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German Pages 188 Year 2001
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 846
Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG Von
Heike Jochum
Duncker & Humblot · Berlin
HEIKE JOCHUM
Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 846
Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG
Von
Heike Jochum
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Universität des Saarlandes, der Vereinigung der Freunde der Universität des Saarlandes und der Dr. Feldbausch-Stiftung, Saarbrücken
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Jochum, Heike:
Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG / Heike Jochum. - Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 846) Zugl.: Saarbrücken, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10448-X
Alle Rechte vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10448-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Meiner Familie
Geleitwort Es handelt sich bei der vorliegenden Arbeit um eine rechtssystematische und verfassungsrechtliche Untersuchung des von Anfang an höchst umstrittenen postrechtlichen Lizenzversagungsgrundes des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG. Dieser Vorschrift kommt zentrale Bedeutung für den Prozeß der Postprivatisierung zu. Auf Grund der auf den ersten Blick befremdlich wirkenden wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Atypizität der Norm wurden jedoch bereits während des Gesetzgebungsverfahrens zahlreiche verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung vorgebracht. Auch nach dem Inkrafttreten der Vorschrift am 1.1.1998 wurden wiederholt Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Norm geäußert. Gerade angesichts der wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Neuartigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG verdient die mit der vorgelegten Dissertation geleistete Pionierarbeit Anerkennung. Besonders hervorzuheben ist dabei das außergewöhnliche Verständnis, das die Verfasserin für die (wirtschafts-)verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen sowie die ökonomischen und wirtschaftsrechtlichen und nicht zuletzt wettbewerbsrechtlichen Besonderheiten des Postprivatisierungsvorhabens entwickelt. Die Arbeit wurde mit dem jährlichen Stiftungspreis der Dr. Feldbausch-Stiftung (Landau/Pfalz) ausgezeichnet. Besonderer Dank gebührt dem Stifter Herrn Dr. Friedrich Feldbausch für die Förderung von Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur. Getreu seinem Motto „Leistung soll nicht nur gelobt, sondern auch belohnt werden" hat Herr Dr. Feldbausch auch im Rahmen dieses Promotionsvorhabens die Publikation der Arbeit großzügig unterstützt.
Saarbrücken, im Oktober 2000
Professor Dr. Rudolf Wendt
Vorwort Die vorliegende Arbeit hat im Sommersemester 2000 der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes als Dissertation vorgelegen. Die Untersuchung setzt sich im Schwerpunkt mit der Frage auseinander, ob der Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstäben der Berufsfreiheitsgarantie (Art. 12 Abs. 1 GG), des Bestimmtheitsgebotes (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) genügt. Eine europarechtliche Würdigung der Vorschrift erfolgt im Rahmen eines Exkurses. Die Fertigstellung dieser Arbeit gibt mir Gelegenheit, all denen zu danken, die mich bei meinem Vorhaben unterstützt haben. Allen voran gilt mein besonderer Dank meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Rudolf Wendt. Seiner fachlichen Betreuung und seinen wertvollen Hinweisen, mit denen er mir während der Ausarbeitung stets zur Seite stand, verdanke ich viel. Durch Diskussionsbereitschaft, Rat und konstruktive Kritik gelang es ihm immer wieder, den Fortgang der Arbeit zu fördern, ohne den notwendigen gestalterischen Freiraum einzuschränken. Dafür herzlichen Dank. Herrn Prof. Dr. Werner Meng gebührt Dank für die zügige Erstattung des Zweitgutachtens sowie die geschätzten Anregungen hinsichtlich der europarechtlichen Würdigung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG. An dieser Stelle möchte ich es jedoch nicht versäumen, auch meinem verehrten Lehrer, Herrn Landgerichtspräsidenten Dr. Wolfgang Asmus, zu danken. Er legte den Grundstein meiner juristischen Ausbildung. Ohne sein Engagement wäre die vorliegende Arbeit nicht entstanden. Bedanken möchte ich mich schließlich bei all denen, die durch vielfältige Hilfestellungen fachlicher, technischer und persönlicher Art zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Zu nennen sind hier insbesondere Herr Rechtsanwalt Otto H. Faul und Herr Oberstaatsanwalt Norbert Dexheimer. Auch meinen Lehrstuhlkollegen, in deren Mitte ich diese Arbeit anfertigen durfte, sowie der Sekretärin des Lehrstuhls, Frau Gudrun Brückmann, danke ich für die fürsorgliche Unterstützung und ihre ermutigenden Worte. Ganz besonderer Dank gebührt jedoch meiner Familie, die ebenfalls die Anfertigung dieser Arbeit von Beginn an begleitet hat. Die Aufrechterhaltung des „seelischen Gleichgewichts" in allen Phasen der Ausarbeitung ist der Verdienst meiner Familie. Unermüdliche Geduld und liebevolle Rücksichtnahme gaben mir die Ge-
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Vorwort
lassenheit, die notwendig war, diese Arbeit erfolgreich abzuschließen. Auch dafür herzlichen Dank. Die Veröffentlichung der Dissertation wurde von der Vereinigung der Freunde der Universität des Saarlandes großzügig unterstützt. Allen Mitgliedern der Vereinigung und insbesondere Herrn Prof. Dr. Torsten Stein danke ich für diese Förderung sehr herzlich. Heike Jochum
Inhaltsverzeichnis Α. Problemstellung I. Einführung II. Die Deutsche Post AG - Das Unternehmen 1. Allgemeines 2. Geschäftsfelder 3. Marktstellung 4. Mitarbeiter
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen privater und öffentlicher Wirtschaftstätigkeit I. Konzeption des Grundgesetzes II. Grundrechtsfähigkeit der Unternehmen 1. Allgemeines a) Grundrechtsfähigkeit privater Unternehmen b) Grundrechtsfähigkeit öffentlicher Unternehmen 2. Grundrechtsfähigkeit der Deutsche Post AG III. Determinanten und Destination privater und öffentlicher Wirtschaftstätigkeit .... 1. Allgemeines 2. Private Wirtschaftstätigkeit 3. Öffentliche Wirtschaftstätigkeit IV. Monopole 1. Private Monopolbildung 2. Staatliche Monopolbildung V. Privatisierungsmodelle und-motive 1. Privatisierungsmodelle a) Formelle (Organisations-)Privatisierung b) Materielle (Aufgaben-)Privatisierung c) Funktionale Privatisierung d) Vermögensprivatisierung 2. Privatisierungsmotive a) Ordnungspolitische Ziele b) Fiskalische Motive c) Sonstige Motive
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C. Entwicklungen auf dem Postsektor I. Historische Anfänge der Post II. Postreform I (1989) III. Postreform II (1994) IV. Postreform III (1998) 1. Allgemeines 2. Antrag der Fraktion der SPD vom 8.5.1996
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Inhaltsverzeichnis 3. Antrag der Gruppe der PDS vom 26.2.1997 4. Entwurf der Bundesregierung vom 30.5.1997 5. Antrag des Landes Niedersachsen vom 16.5.1997 a) Vorgeschichte des Antrags b) Stellungnahme des Bundesrates c) Gegenäußerung der Bundesregierung 6. Die parlamentarische Diskussion a) Erste Lesung Deutscher Bundestag, 178. Sitzung vom 5.6.1997 b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Post und Telekommunikation vom 7.10.1997 c) Zweite und Dritte Lesung Deutscher Bundestag, 197. Sitzung vom 9.10.1997 d) Beschluß des Bundesrates über die Anrufung des Vermittlungsausschusses vom 17.10.1997 e) Verabschiedung des Postgesetzes am 11.12.1997
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D. Charakter der Lizenz nach §§ 5 ff. PostG I. Allgemeines II. Präventiv verbot mit Erlaubnisvorbehalt III. Bezeichnung als „Lizenz" IV. Art der Erlaubnis 1. Unterscheidung nach dem Genehmigungsgegenstand a) Errichtungsgenehmigung b) Betriebsgenehmigung c) Produktgenehmigung 2. Unterscheidung nach den Genehmigungsvoraussetzungen a) Personalgenehmigung b) Sachgenehmigung c) Gemischte Genehmigung 3. Qualifizierung der Erlaubnis nach §§ 5 ff. PostG
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E. Verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstäbe
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F. Vereinbarkeit des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit Art. 12 Abs. 1 GG I. Allgemeines II. Schutzbereich 1. Sachlicher Schutzbereich 2. Persönlicher Schutzbereich III. Eingriff 1. Allgemeines 2. Bedeutung IV. Rechtfertigung 1. Allgemeines zur „Stufentheorie" a) BVerfGE 7, 377 (Apothekenurteil) b) Kritik an der „Stufentheorie" c) Weiterentwicklung der „Stufentheorie" 2. Zulassungsvoraussetzung oder Ausübungsregelung? a) Objektive Berufszulassungsvoraussetzung
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Inhaltsverzeichnis b) Subjektive Berufszulassungsvoraussetzung 61 c) Berufsausübungsregelung 62 d) Abgrenzung 63 e) Zwischenergebnis 65 3. Legitimes Regelungsziel 65 a) Sicherung sozialer Standards, Eindämmung des Sozialdumpings 66 b) Wettbewerbsregulierung zur Sicherung des PrivatisierungsVorhabens durch Konkurrenzschutz 67 aa) Intention des Gesetzgebers 68 (1) Entwurf der Bundesregierung 68 (2) Antrag des Landes Niedersachsen vom 16.5.1997 69 (3) Die parlamentarische Diskussion 71 (a) Erste Lesung, Deutscher Bundestag, 178. Sitzung vom 5.6.1997 71 (b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Post und Telekommunikation vom 7.10.1997 73 (c) Zweite und Dritte Lesung, Deutscher Bundestag, 197. Sitzung vom 9.10.1997 73 (d) Beschluß des Bundesrates über die Anrufung des Vermittlungsausschusses vom 17.10.1997 74 (e) Bundesratssitzung vom 19.12.1997 75 bb) Die korrespondierende Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG 75 cc) Zweck des Postgesetzes unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Hintergrundes 77 c) Zusammenfassung 80 4. Geeignetheit 81 a) Allgemeines 81 b) Die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG 81 5. Erforderlichkeit 82 a) Allgemeines 82 b) Alternativen 83 aa) Verzicht auf eine dem § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG entsprechende Regelung 83 (1) Telekom AG 84 (2) Postbank AG 86 bb) Statuierung einer Ausübungsregelung 87 cc) Regelung entsprechend dem Zuweisungsmodell mit Ausgleichszahlung bei der Deutsche Bahn AG 89 dd) Subventionierung der Deutsche Post AG 95 (1) Allgemeines zum Begriff der Subvention 95 (2) Subventionsarten 96 (3) Wirkungsweise 96 (4) Zweckwidrigkeit einer „Post-Subventionierung" 97 ee) Einführung einer Bedürfnisprüfung 98 ff) Einführung einer allgemeinen Sozialversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte 99 c) Zusammenfassung 100
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Inhaltsverzeichnis 6. Angemessenheit 100 a) Allgemeines 100 b) Gewährleistungsgehalt des Art. 12 Abs. 1 GG und schutzgutspezifischer Bezug des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG 102 aa) Gewährleistungsgehalt des Art. 12 Abs. 1 GG - Freiheitliche Wirtschaftsordnung nicht ohne Grenzen 102 bb) Schutzgutspezifischer Bezug des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG 104 c) Art und Ausmaß des Eingriffs 105 aa) Wiederherstellung freiheitsrechtlicher Grundpositionen 105 bb) Flexibilität der Reglementierung 106 cc) Finanzieller Ausgleich durch § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG 107 d) Schutzwürdige Güter und Interessen 108 aa) Allgemeinwohlbelange 108 (1) Infrastrukturgewährleistung 108 (2) Gesamteuropäische Verantwortung 109 (3) Fiskalische Interessen 110 bb) Schutzwürdige Individualinteressen 110 (1) Verantwortung gegenüber den Postbeschäftigten 111 (2) Verpflichtung gegenüber der Deutsche Post AG 111 cc) Dringlichkeit 112 e) „Selbsterledigungstendenz" des Lizenzversagungsgrundes 113 7. Zusammenfassung 114
Exkurs: Europarechtliche Würdigung des Lizenzversagungsgrundes §6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG 116 I. Allgemeines 116 II. Die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages 117 1. Die ,»Zweigleisigkeit" der europäischen Wettbewerbsregeln 117 2. Sonderstellung öffentlicher und monopolartiger Unternehmen in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht? 118 III. Die Anwendbarkeit der Vorschriften des EG-Vertrages im Rahmen der Gründung und Situierung der Deutsche Post AG 120 IV. Der Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 86 Abs. 1, 87 Abs. 1 EGV 123 V. Die Vereinbarkeit des Lizenzversagungsgrundes des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit dem Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Art. 98 Satz 2, 4 Abs. 1,86 Abs. 1 EGV) 127 1. Rechtliche oder tatsächliche Verhinderung der Aufgabenerfüllung (Art. 86 Abs. 2 Satz 1 EGV) 129 2. Beeinträchtigung der Entwicklung des Handelsverkehrs (Art. 86 Abs. 2 Satz 2 EGV) 131 Fazit 132 G. Vereinbarkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit Art. 9 Abs. 3 GG 134 H. Vereinbarkeit der Norm mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) I. Allgemeines
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Inhaltsverzeichnis II. Der Bestimmtheitsgrundsatz III. Auslegung der unbestimmten Tatbestandsmerkmale des Lizenzversagungsgrundes §6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG 1. Die „wesentlichen Arbeitsbedingungen" 2. Die „Üblichkeit" 3. Das „nicht unerhebliche Unterschreiten" a) Das Prüfraster der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post aa) Das „Selbständigenprivileg" bb) Die „Kleinbetriebsklausel" cc) Die „80 %-Gesamtarbeitszeitklausel" dd) Gewährung von .Anlaufzeiten" ee) Berücksichtigung besonderer Umstände b) Das Erteilungs- und Kontrollverfahren aa) Die Lizenzerteilung bb) Das Kontrollkonzept cc) Bewertung IV. Zusammenfassung I.
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Vereinbarkeit des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz Art. 3 Abs. 1 GG 150 I. Allgemeines 150 1. Das Verhältnis zu den Freiheitsrechten 150 2. Das Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 GG 153 II. Dogmatische Entwicklung 153 1. Die „Willkürformel" des Bundesverfassungsgerichts 153 2. Formale Kategorien 154 a) Personen-und sachbezogene Differenzierungskriterien 154 b) Die S ach-und Systemgerechtigkeit 155 c) Fallgruppenbildung 157 aa) Typisierung und Pauschalierung 157 bb) Chancengleichheit 157 d) Interne und exteme Zwecke 158 3. Die „neue Formel" des Bundesverfassungsgerichts 159 4. Die weitere Entwicklung 160 a) Einführung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in die Gleichheitsprüfung .. 160 b) Vom Willkürverbot zur verhältnismäßigen Gleichheit - Weiterentwicklung der Rechtsprechung 163 III. Gleichheitsrelevanz 166 IV. Vergleichbarkeit der Gruppen 166 V. Rechtfertigung der Differenzierung 167 1. Im Verhältnis Deutsche Post AG zu ihren Mitbewerbern 167 2. Im Verhältnis der Mitbewerber der Deutsche Post AG zu Unternehmern anderer personalintensiver Branchen 170
Zusammenfassung und Schlußbemerkung Literaturverzeichnis Sachwortverzeichnis
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Α. Problemstellung I. Einführung Das am 1.1.1998 in Kraft getretene Postgesetz (PostG)1 weist mit dem in § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG enthaltenen Lizenzversagungsgrund eine - soweit ersichtlich - vorbildlose Besonderheit2 auf, der intensive Auseinandersetzungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens und insbesondere in der parlamentarischen Diskussion vorausgingen. Die Vereinbarkeit der Norm mit der Verfassung wurde bereits im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens und auch nach dem Inkrafttreten der Vorschrift mehrfach in Frage gestellt. Nach der in letzter Minute in das Postgesetz aufgenommenen Norm ist die Erteilung der begehrten Lizenz zu versagen, wenn: „...Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die im lizenzierten Bereich üblich sind, nicht unerheblich unterschreitet".
Es wurde geltend gemacht, diese für eine wirtschaftsverwaltungsrechtliche Genehmigung höchst ungewöhnliche Regelung verletze die potentiellen Lizenznehmer in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)3. Die Vorschrift sei nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar, da das durch sie statuierte Erfordernis nur von den Konkurrenten 4 der Deutsche Post AG erfüllt werden müsse, während der Deutsche Post AG in § 51 PostG per Gesetz eine Exklusivlizenz erteilt worden sei und § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG insoweit keine Anwendung finde 5. Es wurden Bedenken geäußert, es handele sich um eine unzulässige sektorspezifische Regelung, die eine Materie zum Gegenstand habe, welche der Gesetzgeber ausschließlich im Rahmen der allgemeinen Arbeits- und Sozialgesetzgebung behandeln dürfe 6. 1
Gesetz vom 22.12.1997, BGB1.I, S.3294. Thomas von Danwitz, Alternative Zustelldienste und Liberalisierung des Postwesens: Europa-, Kartell- und wirtschaftsverwaltungsrechtliche Grundfragen der gestuften Liberalisierung des Postwesens, Köln 1999, S. 114. 3 Matthias Ruffert, Regulierung im System des Verwaltungsrechts, AöR 124 (1999), 237 2
(268). 4 Per 30.6.1999 waren 602 Lizenzen beantragt und davon 387 Lizenzen erteilt worden, vgl. Postmarkt im Jahre 1999 - Halbjahresbericht der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 1999, S. 5 ff. 5 Ludwig Grämlich, Ende Gut, alles gut? - Anmerkungen zum neuen Postgesetz; NJW 1998, 866 (869). 6 F.D.P. Bundestagsfraktion, Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Post und Telekommunikation vom 7.10.1997, BT-Drucks. 13/8702, S.35; Dr.Max Stadler (F. D.P.),
2 Jochum
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Α. Problemstellung
Diese verfassungsrechtlichen Bedenken sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Die Frage, ob der Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG trotz seiner auf den ersten Blick befremdlich wirkenden „wirtschafts-verwaltungsrechtlichen Atypischkeit" 7 den Anforderungen der Verfassung genügt, bedarf der Klärung. Diese erfordert zunächst eine Betrachtung des den Regelungskomplex Postgesetz bestimmenden Gegenstandes - des Unternehmens Deutsche Post AG - und der ihn umgebenden Rahmenbedingungen.
I I . Die Deutsche Post AG - Das Unternehmen 1. Allgemeines Die Deutsche Post AG wurde am 1.1.1995 als Nachfolgeunternehmen des Staatsunternehmens Deutsche Bundespost POSTDIENST gegründet8. Zeitgleich erfolgte eine grundsätzliche Öffnung der bisherigen Monopolbereiche für Mitbewerber. Das Unternehmensumfeld der Deutsche Post AG erfuhr, nicht zuletzt auf Grund der zunehmenden Globalisierung der Postmärkte wie auch durch die zunehmende Substitution traditioneller Postsendungen durch elektronische Kommunikationsmedien wie Fax, E-Mail und EDI, einen tiefgreifenden Wandel9. Der Deutsche Post AG gelang durch konsequente strategische Neuausrichtung hin zu einem markt- und ertragsorientierten Unternehmen der erfolgreiche Start in die neue Selbständigkeit. Trotz der erheblich gewachsenen Wettbewerbsintensität und des schwierigen konjunkturellen Umfelds stiegen die Gesamterträge (Umsatzerlöse und sonstige Erträge) der Aktiengesellschaft im Geschäftsjahr 1995 um 200 Millionen D M auf 28,6 Milliarden DM. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit wuchs auf 282 Millionen D M und konnte in den folgenden Jahren stetig und in beachtlichen Dimensionen verbessert werden. Im Geschäftsjahr 1996 erfolgte eine Steigerung auf 643 Millionen DM, im Jahr 1997 eine solche auf 758 Millionen DM, und im Jahr 1998 wurde ein Spitzen wert von 1.276 Millionen D M erreicht 10. Die Anteile am Gesellschaftsvermögen befinden sich zu 100% in der Hand des Bundes11. Deutscher Bundestag, 197. Sitzung vom 9.10.1997, Plenarprotokoll 13/197, S. 17789; Grämlich, NJW 1998, 866 (869). 7 Grämlich, NJW 1998, 866 (869). 8 Siehe zum Ganzen: Geschäftsberichte der Deutsche Post AG 1995,1996, 1997, 1998. 9 Jürgen Basedow, in: Das neue Wirtschaftsrecht der Postdienste, Heidelberg 1995, Einleitung S. V; Sabine Neu, Marktöffnung im nationalen und internationalen Postwesen: Der Deregulierungszwang des Europäischen Gemeinschaftsrechts, Diss. München 1999, S.4ff. 10 Geschäftsbericht der Deutsche Post AG 1998, Mehrjahresübersicht Konzern. 11 Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat am 21.12.1999 vom Bund, vertreten durch die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation, 50% minus eine Aktie des Grundkapitals der Deutsche Post AG übernommen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau gehört jedoch ebenfalls überwiegend zum Vermögen des Bundes und zu einem geringen Teil zum Vermögen der
II. Die Deutsche Post AG
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2. Geschäftsfelder Den mit Abstand größten Anteil am Umsatz, aber auch einen besonders großen Anteil am Umsatzzuwachs, hatte die Sparte Briefpost. Exemplarisch sei das Geschäftsjahr 1995 genannt. Der Umsatz in dieser Sparte belief sich auf ^ ^ M i l liarden DM, während die Umsätze in der Sparte Frachtpost lediglich 3,4 Milliarden D M erreichten. Entsprechend wurde mit dem Aufbau eines neuen Frachtpostsystems (33 hochmoderne Frachtpostzentren mit optimierter Transportlogistik) begonnen. Der umsatzstärkste Bereich der Briefpost wurde dennoch in dem Konzept der Neuausrichtung des Unternehmens nicht ausgespart. Auch hier wurde mit dem Aufbau eines neuen Produktionssystems („Brief 2000") begonnen. 83 Briefzentren sollen Gewähr für eine schnelle, sichere und kostengünstige Beförderung bieten12. Gegenstand der Neuausrichtung war weiter die Optimierung und Modernisierung des Postfilialnetzes sowie die Verbesserung der Sparte Internationale Post. Ausgehend von den vorhandenen Stärken der Post in den Bereichen Transport, Logistik und Kommunikation wurden Produkte und Dienstleistungen zur Erschließung neuer Geschäftsfelder vorbereitet. Die Strategie des Unternehmens ist auf Internationalisierung durch den Ausbau des europäischen und internationalen Distributionsnetzes, Ausbau der Mehrwertlogistik durch das Angebot umfassender Logistiklösungen und Erweiterung der Produktbasis durch „ganzheitliche Komplettlösungen aus einer Hand" in den Bereichen Paket, Express und Logistik gerichtet.
3. Marktstellung Die Deutsche Post AG ist als einziger Anbieter eines vollständigen Produktportfolios der Briefkommunikation auf dem Weg zum international führenden Briefkommunikations- und Logistikkonzern. In der Sparte Paket, Express, Logistik präsentiert sich die Deutsche Post AG als Marktführer. Die Position des Unternehmens am Markt gewinnt insbesondere durch zunehmende globale Präsenz an Gewicht. Besondere Erwähnung verdienen in diesem Zusammenhang das Joint Venture mit Securicor in Großbritannien/Irland, der Aufbau von Quickstep in Tschechien, die Übernahme von ΜΓΓ in Italien und Ducros Services Rapides in Frankreich, die Beteiligung am weltweiten Marktführer in Expressleistungen DHL und der Erwerb des US-amerikanischen Briefunternehmens Global Mail. Der Trend zur Ausweitung der globalen Präsenz setzt sich ungebrochen fort. Im Dezember 1998 erfolgte ein Kaufangebot an den Schweizer Logistikkonzern DANZAS 13 , das 1999 zur ÜberLänder (Presseinformation der Kreditanstalt für Wiederaufbau vom 23.12.1999; Handelsblatt vom 24./25.12.1999, S.3). 12 Geschäftsbericht der Deutsche Post AG 1995, Vorwort des Vorstandes, Lagebericht. 13 Geschäftsbericht der Deutsche Post AG 1998, Vorwort des Vorstandes, Meilensteine 1998. 2*
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Α. Problemstellung
nähme des schweizerischen Konzerns führte. Auf dem Markt der postalischen Dienste treten der Deutsche Post AG inzwischen mehr als 40.000 weitere Anbieter 14, darunter namentlich die Unternehmen DPD (1998 mit 170 Millionen Paketen zweitgrößter Paketversender Deutschlands), United Parcel Service Deutschland, Federal Express Europe und German Parcel Paket Logistik GmbH entgegen15.
4. Mitarbeiter Im Jahresdurchschnitt des Geschäftsjahres 1995 beschäftigte die Deutsche Post AG 314.905 Mitarbeiter, davon 127.650 Beamte. Damit ist die Deutsche Post AG ein am - ohnehin immer stärker unter Druck geratenden - deutschen und europäischen Arbeitsmarkt bedeutender Arbeitgeber 16. Mit der grundlegenden Neuausrichtung des Unternehmens von der vormaligen Behörde Deutsche Bundespost, mit einem hochdefizitären Postdienst, hin zu einem profitabel arbeitenden Wirtschaftsunternehmen war ein unvermeidbarer Stellenabbau verbunden. Dessen ungeachtet waren im Jahresdurchschnitt 1998 immer noch 263.342 Beschäftigte, davon 92.000 Beamte, zu verzeichnen. Die Personalpolitik der Deutsche Post AG ist von drei Aufgabenschwerpunkten geprägt: - Die Verbesserung der Personalkostenstrukturen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu steigern. - Die sozialverträgliche Anpassung des Personalbestandes an den Bedarf. - Die Flexibilisierung der Arbeitszeitgestaltung. Dabei stellt sich das Vorhaben, die Personalkostenstrukturen im Interesse einer gesteigerten Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu verbessern, als schwieriges Unterfangen dar. Die Personalkostenstruktur des Unternehmens wird auf Grund des hohen Anteils verbeamteter Mitarbeiter in bedeutendem Umfang durch zwingende beamtenrechtliche Vorgaben bestimmt. Aber auch hinsichtlich der nicht beamteten Mitarbeiter steht die Personalkostenstruktur nicht zur freien Disposition der Unternehmensführung. Vielmehr sind hier umfangreiche tarifrechtliche Bindungen zu beachten. Die nicht beamteten Mitarbeiter standen überwiegend als Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst der Deutschen Bundespost. Für sie galten die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) 17 . Im Rah14 Heinz Berger/Peter Knauth, Zur Notwendigkeit einer Änderung des Ordnungsrahmens im Postsektor, in: Liberalisierung und Regulierung der Postmärkte, München u.a. 1996, S. 17. 15 „Paketdienste öffnen eigene Filialen in der Pfalz", Die Rheinpfalz vom 16.1.1998. 16 Neu, Marktöffnung im nationalen und internationalen Postwesen: Der Deregulierungszwang des Europäischen Gemeinschaftsrechts, Diss. München 1999, S.6ff. 17 Bundes-Angestelltentarifvertrag (Bund, Länder, Gemeinden) vom 23.2.1961 geändert durch spätere Tarifverträge.
II. Die Deutsche Post AG
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men des Umwandlungsprozesses wurden bereits am 18.8.1994 entsprechende tarifvertragliche Regelungen zwischen der Deutschen Postgewerkschaft und dem Vorstand der ehemaligen Deutsche Bundespost POSTDIENST vereinbart 18, die mit Eintragung des Nachfolgeunternehmens Deutsche Post AG in das Handelsregister in Kraft traten 19. Die tarifrechtlichen Bindungen der Deutsche Post AG unterscheiden sich daher inhaltlich nicht wesentlich von denen des Vorgängerunternehmens Deutsche Bundespost POSTDIENST. Die Verbesserung der Personalkostenstruktur ist aus diesem Grund nur eingeschränkt möglich. Soweit beamtenrechtlich zwingende Vorgaben nicht entgegenstehen, setzen Veränderungen der Personalkostenstruktur (z.B. die Einführung leistungsabhängiger Vergütungssysteme) eine häufig nur nach langwierigen Verhandlungen zu erzielende Einigung der Tarifvertragsparteien voraus 20. Der Verbesserung der Personalkostenstruktur und der Senkung der Personalkosten kommt jedoch im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens Deutsche Post AG herausragende Bedeutung zu. Die Erbringung postalischer Dienste erfordert einen außerordentlich hohen Personaleinsatz. Der Postsektor zählt zu den personalintensiven Dienstleistungsbranchen, vergleichbar der Gastronomie, der Tourismusbranche und dem Einzelhandel. Diesem beträchtlichen Personalbedarf entsprechend finden sich in der betrieblichen Kosten- und Leistungsrechnung auffallend hohe Personalaufwendungen. Die Personalkosten erreichen einen Anteil von bis zu 80% an den Gesamtaufwendungen 21. Die Personalaufwendungen umfassen dabei die Entgelte für geleistete Arbeit sowie die gesetzlichen, tariflichen und freiwilligen Personalzusatzkosten. Auf Grund der personalintensiven Leistungserbringung beeinflussen die in der Bundesrepublik Deutschland sehr hohen und vielfach kritisierten gesetzlichen Personalzusatzkosten22 die Gesamtpersonalkosten des Unternehmens Deutsche Post AG besonders nachhaltig. Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang auch die Belastung der Deutsche Post AG mit immensen Pensionsverpflichtungen, die das Unternehmen als Nachfolger der Deutschen Bundespost gegenüber den vormals bei dem Staatsbetrieb Deutsche Bundespost beschäftigten Beamten übernehmen mußte23. In den 18
Tarifvertrag Nr. 458 vom 18.8.1994, abgedruckt bei Helmut Fangmann u.a., Telekommunikations- und Postrecht, Kommentar und alle neuen Rechtsvorschriften, 2. Aufl., Neuwied u.a. 1996, S. 659 ff. 19 § 13 Abs. 2 des Tarifvertrages Nr. 458 vom 18.8.1994. 20 Zur Tarifpolitik der Deutsche Post AG vgl. Wilhelm Walgenbach, Tarifpolitik der Deutsche Post AG auf neuen Wegen, ZTR 1998,481. 21 Heinrich Hofmann, Produktions- und Angebotsstrukturen im Postsektor, in: Liberalisierung und Regulierung der Postmärkte, München u. a. 1996, S. 125; Helmut Gröner!Andreas Knorr, Lizenzierung als Instrument der Marktöffnung, in: Liberalisierung und Regulierung der Postmärkte, München u. a. 1996, S. 232; Geschäftsbericht der Deutsche Post AG 1998, Mehrjahresübersicht Konzern. 22 Im Jahr 1996 entfielen vom Gesamtwert der durchschnittlichen Arbeitskosten je Mitarbeiter rund 44.200,-DM auf das Entgelt für geleistete Arbeit und ca. 35.500,-DM auf Personalzusatzkosten. Quelle: Handelsblatt vom 15.12.1998. 23 Ferdinand Kirchhof, Schuldübergang und Haftung bei der Privatisierung der Postunternehmen, NVwZ 1994, 1041 ff.
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Α. Problemstellung
Jahren 1995-1999 waren Zahlungen in Höhe von jährlich 4 Milliarden DM aufzubringen (§16 Abs. 1 Spiegelstrich 1 Postpersonalrechtsrahmengesetz - PostPersRG24). In den folgenden Jahren werden jeweils 33 % der Bruttobezüge der aktiven Beamten und der fiktiven Bruttobezüge der beurlaubten Beamten zu leisten sein (§ 16 Abs. 2 PostPersRG). Die weitere personalpolitische Zielsetzung des Unternehmens, den Personalbestand bedarfsorientiert und somit kostensparend anzupassen, ist im Rahmen der beam ten- und tarifrechtlichen Bindungen des Unternehmens ebenfalls nur eingeschränkt möglich. Eine Reduzierung des Personalbestandes ist fast ausschließlich im Rahmen der „natürlichen Fluktuation" realisierbar. Die beamten- und tarifrechtlichen Bindungen des Unternehmens erschweren ebenso die personalpolitischen Bestrebungen hinsichtlich der Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle. Eine solche Flexibilisierung könnte auf Grund optimierter Kapazitätsauslastung zu einer Senkung der Personalkosten und einer Produktivitätssteigerung führen. Trotz der traditionellen Vorgaben konnten hier in der jüngeren Vergangenheit jedoch bereits erste Erfolge erzielt werden. Im Geschäftsjahr 1998 wurde nach Einigung der Tarifparteien ein flexibles Arbeitszeitmodell eingeführt, das dem Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, auf schwankende Kundennachfrage und andere betriebliche Erfordernisse mit flexiblem Personaleinsatz zu reagieren. Für die bei der Gesellschaft beschäftigten Beamten wurde die Möglichkeit geschaffen, die Teilzeitbeschäftigung und die Altersteilzeit in erhöhtem Umfang in Anspruch zu nehmen. Dadurch soll das Unternehmen die für eine mittel- und langfristige Personalpolitik notwendige personalwirtschaftliche Flexibilität erlangen25. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß das Unternehmen Deutsche Post AG in den Jahren unmittelbar nach der Gründung mit außerordentlich hohen Personalkosten belastet war, die zum einen aus der Personalintensität der Leistungserbringung resultieren und zum anderen auf den hohen Personalzusatzkosten beruhen. Eine Kostenreduzierung mittels der Verbesserung der Personalkostenstruktur, der Verringerung des Personalbestandes und der Flexibilisierung der Arbeitszeiten ist auf Grund umfangreicher und zum überwiegenden Teil historisch bedingter Bindungen nur eingeschränkt möglich. Die nationale wie auch internationale Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens Deutsche Post AG wird durch diese Situation schwerwiegend und nachhaltig beeinträchtigt.
24
Gesetz zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren deutschen Bundespost (Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG) - verkündet als Art. 3 des Postneuordnungsgesetzes (PTNeuOG) vom 14.9.1994, BGB1.I, S.2325. 25 Geschäftsbericht der Deutsche Post AG 1998, Untemehmensprofil 1998, Mitarbeiter.
Β. Verfassungsrechtliche Grundlagen privater und öffentlicher Wirtschaftstätigkeit Entsprechend der verfassungsrechtlichen Anordnung des Art. 87 f Abs. 2 GG sind Postdienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeit zu erbringen. Die Deutsche Post AG ist bereits auf Grund ihrer Rechtsform als juristische Person des privaten Rechts grundsätzlich der privaten Wirtschaftstätigkeit verpflichtet. Dennoch ist der Marktbereich der postalischen Dienste geprägt von der jahrzehntelang dominierenden Rolle des öffentlich-rechtlichen Staatsbetriebes Deutsche Bundespost. Durch die Umwandlung des Staatsunternehmens Deutsche Bundespost POSTDIENST in die Deutsche Post AG wurde die Schwelle von der öffentlichen Wirtschaftstätigkeit hin zur privaten Wirtschaftstätigkeit überschritten. Allenfalls im Hinblick auf die Stellung des Bundes als Allein-Anteilseigner könnte man noch von einer staatlichen wirtschaftlichen Eigenbetätigung ausgehen1. Dem ist jedoch die den Motiven zum Grundgesetzänderungsgesetz zu entnehmende Zielsetzung des Gesetzgebers, eine dauerhafte „Entstaatlichung" des Postsektors zu erreichen, entgegenzuhalten2. Wenn somit davon auszugehen ist, daß alleiniger Akteur die Handelsgesellschaft Deutsche Post AG als solche, das heißt als Privatrechtssubjekt ist, so muß doch berücksichtigt werden, daß diesem Wirtschaftsbereich auf Grund der Metamorphose von der öffentlichen, monopolisierten Wirtschaftstätigkeit zur privatwirtschaftlichen Betätigung vielfältige Besonderheiten, die sich als Nachwirkung der Entwicklungsgeschichte verstehen lassen, anhaften. Um die mit diesen Besonderheiten verbundenen Fragen sachgerecht beantworten zu können, erscheint die Betrachtung der verfassungsrechtlichen Grundlagen sowohl der privaten als auch der öffentlichen Wirtschaftstätigkeit notwendig.
I. Konzeption des Grundgesetzes Die Verfassung als freiheitliche Grundordnung ist einer ebenso freiheitlichen, offenen Wirtschaftsordnung verpflichtet 3. Denn eine dezentrale, freiheitlich-plurale und wettbewerblich angelegte Wirtschaftsordnung dient einer optimalen Verwirklichung der freiheitlichen Ziele der Verfassung. Diese „Offenheit" der Wirtschaftsordnung darf jedoch nicht zu der Annahme verleiten, das Grundgesetz leide an einer 1
Ludwig Grämlich, Rechtsschutzprobleme auf den Märkten für Postdienstleistungen, NJW 1996,617 (618). 2 BT-Drucks. 12/6717 vom 1.2.1994, S.4. 3 Zum Ganzen Peter Badura, Grundprobleme des Wirtschaftsverfassungsrechts, JuS 1976, 205 ff.
Β. Verfassungsrechtliche Grundlagen
24
wirtschaftsverfassungsrechtlichen Inhalts- und Entscheidungslosigkeit. Vielmehr ist mit dem Bundesverfassungsgericht 4 davon auszugehen, daß sich der Verfassungsgeber lediglich nicht ausdrücklich für ein bestimmtes Wirtschaftssystem entschieden hat5. Wichtige Koordinaten 6, Marksteine, ja Eckpfeiler 7 zur Begrenzung des dem einfachen Gesetzgeber durch das Grundgesetz vorgezeichneten Rahmens bilden die ökonomisch relevanten Grundrechte, insbesondere die Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 9 Abs. 1 GG, Art. 3 GG, Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 GG. Diese einzelnen Freiheitsgewährleistungen verkörpern in ihrer gegenseitigen Verstärkung und Unterstützung als „interdependentes grundrechtsnormatives Wirkungsgefüge" 8 die objektiv-rechtliche, homogene Wertentscheidung zugunsten der freien wirtschaftlichen Betätigung9. Vergegenwärtigt man sich die Wirkungs- und Ordnungszusammenhänge dieser Grundrechte, so zeichnen sich innerhalb dieses durch das Grundgesetz unabänderlich vorgegebenen Rahmens Funktionsgarantien für ein dezentrales Wirtschaften 10 und damit die Grundentscheidung für die Marktwirtschaft ab. In einer solchen erfolgt die notwendige Koordination der aus der individuellen Planung der einzelnen privaten Haushalte, der Planung der Unternehmen sowie derjenigen des Staates selbst folgenden zahlreichen Einzelpläne durch den Marktpreis, der sich je nach Angebot und Nachfrage bildet 11 . In der den idealtypischen Gegenpol bildenden Zwangswirtschaft erfolgt die Koordination hingegen durch staatlichinterventionistischen Zwang. Die Entscheidung für das Marktmodell beruht im wesentlichen auf zwei Gründen: 4
BVerfGE 4, 7 (17 f); 7, 377 (400); 50, 290 (338). Rudolf Wendt, Das Mitbestimmungsgesetz als Überschreitung der gesetzgeberischen Regelungsbefugnis, NJW 1978, 2369; Manfred Gubelt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Philip Kunig, Band 1, 4. Aufl., München 1992, Art. 12 GG Rdnr. 3; Werner Frotscher, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, 3. Aufl., München 1999, Rdnr. 24 ff. 6 Karl-Heinrich Friauf Unternehmenseigentum und Wirtschaftsverfassung, DöV 1976,624 (625). 7 Rüdiger Breuer, Freiheit des Berufes, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Band VI, Heidelberg 1989, § 147 Rdnr. 19f. 8 Hans H. Rupp, Grundgesetz und irtschaftsverfassung", Tübingen 1974, S.46. 9 Peter J. Tettinger, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 12 GG Rdnr. 178. 10 Rudolf Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, Hamburg 1985, S.261 ff.; ders., Berufsfreiheit als Grundrecht der Arbeit, DöV 1984, 601 (603); Hans-Jürgen Papier, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl., Berlin u. a. 1994, S. 805; Rupert Scholz, Grenzen staatlicher Aktivität unter der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung, in: Der Staatssektor in der sozialen Marktwirtschaft, hrsg. v. Dieter Duwendag, Berlin 1976, S. 113 ff. ; Reiner Schmidt, Staatliche Verantwortung für die Wirtschaft, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Band III, Heidelberg 1988, § 83 Rdnr. 15 ff., 24. 11 Hartwig Hamm, in: Das Deutsche Bundesrecht, 563. Lieferung, Baden-Baden 1986, III A 20, S. 55 ff. 5
II. Grundrechtsfähigkeit der Unternehmen
25
- Zu einer Gesellschaftsordnung westlicher Prägung, die auf persönlicher Freiheit, Eigentum und weitestgehender Beschränkung der Staatsgewalt beruht, paßt die Marktwirtschaft besser als die Zwangswirtschaft. - Nach allen bisherigen Erfahrungen vermag kein zentraler staatlicher Plan die Wirtschaft besser zu lenken, als das die „unsichtbare Hand" des Marktes auf der Grundlage von Angebot und Nachfrage kann.12 Innerhalb dieses - nicht auf ein bestimmtes Wirtschaftssystem beschränkten - Rahmens ist der Gesetzgeber jedoch frei, jede ihm sachgerecht erscheinende Wirtschaftspolitik zu verfolgen. Dadurch soll dem einfachen Gesetzgeber der notwendige Handlungs- und Gestaltungsspielraum eröffnet werden, um flexibel und sachgerecht auf die sich ändernden wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Erfordernisse reagieren zu können. Seiner grundgesetzlichen Bindung an die Grundrechte und die verfassungsmäßige Ordnung (Art. 1 Abs. 3 GG, Art. 20 Abs. 3 GG) hat er dabei stets Rechnung zu tragen.
II. Grundrechtsfähigkeit der Unternehmen 1. Allgemeines Unternehmen können in der Form von Einzelunternehmen und Personengesellschaften, die jeweils unmittelbar auf eine oder mehrere natürliche - und als solche grundrechtsfähige - Person(en) zurückgeführt werden können, oder in Gestalt juristischer Personen geführt werden. Die Verfassung erkennt in Art. 19 Abs. 3 GG grundsätzlich auch inländischen juristischen Personen die Grundrechtsträgerschaft zu. In diesem Rahmen ist primär zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Oiganisationseinheiten zu unterscheiden. Der zweiten Art ist regelmäßig die Grundrechtsfähigkeit zuzuerkennen, während Glieder der Staatsorganisation als solche grundsätzlich grundrechtsunfähig sind. Denn grundrechtsfähig können nur solche Gebilde sein, die sich direkt oder indirekt aus der Grundrechtsfreiheit natürlicher Personen ableiten und deren Handeln aus dem Individualwillen originärer Grundrechtsträger, nicht aber aus dem Willen der staatlich verfaßten Allgemeinheit, fließt 13.
12
Hamm, in: Das Deutsche Bundesrecht, 563. Lfg., 1986, III A 20, S. 55 ff. Josef Isensee, Anwendung der Grundrechte auf juristische Personen, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Band V, Heidelberg 1988, § 118 Rdnr. 5,24; Peter Badura, Die Untemehmensfreiheit der Handelsgesellschaften, DöV 1990, 354 (361); Herbert Bethge, Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen-Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 104 (1979), 56 (73); Wendt, NJW 1978, 2369 (2371); Breuer, in: HdbStR Band VI, § 147 Rdnr. 23. 13
26
Β. Verfassungsrechtliche Grundlagen
a) Grundrechtsfähigkeit
privater Unternehmen
Ist somit eine abstrakte Grundrechtsfähigkeit der juristischen Personen des privaten Rechts anerkannt, so bleibt jedoch die Relativierung durch den Wesensvorbehalt des Art. 19 Abs. 3 GG zu beachten14. Die juristische Person kann sich gegenüber der öffentlichen Gewalt nur auf die Grundrechte berufen, die innerhalb ihres Wirkungskreises liegen. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings die Grundrechte im Hinblick auf juristische Personen des privaten Rechts in weitem Umfang zur Anwendung gebracht 15. Namentlich Art. 12 Abs. 1 GG, der als das „Hauptgrundrecht der freien wirtschaftlichen Betätigung"16 bezeichnet werden kann, ist trotz seiner individualrechtlich-personalen Prägung grundsätzlich auch auf juristische Personen des privaten Rechts anwendbar. Die Anforderung des Art. 19 Abs. 3 GG, daß eine bestimmte Erwerbstätigkeit nach „ihrem Wesen und ihrer Art" in gleicher Weise von einer juristischen wie von einer natürlichen Person ausgeübt werden kann17, dürfte regelmäßig erfüllt sein. Private Unternehmen sind damit, gleich ob als Einzelunternehmen, als Offene Handelsgesellschaft, als Kommanditgesellschaft 18 oder in der Rechtsform einer juristischen Person des privaten Rechts geführt, regelmäßig in ihrer Freiheit, eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit zu ergreifen und wahrzunehmen, durch das Grundgesetz geschützt. b) Grundrechtsfähigkeit
öffentlicher
Unternehmen
Im Gegensatz zu Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person des privaten Rechts steht Unternehmen in Gestalt einer juristischen Person des öffentlichen Rechts die Berufung auf die grundgesetzlich garantierte wirtschaftliche Handlungsfreiheit regelmäßig nicht zu 19 . Dieser grundsätzliche Ausschluß der Grundrechtsberechtigung gilt für alle Erscheinungen der Staatsgewalt, für die hoheitlich handelnde in gleicher Weise wie für die privatrechtsförmige und für die der öffentlichen Aufgabenerfüllung verpflichtete ebenso wie für die fiskalisch-erwerbswirtschaftlich tätige20. 14 Bodo Ρ ieroth!BernhardSchlink, Grundrechte, Staatsrecht III, 15. Aufl., Heidelberg 1999, Rdnr. 142ff. (150). 15 BVerfGE 3,359 (363); 10,89 (99); 21,362 (369-371); 53,366 (386); Hartmut Krüger, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 19 GG Rdnr. 53 m. w. N.; Albert von Mutius, Grundrechtsfähigkeit, Jura 1983, 30 (33f.). 16 Tettinger, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 12 GG Rdnr. 424 m.w.N. 17 BVerfGE 21, 261 (266); 50, 290 (363). 18 BVerfGE 4, 7 (12); 53, 1 (13). 19 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 15. Aufl. 1999, Rdnr. 154ff; vonMutius, Jura 1983, 30 (41); Breuer, in: HdbStR Band VI, § 148 Rdnr. 57. 20 Isensee, in: HdbStR Band V, § 118 Rdnr. 24; Bethge, AöR 104 (1979), 56 (87f., 109).
II. Grundrechtsfähigkeit der Unternehmen
27
Der Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG läßt eine solche Einschränkung nicht erkennen. Danach umfaßt die Norm sowohl die juristischen Personen des privaten wie auch des öffentlichen Rechts. Die grundsätzliche Versagung des Grundrechtsschutzes beruht vielmehr auf der Erwägung, daß die öffentlichen Unternehmen nicht in Ausübung von Freiheitsrechten, sondern auf Grund einer Kompetenzeinräumung tätig werden und deshalb die Grundrechte schon „ihrem Wesen nach" nicht auf juristische Personen des öffentlichen Rechts anwendbar sind. Das Bundesverfassungsgericht erhebt deshalb grundsätzliche Bedenken gegen die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts, und zwar auch über den Bereich der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben hinaus. Der Staat, stellt es fest, könne nicht gleichzeitig Adressat und Berechtigter der Grundrechte sein21. Es erscheint jedoch keineswegs geboten, juristischen Personen des öffentlichen Rechts jedliche Grundrechtsberechtigung zu versagen. Die Gesetzesmaterialien zu Art. 19 Abs. 3 GG sprechen eher für als gegen eine Grundrechtsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Organisationen. Denn die Begründung der Formulierung des Art. 19 Abs. 3 GG im Redaktionsausschuß des Parlamentarischen Rates verweist ausdrücklich auch auf juristische Personen des öffentlichen Rechts22. Dem systematischen Argument, der Staat könne nicht gleichzeitig Adressat und Berechtigter der Grundrechte sein, läßt sich entgegenhalten, daß der Staat nicht ein geschlossenes Gebilde darstellt, sondern aus einer Vielzahl sowohl rechtsfähiger und teilrechtsfähiger als auch nichtrechtsfähiger, jedoch rechtlich subjektivierter Funktionseinheiten besteht. Dabei läßt sich nicht völlig ausschließen, daß einem öffentlichen Funktionsträger über lediglich organisationsrechtliche Wahrnehmungszuständigkeiten hinaus auch subjektive Rechte zugeordnet werden können23. Entscheidend ist, ob Art. 19 Abs. 3 GG nach seinem Sinn und Zweck einer Einbeziehung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts in den Grundrechtsschutz durchgängig entgegensteht, das heißt ob die Grundrechte bereits ihrem Wesen nach nicht auf öffentlich-rechtliche Organisationseinheiten anwendbar sind. Ziel der Grundrechte ist, subjektiv zugeordnete Rechtspositionen zu gewähren und vor staatlichen Eingriffen zu schützen. Grundrechte finden daher nur dort ein Anwendungsfeld, wo staatliche Übergriffe überhaupt möglich sind. Solche sind jedoch überall da denkbar, wo ein Rechtssubjekt dem staatlichen Hoheitsträger nicht in einem staatsintern-kompetentiellen Bereich, sondern in einer Außenrechtsbeziehung gegenübersteht24. Eine Erstreckung des Grundrechtsschutzes auf juristische Personen des öffentlichen Rechts ist daher innerhalb des ihnen zugewiesenen Funktions- und Aufgabenbereiches durchaus denkbar 25. Damit ist festzustellen, daß nicht die Rechtsform, sondern die sog. „grund21
BVerfGE 21, 362 (369ff.); 75, 192 (196). Günter Dürig, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig Band I, München 1998, Art. 19 Abs. 3 GG Rdnr. 35; Siegfried Broß, Zur Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts, VerwArch. 1986, 65 (73). 23 Albert von Mutius, Kommunalrecht, München 1996, S.65. 24 Von Mutius, Kommunalrecht, 1996, S.67. 25 Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, 15. Aufl. 1999, Rdnr. 161. 22
Β. Verfassungsrechtliche Grundlagen
28
rechtstypische Gefährdungslage" als das maßgebliche Kriterium die Diskussion um die Grundrechtsfähigkeit eines Rechtssubjektes zu bestimmen hat. Auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts finden sich in diese Richtung weisende Überlegungen. So stellt das Gericht fest, nicht die Rechtsform als solche sei ursächlich für die Versagung der Grundrechtsfähigkeit. Maßgeblich sei vielmehr, so wird ausgeführt, die Funktion, in der eine juristische Person des öffentlichen Rechts von dem beanstandeten Akt der öffentlichen Gewalt betroffen ist und ob in der Rechtsstellung der juristischen Person des öffentlichen Rechts eine Sach- und Rechtslage Ausdruck findet, welche nach dem Wesen der Grundrechte deren Anwendung auf die juristische Person entgegensteht26.
2. Grundrechtsfähigkeit der Deutsche Post AG Stellt man nun die Frage nach der Grundrechtsfähigkeit der Deutsche Post AG, so läßt sich diese nicht mit dem lapidaren Hinweis auf die privatrechtliche Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft und die generelle Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des privaten Rechts beantworten. Mit Blick auf die 100%ige Beteiligung des Bundes am Gesellschaftsvermögen des Unternehmens27 könnte man von einer privatrechtsförmig handelnden Erscheinungsform der Staatsgewalt ausgehen und der Deutsche Post AG als 100%iger Tochtergesellschaft des Bundes die Grundrechtsfähigkeit versagen28. Es ließe sich sagen, daß eine Aktiengesellschaft, deren alleiniger Aktionär eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, sich ebenso wenig wie diese auf Individualgrundrechte berufen könne. Dieses Ergebnis wird in der Tat damit begründet, daß die Frage der Grundrechtsfähigkeit nicht allein von der Wahl der Organisationsform abhängen könne29. So einleuchtend diese Argumentation auf den ersten Blick auch erscheinen mag, so zwingt die obige Auseinandersetzung mit dem Ausgangspunkt der Überlegungen, der Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG, doch zu einer differenzierteren Betrachtung. Kann im Einzelfall bereits einer juristischen Person des öffentlichen Rechts selbst die Berufung auf die Grundrechte zustehen, so darf erst recht einer in privater Rechtsform geführten 100%igen Tochtergesellschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht apodiktisch jede Grundrechtsberechtigung versagt werden. Allerdings führt weder allein das Abstel26
BVerfGE 68, 193, (207 f.). Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat am 21.12.1999 vom Bund, vertreten durch die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation, 50% minus eine Aktie des Grundkapitals der Deutsche Post AG übernommen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau gehört jedoch ebenfalls überwiegend zum Vermögen des Bundes und zu einem geringen Teil zum Vermögen der Länder (Presseinformation der Kreditanstalt für Wiederaufbau vom 23.12.1999; Handelsblatt vom 24./25.12.1999, S.3). 28 Andreas von Arnauld, Grundrechtsfragen im Bereich Postwesen und Telekommunikation, DöV 1998, 437 (452); so wohl auch Matthias Ruffert, Regulierung im System des Verwaltungsrechts, AöR 124 (1999), 237 (270). 29 BVerfGE 45, 63 (80). 27
III. Determinanten privater und öffentlicher Wirtschaftstätigkeit
29
len auf die gewählte Rechtsform einer juristischen Person des privaten Rechts noch die isolierte Betrachtung der 100%igen Beteiligung des Bundes zu einer befriedigenden Lösung. Zur Beantwortung der Frage nach der Grundrechtsfähigkeit privatrechtlich organisierter 100%iger Tochtergesellschaften der öffentlichen Hand ist vielmehr die „grundrechtstypische Gefährdungslage" als maßgebliches Kriterium heranzuziehen. Eine Grundrechtsberechtigung solcher Tochtergesellschaften kommt daher in all den Fällen in Betracht, in denen diese dem staatsintern-kompetentiellen Bereich entrückt sind und somit den staatlichen Hoheitsträgern in einer Außenrechtsbeziehung gegenüberstehen. Die Deutsche Post AG als 100%ige Tochtergesellschaft des Bundes nun ist bereits durch die zwingenden Vorgaben der Verfassung dem staatsintern-kompetientiellen Bereich entzogen. Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG ordnet an, daß Dienstleistungen im Bereich des Postwesens ausschließlich in privatwirtschaftlicher Form erbracht werden dürfen. Ausgeschlossen ist die Erbringung postalischer Leistungen im Rahmen von Verwaltungsaufgaben, gleichgültig ob in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Organisationsform. Damit tritt die Deutsche Post AG, die im Gegensatz zu ihrem Vorgängerunternehmen Deutsche Bundespost keine staatlich zugewiesenen und geregelten Aufgaben wahrnimmt, trotz der 100%igen Beteiligung des Bundes in eine Außenrechtsbeziehung zur Staatsgewalt. Das Unternehmen tritt dem Staat als rechtlich selbständiges Rechtssubjekt gegenüber und ist nicht in die Staatsorganisation eingebunden. Es besteht keine Weisungsabhängigkeit, die über die zivilrechtlich begründeten Befugnisse eines Mehrheitsaktionärs hinausginge. Die Deutsche Post AG ist auf Grund der Verpflichtung zur privatrechtlichen Leistungserbringung dem staatsintern-kompetentiellen Bereich entrückt, sie ist mit Privaten gleichgestellt30 und in solchem Maße rechtlich verselbständigt, daß ihr auch die Berufung auf die Grundrechte zugestanden werden muß31.
I I I . Determinanten und Destination privater und öffentlicher Wirtschaftstätigkeit 1. Allgemeines Jede wirtschaftliche Betätigung vollzieht sich in einem sie bestimmenden Kontext und dient der Realisierung konkreter Zielvorstellungen. In beiderlei Hinsicht lassen private und öffentliche Wirtschaftstätigkeit grundlegende Unterschiede erkennen. Diese sollen im Folgenden näher betrachtet werden. 30
Michael Rottmann, Zu den verfassungsrechtlichen Aspekten der Postreform II, ArchPT 1994, 193 (194). 31 Rudolf Wendt, in: Postrecht der Bundesrepublik Deutschland - PostR - Kommentar zum Postneuordnungsrecht, hrsg.v. Klaus Stern, 4.Lfg., Heidelberg 1999, Teil D § 14 BAPostG Rdnr. 14; so auch Grämlich, NJW 1996, 617 (619).
30
Β. Verfassungsrechtliche Grundlagen
2. Private Wirtschaftstätigkeit Die private Wirtschaftstätigkeit erstreckt sich - entsprechend der liberalen Grundkonzeption des Grundgesetzes - auf alle einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung zugänglichen Bereiche. Private Unternehmen verfolgen im Rahmen ihrer Tätigkeit regelmäßig erwerbswirtschaftliche Zielsetzungen. Produktivitätsoptimierung und Gewinnsteigerung stehen im Vordergrund der Leistungserbringung 32. Der individuelle Egoismus bewegt den Markt und erzeugt Wettbewerb. Dieser stellt Koordination und Allokation der Produktionsfaktoren sicher, führt zu einer leistungsbezogenen Einkommensverteilung, einem rationalen Einsatz von Arbeit und Kapital, einer ständigen Anpassung der Produktion an die Nachfrage und einer Förderung des technischen Fortschritts 33. Die Privatautonomie - Ausfluß der allgemeinen Handlungsfreiheit - verschafft den Wirtschaftssubjekten einen umfassenden Handlungs- und Gestaltungsspielraum. Damit obliegt sowohl die Entscheidung über die Aufnahme einer Tätigkeit, deren Umfang wie auch ihre konkrete Ausgestaltung hinsichtlich Organisation, Ablauf und Personalbeschaffung grundsätzlich allein den privaten Unternehmen selbst. Ständige Überprüfung und Anpassung dieser Entscheidungen im Hinblick auf deren Zielkonformität führen zu einer dynamischen Entwicklung der internen Strukturen.
3. Öffentliche Wirtschaftstätigkeit Die öffentliche Wirtschaftstätigkeit umfaßt die obrigkeitliche und schlichte Hoheitsverwaltung sowie die erwerbswirtschaftlich-fiskalische Verwaltung und BedarfsdeckungsVerwaltung. Sie vollzieht sich in den Ausformungen der staatlichen Eigenbetätigung, der Staatsbeteiligung und der staatlichen Auftragsvergabe. Im Rahmen der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand haben sich eine Vielzahl sowohl öffentlich-rechtlicher (Regiebetriebe, Eigenbetriebe und Sondervermögen sowie Anstalten des öffentlichen Rechts) wie auch privat-rechtlicher (überwiegend Kapitalgesellschaften, auch gemischt-wirtschaftliche) Organisationsformen herausgebildet34. Der wirtschaftende Staat erfüllt vielfach öffentliche Aufgaben35 und dient mit seiner Betätigung dem Gemeinwohl, namentlich im Rahmen der Daseinsvorsorge 36. Von Bedeutung ist dabei der der Staatswirtschaft anhaftende 32
Friedrich Schoch, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, DVB1. 1994, 963 (968). Hamm, in: Das Deutsche Bundesrecht, 563. Lieferung, 1986, III A 20, S. 55 (56). 34 Michael Ronellenfitsch, Wirtschaftliche Betätigung des Staates, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Band III, Heidelberg 1988, § 84 Rdnr. 19f.; ders., Staat und Markt: Rechtliche Grenzen einer Privatisierung kommunaler Aufgaben, DöV 1999, 705 (708). 35 Udo Di Fabio, JZ 1999, 585 ff. 36 Roman Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Band III, Heidelberg 1988, §58 Rdnr. 70 ff; Wolf gang Rüfner, Daseinsvorsorge und soziale Sicher33
III. Determinanten privater und öffentlicher Wirtschaftstätigkeit
31
Ausnahmecharakter. Das Grundgesetz geht vom Abgabenstaat aus, der seine Einnahmen durch Teilhabe am jeweiligen Ertrags- und Tauschwert privater Leistungen gewinnt. Das Bundesverfassungsgericht hat entsprechend festgestellt, daß dem Staat unter der Geltung des Grundgesetzes unternehmerische Motivation fremd ist 37 . Im Rückgriff auf die Grundrechte und die Verfassungsprinzipien läßt das Grundgesetz einen prinzipiellen Vorrang privater vor staatlicher Aktivität erkennen38. Der einzelne hat Vorrang vor der Gesellschaft, die ihm nur Hilfe leisten muß, soweit er dieser bedarf 39. Damit ist von einer Subsidiarität staatlicher Betätigung auch im Bereich der Wirtschaft auszugehen40. Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand ist nur zulässig, soweit sie durch die Verfolgung öffentlicher Zwekke legitimiert ist 41 . Staatliche Betätigung ist nur so lange und insofern zu rechtfertigen, wie die private Tätigkeit nicht geeignet oder genügend erscheint, die Gemeinwohlerfordernisse zu sichern, das heißt eine hinreichende Versorgung der Staatsunterworfenen mit den notwendigen Gütern und Leistungen zu gewährleisten, oder die Erfüllung durch den Staat wirtschaftlicher und sparsamer - nicht zuletzt im Hinblick auf die Schonung natürlicher Resourcen - möglich ist 42 . Auf Grund ihrer Gemeinwohlverpflichtung arbeiten Staatsbetriebe im Gegensatz zu privaten Unternehmen regelmäßig nicht nach dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip 43 . Für die öffentlichen Unternehmen sind vielmehr das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip maßgebend. Es fehlt somit der Druck zur ökonomischen und rationellen Leistungserbringung, welcher der privatwirtschaftlichen Betätigung wesenseigen ist. Das Fehlen erwerbswirtschaftlicher Anreizkomponenten birgt die Gefahr der Erstarrung administrativ geprägter Organisationsstrukturen. Diese erfährt eine Verstärkung durch den Funktionsvorbehalt 44 des Art. 33 Abs. 4 GG, der zum heit, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Band III, Heidelberg 1988, § 80 Rdnr. 30ff. 37 BVerfGE 61, 82 (100). 38 Josef Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Band III, Heidelberg 1988, §57 Rdnr. 167. 39 Ronellenfitsch, in: HdbStR Band III, § 84 Rdnr. 33, 42 ff. 40 9. Hauptgutachten der Monopolkommission 1990/1991, BT-Drucks. 12/3031, S.25; Josef Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, Berlin 1968,318; ebenso bereits 1792 Wilhelm von Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, Reclam-Ausgabe Universal Bibliothek Nr. 1991, Stuttgart 1995, S.52; a. A. Helmut Lecheler, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, BayVBl. 1994,555 (557), der dennoch ein „Privatisierungsgebot" bejaht; widersprüchlich Utz Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, Berlin 1997, S. 187f. 41 Rolf Stober, Rückzug des Staates im Wirtschaftsverwaltungsrecht, Köln 1997, S.53. 42 Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, Berlin 1914, S.259, 263; Udo Steiner, Verkehr und Post, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Band III, Heidelberg 1988, § 81 Rdnr. 38. 43 Schoch, DVB1. 1994, 963 (968). 44 Paul Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Band III, Heidelberg 1988, § 59
32
Β. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Einsatz beamteter Mitarbeiter verpflichtet und damit den beamtenrechtlichen Vorschriften in großem Umfang Geltung verschafft. Die Forderung nach Abschaffung überflüssiger Monopole, die Feststellung, Deregulierung sei das „Gebot der Stunde" 45 , verwundert daher nicht.
IV. Monopole Die Geschäftstätigkeit des Unternehmens Deutsche Post AG ist maßgeblich geprägt durch die langjährige Monopolstellung des ehemaligen Verwaltungsmonopols Deutsche Bundespost. Daher sollen nun Ursachen und Folgen privater und staatlicher Monopolbildungen untersucht werden.
1. Private Monopolbildung Von dem Motor privater Wirtschaftstätigkeit - dem Wettbewerb - erfährt die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nicht ausschließlich positive Impulse. Konzentrationstendenzen, übermäßige Machtballung und rücksichtslose Ausnutzung solcher Macht haften dem Wettbewerb ebenso an und können die Grundlagen des Wettbewerbs selbst zerstören. Vereinbarungen zur Beschränkung des Wettbewerbs finden sich bereits in frühen Zeiten. Insbesondere im Rahmen zunehmender Technisierung und übermäßiger Konkurrenz in der industriellen Produktion im späten 19. Jahrhundert traten sie - in der Gestalt von Kartellen - verstärkt in den Vordergrund. Nachdem das Reichsgericht Kartellvereinbarungen für grundsätzlich zulässig erklärte, bildeten sich in Deutschland mehr als 400 Kartelle. Im Jahre 1958 trat das erste Kartellgesetz in Kraft. Es enthielt ein grundsätzliches Kartellverbot, das jedoch durch zahlreiche Ausnahmeregelungen durchbrochen wurde. In den folgenden Jahren setzte sich die volkswirtschaftliche Konzeption des funktionsfähigen, wirksamen Wettbewerbs durch. Diese beruht im wesentlichen auf der Erkenntnis, daß ein dynamischer Wettbewerbsprozeß von Innovation und Imitation ein weites Oligopol, das heißt eine Mehrheit starker Unternehmen, voraussetzt. Damit sind monopolistische Tendenzen durch wirksame Kontrolle marktbeherrschender Unternehmen ebenso zu unterbinden, wie es einer polypolistischen Zersplitterung des Marktes durch Förderung der leistungssteigernden Kooperation kleiner und mittlerer Unternehmen vorzubeugen gilt 46 . Dieses wettbewerbspolitische Leitbild hat namentlich in der Kartellgesetznovelle von 1973 Ausdruck gefunden und prägt das deutsche KartellRdnr. 70; Helmut Lecheler, Der öffentliche Dienst, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Band III, Heidelberg 1988, § 72 Rdnr. 23 ff. 45 Volker Emmerich, Kartellrecht, 7. Aufl., München 1994, S. 19; Isensee, in: HdbStR Band III, §57 Rdnr. 171; so auch Michael Ronellenfitsch, Staat und Markt: Rechtliche Grenzen einer Privatisierung kommunaler Aufgaben, DöV 1999,705 (711). 46 Hamm, in: Das Deutsche Bundesrecht, 563. Lfg. 1986, III A 20, S. 55 (58).
IV. Monopole
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recht in Gestalt des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bis heute. Der Kontrolle marktbeherrschender Unternehmen dienen nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in seiner heutigen Fassung insbesondere die § § 22 ff. G WB, während die §§ 3 ff. GWB zur Förderung der leistungsstärkenden Kooperation kleiner und mittlerer Unternehmen geschaffen worden sind.
2. Staatliche Monopolbildung Im System einer grundsätzlich freien Wirtschaft erscheinen staatliche Verwaltungsmonopole, deren Gegenstand wirtschaftliche Tätigkeiten umfaßt, als „Fremdkörper" 48 . Ist ein Monopol nicht dem genuin-hoheitlichen Bereich der Staatstätigkeit (z.B. polizeiliche Funktionen), sondern, wie im Postsektor, dem wirtschaftlichdaseinsvorsorgerischen Bereich zuzuordnen49, so läßt sich die Alleinzuständigkeit des Monopolträgers nur so lange und soweit mit dem Grundgesetz vereinbaren, wie der durch die Monopolisierung verfolgte Verwaltungszweck im Rahmen des Kompetenzbereichs des Verwaltungsträgers liegt und Private durch den Ausschluß von dieser Betätigung nicht in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 12 Abs. 1 GG verletzt werden 50. Demfreiheitsbeschränkenden Charakter der staatlichen Monopole stehen aber durchaus auch positive, insbesondere ordnungspolitisch motivierte Aspekte gegenüber. Verwaltungsmonopole eröffnen dem sie betreibenden Hoheitsträger weitreichende Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten, die der Sicherung der Allgemeinwohlbedürfnisse dienlich sein können. Sie begründen eine Versorgungs-, Entsorgungs- und Nachsorgesicherheit, garantieren Zuverlässigkeit und Umweltverträglichkeit der Aufgabenerledigung, lassen eine sozialverträgliche Entgeltgestaltung zu und verhindern ruinösen Wettbewerb51. Zu bedenken bleiben jedoch die mit der Monopolisierung verbundenen Nachteile. Die positiven, die wirtschaftliche Entwicklung fördernden Impulse des Wettbewerbs werden vollständig verdrängt, eine marktgerechte Preisbildung unterdrückt 52 und der - den öffentlichen Unternehmen ohnehin anhaftenden - Gefahr der administrativen Erstarrung interner Strukturen wird durch den Konkurrenzausschluß Vorschub geleistet. 47 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.8.1998, BGBl. I, S. 2546. 48 BVerfGE 21, 245 (249). 49 Zur Terminologie Hans-Jürgen Papier, Staatliche Monopole und Berufsfreiheit- dargestellt am Beispiel der Spielbanken, in: Festschrift für Klaus Stern, München 1997, S.549. 50 Kritisch Wolfgang Weiß, Öffentliche Monopole, kommunaler Anschluß- und Benutzungszwang und Art. 12 GG, VerwArch. 1999,415 (434). 51 Für den Postsektor vgl. Entwurf eines Gesetzes über das Postwesen, BT-Drucks. V/3295 vom 26.6.1968, S.9; BergerIKnauth, in: Liberalisierung, S. 16. 52 Ulrich van Suntum, Die unsichtbare Hand - Ökonomisches Denken gestern und heute, München 1999, 18.
3 Jochum
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Β. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Trotz dieser Nachteile kann jedoch ein staatliches Verwaltungsmonopol, insbesondere in Zeiten der Kapital- und Leistungsschwäche der Privatwirtschaft, zumindest in Bereichen der Daseinsvorsorge und Grundversorgung der Bevölkerung sinnvoll, sogar notwendig und verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. So wurden viele Jahre Verwaltungsmonopole in den Bereichen Verkehr und Post, bezeichnenderweise als „natürliche" Monopole53, hingenommen54. Der Beförderung und dem Transport von Personen, Gütern und Informationen kommt in einem hochentwikkelten Land wie der Bundesrepublik Deutschland zentrale Bedeutung zu. Verkehrs· und Kommunikationswege können als Basissektoren, als die „Lebensadern" 55 des föderativ gegliederten Staatswesens und der arbeitsteilig organisierten Gesellschaft bezeichnet werden 56. Eine florierende Wirtschaft und eine leistungsfähige Volkswirtschaft setzen intensive politische, wirtschaftliche und soziale Beziehungen und Mobilität im nationalen und internationalen Bereich voraus 57. Dieser Bedeutung entsprechend übernahm der Staat die Erbringung der kapitalintensiven Verkehrs- und Kommunikationsleistungen und schloß private Anbieter in diesen Bereichen aus. Die - zeitweilig - in den Hintergrund gedrängten grundrechtlich geschützten Positionen der Privaten verpflichten den Gesetzgeber allerdings, ältere und bisher als verfassungskonform angesehene Monopole daraufhin zu überprüfen, ob die Bedingungen, unter denen sie ursprünglich und bisher zu akzeptieren waren, noch fortgelten. Auch hier wird die bereits dargestellte Bedeutung der grundsätzlichen Subsidiarität staatlicher Wirtschaftstätigkeit erkennbar 58. Läßt sich eine Veränderung der Rahmenbedingungen feststellen, welche die Annahme rechtfertigt, daß die staatliche Monopolisierung nicht länger erforderlich ist, so hat der Gesetzgeber seine Entscheidung zu korrigieren, das Monopol aufzulösen und den Grundrechten wieder ihre adäquate Stellung einzuräumen59. Dabei kann sich der Staat jedoch in vielen für das Gemeinwohl existentiellen Bereichen, so auch hinsichtlich der Daseinsvorsorge sowie des Verkehrs- und Kommunikationswesens, nicht vollständig zurückziehen 60. 53
Ulrich van Suntum, a.a.O., 16f.; Thorsten Matthias Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung: Privatisierungsgebote im deutschen und europäischen Recht, Berlin 1999, 73. 54 Arthur Woll, Wirtschaftspolitik, 2. Aufl., München 1992, S. 134ff. 55 Steiner, in: HdbStR Band III, § 81 Rdnr. 1. 56 Walter Maschke, Europäische Postpolitik im Hinblick auf nationale Regelungen, ZöGU 1998, 212. 57 Neu, Marktöffnung im nationalen und internationalen Postwesen. Der Deregulierungszwang des Europäischen Gemeinschaftsrechts, Diss. München 1999, S.6. 58 Thorsten Matthias Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, 1999, S. 144f.; siehe oben B. III. 3. Öffentliche Wirtschaftstätigkeit. 59 Steiner, HdbStR Band III, § 81 Rdnr. 38 a. E.; Albert Krölls, Grundrechtliche Schranken der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand, GewArch. 1992, 281 (286). 60 Werner Thieme, Der Staat auf dem Rückzug? Das Hafenstraßensyndrom und die Privatisierung als Indizien zunehmender Entstaatlichung, in: Festschrift für Klaus Stern, München 1997, S. 365 ff.
V. Privatisierungsmodelle und -motive
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Häufig sind lediglich Art und Weise, Umfang und Intensität des staatlichen Einflusses entsprechend den veränderten Bedürfnisse neu zu bestimmen61.
V. Privatisierungsmodelle und -motive Das Unternehmen Deutsche Post AG hat im Rahmen eines umfangreichen und in der Öffentlichkeit viel diskutierten Privatisierungsprojektes die Nachfolge des Verwaltungsmonopolisten Deutsche Bundespost angetreten. Von Beginn an stand im Mittelpunkt der Diskussion die Frage nach der geeigneten Privatisierungsform. In diesem Zusammenhang wurden häufig die für die Privatisierung des Postsektors maßgeblichen Ursachen in die Argumentation einbezogen. Aus diesem Grund sollen nachfolgend die denkbaren Privatisierungsmodelle skizziert und die Privatisierungsmotive dargestellt werden.
1. Privatisierungsmodelle Privatisierungsprojekte lassen sich in vielfältigen Varianten konzipieren. Idealtypisch können im wesentlichen vier Grundmodelle 62 unterschieden werden. a) Formelle ( Organisations- )Privatisierung Im Rahmen der formellen Privatisierung bedient sich der Staat zur Wahrnehmung seiner Aufgaben der Formen des Privatrechts, ζ. B. durch Schaffung einer Eigengesellschaft in der Rechtsform einer juristischen Person des privaten Rechts. b) Materielle (Aufgaben-)Privatisierung Die materielle Privatisierung führt hingegen dazu, daß Aufgaben, welche bislang von staatlichen Organisationseinheiten wahrgenommen wurden, fortan privaten Wirtschaftssubjekten anheimgestellt werden. Der Staat zieht sich aus dem betroffenen Wirtschaftsbereich vollständig zurück. Die Aufgabenerfüllung erfolgt nicht nur in den Formen des privaten Rechts, sondern darüber hinaus nach privat(erwerbs) wirt61
Georg Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung - Rechtliche Grundstrukturen netzgebundener Transport- und Übertragungssysteme zwischen Daseinsvorsorge und Wettbewerbsregulierung am Beispiel der leitungsgebundenen Energieversorgung in Europa, Berlin 1998, zentrale These bereits im Vorwort. 62 Einteilung nach Schock, DVB1. 1994, 962 f.; zum Ganzen auch Albert Κ rolls, Rechtliche Grenzen der Privatisierungspolitik, GewArch. 1995,129ff.; Klaus Stern, Postreform zwischen Privatisierung und Infrastrukturgewährleistung, DVB1. 1997, 309 (310f.); Lecheler, BayVBl. 1994, 555 ff.; Udo Di Fabio, JZ 1999, 585 ff.; Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, 1999, S. 29ff.; nur zwei Grundformen unterscheidet Christoph Gusy, Privatisierung und parlamentarische Kontrolle, ZRP 1998, 265 (267). 3*
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Β. Verfassungsrechtliche Grundlagen
schaftlichen Regeln. Dieser Form des vollständigen Rückzuges (echte Aufgabenprivatisierung) läßt sich die Variante der sogenannten „unechten" Aufgabenprivatisierung gegenüberstellen. Auch hier handelt es sich grundsätzlich um eine Form der privatwirtschaftlichen Aufgabenerfüllung, wobei der Staat jedoch eine rechtlich definierte Garantenstellung hinsichtlich einer Grundversorgung mit Leistungen auf dem betroffenen Gebiet und entsprechende Regulierungsbefugnisse behält63. c) Funktionale Privatisierung Die funktionale Privatisierung erlaubt dem Staat hingegen keinen vergleichbaren Rückzug. Hier verbleibt die Aufgabenzuständigkeit und -Verantwortung bei dem Hoheitsträger. Lediglich der Vollzug der Aufgabe wird auf ein Privatrechtssubjekt übertragen. Diesem kommt die Funktion eines Verwaltungshelfers zu.
d) Vermögensprivatisierung Eine Vermögensprivatisierung setzt die Übertragung staatlichen Eigentums auf Private voraus. Diese Privatisierungsform kann auch im Bereich der Wirtschaftstätigkeit Bedeutung erlangen, wenn es sich bei den übertragenen Vermögenswerten um Produktionsmittel (z.B. Grundstücke, Anlagen) oder um Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmen handelt. Die beschriebene Einteilung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese Modelle in der Praxis nicht in Reinform, sondern als Kombination einzelner Elemente der verschiedenen Typen auftreten. Die Übergänge sind oft fließend, so daß eine exakte Zuordnung zu einem der vier Grundmodelle nicht gelingen kann. Die theoretische Unterscheidung der Denkmodelle erscheint jedoch zur Vermeidung terminologischer Mißverständnisse sinnvoll. Das Privatisierungsprojekt des vorliegenden Falles läßt sich am ehesten der Kategorie der unechten Aufgabenprivatisierung zuordnen 64. Gemäß Art. 87f Abs. 2 GG sind postalische Leistungen privatwirtschaftlich zu erbringen. Eine staatliche Aufgabenerfüllung ist damit ausgeschlossen und der Staat insofern zum Rückzug aus dem bislang durch das staatliche Verwaltungsmonopol geprägten Wirtschaftssektor gezwungen. Dennoch verbleiben dem Staat die Verantwortung für die angemessene und ausreichende Infrastrukturgewährleistung (Art. 87f Abs. 1 GG) und die entsprechenden Kontroll- und Eingriffsbefugnisse.
63 Thomas Blanke/Dieter Sterzel, Ab die Post? Die Auseinandersetzung um die Privatisierung der deutschen Bundespost, KJ 1993, 278. 64 Rottmann, ArchPT 1994, 193 (194); Kay Windthorst, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 87 f GG Rdnr. 25 ff.
V. Privatisierungsmodelle und -motive
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2. Privatisierungsmotive a) Ordnungspolitische Ziele Insbesondere mit der materiellen Privatisierung verbindet sich die Hoffnung auf eine Belebung der Marktkräfte unter Zurückdrängung des öffentlichen Sektors und der im Rahmen staatlicher Wirtschaftsaktivitäten häufig auftretenden Fehlallokation von Produktionsfaktoren 65. b) Fiskalische Motive Sowohl die Vermögensprivatisierung als auch die materielle Privatisierung erscheint häufig als „notwendige und zum Teil unvermeidliche Reaktion auf leere Haushaltskassen"66. Dabei darf - zumindest hinsichtlich der Vermögensprivatisierung - die Singularität des Entlastungseffekts nicht übersehen werden. Aber auch bezüglich der materiellen Privatisierung lassen sich kritische Fragen aufwerfen. Es erscheint namentlich fraglich, ob eine kostendeckende Investition, basierend auf einer Kreditfinanzierung, nicht ebenso von einer staatlichen Organisation durchgeführt werden könnte, wie sie von einem privaten Unternehmen realisiert werden kann. Das im Hinblick auf materielle Privatisierungsvorhaben überzeugendere Argument scheint der Hinweis auf die Subsidiarität staatlicher Wirtschaftstätigkeit zu liefern. Wie bereits ausgeführt, impliziert die Konzeption des Grundgesetzes mittels Statuierung wirtschaftlicher Handlungsfreiheiten einen grundsätzlichen Vorrang privater Wirtschaftstätigkeit. Entfällt die Notwendigkeit staatlicher Wirtschaftstätigkeit auf Grund veränderter Rahmenbedingungen, so liegt regelmäßig keine weitere Rechtfertigung für die Beschränkung des Vorranges Privater vor 67 . c) Sonstige Motive Insbesondere Projekte der formellen Privatisierung sollen durch Verselbständigung des Unternehmens zu einer größeren Autonomie und Flexibilität bei der Aufgabenerfüllung und einer damit verbundenen rascheren, kosten- und preisgünstigeren Leistungserstellung führen 68. Häufig ist mit solchen Projekten auch die Hoffnung auf steuerliche Vorteile und eine erleichterte Kreditbeschaffung verbunden. Diesen Bestrebungen kommt die formelle Privatisierung nicht zuletzt durch die mit 65
Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, 1999, S.47f., S.51f. Jürgen Basedow!Roland Donath!Andreas Schmidt, Postagenturen - Wirtschaftliche Rahmenbedingungen des Angebots von Postschalterleistungen durch Private, in: Das neue Wirtschaftsrecht der Postdienste, Postagenturen, Postmärkte und Postmonopol in deutscher und europäischer Perspektive, Heidelberg 1995, S.6f.; Helm, a.a.O., S.44. 67 Siehe oben B.III.3. Öffentliche Wirtschaftstätigkeit. 68 Maschke, ZöGU 1998, 212 (214); Rupert Scholz, Schlanker Staat tut not! in: Festschrift für Hans F. Zacher, Heidelberg 1998, S. 1006. 66
Β. Verfassungsrechtliche Grundlagen
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dem Wechsel der Rechtsform verbundene Abkopplung vom öffentlichen Dienst-, Organisations- und Haushaltsrecht entgegen 69 . Impulse erhalten Privatisierungsprojekte allerdings auch durch Initiativen der Europäischen Union, die eine Liberalisierung und Deregulierung der europäischen Märkte anstrebt 70 . M i t Rücksicht auf die i m Rahmen gemeinsamer Märkte zu Tage tretenden Innovations- und Entwicklungsrückstände, die damit verbundenen Befürchtungen hinsichtlich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit 71 , die dünne Kapitaldecke 72 staatlicher Unternehmen und die Defizite staatlicher Haushalte entsteht ein - zumindest - faktischer Zwang, staatliche Monopole aufzulösen und private Kapitalreserven zu erschließen.
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Rudolf Wendt, Haushaltsrechtliche und gemeindewirtschaftliche Hemmnisse für eine effektive kommunale Aufgabenerfüllung, Der Landkreis 1994, 263; ders., Haushaltsrechtliche Probleme der Kapitalbeteiligung Privater an öffentlichen Infrastrukturinvestitionen, in: Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 4. Bad Iburger Gespräche, hrsg. von Jörn Ipsen, Köln u. a. 1994, S.37ff.; Schock, DVB1. 1994, 962 (973) m.w.N. 70 Vgl. zu Liberalisierungsbestrebungen der EU in anderen Verkehrsbereichen: Karl-H. Böckstiegel, Luftverkehrsliberalisierung in der EU als mögliches Modell für eine multilaterale Wirtschaftsregelung der Luftfahrt in anderen Teilen der Welt, in: Festschrift für Karl Heinrich Friauf, Heidelberg 1996, S.95ff; Neu, Marktöffnung im nationalen und internationalen Postwesen: Der Deregulierungszwang des Europäischen Gemeinschaftsrechts, Diss. München 1999; Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, 1999, S.95f, S. 181 f.; Gerhard Grill, in: EGVertrag, Kommentar, hrsg. v. Carl Otto Lenz, 2. Aufl., Köln 1999, Art. 86 EGV Rdnr.4ff. 71 Zum veränderten Umfeld der Deutschen Bundespost, Michael Schwemmle, Zukunft statt Ausverkauf, ZögU 1992, 323 ff. 72 Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, 1999, S.70.
C. Entwicklungen auf dem Postsektor Vor dem Hintergrund des skizzierten Rahmens öffentlicher und privater Wirtschaftstätigkeit sollen die jüngeren und jüngsten Entwicklungen auf dem Postsektor aufgezeigt werden.
I. Historische Anfänge der Post Die Geschichte des deutschen Postwesens umfaßt mehr als 500 wechselvolle Jahre. Bereits in der Verfassung des Norddeutschen Bundes finden sich die Grundlagen des Verwaltungscharakters der seit Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland begründeten „Staatspost". Postgesetzlich waren seit 1871 der Monopolcharakter und diverse Beförderungsvorbehalte gesichert. Diese Struktur des Postwesens hat alle Verfassungsumbrüche des 19. und 20. Jahrhunderts überdauert, bis im Jahre 1989 eine grundlegende Reform ihren Anfang nahm1.
II. Postreform I (1989) Die Postreform des Jahres 1989 gliederte die Einheitsorganisation „Deutsche Bundespost" in drei Teilsondervermögen: Die Deutsche Bundespost POSTDIENST, die Deutsche Bundespost TELEKOM und die Deutsche Bundespost POSTBANK 2. Diese Reform führte zu einer privatrechtlichen Ausgestaltung der Beziehungen zu den Postbenutzern. Die drei Teilsondervermögen blieben jedoch nach wie vor Bestandteile der bundeseigenen Verwaltung nach Art. 87 Abs. 1 GG a. F. Die Veränderungen für die Deutsche Bundespost waren deshalb nur recht bescheiden3. 1 Klaus Stern, in: Postrecht der Bundesrepublik Deutschland - PostR - , Kommentar zum Postneuordnungsrecht, hrsg.v. Klaus Stern, 4.Lfg. Heidelberg 1999, Einführung S. 1; Bernhard Großfeld/Helmut Janssen, Zur Organisation der Deutschen Bundespost, DöV 1993,424; Joachim Wieland, Der Wandel von Verwaltungsaufgaben als Folge der Postprivatisierung, Verw. 28 (1995), 315 (319 ff.); Jürgen Basedow!Christian Jung, Das Postmonopol - Ökonomische Zwecke und europarechtliche Grenzen, in: Das neue Wirtschaftsrecht der Postdienste, Postagenturen, Postmärkte und Postmonopol in deutscher und europäischer Perspektive, Heidelberg 1995, S. 184; Barbara Mayer, Die Bundespost: Wirtschaftsunternehmen oder Leistungsbehörde, Diss. Freiburg (Breisgau) 1990, S. 36 ff. 2 Gesetz zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost vom 8.6.1989, BGB1.I, S. 1026. 3 Ludwig Grämlich, NJW 1998, 866; ders., Von der Postreform zur Postneuordnung, NJW 1994, 2785 ff.
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C. Entwicklungen auf dem Postsektor
I I I . Postreform I I (1994) Wesentlich einschneidendere Maßnahmen kennzeichnen hingegen die Postreform des Jahres 19944. Die bislang administrativ organisierte „Staatspost" erhielt eine neuartige Grundstruktur. Das Marktmodell trat an die Stelle des bisherigen Verwaltungsmodells. Diese Umstrukturierung erforderte eine Verfassungsänderung, welche in den neuen Art. 87f GG sowie Art. 143b GG Ausdruck gefunden hat5. Die grundlegende Neuorientierung im Bereich des Postwesens war aus vielfältigen Gründen notwendig geworden. Nicht nur Vorgaben der Europäischen Gemeinschaften hinsichtlich der Liberalisierung der Postmärkte und internationaler Wettbewerbsdruck, sondern auch der immense Investitions- und Kapitalbedarf, der unter anderem durch die Wiedervereinigung Deutschlands6 ausgelöst wurde, zwangen zu einem Umdenken7. Allerdings verwirklichen die verfassungsrechtlichen Grundlagen wie auch die im Postneuordnungsgesetz (PTNeuOG) vom 14.9.19948 erfolgte legislative Ausformung kein von staatlichen Einflußnahmen völlig freigestelltes Marktmodell. Durch die Verfassungsänderung wird der Weg für eine formelle und auch materielle Privatisierung 9 bereitet. Jedoch bleiben dem Bund - trotz der grundsätzlichen Festlegung, daß die Dienstleistungen im Bereich des Pöstwesens als privatwirtschaftliche Leistungen zu erbringen sind (Art. 87f Abs. 2 GG) - gewisse Hoheitsaufgaben vorbehalten. Insbesondere aber wird der Bund zur Gewährleistung flächendeckend angemessener und ausreichender Dienstleistungen verpflichtet (Art. 87f Abs. 1 GG). Das Postneuordnungsgesetz (PTNeuOG) enthält mehrere Einzelgesetze. Art. 3 PTNeuOG umfaßt das Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (Postumwandlungsgesetz - PostUmwG). Dadurch wurde die formelle Privatisierung des Teilsondervermögens Deutsche Bundespost POSTDIENST realisiert: Die Deutsche Post AG entstand.
IV. Postreform I I I (1998) 1. Allgemeines Das Postneuordnungsgesetz ordnete in Art. 6 Nr. 26 PTNeuOG das Außerkrafttreten des „alten" Postgesetzes von 1969 zum 31.12.1997 an. Dieser befristete Auf4 Zum Ganzen Hans-Joachim Reinert, Das Gesetzespaket zur Postreform II, DVW 1994, 1 ff.; Hanspeter Benz, Postreform II und Bahnreform - Ein Elastizitätstest für die Verfassung, DöV 1995, 679 ff. 5 41. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, BGB1.I, S. 2245. 6 Wieland, Verw. 28, 315 (326). 7 Blanke/Sterzel, KJ 1993, 278 (281); Basedow/Donath!Schmidt, in: Postagenturen, S.6. 8 Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (PTNeuOG), BGB1.I, S.2325. 9 Zur Terminologie siehe oben Β. V. 1. Privatisierungsmodelle.
IV. Postreform III (1998)
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schub erfolgte mit Rücksicht auf die ökonomischen wie rechtlichen Erfordernisse der ordnungspolitischen Umgestaltung des Postsektors und war auf Art. 143b Abs. 2 Satz 1 GG zurückzuführen. Danach dürfen die bestehenden ausschließlichen Rechte des Bundes, z.B. der Beförderungsvorbehalt des §2 PostG 1970, der Deutsche Post AG als Nachfolgeunternehmen nur für eine angemessene Übergangszeit verliehen werden. Der Gesetzgeber stand somit vor der Wahl, entweder den neugeschaffenen Teilmarkt am 31.12.1997 ohne jede weitere Regulierung dem freien Spiel der Kräfte des Marktgeschehens zu überlassen oder zum 1.1.1998 eine Neuregelung zu schaffen. Diese Neuregelung mußte, mit Rücksicht auf die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes, parteiübergreifend konsensfähig sein, da sich zu dieser Zeit im Bundestag eine CDU/CSU/F.D.P.-Mehrheit, im Bundesrat dagegen eine Mehrheit der SPD-regierten Länder fand. Diese Neuregelung ist in Gestalt des „neuen" Postgesetzes (PostG)10, das am 22.12.1997 buchstäblich in letzter Minute verabschiedet wurde, realisiert worden. Der Entstehungsprozeß des Postgesetzes war geprägt von kontrovers geführten, vielschichtigen Auseinandersetzungen.
2. Antrag der Fraktion der SPD vom 8.5.1996 Mit ihrem Antrag vom 8.5.1996 legte die SPD-Fraktion 11 bereits zu einem recht frühen Zeitpunkt ihren Standpunkt hinsichtlich der grundsätzlichen Zielsetzung für das Postgesetz offen. Schon der Titel des Antrages: „Infrastruktur sichern - Wettbewerb fördern - Grundsätze zur Neuordnung des Postsektors" nennt die beiden Eckpfeiler des angestrebten Gesetzes Werkes. Die SPD-Fraktion führte im Rahmen dieses Antrages aus, daß eine schrittweise Öffnung des Marktes im Postwesen zu begrüßen sei. Kritisch wurde jedoch angemerkt, daß die Gestaltung des künftigen Ordnungsrahmens die Erfüllung des grundgesetzlich festgeschriebenen Infrastrukturauftrages sicherstellen müsse. Deshalb, so stellte die SPD-Fraktion fest, komme eine vollständige Marktöffnung - zumindest vorerst - nicht in Betracht. Besonders betont wurde bereits hier, daß die Liberalisierung unter Berücksichtigung der beschäftigungspolitischen Auswirkungen mit Augenmaß vorgenommen werden müsse. Der Antrag wurde in der Sitzung des Bundesrates vom 9.10.1997 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt12.
3. Antrag der Gruppe der PDS vom 26.2.1997 Die Gruppe der PDS verfolgte mit ihrem Antrag vom 26.2.199713 das Bestreben einer für alle Anbieter postalischer Dienstleistungen verbindlichen Festlegung so10 11 12 13
Gesetz vom 22.12.1997, BGB1.I, S.3294. BT-Drucks. 13/4582 vom 8.5.1996. Deutscher Bundestag, 197. Sitzung vom 9.10.1997, Plenarprotokoll 13/197, S. 17796. BT-Drucks. 13/7094 vom 26.2.1997.
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C. Entwicklungen auf dem Postsektor
zialer Standards und Leistungsgarantien. Dadurch sollten sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, Tarifbindung sowie umfassender Kündigungsschutz gewährleistet und Scheinselbständigkeit ausgeschlossen werden. Die Gruppe begründete ihren Antrag mit dem massiven Abbau von Arbeitsplätzen im Postsektor in den vergangenen Jahren. Den Hauptgrund für diesen Abbau sah sie in der zunehmenden Verrichtung postalischer Dienstleistungen durch Personen in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. Die Gruppe der PDS vertrat die Auffassung, dabei handele es sich vielfach um Arbeitskräfte, die nicht die erforderliche Qualifikation aufwiesen, erheblich unterbezahlt seien und von ihren Arbeitgebern nicht sozialversichert würden. Der Antrag wurde in der Sitzung des Bundesrates vom 9.10.1997 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der PDS abgelehnt14.
4. Entwurf der Bundesregierung vom 30.5.1997 Die Bundesregierung brachte am 30.5.1997 den Entwurf eines neuen Postgesetzes (PostG) in den Bundestag ein 15 . Als Hauptziele des Postgesetzes wurden von der Bundesregierung die Infrastruktursicherung und zum anderen die Gestaltung der staatlichen Rahmenbedingungen zur Förderung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs genannt. Eine dauerhafte, den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft widersprechende ordnungspolitische Sonderstellung der Deutsche Post AG wurde als rechtlich wie auch ökonomisch nicht vertretbar abgelehnt. In den Gesetzentwurf war ein umfangreiches Instrumentarium zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Infrastrukturauftrages aufgenommen worden. Weiter betonte die Bundesregierung insbesondere die Notwendigkeit, das allgemeine Wettbewerbsrecht um sektorspezifische Regelungen im Interesse der Förderung eines funktionsfähigen Wettbewerbes zu ergänzen. Die Notwendigkeit solcher Ergänzungen wurde wie folgt begründet: „Die bestehenden wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die grundsätzlich die Existenz eines funktionsfähigen Wettbewerbs unterstellen und verhaltenskontrollierende Eingriffe und Vorgaben nur bei Vorliegen von Mißbräuchen marktbeherrschender Unternehmen vorsehen, sind für die Umwandlung eines traditionell monopolistisch geprägten Marktes unzureichend. Internationale Erfahrungen zeigen, daß sich wettbewerbliche Strukturen und Verhaltensweisen in diesen Märkten nicht allein durch die Aufhebung von Monopolrechten entwickeln."16
Zum Komplex der Lizenzversagung wird folgende Begründung gegeben: „Die Gründe für eine Versagung der Lizenz sind abschließend. Für Postdienstleistungen gilt die allgemeine Betätigungs- und Gewerbefreiheit (Art. 2 und 12 des Grundgesetzes). Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, die Zahl der Marktteilnehmer a priori zu beschränken, um eine 14 15 16
Deutscher Bundestag, 197. Sitzung vom 9.10.1997, Plenarprotokoll 13/197, S. 17796. BT-Drucks. 13/7774. BR-Drucks. 147/97 vom 14.3.1997 S.2; BT-Drucks. 13/7774, S. 1 f.
IV. Postreform III (1998)
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flächendeckende Basisversorgung zu gewährleisten. Zudem ist zu erwarten, daß ein funktionsfähiger Wettbewerb am besten geeignet ist, die Erfüllung des Versorgungsauftrages sicherzustellen. Nach Artikel 87f Abs. 2 des Grundgesetzes sind die Postdienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere Anbieter zu erbringen. Die Verfassung verlangt somit, die Versorgung im Bereich des Postwesens durch Herstellung eines funktionsfähigen Wettbewerbs sicherzustellen. Mit dieser Vorgabe sowie dem Ziel, auch kleinen und mittleren Unternehmen Betätigungsmöglichkeiten zu eröffnen sowie Lokal-, Regionalund Nischenangebote zu ermöglichen, verträgt es sich nicht, den Marktzutritt von Wettbewerbern an die Auflage einer flächendeckenden Dienstleistungsverpflichtung zu knüpfen." 17 Der am 30.5.1997 in den Bundestag eingebrachte Gesetzentwurf war zuvor entsprechend der Regelung des Art. 76 Abs. 1 GG dem Bundesrat zugeleitet worden.
5. Antrag des Landes Niedersachsen vom 16.5.1997 I n der 712. Sitzung des Bundesrates vom 16.5.1997 stellte das Land Niedersachsen den Antrag, eine dem heutigen Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG entsprechende Vorschrift in das Postgesetz aufzunehmen 18 . Diese Regelung sollte nach dem Antrag des Landes Niedersachsen in den § 6 PostG integriert werden, der schon nach dem Entwurf der Bundesregierung vom 30.5.1997 19 die Erteilung der nach § 5 PostG erforderlichen Lizenzen regeln sollte. § 6 PostG sollte nach dem Entwurf der Bundesregierung ursprünglich wie folgt lauten: §6 Erteilung der Lizenz (1) Die Lizenz wird auf schriftlichen Antrag von der Regulierungsbehörde in schriftlicher Form erteilt. Der Antragsteller hat das Gebiet zu bezeichnen, in dem die lizenzpflichtige Tätigkeit ausgeübt werden soll. Die Lizenz ist zu erteilen, wenn nicht ein Versagungsgrund nach Absatz 2 besteht. Die Regulierungsbehörde soll über den Lizenzantrag innerhalb von sechs Wochen entscheiden. (2) Die Lizenz ist zu versagen, wenn 1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller für die Ausübung der Lizenzrechte nicht die erforderliche Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit oder Fachkunde besitzt. 2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß durch die Aufnahme einer lizenzpflichtigen Tätigkeit die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet würde. Das Land Niedersachsen beantragte hierzu folgende Ergänzung: Der Bundesrat möge beschließen: Zu § 6 Abs. 2 nach Nummer 2 In § 6 Abs. 2 ist folgende Nummer 3 anzufügen: 17 18 19
BR-Drucks. 147/97 vom 14.3.1997 S.31; BT-Drucks. 13/7774, S.21. BR-Drucks. 147/4/97, Punkt 18 der 712. Sitzung des Bundesrates vom 16.5.1997. BT-Drucks. 13/7774.
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C. Entwicklungen auf dem Postsektor „3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die im lizenzierten Bereich üblich sind, nicht unerheblich unterschreitet." Begründung: „Entsprechend dem Regulierungsziel in § 2 Abs. 2 Nr. 5 PostG muß ein obligatorischer Versagungsgrund für die Erteilung der Lizenz vorgesehen werden, falls die Gefahr besteht, daß ein Antragsteller wesentliche Arbeitsbedingungen, die im lizenzierten Bereich üblich sind, nicht einhält. Dadurch soll der Gefahr vorgebeugt werden, daß der Wettbewerb durch ein massenhaftes Ausweichen in ungeschützte Arbeitsverhältnisse verzerrt wird."
a) Vorgeschichte des Antrags Den wortgleichen Antrag hatte der Vertreter des Landes Niedersachsens bereits am 30.4.1997 im Ausschuß des Bundesrates für Verkehr und Post gestellt20. Der Antrag hatte jedoch mit einem Abstimmungsergebnis von 8:8:0 keine Mehrheit gefunden. Diese Ablehnung mit Stimmengleichheit zeigt bereits deutlich, daß es in dieser Frage sowohl gute Argumente für eine Aufnahme der Regelung in das Postgesetz wie auch dagegen gab. Bereits im Unterausschuß war die umstrittene Forderung nach der Aufnahme der Berücksichtigung sozialer Belange als Regulierungsziel kontrovers diskutiert worden. Der Antrag des Landes Niedersachsens war auch im Unterausschuß mit Stimmengleichheit abgelehnt worden. Die Diskussion erreichte allerdings eine Intensität, die den Vorsitzenden des Unterausschusses dazu bewog, die Erwähnung dieses Punktes wegen seiner besonderen Bedeutung in der allgemeinen Stellungnahme zum Gesetzentwurf zu empfehlen 21. b) Stellungnahme des Bundesrates Der Antrag des Landes Niedersachsens wurde in der 712. Sitzung des Bundesrates vom 16.5.1997 dennoch mit Mehrheit angenommen22. In der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Postgesetzes vom 16.5.199723 wurde dieser Antrag des Landes Niedersachsens einschließlich der Begründung daher unverändert übernommen. c) Gegenäußerung der Bundesregierung Die Bundesregierung lehnte in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Postgesetzes die Berücksichtigung sozialer Belange im 20 Niederschrift der 474. Ausschußsitzung vom Mittwoch, 30.4.1997 (VP 024 - Nr. 16/97), Bundesrat, Ausschuß für Verkehr und Post, S. 7. 21 Niederschrift der 474. Ausschußsitzung vom Mittwoch, 30.4.1997, (VP 024 - Nr. 16/97) Bundesrat, Ausschuß für Verkehr und Post, S.6. 22 Deutscher Bundesrat, 712. Sitzung vom 16.5.1997, Plenarprotokoll 712 Tagesordnungspunkt 18. 23 BR-Drucks. 147/97(Beschluß), S.4.
IV. Postreform III (1998)
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Rahmen der Regulierungsziele generell ab. Es wurde geltend gemacht, diese müßten in die allgemeine Sozialpolitik eingebunden werden. Die Bundesregierung vertrat die Auffassung, sektorspezifische Regelungen seien abzulehnen, soweit sie sich nicht zwingend aus den Besonderheiten des betreffenden Wirtschaftsbereiches ergäben. Die Einfügung einer konkreten dem § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG entsprechenden Regelung wurde, nach dieser Auffassung folgerichtig, ebenfalls abgelehnt. Denn, so betonte die Bundesregierung, der Gesetzentwurf enthalte alle notwendigen Einzelermächtigungen, um die Verwirklichung der Regulierungsziele durch die Regulierungsbehörde zu ermöglichen.
6. Die parlamentarische Diskussion a) Erste Lesung Deutscher Bundestag 178. Sitzung vom 5.6.1997 Nach den Vorstellungen der Bundesregierung 24 sollte die Erteilung der Lizenz allein von den Kriterien der notwendigen Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit abhängen25. Jedoch wurde von Seiten der Opposition geltend gemacht, daß zusätzlich der auf die Einhaltung der wesentlichen am lizenzierten Markt üblichen Arbeitsbedingungen bezogene Lizenzversagungsgrund gemäß dem Antrag des Landes Niedersachsen vom 16.5.1997 in das Postgesetz aufgenommen werden müsse, um tiefgreifenden Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen. Die Vertreter der Opposition befürchteten, daß die privaten Konkurrenten der Deutsche Post AG versuchen würden, sich durch massenhaftes Ausweichen auf sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse Wettbewerbsvorteile zu verschaffen 26. Die Regierungsseite teilte diese Bedenken nicht und hielt das Mißtrauen der Opposition gegen den privaten Sektor für übertrieben 27. Nach heftiger Diskussion wurden sowohl der Gesetzentwurf der Bundesregierung als auch die Anträge der SPD vom 8.5.199628 wie auch der PDS vom 26.2.199729 zur weiteren Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen.
24
Deutscher Bundestag, 178. Sitzung vom 5.6.1997, Plenarprotokoll 13/178, S. 1 ff. Dr. Wolfgang Bötsch, Deutscher Bundestag, 178. Sitzung vom 5.6.1997, Plenarprotokoll 13/178, S. 16077. 26 Gerhard Jüttemann (PDS), Deutscher Bundestag, 178. Sitzung vom 5.6.1997, Plenarprotokoll 13/178, S. 16087. 27 Dr. Max Stadler (F.D.P.), Deutscher Bundestag, 178. Sitzung vom 5.6.1997, Plenarprotokoll 13/178, S. 16086. 28 BT-Drucks. 13/4582 vom 8.5.1996, siehe oben C.IV.2. 29 BT-Drucks. 13/7094 vom 26.2.1997, siehe oben C.IV. 3. 25
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C. Entwicklungen auf dem Postsektor
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Post und Telekommunikation vom 7.10.1997 Am 7.10.1997 legte der Ausschuß für Post und Telekommunikation seine Beschlußempfehlung für die 2. und 3. Lesung im Bundestag vor 30 . Der Ausschuß empfahl darin mehrheitlich die Annahme des Postgesetzes. Hinsichtlich der Anträge der SPD vom 8.5.199631 sowie auch der PDS vom 26.2.199732 empfahl er dagegen mit Mehrheit die Ablehnung. Im Rahmen der Begründung der Beschlußempfehlung wurden die Standpunkte der Beteiligten wiederholend zusammengefaßt. Ohne jedoch inhaltlich neue Argumente zu nennen, lehnte der Ausschuß die Aufnahme einer dem heutigen § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG entsprechenden Regelung ab33. c) Zweite und Dritte Lesung Deutscher Bundestag 197. Sitzung vom 9.10.1997 Auch im Rahmen der 197. Bundestagssitzung34 entzündete sich eine vehemente Auseinandersetzung - insbesondere hinsichtlich der Frage, ob eine dem heutigen § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG vergleichbare Regelung in das Postgesetz aufgenommen werden solle. Trotz ausführlicher Darlegung der für eine solche Norm sprechenden Aspekte wurde das Postgesetz ohne eine solche mit 313:279 Stimmen angenommen. d) Beschluß des Bundesrates über die Anrufung des Vermittlungsausschusses vom 17.10.1997 Im Rahmen der Diskussion, die der Beschlußfassung des Bundesrates über die Anrufung des Vermittlungsausschusses am 17.10.1997 vorausging, wurden von Länderseite die Befürchtungen, es könne nach Öffnung des Postsektors für den freien Wettbewerb zu gravierenden Wettbewerbsverzerrungen kommen wiederholt. Die Vertreter der SPD mahnten an, daß es zu „einem Wettbewerb im Sozialdumping" und dem „Verlust Zehntausender qualifizierter sozialversicherungspflichtiger und abgesicherter Arbeitsplätze" kommen würde, sofern der heute in § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG enthaltene Lizenzversagungsgrund nicht in das Postgesetz aufgenommen werde. Die Bundesregierung betonte dagegen ihre Zweifel an der Zulässigkeit einer sektorspezifischen Regelung dieses Problems im Rahmen des Postgesetzes und lehnte die Aufnahme einer dem heutigen § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG 30 31 32 33 34
BT-Drucks. 13/8702 vom 7.10.1997. BT-Drucks. 13/4582 vom 8.5.1996, siehe oben C.IV.2. BT-Drucks. 13/7094 vom 26.2.1997, siehe oben C.IV.3. BT-Drucks. 13/8702 vom 7.10.1997, S.35. Deutscher Bundestag, 197. Sitzung vom 9.10.1997, Plenarprotokoll 13/197, S. 17782ff.
IV. Postreform III (1998)
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entsprechenden Regelung in das Postgesetz ab. Der Bundesrat beschloß daraufhin die Anrufung des Vermittlungsausschusses35.
e) Verabschiedung des Postge seizes am 11.12.1997 Am 11.12.1997 wurde vom Bundestag eine geänderte Fassung des Postgesetzes beschlossen. Diese entsprach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses und sah in einem neu eingefügten § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG nun die auf den Antrag des Landes Niedersachsen36 zurückgehende Klausel, dort als § 6 Abs. 2 Nr. 3 bezeichnet, vor. Über die Einfügung der Norm war im Vermittlungsausschuß überraschenderweise doch noch eine Verständigung erreicht worden 37. Am 19.12.1997 erteilte der Bundesrat seine Zustimmung zu diesem Gesetz38. Das Postgesetz wurde am 22.12.1997 im Bundesgesetzblatt verkündet 39.
35 36 37 38 39
Deutscher Bundesrat, 717. Sitzung vom 17.10.1997, Plenarprotokoll 13/717, S.462. BR-Drucks. 147/4/97, Punkt 18 der 712. Sitzung des Bundesrates vom 16.5.1997. Deutscher Bundesrat, 720. Sitzung vom 19.12.1997, Plenarprotokoll 720, S.609. Deutscher Bundesrat, 720. Sitzung vom 19.12.1997, Plenarprotokoll 720, S.581. BGBl. I, S. 3294.
D. Charakter der Lizenz nach §§ 5 ff. PostG Vor der verfassungsrechtlichen Würdigung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG soll der Rechtscharakter der Lizenz nach § 5 ff. PostG ermittelt werden.
I. Allgemeines Die Genehmigungspflicht wirtschaftlicher Betätigung ist im öffentlichen Wirtschaftsrecht weit verbreitet 1. Im Rahmen dieser Genehmigungspflicht sind grundsätzlich zwei verschiedene, allerdings nicht immer scharf voneinander zu trennende Fallgestaltungen zu unterscheiden. Der Gesetzgeber kann ein bestimmtes Verhalten generell als sozial schädlich oder sozial unerwünscht verbieten. Eine Befreiung von einem entsprechenden Verbot wird er nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht ziehen (Ausnahmebewilligung, Dispens). Diese Befreiung erweitert den Rechtskreis des betroffenen Bürgers, indem sie eine Betätigung, die an sich gesetzlich verboten ist, ausnahmsweise für zulässig erklärt. Man spricht von einem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt. Eine völlig andere Situation liegt dem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 2 zugrunde. Der Gesetzgeber verbietet bestimmte Betätigungen in dieser Konstellation nicht, weil sie generell unterbleiben sollen, sondern um eine vorbeugende Überprüfung der Einhaltung materiell-rechtlicher Vorschriften sicherzustellen. Dabei lassen sich Genehmigungsvorbehalte finden, die rein der Gefahrenabwehr und -Vorsorge, aber auch solche, die darüber hinaus einer öffentlich-rechtlichen Verteilungslenkung zu dienen bestimmt sind3. Verläuft diese Prüfung positiv, so ist die gewünschte (Kontroll-)Erlaubnis zu erteilen. Liegen keine gesetzlichen Versagungsgründe vor, hat der Antragsteller folglich einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis4.
1 Hans D. Jarass, Die Genehmigungspflicht für wirtschaftliche Tätigkeiten - Ein systematischer Überblick-, GewArch. 1980, 177. 2 Karl Heinrich Friauf, Das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, JuS 1962,422ff. 3 von Danwitz, Alternative Zustelldienste und Liberalisierung des Postwesens, 1999, S. 110. 4 Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., München 1999, §9 Rdnr. 51.
II. Präventiv verbot mit Erlaubnis vorbehält
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II. Präventivverbot mit Erlaubnisvorbehalt Grundlegendes Ziel der Privatisierung im hier untersuchten Bereich ist die Marktöffnung für jedermann durch Beseitigung des Monopols5. Ein generelles Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist mit dieser Zielsetzung nicht vereinbar. Dem freiheitlichen Grundgedanken der Marktöffnung entspricht vielmehr der grundsätzliche Anspruch auf Erteilung der beantragten Lizenz, die nur in begründeten Ausnahmefällen versagt werden darf. Der Gesetzgeber gewährte den freiheitlichen Grundpositionen bewußt Vorrang, wie der Blick in die amtliche Begründung des Gesetzentwurfes belegt: „Die besonderen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des vorliegenden Entwurfs berücksichtigen die verfassungsrechtlich garantierten Rechte der Berufs- und Gewerbefreiheit, wonach grundsätzlich jedermann berechtigt ist, Postdienstleistungen am Markt anzubieten. Der regulatorische Rahmen sieht deshalb sehr weitreichende Marktzutrittsmöglichkeiten vor; die durch die Verfassung garantierten Rechte werden nur im unbedingt erforderlichen Umfang eingeschränkt."6
Aus diesem Grund ordnet § 6 Abs. 1 Satz 3 PostG ausdrücklich an, daß die nach § 5 PostG erforderliche Lizenz zu erteilen ist, sofern sie nach § 6 Abs. 1 Sätze 1 und 2 PostG ordnungsgemäß beantragt worden ist und nicht ein Versagungsgrund nach § 6 Abs. 3 PostG vorliegt. Daher ist davon auszugehen, daß der Lizenz nach §§ 5 ff. PostG ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zugrunde liegt7. Mit dieser Feststellung läßt sich der Charakter der Lizenz nach §§ 5 ff. PostG allerdings nur sehr ungenau beschreiben. Daher soll nachfolgend die Art der Erlaubnis nach Genehmigungsgegenstand und -Voraussetzungen näher bestimmt werden8. Zuvor ist jedoch die Frage aufzuwerfen, ob bereits aus der Bezeichnung als „Lizenz" Rückschlüsse auf den Charakter der Erlaubnis nach §§ 5 ff. PostG gezogen werden können.
I I I . Bezeichnung als „Lizenz" Der Gesetzgeber verwendet vielfältige Bezeichnungen bei der Statuierung von Genehmigungsvorbehalten. Anstelle des Begriffs der Genehmigung finden sich Formulierungen wie „Erlaubnis", „Bewilligung", „Gestattung", „Konzession" oder „Verleihung". Ungewöhnlich erscheint die Bezeichnung der in §§ 5 ff. PostG vorgesehenen Erlaubnis als „Lizenz". 5
BT-Drucks. 13/7774 vom 30.5.1997. BT-Drucks. 13/7774, S. 18. 7 Grämlich, NJW1998,866 (868); vgl. zur entsprechenden Regelung der §§6ff.TKG: Wolfgang SpoerrlMarkus Deutsch, Das Wirtschaftsverwaltungsrecht der Telekommunikation - Regulierung und Lizenzen als neue Schlüsselbegriffe des Verwaltungsrechts, DVB1. 1997, 300 (307); von Danwitz, Alternative Zustelldienste und Liberalisierung des Postwesens, 1999, S. 113. 8 Einteilung nach Jarass, GewArch. 1980, 177 ff. 6
4 Jochum
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D. Charakter der Lizenz nach §§ 5ff. PostG
Der Bundesrat hatte im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens vorgeschlagen9 zu überprüfen, ob statt des Begriffes „Lizenz" durchgängig der Begriff „Genehmigung" verwendet werden könne. Zur Begründung trug er vor, der Begriff „Lizenz" sei bereits anderweitig belegt, da üblicherweise nur vom Urheber verliehene Nutzungsrechte als Lizenzen bezeichnet würden, das heißt im deutschen Recht bezeichne dieser Begriff regelmäßig eine Befugnis, die ein Privatrechtssubjekt einem anderen Privatrechtssubjekt mittels eines privatrechtlichen Vertrages verleihe. Der Bundesrat machte geltend, die von einer Behörde erteilte öffentlich-rechtliche Befugnis werde demgegenüber gemeinhin als Genehmigung bezeichnet und die in den §§ 5ff. PostG vorgesehene Befugnis sei auf Grund ihrer öffentlich-rechtlichen Natur daher wie die vergleichbaren Regelungen in den §§ 8ff. GüKG 10 oder des § 5 AuslG 11 ebenfalls als „Genehmigung" oder alternativ als „Erlaubnis", „Berechtigung", „Bewilligung" oder „Befugnis" zu bezeichnen. Der Bundesrat merkte kritisch an, diese vielfältigen Bezeichnungsmöglichkeiten machten den Gebrauch des privatrechtlich vorgeprägten Begriffes „Lizenz" überflüssig und die Ziele der Rechtsvereinfachung, der Klarheit und Eindeutigkeit der Rechtssprache sowie der Einheitlichkeit des Rechts geböten jede Möglichkeit zu nutzen, um Mißverständnisse auszuschließen. Dazu gehöre es auch, so forderte der Bundesrat, neue Gesetze in das bestehende Rechtssystem weitestgehend einzufügen und zusätzliche Differenzierungen auf das unumgängliche Mindestmaß zu reduzieren. Die Bundesregierung hielt jedoch am Gebrauch des Begriffes „Lizenz" im Rahmen ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates fest. Sie räumte ein, daß der Begriff „Lizenz" lange Zeit ausschließlich im Privatrecht Verwendung gefunden habe. Doch sei es in den letzten zwei Jahrzehnten, insbesondere im Bereich der Telekommunikation und des Postwesens, üblich geworden auch öffentlichrechtliche Genehmigungen als „Lizenz" zu bezeichnen. Festzustellen bleibt, daß der Begriffsvielfalt des öffentlichen Wirtschaftsrechts durch den Gesetzgeber eine weitere Variante hinzugefügt wurde und die Bezeichnung „Lizenz" zumindest irreführend ist. Sie darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich - entsprechend der Legaldefinition des § 5 Abs. 1 PostG - um eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis handelt.
IV. Art der Erlaubnis Nachdem die Betrachtung der Bezeichnung der Erlaubnis nach §§5 ff. PostG als „Lizenz" zu keinen weiteren Erkenntnissen hinsichtlich der Rechtsnatur dieser Erlaubnis geführt hat, soll nun die Art der Erlaubnis nach Genehmigungsgegenstand und -Voraussetzungen näher bestimmt werden. 9
BR-Drucks. 147/97(Beschluß), 712. Sitzung des Bundesrates vom 16.5.1997, S.28. Güterkraftverkehrsgesetz vom 22.6.1998, BGB1.I, S. 1485. 11 Ausländergesetz vom 9.7.1990, BGB1.I, S. 1354. 10
IV. Art der Erlaubnis
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1. Unterscheidung nach dem Genehmigungsgegenstand Nimmt man eine Einteilung wirtschaftsverwaltungsrechtlicher Genehmigungen nach ihrem Gegenstand vor, so können die einzelnen Phasen des Wirtschaftsprozesses den Ansatzpunkt der Genehmigungspflicht bilden. a) Errichtungsgenehmigung Bereits die ersten Phase des ökonomischen Prozesses - Planung und Investition - ist betroffen, wenn schon die Errichtung der Produktionsanlage als solche einer Genehmigungspflicht unterliegt. Diese Form der Genehmigung zielt auf die vorbeugende Kontrolle der Produktionsfaktoren. Beispiele solcher Genehmigungen finden sich namentlich in den Bereichen des Umweltschutzes, des Baurechts, des Naturund Denkmalschutzes, im Wasserrecht und in den Straßen- und Wegegesetzen. b) Betriebsgenehmigung Als nächste Phase in der Wertschöpfungskette kann die Produktion, das heißt der Betrieb im engeren Sinne, der Genehmigungspflicht unterworfen werden. Diese hat die fortlaufende Kontrolle und Überwachung des Produktionsprozesses, z.B. die Herstellung von Sachgütern bzw. die Erbringung von Dienstleistungen, zum Gegenstand. Hier sind beispielhaft zu nennen der Betrieb einer Gaststätte, einer Apotheke oder eines (privaten) Krankenhauses sowie die Tätigkeit eines Immobilienmaklers, eines Arztes oder Anwalts. c) Produktgenehmigung Genehmigungspflichten auf der letzten Stufe des Produktionsprozesses beziehen sich insbesondere auf die Produkte als solche - Beschaffenheit und Verwendungsrisiken - und ihren Absatz, das heißt, die Absatzformen und -wege, sowie die Preisund Tarifgestaltung. In der Regel prüft eine Behörde vor dem Vertrieb des Produktes, einmalig oder auch wiederholt, stichprobenartig das Produkt. Solche „Typengenehmigungen" oder „Bauartzulassungen" finden sich für Arzneimittel, umweltgefährdende Produkte oder Sprengstoffe.
2. Unterscheidung nach den Genehmigungsvoraussetzungen Werden wirtschaftsverwaltungsrechtliche Genehmigungen nach den jeweiligen Erteilungsvoraussetzungen kategorisiert, so kann die Differenzierung an personalen oder sachbezogenen Elementen ansetzen. 4*
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D. Charakter der Lizenz nach §§ 5 ff. PostG
a) Personalgenehmigung Die Erteilung einer Personalgenehmigung ist gekennzeichnet von der vorrangigen Berücksichtigung subjektiver, das heißt in der Person des Antragstellers begründeter Aspekte. Insbesondere Zuverlässigkeit, Sachkunde und finanzielle Leistungsfähigkeit dienen als maßgebliche Kriterien. Die Personalgenehmigung ist deshalb gekennzeichnet durch ihre Abhängigkeit von der Person des betreffenden Antragstellers. Sie erlischt beim Tod des Inhabers. Ein neuer Inhaber kann sich nicht auf die Genehmigung seines Vorgängers berufen. Er benötigt vielmehr eine eigene, an seine Person gebundene Erlaubnis. b) Sachgenehmigung Die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen kann jedoch auch an objektiven Kriterien ansetzen. Diese betreffen regelmäßig die Eigenart der Produktionsanlage oder des -betriebes. Im Rahmen eines Sachgenehmigungsverfahrens sind insbesondere die Interessen der öffentlichen Sicherheit, des Verbraucher- und Arbeitnehmerschutzes sowie des Umweltschutzes zu berücksichtigen. Dieser Art der Genehmigung ist die enge Bindung an den Betrieb eigen. Sie geht regelmäßig auf einen Betriebsnachfolger über. Sie endet jedoch mit Untergang oder wesentlicher Veränderung des Betriebes. c) Gemischte Genehmigung In der Praxis sind nicht selten sowohl personen- als auch sachbezogene Voraussetzungen als Grundlage der begehrten Genehmigung zu erfüllen. Die gemischte Genehmigung erlischt bei Ausscheiden des Inhabers aus dem Unternehmen ebenso wie bei einer Betriebsveränderung 12.
3. Qualifizierung der Erlaubnis nach §§ 5 ff. PostG Gemäß § 5 Abs. 1 PostG bedarf der Erlaubnis, wer Briefsendungen, deren Einzelgewicht nicht mehr als 1000 Gramm beträgt, gewerbsmäßig für andere befördert. Damit stellt die Genehmigungspflicht maßgeblich auf die Phase der Leistungserbringung ab. Es ist folglich von einer Betriebsgenehmigung auszugehen. Die obligatorisch zu prüfenden Genehmigungsvoraussetzungen nennt § 6 Abs. 3 PostG. In § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PostG finden sich personenbezogene Anforderungen, während die Nrn. 2 und 3 an sachbezogene Kriterien anknüpfen. Es handelt sich daher um eine gemischte (Betriebs-)Genehmigung. Diese Feststellung wird 12
Einteilung nach Jarass, GewArch. 1980, 177 ff.
IV. Art der Erlaubnis
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auch durch die in § 7 PostG geregelten Übertragungsvoraussetzungen bestätigt13. Nach § 7 Abs. 1 PostG bedarf die Übertragung der Lizenz auf einen anderen Lizenznehmer der vorherigen Zustimmung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, die unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 PostG zu versagen ist. § 7 Abs. 2 PostG sieht durch Verweis auf § 46 Gewerbeordnung (GewO)14 eine beschränkte Fortführung des Betriebes bei Tod des Lizenznehmers durch einen Stellvertreter für Rechnung des überlebenden Ehegatten vor.
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Vgl. zur entsprechenden Regelung der §§ 6 ff. TKG: Wolf gang SpoerrlMarkus Deutsch, Das Wirtschaftsverwaltungsrecht der Telekommunikation - Regulierung und Lizenzen als neue Schlüsselbegriffe des Verwaltungsrechts, DVB1. 1997, 300 (307); so auch Matthias Ruffert, Regulierung im System des Verwaltungsrechts, AöR 124 (1999), 237 (266f.). 14 Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.2.1999, BGBl. I, S. 202.
E. Verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstäbe 1. Die Ausgestaltung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG als Versagungsgrund einer öffentlich-rechtlichen Betriebsgenehmigung führt auf direktem Wege zum ersten verfassungsrechtlichen Prüfstein: Dem Freiheitsgrundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG - der Berufsfreiheitsgarantie. 2. Sodann wird eine Verletzung der in Art. 9 Abs. 3 GG verankerten Tarifautonomie in Betracht zu ziehen sein. 3. Die Betrachtung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG legt weiter nahe, die Frage nach der hinreichenden Klarheit und Bestimmtheit der Norm aufzuwerfen. Dritter Prüfungsmaßstab ist daher das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip. 4. Der beschränkte Anwendungsbereich der Norm - betroffen sind ausschließlich private Anbieter postalischer Leistungen (ohne Deutsche Post AG, da dieser in § 51 PostG per Gesetz eine Exklusivlizenz erteilt wurde) - eröffnet sodann den vierten Prüfungsaspekt: Die Vereinbarkeit der Norm mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
F, Vereinbarkeit des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit Art. 12 Abs. 1 GG I. Allgemeines Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet allen Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen und entsprechend der eigenen Vorstellungen auszuüben. Damit ist Art. 12 Abs. 1 GG als eine besondere Ausprägung des umfassenderen, in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgten Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit anzusehen1. Das Grundrecht der Berufsfreiheit weist damit einen starken personalen Grundzug auf 2. Dennoch hat die verfassungsrechtliche Rechtsprechung den Grundrechtsschutz auch auf die „Unternehmerfreiheit" im Sinne freier Gründung und Führung von Unternehmen ausgedehnt3. Denn das Freiheitsgrundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG schützt die individuelle Berufswahl und -ausübung als die Grundformen jeder gewerblichen und unternehmerischen Betätigung, die der Schaffung und Unterhaltung einer Lebensgrundlage dient. Diese extensive Interpretation rechtfertigt sich aus der Erwägung, daß Art. 12 Abs. 1 GG dem Einzelnen das Recht gewährleistet, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen. Aus diesem Grund ist der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG auf jede Erwerbszwecken dienende, auf Dauer angelegte Tätigkeit zu erstrecken. Normen, die Voraussetzungen für die Zulassung zu bestimmten Tätigkeitsfeldern statuieren, sind daher grundsätzlich am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.
II. Schutzbereich 1. Sachlicher Schutzbereich Der sachliche Schutzbereich des Grundrechts wird bestimmt durch den Inhalt des Schlüsselbegriffs 4 „Beruf'. Entsprechend dem freiheitsgewährleistenden Charakter der Norm ist der Begriff weit auszulegen und jede auf Dauer angelegte, lebensstel1 Rudolf Wendt, Berufsfreiheit als Grundrecht der Arbeit, DöV, 1984, 601 ff.; Bruno Schmidt-BleibtreulFranz Klein, Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl., Neuwied u. a. 1999, Art. 12 GG Rdnr. 5; Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., Heidelberg 1999, Rdnr. 419. 2 BVerfGE 50, 290 (362). 3 Schmidt-Bleibtreul Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl. 1999, Art. 12 GG Rdnr. 6. 4 Karl Heinrich Friauf, Die Freiheit des Berufes nach Art. 12 Abs. 1 GG, JA 1984,537 (538).
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F. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art. 12 Abs. 1 GG
lungschaffende 5 Tätigkeit als von ihm umfaßt anzusehen. Die Garantie der Berufsfreiheit bezieht sich dabei auch auf die laufende Unternehmensführung und die davon umfaßten Bereiche der Dispositions-, Investitions-, Produktions-, Leitungs- und Gestaltungsfreiheit 6. Die vorliegend in Rede stehende regelmäßige Beförderung von Postsendungen mit Gewinnerzielungsabsicht - entsprechend der Legaldefinition des § 4 Nr. 1 PostG - sowie die innerbetriebliche Gestaltung der Arbeitsbedingungen fällt in den sachlichen Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG.
2. Persönlicher Schutzbereich Der persönliche Schutzbereich des Grundrechts ist auf die deutschen Staatsangehörigen im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG begrenzt. Diese Beschränkung beruht auf der Erwägung, die volkswirtschaftlichen Kapazitäten des deutschen Staates ließen eine unbegrenzte Gewährleistung freier wirtschaftlicher Betätigung nicht zu7. Entgegen dem vordergründig personalen Charakter 8 erfaßt die Vorschrift auch Organisationen, welche der Realisierung der persönlichen Berufsfreiheit einzelner auch und gerade im Zusammenwirken mit anderen dienen. Damit können sich grundsätzlich alle Unternehmen auf den Schutz der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berufen. Dies gilt auch für Unternehmen in der Rechtsform der juristischen Person des privaten Rechts, da das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nach seinem Wesen auch auf juristische Personen des privaten Rechts anwendbar im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG ist9. Der persönliche Schutzbereich ist somit für alle Anbieter postalischer Dienstleistungen eröffnet, sofern sie den Status eines Deutschen im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG beanspruchen können. Ausländischen Anbietern steht - das soll nicht unerwähnt bleiben - die Berufung auf die Rechte aus Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG sowie auf europa- und/oder völkerrechtliche Garantien offen.
I I I . Eingriff 1. Allgemeines Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit ergeben sich insbesondere durch final auf die berufliche Betätigung bezogene Regelungen, welche diese unmittelbar zum Gegenstand haben. Hierzu gehören Maßgaben zur Aufnahme wie auch zur Art und 5
Walter Leisner, Die verfassungsrechtliche Berufsfreiheit-BVerfGE 7,377 (Apothekenurteil), JuS 1962, 463 (465). 6 Breuer, in: HdbStR Band VI, § 147 Rdnr. 63. 7 Friauf, JA 1984, 537 (540). 8 Hesse, Grundzüge, Rdnr. 419. 9 Siehe oben B.II. 1. a) Grundrechtsfähigkeit privater Unternehmen.
IV. Rechtfertigung
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Weise bestimmter beruflicher Betätigungen (z.B. Zulassungserfordernisse) . Der „klassische Grundrechtseingriff 4 wird gemeinhin mittels der Kriterien der Imperativität, Finalität, Unmittelbarkeit und der Qualität des Rechtsaktes gekennzeichnet11. Da es sich bei dem Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG um ein Präventivverbot mit Erlaubnisvorbehalt handelt12, ist die Imperativität der Norm zu bejahen.
2. Bedeutung Bei unbefangener Betrachtung des Lizenzversagungsgrundes könnte man zu der Annahme gelangen, es handele sich um eine Regelung mit lediglich marginaler Bedeutung, eine „Bagatelle", welche die Ausübung der Tätigkeit nur am Rande tangiert und als solche nicht beeinträchtigt. Denn § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG betrifft nur einen Teil der betrieblichen Organisation, läßt das Produktionsergebnis jedoch unberührt. Auch scheinen die Kriterien des „Üblichen" und des „Nicht-unerheblichUnterschreitens" einer erheblichen Beeinträchtigung entgegenzustehen. Dieser Annahme ist jedoch mit dem Hinweis auf die Bedeutung des Produktionsfaktors „Arbeit" für die betriebliche Leistungserstellung und die durch ihn verursachten Kosten entgegenzutreten. Bei erster Betrachtung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG könnte man meinen, er beziehe sich allein auf einen gewöhnlichen Kostenfaktor, wie er im Rahmen jeder wirtschaftlichen Betätigung in Rechnung zu stellen ist. Jedoch ist zu berücksichtigen, daß es sich beim Postsektor um einen besonders personalintensiven Wirtschaftsbereich handelt. Die Personalkosten erreichen einen Anteil an den Gesamtaufwendungen von bis zu 80 % 13 . Diese Kosten werden maßgeblich beeinflußt durch die betrieblichen Arbeitsbedingungen, namentlich durch die Personalstruktur, die Arbeitszeitgestaltung und das Entgeltniveau. Die Norm stellt daher eine beachtliche Einschränkung der Betätigung auf dem Postsektor dar und ist folglich als erheblicher Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zu qualifizieren.
IV. Rechtfertigung Gesetzliche Regelungen, die in den Schutzbereich eines Grundrechts eingreifen, bedürfen der Rechtfertigung. Ein Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit kann gerechtfertigt sein, wenn der Schutz von Gemeinwohlbelangen dies erfordert, so10 Tettinger, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg.v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 12 GG Rdnr. 71. 11 Michael Sachs, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg.v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, vor Art. 1 GG Rdnr. 80. 12 Siehe oben D. II. Präventiv verbot mit Erlaubnis vorbehält. 13 Hofmann, in: Liberalisierung, S. 125; Gröner/Knorr, in: Liberalisierung, S. 232; Geschäftsbericht der Deutsche Post AG 1998; Mehrjahresübersicht Konzern.
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F. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art. 12 Abs. 1 GG
lange und soweit diesen Gemeinwohlbelangen im Hinblick auf die Berufsfreiheit eine höher zu bewertende Schutzwürdigkeit zukommt. Die Frage nach der vorrangigen Schutzwürdigkeit zwingt dazu, die gesetzliche Regelung am Maßstab der Sachbezogenheit und Sachgerechtigkeit, der aus dem spezifisch-funktionalen Gewährleistungsgehalt des jeweiligen Grundrechts, vorliegend der Berufsfreiheit, abzuleiten ist, zu messen. Denn die Frage nach der vorrangigen Schutzwürdigkeit ist unter Beachtung der Grundsätze des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu beantworten, wobei dieses allgemeine Prinzip seine individuelle Konkretisierung durch den aus dem jeweiligen Grundrecht abgeleiteten Maßstab der Sachgerechtigkeit erfährt 14. Unter strikter Anwendung dieses Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat das Bundesverfassungsgericht für die Prüfung gesetzlicher Regelungen, die in das Grundrecht der Berufsfreiheit eingreifen, ein spezielles Prüfungsmodell entwickelt.
1. Allgemeines zur „Stufentheorie" a) BVerfGE
7,377 (Apothekenurteil)
Nach anfänglichen Versuchen, die Merkmale der freien Berufswahl von denen der freien Berufsausübung tatbestandlich abzugrenzen, hat sich seit der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 11.6.1958 (BVerfGE 7, 377 ff. „Apotheken-Urteil") ein einheitliches Gewährleistungsverständnis der Berufsfreiheit durchgesetzt15. Danach handelt es sich um ein einheitliches Grundrecht, das sich tatbestandlich auf sämtliche Dimensionen beruflicher Betätigung erstreckt. Maßgeblich war die Erkenntnis, daß die freie Wahl und die freie Berufsausübung keine genau abgrenzbaren Bereiche der Berufsfreiheit, sondern sich berührende und ineinander übergehende Phasen - bloße Facetten16 - einer einheitlichen Freiheitsgewährleistung bezeichnen17. Konsequenterweise ist deshalb der Schrankenvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nicht nur auf die Phase der Berufsausübung beschränkt. Ihm unterliegt vielmehr auch die Phase der Berufswahl. Es ist von einer einheitlichen Grundrechtsgewährleistung, verbunden mit einem einheitlichen Schrankenvorbehalt, auszugehen18. Nach der vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen des „Apothekenurteils" 19 entwickelten sogenannten „Dreistufentheorie" setzt die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer in das Grundrecht der Berufsfreiheit eingreifenden Regelung voraus, daß die Gemeinwohlbelange, zu deren Schutz der Gesetzgeber in das Grundrecht der Berufsfreiheit eingreift, um so höher14 Zum Ganzen: Rudolf Wendt, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaß verbot, AöR 104 (1979), S.414ff. 15 Friauf JA 1984, 537 (538). 16 Friauf JA 1984, 537 (538). 17 Rupert Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band I, München 1998, Art. 12 GG Rdnr. 12 ff. 18 Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band I, 1998, Art. 12 GG Rdnr. 15. 19 BVerfGE 7, 377 ff.
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wertig sein müssen, je intensiver die Regelung in das Grundrecht der Berufsfreiheit eingreift. Ausgangspunkt ist die Unterscheidung zwischen Regelungen, welche die Berufsausübung betreffen, und solchen, die die Freiheit der Berufswahl einschränken. Im Rahmen der Berufswahlregelungen wird zwischen subjektiven Berufszugangsvoraussetzungen, die eine Berufsaufnahme an das Vorliegen persönlicher Eigenschaften, Fähigkeiten und Leistungsnachweise knüpfen und objektiven, an allgemeinen Kriterien orientierten Berufszulassungsvoraussetzungen differenziert 20.
b) Kritik an der „Stufentheorie" Die in dieser Entscheidung begründete Lehre hat in Literatur und Rechtsprechung bis heute weitgehende Anerkennung erfahren. Sie ist dennoch von Kritik nicht verschont geblieben21. So wurde angemahnt, es gebe für die Differenzierung zwischen objektiven und subjektiven Zulassungsregeln keine dogmatische Grundlage und das Bundesverfassungsgericht löse sich, unter lapidarem Hinweis auf die Tradition des „offensichtlich bedeutsamen" Unterschiedes zwischen objektiven und subjektiven Zulassungsvoraussetzungen, völlig vom Verfassungstext 22. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Eingriffen in das Grundrecht bildeten, so wurde geltend gemacht, nach den allgemeinen Grundrechtslehren, insbesondere unter Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, eine „gleitende Linie". Daher müßten die den Eingriff rechtfertigenden Gemeinwohlgründe um so gewichtiger und dringlicher sein, je intensiver dieser Grundrechtspositionen tangiere. Die Erwägungen, die der sogenannten „Stufentheorie" zugrunde lägen, dürften - so wurde gefordert - nicht zu einem Abweichen von diesem Prinzip und zu einer Stufung mit „abrupten Übergängen" führen 23. Allerdings wurde auch anerkannt, daß das Bundesverfassungsgericht selbst seine „Dreistufentheorie" durch den wiederholten Rückgriff auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip in einer Art „gleitender Linie" praktiziere 24. c) Weiterentwicklung
der „Stufentheorie "
Zumindest hinsichtlich des zweiten Kritikpunktes läßt sich feststellen, daß es nicht zu der befürchteten Abweichung von dem Prinzip der flexiblen Verhältnismäßigkeitsprüfung, das heißt der individuellen Abwägung zwischen Intensität des Ein20
Tettinger, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg.v. Michael Sachs, 2.Aufl. 1999, Art. 12 GG Rdnr. 100 ff. 21 Breuer, in: HdbStR Band VI, § 148 Rdnr. 8. 22 Leisner, JuS 1962, 468. 23 Gunther Schwerdtfeger, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, 10. Aufl., München 1997 Rdnr. 534; a. A. Breuer, in: HdbStR Band VI, § 148 Rdnr. 9. 24 Rechtsprechungsnachweis bei Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band I, 1998, Art. 12 GG Rdnr. 325 f.
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griffs auf der einen Seite und Gewicht und Dringlichkeit der den Eingriff rechtfertigenden Gemeinwohlbelange auf der anderen Seite, gekommen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in vielen Entscheidungen die ursprünglich starre Struktur der von ihm im „Apothekenurteil" begründeten „Stufentheorie" aufgelockert und weiter differenziert 25. Die formale Abgrenzung zwischen den einzelnen Stufen wurde durch materielle Wertungskriterien ergänzt26 und die Abwägung innerhalb der jeweiligen Stufe an dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ausgerichtet27. Es läßt sich feststellen, daß unter Anlehnung an das als „Stufentheorie" umschriebene Gedankenmodell ein differenziertes und differenzierendes Kontrollverfahren hinsichtlich möglicher Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit entwickelt wurde, das einen umfassenden Grundrechtsschutz sicherstellt. Man kann sagen, daß der im „Apothekenurteil" 28 statuierten „Stufentheorie" des Bundesverfassungsgerichts Modellcharakter zukommt. Sie ermöglicht, als Ausgangspunkt der Prüfung zugrunde gelegt, eine erste Orientierung und Grobeinschätzung. Die Typisierung und Differenzierung nach Stufen bewirkt eine klare Strukturierung der Überprüfung einer Regelung hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und führt zu einem Mehr an Rationalität29. Somit bleibt, trotz der Einsicht in die wesensmäßige Einheit des Grundrechts der Berufsfreiheit und die Durchlässigkeit der einzelnen Stufen 30, das Erfordernis bestehen31, eine zu prüfende Regelung einem der beiden Schutzbereiche, der Berufswahl oder der -ausübung, zuzuordnen.
2. Zulassungsvoraussetzung oder Ausübungsregelung? a) Objektive Berufszulassungsvoraussetzung Die objektiven Zulassungsvoraussetzungen knüpfen an Bedingungen an, deren Erfüllung „dem Einfluß des Einzelnen schlechthin entzogen"32 sind. In Betracht kommt beispielsweise eine Niederlassungsbeschränkung durch Festlegung einer maximalen Stückzahl und Größe von Unternehmen einer speziellen Branche bezo25 BVerfGE 26,1 (12); 30,292 (313ff.); 32,1 (34); 46,120 (138); Tettinger, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 12 GG Rdnr. 109ff.; Holger Fleischer, Zur Dogmatik des Gleichbehandlungsgebots und zur Verfassungsmäßigkeit der Montanmitbestimmung, NZG 1999, 545. 26 Friauf JA 1984,537 (544). 27 Karl Heinrich Friauf, Die verfassungsrechtliche Problematik einer Diskriminierung der im Wege des Leasing angeschafften Wirtschaftsgüter gegenüber anderen Investitionsformen im Wirtschafts- und Abgabenrecht, Hamburg 1979, S.57 m. w.N. 28 BVerfGE 7, 377 ff. 29 Breuer, in: HdbStR Band VI, § 148 Rdnr. 8 ff. 30 Friauf, JA 1984, 537 (544). 31 Wendt, AöR 104 (1979), 414 (428). 32 BVerfGE 7,377 (407); Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band 1,1998, Art. 12 GG Rdnr. 335.
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gen auf ein bestimmtes räumlich begrenztes Gebiet. Einen solchen Anknüpfungspunkt enthält § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG nicht. Der Lizenzversagungsgrund ist daher nicht als objektive Berufszulassungsregelung zu qualifizieren.
b) Subjektive Berufszulassungsvoraussetzung Die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen beziehen sich hingegen auf bestimmte Eigenschaften, Voraussetzungen oder Qualifikationen in der Person des Berufsbewerbers 33. Persönliche Qualitäten und*Leistungen müssen nicht ausschließliche, aber primäre Beurteilungsgrundlage sein34. Demnach sind alle Konzessionen, Lizenzen oder sonstige Erlaubnisvorbehalte für die Berufsaufnahme als subjektive Zulassungsvoraussetzung anzusehen, sofern diese an die Person des Berufsbewerbers bzw. an tatbestandliche Voraussetzungen in dessen Person geknüpft sind35. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG normiert, negativ, eine vom potentiellen Lizenznehmer zu erfüllende Verpflichtung. Unterschreitet er die im lizenzierten Bereich üblichen, wesentlichen Arbeitsbedingungen nicht unerheblich, so muß er mit der Verweigerung oder dem Entzug (§ 9 Abs. 1 PostG) der Lizenz rechnen. Mit Blick auf diese Ausgestaltung als Versagungsnorm könnte man vom Vorliegen einer subjektiven Zulassungsschranke ausgehen36. Für die Lizenzerteilung und den Zugang zu dem gewünschten Betätigungsfeld ist ein bestimmtes, von dem Bewerber gefordertes Verhalten maßgeblich. Primärer Ansatzpunkt ist jedoch nicht eine Eigenschaft des Bewerbers (z.B. bestimmte Vor- oder Ausbildung, Fachkunde, Zuverlässigkeit, Fehlen von Vorstrafen, Leistungsfähigkeit, bestimmtes Lebensalter 37), sondern allein die Frage, wie der Bewerber die betrieblichen Arbeitsbedingungen in seinem Unternehmen gestaltet. Im Hinblick auf persönlichkeitsgeschaffene oder -bezogene Werte erscheint dieses Erfordernis noch am ehesten mit den Kriterien der Zuverlässigkeit oder der Leistungsfähigkeit vergleichbar. Zum einen ist diesen Kriterien eine gewisse „Schwankungsbreite" im Zeitablauf gemeinsam, zum anderen lassen sie ein ähnlich subjektiv-voluntatives Element erkennen. Die Zuverlässigkeit eines Unternehmers dokumentiert sich ebenso in seinen Handlungen, wie das Unterschreiten der üblichen Arbeitsbedingungen von seinen Aktivitäten abhängt. In beiden Bereichen ist der Unternehmer nicht frei von äußeren Einflüssen. Deren Auswirkungen werden jedoch maßgeblich von seinen Reaktionen bestimmt. Auch die Leistungsfähigkeit wird von externen Geschehnissen beeinflußt. Bekanntermaßen ist die Leistungsfähigkeit aber auch entscheidend von der Leistungswilligkeit des 33
Breuer, in: HdbStR Band VI, § 148 Rdnr. 38; Friauf, JA 1984, 537 (538). BVerfGE 9, 39 (49); 9, 338 (345); Leisner, JuS 1962,468. 35 Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band 1,1998, Art. 12 GG Rdnr. 345. 36 Rujfert, AöR 124 (1999), 237 (268). 37 Hans Jarass, in: Jarass Hans/Pieroth Bodo, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., München 1997, Art. 12 GG Rdnr. 20 a. 34
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F. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art. 12 Abs. 1 GG
Betroffenen abhängig. Gegen eine Gleichstellung des Lizenzversagungsgrundes des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit den subjektiven Zulassungsvoraussetzungen der Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit spricht jedoch bereits ein systematisches Argument. Betrachtet man die Regelung der Lizenzerteilung § 6 PostG, so stellt man fest, daß zwar auch hinsichtlich der Kriterien Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit eine Regelung in § 6 PostG getroffen wurde, diese aber getrennt von dem auf die Einhaltung der wesentlichen im lizenzierten Bereich üblichen Arbeitsbedingungen bezogenen Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in einer eigenen Nr. 1 des § 6 Abs. 3 Satz 1 PostG. Auch wurden diese Kriterien während des Gesetzgebungsverfahrens nie in sachlicher Verbindung mit dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG diskutiert. Weiter darf nicht vernachlässigt werden, daß die Regelung über das voluntative Element des „Unterschreitens" hinaus auch eine stark objektiv-sachlich geprägte Komponente aufweist. Diese Zwei-Poligkeit der Regelung dokumentierte sich bereits in der Feststellung, daß die Lizenz weder als reine Personen- noch als bloße Sachgenehmigung qualifiziert werden konnte, sondern als gemischte Genehmigung einzustufen war 38 . Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist die Sicherung der wesentlichen Arbeitsbedingungen ihr Ziel. Damit ist ihr eigentlicher Regelungsgegenstand in der Erhaltung bestimmter betrieblicher Organisations- und Ablaufstrukturen zu sehen.
c) Berufsausübungsregelung Somit ist auch eine Einstufung als Berufsausübungsregelung zu erwägen. Eine solche liegt vor, wenn Art und Weise der Tätigkeit im einzelnen gestaltet werden. Die Freiheit der Berufsausübung umfaßt die Gesamtheit der mit der Berufstätigkeit, ihrem Ort, ihren Inhalten, ihrem Umfang, ihrer Dauer, ihrer äußeren Erscheinungsform, ihren Verfahrensweisen und Instrumenten zusammenhängenden Modalitäten und garantiert so eine Reihe von Einzelfreiheiten, wie insbesondere die unternehmerische Organisationsfreiheit und freie Vertrags- und Preisgestaltung39. Durch § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG wird die Einhaltung der wesentlichen am lizenzierten Markt üblichen Arbeitsbedingungen vorgegeben. Das bedeutet, daß der Antragsteller nur dann mit der Erteilung und dem Erhalt der Lizenz rechnen kann, wenn er bereit ist, seine Unternehmensführung in dieser Weise zu gestalten und seinen Betrieb entsprechend einzurichten. Somit ist das eigentliche Ziel des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG die Einhaltung bestimmter Modalitäten im Hinblick auf die Leistungserbringung im lizenzierten Bereich.
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Siehe oben D. IV. 3. Qualifizierung der Erlaubnis nach §§ 5 ff. PostG. Tettinger, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 12 GG Rdnr. 57; Zur Abgrenzung insgesamt: Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band I, 1998, Art. 12 GG Rdnr. 318, 325, 326, 345. 39
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d) Abgrenzung Damit ergibt sich ein Abgrenzungsproblem. Der Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG läßt sich als Paradebeispiel für die These, jede im Gewand einer Berufszulassungsregelung auftretende Norm enthalte auch Ausübungselemente40 - oder wie das Bundesverfassungsgericht formuliert: „... eine Zulassung ist primär Ausübungsregelung, wirkt aber auf die Wahl zurück, erfaßt also beides ..." 41 - anführen. Die „Gemengelage" zwischen Wahl- und Ausübungsfreiheit in Fällen der öffentlich-rechtlichen Zulassung erschwert mithin die Grenzziehung. Wenn es aber so ist, daß die Übergänge zwischen Berufsausübungs- und Berufswahlbeschränkungen häufig fließend sind42, werden sich allgemeingültige Abgrenzungskriterien kaum finden lassen. Eine Abschichtung dahingehend, ob eine Regelung bereits den Berufszugang als solchen zum Gegenstand hat oder diesen nicht in Frage stellt und vielmehr auf eine bloße Ausübungsregelung beschränkt ist, kann nach alledem nicht in allen Fällen überzeugend erfolgen 43. Ähnliche Abgrenzungsschwierigkeiten treten auf, wenn eine Ausübungsregelung besonders intensiv in das Grundrecht der Berufsfreiheit eingreift. Hier ist anerkannt, daß es eine Grenze gibt, ab derer die Berufsausübungsregelung an dem strengeren, nach der „Stufentheorie" des Bundesverfassungsgerichts 44 eigentlich einer subjektiven Zulassungsregelung entsprechenden, Maßstab zu messen ist, weil dem Antragsteller die Betätigung in dem gewünschten Bereich faktisch verwehrt wird 45 . Davon könnte hinsichtlich des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG nur ausgegangen werden, wenn die nach der Vorschrift maßgeblichen Arbeitsbedingungen für die potentiellen Lizenznehmer eine so erhebliche Belastung ihrer Tätigkeit darstellten, daß sie zur Aufnahme derselben in aller Regel und nicht nur in Einzelfällen wirtschaftlich außerstande wären 46. Anhaltspunkte für eine solchermaßen „ erdrosselnde " Wirkungsweise der Regelung sind jedoch - auch unter Berücksichtigung der Bedeutung des Produktionsfaktors „Arbeit" und des hohen Anteils der Personalkosten an den Gesamtaufwendungen 47 - (derzeit) nicht ersichtlich. Das Kriterium des „Üblichen" kann insofern als ausreichendes Regulativ angesehen werden. Auch kann allein die Bezeichnung als „Lizenz" keine Einstufung als subjektive Berufszulassungsvoraussetzung rechtfertigen 48, obwohl Lizenzen und Konzessionen üblicherweise den Zugang zu einem bestimmten Beruf regeln 49. 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49
Leisner, JuS 1962,466. BVerfGE 7, 377 (401). Friauf, Leasing, S.58f; Breuer, in: HdbStR Band VI, §147 Rdnr. 59. Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band 1,1998, Art. 12 GG Rdnr. 325. BVerfGE 7, 377 ff. BVerfGE 11, 30 (42-45). BVerfGE 30, 292 (314f.). Siehe oben G.III.2. Bedeutung. BVerfGE 30, 292 (313 f.). Siehe oben G.IV.2.b) Subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen.
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F. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art. 12 Abs. 1 GG
Es stellt sich jedoch die Frage, warum das Anliegen, bestimmte Arbeitsbedingungen im lizenzierten Bereich sicherzustellen, in die Form eines Lizenzversagungsgrundes gefaßt wurde. Das Anliegen hätte beispielsweise auch durch Aufnahme entsprechender Nebenbestimmungen im Sinne des § 36 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) 50 in die Erlaubnis erreicht werden können51. Der Verstoß gegen eine solche Nebenbestimmung läßt den Bestand der Erlaubnis regelmäßig unberührt. Die Sanktionierung erfolgt vielmehr durch Verhängung von Verwaltungszwang und Geldbuße, durch Auferlegen von Ausgleichsabgaben52 o. ä. Eine solche Nebenbestimmung ließe sich als Berufsausübungsregelung qualifizieren. Die Beifügung von Nebenbestimmungen ist in § 6 Abs. 2 Satz 2 PostG auch ausdrücklich vorgesehen. Es stellt sich somit die Frage, warum der Gesetzgeber über diese allgemeine Regelung hinsichtlich der Nebenbestimmungen in § 6 Abs. 2 PostG hinaus, die spezielle Anordnung in § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG angefügt hat. Es ist zu fragen, ob der Gesetzgeber auf eine einschneidendere Sanktion, nämlich: Nichterhalt/Verlust der Erlaubnis, abzielte, als sie mit dem Verstoß gegen Auflagen gemeinhin verbunden ist - der Bestand der Erlaubnis bleibt hier grundsätzlich unberührt. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß auch die Mißachtung einer Nebenbestimmung mit dem Widerruf der Erlaubnis geahndet werden kann. Das Postgesetz enthält eine dahingehende ausdrückliche Regelung in § 9 Abs. 1 PostG. Der Entzug der Berufszulassung stellt jedoch einen ebenso rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar, wie die Nichterteilung der für die Berufsaufnahme notwendigen Erlaubnis 53. Man könnte in Betracht ziehen, daß sich der Gesetzgeber für die Statuierung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und gegen die Beifügung entsprechender Nebenbestimmungen im Rahmen der Erlaubniserteilung entschieden hat, weil er es für sachdienlich gehalten haben mag, eine Kontrolle hinsichtlich der Einhaltung der wesentlichen Arbeitsbedingungen bereits vorab, vor Aufnahme der Tätigkeit, durchzuführen. Dem läßt sich jedoch entgegenhalten, daß diese Kontrolle an Tatsachen anknüpft, welche die Annahme rechtfertigen, daß ein unerlaubtes Unterschreiten vorliegt. Es ist fraglich, ob diese Tatsachen vor Aufnahme der Tätigkeit überhaupt zuverlässig festgestellt werden können oder ob es letztendlich doch zu einer nachträglichen Kontrolle kommt 54 . Der Blick auf die Rechtsfolgenseite der Norm liefert jedoch einen weiteren Aspekt. Die Beifügung einer Nebenbestimmung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 PostG steht im Ermessen der Regulierungsbehörde. Die Versagungsnorm des § 6 Abs. 3 PostG 50 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.9.1998, BGB1.I, S. 3050. 51 So Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (269). 52 Zur verfassungsrechtlichen Problematik von Ausgleichsabgaben vgl. Michael Elicker, Die Abgabe nach § 16 des neuen Postgesetzes als verfassungswidrige Sonderabgabe, Diss. Saarbrücken 1998. 53 Breuer, in: HdbStR Band VI, § 148 Rdnr. 44. 54 Von Danwitz, Alternative Zustelldienste und Liberalisierung des Postwesens, 1999, S. 136.
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räumt dagegen der Behörde keinen Ermessensspielraum ein. Hier wird der Behörde lediglich durch die Verwendung ausfüllungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale die Möglichkeit eröffnet, durch wertende Betrachtung der im konkreten Einzelfall maßgeblichen Gesichtspunkte flexibel auf die Erfordernisse der Praxis zu reagieren und die im jeweiligen Einzelfall angemessenen Entscheidungen zu treffen. Diese Gestaltung legt die Vermutung nahe, daß der Gesetzgeber eine stärkere Bindung der Regulierungsbehörde intendierte. Damit hat der Gesetzgeber jedoch zugleich einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der die Berufsausübung betreffenden Regelung und der Berufswahlfreiheit der Bewerber geschaffen. An dieser Entscheidung muß er sich festhalten und seine Maßnahme an den strengeren Voraussetzungen der subjektiven Berufszugangsregelung messen lassen.
e) Zwischenergebnis Es ist festzustellen, daß der Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG sowohl Ausübungs- als auch Wahlelemente der Berufsfreiheit berührt. Die Tatbestandsseite der Norm weist dabei einen engen Bezug zur Ausübung der Tätigkeit auf, während die Rechtsfolgenseite auf die Berufswahl ausgerichtet ist. Da zweiterem Aspekt hinsichtlich der freiheitsrechtlichen Grundposition der Betroffenen das bedeutendere Gewicht zukommt, ist von einer subjektiven Berufszulassungsvoraussetzung auszugehen.
3. Legitimes Regelungsziel Folgt man der von der Rechtsprechung begründeten sogenannten „Stufentheorie"55, so darf die Freiheit der Berufswahl nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert. Dabei gilt für die subjektiven Berufszulassungsregelungen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit in dem Sinne, daß die Regelung zu dem von ihr angestrebten Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis stehen darf 56. Daher ist zunächst zu fragen, ob es ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut gibt, zu dessen Schutz die Einführung der Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG zwingend erforderlich war. Dabei ist zu beachten, daß der förmliche Gesetzgeber kraft seiner demokratischen Souveränität berechtigt ist, die Zwecke des Staatshandelns selbst zu bestimmen. Der Legislative steht eine „Eigendefinitionskompetenz" 57 hinsichtlich der zu verfolgenden Gemeinwohlbelange zu. Aufgrund der offenen Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialverfassung des Grundgesetzes kann der Ge« BVerfGE 7, 377. 56 BVerfGE 7, 377 (378). 57 Friedhelm Hufen, Berufsfreiheit - Erinnerung an ein Grundrecht, NJW 1994, 2913 (2918). 5 Jochum
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F. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art. 12 Abs. 1 GG
setzgeber jede ihm sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik verfolgen 58. Diese Kompetenz wird durch die vom Grundgesetz vorgegebenen Zwecksetzungen begrenzt 59. Die im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG als legitime Regelungsziele anzuerkennenden Gemeinschaftsgüter können also nicht nur „absolute", von der Tagespolitik unabhängige Werte verkörpern. Es kann sich vielmehr auch um „relative" vom Gesetzgeber auf Grund seiner für zweckmäßig erachteten Wirtschafts- und Sozialpolitik selbst definierte Werte handeln60. Ein solchermaßen legitimes Regelungsziel kann sich daher aus vielfältigsten Aspekten der Wirtschafts-, Arbeits-. Berufs- und Sozialpolitik ergeben61. Die Aufgabe, die Frage nach der Legitimation berufsregelnder Maßnahmen zu beantworten, wird - namentlich im Rahmen wirtschaftlicher Gesetze - in erheblichem Maße durch die Notwendigkeit, wirtschaftliche Zusammenhänge und zukünftige Entwicklungen zu beurteilen, erschwert. Die Regelungsmaterie zeichnet sich durch besondere Dynamik und die Abhängigkeit von vielfältigsten Einflußfaktoren aus. Diese Eigenart zwingt dazu, dem Gesetzgeber einen gewissen Beurteilungs- und Prognosespielraum zuzugestehen. Dies darf jedoch nicht dazu führen, daß die Kontrolldichte auf ein Maß begrenzt wird, das dem Gesetzgeber erlaubt, unter Zuhilfenahme von Scheinmotiven und -prognosen einseitig-ideologischen Vorstellungen oder Gruppeninteressen nachzugeben und den Grundrechtsschutz zu unterlaufen 62. Die Motive und Erwägungen, die den Gesetzgeber zur Schaffung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG bewogen haben, sind daher - und nicht zuletzt um dem Vorwurf eines Nachschiebens gesetzgeberischer Motive zu begegnen - einer kritischen Würdigung zu unterziehen.
a) Sicherung sozialer Standards, Eindämmung des Sozialdumpings Nach einem ersten Blick in die Gesetzesmaterialien scheint die Sicherung sozialer Standards und die Vermeidung eines Sozialdumpings durch massenhaftes Ausweichen auf sozial nicht abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse - des Einsatzes sogenannter „Turnschuhbrigarden" 63 - das erklärte Ziel des Gesetzgebers gewesen zu sein64. Beginnend mit dem Antrag der PDS vom 26.2.199765, in dem die Fest58
Siehe oben B.I. Konzeption des Grundgesetzes. Sachs, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 20 GG Rdnr. 97. 60 Tettinger, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 12 GG Rdnr. 104 m.w.N. 61 Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band 1,1998, Art. 12 GG Rdnr. 145; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl. 1999, Art. 12 GG Rdnr. 14. 62 Friauf, JA 1984, 537 (544). 63 Elmar Müller (CDU/CSU), Deutscher Bundestag, 178. Sitzung vom 5.6.1997, Plenarprotokoll 13/178, S. 16081. 64 Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (268). 65 BT-Drucks. 13/7094 vom 26.2.1997. 59
IV. Rechtfertigung
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Schreibung sozialer Standards für alle Anbieter postalischer Dienstleistungen gefordert wurde, um so sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, Tarifbindung sowie umfassenden Kündigungsschutz zu gewährleisten und Scheinselbständigkeit auszuschließen, wurde im Laufe der intensiven Diskussionen bezüglich des Postgesetzes immer wieder die Forderung nach einer sogenannten „Sozialklausel" laut. Es handelt sich dabei um ein gesellschafts- und sozialpolitisch wie auch wirtschaftlich bedeutendes Problemfeld. Aber die Frage nach der volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Bedeutung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ist kein postumwandlungsspezifisches Problem 66. Es handelt sich vielmehr um eine für viele, insbesondere personalintensive und/oder saisonalen Schwankungen unterworfene Wirtschaftszweige 67 bedeutende Frage, die eine allgemeingültige, einheitliche Lösung erfordert. Deshalb ist der im Rahmen der parlamentarischen Diskussion geäußerten Ansicht der Regierung 68 wie auch der F.D.P.69 zu folgen, daß dieses Regelungsziel keine postspezialgesetzliche Norm rechtfertigen könne. Auch die Tatsache, daß zum Zeitpunkt der Gesetzesberatung hinsichtlich der Bedeutung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse gesichertes Zahlenmaterial weder bezüglich der gesamten deutschen Volkswirtschaft noch in bezug auf einzelne Branchen zur Verfügung stand70 und trotzdem der § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG geschaffen wurde, legt nahe, daß dieser nicht der Lösung des allgemeinen sozialpolitischen Problems der zunehmenden Zahl sozial nicht abgesicherter Beschäftigungsverhältnisse dient. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß die Vorschrift nicht zur Sicherung sozialer Standards geschaffen wurde. b) Wettbewerbsregulierung zur Sicherung des Privatisierungsvorhabens durch Konkurrenzschutz Zieht man in die Analyse des Regelungsgehalts des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG die Entstehungsgeschichte der Norm mit ein, so eröffnet sich eine völlig neue Sichtweise. Diese Entstehungsgeschichte ist geprägt von der kontroversen parlamentarischen Diskussion zwischen den Vertretern der damaligen Regierungsparteien (CDU, CSU und F.D.P.) und denen der Oppositionsparteien (SPD, Grüne und PDS). Von Regierungsseite wurde die Einführung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG zunächst abgelehnt, während die Vertreter der Opposition die Aufnahme der Vorschrift in das Postgesetz befürworteten. 66 Zum Ganzen: Michael Schienger, Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse - erhalten statt einschränken, hrsg. v. Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler e. V., Heft 88 Wiesbaden 1998. 67 Gastronomie, Einzelhandel, Verlagswesen, Gebäudereiniger. 68 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Post und Telekommunikation vom 7.10.1997, BT-Drucks. 13/8702, S.35; Deutscher Bundesrat, 717. Sitzung vom 17.10.1997, Plenarprotokoll 717, S.462. 69 Deutscher Bundestag, 197. Sitzung vom 9.10.1997, Plenarprotokoll 13/197, S. 17789. Schienger, a. a.O. S.llff.
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Die Regierungsvertreter behaupteten, die Regelung müsse wegen ihres sozialpolitischen Charakters in die allgemeine Sozialpolitik eingebunden werden. Die Argumente der Oppositionsvertreter zielten dagegen auf die wettbewerbsregulierende Funktion der Norm und ihre sektorspezifische Notwendigkeit. Betrachtet man die während des Gesetzgebungsverfahrens ausgetauschten Argumente und vergegenwärtigt man sich zugleich die strukturellen Besonderheiten des monopolistisch geprägten Postmarktes, welche die gesamte Diskussion des Privatisierungsvorhabens maßgeblich beeinflußten, so tritt die Notwendigkeit wettbewerbsregulierender Maßnahmen deutlich hervor. Vor diesem Hintergrund und nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Zwecke des Postgesetzes und seiner verfassungsrechtlichen Grundlagen, insbesondere des Art. 87f GG, scheint der Regelungsgehalt des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in der Tat in der Regulierung des neu zu schaffenden Wettbewerbes auf dem Postsektor zu bestehen. aa) Intention des Gesetzgebers (1 ) Entwurf der Bundesregierung Im Rahmen ihres am 30.5.1997 eingebrachten Entwurfes betonte die Bundesregierung insbesondere die Notwendigkeit, das allgemeine Wettbewerbsrecht um sektorspezifische Regelungen im Interesse der Förderung eines funktionsfähigen Wettbewerbes zu ergänzen. Denn die bestehenden wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterstellten grundsätzlich die Existenz eines funktionsfähigen Wettbewerbs und sähen verhaltenskontrollierende Eingriffe und Vorgaben nur bei Vorliegen von Mißbräuchen marktbeherrschender Unternehmen vor. Diese Regelungen seien damit für die Umwandlung eines traditionell monopolistisch geprägten Marktes unzureichend71. Der Forderung der Bundesregierung nach einer sektorspezifischen Wettbewerbsregulierung liegt die Erkenntnis zugrunde, daß der historischen Vorprägung des Teilmarktes der postalischen Dienste im Rahmen dieses Privatisierungsprojektes herausragende Bedeutung zukommt. Zum einen ist dieses althergebrachte Verwaltungsmonopol Deutsche Bundespost als Auslöser des gesamten Vorhabens anzusehen, da man seine grundsätzliche Berechtigung nicht länger akzeptieren wollte 72 . Zum anderen stellten die historisch gewachsenen verwaltungsmäßigen Organisationsstrukturen dieses Verwaltungsmonopols den Gesetzgeber vor besondere Schwierigkeiten. Diese verwaltungsmäßigen Strukturen waren als nicht mehr 71 BR-Drucks. 147/97 vom 14.3.1997 S.2; BT-Drucks. 13/7774; S. 1 f. sowie zur Entgeltregulierung (heute §20 PostG) S.24; Maschke, ZöGU 1998, 212 (217). 72 Siehe oben Β. V. 2. Privatisierungsmotive; Woll, Wirtschaftspolitik, 2. Aufl. 1992, S. 134ff.; Wieland, Verw. 28 (1995), 315; Ulla Braubach, Marktversagen im unregulierten Postmarkt?, in: Liberalisierung und Regulierung der Postmärkte, München u. a. 1996, S. 95 ff., 118; Gröner/Knorr, ebenda, S.227f.
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zweckmäßig erkannt worden und sollten durch eine effektivere, marktwirtschaftlich orientierte Konzeption ersetzt werden. Aber gerade diese historisch gewachsenen Strukturen zeichnen sich durch Beständigkeit, ja geradezu hartnäckige Verkrustung ihres inneren Aufbaus, ihrer internen Abläufe wie auch ihres Geschäftsgebarens nach außen aus. Insbesondere im Bereich der Personalstruktur läßt sich eine Verfestigung der gewachsenen Organisationsformen konstatieren 73. Diese beruht nicht zuletzt auf der Verbeamtung eines großen Anteils (etwa 50 % 7 4 ) der Beschäftigten75. Aber auch die nichtbeamteten Mitarbeiter genossen als Angestellte bzw. Arbeiter des öffentlichen Dienstes Privilegien, die in großem Umfang durch tarifvertragliche Vereinbarungen festgeschrieben waren 76. Diese Personalsituation und die daraus resultierende Belastung des Unternehmens mit erhöhten Personalkosten konnte sich im Rahmen des monopolistisch organisierten Teilmarktes entwickeln, da ein Konkurrenzdruck per se ausgeschlossen war. Es stellte sich nun die Frage, wie man diese alten Strukturen auflösen und neue erwerbswirtschaftlich orientierte Konzepte einführen könnte. Dabei war auch zu berücksichtigen, daß dieser Vorgang einen langfristigen und kontinuierlich verlaufenden Prozeß erfordern würde und nicht „mit einem Federstrich" realisiert werden kann. Zugleich galt es zu bedenken, daß nach der Auflösung des Monopols und der Freigabe des Postmarktes unvermittelt und auf Grund der allgemeinen Wirtschaftssituation auch sehr heftig Konkurrenzdruck auf das Nachfolgeunternehmen Deutsche Post AG ausgeübt werden würde. Hier war ein regulatorisches Instrumentarium zu schaffen, um diesen Umwandlungsprozeß vom Verwaltungsmonopolisten Deutsche Bundespost hin zum privatwirtschaftlich agierenden Unternehmen Deutsche Post AG abzusichern 77. (2) Antrag des Landes Niedersachsen vom 16.5.1997 In der Begründung des Antrages des Landes Niedersachsens wird daher nachdrücklich gefordert, durch die beantragte Änderung „... der Gefahr vorgebeugt werden (soll), daß der Wettbewerb durch ein massenhaftes Ausweichen in ungeschützte Arbeitsverhältnisse verzerrt wird." 78 73 Walgenbach, ZTR 1998,481; Basedow/Jung, in: Das Postmonopol, S. 181; Lutz M. Büchner, Arbeitsbeziehungen im Telekommunikationssektor der Deutschen Bundespost, ZögU 1991,401 (403). 74 Thomas Gerloff, Lehren aus der Privatisierung der Post, in: Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien - Grenzen - Folgen, hrsg. v. Christoph Gusy, Baden-Baden 1998, S. 168. 75 Mitarbeiterstruktur, Geschäftsbericht der Deutsche Post AG 1997, S. 53. 76 Fangmann u.a., Telekommunikations- und Postrecht, 1996, S.646ff. 77 Jürgen Basedow!Eva-Maria Kieninger, Postmärkte - Regulierungskonflikte und regulierungsbedingte Wettbewerbsverzerrungen nach Freigabe der Postmärkte für private Anbieter, in: Das neue Wirtschaftsrecht der Postdienste, Postagenturen, Postmärkte und Postmonopol in deutscher und europäischer Perspektive, Heidelberg 1995, S. 145. 78 BR-Drucks. 147/4/97, Punkt 18 der 712. Sitzung des Bundesrates vom 16.5.1997 (Hervorhebungen nicht im Original).
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Dieser Forderung des Landes Niedersachsen liegt die Erwartung zugrunde, daß die privaten Mitbewerber der Deutsche Post AG, denen sich auf Grund der Privatisierung des Postmarktes ein neues Betätigungsfeld mit erheblichen Gewinnchancen eröffnen sollte, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen würden, in dem neuen Bereich Marktanteile zu erringen. Eine der wirkungsvollsten Strategien im Wettbewerb um Marktanteile ist, neben der Steigerung der Angebotsqualität, die Senkung der Preise. Der Angebotspreis wiederum wird maßgeblich durch die Höhe der Personalkosten bestimmt, da diese - auch mit Rücksicht auf den in der Bundesrepublik Deutschland sehr hohen Anteil der Personalzusatzkosten - einen bedeutenden Faktor in der Kosten- und Leistungsrechnung der Unternehmen darstellen 79. Im Jahre 1996 entfielen vom Gesamtwert der durchschnittlichen Arbeitskosten je Mitarbeiter rund 44.200,-DM auf das Entgelt für geleistete Arbeit und ca. 35.500,-DM auf Personalzusatzkosten. Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten kamen auf einen Zuschlag von 80% auf das Entgelt für geleistete Arbeit 80 . Die Deutsche Post AG als Nachfolgeunternehmen der ehemaligen Deutschen Bundespost mußte deren Personalbestand mit allen historisch gewachsenen kostenträchtigen Privilegierungen übernehmen. Weiter muß die Deutsche Post AG für die Jahre 1995 - 1999 Zahlungen in Höhe von jährlich 4 Milliarden D M für Pensionsverpflichtungen aufbringen (§16 Abs. 1 Spiegelstrich 1 PostPersRG 81), welche gegenüber den vormals bei der Deutschen Bundespost beschäftigten Beamten bestehen. In den darauf folgenden Jahren sind Zahlungen in Höhe von 33 % der Bruttobezüge der aktiven Beamten und der fiktiven Bruttobezüge der beurlaubten Beamten zu erbringen (§16 Abs. 2 PostPersRG)82. Die privaten Konkurrenten beginnen dagegen mit der Öffnung des Monopolbereiches überwiegend mit dem Neuauf-/Ausbau ihres Personalbestandes. Sie können sich bei der Gestaltung ihrer Personalstruktur aller durch das allgemeine Arbeits- und Sozialrecht eröffneten Möglichkeiten, insbesondere zur Optimierung ihrer Personalkosten, bedienen. Auf Grund der übernommenen Personalstruktur drohen daher der Deutsche Post AG erhebliche Wettbewerbsnachteile im Verhältnis zu den privaten Konkurrenten. Nicht übersehen werden darf aber, daß die Deutsche Post AG auf Grund ihres Entstehens als Nachfolgeunternehmen des jahrhundertealten, am Markt - wenn auch unter monopolistisch geprägten Bedingungen - etablierten Verwaltungsmonopolisten Deutsche Bundespost auch zahlreiche Vorteile zu verzeichnen hat. Insbesondere die langjährige Erfahrung in den traditionellen Bereichen der postalischen
79 Volker Breithecker, in: Lothar Haberstock, Kostenrechnung I, 9. Aufl., Neuwied 1997, S. 67 ff.; Wolf gang Kilger, Einführung in die Kostenrechnung, 3. Aufl., Wiesbaden 1987, S.95ff. 80 Handelsblatt vom 15.12.1998. 81 Gesetz zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren deutschen Bundespost (Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG) - verkündet als Art. 3 des Postneuordnungsgesetzes (PTNeuOG) vom 14.9.1994, BGB1.I, S.2325. 82 Zu den von den Erben des Monopolisten zu tragenden Altlasten vgl. Walter Maschke, Europäische Postpolitik im Hinblick auf nationale Regelungen, ZögU 1998, 212 (218).
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Dienstleistung und die etablierte Position in den Bereichen Logistik, Verbreitung und Marketing sind hier zu nennen. Aber auch das aus dem übernommenen Mitarbeiterpotential fließende umfangreiche und vielfältige Know how und das auf die jahrzehntelang zuverlässige Leistungserbringung durch das Vorgängerunternehmen Deutsche Bundespost gegründete Vertrauen der Postkunden in die Deutsche Post AG verschaffen ihr einen zumindest kurzfristigen Wettbewerbsvorsprung. Um diesen aufzuholen, war ein überproportionales Ausnutzen der arbeits- und sozialrechtlich zulässigen Möglichkeiten zur Personalkosteneinsparung durch private Konkurrenten zu erwarten 83. Dieser Effekt wird durch die geringen Marktzutrittskosten noch verstärkt. Diese beruhen auf der Personalintensität des Postwesens - 75 % der Kosten eines Unternehmens der Postbranche sind Personalkosten84 - der nur eine geringe Irreversibilität der getätigten Investitionen gegenübersteht85. Ein funktionsfähiger Wettbewerb, der den Aufbau und Erhalt einer flächendeckenden und angemessenen Infrastruktur erwarten ließe, würde unter diesen Rahmenbedingungen jedoch nicht entstehen, so daß eine wirkungsvolle Regulierung des mit der Marktöffnung initialisierten Wettbewerbs unverzichtbar erschien. Es mußte die Möglichkeit geschaffen werden, auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen, welche die betriebliche Leistungserbringung im lizenzierten Bereich kennzeichnen, einzuwirken und damit das Nachfolgeunternehmen Deutsche Post AG vor ruinösem Wettbewerb zu schützen.
(3) Die parlamentarische Diskussion Diese Erkenntnis sollte sich im Laufe des Gesetzgebungsverfahren letztlich auch durchsetzen. Zunächst verschlossen sich die Regierungsparteien jedoch dieser Einsicht und lehnten die Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz ab. Im Rahmen der parlamentarischen Diskussion wurden jedoch immer wieder vehement die Einführung einer dem Antrag des Landes Niedersachsen entsprechenden Regelung aus Wettbewerbsgründen gefordert.
(a) Erste Lesung, Deutscher Bundestag, 178. Sitzung vom 5.6.1997 Die Bundesregierung vertrat zwar im Rahmen der Ersten Lesung am 5.6.199786 die Auffassung, daß die Erteilung der Lizenz allein von den Kriterien der notwendigen Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit abhängen solle und die 83 84 85 86
Zu den Produktions- und Kostenstrukturen vgl. Hofmann, in: Liberalisierung, S. 125. Gerloff, Lehren aus der Privatisierung von Staatsauf gaben, S. 168. Gröner/Knorr, in: Liberalisierung, S.232. Deutscher Bundestag, 178. Sitzung vom 5.6.1997, Plenarprotokoll 13/178, S. 16076ff.
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Aufnahme einer dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG entsprechenden Regelung in das Postgesetz daher abzulehnen sei87. Dennoch wurde auch in den Reihen der Regierungsparteien sehr wohl anerkannt, daß die Mitbewerber der Deutsche Post AG nicht mit vergleichbaren Belastungen in den neuen Markt eintreten würden. Elmar Müller (CDU/CSU) führte dazu aus: „... Natürlich haben private Wettbewerber Kostenvorteile. Das sei nicht verschwiegen; das betont die Postgewerkschaft immer, wenn sie von gleichen Bedingungen redet. Die Kostenvorteile der privaten Wettbewerber bestehen darin, daß wir heute bei der Post Lohnnebenkosten in der Größenordnung von 125 Prozent und weit über 1000 freigestellte Betriebsund Personalräte haben. Das ist eine im Grunde genommen unvorstellbare Größenordnung, und natürlich werden bestehende oder künftige Mitbewerber nicht mit solchen Belastungen in den Markt gehen. ..."88
Erklärtes Ziel der Regierungsparteien war, der politischen Verantwortung für die Mitarbeiter der Post gerecht zu werden und im Wissen um die noch bestehenden besonderen Belastungen einen schrittweisen und wohl dosierten Übergang vom Monopol zum Wettbewerb sicherzustellen89. An der Ablehnung einer dem § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG entsprechenden Regelung hielten die Regierungsparteien aber dennoch fest. Diskutiert wurde weiter, inwiefern bereits private Konkurrenten sozial nicht abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse eingeführt hätten. Hier wurde insbesondere die Beschäftigungsstruktur der Firma Unitet Parcel Service (UPS) erörtert. Genannt wurde die Zahl von 15.000 festangestellten Mitarbeitern, von denen 43 in sogenannten geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen tätig seien. Von Seiten der SPD wurden Befürchtungen hinsichtlich einer weiter zu erwartenden Ausweitung dieser sozial nicht abgesicherten Beschäftigungsverhältnisse geäußert. Die Firma Unitet Parcel Service, so wurde festgestellt, habe zwei Jahre zuvor noch keine sozialversicherungsrechtlich nicht abgesicherten Arbeitsverhältnisse gehabt und diese wohl aus Wettbewerbsgründen eingeführt. Die weiter entstehenden Arbeitsplätze, so befürchtete man, seien so gut wie samt und sonders prekäre Beschäftigungsverhältnisse, nicht sozialversichert, und die Löhne rangierten am Existenzminimum, während die Deutsche Post AG Zehntausende von tarifgebundenen Arbeitsplätzen, 75.000 seit 1990 und jährlich weitere 15.000, vernichte 90. Trotz dieser Argumente hielten die Vertreter der Regierungsparteien an ihrer ablehnenden Haltung 87 Dr. Wolfgang Bötsch, Deutscher Bundestag, 178. Sitzung vom 5.6.1997, Plenarprotokoll 13/178, S. 16077. 88 Elmar Müller (CDU/CSU), Deutscher Bundestag, 178. Sitzung vom 5.6.1997, Plenarprotokoll 13/178, S. 16081. 89 Elmar Müller (CDU/CSU), Deutscher Bundestag, 178. Sitzung vom 5.6.1997, Plenarprotokoll 13/178, S. 16083. 90 Gerhard Jüttemann (PDS), Deutscher Bundestag, 178. Sitzung vom 5.6.1997, Plenarprotokoll 13/178, S. 16087.
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gegenüber der Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz weiter fest. (b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Post und Telekommunikation vom 7.10.1997 Welche Bedeutung dem heute in § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG enthaltenen Lizenzversagungsgrund im Rahmen des Privatisierungsprojektes „Deutsche Bundespost" zukommt, wurde dennoch von Seiten der Opposition immer wieder nachdrücklich betont. Unbeirrbar bemühten sich die Oppositionsvertreter, ihre Position deutlich zu machen und auf die Risiken hinzuweisen, die mit dem Verzicht auf eine dem § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG entsprechenden wettbewerbsregulierenden Vorschrift verbunden seien. Besonders markant waren die Ausführungen der SPD-Fraktion in der Beratung des Ausschusses für Post und Telekommunikation am 7.10.199791. Die Fraktion der SPD betonte in der Ausschußberatung, daß das Streben nach ungerechtfertigten wirtschaftlichen Vorteilen beschränkt und gravierende Wettbewerbsverzerrungen durch Sozialdumping verhindert werden müßten. (c) Zweite und Dritte Lesung, Deutscher Bundestag, 197. Sitzung vom 9.10.1997 Auch im Rahmen der 197. Sitzung des Bundestages92 forderten die Abgeordneten der SPD, daß Konkurrenz, die auf Sozialdumping basiere " 93, vermieden werden müsse und ein fairer Wettbewerb auf ordentliche Arbeitsplätze zu gründen sei. Aus diesem Grund hielten die Abgeordneten der SPD postspezifische Regelungen für gut begründet. Das Fehlen einer dem § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG vergleichbaren Regelung, so wurde ausgeführt, „... berge die Gefahr der Störung des sozialen Friedens, der Gefährdung der Leistungserbringung im Postsektor und begünstige die Gefahr krimineller Handlungen, insbesondere von Verstößen gegen postspezifische Bestimmungen wie das Postgeheimnis ..." 94 . Es wurde gefordert, gleiche Chancen für alle Beteiligten herzustellen95. Dem Postgesetz wurde die Aufgabe zugewiesen „... Wettbewerb und Markt schaffen, wo es sie bisher nur teilweise gibt, wo deshalb auch keine oder nur schwache soziale und tarifliche Standards bei den neuen Wettbewerbern existieren..." Damit wurde nochmals nachdrücklich auf die Besonderheit hingewiesen, daß die privaten Konkurrenten der Deutsche Post AG mit der Öffnung des Monopolbereichs 91 92 93 94 95
BT-Drucks. 13/8702, S. 35. Deutscher Bundestag, 197. Sitzung vom 9.10.1997, Plenarprotokoll 13/197, S. 17782ff. Deutscher Bundestag, 197. Sitzung vom 9.10.1997, Plenarprotokoll 13/197, S. 17783 a.E. Deutscher Bundestag, 197. Sitzung vom 9.10.1997, Plenarprotokoll 13/197, S. 17784. Deutscher Bundestag, 197. Sitzung vom 9.10.1997, Plenarprotokoll 13/197, S. 17785.
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überwiegend Personal neu einstellen und dabei alle arbeits- und sozialrechtlich zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten überproportional ausnutzen würden, ohne dienst- oder tarifrechtlichen Bindungen zu unterliegen. Mit den so gesicherten niedrigen Personalkosten würde es den privaten Konkurrenten leicht gelingen, neue Marktanteile zu erringen. Im Rahmen der Zweiten und Dritten Lesung wurde darüber hinaus ein weiterer Aspekt in die Diskussion eingebracht. Es wurde betont, besondere Regelungen seien unabdingbar, da „...ein bisher ungeschützter Bereich, der kein Wachstumsbereich ist, dem Wettbewerb ausgesetzt (wird)...". Gehört ein Teilmarkt jedoch nicht zu den wirtschaftlichen Wachstumsbranchen, so ergeben sich für die Marktteilnehmer besondere Schwierigkeiten. Der Wettbewerb konzentriert sich auf die vorhandenen Marktanteile und ihre (Um-)Verteilung, da neue Marktanteile nicht erschlossen werden können. Häufige Folge ist ein allein über die Preise geführter Verdrängungswettbewerb. Festgestellt wurde weiter, daß die Bundesregierung in ihrem Entwurf mit Recht eine Sonderstellung für den Postsektor bejaht habe. Kritisch wurde darauf hingewiesen, daß aus der sektorspezifischen Regelung hinsichtlich der Berechnungsgrundlage von Entgelten96 explizit die Arbeitskosten zu geschützten Bedingungen ausgenommen worden seien. Damit würde, so befürchtete man, der Maßstab: „... effizient ist das jeweils Billigste... " gesetzt. Statt dessen wurde gefordert, die Kosten des Gesamtnetzes der Deutsche Post AG zugrunde zu legen97, damit einen „Wettbewerb um die miesesten Arbeitsbedingungen" zu verhindern und so sicherzustellen, daß die Deutsche Post AG keinem unfairen Wettbewerb ausgesetzt werde 98.
(d) Beschluß des Bundesrates über die Anrufung des Vermittlungsausschusses vom 17.10.1997 Auch hier wurde von Seiten der SPD nochmals betont, daß der Postsektor einen beschäftigungspolitisch besonders sensiblen Bereich darstelle und ein massenhaftes Ausweichen der Wettbewerber der Deutsche Post AG in sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse verhindert werden müsse99. Mit dieser unermüdlich vorgebrachten Forderung und ihren zahlreichen Argumenten, die eine sektorspezifische Wettbewerbsregulierung zur Verhinderung von beschäftigungspolitisch orientierten Wettbewerbsverzerrungen unabdingbar erscheinen ließen, konnten sich die Vertreter der Opposition im Rahmen der Verhandlungen im Vermittlungsausschuß letztlich durchsetzen. Die Regierungsparteien ließen sich von den Argumen96 Vgl. dazu die heute in § 20 PostG enthaltene Regelung sowie die Postentgeltregulierungsverordnung vom 22.11.1999, BGB1.I, S.2386. 97 Deutscher Bundestag, 197. Sitzung vom 9.10.1997, Plenarprotokoll 13/197, S. 17793. 98 Deutscher Bundestag, 197. Sitzung vom 9.10.1997, Plenarprotokoll 13/197, S. 17794. 99 Deutscher Bundesrat, 717. Sitzung vom 17.10.1997, Plenarprotokoll 717, S.461.
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ten der Opposition überzeugen und gaben ihre ablehnende Haltung gegenüber der Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz auf. Am 11.12.1997 wurde das Postgesetz, ergänzt um die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, vom Bundestag mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossen.
(e) Bundesratssitzung vom 19.12.1997 Im Rahmen der Beschlußfassung 100 über die Zustimmung des Bundesrates zu dem vom Bundestag am 11.12.1997 in veränderter Fassung beschlossenen Gesetz wurde hinsichtlich des nun letztendlich doch in das Postgesetz aufgenommenen § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG abschließend betont, daß hier eine besondere Regelung für einen Teilmarkt vorzunehmen war, da dieser Teilmarkt „... aufgrund seiner Strukturen als besonders gefährdet angesehen werden muß..." 101 . Zeichnet man die parlamentarische Entstehungsgeschichte des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG nach, so wird deutlich, daß die Vorschrift nach dem Willen des Gesetzgebers zum Zwecke einer sektorspezifischen Wettbewerbsregulierung geschaffen wurde. Nachdem die Vertreter der Regierungsparteien die Norm zunächst als sozialpolitisch motivierte Sonderregelung qualifizierten und ihre Aufnahme in das Postgesetz aus diesem Grund ablehnten, setzte sich im Vermittlungsausschuß die Auffassung der Oppositionsvertreter, die Vorschrift müsse aus Wettbewerbsgründen in das Postgesetz integriert werden, durch. Die Verabschiedung des Postgesetzes inklusive des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG dokumentiert daher den Willen aller an dem Gesetzgebungsverfahren maßgeblich beteiligten Personen, durch die Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG den Start der Deutsche Post AG sowie der privaten Anbieter postalischer Dienste wettbewerbsregulierend zu begleiten und die Initiierung eines funktionsfähigen, chancengleichen Wettbewerbs zu sichern. Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers ist Regelungsgehalt des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG daher die Wettbewerbsregulierung.
bb) Die korrespondierende Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG Die Feststellung, daß der Regelungsgehalt des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in der Regulierung des Wettbewerbs auf dem Postsektor besteht, findet ihre Bestätigung in der korrespondierenden Vorschrift des § 20 Abs. 2 100 101
Deutscher Bundesrat, 720. Sitzung vom 19.12.1997, Plenarprotokoll 720, S. 581 ff. Deutscher Bundesrat, 720. Sitzung vom 19.12.1997, Plenarprotokoll 720, S.610.
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Satz 2 PostG102 zur Entgeltregulierung. Danach können die durch die Einhaltung der in § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG statuierten Bedingungen verursachten Kosten in angemessenem Umfang auf die Entgelte umgelegt und damit auf die Verbraucher abgewälzt werden. Diese Regelung ist nicht nur folgerichtig, denn erst die Kostenumlegung führt zu einer Entzerrung der oben dargestellten unausgewogenen Wettbewerbssituation, sondern auch hinsichtlich ihrer auffälligen Wettbewerbsorientierung von Bedeutung. Bereits der in § 19 PostG festgelegte Anwendungsbereich der Vorschrift - Entgelte bedürfen nur der Genehmigung, sofern dem Lizenznehmer eine marktbeherrschende Stellung zu kommt - läßt die Intention der Vorschrift erahnen. Die in § 20 Abs. 1 und 2 PostG vorgenommene Konkretisierung der die Entgeltregulierung bestimmenden Maßstäbe läßt die Verwandtschaft der Norm mit den Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen 103 deutlich erkennen. Die gesetzgeberische Orientierung 104 an der Effizienz der Leistungserstellung (Abs. 1), das Verbot der Abschöpfung einer Monopolrente (Abs. 2 Nr. 1), das Verbot von Dumpingpreisen (Abs. 2 Nr. 2) wie auch das Diskriminierungsverbot (Abs. 2 Nr. 3) zeigen klare Parallelen zum privaten Wettbewerbsrecht. Dabei geht § 20 Abs. 2 PostG jedoch über die Vorgaben des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bewußt hinaus: „... ist hier nicht nur der Schutz des Wettbewerbs als Institution, sondern auch der der Wettbewerber weitergehend als im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, denn wegen der noch besonderen Marktstruktur auf dem Postmarkt kommt dem Schutz des Marktzutritts und den Wettbewerbsmöglichkeiten der neuen Unternehmen besondere Bedeutung zu; ..." 105
Ausnahmen von den Beschränkungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 PostG werden deshalb nur zugelassen, sofern eine rechtliche Verpflichtung oder sonst sachlich rechtfertigende Gründe vorliegen. In § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG werden sodann beispielhaft besondere Umstände genannt, die bei der Entgeltgenehmigung angemessen zu berücksichtigen sind und somit eine Ausnahme von den Beschränkungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 PostG rechtfertigen können. Alle berücksichtigungsfähigen Umstände stellen sich als monopolumwandlungsbedingte Besonderheiten dar. Dabei werden an erster Stelle die durch die Einhaltung der Vorgaben des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG verursachten Kosten genannt. Die Aufnahme dieser korrespondierenden Ausnahmeregelung in § 20 Abs. 2 PostG zeigt zum einen, daß sich der Gesetzgeber der Kostenrelevanz des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG bewußt war. Zum anderen wird deutlich, daß die wettbewerbswirksame Umlegung dieser Kosten auf die Endkundenentgelte vom Gesetz102 Zu der Parallelvorschrift § 24 TKG vgl. Ulrich Immenga, Grenzen der Regulierung von Endkundenentgelten nach Öffnung der Telekommunikationsmärkte, WuW 1999, 949 (951); Martina Etling-Ernst, TKG - Telekommunikationsgesetz - Kommentar, Ratingen 1999, §24 TKG; Martin Geppert/Ernst-Olav Rühle/Fabian Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Baden-Baden 1998, S. 191 ff. 103 In der Fassung der Bekanntmachung vom 26.8.1998, BGB1.I, S.2546. 104 Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 13/7774, S.24. 105 Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 13/7774, S.24.
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geber im Rahmen seiner postumwandlungsspezifischen Wettbewerbsregulierung bewußt ermöglicht wird. Weiter werden in § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG die durch die flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen verursachten sowie die auf der Übernahme der Versorgungslasten für die Beschäftigten der früheren Deutsche Bundespost beruhenden Kosten angeführt. Damit läßt sich feststellen, daß der Gesetzgeber eine postsektorspezifische Wettbewerbsregulierung statuiert hat und in diesem Rahmen die privatisierungsbedingten Sonderlasten106 - in § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG beispielhaft umschrieben - angemessen zu berücksichtigen sind. Bemerkenswert ist, daß der Gesetzgeber dabei gerade die aus § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG resultierenden Kosten an die Spitze der exemplarisch genannten Sonderlasten gestellt hat. Durch den engen Bezug der dem § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG korrespondierenden Regelung des § 20 Abs. 2 PostG zur Wettbewerbsregulierung zeigt sich mit bestechender Klarheit der ebenfalls wettbewerbsregulierende Charakter des Lizenzversagungsgrundes. cc) Zweck des Postgesetzes unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Hintergrundes Fragt man nach dem Regelungsziel einer Norm, so kann bereits die Analyse des Wortlauts der Vorschrift und ihrer systematischen Stellung im Gesetz sowie die Betrachtung der Normvorstellungen des historischen Gesetzgebers die gesuchte Antwort liefern. Darüber hinaus können jedoch auch teleologische Kriterien, insbesondere die Zwecke der gesetzlichen Regelung und das im Gesetz zum Ausdruck gekommene Rangverhältnis der Zwecke, und schließlich die der Regelung zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsprinzipien sowie Grundsätze von Verfassungsrang herangezogen werden 107. Einen Hinweis auf den Regelungsgehalt des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG kann man bereits in der ersten Vorschrift des Postgesetzes (§ 1 PostG) finden. § 1 PostG bestimmt, daß Zweck des Postgesetzes zum einen die Wettbewerbsförderung und zum anderen die Gewährleistung flächendeckend angemessener und ausreichender Dienstleistungen durch Regulierung im Bereich des Postwesens ist. Diese Festlegung in § 1 PostG entspricht den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 87f GG. Die Verpflichtung zur Dienstleistungsgewährleistung ist in Art. 87f Abs. 1 GG statuiert. Eine ausdrückliche Pflicht zur Wettbewerbsförderung enthält Art. 87f GG zwar nicht. Dennoch ist Art. 87f GG eine solche zu entnehmen. Sollen die gemäß Art. 87f Abs. 1 GG staatlich zu gewährleistenden Dienstlei106 Zu den sich aus dem Übergang vom Monopolunternehmen zum Anbieter im Wettbewerb ergebenden , Altlasten" vgl. Walter Maschke, Europäische Postpolitik im Hinblick auf nationale Regelungen, ZögU 1998,212ff.; auch Peter Badura, Wettbewerbsauf sieht und Infrastrukturgewährleistung durch Regulierung im Bereich der Post und Telekommunikation, in: Festschrift für Bernhard Großfeld, Heidelberg 1999, S. 43. 107 Karl Lorenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl., Berlin 1983, S. 266ff.
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stungen dauerhaft als privatwirtschaftliche Tätigkeit erbracht werden wie in Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG gefordert, so setzt diese private Wirtschaftstätigkeit zwingend wettbewerblich organisierte Marktstrukturen voraus 108. Solche Marktstrukturen sind dem Postsektor jedoch auf Grund der jahrhundertelangen Prägung durch das staatliche Verwaltungsmonopol fremd. Wettbewerblich organisierte Strukturen müssen nach Abschaffung dieses Monopols und Öffnung des Marktsegments der postalischen Dienste erstmals entwickelt werden. Solche Wettbewerbsstrukturen bilden sich jedoch nicht unmittelbar als notwendige Folge der Marktöffhung. Vielmehr ist es möglich und auf Grund der allgemeinen Wirtschaftslage sogar sehr wahrscheinlich, daß insbesondere in der Phase der Marktöffnung und während des Übergangs von der staatlichen Leistungsverwaltung hin zur privatwirtschaftlichen Tätigkeit marktbeherrschende Unternehmen entstehen. Diese dominierenden Unternehmen würden, so ist zu befürchten, die Entwicklung eines funktionsfähigen und chancengleichen Wettbewerbs unterbinden. Gelingt es jedoch nicht, einen stabilen Wettbewerb auf dem Postmarkt zu initialisieren, so kann die durch Art. 87f Abs. 1 GG statuierte Pflicht zur Dienstleistungsgewährleistung nicht dauerhaft erfüllt werden, ohne entgegen der Bestimmung des Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG zur staatlichen Leistungsverwaltung zurückzukehren. Berücksichtigt man diese notwendigen Zusammenhänge zwischen Art. 87f Abs. 1 GG und Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG, so muß man die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die Entwicklung eines funktionsfähigen und chancengleichen Wettbewerbes zu fördern, bejahen. Die durch Art. 87f GG verfassungsrechtlich zwingend vorgegebenen Handlungsaufträge, Dienstleistungsgewährleistung und Wettbewerbsförderung, wiederholt § 1 PostG klarstellend. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben prägen das gesamte Postgesetz und liegen somit auch dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG zugrunde. Allerdings werden in § 2 Abs. 2 Nrn. 1-5 PostG weitere Regelungsziele des Postgesetzes genannt. Nun könnte man annehmen, in § 2 Abs. 2 PostG habe der einfache Gesetzgeber zusätzliche Ziele in das Postgesetz aufgenommen, welche die verfassungsrechtlich zwingend vorgegebenen Zwecke ergänzen. Dann wäre, so könnte man weiter folgern, die in § 2 Abs. 2 Nr. 5 PostG genannte Berücksichtigung sozialer Belange ein eigenständiges Regelungsziel des Postgesetzes, das dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG zugrunde liegen könnte. Eine solche Annahme kann jedoch keinen Bestand haben. Betrachtet man die in § 2 Abs. 2 PostG aufgeführten Regelungsziele des Postgesetzes mit Blick auf die in § 1 PostG normierte Zwecksetzung, so wird deutlich, daß § 2 Abs. 2 PostG keine zusätzlichen Regelungsziele in das Postgesetz einführt. Jedes der in § 2 Abs. 2 PostG genannten Ziele läßt sich einem der in § 1 PostG aufgeführten Zwecke des Postgesetzes oder sogar beiden zugleich zuordnen. Denn sowohl im Rahmen der Wettbewerbsförderung als auch im Zuge der Dienstleistungsgewährleistung sind die Kundeninteressen und das Postgeheimnis zu wahren (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 PostG). Die in 108
Siehe oben B.III.2. Private Wirtschaftstätigkeit.
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§ 1 PostG genannte Zwecksetzung der Wettbewerbsförderung wird weiter durch § 2 Abs. 2 Nr. 2 PostG dahingehend konkretisiert, daß die Förderung des Wettbewerbs auf die Initiierung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs auch in der Fläche gerichtet sein soll. § 2 Abs. 2 Nr. 3 PostG korrespondiert dagegen mit der in § 1 PostG an zweiter Stelle genannten Zwecksetzung der Dienstleistungsgewährleistung. Diese Gewährleistung soll eine flächendeckende Grw/idversorgung zu erschwinglichen Preisen sicherstellen. Weiter läßt sich feststellen, daß sowohl die in § 2 Abs. 2 Nr. 4 PostG aufgeführte Wahrung der Interessen der öffentlichen Sicherheit als auch die in § 2 Abs. 2 Nr. 5 PostG genannte Berücksichtigung sozialer Belange sich jeweils beiden in § 1 PostG normierten Zwecken zuordnen lassen. Denn wettbewerbsorientierte Maßnahmen des Gesetzgebers und wettbewerbliche Aktivitäten der Marktteilnehmer können die öffentliche Sicherheit wie auch soziale Belange tangieren. Ebenso können Interessen der öffentlichen Sicherheit und soziale Belange im Rahmen der Dienstleistungsgewährleistung involviert sein. So sind beispielsweise soziale Belange sowohl hinsichtlich der Wettbewerbsförderung als auch der Gewährleistung angemessener und ausreichender Dienstleistungen dahingehend zu berücksichtigen, daß Preisnachlässe aus sozialen Gründen im Rahmen der Entgeltregulierung ermöglicht werden müssen109. Die Betrachtung der § 2 Abs. 2 Nrn. 1-5 PostG macht damit deutlich, daß diese keine Regelungsziele beinhalten, welche die Zwecksetzung des § 1 PostG erweitern. Diese in § 2 Abs. 2 PostG statuierten Regelungsziele sind den in § 1 PostG genannten Zwecken der Wettbewerbsförderung und Dienstleistungsgewährleistung vielmehr nachgeordnet und haben lediglich konkretisierende und erläuternde Funktion. Die beiden in § 1 PostG genannten Zwecke sind entsprechend der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art. 87f GG maßgeblicher Regelungsgehalt des Postgesetzes. Die Verwirklichung dieser Zwekke erfolgt gemäß § 1 PostG durch Regulierung im Bereich des Postwesens. Diese Regulierung wird durch § 2 PostG konkretisiert. § 2 Abs. 1 PostG normiert klarstellend den hoheitlichen Charakter der Regulierung, während § 2 Abs. 2 PostG erläuternde Hinweise zur Durchführung der Regulierung enthält. Im Rahmen dieser Regulierung sind die in § 2 Abs. 2 Nrn. 1-5 PostG genannten Einzelziele zu beachten, wie auch § 6 Abs. 2 Satz 1 PostG betont, ohne jedoch die vorrangigen Regulierungszwecke des § 1 PostG zu beeinflussen. Entsprechendes muß auch für den Regelungsgehalt des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG gelten. Dieser dient dem in § 1 PostG statuierten Regelungszweck der Wettbewerbsförderung und damit mittelbar der ebenfalls von § 1 PostG geforderten Dienstleistungsgewährleistung. In den Regelungsgehalt der Norm fließen dabei die in § 2 Abs. 2 Nr. 5 PostG genannten sozialen Belange ein. Diese Sichtweise lag auch bereits der Argumentation der Vertreter der SPD in der Ersten Lesung im Bundestag am 5.6.1997 zugrunde. Diese räumten ein, daß faire Wettbewerbsbedingungen auch deshalb erforderlich seien, um für die Mitarbeiterin109 Vgl. § 3 Abs. 5 PEntgV (Postentgeltregulierungsverordnung vom 22.11.1999, BGB1.I, S.2386.
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nen und Mitarbeiter der Deutsche Post AG eine sozialverträgliche Bewältigung des Strukturwandels zu ermöglichen 110. Abschließend ist festzustellen, daß auch die Analyse der im Postgesetz zum Ausdruck kommenden Zwecke und ihre dort normierte Rangfolge unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 87f GG den wettbewerbsregulierenden Gehalt des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG bestätigen. Die durch diese Norm reflexartig beeinflußten sozialen Belange tangieren den objektiven Regelungsgehalt jedoch nicht.
c) Zusammenfassung Die Untersuchung des mit dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG verfolgten legitimen Regelungszieles hat ergeben, daß die Vorschrift nach Wortlaut und Wirkungsweise wettbewerbsregulatorischen Gehalt aufweist und zugleich sozialpolitisch orientierte Aspekte umfaßt. Bereits der Wille des historischen Gesetzgebers läßt jedoch klar erkennen, daß den sozialen Belangen eine lediglich untergeordnete Rolle zukommt und das eigentliche Regelungsziel des Lizenzversagungsgrundes die Wettbewerbsregulierung ist. Dieser Wille des Gesetzgebers findet konsequenterweise Ausdruck in der dem § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG korrespondierenden Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG zur Entgeltregulierung. Die Untersuchung der in § 1 PostG genannten Zwecke der Regulierung des Postmarktes nach dem Postgesetz sowie die Betrachtung der verfassungsrechtlichen Grundlagen des Postgesetzes (Art. 87f GG) lassen die wettbewerbsregulierende Funktion des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit bestechender Klarheit hervortreten. Die Berücksichtigung sozialer Belange (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 PostG) stellt im Rahmen der Wettbewerbsregulierung zur Verhinderung beschäftigungspolitisch motivierter Wettbewerbsverzerrungen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG nur ein zu berücksichtigendes Anliegen des einfachen, an das verfassungsrechtliche Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG) gebundenen Gesetzgebers dar. Die Berücksichtigung sozialer Belange bestimmt jedoch keineswegs den Regelungsgehalt der Norm. Der Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG ist daher ausschließlich als wettbewerbsregulierende Norm zu qualifizieren.
110 Hans Martin Bury , Deutscher Bundestag, 178. Sitzung vom 5.6.1997, Plenarprotokoll 13/178, S. 16080.
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4. Geeignetheit a) Allgemeines Das Gebot der Geeignetheit verlangt den Einsatz solcher Mittel, mit deren Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann 111 . Von der Eignung einer gesetzgeberischen Maßnahme ist bereits auszugehen, wenn die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, daß der angestrebte Erfolg eintritt. Nicht zu verlangen ist dagegen der Einsatz des bestmöglichen Mittels 112 . Ausreichend ist somit jede Zweckförderung, selbstverständlich gerade im Hinblick auf das der Norm zugrunde liegende Regelungsziel 113 . Dem Gesetzgeber steht insofern eine weitreichende Einschätzungsprärogative zu 114 . Besonders der politische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gebietet eine zurückhaltende Beurteilung der Frage nach der Geeignetheit einer Maßnahme. Insbesondere ist das Arbeiten mit unzureichendem Zahlenmaterial, sofern solches mit zumutbarem Aufwand nicht zu beschaffen ist, unter Berücksichtigung des prognostischen Elements der Eignungsbeurteilung unbedenklich115. b) Die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG Die Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG versucht, den aufgezeigten Problemen durch das Aufgreifen der bei der Deutsche Post AG vorgefundenen Besonderheiten der Personalstruktur gerecht zu werden. In den auf die Umwandlung folgenden Jahren, in diesen ist auch die Bindung der Deutsche Post AG in personeller Hinsicht naturgemäß noch am stärksten ausgeprägt, hält die Deutsche Post AG als Nachfolger des vormaligen Monopolisten Deutsche Bundespost einen überproportionalen Marktanteil und übt damit maßgeblichen Einfluß auf die für diesen Wirtschaftszweig üblichen Arbeitsbedingungen im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG aus116. Von den nach den allgemeinen arbeits- und sozialrechtlichen Vorgaben zulässigen Möglichkeiten zur Einsparung von Personalkosten mittels entsprechender Gestaltung der Arbeitsbedingungen wird die Deutsche Post AG als nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten geführtes, gewinnorientiertes Unternehmen in »» BVerfGE 16, 147 (183); 30, 292 (316); 67, 157 (173). 112 Sachs, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 20 GG Rdnr. 98 m. w. N.; Jarass, in: Hans Jarass/Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 1997, Art. 20 GG Rdnr. 59. 113 Rudolf Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, Hamburg 1975, S. 143. 114 Roman Herzog, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band I, München 1998, Art. 3 GG Anh. Rdnr. 62; Sachs, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 20 GG Rdnr. 98; Breuer, in: HdbStR Band VI, § 148 Rdnr. 14ff. 115 Herzog, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band I, 1998, Art. 3 GG Anh Rdnr. 62; Sachs, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 20 GG Rdnr. 98. 116 Von Danwitz, Alternative Zustelldienste und Liberalisierung des Postwesens, 1999, S. 136. 6 Jochum
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dem Umfang Gebrauch machen, der sich mit den gewachsenen - und durch die Umwandlung auf die Deutsche Post AG übergegangenen - personalrechtlichen Bindungen vereinbaren läßt 117 . In diesem Rahmen sind die arbeits- und sozialrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, als im lizenzierten Bereich üblich, auch den Konkurrenten der Deutsche Post AG zugänglich. Jedoch dürfen sich die Konkurrenzunternehmen dieser Instrumente nicht in stärkerem Umfang bedienen als die Deutsche Post AG oder auf etwaige andere Instrumente zugreifen, welche der Deutsche Post AG aufgrund ihrer besonderen Personalstruktur gänzlich verwehrt sind. Die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG setzt somit einen Mechanismus in Gang, auf Grund dessen der Deutsche Post AG die Funktion eines „Schrittmachers" hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitsbedingungen im lizenzierten Bereich zuwächst. Damit wird ein über die Personalkosten geführter Wettbewerb ausgeschlossen. Die Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG ist somit geeignet, der Absicherung des Privatisierungsprozesses und einer moderaten Initiierung eines fairen und funktionsfähigen Wettbewerbs zu dienen. Dagegen wäre sie als völlig ungeeignetes Instrument zur Sicherung sozialer Besitzstände der Beschäftigten der Deutsche Post AG zu qualifizieren, da die Deutsche Post AG auf Grund ihres überragenden Marktanteils das Tatbestandsmerkmal der Üblichkeit selbst bestimmt. Die Vorschrift ist also nur mit der Verfassung vereinbar, wenn man ihr das hier zugrunde gelegte Verständnis beimißt.
5. Erforderlichkeit a) Allgemeines Die Erforderlichkeit einer Maßnahme ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung allgemein dann zu bejahen, wenn das Ziel der staatlichen Maßnahme nicht durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann, das das betreffende Grundrecht nicht oder weniger fühlbar einschränkt 118. Von gleicher Wirksamkeit ist dabei auszugehen, wenn die ergriffene Maßnahme die Erfolgswahrscheinlichkeit in gleichem Maße steigert und sich somit als gleichwertige Alternative darstellt 119. Diese Prüfungsstufe enthält somit allgemein nur die Frage nach der „relativen" Erforderlichkeit einer Maßnahme. Dabei ist der Vorrang defensiver Maßnahmen der Wirtschaftsaufsicht, vor offensiven Maßnahmen der Lenkung und Planung zu beachten120. Das Bundesverfassungsgericht nun hat bezüglich der Legitimation von Eingriffen in die Berufswahlfreiheit das Erfordernis aufgestellt, die Maßnahme müsse zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes „zwingend gebo117
Walgenbach, ZTR 1998,481. BVerfGE 53,135 (145 ff.); 68,193 (219). 119 Sachs, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 20 GG Rdnr. 100. 120 Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band 1,1998, Art. 12 GG Rdnr. 384. 118
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ten " sein 121 . Es stellt sich die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht damit eine im Vergleich zur allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung gesteigerte Eingriffsvoraussetzung im Sinne einer „absoluten Notwendigkeit gesetzgeberischen Tätigwerdens" proklamiert hat. Durchforstet man nun die dem ,Apothekenurteil" nachfolgenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 122 in dieser Hinsicht, so wird jedoch deutlich, daß das Gericht an der allgemeinen „relativen" Erforderlichkeitsprüfung festhält. Die Bezugnahme auf die zwingenden Erfordernisse kann vielmehr als Hinweis auf die Notwendigkeit eines im Rahmen der Angemessenheitsprüfung zu erörternden gesteigerten Schutzbedürfnisses verstanden werden 123. b) Alternativen Im vorliegenden Fall der Privatisierung des Postsektors kommt als Alternative zur Einführung der Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG der völlige Verzicht auf eine entsprechende Vorschrift in Betracht. Denkbar wäre weiter die Statuierung einer (bloßen) Ausübungsregelung oder die Einführung eines Ausgleichszahlungssystems, vergleichbar dem im Rahmen der Eisenbahnneuordnung geschaffenen Zuweisungsmodell mit Ausgleichszahlung. Auch wäre eine Subventionierung der Deutsche Post AG oder die Einführung einer allgemeinen Bedürfnisprüfung für potentielle Anbieter von Postdienstleistungen in Betracht zu ziehen, und nicht zuletzt könnte man die Statuierung einer allgemeinen Sozialversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte erwägen. aa) Verzicht auf eine dem § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG entsprechende Regelung Betrachtet man das Privatisierungsprojekt Deutsche Bundespost in seiner Ganzheit, so drängt sich die Frage auf, ob die Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz verzichtbar gewesen wäre. Denn im Rahmen der Privatisierung des Verwaltungsmonopols Deutsche Bundespost erfolgte neben der Öffnung des Postmarktes für den Wettbewerb eine vergleichbare Liberalisierung des Marktes der Telekommunikationsdienstleistungen. In diesem Zusammenhang wurde die Einführung einer dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG entsprechenden Regelung für den Telekommunikationsmarkt jedoch nicht für notwendig erachtet. Aber auch im Rahmen der Privatisierung der Postbank AG wurde, obwohl diese ebenso wie die Deutsche Telekom AG und die Deutsche Post AG als Nachfolgeunternehmen der ehemaligen Deutschen Bundespost am Markt auftritt, eine dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG entsprechende Regelung nicht diskutiert. Um die Frage zu beantworten, ob 121
BVerfGE 7, 377 (405). »22 BVerfGE 9, 39 (57, 62); 21,245 (251 f.); 25,1 (17f.). 123 Wendt, AöR 104 (1979), 414 (429). 6*
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der Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG verzichtbar wäre, soll zunächst die Privatisierung des Telekommunikationsmarktes und die Situation der Telekom AG näher betrachtet und im Anschluß daran die Lage der Postbank AG beleuchtet werden. (1 ) Telekom AG Für den Bereich der Telekommunikation kommt dem Telekommunikationsgesetz (TKG) vom 25.7.1996124 die dem Postgesetz für den Postsektor entsprechende Bedeutung zu 125 . Das Telekommunikationsgesetz enthält keine dem § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG vergleichbare Regelung. Man könnte daher auch für den Bereich der postalischen Dienstleistungen den Verzicht auf eine dem § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG entsprechende Regelung in Betracht ziehen. Fraglich ist allerdings, ob im Bereich des Telekommunikationsmarktes eine dem Postmarkt vergleichbare Konstellation vorliegt. Zunächst läßt sich feststellen, daß die Ausgangssituation der beiden Privatisierungsprojekte gleichermaßen von dem Verwaltungsmonopol der Deutschen Bundespost geprägt war. In beiden Fällen sollen erwerbswirtschaftliche Strukturen und freier Wettbewerb in bislang monopolistisch organisierten Märkten geschaffen werden. Die Telekom AG trat, bezogen auf den Produktionsbereich Telekommunikationsdienste, im Rahmen dieses Neuorientierungsprozesses ebenso die Nachfolge des Verwaltungsmonopolisten Deutsche Bundesost an wie die Deutsche Post AG für den Bereich der postalischen Dienste. Die Deutsche Telekom AG und die Deutsche Post AG übernahmen, jeweils bezogen auf ihren Leistungsbereich, mit Beginn ihres Geschäftsbetriebes den überwiegenden Personalbestand der Deutschen Bundespost. Daher unterscheiden sich die Personalstruktur wie auch die beamten- und tarifrechtlichen Bindungen der beiden Unternehmen nur unwesentlich. Vor diesem Hintergrund könnte man annehmen, daß der Start in den Wettbewerb für beide Nachfolgeunternehmen mit den gleichen Schwierigkeiten und Hemmnissen verbunden sein müßte. Man könnte weiter davon ausgehen, daß sich in beiden Sektoren die gleiche Problematik der beschäftigungspolitisch motivierten Wettbewerbsverzerrungen ergeben müßte. Die Frage nach der Erforderlichkeit eines Lizenzversagungsgrundes entsprechend der Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG könnte dann für beide Teilmärkte nur einheitlich beantwortet werden. Diese Annahmen treffen jedoch nicht zu. Sie vernachlässigen, daß sich die beiden Marktsequmente, Telekommunikationsdienste und Postdienste, trotz der gemeinsamen historischen Wurzeln in zahlreichen Punkten erheblich unterscheiden. Zunächst ist festzuhalten, daß der Teilmarkt Telekommunikationsdienste, im Gegensatz zum Postmarkt 126, als Wachstumsbranche zu qualifizieren ist. Dies folgt ins124
BGBl. I, S. 1120. Christoph HiltllKlaus Großmann, Grundfragen des neuen deutschen Telekommunikationsgesetzes, BB 1996, 169 ff. 126 Deutscher Bundestag, 197. Sitzung vom 9.10.1997, Plenarprotokoll 13/197, S. 17793. 125
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besondere aus der Zukunftsorientierung der Telekommunikationsbranche, aber auch aus dem veränderten Verbraucherverhalten der jüngeren Generationen. Aus der zukunftsorientierten Prägung des Telekommunikationsmarktes resultiert für die in diesem Sektor tätigen Unternehmen die Notwendigkeit, sich ständig und intensiv in den Bereichen Forschung und Entwicklung neuer Technologien zu engagieren und für Erhalt, Modernisierung und Ausbau ihrer Infrastruktureinrichtungen Sorge zu tragen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit am Markt zu sichern und auszubauen127. Diesen Anforderungen können auf Grund der mit diesen Maßnahmen verbundenen finanziellen Belastungen nur finanzstarke Unternehmen genügen128. Dieser hohe Kapitalbedarf im Bereich der Telekommunikationswirtschaft führt dazu, daß ausschließlich etablierte Unternehmen (ζ. B.: Mannesmann, Sandoz, Siemens, Tele Danmark 129) als Konkurrenten der Deutsche Telekom AG auftreten. Diese Unternehmen unterliegen regelmäßig umfangreichen arbeits- und sozialrechtlichen wie auch tarifvertraglichen Bindungen. Wettbewerbsverzerrungen auf Grund eines massenhaften Ausweichens auf sozialversicherungsfreie geringfügige Beschäftigungsverhältnisse erscheint bereits deshalb fernliegend. Mit einem solchen massenhaften Ausweichen auf sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse und den daraus folgenden Wettbewerbsverzerrungen ist im Telekommunikationsmarkt jedoch noch aus einem weiteren Grund nicht zurechnen. Der Personalbedarf eines Unternehmens im Bereich der Telekommunikationsdienstleistung unterscheidet sich grundlegend von dem Bedarf eines Unternehmens der Postbranche. Der Telekommunikationssektor zeichnete sich auf Grund der Zukunftsorientierung des Marktes durch einen hohen Qualifikationsanspruch 130 aus. In den Jahren 1996/1997 sind im Sektor Informationswirtschaft 102.000 Arbeitsplätze geschaffen worden, für das Jahr 1998 sollen weitere 91.000 hinzukommen. 1998 machte sich daher bereits ein Mangel an Fachkräften bemerkbar 131. Unternehmen, die auf hochqualifiziertes Personal angewiesen sind, können naturgemäß ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht durch Senkung der Personalkosten steigern. Ein massenhaftes Ausweichen auf geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ist aus diesem Grund ausgeschlossen. Diese grundsätzlichen Unterschiede hinsichtlich Wettbewerbssituation und Personalbedarf belegen, daß die Situation der Deutsche Telekom AG mit der Ausgangslage der Deutsche Post AG nicht vergleichbar ist. Nach Öffnung des Telekommunikationsmarktes war in diesem Marktsequment auf Grund der Unterschiede nicht mit den Wettbewerbsverzerrungen zu rechnen, die man im Postmarkt befürchten mußte. Der Verzicht auf eine dem § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG vergleichbare Re127
Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, 1999, S.45. Gröner/Knorr, in: Liberalisierung, S.232. 129 Übersicht bei: Geppert/Rühle!Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, 1998, S. 165ff. 130 Lutz M. Büchner, Arbeitsrechtliche Beziehungen im Telekommunikationssektor der Deutschen Bundespost, ZögU 1991,401 (406f.). 131 Angabe nach Klaus S che urie, Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, Handelsblatt vom 15.9.1998 und 16.9.1998; Büchner, a. a. O., 401 (408). 128
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gelung im Telekommunikationsgesetz war daher geboten. Hinsichtlich des Postgesetzes stellt ein Verzicht jedoch keine geeignete Alternative zur Einführung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG dar. (2) Postbank AG Im Geschäftsbereich der Postbank AG findet keine dem Markt der postalischen Dienste vergleichbare Monopolauflösung statt132. Vielmehr mußte sich das Vorgängerunternehmen der Postbank AG, die Deutsche Bundespost POSTBANK, bereits in der Vergangenheit im Wettbewerb mit den privaten und öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten behaupten. Daher mußte bereits die Geschäftsleitung der Deutsche Bundespost POSTBANK erkennen, daß ein Unternehmen des Bankensektors erwerbswirtschaftlich orientiert agieren muß. Entsprechend dieser Einsicht wurde bereits in den (letzten) Jahren vor der Privatisierung der Deutsche Bundespost POSTBANK mit einer marktgerechten Anpassung und Modernisierung der Angebotspalette, der innerbetrieblichen Abläufe, des äußeren Erscheinungsbildes und nicht zuletzt des Personalbestandes begonnen. Der Anteil beamteter Mitarbeiter am Gesamtpersonal wurde allmählich reduziert 133. Daher ist der mit der Privatisierung notwendig verbundene Umstellungsprozeß für das Nachfolgeunternehmen Deutsche Postbank AG wesentlich leichter zu bewältigen als für die Deutsche Post AG. Der Übergang der Postbank AG in die Privatwirtschaftlichkeit wird zusätzlich durch die weitgehende tarifrechtliche Bindung der Wettbewerber des Unternehmens begünstigt. Nahezu alle Banken und Versicherungen, die auf dem deutschen Bankenmarkt tätig werden, beschäftigen ihre Mitarbeiter auf der Basis umfangreicher und weitgehend brancheneinheitlicher Tarifverträge. Diese umfassenden tarifrechtlichen Bindungen des privaten Bankgewerbes schließen Wettbewerbsverzerrungen durch massenhaftes Ausweichen in sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse, wie sie nach der Öffnung des Postsektors zu befürchten sind, aus. Eine über dem Personalkostenniveau des privaten Bankgewerbes liegende Belastung der Postbank AG auf Grund divergierender tarifrechtlicher Regelungen ist ebenfalls nicht zu erwarten. Die für die Postbank AG maßgeblichen tarifrechtlichen Regelungen unterscheiden sich nur in einigen wenigen Punkten von denen, die für das private Bankgewerbe gelten. Diese geringfügigen Unterschiede konnten darüber hinaus bereits im September 1997 durch Abschluß eines neuen Manteltarifvertrages durch die Postbank AG weitgehend beseitigt werden 134. Damit ist festzustellen, daß sich die Situation der Postbank AG nach der Privatisierung völlig anders darstellt als die Lage der Deutsche Post AG. Der im Rahmen der Privatisierung der Postbank AG gebotene Verzicht auf wettbewerbsregulierende Maßnahmen hinsichtlich der im 132 Klaus Pohl, Die Privatisierung der öffentlichen Unternehmen DBP, Postdienst, Postbank und Telekom im Zuge der Postreform II, ZögU 1995, 239 (244). 133 Geschäftsbericht der Postbank AG 1996, S. 32. 134 Pressemitteilung der Postbank AG vom 11.9.1997.
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Bankensektor üblichen Arbeitsbedingungen - da solche nicht erforderlich waren - erscheint auf Grund der im Rahmen der Privatisierung der Deutsche Post AG zu befürchtenden beschäftigungspolitisch motivierten Wettbewerbsverzerrungen dagegen nicht vertretbar. Abschließend ist festzuhalten, daß der völlige Verzicht auf eine dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG entsprechende Regelung für den Bereich der postalischen Leistungen nicht in Betracht kommt.
bb) Statuierung einer Ausübungsregelung Das Anliegen, bestimmte Arbeitsbedingungen im lizenzierten Bereich sicherzustellen, könnte grundsätzlich auch durch Aufnahme einer entsprechenden Nebenbestimmung (§ 36 VwVfG) im Rahmen der jeweiligen Erlaubniserteilung umgesetzt werden 135. Eine solche Maßnahme wäre lediglich als Berufsausübungsregelung im Sinne der „Stufentheorie" des Bundesverfassungsgerichts 136 zu qualifizieren 137 . Eine Berufsausübungsregelung berührt das Grundrecht der Berufsfreiheit regelmäßig weniger intensiv als eine subjektive Berufszulassungsregelung und ist daher grundsätzlich als milderes Mittel vorzuziehen. Für die Annahme, daß die Sicherung bestimmter Arbeitsbedingungen im lizenzierten Bereich mittels Beifügung entsprechender Nebenbestimmungen das Grundrecht der Berufsfreiheit weniger intensiv beeinträchtigen würde als die Statuierung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, spricht auch, daß die Beifügung einer Nebenbestimmung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 PostG im Ermessen der Behörde steht, während § 6 Abs. 3 PostG zu einer gebundenen Entscheidung führt. Man könnte annehmen, daß eine Ermessensentscheidung auf Grund des Spielraumes der Behörde, der eine flexible Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles erlaubt, den Betroffenen weniger hart trifft als die kategorische Entscheidungsfindung nach § 6 Abs. 3 PostG. Zu berücksichtigen ist hier jedoch, daß auch und gerade § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG durch die in der Vorschrift enthaltene Vielzahl unbestimmter und auslegungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale ebenfalls eine flexible Handhabung der Lizenzerteilung auf Grund wertender Berücksichtigung der im Einzelfall maßgeblichen Gesichtspunkte durch die Regulierungsbehörde zuläßt. Fraglich erscheint weiter, ob die Beifügung einer Nebenbestimmung auch faktisch weniger schwer wiegen würde als die Statuierung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG. Formal unterscheiden sich beide Gestaltungsweisen, da die Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG die Erteilung der begehrten Lizenz von vornherein ausschließt, während der Verstoß gegen die Nebenbestimmung erst nachträglich festgestellt werden kann und den Bestand der Erlaubnis bis zu ihrem Widerruf unberührt läßt. Berücksichtigt man jedoch die prak135
Siehe oben F.IV2.d). Abgrenzung. BVerfGE 7, 377 ff. 137 So auch Matthias Ruffert, Regulierung im System des Verwaltungsrechts, AöR 124 (1999), 237 (269). 136
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tischen Gegebenheiten, insbesondere das Abstellen auf Tatsachen, welche die Annahme einer Nichteinhaltung rechtfertigen, so ergibt sich, daß auch im Rahmen des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG regelmäßig eine Prüfung der Einhaltung der geforderten Voraussetzungen erst nachträglich stattfinden kann. Unternehmen, die Postdienstleistungen erbringen wollen, bedürfen regelmäßig keines umfangreichen Anlagevermögens, dessen Anschaffung eine langfristige Planung und Finanzierung erfordern würde. Die Beförderungsleistungen lassen sich mit relativ geringem und daher auch kurzfristig realisierbarem Einsatz von Produktionsmitteln erbringen. Ebenso ist die Personalbeschaffung wenig planungsintensiv. Auf Grund des überwiegend geringen Qualifikationsanspruchs sind gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit auch die notwendigen Mitarbeiter kurzfristig zu gewinnen. Die Prüfung der den Betrieb kennzeichnenden Arbeitsbedingungen erscheint daher erst nach Installierung der betrieblichen Organisations- und Personalstrukturen möglich 138 . Da andererseits auch der Verstoß gegen eine der Lizenz beigefügten Nebenbestimmung letztendlich, wenn möglicherweise auch mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, zum Verlust der Erlaubnis führt (§ 9 Abs. 1 PostG), ist im vorliegenden Fall die Gestaltung in Form einer Nebenbestimmung faktisch nicht weniger einschneidend als die gewählte Variante des Lizenzversagungsgrundes. Zieht man zusätzlich Umfang und Intensität des jeweils gegebenen Rechtsschutzes mit in die Betrachtung ein, so zeigt sich auch hier, daß die Statuierung einer Nebenbestimmung nicht als milderes Mittel anzusehen wäre. Denn die mit der Beifügung einer Nebenbestimmung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 PostG verbundene Ermessensausübung der Behörde kann vom Gericht nur hinsichtlich der Einhaltung der Ermessensgrenzen überprüft werden. Die auf der Auslegung unbestimmter Tatbestandsmerkmale basierende Entscheidung der Behörde nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG ist dagegen der gerichtlichen Kontrolle in vollem Umfang zugänglich 139 . Die Statuierung einer Nebenbestimmung ist deshalb nicht als milderes Mittel anzusehen140, da die Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz den potentiellen Lizenznehmer faktisch nicht stärker belastet als die Beifügung einer entsprechenden Nebenbestimmung im Rahmen der Lizenzerteilung und ihm diese gewählte Gestaltungsform darüber hinaus umfassenderen Rechtsschutz gewährt.
138
Von Danwitz, Alternative Zustelldienste und Liberalisierung des Postwesens, 1999, S. 136.; Peter Badura, in: Β eck'scher PostG-Kommentar, hrsg. v. Peter Badura, Thomas von Danwitz, Matthias Herdegen, Joachim Sedemund, Klaus Stern, München 2000, § 6 PostG Rdnr. 26 a.E.; siehe oben VII.2f)aa) Die Lizenzerteilung, cc) Bewertung. 139 Von Danwitz, Alternative Zustelldienste und Liberalisierung des Postwesens, 1999, S. 147 ff. 140 A.A. Puffert, AöR 124 (1999), 237 (268f.).
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cc) Regelung entsprechend dem Zuweisungsmodell mit Ausgleichszahlung bei der Deutsche Bahn AG Auf der Suche nach Alternativen, die das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG weniger stark beeinträchtigen als die Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz erscheint die Betrachtung eines weiteren umfangreichen Privatisierungsprojektes sinnvoll. Gemeint ist das Privatisierungsprojekt Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn141. Denn die grundlegende Neustrukturierung und -Organisierung der Sondervermögen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn stellte den Gesetzgeber vor ähnliche Herausforderungen und Schwierigkeiten wie die Neuordnung des Postsektors. In beiden Fällen war die Privatisierung eines historischen Staatsbetriebes zu bewältigen. Die Neuordnung des Eisenbahnwesens machte ebenfalls eine Grundgesetzänderung erforderlich. Diese wurde am 20.12.1993 durch Einfügung des Art. 87e GG vorgenommen 142 . Am 27.12.1993 folgte dann das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz - ENeuOG)143. Das Eisenbahnneuordnungsgesetz beruht auf den gleichlautenden Entwürfen der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und F.D.P. 144 und der Bundesregierung 145 zu einem Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens. Ziel der Strukturreform war die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen, um diese in die Lage zu versetzen, an dem erwarteten künftigen Verkehrswachstum verstärkt teilzuhaben und die dem Bund erwachsende Haushaltsbelastung zurückzuführen. Dazu wurden beide Sondervermögen zu einem einheitlichen Bundeseisenbahnvermögen zusammengefaßt, welches zunächst intern in einen unternehmerischen Bereich sowie einen Verwaltungsbereich gegliedert wurde. Sodann erfolgte die Gründung der Deutsche Bahn AG. Dem Bundeseisenbahnvermögen verblieb danach nur noch der Verwaltungsbereich. Das Privatisierungsvorhaben wurde ebenso wie die Postprivatisierung durch mehrere Entwicklungen ausgelöst. Zum einen lassen das Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands, die fortschreitende Integration Europas im Westen durch Vollendung des Binnenmarktes 146 wie auch die Öffnung der Grenzen nach Osteuropa ein verstärktes Verkehrsaufkommen erwarten. Zum anderen werden gerade auch im Verkehrsbereich wachsende Anforderungen zum Schutze der Umwelt gestellt. Ziel des Eisenbahnneuordnungsgesetzes war daher, das Schienenverkehrssystem so zu gestalten, daß - „... sowohl unternehmerisch-betriebswirtschaftliche Zielsetzungen mit positiven wirtschaftlichen Ergebnissen erreicht werden können, die zu einer Entlastung der öffentlichen Haushalte führen, 141
Zum Ganzen Hanspeter Benz, Postreform II und Bahnreform - Ein Elastizitätstest für die Verfassung, DöV 1995,679ff. 142 BGBl. I,S. 2089. 143 BGB1.I, S.2378. 144 BT-Drucks. 12/4609 (neu). 145 BT-Drucks. 12/5014. 146 EG-Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29.7.1991.
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F. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art. 12 Abs. 1 GG
- als auch der Schienenverkehr als wettbewerbsfähige und attraktive Alternative im Verbund mit anderen Verkehrsträgern die an ihn gerichteten Anforderungen ökonomisch und ökologisch wirkungsvoll erfüllen kann. ,.." 147
Der freie Wettbewerb wurde als Voraussetzung einer effizienten Leistungserstellung angestrebt und sollte durch den verstärkten Einsatz privaten Kapitals belebt werden. „... Das Auftreten neuer privater Unternehmen auf dem Schienennetz wird - wie auch bei anderen Verkehrsträgem - die Kräfte des Wettbewerbs mehr als bisher freisetzen und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene steigern. ,.." 148
Damit ist eine der Privatisierung des Postsektors grundsätzlich vergleichbare Zielsetzung zu erkennen. Vergleicht man jedoch die den beiden Privatisierungsprojekten - Deutsche Bundespost und Deutsche Bundesbahn/Deutsche Reichsbahn - jeweils zugrunde liegenden Ausgangssituationen, so lassen sich doch auch erhebliche Unterschiede zwischen den beiden Vorhaben erkennen. Die Eisenbahnen verfügten zwar über eine Monopolstellung hinsichtlich des Schienenverkehrs. Jedoch hatten sie nur noch einen relativ geringen Marktanteil an den Verkehrsleistungen aller Verkehrsträger. Im Güterfernverkehr betrug der Anteil der Deutschen Bundesbahn 1993 noch rund 25% (1960 rund 44%), im Personenverkehr nur noch 6% (1960 rund 16%). Die Deutsche Reichsbahn hatte nach dem Ende der Planwirtschaft einen drastischen Verkehrseinbruch erfahren. Die Verkehrsleistung sank im Personenverkehr zwischen 1989 und 1991 um rund 58 %, im Güterverkehr sogar um fast 70 %. Damit kann nicht mehr von einer Monopolstellung der Eisenbahnen im Bereich der Verkehrsleistungen gesprochen werden. Diese Entwicklung, das Ausweichen der potentiellen Kunden auf andere Verkehrsträger, ist allerdings mit eine Folge der verwaltungsorientierten Struktur der Eisenbahnen. Diese erlaubte ihnen nicht, an dem sich wandelnden Marktgeschehen teilzuhaben und auf die veränderten Bedürfnisse der Kunden flexibel und angemessen zu reagieren. Für die Jahre 1994 bis 2003 war vielmehr mit einer weiteren Belastung der öffentlichen Haushalte in Höhe von rund 139 Milliarden D M zu rechnen 149. Somit hatte die monopolistisch geprägte Struktur bereits zu einem drastischen Bedeutungsverlust der Deutschen Eisenbahnen geführt, während ein solcher Verlust bei dem Verwaltungsmonopolisten Deutsche Bundespost (noch) nicht zu verzeichnen war. Die Bundeseisenbahnen sollten durch das Eisenbahnneuordnungsgesetz mit einer grundlegend veränderten Struktur ausgestattet werden, um so die Rahmenbedingungen einer nachhaltigen Steigerung der Innovations- und Leistungskraft des Schienenverkehrs zu schaffen und das Bestehen der Bundeseisenbahnen im Konkurrenzkampf zu sichern. Zu be147 Amtliche Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU sowie der F.D.P. vom 23.3.1993 BT-Drucks. 12/4609 (neu), S.53. 148 Amtliche Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU sowie der F.D.P. vom 23.3.1993 BT-Drucks. 12/4609 (neu), S.53. 1 Amtliche Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU sowie der F.D.P. vom 23.3.1993 BT-Drucks. 12/4609 (neu), S . .
IV. Rechtfertigung
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rücksichtigen war auch, daß sich der Konkurrenzdruck weiter verschärfen wird, da die deutsche Straßengüterverkehrswirtschaft selbst zunehmend unter Leistungsdruck seitens der ausländischen Konkurrenz gerät. Voraussetzung einer erfolgreichen Strukturreform war somit die Schaffung einer gesunden finanziellen Basis einerseits und andererseits der notwendigen Unternehmensstrukturen für ein kaufmännisch geführtes, nach betriebswirtschaftlichen Maximen agierendes Wirtschaftsunternehmen Bahn. Nun stellte sich auch hier das Problem der Personalüberleitung. Die neu gegründete Gesellschaft benötigte unmittelbar bei Betriebsaufnahme das beim Bundeseisenbahnvermögen vorhandene erfahrene und ausgebildete Personal. Da nicht absehbar war, wie viele der Beschäftigten von der Möglichkeit eines freiwilligen Wechsels zu dem neuen Unternehmen Gebrauch machen würden, wies man das beamtete Personal des Bundeseisenbahnvermögens - unter Wahrung der Rechtsstellung der Beschäftigten als Bundesbeamter (oder Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst) - kraft Gesetzes durch § 12 Abs. 2 Deutsche Bahn Gründungsgesetz (DBGrG) 150 der neuen Aktiengesellschaft zu. Somit erübrigte sich eine dem Postneuordnungsgesetz vergleichbare Beleihung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Postpersonalrechtsgesetz151) des privaten Unternehmens mit Dienstherrenbefugnissen. Die Dienstherrenbefugnisse werden vielmehr vom Bundeseisenbahnvermögen (BEV) wahrgenommen. Die Deutsche Bahn AG ist gemäß § 12 Abs. 5 DBGrG allerdings zur Unterstützung des Bundeseisenbahnvermögens und zur Auskunftserteilung verpflichtet. Lediglich die Ausübung des Anordnungsrechtes des Vorgesetzten in Angelegenheiten der Arbeitsleistung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) 152 wurde der Gesellschaft überlassen, um einen flexiblen Arbeitseinsatz und einen reibungslosen Betriebsablauf zu gewährleisten 153. Eine Erweiterung der Befugnisse der Deutsche Bahn AG ist allerdings nach § 12 Abs. 6 Satz 2 DBGrG möglich. Durch diese Norm wird das Bundesministerium für Verkehr ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welche weiteren beamtenrechtlichen Entscheidungen der Deutsche Bahn AG zur Ausübung übertragen werden. Weiter übernahm die Deutsche Bahn AG auch alle nicht beamteten Mitarbeiter der Vorgängerunternehmen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn. Gemäß § 14 Abs. 2 DBGrG trat die Deutsche Bahn AG mit ihrer Eintragung in das Handelsregister in die bestehenden Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse ein. Die zu diesem Zeitpunkt geltenden Tarifverträge behielten nach § 14 Abs. 3 DBGrG ihre Maßgeblichkeit. Im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit des erwerbswirtschaftlich orientier150
Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (Deutsche Bahn Gründungsgesetz - DBGrG) verkündet als Art. 2 des ENeuOG, BGBl. 1 1993, S. 2392. 151 Gesetz zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost (Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG) - Art. 4 des PTNeuOG, BGBl. I, S. 2353. 152 Bundesbeamtengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 31.3.1999, BGBl. I, S.675. 153 Amtliche Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU sowie der F.D.P. vom 23.3.1993 BT-Drucks. 12/4609 (neu), S.82.
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ten Unternehmens Deutsche Bahn AG mußte eine Entlastung des Unternehmens von den Personalaufwendungen erfolgen, die sich aus der Struktur und Höhe der Beamtenbesoldung154 sowie den übernommenen tarifrechtlichen Bindungen ergeben. Diese Entlastung wird durch das in § 21 DBGrG statuierte Ausgleichssystem erreicht. Danach hat die Deutsche Bahn AG nur die Personalkosten zu tragen, die entstehen würden, wenn sie ihr Personal unmittelbar und ohne historisch bedingte Vorgaben beschränkt vom freien Arbeitsmarkt rekrutieren könnte155. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 DBGrG leistet die Deutsche Bahn AG an das Bundeseisenbahnvermögen für die ihr nach § 12 Absätze 2 und 3 DBGrG zugewiesenen Beamten Zahlungen in Höhe der Aufwendungen, die sie für die Arbeitsleistung vergleichbarer, von der Gesellschaft neu einzustellender Arbeitnehmer unter Einbeziehung der Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung sowie der betrieblichen Altersversorgung erbringt oder erbringen müßte. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 4 DBGrG gilt diese Regelung auch, soweit Zahlungen auf Grund der nach § 14 Abs. 3 DBGrG fortgeltenden Tarifverträge zu leisten sind. Weiter erhält die Deutsche Bahn AG eine Ausgleichszahlung, soweit auf Grund des technisch-betrieblichen Rückstandes der Deutschen Reichsbahn ein erhöhter Personalbedarf entsteht (§21 Abs. 5 Nr. 1 DBGrG). In der amtlichen Begründung wird die verklausulierte Regelung wie folgt erläutert: „... Zum Ausgleich des Produktivitätsrückstandes im Personalbereich der Deutschen Reichsbahn trägt das Bundeseisenbahnvermögen als ersonal-Altlast" aus der Zeit vor Zusammenführung der Bundeseisenbahnen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn diejenigen Kosten, die im einzelnen in einer ereinbarung über die Übernahme von Altlasten der Deutschen Reichsbahn", die zwischen dem Bundeseisenbahnvermögen und der Deutsche Bahn AG abzuschließen ist und der Genehmigung durch den Bundesminister der Finanzen bedarf, festgelegt werden. Zur Personal-Produktivität der Deutschen Reichsbahn wurde im Rahmen der Untersuchungen der Regierungskommission Bahn ermittelt, daß die Deutsche Reichsbahn ihre Leistungen mit rund 70.000 Mitarbeitern erbringen könnte, wenn ihr technischer Standard dem der Deutschen Bundesbahn entsprechen würde (Stand: 1992). ..." 156
Ende 1992 waren bei der Deutschen Reichsbahn jedoch 173.617 Dienstkräfte beschäftigt 157. Weiter sollte die Deutsche Bahn AG auch von den Personalkosten entlastet werden, die bei der Gesellschaft dadurch entstehen, daß infolge des Übergangs der Ta154 Amtliche Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU sowie der F.D.P. vom 23.3.1993 BT-Drucks. 12/4609 (neu), S.88. 155 Horst Albach, Privatisierung und Deregulierung im Verkehrssektor am Beispiel der Bahnreform, ZöGU 1998, 331 (332); Gerhard Schulz, Das Eisenbahnwesen des Bundes und die Stellung der deutschen Bahnen auf dem Europäischen Binnenmarkt, Diss. Berlin 1995, S. 139. 156 Amtliche Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU sowie der F.D.P. vom 23.3.1993 BT-Drucks. 12/4609 (neu), S.89. 157 Amtliche Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU sowie der F.D.P. vom 23.3.1993 BT-Drucks. 12/4609 (neu), S.81.
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rifbindung auf sie betriebsbedingte Kündigungen bei Durchführung von Rationalisierungsmaßnahmen nicht ausgesprochen werden können, weil die auf die Gesellschaft übergegangenen Arbeitsverhältnisse auf Grund tarifvertraglicher Regelungen unkündbar sind (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 DBGrG) 158 . Nur am Rande sei auf § 7 Abs. 2 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) 159 hingewiesen. Dieser ordnet an, daß der Inhaber einer Genehmigung zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen bzw. dem Betrieb einer Eisenbahninfrastruktur nach § 6 AEG auf Verlangen der Genehmigungsbehörde den Nachweis über die Einhaltung der ihm gesetzlich obliegenden arbeitsrechtlichen, sozialrechtlichen oder steuerrechtlichen Verpflichtungen zu erbringen hat. Diese Norm ist dem § 25 Abs. 2 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) 160 nachgebildet161. Dieser läßt sich bereits in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21.9.1954162 sowie dem im wesentlichen inhaltsgleichen Entwurf vom 8.3.1958163 nachweisen. Die Rücknahme der Genehmigung war zuvor in den §§ 13 und 31 Abs. 2 des Gesetzes von 1934 und in den §§ 22, 23, und 32 der Durchführungsverordnung 1935 geregelt 164. Entsprechend der historischen Wurzeln ist als vorrangiges Regelungsziel des § 25 Abs. 2 PBefG die Einhaltung der Arbeitssc/zwfzvorschriften anzusehen. Es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, daß der Schaffung des § 7 Abs. 2 AEG eine abweichende, möglicherweise dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG vergleichbare Zielvorstellung des Gesetzgebers zugrunde lag. Insgesamt, so kann man feststellen, läßt das Eisenbahnneuordnungsgesetz erkennen, daß der Gesetzgeber die Bedeutung der „Personal-Altlasten", die im Rahmen dieses immensen Privatisierungskonzeptes das neu gegründete Unternehmen Deutsche Bahn AG treffen, gesehen hat. Die Überleitung des Personals war notwendig und unvermeidbar. Um dennoch die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, hat sich der Gesetzgeber im Falle der Neuordnung des Eisenbahnwesens für den Weg der Ausgleichszahlung entschieden. Fraglich erscheint, ob dieser Weg auch im Rahmen der Neuordnung des Postsektors hätte beschritten werden können. Hier waren zwar ähnliche Wettbewerbsverzerrungen - bedingt durch „Personal-Altlasten" - zu befürchten, da auch hier der Personalbestand samt seiner Besitzstände übernommen werden mußte. Jedoch schreibt Art. 87f Abs. 2 GG im Gegensatz zu Art. 87e GG die 158 Amtliche Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU sowie der F.D.P. vom 23.3.1993 BT-Drucks. 12/4609 (neu), S.89. 159 Allgemeines Eisenbahngesetz vom 29.3.1951, BGB1.I, S.225 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 1.8.1961, BGB1.I, S. 1161. 160 Personenbeförderungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8.8.1990, BGBl. I.,S. 1690. 161 Amtliche Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU sowie der F.D.P. vom 23.3.1993 BT-Drucks. 12/4609 (neu), S.97. 162 BT-Drucks. 54/831. 163 BT-Drucks. 58/255. 164 Amtliche Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, BT-Drucks. 58/255 S.29.
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Erbringung der Dienstleistungen im Bereich des Postwesens als privatwirtschaftliche Tätigkeit vor 165 . Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG dagegen ordnet lediglich an, daß die Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form geführt werden. Diesen Vorgaben konnte der Gesetzgeber somit durch eine bloß formelle Privatisierung 166 genügen. Allein die Gründung der Deutsche Bahn AG war ausreichend. Art. 87f Abs. 2 GG geht in seinen Anforderungen jedoch weiter. Unter privatwirtschaftlicher Tätigkeit ist Wirtschaftstätigkeit durch kaufmännisches, wettbewerbsorientiertes Handeln in privatrechtlicher Unternehmensform mit privatrechtlichen Mitteln zu verstehen 167. Die vom Gesetzgeber angestrebte Abkehr von der Staatswirtschaftlichkeit wird durch den im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vollzogenen Begriffswechsel von „privater" zu „privatwirtschaftlicher" Tätigkeit dokumentiert 168. Art. 87f GG fordert somit die materielle Aufgabenprivatisierung, während Art. 87e GG lediglich die privatrechtliche Rechtsform, nicht jedoch die Handlungsweise festlegt. Mit der Konzeption des Art. 87f GG hätte sich ein dem Eisenbahnneuordnungsgesetz entsprechendes Personalüberleitungsmodell nicht vereinbaren lassen. Insbesondere die in den §§12, 13 DBGrG enthaltenen weitreichenden Einschränkungen der Personalautonomie der Deutsche Bahn AG wären mit Rücksicht auf den verfassungsrechtlichen Anspruch des Art. 87f GG nicht hinnehmbar 169. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Neuordnung des Postwesens daher für das sogenannte „Beleihungsmodell" (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PostPersRG170) entschieden. Die Weiterbeschäftigung der Beamten wird in §§ 1 ff. PostPersRG, die Überleitung der Arbeitnehmer in den §§ 21 ff. PostPersRG vorgenommen. Bereits vor diesem Hintergrund erscheint es äußerst fraglich, ob ein dem Ausgleichszahlungsmodell der Bahnprivatisierung vergleichbares Modell der sachgerechten Lösung der Personalmehrkostenproblematik im Rahmen der Privatisierung der Deutsche Post AG hätte dienen können. Denn aus der Feststellung, daß das im Rahmen der Bahnprivatisierung statuierte Beamtenzuweisungsmodell aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht als Vorbild für das Privatisierungsprojekt Deutsche Bundespost dienen konnte, folgt konsequenterweise die Frage, ob gleiches nicht auch für das Ausgleichszahlungsmodell bei der Deutsche Bahn AG gelten muß. Um diese Frage abschließend zu beantworten, muß man sich jedoch zunächst Klarheit über Charakter und Wirkungsweise solcher Ausgleichszahlungen verschaffen. In Betracht kommt, diese als eine Art Subvention zu qualifizieren. Daher soll die Frage, ob ein Ausgleichszahlungsmodell als eine das Grundrecht der Berufsfreiheit des 165
Siehe oben Β. V. l.b) Materielle (Aufgaben-)Privatisierung. Siehe oben Β. V. l.a) Formelle (Organisations-)Privatisierung. 167 Rottmann, ArchPT 1994, 193 (194); Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, 1999, S. 182 ff. 168 Kay Windthorts, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg.v. Michael Sachs, 2.Aufl., München 1999, Art. 87 f GG Rdnr. 30. 169 Fangmann u.a., Telekommunikations- und Postrecht, 1996, S. 186. 170 Gesetz zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutsche Bundespost (Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG), Art. 4 des PTNeuOG, BGBl. I 1994, S. 2353. 166
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Art. 12 Abs. 1 GG weniger stark beeinträchtigende Alternative der Einführung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG vorzuziehen wäre, vorläufig zurückgestellt und zunächst Begriff, Arten und Wirkungsweise von Subventionen näher untersucht werden. dd) Subventionierung der Deutsche Post AG (1) Allgemeines zum Begriff der Subvention Vor der Betrachtung der Subventionsarten und ihrer Wirkungsweisen, soll versucht werden, den Begriff der Subvention als solchen näher zu bestimmen. Eine allgemeingültige Legaldefinition des Begriffs findet sich mit § 264 Abs. 6 Satz 1 Strafgesetzbuch (StGB) 171 lediglich für den Bereich des Wirtschaftsrtra/rechts. Der allgemeine Subventionsbegriff ist jedoch nicht auf Wirtschaftssubventionen beschränkt. Als Teil der Leistungsverwaltung umfaßt er auch die Bereiche der Sozialund Kultursubventionen. Die Begriffsbestimmung des § 264 Abs. 6 Satz 1 StGB ist daher nicht zu verallgemeinern. Eine Annäherung an den Begriff erlauben folgende Komponenten172: - Regelmäßig tritt die öffentliche Hand als Subventions geber auf. - Subventionsempfänger vaten Rechts.
ist dagegen eine natürliche oder juristische Person des pri-
- Die Subventionsleistung stellt sich als eine finanzielle Zuwendung dar. - Mit der Zuwendung verfolgt die öffentliche Hand regelmäßig einen bestimmten - wirtschafts- oder gesellschaftspolitischen - Subventionszweck. Das Bundesverfassungsgericht hat eine entsprechend weite Begriffsbestimmung geprägt. Danach sind Subventionen als finanzielle Zuwendungen des Staates zur Förderung eines bestimmten, wirtschafts-, sozial- oder gesellschaftspolitisch erwünschten Verhaltens der Bürger anzusehen173. In der Literatur findet sich dagegen ein engeres Begriffsverständnis. Danach sollen als Subventionen nur die „von Hoheitsträgern unmittelbar an Unternehmer zu Produktionszwecken gewährten finanziellen Sonderunterstützungen, die in die marktwirtschaftliche Wettbewerbslage eingreifen und eine Änderung des freien Zustandekommens von Sozialprodukt und Einkommen bewirken" anzusehen sein174. Die Frage, ob eine solche „Blickveren171
Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.11.1998, BGBl. I, S. 3322. Frotscher, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, 3. Aufl. 1999, Rdnr. 377; zum Ganzen: Breuer, in: HdbStR Band VI, § 148 Rdnr.70ff. 173 BVerfGE 17,210(216). 174 Klaus Stern, Rechtsfragen der öffentlichen Subventionierung Privater, JZ 1960, 518 (519-521). 172
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F. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art. 12 Abs. 1 GG 175
gung" vorzugswürdig ist, kann im vorliegenden Zusammenhang unbeantwortet bleiben, da eine Subventionierung der Deutsche Post AG auch und gerade von dem engeren Begriffsverständnis erfaßt würde.
(2) Subventionsarten Zu unterscheiden sind insbesondere direkte und indirekte (z.B. Steuervergünstigungen) Subventionen. Eine weitere Kategorisierung kann nach dem Subventionszweck oder auch nach der Vergabeform erfolgen: Nach dem Subventionszweck differenziert man 176 : - Erhaltungshilfen, welche auf die Konservierung bestehender Wirtschaftszweige ohne strukturelle Veränderung gerichtet sind (strukturerhaltende Subventionen), - Anpassungshilfen, die den Betrieben die Umsetzung neuer (Rahmen-)Bedingungen erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen sollen (strukturändernde Subventionen), - Produktivitätshilfen, die den Produktivitätsfortschritt und das Wachstum von Betrieben und Wirtschaftszweigen fördern sollen, - alle anderen finanziellen Zuwendungen (z.B. Investitionszulagen, Schadenssubventionen) können unter den Sammelbegriff der sonstigen Hilfen gefaßt werden. Die Vergabeformen reichen von der Gewährung zinsloser oder verbilligter Darlehen, von Zuschüssen, Zulagen und Prämien bis hin zu Bürgschaften und Garantien.
(3) Wirkungsweise Subventionen dienen dem Staat als Lenkungsmittel. Sie sind als wirksames Instrumentarium zur aktiven Gestaltung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse anzusehen. Jede Subvention soll den Empfänger motivieren, sein Verhalten an der staatlichen Zielsetzung auszurichten und sich damit „selbst zum Werkzeug der mit der Subventionierung verfolgten staatlichen Zwecke zu machen" 177 .
175
Karl Heinrich Friauf, Bemerkungen zur verfassungsrechtlichen Problematik des Subventionswesens, DVB1. 1966, 729 (731). 176 Nach Frotscher, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, 3. Aufl. 1999, Rdnr. 380; auch Dirk Ehlers, Die Kontrolle von Subventionen, DVB1. 1993, 861. 177 Friauf, Subventionswesen, JZ 1966,729 (733).
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(4) Zweckwidrigkeit
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einer „Post-Subventionier un g "
Eine Subventionierung der Deutsche Post AG könnte mittels Zuwendung von Finanzmitteln oder durch die Entlastung von Abgabepflichten erfolgen. Zweifelhaft erscheint allerdings, ob ein solches Vorgehen mit den Grundanliegen des Privatisierungskonzeptes - Infrastruktursicherung und Schaffung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs - sowie dem in Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG statuierten grundsätzlichen Vorrang „interventionsfreier Leistungserbringung in unternehmerischer Gestaltungsfreiheit" 178 vereinbar wäre. In Betracht kämen ausschließlich Anpassungssubventionen und Produktivitätshilfen, da erklärtes Ziel des Privatisierungvorhabens die Auflösung und Umgestaltung der alten Strukturen und nicht deren Konservierung ist. Hier drängt sich nun die Frage auf, ob die Lenkung durch Subvention in diesem Fall überhaupt ein geeignetes Mittel zur Zielerreichung darstellt. Die Subvention soll Anreiz für den Empfänger sein. Er soll durch sie veranlaßt werden, sein Verhalten oder weiter gefaßt seine Betriebseinrichtung, -struktur, die Produktionsabläufe und Fertigungsmethoden zu verändern. Eine finanzielle Zuwendung an die Deutsche Post AG zur Überwindung der aus den strukturbedingten Wettbewerbsnachteilen und der Umstrukturierung notwendig folgenden Kostenbelastung wäre dagegen vielmehr als eine Ausgleichszahlung ähnlich dem Ausgleichszahlungsmodell, das im Rahmen der Privatisierung der Deutsche Bahn AG geschaffen wurde, zu qualifizieren. Es wäre zu befürchten, daß diese weniger als Anreiz zur Veränderung denn entgegen aller Zielsetzung als Chance zum Verharren, zum Konservieren des status quo verstanden werden würde. Allenfalls von einer zeitlichen Begrenzung der Subventionierung könnte ein gewisser Druck zur Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen ausgehen. Der von einer Befristung ausgehende Druck erscheint allerdings im Hinblick auf das Vertrauen in die fortwährende (zumindest) faktische Verpflichtung des Staates zur Rücksichtnahme auf die rund 280.000 Mitarbeiter 179 wie auf die volkswirtschaftliche Bedeutung des Postsektors 180 nur relativ gering. Problematisch ist weiter die wirkungsvolle Gestaltung eines Systems sachgerechter Steuerung sowie präventiver, begleitender und nachträglicher Subventionskontrolle 181, das heißt die zuverlässige Ermittlung der notwendigen und angemessenen Subventionshöhe, da dem Ansetzen neuen „Kostenspecks"182 vorgebeugt werden müßte. Angesichts leerer Haushaltskassen bleibt auch die Frage nach der Finanzierung solcher Maßnahmen offen. Nicht zuletzt erscheint zweifelhaft, ob eine Subventionierung der Deutsche Post AG gemein178
Matthias Herdegen, Die Regulierung des Postuniversaldienstes: Abschied vom Markt? ZRP 1999,63 (65). 179 Siehe oben A.II.4. Mitarbeiter. 180 Neu, Marktöffnung im nationalen und internationalen Postwesen: Der Deregulierungszwang des Europäischen Gemeinschaftsrechts, Diss. München 1999, S.6f. 181 Karl Heinrich Friauf, Ordnungsrahmen für das Recht der Subventionen, DVB1. 1984, 1060 (1062); Ehlers, DVB1. 1993, 861 (862f.). 182 Waldemar Kropp, Systematische Personalwirtschaft, München u.a. 1997, S.983. 7 Jochum
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schaftsrechtlich zulässig, das heißt mit dem gemeinsamen Markt vereinbar wäre. Gerade die Europäische Kommission als „Motor" des Liberalisierungsprozesses hätte kaum ihre nach Art. 87 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EGV) 183 notwendige Zustimmung184 erteilt. Damit ist abschließend festzustellen, daß eine Subventionierung der Deutsche Post AG nicht als weniger einschneidende Alternative der Einführung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG vorzuziehen ist. Die oben zurückgestellte Frage 185, ob ein Ausgleichszahlungsmodell ähnlich dem der Deutsche Bahn AG auch im Rahmen der Privatisierung der Deutsche Post AG hätte eingeführt werden können, ist zu verneinen, da Ausgleichszahlungen als Anpassungs- und Produktivitätssubvention zu qualifizieren sind.
ee) Einführung einer Bedürfnisprüfung Sodann läßt sich die Frage stellen, ob durch die Einführung einer objektiven Bedürfnisprüfung, d. h. der Prüfung jeder geplanten Unternehmensgründung im neu geschaffenen Markt der postalischen Dienste hinsichtlich des konkreten Verbraucherbedarfs und der aktuellen Verbraucherversorgung, die zu befürchtenden beschäftigungspolitisch motivierten Wettbewerbsverzerrungen unterbunden werden könnten. Diese Frage kann jedoch offen bleiben. Unterstellt, eine solche Maßnahme sei geeignet, Wettbewerbsverzerrungen im Postmarkt zu verhindern, so kann sie doch keinesfalls als eine das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG weniger belastende Maßnahme der Einführung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG vorgezogen werden. Ziel des Privatisierungsprojektes Deutsche Post AG ist, die Einschränkung der Berufs- und Gewerbefreiheit auf dem Postmarkt aufzuheben und diesen Wirtschaftssektor für eine möglichst freie Betätigung zu öffnen. Wollte man vor Beginn der Betätigung auf diesem nun grundsätzlich freigegebenen Markt eine Bedürfnisprüfung hinsichtlich der von den potentiellen neuen Marktteilnehmern geplanten Aktivitäten durchführen, so stände das in krassem Gegensatz zu der Grundentscheidung für die Marktöffnung. Eine Bedürfnisprüfung wäre als objektive Berufszulassungsregelung zu qualifizieren 186 und ist daher wegen des Vorranges defensiver Maßnahmen abzulehnen.
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Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften vom 25.3.1957, BGBl. I, S. 766, konsolidierte Fassung mit den Änderungen durch den Vertrag von Amsterdam vom 2.10.1997, CONF/4005/97 ADD 2. 184 Francis Rawlinson, in: EG-Vertrag, Kommentar, hrsg. v. Carl Otto Lenz, 2. Aufl., Köln 1999, Art. 87 EGV Rdnr. 8 ff. 185 Siehe oben F. IV. 5.b)cc). Regelung entsprechend dem Zuweisungsmodell bei der Deutsche Bahn AG. 186 Leisner, JuS 1962,470; Breuer, in: HdbStR Band VI, § 148 Rdnr. 48.
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ff) Einführung einer allgemeinen Sozialversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte Weiter ist in Betracht zu ziehen, ob beschäftigungspolitisch motivierte Wettbewerbsverzerrungen auf dem Postmarkt durch Einführung einer allgemeinen Sozialversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte verhindert werden könnten. Die Befreiung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse (West bis 630,- DM/Ost bis 530,-DM entsprechend § 18 SGB IV 1 8 7 ) von der allgemeinen Sozialversicherungspflicht entlastet Arbeitgeber und Arbeitnehmer 188. Die Ersparnis motiviert beide Seiten zu einer verstärkten (Aus-)Nutzung dieser Gestaltungsmöglichkeit. Dies führte in der Vergangenheit zu einem beachtlichen Anwachsen des Anteils der geringfügig Beschäftigten. Wie hoch dieser Anteil exakt ist, läßt sich nur vage schätzen, da gesicherte Erkenntnisse fehlen 189. Im Rahmen der Öffnung des Postsektors für den Wettbewerb kann diese Möglichkeit der Personalkosteneinsparung nun auch in diesem Teilmarkt für den Konkurrenzkampf nutzbar gemacht werden. Der Deutsche Post AG ist dies auf Grund ihrer übernommenen Personalstruktur nur eingeschränkt möglich, so daß Wettbewerbsverzerrungen entstehen können. Die Einführung einer allgemeinen Sozialversicherungspflicht auch für geringfügig Beschäftigte würde diese Entwicklung unterbinden. Jedoch ist der Einsatz geringfügig Beschäftigter nicht die einzige Möglichkeit der Personalkosteneinsparung. Es finden sich eine Vielzahl personalkostenrelevanter Faktoren in der betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung, die gleichermaßen geeignet sind, zur Reduzierung der Personalkosten beizutragen und damit zu Wettbewerbsverzerrungen zu führen. Die Einführung einer allgemeinen Sozialversicherungspflicht auch für geringfügig Beschäftigte würde somit nur einen Teil des Problems erfassen. Weiter sind die allgemeinen sozial- und arbeitsrechtlichen wie auch gesellschaftspolitischen Konsequenzen190 einer solchen Maßnahme zu bedenken, die zu einer lang anhaltenden und sehr kontrovers geführten Diskussion geführt haben191. Damit ist festzuhalten, daß die Einführung einer allgemeinen Sozialversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte nicht in gleicher Weise geeignet wäre, Wettbewerbsverzerrungen auf dem Postmarkt zu unterbinden wie die Einführung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, und daher als milderes Mittel nicht in Betracht kommt.
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Sozialgesetzbuch (SGB) - Teil I V - v o m 11.12.1975, BGB1.I, S.3015. Zu der ab 1.4.1999 geltenden Neuregelung vgl. NJW 1999, Heft 17, XVI. 189 Michael Schienger, Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse - erhalten statt einschränken, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 88, Wiesbaden 1998, S. 11 ff.; nach Auskunft der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung - allerdings ohne Angabe des Ermittlungsmodus - 3,2 Millionen Ende Oktober 1999, Pressemitteilung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 10.11.1999. 190 Schienger, Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, S.36ff. 191 Klaus Zumwinkel, Bonner Behörden Spiegel 7/97 (Interview); Dorothea Siems, Die Tricks und Schliche der Billigjobber, Die Welt vom 27.10.1997. 188
7*
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F. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art. 12 Abs. 1 GG
c) Zusammenfassung Die Suche nach möglichen Alternativen zur Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz, die das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG weniger stark beeinträchtigen und zugleich beschäftigungspolitisch motivierte Wettbewerbsverzerrungen auf dem Postsektor ebenso effektiv unterbinden, bleibt erfolglos. Der völlige Verzicht auf eine dem § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG entsprechende Regelung wäre ebenso wie eine Subventionierung der Deutsche Post AG, ζ. B. in der Form eines Ausgleichszahlungsmodells, wie es im Rahmen der Privatisierung der Deutsche Bahn AG statuiert worden ist, ungeeignet, Wettbewerbsverzerrungen zu unterbinden. Auch die Einführung einer allgemeinen Sozialversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte ist in diesem Zusammenhang als ungeeignete Maßnahme abzulehnen. Lediglich durch Statuierung einer auf die üblichen Arbeitsbedingungen im lizenzierten Bereich bezogenen Berufsausübungsregelung könnte man möglicherweise beschäftigungspolitisch motivierte Wettbewerbsverzerrungen auf dem Postmarkt gleichermaßen effektiv verhindern wie mit der Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz. Der durch eine solche Ausübungsregelung erfolgende Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG wäre allerdings nicht weniger belastend als der mit dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG verbundene. Die gesetzgeberische Entscheidung für die Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz kann deshalb mit Rücksicht auf die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nicht beanstandet werden. Damit ist festzustellen, daß die Aufnahme des §6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz erforderlich war, da es an einer das Grundrecht der Berufsfreiheit weniger beeinträchtigenden und zugleich ebenso effektiven Alternative zu dieser Norm fehlt.
6. Angemessenheit a) Allgemeines Allein die Bejahung der Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme reicht jedoch nicht aus, ihre verfassungsrechtliche Legitimation zu begründen. Ungeachtet der Bedeutung dieser Gebote können diese Prüfungsaspekte den maßstabsetzenden Gewährleistungsgehalt der einzelnen Grundrechte nicht ausreichend zum Ausdruck bringen. Die Eigenart der grundrechtlichen Gewährleistung ist vielmehr im Rahmen einer umfassenden, detaillierten und wertenden Güter- und Interessenabwägung zu berücksichtigen und zur Geltung zu bringen. Denn wird im Rahmen einer allgemeinen Abwägung der Wert des verfolgten Gesetzeszwecks und der Rang der betroffenen Gemeinschaftsgüter geprüft, so muß der im speziellen Einzelfall justiziable Maßstab erst gefunden werden. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip
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selbst läßt diesen meist nur erahnen, ohne ihn aber konkret nachvollziehbar nachweisen zu können192. Der notwendigen Ausfüllung und Konkretisierung dieser „leeren Hülle" des Verhältnismäßigkeitsprinzips dient namentlich das Kriterium der Sachgerechtigkeit, der Blick auf die jeweilige Eigenart der zu regelnden Materie 193 . Es ist dabei nicht nur auf das allgemeine Prinzip menschlicher Freiheit abzustellen, sondern der spezielle Charakter des jeweils betroffenen Grundrechts ist dem Gewicht und der Eigenart der zur Legitimation des Eingriffs herangezogenen öffentlichen Interessen gegenüberzustellen194. Der Konflikt zwischen den sich vorliegend widerstreitend gegenüberstehenden Positionen ist daher unter Berücksichtigung der jeweiligen Schutzbedürftigkeit und des besonderen, aus der charakteristischen Eigenart des Grundrechts der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Maßstabs sachbezogener und sachgerechter Beschränkbarkeit aufzulösen. Dabei ist nicht entscheidend, an welcher Stelle einer - ihre Existenz unterstellt - allgemeingültigen abstrakten Werteordnung die Interessen und Güter rangieren, sondern allein das ihnen nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zukommende Gewicht 195 . Dies entspricht auch der vom Bundesverfassungsgericht begründeten Konzeption. Danach setzen Eingriffe in die Berufswahlfreiheit voraus, daß „der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter die eingreifende Regelung zwingend erfordert". Der Gesetzgeber hat dabei diejenige Form des Eingriffs zu wählen, die das Grundrecht am wenigsten einschränkt. Eine subjektive Berufszulassungsregelung wie der vorliegend zu untersuchende Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG darf zu dem angestrebten Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis stehen196. Die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG ist also nur dann als verfassungsmäßig anzuerkennen, wenn bei einer umfassenden Gesamtabwägung zwischen Schwere des Eingriffs und Dringlichkeit der ihm zugrunde liegenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten wird 197 . Der Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG hat nun also ihm Rahmen der Prüfung seiner Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG die letzte Hürde, den Prüfstein der „Legitimationswaage des Verhältnismäßigkeitsprinzips" 198, zu nehmen.
192
Paul Kirchhof, Gleichmaß und Übeimaß, in: Festschrift für Peter Lerche, München 1993, S. 136. 193 Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, 1975, S. 144; a. Α. P. Kirchhof, in: FS Lerche, S. 143. 194 Wendt, AöR, 104 (1979), 414 (449). 195 Wendt, AöR 104 (1979), 414 (460). «* BVerfGE 7, 377 (405). 197 Friauf, Leasing, 1979, 72; ders. JA 1984, 537 (543). 198 Wendt, AöR, 104 (1979), 414 (460).
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b) Gewährleistungsgehalt des Art. 12 Abs. 1 GG und schutzgutspezifischer Bezug des Lizenzversagungsgrundes §6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG Zunächst ist die Frage nach dem „schutzgutspezifischen Bezug" der Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG zu dem Gewährleistungsgehalt des Grundrechts der Berufsfreiheit aufzuwerfen. Denn der gesetzgeberische Eingriff muß nach Art und Ausmaß dem Maßstab der Sachgerechtigkeit genügen, das heißt, je stärker der spezifische Bezug der Regelung auf die Sachgesetzlichkeit des betroffenen Grundrechts ausgeprägt ist, um so geringere Anforderungen sind an die Rechtfertigung des Eingriffs zu stellen. Umgekehrt ist die Meßlatte der Rechtfertigung um so höher zu legen, je weniger die Norm auf diese besondere Sachgesetzlichkeit ausgerichtet ist 199 .
aa) Gewährleistungsgehalt des Art. 12 Abs. 1 GG Freiheitliche Wirtschaftsordnung nicht ohne Grenzen Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Berufsfreiheit als eine Ausprägung menschlicher Handlungsfreiheit und bildet zugleich eine der „Koordinaten" der nach der Konzeption des Grundgesetzes vorgegebenen freiheitlichen Wirtschaftsordnung. Denn freie berufliche Entfaltung setzt eine freiheitlich organisierte Wirtschaftsordnung voraus. Das zentrale Koordinationsinstrument einer marktwirtschaftlich ausgerichteten Wirtschaftsordnung bildet der Wettbewerb. Er wirkt als Regulativ des Marktgeschehens und als Motor der Marktentwicklung 200. Betätigungen im Rahmen einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung, wie sie der Konzeption des Grundgesetzes entsprechen, ist eine egoistische, auf die eigene Weiterentwicklung gerichtete Grundhaltung eigen 201 . Die egoistisch motivierten Pläne der einzelnen Wirtschaftssubjekte treffen auf dem gemeinsamen Markt zusammen und werden - nach der Idealvorstellung - von einer „unsichtbaren Hand" 202 , dem Wettbewerb, koordiniert. Seine Wirkungen entfaltet der Wettbewerb deshalb im Rahmen eines komplexen Zusammenspiels der einzelnen Marktteilnehmer und ihrer Interessen. Nun liegt es in der Natur der Sache, daß jeder einzelne im Bemühen um seine eigenen Interessen und Vorteile versuchen wird, sich diesem Diktat zu entziehen. Das Instrument der „unsichtbaren Hand" bedarf deshalb der staatlichen Unterstützung, um zu verhindern, daß das Marktgeschehen eine Entwicklung vorbei an diesem zentralen Koordinator nimmt 199 Rudolf Wendt, AöR, 104 (1979), 414 (468); ders., Eigentum und Gesetzgebung, Hamburg 1985, S.380. 200 Zum Ganzen siehe oben B.I. Konzeption des Grundgesetzes. 201 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S.267. 202 Diese Metapher prägte der schottische Nationalökonom Adam Smith 1776 in seinem Buch „Der Wohlstand der Nationen"; vgl. dazu Ulrich van Suntum, Die unsichtbare Hand - Ökonomisches Denken gestern und heute, München 1999, S.5ff.
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und diesem die ihm eigene Gestaltungsmacht quasi „zwischen den Fingern zerrinnt". Bräche dieses System der „unsichtbaren Hand" - auch nur in einem Teilmarkt - zusammen, ginge die freiheitsgewährende marktwirtschaftliche Ordnung verloren und müßte durch eine zentrale Staatsverwaltung ersetzt werden. Die Verfassung als freiheitliche Grundordnung ist jedoch einer ebenso freiheitlichen, offenen Wirtschaftsordnung verpflichtet. Das Grundgesetz enthält zwar keine definitive Verpflichtung zur „freien Marktwirtschaft" als solches. Diese Organisationsform ist aber in dem Umfang zu realisieren, wie sie geeignet erscheint, den Grundanliegen des Grundgesetzes - insbesondere Schutz der Berufsfreiheit und der Eigentumsgarantie - zu dienen. Freier Wettbewerb als ordnungspolitisches Konzept ist daher wesentlicher Bestandteil der Wirtschafts-, Gesellschafts- und Staatsordnung. Wettbewerb ist das zentrale Instrument der Lenkung und Koordination innerhalb jeder dezentralen Wirtschaftsordnung. Er bildet einen eigenständigen Wert 203 . Jedoch wird nicht der Wettbewerb als Institution garantiert. Der Wettbewerb als solcher erfährt lediglich reflexartig verfassungsrechtlichen Schutz, soweit er der Verwirklichung der Wirtschaftsfreiheiten der einzelnen Teilnehmer am wirtschaftlichen Prozeß dient 204 . Deshalb fordert Art. 12 Abs. 1 GG nur - aber auch gerade - insoweit wettbewerbliche Wirtschaftsstrukturen, als diese ein besonderes Maß an fireiheitlichpluraler und freiheitlich-dezentraler Grundrechtsverwirklichung ermöglichen. Das volkswirtschaftliche Modell der freien Marktwirtschaft birgt jedoch auch Gefahren für die wirtschaftliche Betätigung205. Verzichtet der Staat auf jegliche lenkende oder korrigierende Einflußnahme, entfaltet sie geradezu selbstzerstörerische Kräfte 206 . Die Freiheit des Marktes kann dieser nicht selbst, sondern regelmäßig nur der Staat herbeiführen und sichern. Daher steht die freiheitliche Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes, obwohl eine staatliche Kontrolle der Wirtschaftssubjekte grundsätzlich unzulässig ist, wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Planung, Lenkung und Aufsicht dennoch prinzipiell offen gegenüber207. Diese Erkenntnis hat insbesondere im Bereich des Wettbewerbs zu umfangreichen staatlichen Maßnahmen (Kartellrecht, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Markenschutz, Patentrecht) geführt 208. Wettbewerbsaufsicht dient somit dem Ziel, ein insgesamt möglichst freiheitliches Wettbewerbssystem auszugestalten und zu fördern und ist damit lediglich der Grundrechtsoptimierung ver203
Woll, Wirtschaftspolitik, 2. Aufl. 1992, S.92. Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band 1,1998, Art. 12 GG Rdnr. 80; Breuer, in: HdbStR Band VI, § 148 Rdnr. 22; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S.267; BVerfGE 9,213 (221); 32, 311 (317). 205 Wolfgang Hefermehl, in: Wettbewerbsrecht, Kommentar, begründet von Adolf Baumbach, 20. Aufl., München 1998, Allgemeine Grundlagen des Wettbewerbsrechts Rdnr. 16 a. 206 Knud Hansen, Wettbewerbspolitik und Strukturpolitik - das Beispiel des GWB, WuW 1989, 376 (378). 207 Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band 1,1998, Art. 12 GG Rdnr.383; Ulrich Scheuner, Wirtschaftslenkung im Verfassungsrecht des modernen Staates, in: ders. (Hrsg.), Die staatliche Einwirkung auf die Wirtschaft, Frankfurt 1971, S.26f. 208 Woll, Wirtschaftspolitik, 2. Aufl. 1992, S.93ff. 204
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pflichtet . Darüber hinaus ist allgemein anerkannt, daß eine Marktwirtschaft in der volkswirtschaftlichen Reinform der „freien Marktwirtschaft" dem sozialen Anspruch der Verfassung nicht genügt. Im Interesse einer gerechten Sozialordnung können Einschränkungen der freien wirtschaftlichen Betätigung notwendig werden. Die Distributionsfunktion des Marktes ist deshalb in gewissem Umfang durch eine Sekundärdistribution des Staates zu korrigieren 210. Zusammenfassend ist festzustellen, daß nach dem Grundgesetz die Wirtschaftsform der freien Marktwirtschaft nur und gerade im Interesse der Freiheitsrechte zuzulassen ist. Eingriffe in das Wirtschaftssystem sind dem Staat daher erlaubt, ihm geradezu aufgegeben, soweit der Marktmechanismus nicht (mehr) der Freiheitsverwirklichung dient 211 . Art. 12 Abs. 1 GG nun bildet eine der Koordinaten der freiheitlichen Wirtschaftsverfassung. Die Erkenntnis, daß eine völlig unreglementierte Tätigkeit aller letztlich im Chaos enden und damit dem Freiheitsschutz einen schlechten Dienst erweisen würde, liegt ihm voraus. Maßnahmen, die der Erhaltung der Grundlagen einer möglichst freiheitlichen wirtschaftlichen Betätigung dienen, werden, im Hinblick auf die ungenügenden Selbststeuerungskräfte eines völlig freien Marktes, von dem Abwehrrecht des Art. 12 Abs. 1 GG deshalb nicht per se ausgeschlossen. Die Gewährleistungsgarantie des Art. 12 Abs. 1 GG schließt vielmehr die zum Schutze der Aufrechterhaltung der freiheitlichen Wirtschaftsordnung, des Wettbewerbs als deren Regulativ und damit letztendlich der Berufsfreiheit als solcher notwendigen Beschränkungen mit ein. Soweit ein Wirtschaftszweig wettbewerblich (noch) nicht geordnet ist, können folglich auch Maßnahmen einer staatlichen Kontrolle und Lenkung im Interesse des Aufbaus stabiler und effektiver Wettbewerbsstrukturen vom Gewährleistungsgehalt des Art. 12 Abs. 1 GG umfaßt sein. Der für die verfassungsrechtliche Würdigung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG maßgebliche Teilmarkt der postalischen Dienste befindet sich in einer Übergangsphase. Eine wettbewerbliche Ordnung liegt noch nicht vor. Eine solche soll jedoch etabliert werden. Daher erscheinen für diesen Teilmarkt Maßnahmen der staatlichen Wirtschaftskontrolle und -lenkung mit dem Gewährleistungsgehalt des Grundrechts der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich vereinbar. bb) Schutzgutspezifischer Bezug des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG Der schutzgutspezifische Bezug einer zu überprüfenden Regelung, die in ein Grundrecht eingreift, ergibt sich aus dem sachlichen Zusammenhang zwischen den mit dem Eingriff verfolgten Anliegen, das heißt dem Regelungsziel der Norm, und den vom Gewährleistungsgehalt des betroffenen Grundrechts umfaßten Belangen und Interessen. Das Regelungsziel des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 209 210 211
Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band 1,1998, Art. 12 GG Rdnr. 385. Woll, Wirtschaftspolitik, 2. Aufl. 1992, S.84ff. Herzog, in: HdbStR Band III, § 58 Rdnr. 83 ff.
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Satz 1 Nr. 3 PostG wurde durch eingehende Untersuchung der gesetzgeberischen Motive sowie des verfassungsrechtlichen Hintergrundes des Postgesetzes ermittelt. Es war festzustellen, daß Sinn und Zweck der Norm in der Förderung und Sicherung des Aufbaus eines funktionsfähigen und chancengleichen Wettbewerbs auf dem Postsektor zu sehen ist. Der Gewährleistungsgehalt des Grundrechts der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG ist demgegenüber geprägt von dem Bewußtsein, daß Beschränkungen der Berufsfreiheit zum Schutze des Aufbaus stabiler und effektiver Wettbewerbsstrukturen im Interesse einer insgesamt möglichst freiheitlichen Wirtschaftstätigkeit notwendig sein können. Der Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG ist als Beschränkung der Berufsfreiheit in diesem Sinne anzusehen. Denn diese Norm dient dem Aufbau und der Sicherung eines stabilen Wettbewerbs auf dem Postmarkt und damit letztendlich den Freiheitsinteressen aller Marktteilnehmer. Damit ist festzustellen, daß die Vorschrift einen sehr engen Bezug zum soeben erörterten Gewährleistungsgehalt des Grundrechts der Berufsfreiheit aufweist. Nur am Rande sei erwähnt, daß dieser enge Bezug einer auf die Sicherung sozialer Standards angelegten Regelung fehlen würde. c) Art und Ausmaß des Eingriffs Ein weiterer entscheidender Aspekt im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ist die Eingriffsintensität der auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfenden Norm. Denn die Angemessenheitsprüfung erfordert eine umfassende Güter- und Interessenabwägung. Diesem Anspruch genügt es nicht, pauschal auf das durch den Eingriff betroffene Freiheitsrecht abzustellen und ihm ebenso pauschal die den Eingrifflegitimierenden Belange und Interessen gegenüberzustellen. Vielmehr sind die Freiheitsinteressen und die eingriffslegitimierenden Güter nach Art und Ausmaß sowie Gewicht und Bedeutung gegeneinander abzuwägen212. In einem nächsten Schritt ist daher der mit dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG verbundene Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG auf seine Eingriffsintensität hin zu untersuchen. aa) Wiederherstellung freiheitsrechtlicher Grundpositionen Will man die Intensität des mit dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art und Ausmaß ausloten, so drängt sich zunächst die Betrachtung des Regelungskontextes dieser Vorschrift auf. Denn diese Norm ist lediglich als kleiner, wenn auch mitnichten unbedeutender Teil des umfangreichen Regelungskomplexes „Postgesetz" anzusehen. Dabei darf allerdings auch die Bedeutung des Postgesetzes selbst nicht außer Betracht bleiben, das für den Sektor der postalischen Dienste den (vorläufigen) Abschluß des Privatisierungsprojektes Deutsche Bundespost darstellt. Denn von die212
Vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S. 373.
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sem Privatisierungsprojekt ausgehend, läßt sich hinsichtlich der Frage nach Art und Ausmaß des mit dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit eine wesentliche Erkenntnis gewinnen. Es herrscht weitgehend Konsens darüber, daß die Bekämpfung und Beseitigung staatlicher Monopole Voraussetzung eines möglichst wirksamen freien Wettbewerbs ist 213 . Verwaltungsmonopole stellen wegen ihrer normativen Sperrwirkung 214 einen besonders schweren Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Die nun erfolgte Öffnung des Marktes für Postdienstleistungen erweitert, wenn auch flankiert von diversen Beschränkungen, grundsätzlich die Handlungs- und Betätigungsmöglichkeiten der Marktteilnehmer. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG sichert den Start der Deutsche Post AG in die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit und dadurch die Entstehung eines chancengleichen, funktionsfähigen Wettbewerbs ab, indem diese Vorschrift die Wettbewerbsnachteile, welche aus der vorhergehenden Monopolsituation auf das neu geschaffene Unternehmen Deutsche Post AG fortwirken, ausgleicht. Dies wird durch Einschränkung des Handlungsspielraumes der Konkurrenten erreicht, denen jedoch ohne die Beseitigung des Monopols jede Betätigung in diesem Marktsequment verwehrt bliebe 215 . Im Hinblick auf die Bedeutung des Eingriffs läßt sich daher die Frage stellen, wie schwer diese Beeinträchtigung wiegt. Sind nicht zumindest vorübergehende Beschränkungen im Interesse der Wiederherstellung der Freiheit hinzunehmen? Sollte etwa an der völligen Freiheitsentziehung festgehalten werden, wenn eine Wiederherstellung ohne vorübergehende Restbeschränkungen nicht möglich wäre? Es ist zu konstatieren, daß den Freiheitsinteressen der einzelnen durch die Privatisierung, auch unter Hinnahme der einstweilen noch verbliebenen Beeinträchtigungen, mehr gedient ist als durch die vorherige Monopolisierung. Bereits diese Feststellung läßt den Schluß zu, daß dem mit § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG verbundenen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur geringe Intensität zukommt.
bb) Flexibilität der Reglementierung Ein weiterer die Intensität des Eingriffs beeinflussender Aspekt ist die Ausgestaltung der Norm als solche. Je undifferenzierter die fragliche Regelung, je starrer ihre Konzeption, um so weniger scheint sie den Betroffenen zumutbar. Ein flexibles System der Beschränkung kann dagegen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung tragen, kann im wahrsten Sinne des Wortes „Maßhalten" und wird deshalb die Schwelle der Unzumutbarkeit nur selten überschreiten. Indirekt ansetzende, an Marktmechanismen anknüpfende Regelungen können für den Kreis der unmittelbar 213
Woll, Wirtschaftspolitik, 2. Aufl. 1992, S.93. Papier, in: FS Stern, S. 548; Breuer, in: HdbStR Band VI, § 148 Rdnr. 62. 215 Diesen Aspekt vernachlässigt Grämlich, wenn er die Exklusivlizenz des § 51 PostG als Monopol eines Privatunternehmens bezeichnet, NJW 1998, 866 (869). 214
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Betroffenen schonender sein als direkte Gebote und Verbote 216. Die Konzeption des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG ist in mehrfacher Hinsicht offen für die Weiterentwicklungen der Marktstruktur: - Die Bedeutung des Unternehmens Deutsche Post AG kann durch Verlust von Marktanteilen schwinden - auch die zeitliche Befristung der Exklusivlizenz ist hier zu beachten. Damit wird der prägende Einfluß des Unternehmens auf das Tatbestandsmerkmal der „im lizenzierten Bereich üblichen Arbeitsbedingungen" sinken. - Auch ohne einen solchen Bedeutungsverlust kann eine vermehrte Inanspruchnahme der arbeits- und sozialrechtlich zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten erfolgen, da die Deutsche Post AG selbst, auf Grund ihrer erwerbswirtschaftlichen Ausrichtung, an der Umsetzung kostensparender Modelle interessiert ist. Damit kann auch das Unternehmen Deutsche Post AG selbst das Merkmal der „üblichen Arbeitsbedingungen" beeinflussen. Die Regelung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG stellt folglich ein flexibles, auf eine „Selbstregulierung" durch die Eigenkräfte des Marktes zugeschnittenes Steuerungsinstrument dar. Die Norm wirkt als Katalysator der Marktentwicklung, unterstützt deren Start und den Aufbau wettbewerblich geprägter Strukturen so lange, bis der Entwicklungsprozeß ein Stadium erreicht hat, das eine eigenständige, anderen Wirtschaftsbereichen vergleichbare autonome Weiterentwicklung erlaubt. Die Intensität des Eingriffs wird durch diese gesetzgeberische Zurückhaltung wesentlich gemildert.
cc) Finanzieller Ausgleich durch § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG Auch der Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG kommt im Hinblick auf die hier zu beantwortende Frage nach der Intensität des mit dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit große Bedeutung zu. Garantiert § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG doch den betroffenen Lizenznehmern die Möglichkeit, die ihnen durch § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG aufgebürdeten Kosten in angemessenem Umfang am Markt zu realisieren. Denn diese Regelung läßt trotz oder gerade mit Blick auf die in diesem Kontext vorgesehenen Maßnahmen zum Schutze eines liberalen, funktionsfähigen Wettbewerbs die Umlegung der Sonderlasten auf die Entgelte und damit das Abwälzen auf die Verbraucher zu 217 .
216 Udo Di Fabio, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), 235 (280). 217 Siehe oben F. IV. 3. b) bb). Die korrespondierende Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG; Badura, in: FS Großfeld, S.43.
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d) Schutzwürdige Güter und Interessen Nachdem nun die eine Schale der „Legitimationswaage" gefüllt ist, sind auf der anderen Seite die zu schützenden Güter und Interessen einzubringen. Im Rahmen der Abwägung ist nach Gewicht und Bedeutung dieser Güter und Interessen und dem Ausmaß ihrer konkreten Betroffenheit zu fragen. Vorab ist jedoch festzuhalten, daß bereits dem allgemeinpolitischen Ziel, die Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Wettbewerbs zu fördern, eine hohe Gemeinwohlträchtigkeit zu attestieren ist 218 . Darüber hinaus gilt es aber im hier konkret zu untersuchenden Fall, eine ganze Reihe von Allgemeinwohlbelangen und auch erhebliche Individualgüter zu berücksichtigen. Zunächst sollen die betroffenen Allgemeinwohlbelange näher betrachtet werden.
aa) Allgemeinwohlbelange (1) Infrastrukturgewährleistung Die Verfassung setzt in Art. 1 GG, den folgenden Grundrechten wie auch in den Staatsstrukturprinzipien des Art. 20 Abs. 1 GG die grundsätzliche staatliche Infrastrukturverantwortung als selbstverständlich voraus 219. Aus der staatlichen Schutzpflicht folgt eine grundlegende Gewährleistungsverantwortung des Staates220. Die Infrastruktur postalischer Leistungen ist für Staat und Gesellschaft von essentieller Bedeutung. Die Beförderung von Gütern und Informationen ist in einem politisch, wirtschaftlich und kulturell hochentwickelten Land zentraler Gegenstand des Interesses. Beförderungs- und Kommunikationswege gleichen den „Lebensadern" eines föderativ gegliederten Staatswesens und einer arbeitsteiligen Gesellschaft 221. Im Zuge zunehmender überregionaler und internationaler Zusammenarbeit und der Entwicklung hin zu einer Informations- und Dienstleistungsgesellschaft, ist ein weiterer Bedeutungszuwachs zu verzeichnen. Die Substitution postalischer Leistungen durch andere Kommunikationsmedien (Fax, E-Mail und EDI) kann diesen Trend nicht umkehren 222. Gerade im Hinblick auf die bezüglich Alter, Bildungsstand und Finanzkraft sehr unterschiedlich geprägte Bevölkerungsstruktur kann auf die traditionelle Art postalischer Dienste nicht verzichtet werden. Postdienstleistungen zählen zu den Grundbedürfnissen der Bevölkerung. Sie sind Voraussetzung einer florierenden Wirtschaft und der Garantie gleichwertiger Lebensverhältnis218 2X 9
Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S. 368. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung - Rechtliche Grundstrukturen, 1998,
353. 220 Matthias Schmidt-Preuß, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), 162 (172). 221 Siehe oben B.IV.2. Staatliche Monopolisierung. 222 Siehe oben A.II. 1. Die Deutsche Post AG, Allgemeines.
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se . Von ihnen gehen wesentliche Impulse für die soziale und kommunikative Mobilität, für die Produktivität der Volkswirtschaft und damit für Beschäftigung und Wohlstand aus224. Dieser Bedeutung versuchte der verfassungsändernde Gesetzgeber durch Statuierung des Infrastrukturgewährleistungsauftrages 225 in Art. 87f Abs. 1 Satz 1 GG gerecht zu werden. Dieser enthält zwar kein staatliches Optimierungsgebot, nimmt als Staatszielbestimmung226 jedoch den Staat in die Pflicht, eine flächendeckende und angemessene Grundversorgung sicherzustellen 227. Abschließend läßt sich festhalten, daß die Gemeinwohlbedeutung der Infrastrukturgewährleistung als außerordentlich hoch zu veranschlagen ist.
(2) Gesamteuropäische Verantwortung Im Rahmen der Betrachtung der schutzwürdigen Allgemeinwohlbelange darf weiter die Rolle der Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Union nicht unberücksichtigt bleiben. Auch in dieser Hinsicht kommt der Privatisierung des deutschen Postmarktes große Bedeutung zu. Denn die Postpolitik kann als Dauerthema der europäischen Gremien - Kommission, Ministerrat und Europäisches Parlament - bezeichnet werden 228. Am Anfang stand das EU-Grünbuch von 1987 über die Entwicklung des Binnenmarktes für Postdienste229, dem bereits langjährige Beratungen vorausgingen. Am 11.6.1992 legte die Kommission ein weiteres Grünbuch über die Entwicklung des Binnenmarktes für Postdienste vor. In einer Entschließung vom 22.1.1993 forderte das Europäische Parlament und am 7.2.1994 der Ministerrat die Kommission auf, zur Regulierung des Postsektors einen Vorschlag auf Basis des Art. 100a des EG-Vertrages vorzulegen. Am 2.12.1995 hat die Kommission daraufhin den Richtlinien-Entwurf zur Entwicklung der Postdienste in Europa veröffentlicht 230. Diese intensive Beschäftigung mit dem Thema EU-Post verdeutlicht, welche Bedeutung die Mitgliedstaaten der Frage beigemessen haben und - wie die noch immer anhaltenden teilweise kontroversen Diskussionen (z.B. Remailing) zeigen - noch immer beimessen. Die nicht nur geographisch zentrale Stellung der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der Europäischen Union macht die erfolg223
Josef Stegt, Konsequenzen der Postreform für die Postversorgung in ländlichen Räumen, Der Landkreis 1996, 563 (565). 224 Steiner, in: HdbStR Band III, § 81 Rdnr. 1. 225 Isensee, in: HdbStR Band III, § 57 Rdnr. 121. 226 Stern, DVB1. 1997, 309 (313); Rottmann, ArchPT 1994, 193 (194). 227 Zum Ganzen: Peter Lerche, Infrastrukturelle Verfassungsaufträge (Nachrichtenverkehr, Eisenbahnen), in: Festschrift für Karl Heinrich Friauf, Heidelberg 1996, S.254; Windthorst, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 87 f GG Rdnr. 4, 10. 228 Zum Ganzen: Jürgen Basedow, Europarechtliche Grenzen des Postmonopols, EuZW 1994, 359ff.; ders., Ansätze zur europäischen Regulierung der Postdienste, EuZW 1996, 143 ff. 229 BT-Drucks. 11/930. 230 ABL Nr. C 322/22 vom 2.12.1995.
110
F. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art. 12 Abs. 1 GG
reiche Umsetzung der EU-Richtlinie zur Liberalisierung und Deregulierung notwendig, soll das Ansehen eines zuverlässigen Partners im Integrationsprozeß nicht verspielt werden 231. Bereits diese wenigen Überlegungen zeigen deutlich, daß der Privatisierung und Deregulierung des Postmarktes und damit verbunden dem Aufbau eines funktionsfähigen Wettbewerbs, den zu sichern das erklärte Ziel des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG ist, in diesem Marktsegment eine gemeinschaftsweit hohe Bedeutung beizumessen ist.
(3) Fiskalische Interessen Für das Gemeinwesen der Bundesrepublik Deutschland ist die Etablierung der Deutsche Post AG am Markt auch mit Rücksicht auf fiskalische Interessen von großer Bedeutung. Die von dem neuen Unternehmen erwirtschafteten Gewinne fließen dem Bund als Eigentümer zu, ein angesichts allenthalben leerer Staatskassen willkommenes Zubrot. Die angestrebte Mobilisierung privaten Kapitals durch den geplanten Börsengang kann nur bei günstigen Prognosen bezüglich der Gewinnentwicklung gelingen. Ein weiterer Grund, den Start der Deutsche Post AG in den Wettbewerb durch flankierende Maßnahmen zu stützen. Auch ist zu berücksichtigen, daß eine Insolvenz der Deutsche Post AG den anderweitigen Einsatz der Beschäftigten und zuvor deren kostenintensive Umschulung notwendig machen würde. Ein Teil der Beschäftigten würde, zumindest zeitweise, Leistungen der ohnehin stark belasteten Sozialversicherungen in Anspruch nehmen müssen. Im Hinblick auf die erhebliche Anzahl betroffener Mitarbeiter, der Personalbestand der Deutsche Post AG umfaßte zum 31.12.1997 rund 267.000 Mitarbeiter 232, wäre mit einer immensen Kostenbelastung des Gemeinwesens zu rechnen. Auch die Gemeinwohlbedeutung dieses fiskalischen Aspekts des Privatisierungsprojektes Deutsche Bundespost darf im Rahmen der vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung nicht vernachlässigt werden.
bb) Schutzwürdige Individualinteressen Nach Betrachtung der in die Abwägung einzubeziehenden Allgemeinwohlbelange soll der Blick nun auf die zu berücksichtigenden Individualinteressen gelenkt werden.
231 Zur infrastrukturellen Bedeutung der Postuntemehmen in der Gemeinschaft, Walter Maschke, Europäische Postpolitik im Hinblick auf nationale Regelungen, ZögU 1998, 212ff. 232 Geschäftsbericht der Deutsche Post AG 1997, S.53.
IV. Rechtfertigung
(1 ) Verantwortung
111
gegenüber den Postbeschäftigten
Vorrangig gilt es, die Interessen und Belange der ehemaligen Mitarbeiter des Verwaltungsmonopolisten Deutsche Bundespost zu beachten, da diese unmittelbar und existentiell durch die Umwandlung des Staatsbetriebes in ein erwerbswirtschaftlich orientiertes Unternehmen betroffen sind. Die traditionelle Bindung, vermittelt durch das Verwaltungsmonopol Deutsche Bundespost, verpflichtet den Bund auch zur Erhaltung der Existenzgrundlage seiner früheren Beschäftigten. Insbesondere die ehemaligen Mitarbeiter der Deutschen Bundespost in dem Gebiet der neuen Bundesländer sind hier betroffen, da diese überwiegend nicht verbeamtet sind 233 . Die Sicherung der Arbeitsplätze läßt sich jedoch nicht allein durch die Überleitung auf das neue Unternehmen Deutsche Post A G gewährleisten. Die gesetzliche oder tarifvertragliche Festschreibung sozialer Standards und finanzieller Besitzstände bleibt im Insolvenzfall ohne Wirkung. Somit sind weitere Maßnahmen, die Bestand und Entwicklung des Nachfolgeunternehmens Deutsche Post A G garantieren, unverzichtbar. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß den Interessen und Belangen der früheren Mitarbeiter der Deutschen Bundespost besonderer Schutz gebührt.
(2) Verpflichtung
gegenüber der Deutsche Post AG
Sodann stellt sich die Frage, ob dem im Rahmen des Privatisierungsprojektes Deutsche Bundespost neu entstandenen Unternehmen Deutsche Post AG selbst schutzwürdige Interessen und Belange zugeordnet werden können. Mit Rücksicht auf die Grundrechtsberechtigung des Unternehmens 234 erscheint dies durchaus möglich. Die Deutsche Post AG wurde als Rechtssubjekt eigens geschaffen, um dem Staat den Rückzug aus dem Wirtschaftszweig zu ermöglichen, den er jahrhundertelang für sich beansprucht hatte. Man könnte daher in Erwägung ziehen, dem Bund eine „Garantenstellung" 235 für die Deutsche Post AG zuzuweisen. Zu beachten ist allerdings, daß Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich Abwehrrecht und nicht Leistungsrecht ist 236 und es daher grundsätzlich keinen Anspruch auf Konkurrenzschutz als solchen gibt 237 . Allerdings scheint gerade die hier zugrunde liegende einzigartige Situation ausnahmsweise die Anerkennung einer solchen Garantenstellung zu gebieten. Eine im Strafrecht bekannte und häufig auftretende Konstruk-
233
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Post und Telekommunikation, Amtliche Begründung zu § 15a (heutiger § 16) PostPersRG, BT-Drucks. 12/8060, S. 194. 234
Siehe oben B . I I . 2 . Grundrechtsfähigkeit der Deutsche Post AG.
235
Schock, DVB1. 1994, 962 (963).
236
Karl Heinrich Friauf Zur Rolle der Grundrechte im Interventions- und Leistungsstaat, DVB1. 1971,674 (678). 237
Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band 1,1998, Art. 12 G G Rdnr. 304.
112
F. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art. 12 Abs. 1 GG
tion - Garantenstellung aus Ingerenz 238 - ließe eine gedankliche Parallele zu. Jedoch findet sich weder im Verfassungs- noch im Verwaltungsrecht Vergleichbares. Nur vereinzelt lassen sich in der Literatur Ansätze erkennen, aus den Grundrechten unter Rückgriff auf das Sozialstaatsprinzip im Einzelfall eine Garantenstellung des Staates auszuformen 239. Zumindest nach der „altliberalen" Staatsdoktrin gehört es allerdings zu den zentralen Staatsaufgaben, diejenigen allgemeingültigen Rechtsregeln zu schaffen, nach denen sich das freie Spiel der geistigen und ökonomischen Kräfte gestalten kann 240 . Hat der Staat dieses „Spiel" (zulässigerweise) für einen gewissen Zeitraum unterbrochen, so scheint es geboten, ihn nach Ablauf dieser Zeit zu verpflichten, dieses unterbrochene Spiel wieder „in Gang zu setzen". Dazu ist es im Rahmen der Postprivatisierung unumgänglich, beschäftigungspolitisch motivierte Wettbewerbsverzerrungen zu unterbinden. Dem Interesse der Deutsche Post AG in ihrer Geschäftstätigkeit nicht durch solche Wettbewerbsverzerrungen behindert zu werden, ist daher ebenfalls Schutzwürdigkeit zu attestieren. cc) Dringlichkeit Die Dringlichkeit der diesen dargestellten Gütern und Interessen drohenden Gefahren - Zusammenbruch von Wettbewerb und Infrastruktur, internationaler Ansehensverlust des Staates, Belastung des Staatshaushaltes, Insolvenz des Nachfolgeunternehmens Deutsche Post AG und Arbeitsplatzverlust seiner Mitarbeiter - ergibt sich, um nun wieder auf die spezifischen Sachgesetzlichkeiten der Regelungsmaterie zurückzukommen, aus den Besonderheiten des dynamischen Wettbewerbs 241. Dieser „erzieht" die Marktteilnehmer gerade zu erwerbswirtschaftlich motiviertem Handeln, hoher Flexibilität, Mobilität und Wachsamkeit. Wachsamkeit im Hinblick auf die sich am Markt eröffnenden Gewinnchancen und Möglichkeiten der eigenen Weiterentwicklung. Erfolgreiche Unternehmer beobachten allerdings nicht nur die volks- und betriebswirtschaftlich bedingten Faktoren Angebot und Nachfrage sowie die Marktentwicklungen und -trends. Ebenso bedeutende Gewinnchancen können sich für sie aus staatlichen Aktivitäten ergeben. Aktuelle Gesetzgebungsverfahren und höchstrichterliche Entscheidungen sind deshalb Gegenstand regen Interesses. Diese Wachsamkeit und Flexibilität privater Unternehmen hat eine überaus schnelle und dynamische Umsetzung der eröffneten Möglichkeiten und eine kurzfristige Realisierung der Gewinnchancen zur Folge. Hinsichtlich des Privatisierungsvorhabens und des Prozesses der Marktöffnung im Postsektor, dem eine langanhaltende 238
Herbert Tröndle/Thomas Fischer, Strafgesetzbuch, Kommentar, 49. Aufl., München 1999, § 13 StGB Rdnr. 11 ff.; Adolf SchönkelHorst Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar, 25. Aufl., München 1997, § 13 StGB Rdnr. 32ff. 239 Schoch, DVB1.1994,962 (963,970); Manfred Gubelt, Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Philip Kunig, Band 1,4. Aufl. 1992, Art. 3 GG Rdnr. 10. 240 Herzog, in: HdbStR Band III, § 58 Rdnr. 83. 241 Ulrich van Suntum, Die unsichtbare Hand - Ökonomisches Denken gestern und heute, München 1999, llff.
IV. Rechtfertigung
113
und in vielen Kreisen des öffentlichen Lebens heftig geführte Diskussion vorausging, war aus diesem Grund mit einem plötzlich einsetzenden und massiven Konkurrenzdruck zu rechnen. Die Deutsche Post AG hätte diesem nicht ohne angemessene Übergangsregelungen standhalten können. An der Dringlichkeit wettbewerbskontrollierender und -lenkender Maßnahmen zum Schutz der Deutsche Post AG vor beschäftigungspolitisch motivierten Wettbewerbsverzerrungen kann daher nicht ernstlich gezweifelt werden. e) „ Selbsterledigungstendenz
" des Lizenzversagungsgrundes
Nachdem sich eine bedeutende Anzahl gewichtiger für die Beschränkung des Grundrechts der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG durch die Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz streitender Gründe hat feststellen lassen, neigt sich die „Legitimationswaage" ganz beachtlich auf die Seite der schutzwürdigen Güter. Ein letzter Aspekt läßt sich nun noch anführen, der sie vollends ins Gleichgewicht bringt und die Zumutbarkeit der Norm bejahen läßt. Es wurde bereits auf die Verpflichtung des Staates hingewiesen, aus Gründen der Subsidiarität staatlichen Handelns Monopole aufzulösen, wenn und soweit ihre verfassungsrechtliche Legitimation entfallen ist 242 . Dieser Pflicht kann und muß der Staat nicht durch übergangslose Abschaffung bestehender Monopole nachkommen. Übergangsregelungen erscheinen unumgänglich. Diese praktischen Zwänge entheben den Staat jedoch nicht der Verpflichtung, die Monopolauflösung möglichst zügig und reibungslos durchzuführen. Dem freiheitsgewährleistenden Gehalt des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG entspringt die Option der Grundrechtsträger auf die endgültige Aufhebung aller Beschränkungen243. Aus diesem Grund sind nur solche Maßnahmen als zumutbar anzusehen, welche diesem Übergangscharakter entsprechen. Nur solche Eingriffe sind hinzunehmen, die in angemessenem Umfang zeitlich befristet sind 244 . Diese Option spiegelt sich auch in den Vorgaben der Verfassung. Art. 143b Abs. 2 Satz 1 GG begrenzt die Verleihung ausschließlicher Rechte ausdrücklich auf eine „Übergangszeit". Im Gefolge dieser verfassungsrechtlichen Ermächtigung ordnet §51 Satz 1 PostG das Ende der Verleihung ausschließlicher 242
Siehe oben B.IV.2. Staatliche Monopolisierung. Bereits heute werden Forderung nach Abschaffung der - nun nicht mehr notwendigen - Regulierung der Endkundenentgelte im Telekommunikationssektor laut. Vgl. Ulrich Immenga, Grenzen der Regulierung von Endkundenentgelten nach Öffnung der Telekommunikationsmärkte, WuW 1999, 949 (961); dagegen kann nach Mitteilung der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation noch nicht von einem selbsttragenden Wettbewerb gesprochen werden (Pressemitteilung vom 3.12.1999); vgl. Bestrebungen der EU-Kommission hinsichtlich der weitergehenden Liberalisierung auf dem Kommunikationssektor, EU-Nachrichten vom 10.11.1999 (Quelle: Neue Züricher Zeitung vom 11.11.1999). 244 Antonis Chanos, Möglichkeiten und Grenzen der Befristung parlamentarischer Gesetzgebung, Berlin 1999. 243
8 Jochum
114
F. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art. 12 Abs. 1 GG
Rechte mit Ablauf des 31.12.2002 an. Nun ließe sich einwenden, die Regelung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG enthalte gerade keine Befristung und sei deshalb unzumutbar. Dem ist mit Hinweis auf den Wirkungsmechanismus der Norm entgegenzutreten. Die Flexibilität der Regelung wurde bereits dargestellt. Vergegenwärtigt man sich die durch diese Form der Regulierung ausgelöste Entwicklung, so wird deutlich, daß sie auf eine „Selbstheilung" der unausgeglichenen Wettbewerbssituation angelegt ist. Ist dieser Prozeß des Austarierens abgeschlossen, so verliert die Norm ihren Sinn und Gegenstand. Ab welchem konkreten, kalendermäßig bestimmten Zeitpunkt die Vorschrift als obsolet angesehen werden muß, wird von ihr nicht explizit vorgegeben - eine solche Vorgabe wäre dem Gesetzgeber auch nicht möglich gewesen, da Verlauf und Geschwindigkeit des Prozesses von den „Selbstheilungskräften" des Marktes abhängen - , ist jedoch in ihr zwingend angelegt. Dem läßt sich nicht entgegnen, die Deutsche Post AG könne als „Schrittmacher" dieses Prozesses die Entwicklung blockieren und auf dem status quo beharren. Die Vergangenheit hat eindrucksvoll unter Beweis gestellt, daß Wirtschaftstätigkeit unter den gewachsenen Bedingungen nicht gewinnorientiert möglich ist. In die Rechtsform der privaten Aktiengesellschaft gegossen, wird das Unternehmen den Weg in die erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Zukunft beschreiten müssen, da insolvenzvermeidende Zahlungen des (noch) Alleinanteilseigners Bund nicht mehr zu erwarten sind und private Kapitalquellen nur auf diesem Wege erschlossen werden können245. Somit ist festzustellen, daß die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, auch ohne ausdrückliche Befristung, dennoch den Zeitpunkt vorprogrammiert, zu dem sie ohne weitere Aktivität des Gesetzgebers gegenstände- und bedeutungslos werden wird. Der Zeitpunkt ihrer Erledigung ist der Norm immanent, sie weist eine „Selbsterledigungstendenz" auf. Die Vorschrift berücksichtigt somit hinreichend, daß Reglementierungen nur für einen begrenzten Zeitraum hinzunehmen sind und ihre Berechtigung verlieren, sobald alle „postmonopolumwandlungsspezifischen" Nachteile ihren Ausgleich gefunden haben. Diese „Selbsterledigungstendenz" des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG führt zu einer weiteren Milderung des mit der Vorschrift verbundenen Eingriffs in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, die im Rahmen der Abwägung der durch den Eingriff betroffenen Freiheitsrechte mit den schutzwürdigen Interessen, das heißt den eingriffslegitimierenden Anliegen, maßgeblich zu berücksichtigen ist.
7. Zusammenfassung Der Deutsche Post AG entstehen auf Grund überlieferter „Personalaltlasten" Personalmehrkosten. Diese muß die Gesellschaft über die Preise auf die Verbraucher abwälzen können, um kostendeckend zu arbeiten. Mit diesen erhöhten Preisen wäre die Deutsche Post AG jedoch nicht wettbewerbsfähig. Um nur ein Beispiel zu nen245
Walgenbach, ZTR 1998,481.
IV. Rechtfertigung
115
nen: Das Briefporto in Deutschland in den Jahren 1998 bis 2000 brauchte statt 1,10 D M nur 0,90 D M zu betragen, gäbe es nicht die Altlasten aus der Behördenzeit der Post mit jährlichen Pensionsverpflichtungen von rund fünf Milliarden Mark 246 . Die Deutsche Post AG würde somit innerhalb kurzer Zeit am neu geschaffenen Markt verdrängt werden. Damit würde das gesamte Privatisierungsvorhaben, welches sich eine Überführung des Staatsbetriebes Deutsche Bundespost Postdienste in ein privatrechtliches, nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeitendes Unternehmen und nicht dessen Vernichtung zum Ziel gesetzt hatte, ad absurdum geführt. Diese Entwicklung zu verhindern ist das Regelungsziel des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG. Die Vorschrift ist auf Grund ihres konkurrenzschützenden Wirkungsmechanismus geeignetes Mittel zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen auf dem Postmarkt, die durch Unterschreiten der wesentlichen und im lizenzierten Bereich üblichen Arbeitsbedingungen entstehen könnten. Mangels einer das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG weniger beeinträchtigenden Alternative zur Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz ist diese auch als erforderliches Mittel zur Verhinderung dieser Wettbewerbsverzerrungen anzusehen. Betrachtet man den mit 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG verbundenen Eingriff in die Berufsfreiheit, so läßt dieser nur geringe Eingriffsintensität erkennen, da die Regelung nur eine (Rest-)Beschränkung als Nachwirkung des vormaligen Monopols beinhaltet und diese Beschränkung in ein außerordentlich flexibles Steuerungssystem eingebunden ist, das die Realisierung eines Kostenausgleichs am Markt durch § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG in angemessenem Umfang ermöglicht. Um so bedeutender und schutzwürdiger erscheinen dagegen die mit dem Regelungsziel des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG verbundenen Allgemeinwohlbelange und Individualinteressen. Berücksichtigt man darüber hinaus den außerordentlich engen schutzgutspezifischen Zusammenhang zwischen dem Lizenzversagungsgrund und dem Gewährleistungsgehalt des Grundrechts der Berufsfreiheit, so muß man die Angemessenheit der Regelung § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG bejahen. Eine Verletzung des Grundrechts der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG kann daher nicht festgestellt werden.
246 Klaus Zumwinkel gegenüber der Chemnitzer „Freien Presse" (Quelle: „Die Rheinpfalz" vom 31.10.1998).
8*
Exkurs: Europarechtliche Würdigung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG Im Rahmen der bisherigen Untersuchung wurden bereits mehrfach europarechtliche Aspekte des Privatisierungsprojektes Deutsche Bundespost angesprochen. Dem Wirtschaftssektor der Postdienste galt von jeher und gilt noch heute das gesteigerte Interesse der Organe der Europäischen Gemeinschaft. Als wesentlichem Mittel der Nachrichtenübermittlung und des Handels kommt den postalischen Diensten nach Auffassung der Europäischen Kommission existentielle Bedeutung - eine Schlüsselrolle - für alle wirtschaftlichen und sozialen Tätigkeiten1 auf dem Gebiet der Europäischen Gemeinschaft zu. Mit Rücksicht auf diese gemeinschaftsrechtliche Bedeutung des Privatisierungsvorhabens Deutsche Bundespost kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich auch aus dem Europarecht Schranken für die Aktivitäten des nationalen Gesetzgebers im Rahmen dieses Projektes ergeben. Daher ist an dieser Stelle auch die Frage nach der Vereinbarkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit den europarechtlichen Normen aufzuwerfen.
I. Allgemeines Zunächst ist zu fragen, am Maßstab welcher gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften der Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG auf seine Europarechtskonformität hin zu überprüfen ist. Betrachtet man den Regelungsgegenstand des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, so wird deutlich, daß durch diese Vorschrift insbesondere europarechtliche Normen des Wettbewerbsrechtes tangiert sein können. Die Vorschrift dient wie bereits dargelegt, der Initiierung und Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen und chancengleichen Wettbewerbs auf dem Postmarkt. Zu überprüfen ist daher an dieser Stelle, ob der Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit den europarechtlichen Wettbewerbsregeln vereinbar ist. Die europarechtlichen Wettbewerbsregeln finden sich im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag, EGV) 2 . Den Wettbewerbsregelungen 1 Bekanntmachung der Europäischen Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf den Postsektor und über die Beurteilung bestimmter staatlicher Maßnahmen betreffend Postdienste vom 5.2.1998, ABl. 98/C39/2. 2 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.3.1957, zuletzt geändert durch den Amsterdamer Vertrag vom 2.10.1997, BGBl. 1998 II, S. 387, ber. BGBl. 1999 II, S.416.
II. Die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages
117
3
wird in den Art. 81 bis 89 EGV im Rahmen dieses Gründungsvertrages ein eigenes Kapitel gewidmet. Diese Vorschriften lassen sich begreifen als Ausfluß der Verpflichtung der Europäischen Gemeinschaft auf den Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb gemäß Art. 98 Satz 2 EGV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 EGV. Aus dieser grundsätzlichen Verpflichtung ergibt sich, daß eine der vorrangigen Aufgaben der Europäischen Gemeinschaft in der Schaffung eines Systems besteht, welches den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt4. Der EG-Vertrag enthält daher in den Art. 81 bis 89 EGV umfangreiche Regelungen, die es ermöglichen, das wettbewerbswirksame Verhalten der Wirtschaftssubjekte in den Mitgliedstaaten sowie die wettbewerbsrelevanten Aktivitäten der Mitgliedstaaten selbst zu kontrollieren. Diese gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln der Art. 81 bis 89 EGV und ihre Systematik sollen im folgenden betrachtet werden.
II. Die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages Die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln finden sich im dritten Teil des EG-Vertrages. Sie sind in Titel VI., der mit der Überschrift: „Gemeinsame Regeln betreffend Wettbewerb, Steuerfragen und Angleichung der Rechtsvorschriften" versehen ist, enthalten. Die Wettbewerbsregeln bilden mit den Art. 81 bis 89 EGV das erste Kapitel dieses Titels VI.
1. Die „Zweigleisigkeit" der europäischen Wettbewerbsregeln Das Kapitel der Wettbewerbsregeln unterteilt sich in zwei Abschnitte. Der erste dieser beiden Abschnitte (Art. 81 bis 86 EGV) umfaßt Vorschriften, die sich in erster Linie an Unternehmen richten. Dieser erste Abschnitt mit Vorschriften für Unternehmen enthält zum Beispiel das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und Verhaltensweisen (Art. 81 EGV) und das Verbot des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 82 EGV). Der zweite Abschnitt des Kapitels (Art. 87 bis 89 EGV) beschäftigt sich mit staatlichen Beihilfen. Normadressat des zweiten Abschnitts sind damit die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Durch diese Untergliederung des Kapitels der Wettbewerbsregeln werden bereits die „Stoßrichtungen" der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsnormen deutlich. Die europarechtlichen Wettbewerbsregeln dienen einerseits der Kontrolle der Wirt3
Vgl. zur extraterritorialen Anwendung der Wettbewerbsregeln Werner Meng, Extraterritoriale Anwendung des EG-Rechts, in: Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, hrsg. v. Hans von der Groeben/Jochen Thiesing/Claus-Dieter Ehlermann, Band 5, 5. Aufl., Baden-Baden 1997, 1207 ff. (1234 ff.). 4 Christian Koenig/Andreas Haratsch, Europarecht, 3. Aufl., Tübingen 2000, Rdnr. 664; Volker Emmerich, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, Loseblatt, Stand: November 1999, München 2000, H. II. Rdnr. 87.
118
Exkurs: Europarechtliche Würdigung
schaftssubjekte, das heißt der Unternehmen in den Mitgliedsstaaten. Auf der anderen Seite reglementieren sie dagegen das Verhalten der einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Diese „Zweigleisigkeit" der europäischen Wettbewerbsregeln ist notwendige Konsequenz des Strebens nach effektivem Schutz des freien Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt. Denn Wettbewerbsverfälschungen können sowohl durch Aktivitäten der Wirtschaftssubjekte als auch durch Interventionen der Mitgliedsstaaten hervorgerufen werden.
2. Sonderstellung öffentlicher und monopolartiger Unternehmen in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht? Bemerkenswert erscheint im System der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln die Vorschrift des Art. 86 EGV. Dieser Artikel enthält Regelungen bezüglich öffentlicher und monopolartiger Unternehmen. Zu differenzieren ist zwischen Art. 86 Abs. 1 und Abs. 2 EGV. Bereits nach dem Wortlaut der Norm richtet sich Art. 86 Abs. 1 EGV ausschließlich an die Mitgliedstaaten. Die Vorschrift des Art. 86 Abs. 1 EGV ordnet an, daß die Mitgliedstaaten (auch) gegenüber öffentlichen Unternehmen sowie gegenüber Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, die Vorschriften des EG-Vertrages zu beachten haben. Die Regelung des Art. 86 Abs. 1 EGV bringt deklaratorisch zum Ausdruck, daß in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht öffentliche Unternehmen sowie die mit besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgestatteten Unternehmen mit Privatunternehmen grundsätzlich gleichgestellt sind. Der deklaratorische Charakter der Norm folgt daraus, daß sich im EG-Vertrag keine Ausnahmen für öffentliche Unternehmen finden, der Vertrag einschließlich der Wettbewerbsregeln also für sie ebenso gilt wie für andere, private Unternehmen5. Die Regelung des Art. 86 Abs. 2 EGV hat dagegen die Unternehmen, das heißt die Wirtschaftssubjekte in den Mitgliedstaaten selbst, sowie die Frage nach der Geltung der Vorschriften des EG-Vertrages für diese Unternehmen zum Gegenstand. Obwohl der Wortlaut der Norm insoweit offen formuliert ist, könnte man daher annehmen, Art. 86 Abs. 2 EGV sei lediglich an die Unternehmen in den Mitgliedstaaten adressiert 6. Für diese Sichtweise spricht die systematische Stellung der Vorschrift des Art. 86 Abs. 2 EGV im ersten Abschnitt des Kapitels („Vorschriften für Unternehmen"). Dagegen ist jedoch einzuwenden, daß Art. 86 EGV im Gefüge der europarechtlichen Wettbewerbsregeln eine gewisse Sonderstel5 Emmerich, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, H. II. Rdnr. 96; Gerhard Grill, in: EG-Vertrag, Kommentar, hrsg. v. Carl Otto Lenz, 2. Aufl., Köln 1999, Art. 86 EGV Rdnr. 2; Bengt Beutler, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl., Baden-Baden 1993, 10.7.3. Öffentliche Unternehmen und Finanzmonopole, S.363. 6 Ingfried F. Hochbaum, in: Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, hrsg. v. Hans von der Groeben/Jochen Thiesing/Claus-Dieter Ehlermann, Band 2/II, 5. Aufl., Baden-Baden 1999, Art. 90 EGV Rdnr.50f.
II. Die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages
119
7
lung einnimmt . Dies ergibt sich bereits daraus, daß die Regelung des Art. 86 Abs. 1 EGV, die allein an die Mitgliedstaaten gerichtet ist, sich in systematischer Hinsicht kaum in den ersten Abschnitt des Kapitels, das heißt den Abschnitt mit Vorschriften für Unternehmen, einfügt. Die Sachnähe rechtfertigt es jedoch, diese Vorschrift des Art. 86 Abs. 1 EGV in die Reihe der unternehmensbezogenen Wettbewerbsregeln des ersten Abschnitts aufzunehmen. Diese Überlegungen zeigen, daß allein die systematische Stellung der Norm keine abschließende Aussage über den Regelungsgehalt der Vorschrift des Art. 86 EGV zuläßt. Da auch der Wortlaut des Art. 86 Abs. 2 EGV insoweit keine eindeutige Klärung ermöglicht, ist auf Sinn und Zweck der Norm abzustellen. Hier ist festzustellen, daß Art. 86 Abs. 2 EGV als Ausnahmetatbestand eine flexible und sachgerechte Anwendung der Vorschriften des EG-Vertrages auf Unternehmen ermöglicht, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben8. Der rechtfertigende Grund für diese Ausnahmeregelung des Art. 86 Abs. 2 EGV ist in der Verpflichtung dieser Unternehmen zur Erfüllung besonderer Aufgaben im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse zu sehen. Mit dieser besonderen Aufgabenerfüllung sind regelmäßig umfängliche Sonderlasten verbunden. Die Regelung des Art. 86 Abs. 2 EGV soll eine angemessene Berücksichtigung dieser atypischen Lasten im Rahmen der Anwendung der Vorschriften des EG-Vertrages ermöglichen9. Aus dem Regelungsgehalt der Vorschrift des Art. 86 Abs. 2 EGV ergibt sich damit, daß die Norm nicht ausschließlich an die Unternehmen in den Mitgliedstaaten adressiert sein kann. Es ist anzuerkennen, daß auch die Mitgliedstaaten selbst hinsichtlich ihrer Maßnahmen gegenüber solchen Unternehmen im Sinne von Art. 86 Abs. 1 EGV auf die Vorschrift des Art. 86 Abs. 2 EGV rekurrieren können10. Aus der Feststellung, daß Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 2 EGV die Vorschriften des EG-Vertrages nur in beschränktem Umfang beachten müssen, folgt, daß dies erst recht auch für die Aktivitäten der Mitgliedstaaten gegenüber diesen Unternehmen gelten muß, sofern die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm erfüllt sind. Nur so verstanden fügt sich die Regelung des Art. 86 Abs. 2 EGV sinnvoll in das System der europarechtlichen Wettbewerbsregeln ein. Denn die Mo7 EuGHE 1993/12533 „Corbeau"; Emmerich, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, H. II. Rdnr. 87; Christian Jung, in: Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, hrsg. v. Christian Callies/Matthias Ruffert, Neuwied u. a. 1999, Art. 86 EGV Rdnr. 34; Ernst-Joachim Mestmäcker, in: EG-Wettbewerbsrecht, Kommentar, Band II, hrsg. v. Ulrich Immenga/Ernst-Joachim Mestmäcker, München 1997, Art. 37, 90 EGV Rdnr. 2; vgl. Grill in: EG-Vertrag, Kommentar, hrsg. v. Carl Otto Lenz, 2. Aufl. 1999, Art. 86 EGV Rdnr. 2. 8 Hochbaum, in: Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, hrsg. v. Hans von der Groeben/Jochen Thiesing/Claus-Dieter Ehlermann, Band 2/II, 5. Aufl. 1999, Art. 90 EGV Rdnr. 49ff.; Emmerich, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, H. II. Rdnr. 91 ff.; Grill, in: EG-Vertrag, Kommentar, hrsg. v. Carl Otto Lenz, 2. Aufl. 1999, Art. 86 EGV Rdnr. 2 a. E. 9 Andreas Bartosch, Dienstleistungfreiheit versus Monopolrechte - Die Fragwürdigkeit des Remailing-Urteils des EuGH vom 10.2.2000, NJW 2000, 2251 (2252). 10 ABl. 98/C39/4.
120
Exkurs: Europarechtliche Würdigung
difizierung der Vorschriften des EG-Vertrages in den besonderen Fällen des Art. 86 Abs. 2 EGV erscheint nur dann sachgerecht, wenn diese Modifikation nicht lediglich im Verhältnis der betroffenen Unternehmen gegenüber der Europäischen Gemeinschaft, sondern auch im Verhältnis dieser Unternehmen zu den jeweiligen Mitgliedstaaten zur Geltung gebracht wird. Die den betroffenen Unternehmen obliegenden besonderen Aufgaben und die mit diesen Aufgaben verbundenen Sonderbelastungen sind in beiden Relationen, das heißt gegenüber der Europäischen Gemeinschaft wie auch gegenüber dem jeweiligen Mitgliedsstaat, gleichermaßen von Bedeutung11. Nach dieser Betrachtung der Regelungen des Art. 86 EGV ist abschließend festzuhalten, daß die Vorschriften des EG-Vertrages und insbesondere die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln grundsätzlich auch auf öffentliche Unternehmen und Unternehmen, die mit besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgestattet sind, Anwendung finden. Nach der Ausnahmevorschrift des Art. 86 Abs. 2 EGV können die Vorschriften des EG-Vertrages allerdings in besonderen Fällen zu modifizieren sein. Insoweit ist von einer möglichen Sonderstellung öffentlicher und monopolartiger Unternehmen in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht auszugehen. Im Rahmen der Überprüfung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG auf seine Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Bestimmungen ist daher im folgenden die Frage zu klären, ob und in welchem Umfang die Vorschriften des EG-Vertrages auf die Maßnahmen des nationalen Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Gründung und Situierung des Unternehmens Deutsche Post AG am Postmarkt anzuwenden sind.
III. Die Anwendbarkeit der Vorschriften des EG-Vertrages im Rahmen der Gründung und Situierung der Deutsche Post AG Stellt man die Frage, ob und in welchem Unfang die Vorschriften des EG-Vertrages im Rahmen der Gründung und Situierung der Deutsche Post AG Anwendung finden, so ist zunächst zu ermitteln, ob es sich bei dieser Gesellschaft um ein Unternehmen im Sinne von Art. 86 Abs. 1 EGV handelt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs umfaßt der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von der Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung 12. Die Deutsche Post AG ist daher unproblematisch als Un11 Emmerich, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, H. II. Rdnr. 143; unklar Hochbaum, in: Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, hrsg. v. Hans von der Groeben/Jochen Thiesing/Claus-Dieter Ehleimann, Band 2/II, 5. Aufl. 1999, Art. 90 EGV Rdnr. 50f.; so auch Ernst-Joachim Mestmäcker, in: EG-Wettbewerbsrecht, Kommentar, Band II, hrsg. v. Ulrich Immenga/Emst-Joachim Mestmäcker, München 1997, Art. 37,90 EGV Rdnr. 30, 53. 12 EuGH, C-41/90, „Höfner und Elser", Slg. 1991,1-1979, Rdnr. 21.
I I . Die
webre
des EG-Vertrages
121
ternehmen zu qualifizieren. Weiter müßte es sich um ein öffentliches Unternehmen oder ein Unternehmen, dem besondere oder ausschließliche Rechte gewährt worden sind, handeln. Als öffentliches Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 1 1. Alt. EGV ist dabei jedes Unternehmen anzusehen, auf das die öffentliche Hand auf Grund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben kann13. Am Gesellschaftsvermögen der Deutsche Post AG ist die Bundesrepublik Deutschland mit 100 % beteiligt14. Auf Grund dieses BeteiligungsVerhältnisses ist ein beherrschender Einfluß des Bundes auf die Deutsche Post AG zu bejahen. Die Deutsche Post AG ist als öffentliches Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 1 1. Alt. EGV anzusehen. Anzumerken ist, daß die Deutsche Post AG auch als Unternehmen im Sinne von Art. 86 Abs. 1 2. Alt. EGV einzustufen ist. Der Deutsche Post AG ist im Rahmen des Privatisierungsprojekts Deutsche Bundespost ein ausschließliches Recht im Sinne von Art. 86 Abs. 1 2. Alt. EGV gewährt worden. In § 51 Abs. 1 Satz 1 PostG ist der Deutsche Post AG das ausschließliche Recht zur gewerbsmäßigen Beförderung von Briefsendungen und adressierten Katalogen, deren Einzelgewicht weniger als 200 Gramm und deren Einzelpreis bis zum Fünffachen des am 31.12.1997 geltenden Preises für entsprechende Postsendungen der untersten Gewichtsklasse beträgt, verliehen worden (Exklusivlizenz). Auf Grund der Gewährung dieses ausschließlichen Rechts wird die Deutsche Post AG folglich auch dann noch vom Anwendungsbereich des Art. 86 Abs. 1 EGV umfaßt sein, wenn im Zuge des geplanten Börsengangs des Unternehmens das Gesellschaftsvermögen zum Teil in private Hände übergeht. Damit ist festzustellen, daß es sich bei der Deutsche Post AG um ein Unternehmen im Sinne von Art. 86 Abs. 1 EGV handelt. Die Bundesrepublik Deutschland muß daher im Rahmen aller Maßnahmen gegenüber dem Unternehmen Deutsche Post AG grundsätzlich die Vorschriften des EG-Vertrages beachten. Dies gilt insbesondere auch für die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln. Weiter zu fragen ist allerdings, ob sich hinsichtlich der Anwendung der europarechtlichen Normen auf Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf die Deutsche Post AG nach Art. 86 Abs. 2 EGV Ausnahmen ergeben. Art. 86 Abs. 2 EGV stellt auf Unternehmen ab, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind (Art. 86 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. EGV) oder den Cha13 Vgl. Grill, in: EG-Vertrag, Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, hrsg. v. Carl Otto Lenz, 2. Aufl. 1999, Art. 86 EGV Rdnr. 5; Emmerich, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, H. II. Rdnr. 99 ff. (105). 14 Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat am 21.12.1999 vom Bund, vertreten durch die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation, 50 % minus eine Aktie des Grundkapitals der Deutsche Post AG übernommen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau gehört jedoch ebenfalls überwiegend zum Vermögen des Bundes und zu einem geringen Teil zum Vermögen der Länder (Presseinformation der Kreditanstalt für Wiederaufbau vom 23.12.1999, Handelsblatt vom 24./25.12.1999, S.3).
122
Exkurs: Europarechtliche Würdigung
rakter eines Finanzmonopols haben (Art. 86 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. EGV). Ein Finanzmonopol liegt vor, wenn einem Unternehmen oder einer Einrichtung zum Zwecke der Erzielung von Einnahmen für den Staatshaushalt ein ausschließliches Recht zugewiesen wird 15 . Als Beispiel können derzeit in Deutschland allein das Branntweinund das Zündwarenmonopol genannt werden 16. Bei der Deutsche Post AG handelt es sich somit nicht um ein Finanzmonopol im Sinne des Art. 86 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. EGV. Die Anwendung des Art. 86 Abs. 2 EGV auf Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Deutsche Post AG setzt daher voraus, daß es sich bei dieser Gesellschaft um ein Unternehmen handelt, das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist. Der Begriff der Dienstleistungen ist dabei weit zu verstehen. Es muß sich allerdings um wirtschaftliche Dienstleistungen handeln, so daß ausschließlich kulturelle oder soziale Belange nicht ausreichen17. Von Art. 86 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. EGV können daher beispielsweise Energieversorgungs-, Post- und Telekommunikationsunternehmen, öffentlich-rechtliche Kreditinstitute 18 sowie Rundfunk- und Fernsehanstalten umfaßt sein19. Erforderlich ist weiter das allgemeine Interesse an diesen Diensten sowie eine Betrauung des Unternehmens mit diesen Aufgaben, das heißt eine Übertragung der Aufgaben durch Hoheitsakt20. Im Fall der Deutsche Post AG ist auf die Universaldienstverpflichtung des Unternehmens nach § 52 PostG in Verbindung mit der nach §§13 Absätze 2 und 3, 11 Abs. 2 PostG erlassenen Universaldienstleistungsverordnung 21 hinzuweisen22. Durch diese Vorschriften wird dem Unternehmen Deutsche Post AG per Ge15 Grill, in: EG-Vertrag, Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, hrsg. v. Carl Otto Lenz, 2. Aufl. 1999, Art. 86 EGV Rdnr. 26; Hochbaum, in: Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, hrsg. v. Hans von der Groeben/Jochen Thiesing/Claus-Dieter Ehlermann, Band 2/II, 5. Aufl. 1999, Art. 90 EGV Rdnr. 58 ff. 16 Hochbaum, in: Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, hrsg. v. Hans von der Groeben/Jochen Thiesing/Claus-Dieter Ehlermann, Band 2/II, 5. Aufl. 1999, Art. 90 EGV Rdnr. 61. 17 Jung, in: Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, hrsg. v. Christian Callies/Matthias Ruffert 1999, Art. 86 EGV Rdnr. 36 ff. 18 Dazu Klaus Escher, Die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in Deutschland im System des vertraglichen Wettbewerbs- und Beihilferechts der Europäischen Union, in: Aktuelle Probleme des Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Carl Baudenbacher, Band 2, Neuwied u. a. 1999, S. 109-172; Christian Koenig, Öffentlich-rechtliche Anstaltslast und Gewährträgerhaftung als staatliche Beihilfen gem. Art. 92 EGV?, EuZW 1995, 595 (596 ff.); kritisch Grill, in: EG-Vertrag, Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, hrsg. v. Carl Otto Lenz, 2. Aufl. 1999, Art. 86 EGV Rdnr. 22. 19 Hochbaum, in: Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, hrsg. v. Hans von der Groeben/Jochen Thiesing/Claus-Dieter Ehlermann, Band 2/II, 5. Aufl. 1999, Art.90 EGV Rdnr.52ff. 20 Hochbaum, in: Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, hrsg. v. Hans von der Groeben/Jochen Thiesing/Claus-Dieter Ehlermann, Band 2/II, 5. Aufl. 1999, Art. 90 EGV Rdnr. 57; Grill in: EG-Vertrag, Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, hrsg. v. Carl Otto Lenz, 2. Aufl. 1999, Art. 86 EGV Rdnr. 23ff.; Emmerich, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, H. II. Rdnr. 97,153. 21 Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15.12.1999 (BGB1.I, S.2418). 22 Vgl. Grill in: EG-Vertrag, Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, hrsg. v. Carl Otto Lenz, 2. Aufl. 1999, Art. 86 EGV Rdnr. 21 a. E.; Emmerich,
IV. Der Lizenzversagungsgrund
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setz die Aufgabe der flächendeckenden und angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit Universaldiensten auf dem Gebiet der postalischen Leistungen übertragen. Weitere besondere Aufgaben der Deutsche Post AG ergeben sich aus dem Postund Telekommunikationssicherstellungsgesetz23 in Verbindung mit der Postsicherstellungsverordnung 24. Danach obliegen der Deutsche Post AG hinsichtlich der Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung mit Postdienstleistungen bei Naturkatastrophen oder bei einem besonders schweren Unglücksfall, im Rahmen der Notfallbewältigung auf Grund internationaler Vereinbarungen, im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen im Rahmen von Bündnisverpflichtungen sowie im Spannungs- und Verteidigungsfall besondere Aufgaben. Sowohl an der angemessenen und ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Universaldienstleistungen als auch an der Sicherstellung der Postdienstleistungen in Krisenfällen besteht ein allgemeines öffentliches Interesse. Die Übertragung dieser besonderen Aufgaben auf die Deutsche Post AG erfolgte durch Gesetz beziehungsweise Rechtsverordnung, das heißt durch Hoheitsakt. Es ist somit festzustellen, daß es sich bei der Deutsche Post AG um ein Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. EGV handelt. Es ist daher möglich, daß die nach Art. 86 Abs. 1 EGV hinsichtlich der Deutsche Post AG grundsätzlich anwendbaren Vorschriften des EG-Vertrages, bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 86 Abs. 2 EGV, in adäquater Weise zu modifizieren sind. Nachdem feststeht, daß die gemeinschaftsrechtlichen Normen hinsichtlich staatlicher Maßnahmen im Rahmen der Gründung und Situierung der Deutsche Post AG grundsätzlich anwendbar sind, ist im folgenden der Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG auf seine Vereinbarkeit mit den Vorschriften des EG-Vertrages zu überprüfen. Besonders zu beachten ist dabei, daß sich bezüglich der Anwendbarkeit der Vorschriften des EG-Vertrages Ausnahmen nach Art. 86 Abs. 2 EGV ergeben können.
IV. Der Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 86 Abs. 1, 87 Abs. 1 EGV Mit Rücksicht auf die konkurrenzschützende Wirkung der Regelung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG liegt es nahe die Frage aufzuwerfen, ob die Aufnahme dieser Norm in das Postgesetz als staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV zu Gunsten der Deutsche Post AG zu qualifizieren ist. Die in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, H. II. Rdnr. 97, 155 ff. 23 Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetz (PTSG) vom 14.9.1994 (BGB1.I, S.2325). 24 Postsicherstellungsverordnung (PSV) vom 23.10.1996 (BGBl. I, S. 1535).
124
Exkurs: Europarechtliche Würdigung
Vorschriften des EG-Vertrages sind, wie dargelegt, nach Art. 86 Abs. 1 EGV grundsätzlich auf alle staatlichen Maßnahmen im Rahmen der Gründung und Situierung der Deutsche Post AG anwendbar. Die Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Normen, insbesondere die Wettbewerbsregeln bezüglich staatlicher Beihilfen, setzt daher voraus, daß die Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz eine staatliche Maßnahme im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EGV darstellt. Der gemeinschaftsrechtliche Begriff der Maßnahme ist dabei weit auszulegen25. Ihm unterfallen alle staatlichen Akte, die geeignet sind, Einfluß auf das Verhalten des betroffenen Unternehmens auszuüben26. Auch Gesetze kommen als staatliche Maßnahmen im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EGV in Betracht 27. Durch die Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz beeinflußt der nationale Gesetzgeber das Verhalten des Unternehmens Deutsche Post AG. Die Vorschrift reduziert den der Deutsche Post AG von Seiten ihrer Mitbewerber drohenden Konkurrenzdruck. Dieser Konkurrenzschutz erlaubt der Deutsche Post AG am Postmarkt die Preise für ihre Dienste zu realisieren, die notwendig sind, um die monopolumwandlungsbedingten „Personalaltlasten" zu bewältigen. Das Verhalten des Unternehmens Deutsche Post AG wird durch die Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz folglich hinsichtlich der Preispolitik des Unternehmens beeinflußt. Die Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz stellt damit eine Maßnahme des nationalen Gesetzgebers im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EGV zum Zwecke der Wettbewerbsregulierung in bezug auf das Unternehmen Deutsche Post AG dar. Die Vorschriften des EG-Vertrages sind daher gemäß Art. 86 Abs. 1 EGV grundsätzlich auf den Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG anwendbar. Dies gilt insbesondere für die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln, die in Art. 86 Abs. 1 EGV durch die beispielhafte Nennung besonders hervorgehoben werden. Zunächst ist somit zu untersuchen, ob die Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit den gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln der Art. 87 ff. EGV bezüglich staatlicher Beihilfen vereinbar ist. Der wettbewerbsregulierende Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG könnte eine staatliche Beihilfe zu Gunsten der Deutsche Post AG im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV beinhalten. Eine Definition des gemeinschaftsrechtlichen 25
Hochbaum, in: Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, hrsg.v. Hans von der Groeben/Jochen Thiesing/Claus-Dieter Ehlermann, Band 2/II, 5. Aufl. 1999, Art. 90 EGV Rdnr. 38; Christian Jung, in: Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, hrsg.v. Christian Callies/Matthias Ruffert, Neuwied u. a., 1999, Art. 86 EGV Rdnr. 18f. 26 Emmerich, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg.v. Manfred A. Dauses, Band 2, H.II. Rdnr.97, 113ff. 27 Grill, in: EG-Vertrag, Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, hrsg. v. Carl Otto Lenz, 2. Aufl. 1999, Art. 86 EGV Rdnr. lOff; Hochbaum, in: Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, hrsg. v. Hans von der Groeben/Jochen Thiesing/Claus-Dieter Ehlermann, Band 2/II, 5. Aufl. 1999, Art. 90 EGV Rdnr. 38 ff.; Emmerich, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, H. II. Rdnr. 113 ff.
IV. Der Lizenzversagungsgrund
125
Begriffs der „Beihilfe" findet sich im EG-Vertrag nicht. Bereits der Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 EGV läßt jedoch erkennen, daß dieser Begriff weit auszulegen ist 28 . Nach einer allgemeinen Umschreibung umfaßt der Begriff der Beihilfe alle Maßnahmen, die gleich welcher Form die Belastungen verringern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat29. Als Beihilfe ist danach jede Vergünstigung anzusehen, für die keine marktgerechte Gegenleistung erbracht werden muß30. Eine solche Vergünstigung kann dabei durch eine Leistungssubvention, das heißt durch eine Geld- oder Sachleistung, ebenso aber auch durch die Gewährung von Steuer- und Abgabenerleichterungen oder von Darlehen unter dem marktüblichen Zinssatz erfolgen 31. Nicht dem Beihilfebegriff unterfallen allerdings allgemeine Fördermaßnahmen der Wirtschaftspolitik. Die Zuwendung muß vielmehr einem bestimmten Unternehmen zugute kommen32. Hinsichtlich des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG könnte man nun auf die konkurrenzschützende Wirkung dieser Vorschrift und die damit verbundene Begünstigung der Deutsche Post AG abstellen. Die Beschränkung der Mitbewerber der Deutsche Post AG auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die im lizenzierten Bereich üblich sind, führt zu einer Entlastung der Deutsche Post AG. Der durch diese Regelung gemilderte Konkurrenzdruck erlaubt dem Unternehmen, am Markt Preise durchzusetzen, die über dem Niveau liegen, das sich bei unreglementiertem Spiel der Marktkräfte entwickeln würde. Dadurch ist es der Deutsche Post AG möglich, in einem erhöhten Maße Personalkosten über den Preis der Postdienstleistungen auf die jeweiligen Kunden abzuwälzen. Eine Begünstigung der Deutsche Post AG liegt somit vor. Auch betrifft diese Zuwendung ein bestimmtes Unternehmen im Sinne des gemeinschaftsrechtlichen Beihilfebegriffs. Zu beachten ist jedoch, daß der gemeinschaftsrechtliche Beihilfebegriff über diese sogenannte Zuwendungskomponente hinaus erfordert, daß es sich um eine staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe handelt. Staatliche Beihilfen sind dabei nur die von staatlichen Institutionen unmittelbar gewährten Leistungen. Die Erweiterung um Leistungen „aus staatlichen Mitteln" meint die Fälle, in denen 28
Emmerich, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, H. II. Rdnr. 97,125; Francis Rawlinson, in: EG-Vertrag, Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, hrsg. v. Carl Otto Lenz, 2. Aufl. 1999, Art. 87 EGV Rdnr. 2 ff. 29 Bengt Beutler, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl., Baden-Baden 1993,10.8.2. Tatbestand des Beihilfeverbots, S.367. 30 EuGH Slg. 1994 S.I-877,907f.; Koenig/Haratsch, Europarecht, 3. Aufl.2000, Rdnr.683; Volkmar Götz, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, Loseblatt, Stand November 1999, München 2000, Hill. Rdnr.24. 31 Michael Schweitzer, Europarecht, Neuwied u. a., 5. Aufl. 1996, Rdnr. 1304. 32 Siegfried Magiern, in: Handkommentar zum EU-/EG-Vertrag, hrsg. v. Hans von der Groeben/Jochen Thiesinger/Claus-DieterEhlermann, Band 2/II, 5. Aufl., Baden-Baden 1999, Art. 92 EGV a. F. Rdnr. 21; Koenig/Haratsch, Europarecht, 3. Aufl. 2000, Rdnr. 685; Götz, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, H III. Rdnr. 27.
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Exkurs: Europarechtliche Würdigung
aus verschiedenen Gründen und in unterschiedlichen Formen andere Rechtssubjekte die Förderung gewähren, wobei die Leistungen aber mit staatlichen Haushaltsmitteln finanziert werden 33. Eine Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV liegt daher nicht vor, wenn eine Maßnahme keine Mitteleinbuße bei der gewährenden staatlichen Einrichtung zur Folge hat. Die finanzielle Einbuße seitens des Staates kann als conditio sine qua non für die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe" angesehen werden. Dies setzt zwar nicht voraus, daß die begünstigende Maßnahme aus Haushaltsmitteln stammt oder unmittelbar zu einer finanziellen Belastung führt 34 . Ausreichend ist vielmehr auch jede mittelbare staatliche Einbuße. Läßt sich aber nicht einmal eine solche mittelbare Belastung der zuwendenden Einrichtung feststellen, so muß das Vorliegen einer Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV verneint werden 35. In der neueren Literatur findet sich ein weiteres Kriterium, das der Abgrenzung staatlicher Beihilfen von privaten Förderungen dienen soll. So soll eine Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV nur dann vorliegen, wenn die Leistung das Ergebnis einer dem Staat zuzurechnenden Verhaltensweise ist, das heißt, wenn sie unter der Kontrolle und nach Anweisung öffentlicher Stellen erfolgt 36. Es ist allerdings zu erwarten, daß auch dieser Aspekt im Vergleich zu der Auffassung, die eine zumindest mittelbare staatliche Mitteleinbuße fordert, zu keinem abweichenden Ergebnis führen wird. Denn Kontroll- und Weisungsrechte werden regelmäßig demjenigen zustehen, der die betreffende Maßnahme finanziert und damit eine entsprechende Mitteleinbuße zu verzeichnen hat. Der Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mildert den Konkurrenzdruck zu Gunsten der Deutsche Post AG. Eine Mitteleinbuße seitens des Staates resultiert daraus jedoch nicht. Die mit der Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG verbundenen Beschränkungen und Lasten treffen in erster Linie die Mitbewerber der Deutsche Post AG. Mittelbar führt die Regelung auch zu einer Benachteiligung der Abnehmer postalischer Dienste, da diese Preise akzeptieren müssen, die über dem „natürlichen" Preisniveau liegen. Eine Belastung des Staatshaushaltes ist dagegen nicht ersichtlich. Die Situation ist vergleichbar derjenigen der staatlichen Festsetzung von Mindestpreisen zur Unterstützung des Einzelhandels37 oder der unrichtigen, ein Unternehmen begünstigenden Aufteilung eines Zollkontingents38. 33 Gert Nicolay sen, Europarecht, Baden-Baden 1996, Der Subventionsbegriff der Verträge, S.282. 34 EuGH - Van Tiggele, 82/77- Slg. 1978, 25 (41). 35 Wolfram Cremer, in: Kommentar zum EU-Vertrag und EG-Vertrag, hrsg.v. Christian Callies/Matthias Ruffert, Neuwied u. a., 1999, Art. 87 EGV Rdnr. 11 m. w. N. 36 Magiern, in: Handkommentar zum EU-/EG-Vertrag, hrsg. v. Hans von der Groeben/Jochen Thiesinger/Claus-Dieter Ehlermann, Band 2/II, 5. Aufl. 1999, Art. 92 EGV Rdnr. 19; Koenig/Haratsch, Europarecht, 3. Aufl. 2000, Rdnr. 684; Götz, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, Hill. Rdnr.25. 37 EuGH-Van Tiggele, 82/77- Slg. 1978,25 (41). 38 EuGH-BALM 213 bis 215/85- Slg. 1982, 3606 (3617).
V. Lizenzversagungsgrund und offene Marktwirtschaft
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Auch in diesen beiden Fällen kommt es weder zu einer unmittelbaren noch zu einer auch nur mittelbaren staatlichen Einbuße 39 . Damit ist abschließend festzustellen, daß der Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG zwar eine Begünstigung der Deutsche Post AG im Sinne der Zuwendungskomponente des gemeinschaftsrechtlichen Beihilfebegriffs beinhaltet. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Förderung, da die Begünstigung nicht mit einer staatlichen Mitteleinbuße verbunden ist. Der Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG ist daher nicht als staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 E G V zu qualifizieren.
V. Die Vereinbarkeit des Lizenzversagungsgrundes des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit dem Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Art. 98 Satz 2, 4 Abs. 1, 86 Abs. 1 EGV) Mit der Feststellung, daß der Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG nicht als staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 E G V anzusehen ist, kann die europarechtliche Würdigung dieser Vorschrift jedoch noch nicht abgeschlossen werden. Zu prüfen ist vielmehr, ob die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG eine den sonstigen Vorschriften des EG-Vertrages widersprechende staatliche Maßnahme im Sinne des Art. 86 Abs. 1 E G V darstellt. Die Feststellung, daß die Vorschrift des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG nicht als staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 E G V qualifiziert werden kann, steht der Annahme, es handele sich um eine staatliche Maßnahme im Sinne von Art. 86 Abs. 1 EGV, nicht entgegen. Der Begriff der staatlichen Maßnahme in Art. 86 Abs. 1 E G V umfaßt den der staatlichen Beihilfe nach Art. 87 Abs. 1 EGV, geht aber über diesen noch hinaus 40 . Es ist daher weiter zu fragen, ob der Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG im Einklang mit den übrigen Vorschriften des EG-Vertrages steht. Es ist in Erwägung zu ziehen, ob die wettbewerbsregulierende Vorschrift des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG der allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung auf den Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Art. 98 Satz 2 , 4 Abs. 1 E G V ) widerspricht. Zu beachten ist allerdings, daß diese Verpflichtung nicht auf den vollkommenen Wettbewerb im Sinne einer volkswirtschaftlichen Idealvorstellung ausgerichtet ist. Angestrebt wird vielmehr ein von staatlicher Einflußnahme möglichst freier Wettbewerb auf dem Ge39 Fritz-Harald Wenig, in: Kommentar zu EU-/EG-Vertrag, hrsg. v. Hans von der Groeben/ Jochen Thiesing/Claus-Dieter Ehlermann, Band 2/II, 5. Aufl., Baden-Baden 1999, Art. 92 EGV Rdnr. 11. 40 Emmerich, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, H.H. Rdnr. 123 m.w.N.
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Exkurs: Europarechtliche Würdigung 41
meinsamen Markt . Denn Ziel der Europäischen Gemeinschaft ist unter anderem die effiziente Allokation von Gütern, der Schutz von Kleinunternehmern und Verbrauchern und nicht zuletzt die Förderung der Integration 42. Zunächst ist festzustellen, daß die Vorschrift des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG auf Grund ihres wettbewerbsregulierenden Charakters den Regelungsbereich der in den Art. 98 Satz 2,4 Abs. 1 EGV enthaltenen Grundverpflichtung tangiert. Fraglich ist allerdings, ob zwischen dem Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und dieser gemeinschaftsrechtlichen Grundverpflichtung ein Widerspruch im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EGV besteht. Wäre diese Frage zu bejahen, so müßte der Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG als gemeinschaftsrechtswidrig angesehen werden. Vorab ist festzustellen, ob die gemeinschaftsrechtliche Grundverpflichtung auf den Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb in Bezug auf das Unternehmen Deutsche Post AG uneingeschränkt anzuwenden ist. Zu berücksichtigen ist an dieser Stelle der Ausnahmetatbestand des Art. 86 Abs. 2 EGV. Wie bereits festgestellt wurde, kann nach dieser Vorschrift eine modifizierte Anwendung der Vorschriften des EG-Vertrages auf Maßnahmen des deutschen Gesetzgebers in Bezug auf die Deutsche Post AG zulässig, möglicherweise sogar geboten sein. Hier erlangt die Betrauung der Deutsche Post AG mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse - die Universaldienstverpflichtung nach § 52 PostG sowie die Postsicherstellungspflicht in Krisenzeiten nach dem Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetz - Bedeutung. Zu prüfen ist daher, ob und inwiefern die uneingeschränkte Anwendung der Art. 98 Satz 2,4 Abs. 1 EGV die Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgaben, das heißt der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, durch die Deutsche Post AG verhindern (Art. 86 Abs. 2 Satz 1 EGV a. E.) würde. In einem zweiten Schritt ist dann gegebenenfalls zu fragen, ob die Entwicklung des Handelsverkehrs innerhalb der Europäischen Gemeinschaft durch ein Abweichen von dieser aus den Art. 98 Satz 2, 4 Abs. 1 EGV folgenden Grundverpflichtung im Sinne des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG übermäßig, das heißt in einem Ausmaß, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft, beeinträchtigt würde (Art. 86 Abs. 2 Satz 2 EGV). Hinsichtlich der Auslegung der in diesem Zusammenhang relevanten unbestimmten Tatbestandsmerkmale ist insbesondere die Bekanntmachung der Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf den Postsektor und über die Beurteilung bestimmter staatlicher Maßnahmen betreffend Postdienste vom 5.2.199843 zu beachten.
41 42 43
Koenig/Haratsch, ABl. 98/C 39/4. ABl. 98/C 39/1 ff.
Europarecht, 3. Aufl. 2000, Rdnr. 665.
V. Lizenzversagungsgrund und offene Marktwirtschaft
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1. Rechtliche oder tatsächliche Verhinderung der Aufgabenerfüllung (Art. 86 Abs. 2 Satz 1 EGV) Von einem Verhindern der Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgaben in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht ist regelmäßig auszugehen, wenn die Anwendung der Vorschriften des EG-Vertrages mit der Aufgabenerfüllung unvereinbar ist. Von einer Unvereinbarkeit ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auszugehen, wenn die eine sachliche oder rechtliche Gefährdung der Aufgabenerfüllung festzustellen ist 44 . Eine bloße Erschwerung oder Behinderung der Aufgabenerfüllung reicht für die Anwendung des Art. 86 Abs. 2 EGV dagegen nicht aus45. Zu berücksichtigen ist allerdings jeweils die besondere Lage von Unternehmen, die aus Gründen des Allgemeinwohls mit der Erbringung unrentabler Dienstleistungen betraut sind46 . Im vorliegenden Fall der Gründung und Situierung des Unternehmens Deutsche Post AG als Nachfolger des vormaligen Verwaltungsmonopols Deutsche Bundespost sind daher die bereits dargestellten monopolumwandlungsbedingten Besonderheiten zu beachten. Insbesondere die Universaldienst- und Postsicherstellungsverpflichtung der Deutsche Post AG sowie die aus der Übernahme des Personalbestandes des vormaligen Monopolisten resultierenden (Sonder-)Belastungen der Deutsche Post AG, lassen die Aufnahme des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG in das Postgesetz als unabdingbar erscheinen. Nur durch die Gewährung des mit dieser Norm verbundenen Konkurrenzschutzes zu Gunsten der Deutsche Post AG kann das Gelingen des Privatisierungprojektes Deutsche Bundespost und der erfolgreiche Start des Unternehmens Deutsche Post AG im Rahmen der Marktöffnung sichergestellt werden. Würde man der Deutsche Post AG diesen flankierenden Schutz versagen, so wäre die Existenz des Unternehmens und damit auch die Erfüllung der diesem Unternehmen übertragenen besonderen Aufgaben gefährdet. Die uneingeschränkte Umsetzung des aus den Art. 98 Satz 2,4 Abs. 1 EGV folgenden Grundsatzes der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb würde somit die Erfüllung der der Deutsche Post AG übertragenen besonderen Aufgaben der Universaldienstversorgung und Postsicherstellung in Krisensituationen im Sinne von Art. 86 Abs. 2 Satz 1 EGV verhindern. Dieser Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb kann daher hinsichtlich des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG lediglich in eingeschränktem Maße zur Geltung gebracht werden. 44
EuGH, Urt. v. 10.2.2000- verb. Rs.C. -147/97 u. Rs.C. 148/97, NJW 2000,2261 (2263); Bartosch, Dienstleistungfreiheit versus Monopolrechte - Die Fragwürdigkeit des RemailingUrteils des EuGH vom 10.2.2000, NJW 2000,2251 (2252). 45 Emmerich, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, H. II. Rdnr. 159; Hochbaum, in: Kommentar zu EU-/EG-Vertrag, hrsg. v. Hans von der Groeben/Jochen Thiesing/Claus-Dieter Ehlermann, Band 2/II, 5. Aufl. 1999, Art. 90 EGV Rdnr. 63 ff. 46 Grill, in: EG-Vertrag, Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, hrsg. v. Carl Otto Lenz, 2. Aufl. 1999, Art. 86 EGV Rdnr. 27. 9 Jochum
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Exkurs: Europarechtliche Würdigung
Mit dieser Feststellung ist allerdings die Frage nach dem Umfang der nach Art. 86 Abs. 2 Satz 1 EGV („soweit") zulässigen Einschränkung der Verpflichtung auf den Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb in Bezug auf das Unternehmen Deutsche Post AG noch nicht beantwortet. Die Antwort auf diese Frage läßt sich jedoch mit Blick auf den Ausnahmecharakter der Vorschrift des Art. 86 Abs. 2 EGV finden. Bereits das zwischen Art. 86 Abs. 1 EGV und Art. 86 Abs. 2 EGV bestehende Regel-Ausnahme-Verhältnis legt es nahe, die Vorschrift des Art. 86 Abs. 2 Satz 1 EGV restriktiv zu interpretieren. Es ist davon auszugehen, daß eine Einschränkung der Anwendbarkeit gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften in Bezug auf Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 2 Satz 1 EGV ausschließlich in dem Umfang zulässig sind, wie dies absolut notwendig ist, um die Erfüllung der Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sicherzustellen47. Das bedeutet, daß eine Einschränkung der Vorschriften des EG-Vertrages nur soweit zulässig ist, wie keine anderen weniger restriktiven Mittel zur Sicherstellung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse existieren. Damit stellt sich die Frage, ob im Hinblick auf die Regelung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG eine andere, den freien Wettbewerb auf Gemeinschaftsebene weniger stark beeinträchtigende Alternative gegeben ist. Diese Alternative müßte allerdings ebenfalls die Erfüllung der besonderen der Deutsche Post AG obliegenden Aufgaben gewährleisten. Die im Rahmen des Privatisierungsprojektes Deutsche Bundespost bestehenden Möglichkeiten der Initiierung und Konstituierung eines funktionsfähigen und chancengleichen Wettbewerbs auf dem Postmarkt und der Absicherung des Starts des Nachfolgeunternehmens Deutsche Post AG in den neugeschaffenen Wettbewerb wurden bereits ausführlich diskutiert. Dabei war festzustellen, daß eine gleich wirksame, den freien Wettbewerb jedoch weniger einschränkende Alternative im Hinblick auf den Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG nicht besteht. Daher ist an dieser Stelle festzuhalten, daß keine mildere, den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb weniger stark beeinträchtigende Alternative existiert. Die Regelung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG genügt daher den Anforderungen des Art. 86 Abs. 2 Satz 1 EGV. Mit dieser Feststellung ist die Frage nach der Vereinbarkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb jedoch noch immer nicht abschließend beantwortet. Diese Frage kann erst bejaht werden, wenn feststeht daß, die Vorschrift des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG auch den Anforderungen des Art. 86 Abs. 2 Satz 2 EGV genügt.
47 ABl. 98/C 39/16; zur Problematik der sektoriellen Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen der Förderung des öffentlich-rechtlichen Bankensektors vgl. Koenig, EuZW 1995, 595 (598).
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2. Beeinträchtigung der Entwicklung des Handelsverkehrs (Art. 86 Abs. 2 Satz 2 EGV) Die Vorschrift des Art. 87 Abs. 2 Satz 2 EGV macht eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Abwägung zwischen den Interessen des Mitgliedsstaates an der Erfüllung der dem jeweils betroffenen Unternehmen übertragenen besonderen Aufgaben und dem entgegenstehenden Interesse der Europäischen Gemeinschaft notwendig48. Im konkreten Fall des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG bedeutet dies, daß das Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der Sicherstellung derflächendeckenden und angemessenen Versorgung mit postalischen Universaldiensten gegen das Interesse der Europäischen Gemeinschaft an der Schaffung und dem Erhalt einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb abzuwägen ist. Der Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG stellt sich als regulierende Intervention der Bundesrepublik Deutschland dar. Daher könnte man annehmen, daß diese staatliche Maßnahme im Widerspruch zu der gemeinschaftsrechtlichen Grundverpflichtung auf eine offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb steht. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß die Grundverpflichtung der Europäischen Gemeinschaft - wie bereits dargestellt - nicht dem vollkommenen Wettbewerb im Sinne einer volkswirtschaftlichen Idealvorstellung gilt. Anzustreben ist entsprechend dieser gemeinschaftsrechtlichen Grundverpflichtung vielmehr ein möglichst von staatlicher Einflußnahme freier Wettbewerb. Zu berücksichtigen ist weiter, daß auf Gemeinschaftsebene ein allgemeines wirtschaftliches Interesse daran besteht, innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ein integriertes öffentliches Postnetz aufrechtzuerhalten, das eine effiziente Nachrichtenübermittlung erlaubt. Ein funktionsfähiges und flächendeckendes Postnetz ist notwendige Voraussetzung der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie, der Entwicklung des Handels sowie der stärkeren Kohäsion zwischen den Regionen und den Mitgliedstaaten. Nicht zuletzt dient dieses Postnetz der Verbesserung der sozialen Kontakte zwischen den Unionsbürgern 49. Der Ausbau und die Aufrechterhaltung des öffentlichen Postnetzes sind daher als Dienst von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zu qualifizieren. Bedeutung und Stellenwert der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse innerhalb der gemeinsamen Werte der Europäischen Union haben in Art. 16 EGV Ausdruck gefunden. Nach dieser Vorschrift haben die Europäische Gemeinschaft sowie die einzelnen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft dafür Sorge zu tragen, daß die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren dieser Dienste so gestaltet werden, daß sie ihren Aufgaben nachkommen können. Diese Verpflichtung des Art. 16 EGV gilt 48 EuGHE 1993/12533 „Corbeau"; Emmerich, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. Manfred A. Dauses, Band 2, H. II. Rdnr. 79ff.; Grill, in: EG-Vertrag, Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, hrsg. v. Carl Otto Lenz, 2. Aufl. 1999, Art. 86 EGV Rdnr. 28; Bartosch, Dienstleistungfreiheit versus Monopolrechte - Die Fragwürdigkeit des Remailing-Urteils des EuGH vom 10.2.2000, NJW 2000, 2251 (2252). 49 ABl. 98/C 39/14 vom 6.2.1998.
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Exkurs: Europarechtliche Würdigung
unbeschadet der Art. 73, 86, und 87 EGV und prägt den Inhalt dieser spezielleren Normen 50. Die durch den Vertrag von Amsterdam 51 eingeführte Vorschrift des Art. 16 EGV stärkt den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz, daß ein Gleichgewicht zwischen den Wettbewerbsregeln und der Erfüllung öffentlicher Versorgungsaufträge hergestellt werden muß52. Dieser Grundsatz des anzustrebenden Gleichgewichts steht somit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb gegenüber. Dem so verstandenen und ausgeloteten Interesse der Europäischen Gemeinschaft an einem möglichst freien Wettbewerb auf dem Postmarkt, sind die nationalen Interessen an der Sicherstellung der flächendeckenden und angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit Postdiensten abwägend gegenüberzustellen. Nicht übersehen darf man bei dieser Betrachtung, daß die Versorgung mit Postdiensten in einer modernen, arbeitsteiligen Informationsgesellschaft sowohl für die Entwicklung der nationalen Volkswirtschaft als auch für die einzelnen Bürger von elementarer Bedeutung ist. Die Versorgung mit postalischen Leistungen ist aus diesem Grund dem Bereich der Daseinsvorsorge zuzuordnen. Stellt man weiter die bereits erörterten Besonderheiten der Vorschrift des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, insbesondere die Flexibilität der Regelung sowie den „selbsterledigenden" Übergangscharakter der Vorschrift in die Abwägung mit ein, so muß die Vorschrift des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG als verhältnismäßig anerkannt werden. Eine Beeinträchtigung des Handelsverkehrs in einem Ausmaß, das den Interessen der Gemeinschaft im Sinne des Art. 86 Abs. 2 Satz 2 EGV zuwiderläuft, ist nicht festzustellen. Damit ist abschließend festzuhalten, daß die Regelung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Art. 98 Satz 2,4 Abs. 1 EGV) nicht im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EGV kollidiert.
Fazit Diese europarechtlichen Betrachtungen führen somit zu dem Ergebnis, daß die Regelung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit den Vorschriften des EG-Vertrages vereinbar ist. Die grundsätzliche Anwendbarkeit der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auf die Vorschrift des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG folgt aus Art. 86 Abs. 1 EGV. Die europarechtli50 Grill, in: EG-Vertrag, Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, hrsg. v. Carl Otto Lenz, 2. Aufl. 1999, Art. 86 EGV Rdnr. 22; Hans-Günter Henneke, Sparkasse - quo vadis?, NdsVBl. 2000,129 (138 f.). 51 Amsterdamer Vertrag vom 2.10.1997, BGBl. 1998 II, S.387, ber. BGBl. 1999 II, S.416. 52 Hochbaum, in: Kommentar zu EU-/EG-Vertrag, hrsg. v. Hans von der Groeben/Jochen Thiesing/Claus-Dieter Ehlermann, Band 2/II, 5. Aufl. 1999, Art. 90 EGV Rdnr. 55.
V. Lizenzversagungsgrund und offene Marktwirtschaft
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chen Normen sind jedoch gemäß Art. 86 Abs. 2 EGV im Hinblick auf die der Deutsche Post AG übertragenen besonderen Aufgaben zu modifizieren. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen kann ein Widerspruch zwischen dem Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Vorschriften des EG-Vertrages nicht festgestellt werden.
G. Vereinbarkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit Art. 9 Abs. 3 GG Nach seinem Wortlaut gewährt Art. 9 Abs. 3 GG das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Der Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG ist jedoch nicht auf den Zusammenschluß in Vereinigungen, sogenannten Koalitionen, als solches beschränkt. Diese Verfassungsnorm umfaßt darüber hinaus auch das Recht des einzelnen, sich innerhalb und außerhalb des jeweiligen Verbandes im Interesse des Koalitionszwecks zu betätigen. Der Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG umfaßt daher auch die Tarifvertragsfreiheit 1. Die Bindung der Lizenznehmer an bestimmte - übliche - Arbeitsbedingungen durch § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, könnte die Arbeitgeberseite in dieser Freiheit beeinträchtigen. Die Tarifautonomie umfaßt die eigenverantwortliche Ordnung von Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen durch Gesamtvereinbarung 2. So stellen sich z.B. Verkürzungen des sachlich-gegenständlichen Regelungsbereiches von Tarifverträgen ebenso wie Qualifikationsanforderungen an die Tariffähigkeit als rechtfertigungsbedürftige Grundrechtseingriffe dar. Kein Eingriff liegt jedoch vor, soweit das Recht den gegeneinander gerichteten Betätigungen der Koalitionen den Raum und Rahmen absteckt, indem sie die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens verwirklichen 3. Damit ergibt sich die Notwendigkeit Grundrechtseingriffe von bloßen - nicht rechtfertigungsbedürftigen - Grundrechtsgestaltungen abzugrenzen. Eine solche Gestaltung liegt vor, wenn der Gesetzgeber das im Interesse der Grundrechtsbetätigung notwendige Regelungsinstrumentarium statuiert4. Die Ausgestaltungsfreiheit des Gesetzgebers wird insbesondere insoweit nicht durch Art. 9 Abs. 3 GG beschränkt, als er Regelungen trifft, die Voraussetzung für die Wahrnehmung des Freiheitsrechtes sind. Es fragt sich, ob die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG eine solche für die Ausübung des in Art. 9 Abs. 3 GG verbürgten Freiheitsrechtes auf dem Postsektor notwendige Voraussetzung statuiert oder ob sie sich als Eingriff in das Freiheitsrecht darstellt. Blickt man auf Art. 87f GG - Ursprung und Grundlage des Lizenzversagungsgrundes - so ist festzustellen, daß dieser die Privatisierung des Postsektors im Interesse der Allgemeinheit anord1 Michael Kemper, in: Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Christian Starck, Band 1, 4. Aufl., München 1999, Art. 9 GG Rdnr. 225; Wolfram Höfling, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 9 GG Rdnr. 53 ff. 2 Höfling, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 9 GG Rdnr. 84. 3 BVerfGE 84, 212 (218); 88, 103 (145). 4 Höfling, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 9 GG Rdnr. 117, 77.
G. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art. 9 Abs. 3 GG
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net. Bedeutung und Schutzwürdigkeit dieses Privatisierungsvorhabens wurden bereits eingehend dargestellt. Die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG nun fügt sich als unabdingbarer Bestandteil bruchlos und folgerichtig in das Gesamtkonzept ein. Mit Blick auf das Freiheitsrecht der Tarifautonomie ist nun zu konstatieren, daß ohne dieses Privatisierungsprojekt in diesem Sektor jede wirtschaftliche Betätigung Privater, sowohl als Unternehmer wie auch als Arbeitnehmer, ausgeschlossen, mithin auch die Tarifvertragsfreiheit auf Null reduziert wäre. Somit könnte man annehmen, daß durch die Privatisierung und in ihrem Gefolge auch durch § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG die Voraussetzungen, der Rahmen und die Bedingungen der Ausübung der Tarifvertragsfreiheit in diesem Sektor geschaffen werden und es sich daher lediglich um eine Grundrechtsgestaltung handelt, die keiner Rechtfertigung bedarf. Aber auch bei Annahme eines Grundrechtseingriffs ließe sich dieser rechtfertigen. Wohl enthält Art. 9 Abs. 3 GG keinen ausdrücklichen Schrankenvorbehalt 5. Unabhängig von dem hier irrelevanten Streit 6 um die Anwendbarkeit der in Art. 9 Abs. 2 GG enthaltenen Schranke auf die in Art. 9 Abs. 3 GG verbürgte Koalitionsfreiheit ist diese einer Reglementierung auf der Grundlage kollidierenden Verfassungsrechts unterworfen 7. Im vorliegenden Fall ergibt sich eine solche immanente Schranke aus Art. 87f GG. Nimmt man nicht schon, wie oben in Betracht gezogen, eine reine Grundrechtsgestaltung an, so ist doch nicht zu widerlegen, daß erst die Privatisierung Freiheitsrechte auf dem Postsektor gewährt. Um dieses Ziel zu erreichen sind - auch hinsichtlich Art. 9 Abs. 3 GG - zumindest Übergangs weise Einschränkungen, wie vorliegend durch den Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, hinzunehmen. Insofern sind die bereits mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG erörterten Abwägungsgesichtspunkte erneut in Rechnung zu stellen. Sie können auch bezogen auf Art. 9 Abs. 3 GG nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Sollte man also § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GG als Grundrechtseingriff qualifizieren, so liegen für das Durchbrechen der „ökonomischen Zuständigkeitsordnung"8 doch zwingende Gründe vor.
5 Höfling, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg.v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 9 GG Rdnr. 126. 6 Kemper, in: Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, hrsg.v. Christian Starck, Bandi, 4. Aufl. 1999, Art.9 GG Rdnr. 164, 297ff.; Höfling, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg.v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 9 GG Rdnr. 297 m. w. N. 7 Wolfram Höfling, Grundelemente einer Bereichsdogmatik der Koalitionsfreiheit - Kritik und Reformulierung der sogenannten Kernbereichslehre, in: Festschrift für Karl Heinrich Friauf, Heidelberg 1996, S. 387 ff. 8 Wendt, in: PostR § 14 BAPostG Rdnr. 56.
H. Vereinbarkeit der Norm mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) I. Allgemeines Das Rechtsstaatsprinzip enthält eine Reihe von Grundanliegen, wie die rechtliche Bindung der Staatsgewalt, den Grundsatz der Gewaltenteilung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die Unabhängigkeit der Gerichte. Darüber hinaus sind auch allgemein-rechtsstaatliche Grundsätze Gegenstand des Rechtsstaatsprinzips, vor allem Rechtssicherheit, Vertrauensschutz und Rechtsklarheit1. Das Staatshandeln soll für den Bürger möglichst vorhersehbar und berechenbar sein2.
II. Der Bestimmtheitsgrundsatz In Art. 20 Abs. 3 GG findet auch der Bestimmtheitsgrundsatz seine verfassungsmäßige Grundlage. Das Gebot der Rechtsklarheit fordert eine Fassung der einzelnen Norm, die so hinreichend bestimmt und klar ist, daß der Wille des Gesetzgebers erkennbar zum Ausdruck kommt. Der Bürger soll sich auf Grund der Norm ein eigenes Bild von seiner Rechtslage machen können3. Die in § 6 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 PostG statuierten Versagungsgründe entsprechen den üblichen gewerberechtlichen Kategorien4. In Nr. 1 werden die bekannten Voraussetzungen der Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Fachkunde aufgegriffen, die überdies in § 6 Abs. 3 Satz 2 PostG ausdrücklich definiert werden. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 PostG stellt auf die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ab, die anerkanntermaßen durch Rechtsprechung und Literatur zum Polizei- und Ordnungsrecht eine hinreichende Konkretisierung erfahren hat. Lediglich der Versagungsgrund in Nr. 3 enthält eine völlig neuartige Regelung. Auf den ersten Blick könnte man an der notwendigen Bestimmtheit des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG zweifeln, da die Norm von einer auffälligen Weite gekennzeichnet ist. Die Begriffe „wesentliche Arbeitsbedingungen", „üblich" und „nicht unerheblich" ge1 Christoph Degenhart, Staatsrecht I - Staatszielbestimmungen, Staatsoigane, Staatsfunktionen- 15. Aufl., Heidelberg 1999, Rdnr. 301 ff. 2 Herzog, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band I, 1998, Art. 20 Rdnr. 63. 3 BVerfGE 20,150 (158); 31, 255 (264). 4 Matthias Ruffert, Regulierung im System des Verwaltungsrechts, AöR 124 (1999), 237 (267).
II. Der Bestimmtheitsgrundsatz
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ben der Norm nur wenig Kontur. Auch fehlen auf Grund der Einzigartigkeit der Vorschrift Vorbilder und Parallelen, die als Auslegungshilfe herangezogen werden könnten. Der Klarheit und Bestimmtheit einer Vorschrift stehen jedoch grundsätzlich nicht entgegen, daß diese auslegungsbedürftige Begriffe oder Generalklauseln enthält, welche der Konkretisierung durch die Praxis von Verwaltung und Rechtsprechung bedürfen 5. Die Bestimmtheit gesetzlicher Grundlagen ist nicht Selbstzweck. Deshalb ist das Höchstmaß der überhaupt erreichbaren Bestimmtheit nicht immer wünschenswert6. Die Bestimmtheitsanforderungen variieren zunächst je nach der Schwierigkeit, unter der eine präzisere Regelung überhaupt möglich wäre7. Die Eigenart des zu regelnden Sachverhaltes kann also die Bestimmtheitsanforderungen verringern. Unterliegt die Materie besonders schnellen oder gänzlich unvorhersehbaren Änderungen, können besonders unbestimmte Rechtsbegriffe zulässig, ja durch das Gebot des dynamischen Grundrechtsschutzes sogar geboten sein8. Angesichts der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte, die durch den Gesetzgeber geregelt werden müssen, und des immer rascheren Wandels der gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weisen häufig nur Normen mit offenem Wortlaut die notwendige Flexibilität auf, um möglichst allen Gesichtspunkten und Anliegen zu genügen. Unverzichtbar ist deshalb lediglich ein Mindestmaß an Bestimmtheit, das - wie das Bundesverfassungsgericht formuliert 9 - den Betroffenen ermöglicht, die Rechtslage zu erkennen und ihr Verhalten danach einzurichten 10. So hat das Bundesverfassungsgericht 11 beispielsweise die in den § 8 Absätze 1 und 2 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) 12 , § 7 Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) 13 und §33 Binnenschiffsverkehrsgesetz (BinSchVerkG) 14 verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe: „beste Verkehrsanbindung", „marktgerechte Entgelte", „volkswirtschaftlich sinnvolle Aufgabenteilung" und „unbilliger Wettbewerb" als - unter dem Blickwinkel hinreichender Bestimmtheit - rechtsstaatlich zulässig bewertet. Das Gericht hält damit an seiner Grundposition, nur ausnahmsweise könne in Extremfällen wegen Unbestimmtheit der Verstoß eines Gesetzes gegen rechtsstaatliche Grundsätze festgestellt werden, fest. 5 Degenhart, Staatsrecht I, Rdnr. 303; Ingo von Münch, Staatsrecht Band 1, 5. Aufl., Stuttgart u.a. 1993, Rdnr. 453. 6 BVerwG, Urt.v. 2.7.1969-IV C68/67-, JZ 1970,183. 7 BVerfGE 90, 1 (16). 8 Hans-Jürgen Papier, Das Bestimmtheitsgebot und seine Durchsetzung, AöR 122 (1997), 177 (185); Utz Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, Berlin 1997, S.239. 9 BVerfGE 21, 79; 52,1(41). 10 Kritisch Papier, a. a. O. 11 BVerfGE 31, 33 ff. 12 Allgemeines Eisenbahngesetz vom 29.3.1951, BGB1.I, S.225 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 1.8.1961, BGB1.I, S. 1161. 13 Gesetz über den Güterkraftverkehr in der Fassung vom 22.12.1969, BGBl. 1970 I, S. 2. 14 Gesetz über den gewerblichen Β innenschiff s verkehr vom 1.10.1961, BGB1.I, S. 1163.
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H. Vereinbarkeit der Norm mit dem Rechtsstaatsprinzip
Diese Auffassung hat auch der Bundesgerichtshof 5 seiner Entscheidung zu § 37a Abs. 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) 16 zu Grunde gelegt. Auch in diese Norm hat der Gesetzgeber im Rahmen der Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen von 1980 eine ganze Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen aufgenommen. Der Bundesgerichtshof hat dazu ausgeführt, daß es einer weitergehenden Beschreibung der Eingriffsvoraussetzungen für die Kartellbehörden hinsichtlich des Gegenstandes des Eingriffs, des Inhalts der zu treffenden Verfügungen oder des Zwecks nicht bedürfe, sondern diese im Wege der Auslegung dem Gesetz entnommen werden könnten. Diese Bewertung begründet der Bundesgerichtshof zutreffend mit der Feststellung, daß der mit der Vorschrift verfolgte Zweck - im vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall: den Kartellbehörden gegenüber Behinderungen im Horizontalverhältnis zwischen Wettbewerbern auf der gleichen Wirtschaftsstufe die Möglichkeit eines Einschreitens im Interesse der Sicherung des Leistungswettbewerbes zu geben - im Wortlaut der Norm und in der „zu berücksichtigenden Entstehungsgeschichte" ll hinreichend klaren Ausdruck gefunden hat. Damit wird deutlich, daß eine offene Formulierung von Vorschriften je nach Eigenart einer Regelungsmaterie - vorliegend des privaten und des öffentlichen Wirtschaftsrechts - unvermeidbar sein kann. Das Manko eines wenig aussagekräftigen Wortlauts kann unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten hingenommen werden, wenn die Motive des Gesetzgebers im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens dokumentiert worden sind und nach Art und Umfang geeignet erscheinen, eine sachgerechte und berechenbare Interpretation der Norm zu ermöglichen. Denn die Funktion einer Norm bestimmt deren Auslegung mehr als ihr Wortlaut 18. Dem denkbaren Einwand, dem Rechtsunterworfenen seien die Gesetzesmaterialien als Informationsquellen in aller Regel nicht oder nur unter erheblichen Anstrengungen zugänglich, läßt sich entgegenhalten, daß Bedeutung und Inhalt der überwiegenden Zahl gesetzlicher Vorschriften ohne Zuhilfenahme erläuternder Literatur kaum zu erschließen sind. Vom mündigen Bürger wird jedoch, selbst im sensiblen Bereich des Strafrechts, die Einholung fachkundigen Rechtsrates19 erwartet. Namentlich in offenkundig schwierigen Rechtsmaterien, wie sie auch das Wirtschaftsrecht darstellt, erscheint diese Erwartung nicht unzumutbar. Der betroffene Bürger handelt letztendlich auch in seinem eigenen Interesse, wenn er sich fachkundigen Rates bedient. 15
BGH, Urt. v. 20.3.1984-KVR 12/83 - , WRP 1984, 463ff. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.9.1980, BGB1.I, S. 1761. 17 Hier wird verwiesen auf die Fundstellen in den Gesetzesmaterialien. 18 Fritz Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 7. Aufl., Heidelberg 1999, S. 148 Rdnr. 41. 19 Zur Anerkennung eines unvermeidbaren Verbotsirrtums vgl. Herbert Tröndle, Strafgesetzbuch, Kommentar, 48. Aufl., München 1997, § 17 StGB Rdnr.7ff.; Adolf SchönkelHorst Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar, 25. Aufl., München 1997, § 17 StGB Rdnr. 13ff. 16
III. Auslegung der unbestimmten Tatbestandsmerkmale
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Auch § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG enthält eine ganze Reihe auslegungsbedürftiger Begriffe. Eine Konkretisierung der auslegungsbedürftigen Begriffe erscheint unter Rückgriff auf die in den Gesetzesmaterialien dokumentierten gesetzgeberischen Motive möglich. Die Gründe, welche den Gesetzgeber zur Schaffung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG bewogen, haben in den Gesetzesmaterialien nachhaltig Ausdruck gefunden 20. Die Erkenntnis, daß die Regelung dem Schutz der Deutsche Post AG vor dem übergangslosen Eintritt in den freien Konkurrenzkampf und der Initialisierung eines funktionsfähigen Wettbewerbs dient, ermöglicht die Auslegung der unbestimmten Begriffe der Norm. Zunächst soll der Begriff der „wesentlichen Arbeitsbedingungen" näher beleuchtet werden. Anschließend ist auf die Bedeutung der Begriffe „üblich" und „nicht unerheblich" im vorliegenden Zusammenhang einzugehen.
III. Auslegung der unbestimmten Tatbestandsmerkmale des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG 1. Die „wesentlichen Arbeitsbedingungen" Dem Begriff der Arbeitsbedingungen lassen sich eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Komponenten der betrieblichen Leistungserbringung zuordnen. Angefangen mit der den betrieblichen Arbeitsplatz unmittelbar betreffenden Umgebung (Belichtung, Beleuchtung, Temperatur) reichen diese bis zu der zeitlichen Komponente der Arbeitserbringung (feste Arbeitszeiten, Gleitzeitvereinbarungen, Vollzeit-/Teilzeitbeschäftigung, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, Pausenregelung) und den die Lohn- und Gehaltsstruktur prägenden Vergütungsmodellen21. Der aus den Gesetzesmaterialien zu entnehmende Wille des Gesetzgebers ist auf die Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen in dem neu geschaffenen Teilmarkt, die auf Grund der besonderen - durch die jahrzehntelange Monopolstellung geprägte - Personalstruktur der Deutsche Post AG entstehen könnten, gerichtet. Die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG soll der postspezifischen Gestaltung des arbeits- und sozialrechtlichen Umfeldes dienen, indem er den allmählichen Vollzug des Prozesses der Marktöffnung und des Wandels von der monopolistischen Struktur hin zur (sozialen) Marktwirtschaft sichert 22. Im Hinblick auf diese Zielsetzung können ausschließlich solche Arbeitsbedingungen als von § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG umfaßt angesehen werden, die in dem Verhältnis der Deutsche Post AG zu ihren privaten Mitbewerbern zu einer Verschiebung der Wettbewerbsbedingungen, das heißt in erster Linie der Gewinnspanne, zu Lasten der Deutsche Post AG durch 20
Siehe oben F. IV. 3.b) aa) Intention des Gesetzgebers. Dieter Hummel!Sibylle Spoo, Mitbestimmung bei den sozialen Lizenzanforderungen des Postgesetzes, AiB 1999,672. 22 Siehe oben F.IV.3.b) Wettbewerbsregulierung zur Sicherung des PrivatisierungsVorhabens durch Konkurrenzschutz. 21
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H. Vereinbarkeit der Norm mit dem Rechtsstaatsprinzip
Beeinflussung der Höhe der Personalkosten führen können. Als „wesentlich" sind daher alle Arbeitsbedingungen anzusehen, die - direkt oder auch nur indirekt - Auswirkungen auf die Personalkosten entfalten. Das Merkmal der „Wesentlichkeit" im Sinne des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG setzt daher die Kostenrelevanz der jeweiligen Arbeitsbedingungen voraus. An erster Stelle sind daher die Vergütungsmodelle, die unmittelbar die Höhe der für geleistete Arbeit zu zahlenden Entgelte regeln, zu nennen. Diese umfassen Löhne und Gehälter, Zulagen und Zuschläge, insbesondere auch erfolgsabhängige Leistungen. Von ebenfalls erheblicher Bedeutung sind die gesetzlichen und tariflichen Personalzusatzkosten. Gesetzliche Personalzusatzkosten entstehen namentlich auf Grund der Sozialgesetzgebung und durch die allgemeine Sozialversicherungspflicht. Durch das Ansteigen der Beitragsbemessungsgrenze in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (in den Jahren von 1977 bis 2000 von 3.400,-DM auf 8.600,-DM) sowie der gesetzlichen Krankenversicherung (im gleichen Zeitraum von 2.550,-DM auf 6.450,-DM) und der Veränderung der Beitragssätze (Rentenversicherung von 18 % auf 19,3%, Arbeitslosenversicherung von 3% auf 6,5%, Krankenversicherung von durchschnittlich 12,5% auf 13,5%) wurde der Bereich der Personalzusatzkosten stark belastet23. Dieser Kostenlast versuchen besonders Unternehmen personalintensiver Branchen 24 durch verstärkten Einsatz sogenannter geringfügig Beschäftigter auszuweichen25. Eine „natürliche" Grenze ist dieser Gestaltungsmöglichkeit allerdings durch die Produktions- und Leistungserfordernisse sowie das Arbeitnehmerangebot am Arbeitsmarkt gesetzt. Wesentliche Auswirkungen auf den Personalkostenblock gehen weiter von den Tarifabschlüssen der Tarifparteien aus26. Diese wirken nicht nur unmittelbar auf die Höhe der zu zahlenden Entgelte, neuerdings greifen sie auch immer häufiger in den strukturellen Bereich der Entlohnung ein. Beispielhaft sind die Änderung von Lohn- und Gehaltsgruppen, die Aufstockung neuer Gruppen, der Wegfall von sogenannten Leichtlohngruppen und die Einführung von Leistungszulagensystemen zu nennen. Andere Bestandteile der Tarifverträge verursachen Kosten, die mit den Stichworten der „Sozialen Sicherung" und „menschengerechten Arbeitsgestaltung" umschrieben werden können. In diese Gruppe fallen insbesondere die zusätzliche Freizeitgewährung für Schichtarbeiter, Altersfreizeit, zusätzliche Pausenzeiten bei bestimmten Arbeitserschwernissen und ähnliches. Aber auch die tariflichen Urlaubsregelungen stellen einen bedeutenden Kostenblock dar. Nicht zu vergessen sind darüber hinaus die Einführung bestimmter Arbeitszeitmodelle mit Regelungen über Verteilung, Dauer und Lage der Arbeitszeit und Vereinbarungen über „Rufbereitschaft". Damit ist festzustellen, daß 23 Gerhard Bosch, RKW-Handbuch Personalplanung, 3. Aufl., Neuwied u. a. 1996, S. 495; NJW-Informationen, NJW 2000, Heft 5, Januar 2000, S.XXIV. 24 Gastronomie, Einzelhandel, Tourismus, Verlagswesen, Gebäudereiniger. 25 Zu der ab 1.4.1999 geltenden Neuregelung vgl. Pressemitteilung des BMF Nr. 30/99 vom 24.3.1999, in: NJW 1998 Heft 17, XVI; Norbert Kollmer, Das neue „Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte", NJW 1999, 608. 26 Zur Tarifpolitik der Deutsche Post AG vgl. Walgenbach, ZTR 1998,481 ff.
III. Auslegung der unbestimmten Tatbestandsmerkmale
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nahezu alle die betriebliche Leistungserbringung kennzeichnenden Arbeitsbedingungen Kostenrelevanz entfalten. Der Bereich der durch Sozialgesetze, insbesondere der Sozialversicherungspflicht, verursachten Kosten ist dabei von erheblicher Bedeutung. Jedoch darf nicht verkannt werden, daß diese Kostenquelle nur eine von vielen, nicht minder bedeutenden, ist. Auch dieses Ergebnis bestätigt, daß die Annahme, der Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG habe allein die Sicherung sozialer Standards, insbesondere den Schutz vor geringverdienenden „Turnschuhbrigaden" zum Gegenstand, zu kurz greift. Nur am Rande sei angemerkt, daß auch die am 1.4.1998 in Kraft getretene Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, welche eine allgemeine Sozialversicherungspflicht auch für diese Arbeitnehmer eingeführt hat, die Situation nicht geändert hat27. Abgesehen von der für die Arbeitgeber kostenneutralen Ausgestaltung der Regelung, welche die Unternehmen in gleicher Höhe von der bislang zu zahlenden pauschalen Lohnsteuer freistellt, bleibt auch die geringere Attraktivität dieser Beschäftigungsform auf Arbeitnehmerseite für die Deutsche Post AG und ihre privaten Mitbewerber ohne Konsequenzen. Wohl wird die Möglichkeit der privaten Mitbewerber, auf geringverdienende Mitarbeiter zurückzugreifen, auf Grund des verringerten Arbeitskräfteangebots geschmälert. Mit Rücksicht auf die zahlreichen Ausnahmetatbestände der Neuregelung ist allerdings zu konstatieren, daß auch hier noch ein beachtliches Potential verbleibt, das zur Begründung kostengünstiger Beschäftigungsverhältnisse genutzt werden kann. Entscheidend ist jedoch, daß die grundlegenden Unterschiede zwischen der Deutsche Post AG mit ihren (immer noch) reichlich gebundenen Organisations- und Personalstrukturen - die Vorgaben des Bundesbesoldungsgesetzes28 sind nicht, die der anzuwendenden Tarifverträge sind nur mäßig (Einführung eines neuen Arbeitszeitmodells 29) gelockert worden - und den weitgehend nicht tarifgebundenen, im Rahmen der allgemeinen Arbeits- und Sozialgesetze privatautonom agierenden Mitbewerbern allein durch die Einführung einer allgemeinen Sozialversicherungspflicht nicht beseitigt werden können. Die obigen Ausführungen hinsichtlich der Vielzahl kostenrelevanter Arbeitsbedingungen verdeutlichen, in wie vielen Einzelbereichen die Deutsche Post AG Anpassungsprozesse an die veränderten, nun marktwirtschaftlich geprägten Verhältnisse zu bewältigen hat. Die Einführung der allgemeinen Sozialversicherungspflicht hat, kurz gesagt, an den „organisationalen und kulturellen slacks", d. h. dem „Kostenspeck", der im Laufe der Jahre entsteht, ohne durch einen produktiven Anteil am Unternehmensgeschehen gerechtfertigt zu sein, wie Kropp anschaulich formuliert 30, nichts ändern können. Damit ist zusammenfassend festzustellen, daß zahlreiche betriebliche Arbeitsbedingungen grundsätzlich geeignet sind, die Höhe der Personalkosten zu beeinflus27
Zu der ab 1.4.1999 geltenden Neuregelung vgl. Pressemitteilung des Bundesfinanzministeriums Nr. 30/99 vom 24.3.1999, in: NJW 1999 Heft 17, XVI. 28 Bundesbesoldungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 3.12.1998, BGB1.I, S.3434. 29 Siehe oben A.II.4. Mitarbeiter. 30 Waldemar Kropp, Systematische Personalwirtschaft, München u.a. 1997, S.983.
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H. Vereinbarkeit der Norm mit dem Rechtsstaatsprinzip
sen. Nach Sinn und Zweck des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG sind aber nur diejenigen Gestaltungen der betrieblichen Arbeitsbedingungen zu unterbinden, die zu einer spürbaren Verschiebung der Gewinnspanne zu Lasten der Deutsche Post AG führen. Welche Gestaltungen dies im konkreten Einzelfall sind, hat die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post mittels ihrer in § 45 PostG statuierten Auskunfts- und Prüfungsrechte durch Kontrolle der betrieblichen Arbeitsbedingungen nach Art und Umfang zu ermitteln.
2. Die „Üblichkeit" Von der Üblichkeit bestimmter Arbeitsbedingungen ist auszugehen, wenn sie im Bereich der postalischen Dienstleistungen eine solche Verbreitung gefunden haben, daß sie hier regelmäßig anzutreffen und daher geeignet sind, die tatsächliche Leistungserbringung zu kennzeichnen. Zumindest zur Zeit ist, auf Grund der (noch) marktführenden Stellung der Deutsche Post AG 3 1 , in erster Linie an die deren Betriebsstrukturen beherrschenden Arbeitsbedingungen zu denken32. Die Regulierungsanstalt für Telekommunikation und Post geht davon aus, daß es derzeit üblich im Sinne des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG ist, einen Anteil von 95 % (sogenannter „Richtwert") der Arbeitsverhältnisse in einem Unternehmen als sozialversicherungspflichtige BeschäftigungsVerhältnisse auszugestalten33.
3. Das „nicht unerhebliche Unterschreiten" Hier erlangt nun die Kostenrelevanz einzelner Arbeitsbedingungen, ihre kostenreduzierende Wirkung und der Umfang ihrer betrieblichen Umsetzung Bedeutung. Denn nach Sinn und Zweck der Norm sollen nur die Einführung und Ausweitung solcher Arbeitsmethoden unterbunden werden, die nach Art und Umfang geeignet sind, eine Verschiebung der Gewinnspanne zu Lasten der Deutsche Post AG im Vergleich zu ihren Mitbewerbern zu bewirken. Weiteres Erfordernis ist damit, daß die oben genannten kostenrelevanten Arbeitsbedingungen in einem solchen Umfang für die betriebliche Leistungserstellung fruchtbar gemacht werden, daß - unter Berücksichtigung des Ausmaßes ihrer kostenreduzierenden Wirkung - eine für die Deutsche Post AG spürbare Verschiebung der Konkurrenzsituation eintritt. Hier ist die Grenze des „nicht Unerheblichen" anzusiedeln. 31 Der Marktanteil der Deutsche Post AG 1998 betrug 99,72% (Halbjahresbericht der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 1999, S. 16). 32 Von Danwitz, Alternative Zustelldienste und Liberalisierung des Postwesens, 1999, S. 136; BT-Drucks. 14/646, S.5; Hummel/Spoo, Mitbestimmung bei den sozialen Lizenzanforderungen des Postgesetzes, AiB 1999, 672 (673). 33 Richtwert nach Anlage 2 zur Mitteilung Nr. 206/1999 zur Vfg. 8/1998 „Beantragung von Lizenzen zur Beförderung von Briefsendungen" im Amtsblatt Nr. 2 der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 4.2.1998, S. 1.
III. Auslegung der unbestimmten Tatbestandsmerkmale
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a) Das Prüf raster der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post Auf Grund ihrer weitreichenden Prüfungs- und Kontrollbefugnisse sowie Auskunftsrechte obliegt der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post die Aufgabe, durch empirische Ermittlung Maßstäbe für die Anwendung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG zu setzen34. Darüber hinaus hat die Behörde aber auch einen maßgeblichen Beitrag zur Konkretisierung der offenen Tatbestandsmerkmale zu leisten. Zur Zeit unterstellt die Regulierungsbehörde das Vorliegen der Lizenzvoraussetzungen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, solange und soweit der Lizenznehmer: - die lizenzierte Tätigkeit als Selbständiger oder als Unternehmer mit nicht mehr als 5 Arbeitnehmern erbringt (Kleinbetrieb) oder - die lizenzierte Tätigkeit zu mindest 80 % der Gesamtarbeitszeit in Arbeitsverhältnissen erbringt, die bei der gewerbsmäßigen Beförderung (Einsammeln, Weiterleiten oder Ausliefern) von Briefsendungen bis 1000 Gramm üblich sind, oder - eine sachliche Rechtfertigung nachweist, daß die lizenzierte Tätigkeit zu weniger als 80 % der Gesamtarbeitszeit in Arbeitsverhältnissen erbracht wird, die bei der gewerbsmäßigen Beförderung von Briefsendungen bis 1000 Gramm üblich sind 35 .
aa) Das „Selbständigenprivileg" Die Annahme, daß die LizenzierungsVoraussetzungen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG regelmäßig vorliegen sofern die lizenzierte Tätigkeit von einem selbständigen Unternehmer erbracht wird (erster Punkt des Prüfrasters), erscheint bedenklich. Nicht zuletzt die Befürchtung, es könnte zu einem überproportionalen Einsatz scheinselbständiger Subunternehmer kommen, hat zur Aufnahme dieses Lizenzversagungsgrundes geführt 36. Dieser befürchteten Entwicklung könnte durch das Vorgehen der Regulierungsbehörde entgegen aller aktuellen sozialgesetzlichen Bemühungen der Legislative37 Vorschub geleistet werden. 34
Jürgen Basedow/Eva-Maria
Kieninger, Postmärkte - Regulierungskonflikte und regulie-
rungsbedingte Wettbewerbsverzerrungen nach Freigabe der Postmärkte für private Anbieter, in: Das neue Wirtschaftsrecht der Postdienste, Postagenturen, Postmärkte und Postmonopol in deutscher und europäischer Perspektive, Heidelberg 1995, S. 145. 35 Vfg. 8/1998 „Beantragung von Lizenzen zur Beförderung von Briefsendungen" im Amtsblatt Nr. 2 der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 4.2.1998, Mitteilung Nr. 206/1999; von Danwitz, Alternative Zustelldienste und Liberalisierung des Postwesens, 1999, S. 137 ff. 36 37
Bereits BT-Drucks. 13/7094 vom 26.2.1997, S. 1.
Norbert Kollmer, Das neue „Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte", NJW 1999,608 (609) zum Gesetz vom 19.12.1998, BGBL I, S.3843.
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H. Vereinbarkeit der Norm mit dem Rechtsstaatsprinzip
bb) Die „Kleinbetriebsklausel" Die Definition für Kleinbetriebe orientiert sich an § 23 Abs. 1 KSchG 38 . Entsprechend der Fassung des Kündigungsschutzgesetzes vom 19.12.1998 lag die im ersten Punkt des obigen Prüfrasters statuierte Grenze ursprünglich bei zehn Arbeitnehmern, wobei Teilzeit- bzw. geringfügig Beschäftigte mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von bis zu zehn Stunden mit einem Faktor 0,25 berücksichtigt wurden. § 23 Abs. 1 KschG wurde am 1.1.1999 durch Inkrafttreten des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte 39 geändert. Danach gilt die „Kleinbetriebsklausel" nur noch für Betriebe, in denen in der Regel fünf (bisher zehn) oder weniger Mitarbeiter beschäftigt sind. Teilzeit- bzw. geringfügigbeschäftigte Mitarbeiter werden mit einem Faktor 0,5 (bisher 0,25) in Ansatz gebracht. Die Regulierungsbehörde hat ihr Prüfraster entsprechend der gesetzlichen Änderung des § 23 Abs. 1 KschG angepaßt. Die „Kleinbetriebsausnahme" ist mit dem Wortlaut der Norm nur schwer vereinbar. Sie kann lediglich auf Grund der - noch - geringen Wettbewerbsrelevanz der Lizenznehmer 40 im Interesse eines praktikablen Verwaltungsverfahrens und der Funktionsfähigkeit der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post hingenommen werden. Der Marktanteil aller Lizenznehmer (ohne Deutsche Post AG), von denen rund 60% als Kleinbetriebe zu qualifizieren sind, betrug 1998 nur 0,28 %, im ersten Quartal 1999 jedoch bereits 0,62% 41 . Der Umfang der Kostenreduzierung führt noch nicht zu einer spürbaren Verschiebung der Konkurrenzsituation. Die Reduzierung der Kleinbetriebsklausel auf Betriebe mit bis zu fünf Arbeitnehmern ist dennoch ebenso zu begrüßen wie die stärkere Gewichtung der geringfügig beschäftigten Mitarbeiter. Denn den Kleinbetrieben (mit bis zu fünf anzurechnenden Beschäftigten) kommt bei den Firmenneugründungen ein erhebliches Gewicht zu. Von 206 Neugründungen in 1998 sowie dem ersten Quartal 1999 erfüllten 146 die Kriterien selbst der verschärften Kleinbetriebsklausel 42. Dabei sollte die Bedeutung der Kleinbetriebe trotz ihres zur Zeit geringen Marktanteils nicht unterschätzt werden. Im ersten Quartal 1999 erreichte ein neugegründeter Kleinbetrieb einen Umsatz von über 1 Millionen DM pro Jahr. Auch die stärkere Berücksichtigung geringfügig beschäftigter Mitarbeiter ist angezeigt. Die Anzahl der Teilzeitbzw. geringfügig beschäftigten Mitarbeiter im lizenzierten Bereich (Klein-, Mittelund Großbetriebe, Neugründungen und Firmenfortführung = 387 Lizenznehmer zum 30.6.1999) überwiegt deutlich. Am 31.12.1998 fanden sich im lizenzierten Be38
Kündigungsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.12.1998, BGBl. I, S. 1317. 39 Neuregelung vom 19.12.1998, BGB1.I, S.3843. 40 BT-Drucks. 14/646, S.6. 41 Postmarkt im Jahre 1999- Halbjahresbericht der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 1999, S. 16. 42 Postmarkt im Jahre 1999 - Halbjahresbericht der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 1999, S. 18.
III. Auslegung der unbestimmten Tatbestandsmerkmale
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reich 632 Vollzeitbeschäftigte, 1.123 Teilzeitbeschäftigte und 3.989 geringfügig Beschäftigte. Diese Situation steht in eindeutigem Widerspruch zu den Vorgaben des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG. Geht man mit der Regulierungsbehörde davon aus, daß ein Anteil von 95 % der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse die „Üblichkeit" der Arbeitsbedingungen in einem Unternehmens des lizenzierten Bereiches bestimmt43, so kann nicht hingenommen werden, daß der Anteil der geringfügig Beschäftigten im lizenzierten Bereich die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer um mehr als das Doppelte übersteigt. cc) Die „80%-Gesamtarbeitszeitklausel" Die Regulierungsbehörde statuiert in ihrem Prüfraster weiter eine „80%-Gesamtarbeitszeitklausel" zur Ausfüllung des Begriffs des „nicht unerheblichen Unterschreitens". Das Kriterium der „Gesamtarbeitszeit" kann als tauglicher Bewertungsmaßstab herangezogen werden. Das Abstellen auf dieses Merkmal führt zu einer Gewichtung des Anteils der geringfügig beschäftigen Arbeitnehmer entsprechend ihrem Beitrag zu der betrieblichen Leistungserstellung. Auch ist das Festlegen einer 80%-Grenze vom Wortlaut der Vorschrift („nicht unerheblich") gedeckt und erscheint mit dem oben dargestellten Sinn und Zweck der Vorschrift noch vereinbar. Eine spürbare Wettbewerbsverzerrung könnte bei einer solchen Handhabung der Regelung unterbunden werden. Somit müßten 80% der Gesamtarbeitszeit unter Einsatz von 95 % der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer (Richtwert siehe oben) erbracht werden. Tatsächlich beträgt der Anteil der Arbeitszeit in versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen an der Gesamtarbeitszeit jedoch keineswegs mindestens 80%". Am 31.12.1998 ergab sich ein Anteil von 54,5 %. Am 31.3.1999 war eine leichte Steigerung auf 57,9 % zu verzeichnen. Berücksichtigt man die überproportionale Anzahl der geringfügig Beschäftigten im lizenzierten Bereich, kann dieses Ergebnis nicht verwundern. Mit der Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG läßt sich dieses jedoch nicht vereinbaren. dd) Gewährung von »Anlaufzeiten" Zurückzuführen ist diese Situation - von der Kleinbetriebsausnahme abgesehen - auf die von der Regulierungsbehörde zu der 80 %-Grenze des Prüfrasters festgelegten „Anlaufzeiten". Die Behörde geht für den Fall, daß der Lizenznehmer bereits Postdienstleistungen im Sinne des § 4 Nr. 1 PostG erbringt und die lizenzierte Tätigkeit zusätzlich erbracht wird (Fortführung eines Unternehmens), von einer An43
Siehe oben H.III.2. Die „Üblichkeit". Da dieser Punkt des Prüfrasters auf 80% der Gesamtarbeitszeit in üblichen Arbeitsverhältnissen abstellt, ist unter Berücksichtigung des Richtwertes von 95 % der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse als „üblich" ein rechnerischer Anteil der Arbeitszeit in versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen zwischen 75 % und 80 % akzeptabel. 44
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H. Vereinbarkeit der Norm mit dem Rechtsstaatsprinzip
laufzeit von einem Jahr nach Zugang der Lizenz aus. Für den Fall, daß der Lizenznehmer bisher noch keine Postdienstleistungen erbracht hat (Neugründung eines Unternehmens), sogar von einer Anlaufzeit von zwei Jahren45. Dadurch soll den Unternehmen ermöglicht werden, sich auf die nach dem Postgesetz geltende Situation einzustellen46. Diese Anlaufzeiten finden im Gesetz keine Stütze. Nach der Intention des Gesetzgebers, der durch den Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG den Start der Deutsche Post AG in den Wettbewerb absichern will, sind solche „Anlaufzeiten" nicht hinnehmbar. Diese schließen die konkurrenzschützende Wirkung des Lizenzversagungsgrundes aus, und zwar gerade in der für die Deutsche Post AG besonders heiklen Phase unmittelbar nach der Marktöffnung. Durch die Gewährung von Anlaufzeiten maßt sich die Regulierungsbehörde an, die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG bei Unternehmensfortführungen im ersten Jahr und bei Neugründungen sogar in den ersten zwei Jahren nach Lizenzerteilung nicht anzuwenden. Auch die Regulierungsbehörde hat erkannt, daß die momentane Situation im Widerspruch zu den Vorgaben des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG steht. Dies scheint jedoch nicht zu einer Aufgabe der gesetzwidrigen Anlaufzeiten zu führen. Vielmehr verweist die Regulierungsbehörde auf die bei den Lizenznehmern zusätzlich entstandenen Arbeitsplätze und den Trend zu mehr Arbeitszeit in versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen (am 31.12.1998 = 54,5 %, am 31.3.1999 = 57,9%), der durch die neue Gesetzeslage (Änderung des § 23 Abs. 1 KSchG und entsprechende Anpassung des Prüfrasters) eine Verstärkung erfahren soll 47 . Aber auch die damit möglicherweise eröffnete Perspektive kann über die Gesetzwidrigkeit der Gewährung von Anlaufzeiten nicht hinwegtäuschen.
ee) Berücksichtigung besonderer Umstände Aber auch der dritte Punkt des Prüfrasters begegnet Bedenken. Das Gesetz sieht keine Herabsetzung der Anforderungen des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG auf Grund der Berücksichtigung besonderer Umstände im Sinne einer sachlichen Rechtfertigung (Punkt 3 des Prüfrasters) vor. Es erscheint daher zumindest zweifelhaft, ob die Ermittlung der Grenze des „nicht unerheblichen Unterschreitens" über eine rein objektive Betrachtung hinaus unter Beachtung subjektivindividueller Aspekte, das heißt besonderer Umstände, erfolgen kann. 45 Anlage 2 zur Mitteilung Nr. 206/1999 zur Vfg. 8/1998 Beantragung von Lizenzen zur Beförderung von Briefsendungen" im Amtsblatt Nr. 2 der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 4.2.1998, S. 1. 46 BT-Drucks. 14/646, S.6. 47 Postmarkt im Jahre 1999 - Halbjahresbericht der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 1999, S.20.
III. Auslegung der unbestimmten Tatbestandsmerkmale
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b) Das Erteilungs- und Kontrollverfahren Bedenken werden schließlich auch gegen die Verfahrenspraxis der Regulierungsbehörde laut. Das Unterstellen des Fortbestandes der Lizenzvoraussetzungen durch die Regulierungsbehörde, so wird angemahnt, sei schwerlich mit ihrer Pflicht zur „wirkungsvollen Aufgabenerfüllung" 48 zu vereinbaren und die Behörde werde ihren Regulierungspflichten aus § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 5 PostG in Verbindung mit § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG nicht gerecht, wenn sie auf eigene Ermittlungen verzichte 49 . Daher soll nachfolgend das Verfahren der Lizenzerteilung sowie das von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post entwickelte Konzept der anschließenden Kontrolle der Lizenznehmer einer kritischen Würdigung unterzogen werden.
aa) Die Lizenzerteilung Die Lizenzerteilung setzt eine schriftliche Antragstellung und die Einreichung umfangreichen Informationsmaterials hinsichtlich der geplanten Tätigkeit voraus. Die Angaben umfassen allgemeine Auskünfte über den Antragsteller (Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde gem. § 30 Abs. 5 des Bundeszentralregistergesetzes, SCHUFA-Auskunft etc.). Aber auch die Beschreibung der geplanten Tätigkeit, die Bezeichnung des Lizenzgebietes, die Angabe des beabsichtigten Aufnahmezeitpunktes der lizenzpflichtigen Tätigkeit, ein Auszug aus dem Handelsregister bzw. die Gewerbeanmeldung sowie Angaben über die Zahl der voraussichtlich im lizenzierten Bereich tätigen Beschäftigten - aufgeschlüsselt nach Vollzeitkräften, Teilzeitkräften (mit Angabe der wöchentlichen Arbeitszeit), geringfügig Beschäftigten sowie ggf. als Verrichtungs- oder Erfüllungsgehilfen tätigen Subunternehmern - etc. sind einzureichen50.
bb) Das Kontrollkonzept Zunächst ist die Prüfung nach Erteilung der Lizenz (Kontrolle) auf eine Informationspflicht der Lizenznehmer angelegt. Weichen sie von Lizenzauflagen ab, ohne die Regulierungsbehörde zu benachrichtigen, drohen Bußgelder und als ultima ratio der Lizenzentzug. Sodann führt die Regulierungsbehörde regelmäßig Abfragen und Kontrollen vor Ort durch. Diese werden ergänzt durch zusätzliche Prüfungen, die 48
BT-Drucks. 13/7774, S.32. Von Danwitz, Alternative Zustelldienste und Liberalisierung des Postwesens, 1999, S. 137 ff. 50 Mitteilung Nr. 206/1999 zur Vfg. 8/1998 „Beantragung von Lizenzen zur Beförderung von Briefsendungen" im Amtsblatt Nr. 2 der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 4.2.1998, S.3ff. 49
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H. Vereinbarkeit der Norm mit dem Rechtsstaatsprinzip
durch interne oder externe Anstöße veranlaßt werden. Die regelmäßigen Prüfungen wurden im zweiten Quartal 1999 eingeleitet. Nach Ablauf von 12 bzw. 24 Monaten sollen die Lizenznehmer schriftlich zur Einhaltung der Lizenzauflagen (insbesondere zu den Arbeitsbedinungen) abgefragt werden 51. cc) Bewertung Es läßt sich feststellen, daß die Regulierungsbehörde im Rahmen des Lizenzerteilungsverfahrens umfänglich auf die durch den Antragsteller gelieferten Informationen zurückgreift. Dies muß wohl als unvermeidlich hingenommen werden, da zu diesem Zeitpunkt, das heißt vor Aufnahme der zu lizenzierenden Tätigkeit, andere Informationsquellen nicht zur Verfügung stehen. Damit ist jedoch kein grundsätzlicher Kontrollverzicht der Behörde verbunden. Nach Lizenzerteilung setzt eine regelmäßige Prüfung und Kontrolle der Lizenznehmer ein und dieses Verfahren hat auch bereits zum Lizenzentzug in zwei Fällen (wegen fehlender Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit) geführt 52. Nicht ausreichend ist allerdings die Abfrage zur Einhaltung der üblichen Arbeitsbedingungen zwölf bzw. 24 Monate nach Lizenzerteilung. Dieser Abfragerhythmus korrespondiert mit den oben beanstandeten Anlaufzeiten und erscheint insoweit konsequent. Bleibt ein Verstoß in dieser Phase ohnehin folgenlos, da die Behörde sich weigert, § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG anzuwenden, kann aus ihrer Sicht auch auf die entsprechende Kontrolle verzichtet werden. Unbefriedigend ist auch, daß die Regulierungsbehörde im Rahmen ihrer Prüfung lediglich auf den Anteil der Vollzeit-, Teilzeit- und geringfügig Beschäftigten, den Anteil der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer sowie den Anteil der Subunternehmer abstellt53. Dadurch wird lediglich ein - wenn auch erheblicher - Ausschnitt der personalkostenrelevanten Arbeitsbedingungen erfaßt. Wichtige Aspekte wie z.B. die Frage nach Arbeitszeitmodellen, leistungsabhängigen Vergütungsmodellen oder der betrieblichen Altersstruktur bleiben unberücksichtigt. Gesetzwidrig ist die Gewährung von Anlaufzeiten und der daraus folgende Kontrollverzicht. Bei aller Kritik darf jedoch die schwierige Aufgabe 54 der Regulierungsbehörde die häufig unpräzise und widersprüchlich formulierten Zielvorgaben praktisch umzusetzen und durch empirische Ermittlung der als Anknüpfungspunkte tauglichen Tatsachen Maßstäbe für die Anwendung der Norm zu setzen55, nicht verkannt werden. 51 Postmarkt im Jahre 1999 - Halbjahresbericht der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 1999, S. 12f. 52 Postmarkt im Jahre 1999 - Halbjahresbericht der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 1999, S. 13. 53 Dieter Hummel/Sibylle Spoo, Mitbestimmung bei den sozialen Lizenzanforderungen des Postgesetzes, AiB 1999, 672 (673). 54 Edgar Grande, Privatisierung und Regulierung aus politikwissenschaftlicher Sicht, in: Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien - Grenzen - Folgen, hrsg. v. Christoph Gusy, Baden-Baden 1998, 37 (48 f.). 55 Von Danwitz, Alternative Zustelldienste und Liberalisierung des Postwesens, 1999, S. 136.
IV. Zusammenfassung
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IV. Zusammenfassung Abschließend ist festzuhalten, daß die in der Regelung § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG enthaltenen unbestimmten Tatbestandsmerkmale unter Rückgriff auf die in den Gesetzesmaterialien dokumentierten gesetzgeberischen Motive hinreichend konkretisiert werden können. Der auf den ersten Blick wenig aussagekräftige Wortlaut der Norm ist somit einer sachgerechten und berechenbaren Interpretation zugänglich. Der Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG verstößt daher nicht gegen das Bestimmtheitsgebot.
I. Vereinbarkeit des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz Art. 3 Abs. 1 GG I. Allgemeines Das von Art. 3 Abs. 1 GG umfaßte Gleichheitsrecht nimmt im Gefüge des verfassungsrechtlichen Grundrechtsschutzes einen sehr hohen Stellenwert ein. Der allgemeine Gleichheitssatz kann als „Kristallationspunkt" 1 des Gerechtigkeitsgedankens bezeichnet werden. Dieser beherrscht im Sinne einer ständigen „Omnipotenz und -präsenz"2 jede Form staatlichen Handelns und nimmt damit Legislative, Exekutive und Judikative gleichermaßen in die Pflicht. Umso mehr muß der Vorwurf, der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beschäftige zwar häufig die Gerichte, führe jedoch wegen seiner Kontur- und/oder Maßstabslosigkeit nur selten zum Verdikt der Verfassungswidrigkeit 3, befremden. Es wird sich zeigen, daß die ständigen Bemühungen in der älteren und jüngeren 4 Vergangenheit um neue Konkretisierungsansätze erfolgreich waren und es dem Gleichheitssatz daher weder an Kontur noch an maßstabsetzenden Elementen mangelt. Vor der näheren Betrachtung dieser Konkretisierungsansätze soll jedoch zunächst das Verhältnis des allgemeinen Gleichheitssatzes zu den Freiheitsrechten und hier namentlich zu dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG untersucht werden, da die Freiheitsrechte die bisherige verfassungsrechtliche Würdigung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG bestimmt haben.
1. Das Verhältnis zu den Freiheitsrechten Auch wenn der prinzipielle Gegensatz - die unüberwindbare Spannung - zwischen den Grundanliegen „Freiheit" und „Gleichheit" oft genug betont worden und in der Literatur weithin die „Präponderanz" 5 der Freiheit anerkannt worden ist, so darf dennoch nicht übersehen werden, daß sich die Väter des Grundgesetzes für die 1
Rudolf Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988,778. Friedrich Schoch, Der Gleichheitssatz, DVB1. 1988, 863 (864). 3 Wolfgang Riifner, Der Gleichheitssatz im Sozialrecht und die Aufgabe der Verfassungsrechtsprechung, SGb. 1984, 147. 4 Einer der jüngsten bei Stefan Huster, Gleichheit und Verfassungsmäßigkeit, JZ 1994, 541 ff. 5 Theodor Maunz/Günter Dürig, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig Band I, München 1998, Art. 3 GG Rdnr. 135. 2
I. Allgemeines
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Konzeption eines sozialen Rechtsstaats entschieden und sich die Verwirklichung von Freiheit und Gleichheit gleichermaßen auf die Fahnen geschrieben haben. Es mag Konstellationen geben, in denen Freiheit und Gleichheit miteinander kollidieren 6. Dennoch kann das eine ohne das andere nicht realisiert werden, sind beide deshalb notwendig miteinander verbunden und vereinbar 7. Zu fragen bleibt, welche Wirkungen von dieser Verbundenheit auf die verfassungsrechtliche Prüfung ausgehen. - Stellt Art. 3 Abs. 1 GG neben dem jeweiligen betroffenen Freiheitsrecht einen eigenen unabhängigen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab dar?8 - Verstärken sich die grundrechtlich verbürgten Positionen gegenseitig in dem Sinne, daß dem Gesetzgeber um so engere Grenzen gezogen sind, je mehr eine Regelung sowohl die eine wie auch die andere tangiert? - Oder sind beide in ein Stufenverhältnis im Sinne einer „Wenn-Dann-Formel" zu bringen und ist dem Gleichheitssatz die Rolle einer Verteilungsregelung 9 zuzuweisen, während die grundlegende Entscheidung an dem freiheitsrechtlichen Maßstab zu messen ist? Die zuletzt aufgeworfene Frage, ob Gleichheitssatz und Freiheitsrechte in eine Art Stufenverhältnis einzubinden sind, zielt auf eine Fallkonstellation ab, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mehrfach aufgetreten ist. Als wohl bekanntestes Beispiel läßt sich das Numerus-Clausus-Urteil 10 des Bundesverfassungsgerichts anführen. Hier hatte das Gericht sowohl das Freiheitsgrundrecht der Berufsfreiheit Art. 12 Abs. 1 GG als auch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. In seiner Entscheidung hat das Gericht einen grundsätzlichen Hochschulzugangsanspruch gestützt auf Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG bejaht. Dabei hat es diese Grundrechte in folgendes Stufenverhältnis gebracht: Aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG hat das Gericht ein weitgehendes Kapazitätserschöpfungsgebot hinsichtlich der Hochschulkapazitäten hergeleitet. Die Grundsätze für die Auswahl der zu berücksichtigenden Bewerber und die Verteilung der vorhandenen Studienplätze sollen nach Auffassung des Gerichts dagegen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgen. Eine vergleichbare Stufung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Überprüfung einer Norm durch das Bundesverfassungsgericht läßt sich in der Ent6
Maunz/Dürig, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band I, 1998, Art. 3 GG Rdnr. 138. 7 Schock, DVB1. 1988, 863 (871 f.); Christian Starck, in: Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, hrsg.v. Christian Starck, Band 1,4. Aufl., München 1999, Art.3 GG Rdnr.202. 8 Für eine grundlegende Trennung der Kategorien „horizontale Gleichheitsprüfung" und „vertikale Übermaßprüfung" P. Kirchhof, in: FS Lerche, S. 145, der von einem „Widerstreit" ausgeht; ders., in: HdbStR Band V, § 124 Rdnr. 288 ff.; auch Peter Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, Köln 1961, S.30. 9 Schock, DVB1. 1988, 863 (871 f.). 10 BVerfGE 33, 303 ff.
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I. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art. 3 Abs. 1 GG
Scheidung des Gerichts zur Subventionierung privater Ersatzschulen11 finden. Nach dieser Entscheidung soll die grundlegende Frage, ob der Gesetzgeber private Ersatzschulen subventionieren soll, mit Blick auf die aus Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG zu beantworten sein. Entschließe sich der Gesetzgeber allerdings, so führt das Gericht weiter aus, im Rahmen seiner aus Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG folgenden Schutzpflicht das private Ersatzschulwesen zu unterstützen, so unterliege er hierbei den Bindungen des Art. 3 Abs. 1 GG. Diese vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene gestufte Prüfung ist jedoch, so ist kritisch anzumerken, nur in wenigen besonders gelagerten Fällen geeignet, das Zusammenspiel von Gleichheitssatz und Freiheitsrechten sachgerecht zum Ausdruck zu bringen. Eine gestufte Prüfung setzt einen Sachverhalt voraus, der eine mindestens zweistufige Entscheidung zuläßt. Also einen Sachverhalt, der zunächst eine grundlegende Entscheidung über das „Ob" und sodann eine Antwort auf die nachgelagerte Frage des sachgerechten „Wie" verlangt. Nur in solchen besonderen Fällen kann der Ansatz des „Stufenverhältnisses" überzeugen. Eine allgemeingültige Beschreibung des Verhältnisses zwischen Gleichheitssatz und Freiheitsrechten beinhaltet dieser Ansatz jedoch nicht. Aber auch die These, Gleichheitssatz und Freiheitsrechte seien als völlig unabhängige Prüfungsmaßstäbe nebeneinander anwendbar, kann keine Allgemeingültigkeit beanspruchen. Die Annahme eines (völlig) selbständigen Prüfungsmaßstabes erscheint nur in Fällen möglich, in denen der Sachverhalt eine strikte Trennung der freiheitsrechtlich und der gleichheitsrechtlich relevanten Aspekte zuläßt. In vielen Fällen wird eine solch klare Trennung jedoch kaum möglich sein. Gerade im Bereich des Wirtschaftsrechts ist die Verschränkung von Gleichheits- und Freiheitsschutz besonders augenfällig. Nahezu jede Maßnahme der Wirtschaftsaufsicht oder -lenkung tangiert den Betroffenen sowohl in Freiheitsrechten (insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG) als auch in seinem Gleichheitsrecht (Art. 3 Abs. 1 GG). Entzieht beispielsweise die zuständige Behörde einem Gastwirt die Gaststättenerlaubnis (§15 Gaststättengesetz12), so wird diesem die Fortführung seines gewählten Berufes versagt und damit seine Berufswahlfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) tangiert. Zugleich stellt sich die Frage, ob dieser Entzug unter Anwendung der gleichen Maßstäbe erfolgte, wie sie in vergleichbaren Fällen gegenüber anderen Gaststätteninhabern zugrunde gelegt werden, das heißt, ob der Entzug mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar ist. Sind freiheits- und gleichheitsrelevante Aspekte sachlich solchermaßen eng miteinander verwoben, so bilden sie eine geschlossene Einheit. In solchen Fällen gebietet sich daher eine einheitliche rechtliche Betrachtung, will man ein sachgerechtes Ergebnis finden, ohne die Zusammenhänge künstlich zu zerschlagen. Von einem „Ineinander-Greifen" und „Zusammenlaufen" der beiden herkömmlich unterschiedenen Maßstäbe der Gleichheit - des Gleichmaßes - und der Freiheit - des Übermaßverbots - im Hinblick auf das beiden übergeordnete Prinzip der Gerechtigkeit, gehen daher auch die Verfech11 12
BVerfGE 75,40 (69f.). Gaststättengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.11.1989, BGB1.I, S. 3418.
II. Dogmatische Entwicklung
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ter 13 einer grundsätzlichen Trennung aus, allerdings ohne diesen Widerspruch nachvollziehbar aufzulösen. Insgesamt läßt sich feststellen, daß Freiheits- und Gleichheitsrechte nur in seltenen Ausnahmefällen völlig selbständige Prüfungsmaßstäbe darstellen. Zwischen den beiden Rechtsmaßstäben besteht vielmehr ein Sinnzusammenhang, eine wechselseitige Bedingtheit, die zu einer gegenseitigen Vervollständigung von Freiheitsrechten und Gleichheitssatz führt 14. Die konkrete Gestaltung dieses Zusammenspiels von Freiheits- und Gleichheitsrechten läßt sich jedoch nicht allgemeingültig beschreiben. Die Konkretisierung dieses Zusammenspiels muß daher letztlich auf Grund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls erfolgen.
2. Das Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 GG Grundsätzlich sind das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nebeneinander anwendbar und verschränken sich in verbundener Idealkonkurrenz 15. Im einzelnen besteht ein komplexes Verhältnis, das sich nicht zuletzt aus dem oben beschriebenen Zusammenspiel von Gleichheit und Freiheit erklärt. Prinzipiell können berufsrechtliche Regelungen jedoch nur dann als verfassungsgemäß angesehen werden, wenn die in ihnen enthaltenen Differenzierungen und Ungleichbehandlungen nicht willkürlich sind und einen sachlichen Rechtfertigungsgrund aufweisen 16.
II. Dogmatische Entwicklung Nachdem das Verhältnis zwischen Gleichheitssatz und Freiheitsrechten, insbesondere dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG ausgelotet worden ist, sollen nun die bereits oben angesprochenen Versuche der Konturierung und Strukturierung des allgemeinen Gleichheitssatzes näher betrachtet werden. Zu beginnen ist die Betrachtung mit der älteren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die lange Zeit die Anwendung des Gleichheitssatzes maßgeblich bestimmt hat und in vielen Fällen auch heute noch Beachtung verdient.
1. Die „Willkürformel" des Bundesverfassungsgerichts Diese ältere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geprägt von der sogenannten „Willkürformel" des Gerichts. Nach dieser verbietet Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber - um die prägnante Kurzformel des Bundesverfassungsgerichts aufzugreifen - , „wesentlich Gleiches ungleich und wesentlich Ungleiches gleich zu 13 14 15 16
P. Kirchhof, in: FS Lerche, S. 134. P. Kirchhof, in: FS Lerche, S. 137 f. Breuer, in: HdbStR Band VI, § 147 Rdnr. 99. Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, Maunz/Dürig, Band 1,1998, Art. 12 GG Rdnr. 145.
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. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art.
Abs. 1 GG
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behandeln" . Dabei verkennt das Gericht nicht, daß Regelungsgegenstände in vielen, aber doch nicht allen Merkmalen identisch sein können. Deshalb soll der Gesetzgeber nicht „zur Herstellung schematischer, die tatsächlichen Unterschiede negierender Gleichheit" gezwungen sein18. Vielmehr kommt es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts darauf an, ob die Gleichheit oder Ungleichheit in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam ist, daß ihre Beachtung bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise geboten erscheint 19. In diesem Rahmen fragt das Bundesverfassungsgericht, ob sich für die beanstandete Regelung ein „sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund" finden läßt. Erst wenn ein solcher in keinerlei Hinsicht zu entdecken ist (wobei das Bundesverfassungsgericht gelegentlich beim Aufspüren sachlicher Gründe großen Ideenreichtum erkennen läßt 20 ), muß eine Regelung als willkürlich verworfen werden 21. Der Grund der Differenzierung müsse, so stellt das Gericht fest, in der geregelten Materie liegen, von dieser unmotivierte Ungleichbehandlungen verstießen zwangsläufig gegen den Gleichheitssatz22. Differenzierungen sind danach zulässig, wenn und soweit sie in den tatsächlichen Verschiedenheiten der Lebenssachverhalte ihren Grund haben23.
2. Formale Kategorien Die Reduzierung des allgemeinen Gleichheitssatzes auf ein bloßes Willkürverbot konnte jedoch nicht in allen Fällen gesetzgeberischer Ungleichbehandlung zu zufriedenstellenden Lösungen führen. In Literatur und Rechtsprechung wurde deshalb intensiv nach weiteren Prüfungsansätzen gesucht. Dabei schienen in dem weitgehend von Wertungen geprägten Gebiet24 solche Kategorien ein gewisses Maß an Rechts(prüfungs)sicherheit zu bieten, die sich an formalen Gesichtspunkten orientieren. Diese sollen im Folgenden näher betrachtet werden. a) Personen- und sachbezogene Differenzierungskriterien Einen interessanten Ansatzpunkt zur weitergehenden Systematisierung der Gleichheitsprüfung liefert das Bundesverfassungsgericht, namentlich der 1. Senat, selbst25: Die Unterscheidung zwischen personen- und sachbezogenen Differenzie17 18 19 20 21 22 23 24 25
BVerfGE 4, 219 (243); 11, 64 (71). BVerfGE 9, 124 (129f.); 12, 341 (348); 17, 319 (330). BVerfGE 9, 124 (129-130); 23, 12 (24f.). Wendt, NVwZ 1988, 778 (779). BVerfGE 1, 14 (52); 50, 142 (162); 71, 39 (53, 58); 71, 255 (271). Friauf, Leasing, S. 16. BVerfGE 4, 219 (243 f.). Schock, DVB1. 1988, 863 (877); Wendt, NVwZ 1988, 778 (781). BVerfGE 52, 277 (282); 84, 348 (361); 88, 5 (12); 90,46 (57).
II. Dogmatische Entwicklung
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rungskriterien. Bei Anknüpfung an personenbezogene Merkmale soll der Gesetzgeber einer strengeren Bindung und Kontrolle unterliegen als bei einem Abstellen auf sachbezogene Differenzierungskriterien, um einer Diskriminierung von Minderheiten entgegenzuwirken. Die Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs begegnet in der Praxis jedoch kaum überwindbaren Schwierigkeiten. Die Abgrenzung zwischen personen- bzw. sachbezogenen Merkmalen scheint schier unmöglich, die Übergänge sind fließend 26. Denn regelmäßig wirkt das sachbezogene Element zumindest mittelbar auch auf irgendeine Person zurück 27. Recht regelt immer menschliches Verhalten. Die unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten ist daher immer auch eine Unterschiedlichbehandlung von Menschen28. Diese Schwierigkeiten zeitigen mittlerweile auch Wirkung in der Rechtsprechung des 1. Senates29. Dieser beschränkt die engere Bindung des Gesetzgebers im oben genannten Sinne nicht mehr allein auf personenbezogene Differenzierungen. Diese Bindung gelte, so wird nun ausgeführt, vielmehr auch, „...wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirke." Darüber hinaus bildet das Gericht eine weitere Kategorie der „verhaltensbezogenen" Unterscheidungen. Bei solchen soll das Maß der gesetzgeberischen Bindung davon abhängen, „... inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen." Nachdem sich jedoch eine klare Abgrenzung all dieser Kriterien als unmöglich erweist, kann dieser in erster Linie vom 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts vertretene Ansatz (allein) nicht zufriedenstellen. b) Die Sach- und Systemgerechtigkeit Ein weiterer Ansatz eher formaler Natur zur näheren Konturierung der Gleichheitsprüfung läßt sich in der Frage nach der Sach- und Systemgerechtigkeit einer Vorschrift finden. Dieser Ansatz30 geht von der Feststellung aus, daß jeder vom Ge26 Hans D. Jarass, Folgerungen aus der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Prüfung von Verstößen gegen Art. 3 Abs. 1 GG, NJW 1997,2545 (2547); Konrad Hesse, Der allgemeine Gleichheitssatz und die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsetzungsgleichheit, in: Festschrift für Peter Lerche, München 1993, S. 124. 27 Lerke Osterloh, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. München 1999, Art. 3 GG Rdnr. 27; Sachs, JuS 1997, 124 (128); BVerfGE 78, 249(278); 80, 109 (118); 83, 89 (107). 28 Brun-Otto Bryde/Ralf Kleindiek, Der allgemeine Gleichheitssatz, Jura 1999, 36 (41). 29 BVerfG NJW 1999, 1535 (1536). 30 BVerfGE 13,331 (354); 18,257 (271 ff.); Paul Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg.v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Band V, Heidelberg 1992 § 124 Rdnr. 205 ff.; Starck, in: Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Christian Starck, Band 1, 4. Aufl. 1999, Art. 3 GG Rdnr. 44ff.; Uwe Kischel, Systembindung des Gesetzgebers und Gleichheitssatz, AöR 124 (1999), 174ff.
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setzgeber zu regelnde Sachverhalt von einer spezifischen Eigenart geprägt ist. Werden nun zahlreiche in einem mehr oder weniger engen Zusammenhang stehende oder gleichartige Sachverhalte vom Gesetzgeber normiert, so entsteht ein Regelungskomplex, der auf Grund der sachverhaltsspezifischen Eigenarten der Einzelsachverhalte eine besondere, für diesen Regelungskomplex typische Systematik aufweisen kann31. Dabei wird die Regelungssystematik vom Gesetzgeber selbst bestimmt, während die Eigenart der Sachverhalte auf den ihnen zugrunde liegenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder politischen Verhältnissen beruht. Hat der Gesetzgeber nun für ein Rechtsgebiet im Rahmen seiner demokratisch legitimierten Gestaltungsfreiheit eine bestimmte Systematik als sachangemessen geschaffen, so soll der Gesetzgeber an diese gebunden sein. Bei der Statuierung neuer dieses Rechtsgebiet betreffender Normen habe er, so wird gefordert, diese in das bereits bestehende System folgerichtig einzupassen oder jede Abweichung eigens zu begründen („Zwang zur Konsequenz"32). Als Beispiel kann das Steuerrecht und die besondere Ausrichtung der Besteuerung auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit genannt werden 33. Dieser Ansatz erscheint auf den ersten Blick bestechend. Zu beachten ist allerdings, daß hier der exakte Nachweis einer bestimmten ein Rechtsgebiet prägenden Systematik logisch vorausgesetzt wird. Das bedeutet, daß dieses Kriterium nur in einer begrenzten - mit Rücksicht auf die „Regelungsflut" im deutschen Recht sicher aber erheblichen - Anzahl von Fällen anwendbar ist. Es versagt, sofern und solange eine spezifische Systembildung nicht nachweisbar ist. Auch wird man, sollte dieser Nachweis vorliegen, über die Frage, welche konkrete Neuregelung sich bruchlos in dieses System einfügt, wohl trefflich streiten können. Weiter darf nicht außer Betracht bleiben, daß die Reduzierung des allgemeinen Gleichheitssatzes auf ein Gebot bloßer „systemimmanenter Gleichbehandlung" der Bedeutung dieses Grundrechtes nicht gerecht würde 34. Es erscheint auch nicht unproblematisch, die Kriterien der Gleichheitsprüfung allein dem einfachen Gesetz zu entnehmen. Kein Problem besteht allerdings dann, wenn sich die systemgerechte Ausgestaltung aus der Verfassung ergibt 35. Insgesamt kann auch dieser Versuch einer stärkeren Konturierung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG keine umfassende Lösung bieten.
31
Insofern zustimmend Christian Koenig, Die gesetzgeberische Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz-Eine Darstellung des Prüfungsaufbaus zur Rechtsetzungsgleichheit, JuS 1995, 313 (318). 32 Albert Bleckmann, Die Struktur des allgemeinen Gleichheitssatzes, Köln 1995, S.97. 33 Schoch, DVB1. 1988, 863 (881). 34 Rudolf Wendt, Spreizung von Körperschaftsteuersatz und Einkommensteuerspitzensatz als Verfassungsproblem, in: Festschrift für Karl Heinrich Friauf, Heidelberg 1996, S. 866; kritisch auch Koenig, JuS 1995,313 (317); Christoph Gusy, Der Gleichheitssatz, NJW 1988,2505 (2508). 35 Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36 (41).
II. Dogmatische Entwicklung
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c) Fallgruppenbildung Können bezüglich eines rechtlichen Problems keine allgemeingültigen Lösungen gefunden werden, so findet sich häufig als letzter Ausweg „die Flucht" in eine umfangreiche Kasuistik, die durch eine wenigstens ansatzweise erfolgende Fallgruppenbildung gebändigt und handhabbar gemacht werden kann. Solche Ansätze finden sich auch hinsichtlich der Gleichheitsprüfung. Bislang haben sich (wenigstens) zwei Fallgruppen herausgebildet.
aa) Typisierung und Pauschalierung Die erste zu nennende Fallgruppe ist die der gesetzgeberischen Typisierung und Pauschalierung. Insbesondere in Rechtsgebieten, die Lösungen für die Bewältigung der besonderen Problematik von häufig auftretenden, gleichartigen Massenerscheinungen bereithalten müssen, wird es für zulässig gehalten, wenn der Gesetzgeber generalisierende Regelungen schafft 36. Dies wird mit Gründen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt und solange für zulässig erachtet, wie „... die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betrifft und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist" 37 . Als Beispiele können hier insbesondere das Sozialversicherungs- und das Steuerrecht angeführt werden. Diese Rechtsprechung neigt allerdings zu einer bedenklichen Vernachlässigung kleinerer Gruppen 38.
bb) Chancengleichheit Die zweite Fallgruppe entstammt den besonderen Gebieten des Prüfungs- und des Parteienrechts. Hier erlangt der allgemeine Gleichheitssatz regelmäßig in der besonderen Ausprägung der „Chancengleichheit" Bedeutung39. Will man sich jedoch nicht in reiner Kasuistik verlieren, bedarf es unverminderter Bemühungen um verallgemeinerungsfähige Kriterien.
36 BVerfGE 9, 73 (81); 36, 383 (394), Bleckmann, S. 99; Osterloh, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 3 GG Rdnr. 104ff.; Starck, in: Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Christian Starck, Band 1,4. Aufl. 1999, Art. 3 GG Rdnr. 18 ff. 37 BVerfGE 11, 245 (254); 17, 1 (23); 26, 265 (275 f.); 76, 256 (331). 38 Rüfner, SGb 1984, 147. 39 Schoch, DVB1. 1988, 863 (880f.); Michael Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, Berlin 1980, S. 37f.; Osterloh, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 3 GG Rdnr. 57ff.; Starck, in: Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Christian Starck, Band 1,4. Aufl. 1999, Art. 3 GG Rdnr. 28 ff.
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. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art.
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d) Interne und externe Zwecke Im Interesse der Strukturierung der Gleichheitsprüfung ist in der neueren Literatur ein weiterer Ansatz entwickelt worden, der auf den ersten Blick ebenfalls formaler Natur zu sein scheint40. Auch dieser Ansatz beruht auf der Bildung von Fallgruppen 41 . Idealtypisch können nach dieser Ansicht zwei Arten der Ungleichbehandlung entsprechend ihrer Zwecksetzung unterschieden werden. - Die erste Gruppe stehe allein im Dienste der Gerechtigkeit, entspreche damit dem Gleichheitssatz und verwirkliche ihn, z.B. durch eine gleichmäßige Lastenverteilung. Dieser Gruppe sei eine interne Zwecksetzung eigen. - Die zweite Gruppe hingegen sei geprägt von externen Zwecken, von Gestaltungsund Lenkungszielen des Gesetzgebers. Als Beispiele werden insbesondere wirtschafts- und sozialpolitische Motive angeführt. Die Vertreter dieser Auffassung gehen davon aus, daß die erste Gruppe mit der bisherigen Dogmatik des Gleichheitssatzes zu bewältigen ist, während die Prüfung der gestaltungsbedingten Ungleichbehandlungen eines erweiterten Ansatzes bedarf. Hier sei, so wird behauptet, Raum - und Bedarf - , auf die Grundsätze des Verhältnismäßigkeitsprinzips zurückzugreifen 42. Die Einbeziehung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in die Gleichheitsprüfung bedingt zugleich die Berücksichtigung wertender und gewichtender Elemente im Rahmen dieser Prüfung. Ohne an dieser Stelle auf die grundsätzliche Frage, ob Erwägungen des Verhältnismäßgkeitsprinzips in die Gleichheitsprüfung aufgenommen werden können, einzugehen, läßt sich damit feststellen, daß der Ansatz der „Internen und externen Zwecke" entgegen dem ersten Anschein nicht als Versuch der formalen Strukturierung der Gleichheitsprüfung anzusehen ist. Dieser Ansatz ist vielmehr einer weiteren Entwicklung in der Dogmatik des Gleichheitssatzes zuzuordnen, die maßgeblich durch das Bestreben geprägt ist, Aspekte des Verhältnismäßigkeitsprinzips in die Gleichheitsprüfung zu integrieren, und die auch in der nachfolgend zu erörtenden neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Ausdruck gefunden hat. Zunächst jedoch ist festzuhalten, daß die verschiedenartigen Versuche einer formalen Kategorisierung und Konturierung des Gleichheitssatzes nur eingeschränkt geeignet sind, dem Ziel einer stärkeren Strukturierung der Gleichheitsprüfung näher zu kommen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich auf keinen dieser Ansätze festgelegt. Das Gericht hat allerdings unter maßvollem Rückgriff auch auf diese Ansätze seine Rechtsprechung zum Gleichheitssatz weiterentwickelt. Diese Fortbildung soll im Folgenden beleuchtet werden. 40
Wolf gang Riifner, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, hrsg. v. Rudolf Dolzer, Heidelberg 1999, Art. 3 G G Rdnr. 93ff.; Huster, JZ 1994, 541 ff.; so auch schon Gusy, NJW 1988, 2505 (2507), der maßgeblich auf den Zweck des Gesetzes abstellt. 41 42
Huster, JZ 1994, 541 (453 f.).
Α. A. Bryde/Kleindiek, Jura 1999,36 (39), die im Hinblick auf innovative, gestaltende Aktivitäten des Gesetzgebers einen großzügigeren Prüfungsmaßstab favorisieren.
II. Dogmatische Entwicklung
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3. Die „neue Formel" des Bundesverfassungsgerichts In seinem Beschluß vom 7.10.1980 hat der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts eine sog. „neue Formel" bezüglich der Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes geprägt. Danach soll Art. 3 Abs. 1 GG nunmehr verletzt sein, wenn „... eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt werde, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. 43 " Damit kann nach der „neuen Formel" nicht mehr jedes beliebige Argument, das irgendeinen sachlichen Bezug zum Regelungsgegenstand aufweist, zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung herangezogen werden. Diese sog. „neue Formel" fand in der Literatur überwiegend Zustimmung. Die Bewertung ihres Erkenntniswertes reicht allerdings von der Einschätzung, das Gericht habe seine vorherige „Willkür-Rechtsprechung" vollständig überwunden 44, die neue Formel gehe über die bloße Willkürprüfung weit hinaus 45 , das Gericht habe einen in der bisherigen Judikatur allenfalls angedeuteten Neuansatz formuliert 46 , bis hin zur weniger euphorischen Feststellung, daß diese Formel einer stärker konturierten Prüfung diene, jedoch inhaltlich ohnehin bereits in der älteren Rechtsprechung angelegt gewesen sei 47 . Dieser letztgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Bereits im Rahmen der Willkürprüfung fragte das Bundesverfassungsgericht nach Natur und Eigenart des in Frage stehenden Sachbereichs. Es betonte immer, daß sich aus dem Sachverhalt, welcher der beanstandeten Regelung zugrunde liege, „gerade für sie" ein sachlich vertretbarer Grund ergeben müsse48. Mit dieser Forderung ist ein innerer, sachlich spezifischer, regelungsadäquater Zusammenhang49 zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung umrissen. Damit sind bereits in der „Willkür-Prüfung" die maßgeblichen Ansatzpunkte für die spätere, mehrstufig aufgebaute Gleichheitsprüfung nach der „neuen Formel" zu finden 50. Diese „neue Formel" dient jedoch einer stärkeren Konturierung und Strukturierung der Gleichheitsjudikatur, ein nicht zu unterschätzender Verdienst um Rationalität und Nachvollziehbarkeit der Gleichheitskontrolle.
43
BVerfGE 55, 72 (88).
44
Schock, DVB1. 1988, 863 (875); Manfred Gubelt, in: Grundgesetz, Kommentar, Philip Kunig, Band 1, 4. Aufl. 1992, Art. 3 G G Rdnr. 14. 45
Fleischer, NZG 1999, 545.
46
Michael Sachs, Die Maßstäbe des allgemeinen Gleichheitssatzes - Willkürverbot und sogenannte neue Formel, JuS 1997, 124 (125). 47 Karl Heinrich Friauf, Publizitätspflichten für Gesellschaften mit beschränkter Haftung aus verfassungsrechtlicher Sicht, GmbHR 1985, 245 (246); Wendt, N V w Z 1988, 778 (781); Hesse, in: FS Lerche, S. 124; Osterloh, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 3 G G Rdnr. 25; Kischel, AöR 124 (1999), 174 (190). 48 BVerfGE 17, 1 (8); 17, 122 (131); 19, 1 (8); 25, 269 (292); 35, 348 (357); 45, 376 (387). 49
Friauf GmbHR 1985, 245 (248).
50
Wendt, N V w Z 1988, 778 (781).
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4. Die weitere Entwicklung Auch die „neue Formel" vermag jedoch nicht alle Probleme der Gleichheitsprüfung einer zufriedenstellenden Lösung zuzuführen 51. Unvermindert ist daher die Suche nach weiteren Lösungsansätzen fortzusetzen 52. a) Einführung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in die Gleichheitsprüfung Es ist festzustellen, daß keiner der bisher betrachteten Ansätze formaler Natur zur Strukturierung der Gleichheitsprüfung (allein) einen allgemeinverbindlichen Lösungsweg aufzuzeigen vermag. Mit dem bereits zuvor skizzierten Ansatz der „Internen und externen Zwecke" ist allerdings zugleich die Brücke geschlagen zu einer Idee, die im Gefolge der sog. „neuen Formel" weithin diskutiert wurde und - in verschiedenen Ausprägungen - auch viele Anhänger gewonnen hat. Gemeint ist die Idee, den aus der Dogmatik der Freiheitsgrundrechte bekannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch im Rahmen der Gleichheitsprüfung zur Anwendung zu bringen. Trotz der grundlegenden Strukturunterschiede zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten53 wurde vielfach der Versuch unternommen, die Möglichkeiten einer entsprechenden, wenn auch möglicherweise modifizierten Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Rahmen der Gleichheitsprüfung darzustellen54. Dabei geht es allerdings nicht um die Verhältnismäßigkeit einer Belastung im Sinne der Freiheitsrechte, sondern um die der Ungleichbehandlung 55. Aus der Formulierung der „neuen Formel" wurde abgeleitet, daß unter Berücksichtigung des inneren, regelungsadäquaten Sachzusammenhangs die zwischen den Vergleichsgruppen festgestellten Verschiedenheiten nach Art (Geeignetheit), Ausmaß (Erforderlichkeit) und Gewicht (Angemessenheit) die ungleiche Rechtsfolgensetzung rechtfertigen müssen und die Rechtsfolgen somit als „zweckrationales Reagieren" 56 auf die vorgefundenen Verschiedenheiten erscheinen müssen. Sogar der Versuch, die zwischen 51 Michael Sachs, Der Gleichheitssatz als eigenständiges subjektives Grundrecht, in: Festschrift für Karl Heinrich Friauf, Heidelberg 1996, S. 310, FN 6. 52 Sachs, JuS 1997, 124 (125). 53 Bleckmann, S.65; P. Kirchhof, in: FS Lerche, S. 144f.; Sachs, JuS 1997, 124 (129); Kerstin Odendahl, Der allgemeine Gleichheitssatz: Willkürverbot und „neue Formel" als Prüfungsmaßstäbe, JA 2000,170 (172). 54 Schoch, DVB1. 1988, 863 (874); Wendt, NVwZ 1988, 778 (781 ff.), ders., in: FS Friauf, S.865; Gubelt, Grundgesetz, Kommentar, hrsg.v. Philip Kunig, Band 1, 4. Aufl. 1992, Art.3 GG Rdnr. 14, 29; Hesse, in: FS Lerche, S. 121; Bleckmann, S.66; Koenig, JuS 1995, 313ff.; Sachs, in: FS Friauf, S. 310; ders., JuS 1997,124 (129); Michael Krugmann, Gleichheit, Willkür und Evidenz, JuS 1998, 7ff.; Kischel, AöR 124 (1999), 174 (188ff.); a. A. Starck, in: Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, hrsg.v. Christian Starck, Band 1, 4. Aufl. 1999, Art. 3 GG Rdnr. 11. 55 Jarass, NJW 1997, 2545 (2549). 56 Wendt, NVwZ 1988, 778 (784).
II. Dogmatische Entwicklung
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Gleichheits- und Freiheitsrechten bestehenden Strukturunterschiede völlig einzuebnen und das auf die Freiheitsgrundrechte zugeschnittene Modell der EingriffsSchranken-Prüfung auf den Gleichheitssatz zu übertragen, wurde unternommen57. Gemeinsam ist all diesen Stimmen die Erkenntnis, daß es Fälle der Ungleichbehandlung gibt, die strukturelle Parallelität zu Fällen der Freiheitsbeschränkung aufweisen und somit eine Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips erlauben 58. Die Unterscheidung von Ungleichbehandlungen nach ihrer Zielsetzung in solche mit internen bzw. externen Zwecken bietet nun die Möglichkeit, die Ungleichbehandlungen, welche einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zugänglich sind, von denen zu trennen, die keinen Raum für entsprechende Erwägungen lassen59. Die Dogmatik der Freiheitsprüfung ist gekennzeichnet durch die Abwägung sich widerstreitend gegenüberstehender Rechtsgüter nach Gesichtspunkten des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Ungleichbehandlungen interner Art dagegen sind allein der Gerechtigkeit zu dienen bestimmt und lediglich dem Ausgleich bestehender Unterschiede verpflichtet. Ungleichbehandlungen interner Art lassen daher keinerlei Rechtsgüterkonflikt erkennen. Man könnte sagen, daß diese von einer ausschließlich horizontalen Ausrichtung gekennzeichnet sind. Eine Abwägung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips erscheint nicht möglich. Zur Erläuterung dieser „Ungleichbehandlungen interner Art" können zwei Beispiele60 angeführt werden: Das erste Beispiel findet sich im Steuerrecht: Personen, die ein höheres monatliches Einkommen erzielen als andere, haben grundsätzlich auch eine höhere Steuerlast zu tragen. Diese Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt, weil sich die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit 161richtet und derjenige - ceteris paribus - leistungsfähiger ist, der ein höheres monatliches Einkommen erzielt. Ein zweites Beispiel läßt sich dem Sozialrecht entnehmen: Frauen, die durch Beruf und Familie doppelt belastet sind, können früher Altersruhegeld beziehen als alleinstehende und kinderlose Frauen. Diese Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt, weil der frühere Bezug von Altersruhegeld die stärkere Belastung von Frauen, die berufstätig sind und eine Familie zu versorgen haben, kompensieren soll und berufstätige Mütter - ceteris paribus - stärker belastet sind als alleinstehende und kinderlose Frauen. In diesen Fällen der Ungleichbehandlung kann eine zufriedenstellende Prüfung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG bereits durch Anwendung der die ältere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts prägenden „Willkürformel" 62 oder
57
Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S.56ff. Bryde/Kleindiek, Jura 1999,36 (38); a. A. Starck, in: Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Christian Starck, Band 1, 4. Aufl. 1999, Art. 3 GG Rdnr. 11. » Sachs, JuS 1997, 124 (129); Huster, JZ 1994, 541 ff. 60 Beispiele nach Huster, JZ 1994, 541 (543). 61 Zur Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip, insbesondere zur Frage der Vereinbarkeit des progressiven Steuertarifs mit dem Grundsatz der gerechten Lastenverteilung vgl. Michael Elicker, Kritik der direkt progressiven Einkommensbesteuerung, StuW 2000, 3 (11 ff.). 62 BVerfGE 4, 219 (243). 58
11 Jochum
162
. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art.
Abs. 1 GG
63
unter Rückgriff auf die „neue Formel" des Gerichts erfolgen. In diesen Fällen lassen sich problemlos die passenden Vergleichsgruppen sowie Unterschiede zwischen diesen Gruppen von solcher Art und solchem Gewicht ermitteln, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung erscheint dagegen kaum möglich, denn es fehlt an kollidierenden Rechtsgütern, die im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung in Einklang gebracht werden könnten. Weder im Verhältnis von Leistungsfähigkeit zur Steuerhöhe noch im Verhältnis der beruflichen und familiären Belastung zum Anspruch auf Altersrente lassen sich solche Rechtsgüterkonflikte entdecken. Ganz anders stellt sich die zweite nach diesem Ansatz zu bildende Fallgruppe, die der Ungleichbehandlungen externer Art, dar. Gestaltungsbedingte Ungleichbehandlungen externer Art führen einen weiteren - externen - Aspekt in die Relation der verschieden behandelten Positionen ein. Der Ungleichbehandlung der beiden Positionen steht der vom Gesetzgeber intendierte Gestaltungszweck gegenüber. Es entfaltet sich ein Rechtsgüterkonflikt zwischen dem Recht auf Gleichbehandlung einerseits und den die gestaltende Tätigkeit des Gesetzgebers motivierenden Rechtspositionen andererseits. Die Ungleichbehandlung gewinnt, so könnte man sagen, eine vertikale Dimension. Diese widerstreitenden Positionen können nun unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips abgewogen und in Einklang gebracht werden. Die rechtliche Behandlung der beiden Positionen im Verhältnis zueinander ist an einem Rechtfertigungsgrund zu messen64. Auch hierzu sei ein erläuterndes Beispiel angeführt 65: Man stelle sich zwei gleich leistungsfähige Personen vor, die dennoch nicht mit gleich hohen Steuern belastet werden, weil eine von beiden die Kosten für den Bau eines Eigenheims absetzen kann. Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit geschaffen, um die Baukonjunktur sowie die Schaffung privaten Wohneigentums zu fördern. Hier nun kann die Ungleichbehandlung der Personen nicht auf relevante Unterschiede zwischen diesen beiden zurückgeführt werden. Es ist auch nicht die ausgleichende Gerechtigkeit, die den Gesetzgeber zu dieser Differenzierung motiviert. Vielmehr sind hier wirtschafts- und sozialpolitische Aspekte Grundlage der gesetzgeberischen Entscheidung. Die nun aufzuwerfende Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit solcher nicht gleichheitsmotivierter Ungleichbehandlungen zwingt daher, diese den Gesetzgeber motivierenden wirtschafts- und sozialpolitischen Erwägungen in die Prüfung einzubeziehen66. Zwischen diesen Aspekten und dem aus Art. 3 Abs. 1 GG fließenden Recht auf Gleichbehandlung läßt sich ein Rechtsgüterkonflikt erkennen, der unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips aufzulösen ist. Es läßt sich fragen, ob die vom Gesetz63
BVerfGE 55,72 (88). Kischel, AöR 124 (1999), 174 (192), der von einer „ E n t s p r e c h u n g s p r ü f u n g " ausgeht. 65 Beispiel nach Huster, JZ 1994, 541 (543). 66 Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung nach dem progressiven Steuertarif unter besonderer Berücksichtigung sozialstaatlich motivierter Begründungsansätze vgl. Elicker, StuW 2000, 3 (15 ff.). 64
II. Dogmatische Entwicklung
163
geber vorgenommene Ungleichbehandlung geeignet und erforderlich ist, das von ihm verfolgte Ziel zu erreichen. Hier ist eine Abwägung zwischen den vom Gesetzgeber verfolgten wirtschafts- und sozialpolitischen Zielen und dem Recht auf Gleichbehandlung möglich und geboten. Damit ist festzustellen, daß in Fällen der Ungleichbehandlung externer Art der Rückgriff auf das Verhältnismäßigkeitsgebot nicht nur möglich, sondern unumgänglich ist. Diesem Erklärungsansatz läßt sich natürlich entgegenhalten, daß beide Gruppen in der Praxis kaum je strikt getrennt werden können, die Einteilung also nur idealtypisch vorgenommen werden könne67. Dies mindert den Wert dieses Ansatzes jedoch nicht. Er verdeutlicht, warum und damit auch in welchen Fällen Ungleichbehandlungen einer Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zugänglich sind. Wenn in der Praxis kaum Fälle der ausschließlich am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Ungleichbehandlungen ohne jede gestaltende Wirkung vorgefunden werden können68, so belegt dies lediglich, daß in der überwiegenden Zahl der Fälle die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips möglich, ja sogar angezeigt ist, weil nahezu immer (auch) externe Regelungsziele zu berücksichtigen sind. Auch das Bundesverfassungsgericht konnte sich dieser Notwendigkeit nicht verschließen, wie die Betrachtung der jüngsten Rechtsprechung des Gerichts, auf die im Folgenden näher einzugehen ist, zeigt.
b) Vom Willkürverbot zur verhältnismäßigen Gleichheit - Weiterentwicklung der Rechtsprechung Die der „neuen Formel" folgenden Entscheidungen der beiden Senate des Bundesverfassungsgerichts weisen - neben einigen Abweichungen im Detail - die grundsätzliche Tendenz auf, dieselbe weiter auszudifferenzieren, zu vervollständigen und zunehmend das Instrumentarium der Gleichheitsprüfung um Elemente des Prinzips der Verhältnismäßigkeit zu erweitern 69. Nachdem der 1. Senat70 zunächst die Differenzierung zwischen personen- und sachbezogenen Unterscheidungsmerkmalen betonte, präzisierte der 2. Senat71 das „Willkürverbot" dahingehend, daß es entscheidend auf die Eigenart des jeweiligen Sachbereiches ankomme und die zu prüfende Regelung im Blick auf diese sachlich gerechtfertigt sein müsse. Nachdem der 1. Senat seine Rechtsprechung im Hinblick auf das Kriterium der Personenbzw. Sachbezogenheit relativiert hat 72 und in seine Prüfung verstärkt das Merkmal der Sachgerechtigkeit einbezieht, läßt das Gericht nunmehr eine differenzierende 67 68 69 70 71 72
Rüfner, in: Bonner Kommentar, Art. 3 GG Rdnr. 98; Kischel, AöR 124 (1999), 174 (191). Odendahl, JA 2000, 170 (172). Hesse, in: FS Lerche, S. 123. BVerfGE 55, 72 (89); 60, 329 (346). BVerfGE 71, 39 (58); 76, 256 (329); 90, 145 (195). BVerfGE 88, 87 (96); 89, 15 (22).
164
. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art.
Abs. 1 GG
73
Haltung, die zu einer abgestuften Kontrolldichte führt und auch den in der Literatur erhobenen Forderungen nach Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Rahmen der Gleichheitsprüfung Rechnung trägt, erkennen. Seine Ausführungen zur Gleichheitsprüfung leitet das Gericht nun mit folgender Formulierung ein: „...Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz eigeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen...." Diese Abstufung folge, so stellt das Gericht fest, bereits aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 GG sowie aus seinem Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen 74. Je nach Lage des konkreten Einzelfalles gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, daß eine reine Willkürprüfung ausreiche oder eine volle Bindung an die strengen Verhältnismäßigkeitserfordernisse vorliege. Oder es stellt vermittelnd fest, daß der Gesetzgeber einerseits nicht bloß an das Willkürverbot gebunden sei, andererseits er aber auch nicht den strengen Bindungen an Verhältnismäßigkeitserfordernisse unterliege 75. Sodann folgt in den Entscheidungen des Gerichts jeweils ein ganzes Bündel von Kriterien, die zur Bestimmung des konkret anzuwendenden Maßstabes auf der so skizzierten Skala76, die sich in gleitender Linie über die ganze Bandbreite der Prüfungsmaßstäbe, vom bloßen Willkürverbot - dem operationalen Minimalgehalt des allgemeinen Gleichheitssatzes77 - bis hin zur strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung, erstreckt, heranzuziehen sind. Genannt werden 78: - Personen- bzw. Sachbezug der Regelung (relativiert 79) - Nähe zu personenbezogenen Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 GG 80 - Betroffenheit natürlicher oder juristischer Personen - Eigenart des Sachverhaltes - Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter 73
Dieter Hesselberger, in: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar an Hand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Bandì, 7. Aufl., Köln 1993, Stand Juni 1999, Art. 3 GG Rdnr. 67. 74 BVerfG NJW 1999, 1536 (1536). 75 BVerfG NJW 1999, 1535 (1536). 76 Osterloh, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg.v. Michael Sachs, 2.Aufl. 1999, Art.3 GG Rdnr. 26; unklar Kischel, AöR 124 (1999), 174 (190), der von fünf Stufen ausgeht, dann aber doch einenflexiblen Maßstab annimmt. 77 Sachs, JuS 1997,124 (125); a. A. Krugmann, JuS 1998, 7 (11), der den Rückgriff auf das Willkürverbot insoweit für überflüssig hält. 78 Nur auf zwei Kriterien abstellend Hans D. Jarass, Folgerungen aus der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Prüfung von Verstößen gegen Art. 3 Abs. 1 GG, NJW 1997, 2545 (2546). 79 Siehe oben BVerfG NJW 1999, 1535 (1536). 80 BVerfGE 88, 87 (96); Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36 (42).
II. Dogmatische Entwicklung
165
- Prognosemöglichkeit, -Sicherheit und -grenzen - Eingriffsintensität - Nähe zu den Freiheitsgrundrechten - Sozialer Bezug. Damit zeigt sich die Bedeutung der oben dargestellten formalen Kategorisierungsansätze, die jeder für sich allein ungenügend, in ihrer fallbezogenen Kombination aber durchaus ertragbringend erscheinen. Darin scheint sich aber auch sogleich die eigentliche Problematik der neuen Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 1 GG zu offenbaren 81. Reicht dieser „bunte Strauß" diverser Ansatzpunkte zur hinreichend zuverlässigen Bestimmung des individuell anzuwendenden Maßstabes aus? Zu bedenken ist, daß rechtliche Beurteilungen immer (auch) eine wertende Betrachtung erfordern und sich der Erfassung durch mathematisch genaue Regeln verschließen. Die Forderungen nach „einsichtigen, möglichst einheitlichen, gleichmäßig anwendbaren und damit vorhersehbaren Regeln"82 dürfen daher nicht überspannt werden. Dieser Gedanke der zweistufigen Gleichheitsprüfung, das heißt Bestimmung des konkret anzuwendenden Maßstabs und Anwendung dieses gefundenen Maßstabs auf den betroffenen Einzelfall, wird über den Aspekt des Kontrollmaßstabs vom Gericht im Fortgang seiner Prüfung auf die Frage der anzuwendenden Kontrolldichte ausgeweitet. Nach Auffassung des Gerichts sind für die gerichtliche Überprüfung von gesetzgeberischen Prognosen im Hinblick auf das „Recht des Gesetzgebers zum Experiment" 83 - seine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Beurteilung der Ausgangslage und der von der zu treffenden Regelung möglicherweise ausgehenden Wirkungen - differenzierte Maßstäbe heranzuziehen, die von einer bloßen Evidenzkontrolle bis hin zu einer intensiven inhaltlichen Kontrolle reichen. Damit dürften auch eventuelle kompetenzrechtliche Bedenken, das Verhältnis zwischen Legislative und Judikative betreffend 84, ihre Erledigung finden. Insgesamt läßt sich feststellen, daß die beiden Senate des Bundesverfassungsgerichts, die zeitweise ihre Gleichheitsprüfung unterschiedlich akzentuierten, mit dieser flexiblen Handhabung der „neuen Formel" eine gemeinsame - dem Vorschlag Hesses85 nahekommende - Linie der „verhältnismäßigen Gleichheit" (wieder-)gefunden haben. Auffällig ist dabei die (vordergründige) Parallelität zur Entwicklung der Rechtsprechung zu Art. 12 Abs. 1 GG. Dort hat mit der „Stufentheorie" eine strukturierte, dennoch nicht an „abrupten Übergängen" festhaltende, sondern an einer gleitenden Linie orientier81 Osterloh, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg.v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 3 GG Rdnr. 25; Bryde/Kleindiek, Jura 1997, 36 (37); Krugmann, JuS 1998, 7 (8). 82 Hesse, in: FS Lerche, S. 127. 83 Friedhelm Hufen, Berufsfreiheit - Erinnerung an ein Grundrecht, NJW 1994, 2913 (2918). 84 Sachs, JuS 1997, 124 (125); Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36 (44). 85 Hesse, in: FS Lerche, S. 131.
166
. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art.
Abs. 1 GG
86
te Eingriffsprüfung Einzug gehalten . Die neuere Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 1 GG läßt nun eine ähnliche Entwicklung erkennen. In der Literatur wird allerdings kritisch angemerkt, eine neue „Stufentheorie" bei der Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG verspreche keinen Ertrag 87. Diesen Bedenken kann jedoch durch eine flexible Betrachtung, welche die ganze Bandbreite der Skala88 nutzt und das ganze Bündel der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten maßstabsetzenden Kriterien berücksichtigt, Rechnung getragen werden. So problematisch die Maßstabsetzung im Einzelfall auch sein mag, ist doch nicht zu verkennen, daß diese Modifikation sowohl der „neuen Formel" des Bundesverfassungsgerichts wie auch der Gleichheitsprüfung insgesamt in jüngerer Zeit mehr Kontur verliehen hat 89 . Unter Anwendung dieses soeben dargestellten Modells der Gleichheitsprüfung soll nun versucht werden, die Frage nach der Vereinbarkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz Art. 3 Abs. 1 GG zu beantworten.
III. Gleichheitsrelevanz Zu Beginn der Gleichheitsprüfung ist zu fragen, ob und inwiefern die zu überprüfende Norm Gleichheitsrechte tangiert. Die hier zu untersuchende Regelung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG entfaltet in zweifacher Hinsicht Gleichheitsrelevanz. Zum einen wird die Deutsche Post AG im Verhältnis zu ihren Mitbewerbern am Markt der postalischen Dienste privilegiert, da sie auf Grund der gesetzlichen Lizenzzuweisung des §51 PostG den Erfordernissen des Lizenzversagungsgrundes nicht genügen muß. Zum anderen werden die Mitbewerber der Deutsche Post AG im Vergleich zu Unternehmern, die in anderen Branchen tätig sind, benachteiligt. Denn ausschließlich die Lizenz zur Erbringung postalischer Dienste ist an das Erfordernis der Einhaltung gewisser Arbeitsbedingungen geknüpft, während die übrigen Unternehmer lediglich die allgemeinen arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften zu beachten haben.
IV. Vergleichbarkeit der Gruppen In einem nächsten Schritt ist festzustellen, ob und inwiefern die durch die Norm § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG unterschiedlich behandelten Gruppen vergleichbar sind. Denn jedem Vergleich geht die logische Vorbedingung der Vergleichbarkeit der zueinander in Beziehung gesetzten Sachverhalte voraus (Kommensurabilität) 90. 86
Siehe oben F. IV. 1. c) Weiterentwicklung der „Stufentheorie". Osterloh, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 3 GG Rdnr. 29. 88 Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36 (44). 89 Jarass, NJW 1997, 2545. 90 Wendt, NVwZ, 1988, 778 (782). 87
V. Rechtfertigung der Differenzierung
167
Im Hinblick auf die Relation der Deutsche Post AG zu ihren Mitbewerbern ergeben sich keine Schwierigkeiten. Beide sind Anbieter gleichartiger Leistungen zur Befriedigung gleicher Bedürfnisse und stehen dadurch zueinander in einem Wettbewerbsverhältnis. Hinsichtlich der zweiten Relation tritt nun eine der Gleichheitsprüfung typische Problematik hervor: Die sachgerechte Abgrenzung der Vergleichsgruppen. Auch diese hat unter Berücksichtigung der Eigenart des Regelungsgegenstandes zu erfolgen, um zu sachgerechten Ergebnissen zu führen. Die besondere Eigenart des hier betroffenen Regelungsbereiches - freiheitlich organisierte Wirtschaftsordnung, Instabilität des freien Wettbewerbs und die daraus folgenden Lenkungserfordernisse - wurde bereits erörtert. Hier kommt nun die Bildung folgender Vergleichsgruppen in Betracht: a) Anbieter postalischer Leistungen gegenüber Anbietern anderer Transportleistungen, b) Anbieter postalischer Leistungen gegenüber Unternehmern in anderen personalintensiven Branchen 91, c) Anbieter postalischer Leistungen gegenüber allen anderen Unternehmern. Gegenstand des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG ist die Verhinderung eines allein über die Personalkosten geführten Preiswettbewerbes, wie er namentlich in personalkostenintensiven Produktionsbereichen auf Grund des überproportionalen Anteils der Personalkosten am Gesamtaufwand typisch ist. Daher erscheint allein die Wahl der Gruppierung b) sachgemäß.
V. Rechtfertigung der Differenzierung Nach dem oben dargestellten, in der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Modell der Gleichheitsprüfung ist die Überprüfung der Rechtfertigung einer gesetzlichen Ungleichbehandlung unter Anwendung eines individuell festzulegenden Maßstabes vorzunehmen. Dieser kann sich von der reinen Willkürprüfung bis hin zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitsgrundsätze erstrecken. Im Folgenden ist daher zu ermitteln, welcher Maßstab auf den Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG konkret anzuwenden ist. In einem nächsten Schritt ist sodann zu fragen, ob die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG diesem gefundenen Maßstab genügt.
1. Im Verhältnis Deutsche Post AG zu ihren Mitbewerbern Der Maßstab ist auf der vom Willkürverbot bis zur strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung gestreckten Skala unter Berücksichtigung der einzelnen maßstabset91
niger.
Ζ. B. Gastronomie, Tourismus, Einzelhandel, Verlagswesen, Bauhandwerk, Gebäuderei-
168
Ι. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art. 3 Abs. 1 GG
zenden Kriterien zu ermitteln. Das Kriterium des Personen- bzw. Sachbezuges erweist sich auch im vorliegenden Fall als nur wenig hilfreich. Die Regelung stellt auf ein Verhalten der betroffenen Betriebsinhaber in bezug auf Einrichtung und Organisation ihres Betriebes ab. Sie knüpft damit an ein verhaltensbezogenes Element an und wirkt trotz ihres Sachbezuges auf die Person des Betriebsinhabers zurück, da ihm im Falle der Zuwiderhandlung die Lizenzversagung oder der -entzug droht. Berücksichtigt man jedoch die übrigen von der Rechtsprechung genannten maßstabsetzenden Kriterien, so erscheint vorliegend eine Prüfung nicht lediglich nach den Maßstäben des bloßen Willkürverbotes, aber auch nicht die volle Anwendung des strengen Verhältnismäßigkeitsprinzips geboten. Ausreichend ist vielmehr, wenn die differenzierende Regelung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG auf hinreichend sachbezogenen, nach Art und Gewicht vertretbaren Gründen beruht. Denn zum einen findet sich die Norm in einer Materie, die regelmäßig staatlicher Lenkung bedarf und die nur eine begrenzte Prognosemöglichkeit hinsichtlich der Marktentwicklungen erlaubt. Auch erscheint die Intensität der Gleichheitsbeeinträchtigung nicht sehr hoch. Die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG erlaubt eine flexible Handhabung und dynamische Anpassung und ist darüber hinaus in ihrem Anwendungszeitraum aus sich selbst heraus befristet. Die Bedeutung der auf seiten der Konkurrenten betroffenen Rechtsgüter und die sich daraus ergebende Nähe zu den Freiheitsgrundrechten gebietet jedoch auf der anderen Seite eine über die reine Willkürprüfung hinausgehende, am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierte Kontrolle. Fragt man nun, ob der Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG diesem gefundenen Maßstab genügt, so sieht man sich veranlaßt, auf das Regelungsziel der Norm zurückzugreifen. Denn nur unter Berücksichtigung des Regelungsziels ist die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ungleichbehandlung nach Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen möglich. Läßt sich doch die Ungleichbehandlung isoliert betrachtet nicht hinsichtlich ihrer Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit überprüfen. Diese Prüfung bedarf eines Bezugspunktes, der nur in dem Regelungsziel der Norm gefunden werden kann92. Damit nähert sich die Prüfung dem oben dargestellten Ansatz, der auf die Verfolgung „interner" oder „externer" Zwecke abstellt 93 . Denn das hier zugrundezulegende Regelungsziel des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, die Schaffung eines funktionsfähigen und chancengleichen Wettbewerbs, ist als wirtschaftspolitisch motiviertes, externes Ziel im Sinne dieses Ansatzes zu qualifizieren. Der Ungleichbehandlung der Deutsche Post AG und ihrer privaten Mitbewerber steht dieses Ziel, der vom Gesetzgeber intendierte Gestaltungszweck, gegenüber. Somit entsteht ein Rechtsgüterkonflikt zwischen dem Interesse der privaten Konkurrenten der Deutsche Post AG an Gleichbehandlung mit der Deutsche Post AG und dem Ziel der gestaltenden Tätigkeit des 92
Siehe oben I. II. 4. A) Einführung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in die Gleichheitsprü-
fung. 93
Huster, JZ 1994, 541 ff.
V. Rechtfertigung der Differenzierung
169
Gesetzgebers. Diese beiden widerstreitenden Positionen sind nach dem zwischen der Verfolgung „interner" oder „externer" Zwecke differenzierenden Ansatz unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in Einklang zu bringen. In dem vorliegend zu überprüfenden Fall des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG besteht nun die Besonderheit, daß gerade die auf bestimmte Rechtssubjekte begrenzte Freiheitsbeschränkung erforderliche und angemessene Maßnahme zur Erreichung des legitimen gesetzgeberischen Zieles, nämlich der Förderung eines funktionsfähigen Wettbewerbs durch Herstellung von Chancengleichheit im Sinne gleichwertiger Startpositionen94, ist. Hier sind Freiheits- und Gleichheitsbeschränkung so eng miteinander verwoben, daß eine Maßnahme, die geeignet, erforderlich und angemessen ist, den Eingriff in die Berufsfreiheit zu rechtfertigen, auch die Ungleichbehandlung legitimiert. Denn gerade die nivellierende Benachteiligung der Mitbewerber der Deutsche Post AG ermöglicht die Realisierung des angestrebten Ziels - der Herstellung von Chancengleichheit im Sinne von gleichen Startpositionen für die Deutsche Post AG und ihre Konkurrenten. Der Eingriff in die Freiheitsrechte der privaten Mitbewerber der Deutsche Post AG setzt um seiner Sinnhaftigkeit willen die Privilegierung der Deutsche Post AG voraus. Man könnte, dem Vorschlag Sachs* folgend 95, auch formulieren, die differenzierende Regelung entspreche in dieser Relation den Verschiedenheiten ihres Gegenstandes so vollständig, daß sie nicht als tatbestandliche Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG anzusehen ist. Daher ergeben sich bei der Überprüfung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GG am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG im Hinblick auf das Verhältnis zwischen der Deutsche Post AG und ihren privaten Mitbewerbern keine Aspekte, die nicht bereits zuvor die Prüfung der Vereinbarkeit der Norm mit den Freiheitsrechten prägten. Die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist daher in gleichem Sinne zu beantworten wie die oben gestellte und bejahte Frage nach der Vereinbarkeit der Norm mit den Freiheitsgrundrechten. Damit ist abschließend festzustellen, daß die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der mit dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG erfolgenden Ungleichbehandlung an einem über die reine Willkürprüfung hinausgehenden, am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierten Maßstab zu erfolgen hat und daß die Norm diesem Maßstab hinsichtlich der Differenzierung zwischen der Deutsche Post AG und ihren privaten Konkurrenten genügt.
94
Starck, in: Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, hrsg.v. Christian Starck, Bandi, 4. Aufl. 1999, Art. 3 GG Rdnr. 32. 95 Sachs, JuS 1997,124 (129).
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I. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art. 3 Abs. 1 GG
2. Im Verhältnis der Mitbewerber der Deutsche Post AG zu Unternehmern anderer personalintensiver Branchen Der Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG ist aber darüber hinaus auf seine Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG hinsichtlich der Differenzierung zwischen den Konkurrenten der Deutsche Post AG und den anderen Unternehmern personalintensiver Branchen zu überprüfen. In diesem nun zu untersuchenden Verhältnis eröffnet sich eine neue Perspektive: Die Einbeziehung Dritter, die nicht von dem unmittelbaren Anwendungsbereich der Norm, ja nicht einmal von dem des Postgesetzes insgesamt, umfaßt werden. In dieser Relation nun läßt sich zwischen freiheits- und gleichheitsrelevanten Aspekten differenzieren. Den Mitbewerbern der Deutsche Post AG wird zum einen die Einhaltung bestimmter Arbeitsbedingungen vorgegeben und damit ihre berufliche Gestaltungs- und Organisationsfreiheit beschränkt. Zum anderen werden sie im Verhältnis zu Unternehmern anderer Branchen, die solche Beschränkungen nicht kennen, benachteiligt. Diese Benachteiligung ist mit der Freiheitsbeschränkung aber nicht im oben dargestellten Sinne untrennbar verbunden. Denn denkbar wäre die Erstreckung der Reglementierung entsprechend dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG auf alle Unternehmer jedweder Branche. Die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG ist jedoch nach § 5 PostG auf den lizenzierten Bereich, das heißt den Postmarkt, beschränkt. Es stellt sich somit die Frage nach der Rechtfertigung dieser Benachteiligung der Mitbewerber der Deutsche Post AG im Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG. Die Vergleichbarkeit der Gruppen, private Konkurrenten der Deutsche Post AG einerseits und Unternehmer anderer personalintensiver Branchen andererseits, wurde bereits festgestellt. Ein zulässiges Unterscheidungsmerkmal ist in dieser Relation die Feststellung, daß die Konkurrenten der Deutsche Post AG ihre Tätigkeit im Bereich eines neuen, noch instabilen Marktes ausüben, während die übrigen Unternehmer im Rahmen etablierter Märkte, mit gefestigten - wenn auch dynamisch-variablen - Strukturen agieren. Im Hinblick auf den anzuwendenden Prüfungsmaßstab erscheint die Lage jedoch unverändert. Die Regelungsmaterie weist die gleiche Eigenart auf, die Prognosemöglichkeiten sind gleich vage und die Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter wie auch die Nähe zu den Freiheitsrechten sind unvermindert. Auch ist eine externe Zwecksetzung, das heißt das gesetzgeberische Gestaltungsziel, beschäftigungspolitisch motivierte Wettbewerbsverzerrungen auf dem Postmarkt zu verhindern, zu erkennen96. Es erscheint somit gleichermaßen eine über die bloße Willkürprüfung hinausgehende, jedoch gegenüber der strengen Bindung an das Verhältnismäßigkeitsprinzip gemäßigte Prüfung geboten. 96 Insoweit zieht auch Sachs die Kriterien des Verhältnismäßigkeitsprinzips heran, JuS 1997, 124 (129).
V. Rechtfertigung der Differenzierung
171
Die gesetzgeberische Zielsetzung ist legitim. Die Geeignetheit der Maßnahme ist auch im Verhältnis zu den bislang unberücksichtigten Dritten zu bejahen. Denn die Regelung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG führt hinsichtlich der „üblichen Arbeitsbedingungen" zu einer Abkopplung des Teilmarktes der postalischen Dienste vom übrigen Marktgeschehen und ermöglicht somit eine den spezifisch postumwandlungsbedingten Problemen angepaßte und moderate Entwicklung der Marktstrukturen. Die neu hinzugetretene Dimension der Unternehmer anderer personalintensiver Branchen gewinnt jedoch Bedeutung im Rahmen der Frage nach der Erforderlichkeit der Maßnahme. Wie oben bereits angedeutet, wäre die Ungleichbehandlung der privaten Mitbewerber der Deutsche Post AG durch Einbeziehung aller personalintensiven Branchen in die Beschränkung auf die jeweils üblichen Arbeitsbedingungen zu eliminieren. Es stellt sich aber die Frage, ob diese Erstreckung auf den Bereich aller personalintensiven Unternehmen als milderes Mittel angesehen werden könnte. Auf den ersten Blick drängt sich die zusätzliche Freiheitsbeschränkung der dann erstmals betroffenen Unternehmer auf. Mit Blick auf die Mitbewerber der Deutsche Post AG läßt sich jedoch feststellen, daß diese dann keiner Ungleichbehandlung mehr ausgesetzt wären. Die wohl eher theoretische Frage, ob darin nun ein milderes Mittel zu sehen wäre und die weitere Frage, ob sich bei intensiver Suche eine andere, die Grundrechtsträger weniger belastende Alternative zu § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG finden ließe, bedarf jedoch keiner Beantwortung. Denn hier zeigt sich die von den Freiheitsgarantien ausgehende mäßigende Wirkung. Sie drängt den Gesetzgeber zu verhältnismäßigen Differenzierungen und insbesondere im Rahmen der Anwendung des Maßstabs der Erforderlichkeit zu individualisierenden Regelungen97. Im vorliegenden Fall läßt sich feststellen, daß eine solche Ausdehnung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG oder einer entsprechenden Regelung auf alle Unternehmer personalintensiver Branchen für die nicht auf dem Markt der postalischen Leistungen Tätigen unzumutbar wäre. Das entscheidende Argument, sowohl hinsichtlich der Unzumutbarkeit gegenüber den am Privatisierungsprozeß des Postmarktes nicht beteiligten Unternehmern anderer personalintensiver Branchen als auch bezüglich der Angemessenheit gegenüber den Mitbewerbern der Deutsche Post AG, ist der Hinweis auf die mit der Monopolauflösung verbundenen wirtschaftlichen Vorteile und Gewinnchancen. Die Chance, sich in einem neuen Markt zu betätigen, die Möglichkeiten der Marktöffnung aktiv zu nutzen, am Aufbau neuer Strukturen mitzuwirken und die Erst-Verteilung der Marktanteile mitzubestimmen, wiegt die Nachteile der (vorübergehenden) Beschränkung auf. Letztendlich kommt gerade auch den Mitbewerbern der Deutsche Post AG der Aufbau eines funktionsfähigen und chancengleichen Wettbewerbes zugute. Sie werden nach Wegfall der Restbeschränkung durch § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, der im Sinne der „Selbsterledigungstendenz" der Norm vorprogrammiert ist, in den vollen Genuß eines freiheitlich organisierten Marktes 97
Wie auch P. Kirchhof betont, ohne daraus den Schluß auf die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips für die Gleichheitsprüfung zu ziehen, in: FS Lerche, S. 146; ebenso ders., in: HdbStR Band III, § 124 Rdnr. 89.
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. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG und Art.
Abs. 1 GG
kommen. Den übrigen Unternehmern anderer personalintensiver Branchen bringt die Monopolbeseitigung hingegen keinen über den allgemeinen Nutzen hinausgehenden Vorteil. Sie erhalten keine zusätzlichen wirtschaftlichen Chancen bezüglich der Erschließung weiterer Marktsequmente und neuer Einnahmequellen. Beschränkungen ihrer Freiheitsrechte im Interesse der Gleichbehandlung mit den Konkurrenten der Deutsche Post AG sind ihnen deshalb nicht zumutbar. Damit läßt sich feststellen, daß Art und Ausmaß der Benachteiligung der Mitbewerber der Deutsche Post AG in unmittelbarer Beziehung zu den zwischen den Vergleichsgruppen bestehenden Unterschieden steht. Diese Verschiedenheiten, Betätigung in einem neuen Marktsegment einerseits und Agieren im Rahmen gefestigter Marktstrukturen andererseits, korrelieren mit Sinn und Zweck der Regelung des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, nämlich der Sicherung des Aufbaus stabiler Wettbewerbsstrukturen des Postmarktes, so daß ein sachlich innerer Zusammenhang zwischen beiden vorliegt. Die Regelung erscheint daher auch im Verhältnis der privaten Mitbewerber der Deutsche Post AG zu anderen Unternehmern personalintensiver Branchen verhältnismäßig im Sinne verhältnismäßiger Gleichheit. Damit läßt sich abschließend feststellen, daß der Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in jeder Hinsicht vereinbar ist.
Zusammenfassung und Schlußbemerkung 1. Die Betrachtung hat ergeben, daß dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG entgegen dem ersten Anschein nicht sozialpolitisch, sondern wettbewerbsregulatorisch motivierte Ziele des Gesetzgebers zugrunde liegen. Die Untersuchung der Gesetzesmaterialien belegt, daß die Norm zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen basierend auf der besonderen monopolgeprägten Personal(kosten)struktur des Unternehmens Deutsche Post AG geschaffen wurde. 2. Der Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, so ist weiter festzuhalten, stellt ein Präventivverbot mit Erlaubnisvorbehalt in der Form einer gemischten Betriebsgenehmigung dar. 3. Es hat sich gezeigt, daß die Vorschrift zwar an ein Verhalten der potentiellen Lizenznehmer anknüpft, aber dennoch als subjektive Berufszulassungsregelung im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner Rechtsprechung zum Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG geprägten „Stufentheorie" zu qualifizieren ist. 4. Die Untersuchung hat bewiesen, daß der Lizenzversagungsgrund des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG mit Rücksicht auf die der Freiheitsbeschränkung zugrunde liegenden Ziele des Gesetzgebers mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) vereinbar ist. 5. Die Überprüfung der Norm hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG hat ebenfalls ergeben, daß eine Freiheitsverletzung nicht vorliegt. 6. Vor dem Hintergrund des mit dem Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG verfolgten gesetzgeberischen Regelungsziels erscheint auch eine hinreichende Konkretisierung der in der Vorschrift enthaltenen unbestimmten Tatbestandsmerkmale möglich. Die Regelung ist deshalb als mit dem Bestimmtheitsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbar anzusehen. 7. Die Betrachtung hat auch gezeigt, daß § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) beinhaltet. Weder die Ungleichbehandlung der Mitbewerber der Deutsche Post AG im Verhältnis zu dem Unternehmen Deutsche Post AG noch die Ungleichbehandlung der Mitbewerber im Vergleich mit anderen Unternehmern personalintensiver Branchen verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG. In beiden Relationen ist die Differenzierung des Gesetzgebers durch sachgerechte Regelungsziele gerechtfertigt. 12 Jochum
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Zusammenfassung und Schlußbemerkung
Damit hat die vorliegende Untersuchung die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Lizenzversagungsgrund § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG ausgeräumt. Darüber hinaus hat die Prüfung der Norm eine gewisse Parallelität zwischen der vom Bundesverfassungsgericht bezüglich Art. 12 Abs. 1 GG geprägten „Stufentheorie" und seiner neueren, die „neue Formel" erweiternden Rechtsprechung zur Gleichheitsprüfung offenbart 1. Beide Prüfungsansätze sind gekennzeichnet durch eine „gleitende Linie" steigender Prüfungsintensität, deren konkrete, im jeweiligen Einzelfall individuell zu bestimmende Ausgestaltung maßgeblich vom Kriterium der „Sachgerechtigkeit", des spezifischen Bezuges zur Eigenart des Regelungsgegenstandes2, beeinflußt wird. Es hat sich auch gezeigt, daß Gleichmaß und Übermaß keineswegs grundlegend verschieden, von geradezu „gegenläufigen Inhalten"3 geprägt sind. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist zumindest in vielen Fällen der Ungleichbehandlung heranzuziehen. Strukturelle Unterschiede zwischen Freiheitsund Gleichheitsrechten stehen nicht entgegen, da trotz aller Unterschiede Gleichmaß und Übermaß eine gemeinsame Wurzel und damit ein originärer Zusammenhang4 - der Proportionalitätsgedanke 5 - eigen ist und in aller Regel jeder Ungleichbehandlung eine „externe" Zwecksetzung zugrunde liegt, die eine Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gebietet.
1
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arverzeichnis Abgabenstaat 31 Allgemeinwohlbedürfnisse 33 Anpassungssubvention 97 Apotheken-Urteil 58 Äquivalenzprinzip 31 Arbeitszeitgestaltung 20, 57 Arbeitszeitmodelle 22,140 Aufgabenprivatisierung 36, 94 Ausgleichssystem 92 Ausgleichszahlungsmodell 97 Ausgleichszahlungssystem 83 Ausnahmebewilligung 48 Ausschließliche Rechte 41 Außenrechtsbeziehung 27, 29 Bandbreite 166 Beamtenzuweisungsmodell 94 Beförderungs- und Kommunikationswege 108 Beförderungsvorbehalt 39 Beihilfebegriff 125 Berufsausübung 59 Berufsausübungsregelung 62, 87 Berufsfreiheitsgarantie 9, 54 Berufswahl 59 Berufszulassungsvoraussetzungen 59 Bestimmtheitsgrundsatz 136 Bestimmtheitsprinzip 54 Betriebsgenehmigung 51 Daseinsvorsorge 30, 34, 35, 132 Deregulierung 32,38,110 Dispens 48 Dreistufentheorie 58 EG-Vertrag 120 Einschätzungsprärogative 81, 165 Eisenbahnverkehrsleistungen 93 Empirische Ermittlung 148 Entgeltregulierung 76
Entstaatlichung 23 Ermessensspielraum 65 Errichtungsgenehmigung 51 Erwerbswirtschaftliche Zielsetzungen 30 EU-Grünbuch 109 Europäische Kommission 98,116 Europäische Union 38 Europarechtliche Wettbewerbsregeln 116 Evidenzkontrolle 165 Existenzgrundlage 111 Exklusivlizenz 17, 54, 107, 121 Formelle Privatisierung 35 Frachtpost 19 Funktionale Privatisierung 36 Garantenstellung 111 Gefahrenabwehr 48 Gemeinschaftsgüter 65 Gemeinwohlverpflichtung 31 Gemischte Genehmigung 52 Genehmigungsgegenstand 49 Genehmigungspflicht 48 Generalisierung 157 Gesamtarbeitszeit 145 Geschäftsfelder 19 Gewinnchancen 112 Gleichheitssatz 17, 54, 150 Grundrechtsfähigkeit 111 Grundrechtsträgerschaft 25 Grundrechtstypische Gefährdungslage 28 Grundversorgung 79 Güter- und Interessenabwägung 100 Hoheitsverwaltung 30 Informations- und Dienstleistungsgesellschaft 108 Infrastrukturgewährleistung 35, 36 Infrastrukturverantwortung 108
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arverzeichnis
Kartellbehörden 138 Kartellrecht 33 Kartellverbot 32 Kompetenzeinräumung 27 Konkurrenten 168 Konkurrenzausschluß 33 Konkurrenzschutz 124 Kontrolldichte 164 Kontrollerlaubnis 48 Kostenfaktor 57 Kostenreduzierung 144 Kreditinstitute 86 Legitimations waage 101 Legitime Regelungsziele 66 Leistungsfähigkeit 62 Leistungsfähigkeitsprinzip 161 LeistungsWilligkeit 61 Liberalisierung 17, 20,21, 33, 38,57, 88,
110 Marktwirtschaft 24, 42, 103 Maßstabsetzung 166 Materielle Privatisierung 35 Mehrwertlogistik 19 Mitteleinbuße 126 Monopole 32, 33, 34, 38,106 Nebenbestimmung 64 öffentliche Aufgaben 30 Öffentliche und monopolartige Unternehmen 118 Öffentliche Wirtschaftstätigkeit 23 Oligopol 32 Pauschalierung 157 Pensionsverpflichtungen 21, 70, 115 Personalbestand 22, 70, 84, 93, 110 Personalgenehmigung 52 Personalintensität 22,71 Personalkosten 21, 57, 69, 81, 141 Personalkosteneinsparung 99 Personalkostenstruktur 20, 22 Personalpolitik 20,22 Postfilialnetz 19 Postneuordnungsgesetz 40 Postreform I 39
Postreform II 40 Postumwandlungsgesetz 40 Präventivverbot mit Erlaubnisvorbehalt 49 Privatautonomie 30 Private Wirtschaftstätigkeit 23 Privatisierungsmodelle 35, 40 Privatisierungsmotive 35, 37 Produktgenehmigung 51 Produktivitätsoptimierung 30 Rechtsgüterkonflikt 161 Rechtsstaatsprinzip 54,136 Regulierungsbefugnisse 36 Regulierungsbehörde 17,43,45 Regulierungsziele 45 Remailing 109 Sachbezogenheit und Sachgerechtigkeit 58 Sachgenehmigung 52 S achgerechtigkeit 101 Schutzgutspezifische Bezug 104 Selbstheilung 114 Selbststeuerungskräfte 104 Sozialdumping 46 Soziale Standards 42, 66, 111 Sozialpolitik 66 Sozialversicherungspflicht 45, 99,141 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse 42 Staatsbeteiligung 30 Staatspost 39 Strukturunterschiede 161 Subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen 61 Subsidiarität 34 Subsidiarität staatlicher Betätigung 31 Subventionszweck 96 Tarifautonomie 54, 134 Tarifparteien 22, 140 Teilzeitbeschäftigte 145 Telekommunikation 84 Umwandlungsprozeß 69 Universaldienstverpflichtung 122 Unternehmensumfeld 18
Sachwortverzeichnis
187
Verhältnismäßigkeitsprinzip 158 Verkehrs- und Kommunikationswege 34 Vermittlungsausschuß 75 Vermögensprivatisierung 36 Versagungsgründe 48 Verteilungslenkung 48 Verwaltungshelfer 36 Verwaltungsmonopole 33, 34,106 Vollzeitbeschäftigte 145
Wettbewerbsaufsicht 103 Wettbewerbsfähigkeit 20, 22, 38, 90,131 Wettbewerbsregulierung 67 Wettbewerbsverhältnis 167 Wettbewerbsverzerrungen 45,46 Wirkungsmechanismus 114 Wirtschaftsordnung 23 Wirtschaftspolitik 25, 34,66
Wettbewerb 30,41, 70,72,78,102,110, 112
Zukunftsorientierung 85 Zwangswirtschaft 24