seines Bekenntnisses we-
91 gen der Eintritt verwehrt, und dieses gleichsam als
staatsgefährlich gebrandmarkt würde? Erklärt Art. 16 der Bundesakte die verschiede
nen christlichen Bekenntnisse für gleichberechtigt, so
sichert Art. 18 lit. a den Unterthanen der deutschen Bundesstaaten ausdrücklich das Recht zu: »Grund»
eigeuthum außerhalb des Staates, den sie bewohnen,
zu erwerben und zu besitzen,
ohne deshalb in dem fremden Staate mehrernAbgaben unterworfen zu sein, als des
sen eigene Unterthanen».
Auch dieser Stelle versuchte man die sonderbare
Deutung zu geben, als enthielte sic lediglich die Ver pflichtung, den fremden Grundbesitzer mit keinen hö
heren Abgaben zu belasten, als den einheimischen; die Kaufsbewilligung selbst bleibe ganz dem Ermessen der Territorialhoheit anheimgestellt, die sie dem Aus länder, nicht etwa nach den auch für den Inländer giltigen Gesetzen — bei denen die Religionsverschie
denheit keinen Unterschied begründen würde — son dern ganz nach Belieben auch blos der Religions
verschiedenheit wegen verweigern könne. Zur Wider legung dieser Deutung genügt es wohl darauf hin-
92
zuweisen,
daß die österreichische Regierung in einer
erläuternden
Verordnung auf Grund des Art.
18
lit. a den Angehörigen deutscher Bundesstaaten aus drücklich nicht etwa blos gleiche Belastung, sondern
die ungehinderte Erwerbung von Grundbesitz und zwar auch in Tirol zugestandcu hat.
Mit Hofdccret vom 14. April 1825 wurde näm
lich dem Tiroler Gubcrnium Folgendes bedeutet:
--Vermöge
der deutschen Bnndesakte
sind
die
verbündeten Fürsten und freien Städte Deutschlands
übcreingekommen den Unterthanen der deutschen Bun
desstaaten das Recht zuzusichern:
Grundeigenthum
außerhalb des Staates, den sie bewohnen, zu erwer
ben und zu besitzen,
ohne deshalb in dem fremden
Staate mchrcrn Abgaben und Lasten unterworfen zu
sein, als dessen eigene Unterthanen.
Nun hatte sich gelegentlich dieFrage er hoben, ob der Unterthan eines andern deut schen Bundesstaates in denjenigen Theilen
der österreichischen Monarchie, welche ver
möge des a. h. Patentes vom 2. März 1820 zum deutschen Bunde gehören, ein Rustikal gut besitzen könne.
Weil nun dießfallö kein
93 Zweifel obwaltet, so wird das Gubernium angewiesen, in etwa vorkommenden derlei
Fällen der
vorgedachten Bestimmung der
deutschen Bundesakte
ohne alle Beschrän
kung Folge zu geben». Das Gesagte wird hinreichen, auch den bedenk lichsten Leser zu überzeugen, daß schon durch die Art.
16 und 18 der Bundesakte den deutschen Protestanten
die ungehinderte Erwerbung von Grundbesitz in Tirol gewährleistet wurde.
XV. In der Proposition der
Wiener bischöflichen
Versammlung vom 16. Juni 1849 an die Staats
regierung heißt es unter Anderem: „Die tirolischen Bischöfe sprechen die dringende Bitte aus, Seine
Majestät wolle den Nichtkatholiken, welche bisher in Tirol eine gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft
nicht bildeten, auch fernerhin wenigstens die öffent liche Religionsübung nicht gestatten, und berufen sich
dafür ans den einmüthigen Wunsch des Volkes, auf die eigenthümliche Stellung des Landes, auf die Ge
fahren, welche die Neuerung bereiten könnte.
Die
versammelten Bischöfe erkennen die Bedeutung der Hindernisse, mit welchen die Erfüllung dieses Wun
sches zu kämpfen hat; doch glauben sie, daß Ver ordnungen, welche mit Rücksicht auf die Forderungen der Staatsklugheit erlassen wurden, aus wichtigen
95 Gründen der Staatsklugheit eine Ausnahme erfahren
können.
Daher folgen sic dem Drange ihres Her
zens und unterstützen die Bitte ihrer tirolischen Amts brüder aufs angelegentlichste--.
Klingt in dieser Bitte nicht schon zugleich Ver-
zichtlcistung auf ihre Gewährung mit? Nicht die Ansäßigmachung, — davon ist gar keine Rede,
Ausübung
nur die
eines fremden Cultus wünscht man zu
hindern, und selbst hiebei verkennt man nicht die Be deutung der Hindernisse, man beruft sich nicht etrva
auf unantastbare Rechte des Katholicismus und der
Kirche, sondern auf Gründe der Staatsklugheit, man unterstützt zwar die Petition der tirolischen Amts
brüder auf das angelegentlichste, aber mehr nur aus Collegialität, ohne sie zur eigenen Sache zu machen,
wie einen
frommen Wunsch, dessen Erfüllung man
selbst für unmöglich hält. In der That,
welche Gründe von Staatsklug
heit könnten wohl eine Ausnahme von den allgemei
nen Reichsgrundsätzen für Tirol rechtfertigen? Doch nicht etwa die Voraussetzungen und Besorgnisse, die wir eben kennen lernten? Das erste und heiligste Prinzip jeder wahren Staatsklugheit ist:
»Gleiches Recht
96
für Alle « *). In einem Staate, der an dem Grund sätze unverbrüchlich festhält,
daß gleichen Pflichten
auch gleiche Rechte entsprechen müssen, in dem jeder
Bürger vor dem Gesetze gleich ist, bedarf es keines
Schaukelshstems, keiner Concessionen an diese oder jene Parthei, die Gerechtigkeit wird selbst für ein ge
ringeres Maß politischer Freiheit entschädigen. Oesterreich, ein Staat, in dem mehr als 7 Mil
lionen Akatholikcn leben, beseelt von der gleichen Treue, dem gleichen Pflichtgefühl und der gleichen Opferbe
reitwilligkeit wie die Katholiken, soll denselben eines der ersten bürgerlichen Rechte, das der Freizügigkeit beschränken, es soll um ängstliche Befürchtungen einer Partei im kleinen Tirol, das kaum 900,000 Ein-
*) Dieses Rechtsbewußtsein war es, das selbst die Eng länder, diese erbitterten Feinde des Papstthums, zwang, die Ansprüche der Katholiken in der Emancipationöbill anzuerkennen.
Sollen wir uns von dem vielgeschmähten Krämer volke, das sicher mehr Ursache hatte die Fortschritte des
Katholicismus zu furchten, als wir jene des Protestan tismus, beschämen lassen?
97 wohner zählt, zu beschwichtigen, um sich die zweifelhaften Sympathien einiger Wortführer zu sichern, viele Mil
lionen loyaler Bürger der andern Provinzen in ihren Rechten verkürzen, in ihren religiösen Gefühlen kranken!
Oesterreich, ein Staat, der die verschiedensten Nationalitäten uulschließt, bedarf mehr als jeder an dere eines einigenden Bandes. Freizügigkeit ist ein
solches Band, sie gleicht die Gegensätze aus, sie ver
mittelt die Annäherung der verschiedenen Stäuune und lehrt sie, sich als gleichberechtigte Glieder eines Reiches fühlen.
Kann man Oesterreich im Ernste
rathen zwischen seinen Kronländeru eine Zollschranke
des Glaubens zu errichten? Die einsichtsvollsten Staatsmänner, die wärm sten Patrioten, ja selbst die eifrigsten Katholiken drin
gen seit Jahren immer und immer wieder auf iuui-
gen Anschluß an Deutschland. Es ist nur Eine Stimme unter allen Völkern deutscher Zunge des In- und Auslandes — und Tirol fehlt nicht dabei —
daß Oesterreich mit Deutschland Zusammengehen müsse,
daß deutsche Bildung und Gesittung die Grundbe dingung, das kräftigende Element unseres Volksuud Staatölebens sei, daß mau nur dadurch beii GeProlestanlensrage.
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98 fahren begegnen könne,
die sich im Nord und West
drohend um unser Baterland aufthürmen. Selbst die stolzesten Vergötterer ihres Landes, die
eifersüchtigsten Wächter nationaler Selbstständigkeit und Unabhängigkeit, die heißblütigen Magyaren anerkannten
im Reichsrathe den wohlthätigen Einfluß deutscher Cul
tur; und wessen Herz schlug nicht rascher, wer stimmte
nicht freudig ein in den endlosen Jubel, als unser
Kaiser in der Festrede zu Salzburg mit erhabenen Worten der Einheit und Berbrüderung deutscher Für sten und Völker gedachte!
sterung gegenüber
Wie kann solcher Begei
eine deutsche Stimme
es wagen
Oesterreich zu warnen vor den Sympathien Tirols mit Deutschland, und ihm aus Staatsklugheit zu ra
then sich dem deutschen Bunde mehr und mehr zu
entfremden, und der großen Mehrzahl der Deutschen einen Theil seiner Länder zu verschließen!
Während jede
Nation ihre Elemente an sich zu ziehen, sich zu kräf tigen strebt, sollen wir unsere deutschen Brüder von
uns weisen!
Während man Bundesschntz für Tirol
fordert, will man die Bundesangehörigen über die
Grenze schaffen! Beklage man noch so sehr die politische und re-
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ligiöse Zerfahrenheit Deutschlands, das bleibt fest:
der Kern des Volkes ist gesund, frischer und unver dorbener als der irgend einer andern Nation.
Von
Deutschland droht dem Lande Tirol und dem Kaiser
reiche teilte Gefahr; ja gerade für Tirol, die äußerste
Grenzmark, ist der rückhaltslose Anschluß an Deutsch
land, die Beseitigung aller Schranken des geistigen und materiellen Verkehrs eine Lebensfrage von ein
greifendster Bedeutung. Wer das Vordringen des romanischen Elements
im Süden, der Eisak und Etsch entlang, seit einer Reihe von Jahren aufmerksam verfolgte,
wer sah
wie die Wälschen unsere Wälder entholzten, wie sie in Handel und Gewerbe, bei Bauten und im Tag
werke allüberall sich vordrängten und die Oberhand
gewannen, der kann doch keinen Augenblick im Zwei
fel sein, daß die Schwächung unseres Bauernstandes und des Volkscharakters, die Gefahr einer Demora lisation, wenigstens für den deutschen Süden, in der zunehmenden Verwälschung, und nicht in der Ansied
lung deutscher Protestanten liege. Der Deutsche hält Haus und Hof zusammen, seine Bewirthschaftung ist
eine weit rationellere als die des Italieners, der das 7*
100 ausgenützte Gut einer Schaar Wätscher Nachzügler überläßt.
Man schaue sich die schwarzen Hütten, die
verwahrlosten Felder, die zerlumpten Gestalten an in den wälschen Besitzungen zu Vilpian, Burgstall und
Gargazon, und man wird unserenAusspruch gerechtfertigt
finden. Es handelt sich hier nicht um schuödenGeldgewinn,
uicht darum, daß man um des materiellen Vortheils willen sein und seiner Kinder Seelenheil preisgebe, sondern um Schutz und Kräftigung deutscher Sitte, um He
bung des Wohlstandes, der nie ohne Rückwirkung auf die Sittlichkeit bleibt. Deutsche Ansiedler, seien es
Katholiken oder Protestanten, können nur willkommen sein und ihre Ausschließung wird sich von dem Stand punkte einer gerechten und gesunden Politik nie und
nimmer rechtfertigen lassen.
Zudem unterschätzt man die Schwierigkeiten, auf
die eine konsequente Durchführung dieser Maßregel stoßen, die Verlegenheiten, die sie der Regierung be
reiten würde. Man denke sich z. B., es handle sich um eine
Conzession zu einem Bergwerk, einem Eisenbahnbau, oder irgend einer andern ausgedehnteren Unterneh
mung; soll und kann sich da die Regierung die Hände
101 binden und an der Bedingung festhalten, daß sich un ter den Conzessionären kein Protestant befinde, oder
von diesem zuerst einen Revers abfordern, ja kein
Fleckchen Grund zu kaufen, kein Bahnwärterhäuschen,
keine Restauration, keine Geschäftöwohnung zu bauen? Wie soll z. B. die Gewerbssreiheit zur Wahrheit werden, wenn keinem Gewerbtreibenden aus deu sieben
Millionen Akatholiken gestattet würde, sich in Tirol ein Etablissement zu gründen? Solcher Conflikte gäbe es zahllose, denn die For
derung der Ausschließung der Protestanten steht mit dem Geiste unserer ganzen Gesetzgebung im Widersprüche.
Gelänge es auch ihnen einige
Zeit hindurch vorzubeugeu, so würden sie doch immer
von neuem auftauchen, und der Aulaß fortwährender Reklamationen, Anfeindungen und Aufregungen sein.
Die Berührung mit Akatholiken könnte bei der
Lebhaftigkeit des gegenseitigen Verkehrs doch nicht vermieden werden, und man hätte am Ende nichts
gewonnen, als den Borwurf eigensinniger Uuduldsamkeit.
XVI.
Wir sind nun am Schlüsse unserer kurzen Er örterung angetangt.
Wir haben im Laufe derselben
gezeigt, daß die Ansaßigmachung der Akatholiken nicht
eine religiöse, sondern eine politische Frage sei; wir haben nachgewiesen, daß nach Recht und Gesetz, wie selbe seither in Kraft bestanden, die Erwerbung von
Grundbesitz den Akatholiken auch in Tirol hätte ge stattet werden müssen; wir haben die Einwendungen, die man dagegen erhebt, zu widerlegen, die Besorg
nisse, die man daran knüpft, ans ihr richtiges Maß zurückzuführen versucht.
Wir glauben dargethan zu
haben, daß die Ausschließung der Akatholiken — nicht
nur vom Realbesitze, der die Gemeindezuständigkeit
nicht bedingt und in keiner Weise bedenklich werden kann, sondern auch von der förmlichen Ansiedlung, — weder eine Forderung der katholischen Ge
wissenspflicht,
noch des Rechtes yoch
der
103 Staatskl ugheit sei, ja daß sie vielmehr dem We
sen des Katholicismus, den
Grundprinzipien des
Rechtes und einer wahren Staatsklugheit geradezu
widerstreben würde.
Es ließe sich noch Vieles beifügen, wollten wir
im voraus allen Einwendungen begegnen, die mög
licherweise übertriebene Aengstlichkeit oder kluge Sophistik gegen unsere Beweisführung erheben werden. Manche unserer Worte werden mißdeutet, andere Folgerungen daraus gezogen, ja sogar scheinbare
Widersprüche aufgedeckt werden; allein wir vertrauen auf den gesunden Sinn des Lesers, und auf sein
ruhiges unbefangenes Urtheil, daö sich leicht zurecht
finden wird zwischen der ehrlichen Ueberzeugung des Autors, und den Anschuldigungen einseitiger Partei
leidenschaft. Es sei ferne von uns die freie Berathung be
irren, unsern Landtags-Abgeordneten vorschreiben zu wollen, welches Votum sie in dieser Angelegenheit
abzugeben haben, mögen sie immerhin den Wunsch
aussprechen, daß Tirol katholisch bleibe, und sich ge loben den Glauben der Vater heilig zu halten; man wird diesem Ausdrucke religiösen Gefühles die Ach-
104 hing nicht versagen, wenn damit keine Beeinträchtigung Wenn aber unsere
der Rechte Dritter verbunden ist.
Vertreter diese ihre religiöse Gesinnung durch einen Beschluß bethätigen wollen, der politische Rechte vieler
Millionen von Staatsbürgern beschränkt, so fordern wir,
daß sie wenigstens das Für und Wider reiflich
und vornrtheilsfrei erwägen, daß sie ihrer Ueberzeu
gung folgen, und sich nicht einschüchtern lassen durch
den Fanatismus Einzelner,
die bisher
im blinden
Eifer den Standpunkt der Frage verrückt, die Dis-
cussion derselben als Landesverrat) erklärt, und jedes
besonnene Wort
darüber in
der tirolischen
Presse
unmöglich gemacht haben. Wir wollen hier keine Anklage erheben, aber den Wortführern
dieser Partei möchten wir gerne eine
Mahnung zur Mäßigung zurnfen. Wer sein
Vaterland aufrichtig liebt, der hüte
sich die Gemüther zu erbittern
Leidenschaften aufzuregen; wer vertritt, der soll
und
schlummernde
eine gerechte
Sache
eine Sprache nicht führen, deren
Logik nur in grundlosen Verdächtigungen und An
feindungen beruht;
wer Achtung für seine Ansicht
fordert, darf der redlichen Ueberzeugung seiner Mit-
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bürget keine ehrlosen Motive unterstellen. Persön lichkeiten sind keine Waffe im ehrlichen Kampfe. Deshalb, freundlicher Leser, verarge es uns nicht, wenn wir ungenannt scheiden; "frage nicht lange, wer das gesagt habe, sondern sieh nur immer auf das, was gesagt wurde;« wir ziehen es vor unerkannt zu bleiben, >veil wir weder "nach dem Lobe des Aus landes geizen« noch weniger aber Lust haben unsern ehrlichen Namen im nächsten besten inländischen Win kelblatte besudeln zu lassen. Tirol im September 1860.
Druck von vr. C. W o l f & Sohn.
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