Zur Benennung des Schafes in den Romanischen Sprachen: Ein Beitrag zur Frage der provinziellen Differenzierung des spätern Lateins [Einzelausgabe. Reprint 2021 ed.] 9783112522103, 9783112522097


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German Pages 42 [46] Year 1919

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Zur Benennung des Schafes in den Romanischen Sprachen: Ein Beitrag zur Frage der provinziellen Differenzierung des spätern Lateins [Einzelausgabe. Reprint 2021 ed.]
 9783112522103, 9783112522097

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EINZELAUSGABE

ZUR BENENNUNG DES SCHAFES IN DEN ROMANISCHEN SPRACHEN EIN BEITRAG ZUR FRAGE DER PROVINZIELLEN DIFFERENZIERUNG DES SPÄTERN LATEINS

VON

DR. W. VON WARTBURG IN ZÜRICH

AUS DEN ABHANDLUNGEN DEiv KÖNIGL. PREUSS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN JAHRGANG 1918. PHIL.-HIST. KLASSE. Nb. 10

MIT 2 TAFELN

BERLIN 1918 VERLAG DER KÖNIGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN KOMMISSION BEI GEORG REIMER

Vorgelegt von Hrn. DIELS in der Gesamtsitzung vom 30. Mai 1918. Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 30. September 1918.

I n vorliegender Arbeit möchte ich nicht nur die romanische Geschichte der im Titel genannten Begriffsgruppe behandeln, sondern ich möchte auch an einem bestimmten Fall die Frage untersuchen, w i e w e i t d i e r o m a n i s c h e n S p r a c h e n bei der F r a g e der G e s c h i c h t e und der g e o g r a p h i s c h e n V e r t e i l u n g des l a t e i n i s c h e n W o r t s c h a t z e s A u f k l ä r u n g s c h a f f e n können. Die sooft ventilierte Frage nach der Spaltung des Lateins in verschiedene provinzielle Idiome, der Größe der Unterschiede wird erst dann einer Lösung entgegengeführt werden können, wenn recht viele W o r t und B e g r i f f s s i p p e n eine erschöpfende historisch-geographische Darstellung erfahren haben und wenn auch die m o r p h o l o g i s c h e n P r o b l e m e einer eingehenden lateinisch-interromanischen Untersuchung gewürdigt worden sind. In dieser Beziehung scheint mir GAMILLSCHEG in seinen Tempusstudien einen äußerst glücklichen Anfang gemacht zu haben 1 . Die Hauptschwierigkeit besteht darin, die wirkliche Bedeutung der Wörter in den Texten genau festzustellen, die Sprache der Urkunden und Schriftsteller der spätem Latinität bis zum Tage, wo die romanischen Sprachen selbst anfangen, sich direkt in der Schrift, zu offenbaren, also bis etwa zum 1 1 . Jahrhundert, genau zu beurteilen und darin das provinzielle Idiom vom Einfluß der klassischen Vorbilder und der Einflüsse neuentstandener Lebenszentren zu scheiden. Jeder Latinist und jeder Romanist weiß, welche Irrwege hierin die Forschung schon gegangen ist. Ich erinnere nur an das Schulbeispiel der P e r e g r i n a t i o S i l v i a e , deren Lokalisierung Gegenstand so vieler Kontroversen geworden ist, und über die wir h'eute von einem endgültigen 1 Umgekehrt kann nicht genug betont werden, daß Theorien, wie diejenigen BARTOLIS, in der Luft schweben, solange nicht alle Einzelfragen hinlänglich erforscht sind. Eine Zusammenfassung des Wissens unter umfassendere Gesichtspunkte ist natürlich in jeder Wissenschaft notwendig, aber sie darf nicht auf eine Simplifizierung hinauslaufen, die den Tatsachen Gewalt antut, noch sich auf eine eng beschränkte Auswahl des Materials beschränken.

1*

4

W . VON W a R T B U K G

Urteil noch weit entfernt sind. Wie vorsichtig man sein muß in der Verbindung gewisser lateinischer Erscheinungen mit bestimmt lokalisierten romanischen Erscheinungen, das lehrt die Betrachtung irgendeines Schriftstellers 1 , dessen Herkunft wir genau kennen. Neben einigem, das dem in der betreffenden Provinz erwachsenen romanischen Dialekt entspricht, findet sich anderes, das an weitentfernten Punkten 'der Romania seine Fortsetzung zu finden scheint und sehr vieles, das, obschon unklassisch, doch untergegangen ist und also nur eine ephemere Existenz gefristet hat.

Der Strom

der Reichssprache wurde eben erst mit dem Untergang des Reiches selbst unterbrochen (vgl. meine Ausführungen RDR 3, 408 ff., 4,18f.).

Besonders

waren es Berufssprachen, wie die der Mediziner, des Heeres, der christlichen Missionare usw., die gewisse Ausdrücke in alle Teile des Reiches tragen konnten. Es erhebt sich daher die prinzipielle Frage: inwiefern dürfen l a t e i nische

Vorgänge

als Z e u g e n für r o m a n i s c h e

angerufen werden und umgekehrt. Vorsicht am Platze zu sein.

Sprachgeschichte

Nach dem Vorstehenden scheint größte

Und so halte ich denn dafür, daß nur, wenn

ein einwandfrei lokalisierter' lat. Text eine Eigentümlichkeit enthält, die sich im romanischen Dialekt der gleichen Gegend erhalten hat, die beiden unter sich in Verbindung gesetzt werden dürfen.

Halten wir uns vorläufig

nicht streng an diesen Grundsatz, so laufen wir immer Gefahr, uns in einem circulus vitiosus zu bewegen: wir lokalisieren auf Grund einer romanischen Erscheinung einen die gleiche Erscheinung bergenden "oder vorbereitenden Text und schließen dann wiederum von dem lateinischen Text auf das Alter der romanischen Erscheinung.

Damit ist natürlich durchaus nicht ausge-

schlossen, daß es uns später gelingt, gewisse lateinische Texte nach strengster Kritik doch zu lokalisieren und sie für die lateinisch-romanische Sprachgeschichte dementsprechend zu nutzen. 1. Sehr einfach, .eindeutig und konstant waren die Namen, die der Römer für die einzelnen Tiere seiner Schafherde besaß.

Ähnlich wie der

heutige Abruzzenhirt unterschied schon der mit der Aufsicht über das Kleinvieh beauftragte Knecht des lateinischen Kolonen zwischen dem Muttertier: OVIS, dem kastrierten Bock: V E R V E X , dem zur Fortpflanzung verwendeten Widder: ARIES und dem jungen Tier, dem Lamm: AGNUS, -A. Neben 1

Ich gedenke, dies nächstens an M a r c e l l u s E m p i i - i c u s zu zeigen.

Zur Benennung des Schafes in den romanischen Sprachen.

5

diesem letztern tritt schon im Lateinischen dessen Diminutiv AGNELLUS, -A auf.

Die übrigen Benennungen bleiben durch die ganze Latinität bestehen.

2. Äußerst bunt stellen sich nun diesen l a t e i n i s c h e n V e r h ä l t n i s s e n die r o m a n i s c h e n gegenüber, auch wenn wir von den zahlreichen lokalen Einzeltypen vorläufig im Interesse der Klarheit absehen: Einzig R u m ä n i e n ist der Tradition: OVIS, ARIES, V E R V E X treu geblieben. Alle andern Gebiete haben mehr oder weniger starke Verschiebungen teils innerhalb des von Rom übernommenen Wortschatzes, teils durch Bewahrung von Ausdrücken der vorrömischen Sprachen, teils endlich durch Neubildung eintreten lassen. Wie die beigelegte Karte für das w e i b l . S c h a f zeigt, hat sich I t a l i e n aus dem lat. plur. PECORA einen neuen Terminus geschaffen, N o r d f r a n k r e i c h V E R V E X in seiner Bedeutung verändert. Der Rest von Frankreich erscheint geteilt: der S ü d w e s t e n hat OVICULA, der S ü d o s t e n F E T A . An den ersteren schließt sich die P y r e n ä e n h a l b i n s e l , an den letzteren das o b e r i t a l i e n i s c h e A l p e n g e b i e t an in einem Strich, der sich bis zur Adria hinüberzieht. Doch werden wir noch sehen, daß diese Verteilung nicht etwa durchweg das Resultat der Geschichte der letzten Jahrhunderte des Vulgärlateins sind, sondern zum großen Teil erst im Mittelalter sich vollzogen hat. Die Karte W i d d e r zeigt uns das lat. ARIES noch an recht weit auseinanderliegenden Punkten, besonders stark in S ü d f r a n k r e i c h , daneben aber von A l b a n i e n über O b e r i t a l i e n , fast ganz F r a n k r e i c h und einen Teil von S p a n i e n in oft unterbrochenem, aber doch meist zusammenhängendem Gebiet einen Stamm BARR-, BERR-, MARR-. Im übrigen finden wir nur sekundäre Neubildungen und Entlehnungen. Die Karte H a m m e l endlich weicht von der lat. Tradition am weitesten ab. Das fast ganz F r a n k r e i c h , einen großen Teil von I t a l i e n und K a t a l o n i e n bedeckende kelt. *MULTO hat bloß sekundäre'Typen neben sich. 3. Unsere Aufgabe ist es, zwischen der lateinischen Einfachheit OVIS, ARIES, V E R V E X und der romanischen Mannigfaltigkeit die h i s t o r i s c h e V e r b i n d u n g herzustellen. Es ist klar, daß uns das nicht überall gelingen wird. Man denke nur, wie schlecht wir z. B. in lexikalischer Beziehung über die spanischen Dialekte unterrichtet sind 1 . Doch hoffe ich 1

Die Lückenhaftigkeit dieser Informationen ist auch

näenhalbinsel uns so wenig lokale Worttypen bietet.

schuld daran,

daß die Pyre-

6

W . v o n Wa r t b u r g :

wenigstens einige der sich stellenden Probleme lösen zu können. Erschwert wird ihre Darstellung durch die wechselseitigen Beziehungen, die zwischen den drei Gruppen: Mutterschaf, Widder, Hammel bestehen. Das Wichtigste von den dreien ist zweifellos der Hammel, der sowohl des Fleisches als der Wolle wegen gezüchtet, das Gros der Herden ausmacht. Ihm folgt das Mutterschaf, das, zwar weniger zahlreich, doch auch in der kleinsten Herde nicht fehlen darf. Endlich der Widder, der zu Fortpflanzungszwecken gehalten wird und viel seltener ist, da ein männliches Tier zur Befruchtung von etwa 50 Muttertieren genügt 1 . Während jeder Landbewohner in die Lage kommt, Mutterschafe und Hammel zu sehen und unterscheiden zu müssen, kann es jahrelang gehen, bis er einen Schafbock erblickt. Dieser spielt eigentlich bloß im Leben und in der Arbeit der Hirten eine gewisse Rolle. Seine Bezeichnung wird -daher in weit geringerem Maße dem allgemeinen Wortschatz angehören als die des Hammels und des Mutterschafs. Ein genereller Ausdruck für »Schaf« ist kaum zu erwarten, da Hirten und Bauern lieber gleich den präzisen Terminus anwenden. Im Bedarfsfalle wird man sich des einen der beiden häufigsten Ausdrücke bedienen (Hammel oder Muttertier). W i r werden allerdings einen interessanten Fall kennen lernen, wo sprachgeschichtliche.Gründe zur Schaffung eines allgemeinen Terminus geführt haben; doch ist derselbe recht bald wieder verschwunden. 4. Von den drei lateinischen Wörtern gelangte OVIS mit dem beginnenden Z e r f a l l d e s F o r m e n s y s t e m s in eine mißliche Lage. Es näherte sich in seinem lautlichen Habitus immer mehr OVUM und dessen Plural OVA 2 . W o die Endungen lebendig genug blieben, da konnte es als Plural der einen dieser Formen aufgefaßt werden. Dieser Umstand, in Verbindung mit seinem lautlichen Zusammenschrumpfen schwächten die Position von OVIS immer mehr, und es mußte dem ersten leidlichen Ersatzwort weichen, das sich bot. Um ein solches war das ausgehende Latein nicht verlegen. Außer dem Diminutiv OVICULA verfügte es über die Ausdrücke PECUS und F E T A . Vgl. zu diesen Fragen auch die Ausführungen von E. T A P P O L E T , Arch. 131, 122—124. Auch D A U Z A T , RPhF. 28, 179 erblickt hierin den Grund für den Schwund von OVIS. Meine Studie war geschrieben, lange bevor D A U Z A T S Aufsatz "erschien. Ihre Publikation wurde durch den Krieg und meine Inanspruchnahme in der Grenzbesetzung verzögert. 1

2

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W . v o n Wa r t b u r g :

wenigstens einige der sich stellenden Probleme lösen zu können. Erschwert wird ihre Darstellung durch die wechselseitigen Beziehungen, die zwischen den drei Gruppen: Mutterschaf, Widder, Hammel bestehen. Das Wichtigste von den dreien ist zweifellos der Hammel, der sowohl des Fleisches als der Wolle wegen gezüchtet, das Gros der Herden ausmacht. Ihm folgt das Mutterschaf, das, zwar weniger zahlreich, doch auch in der kleinsten Herde nicht fehlen darf. Endlich der Widder, der zu Fortpflanzungszwecken gehalten wird und viel seltener ist, da ein männliches Tier zur Befruchtung von etwa 50 Muttertieren genügt 1 . Während jeder Landbewohner in die Lage kommt, Mutterschafe und Hammel zu sehen und unterscheiden zu müssen, kann es jahrelang gehen, bis er einen Schafbock erblickt. Dieser spielt eigentlich bloß im Leben und in der Arbeit der Hirten eine gewisse Rolle. Seine Bezeichnung wird -daher in weit geringerem Maße dem allgemeinen Wortschatz angehören als die des Hammels und des Mutterschafs. Ein genereller Ausdruck für »Schaf« ist kaum zu erwarten, da Hirten und Bauern lieber gleich den präzisen Terminus anwenden. Im Bedarfsfalle wird man sich des einen der beiden häufigsten Ausdrücke bedienen (Hammel oder Muttertier). W i r werden allerdings einen interessanten Fall kennen lernen, wo sprachgeschichtliche.Gründe zur Schaffung eines allgemeinen Terminus geführt haben; doch ist derselbe recht bald wieder verschwunden. 4. Von den drei lateinischen Wörtern gelangte OVIS mit dem beginnenden Z e r f a l l d e s F o r m e n s y s t e m s in eine mißliche Lage. Es näherte sich in seinem lautlichen Habitus immer mehr OVUM und dessen Plural OVA 2 . W o die Endungen lebendig genug blieben, da konnte es als Plural der einen dieser Formen aufgefaßt werden. Dieser Umstand, in Verbindung mit seinem lautlichen Zusammenschrumpfen schwächten die Position von OVIS immer mehr, und es mußte dem ersten leidlichen Ersatzwort weichen, das sich bot. Um ein solches war das ausgehende Latein nicht verlegen. Außer dem Diminutiv OVICULA verfügte es über die Ausdrücke PECUS und F E T A . Vgl. zu diesen Fragen auch die Ausführungen von E. T A P P O L E T , Arch. 131, 122—124. Auch D A U Z A T , RPhF. 28, 179 erblickt hierin den Grund für den Schwund von OVIS. Meine Studie war geschrieben, lange bevor D A U Z A T S Aufsatz "erschien. Ihre Publikation wurde durch den Krieg und meine Inanspruchnahme in der Grenzbesetzung verzögert. 1

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Zur Benennung des Schafes in den romanischen Sprachen.

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5. Das Diminutiv OYICULA konnte im Latein schon früh gebildet werden, da -ICULUS, -A ein altes Suffix ist. So trug Q. Fabius Maximus wegen seiner Milde und Sanftheit den Übernamen Ovicula. Dagegen ist das Wort erst in der späteren Kaiserzeit aus einem okkasionell gebildeten zu einem Gebrauchswort ohne Diminutivbedeutung geworden. Und zwar stammen sämtliche Belege aus afrikanischen (besonders christlichen), spanischen und südostgallischen 1 Schriftstellern. Vgl. die Belege bei F O R C E L L I N I , ferner R Ö N S C H , Itala 9 5 ; R Ö N S C H , Semasiol. Beitr. 1, 7 6 ; G O E L Z E R , Latinité de St. Jérôme 124; ALL. 8, 474. Es besteht also genaue Übereinstimmung (1er lateinischen Verbreitung des Wortes mit seiner romanischen (s. unten § 20). Einzig das afrikanische Gebiet ist verlorengegangen. Es ist aber keineswegs verwunderlich, daß das spanische und afrikanische Latein hier zusammentreffen. Finden sich doch auch sonst eine ganze Anzahl von näheren Beziehungen, worauf schon P H . T H I E L M A N N , ALL. 8 , 2 4 5 aufmerksam macht, und vor ihm SCHUCHARDT, Vokalismus 2 , 2 7 9 Anm. Hinzuzufügen wäre noch, daß beide eine gewisse Vorliebe für das Suffix -ICULUS gehabt zu haben scheinen (vgl.für das afrik. nepticulaj rusticulusversiculus usw., ALL. 8, 168). Auch lexikologische Verwandtschaft ließe sich vielleicht in einzelnen Fällen nachweisen. So ist SUBSANNARE, die Grundform des n u r span. sosanar, nur bei afrikanischen Schriftstellern belegt 2 . 6. PECUS bedeutet ursprünglich die gesamte Viehhabe eines Bauern, das Vieh im allgemeinen, dann speziell das Kleinvieh. Aber schon im klassischen Latein wird es auch auf die Schafe spezialisiert, bezeichjiet jedoch immer die Gesamtheit der Schafe, die ganze Herde wie das einzelne 1

Die Diskussion des hier in Frage stellenden Belegs bei Marcellus Empiricus s. unten § 23. 2 KÜBLER vermeint ALL 7, 593—5 einen weiteren Beweis für afrikanisch-spanische Verwandtschaftsbeziehungen in der Form MASCEL zu entdecken, die sich für MASCULUS auf einer Inschrift aus Afrika sowie auf einer andern aus Italica am Baetis (Südspanien) findet. Doch kommt in dieser Form nur die_ Synkope zum Ausdruck, die ja nicht auf diese Gebiete beschränkt ist. — Nicht klar ist mir, was W. MEYER-LÜBKE meint, wenn er Lbl. 37,16 das Vorkommen von SOCRO im afrikanischen Latein als Beweis einer besonderen afrikanisch-spanischen Verwandtschaft in Anspruch nimmt. Führt er selber doch REW 8054 eine Reihe unteritalienischer Formen an, die auf SOCRUS, nicht SOCER zurückgehen und die sich nach TAPPOLET, Verwandtschaftsnamen 53 leicht vermehren ließen. Daß diese unteritalienischen Formen keineswegs jüngerer, etwa spanischer Import sind, beweisen Formen wie socra auf eine Inschrift aus Ostia (ALL 7, 585), socrus im Codex Cavensis(SEPOLCRI, StudiMedievali 2,423), socro in altneapolitanischen Urkunden (Rom. 35, 230).

8

W.

VON

WAE(TBÜ8G!

Tier. Folgende aus F O R C E L L I N I entnommene Stellen zeigen, wie alle diese Bedeutungen nebeneinander Raum finden: pecori est idern delectus equino (Virgil, Georg. 3 , 7 2 ; p e c u s = Vieh im allgem.), quosque greg'es pecorum qude securn armenta trahebat (Ovid, Met. 1 1 , 2 7 6 ; pecus — Kleinvieh, im Gegensatz zu Großvieh), lanigerumque pecus (Ovid, F a s t . i , 384; pecus = Schafe). Besonders deutlich wird diese letztere Bedeutung bei Plinius 2 4 , 5 5 : pecus etiarn et caprae} si aquam biberint. . . mori dicuntur. Der Bedèutungsûbergang konnte allerdings erst definitiv werden, als in dem Plural PECORA der Begriff der Mehrzahl hinreichend verblaßt war, um eine Übertragung auf die Einzahl zu gestatten. * 7. F E T A bedeutet ursprünglich »befruchtet«, sodann »was geboren hat« und kann in dieser Bedeutung mit adjektivischer Funktion von jedem weiblichen Lebewesen gesagt werden: ursa, lupa, .equa, ovis feta. F O R C E L L I N I verzeichnet kein Beispiel eines absoluten Gebrauchs des Wortes. Auch die Glossen vermögen keinen Aufschluß zu geben. W o h l aber- läßt sich aus einer Stelle in O r i b a s i u s (VI, 472), wie A. T H O M A S , Mélanges Havet 5 9 — 6 0 gesehen hat, folgern, daß spätestens im 6. Jahrhundert die Spezialisierung von F E T A auf »Mutterschaf« wenigstens in gewissen Gebieten vollzogen sein mußte. Die Stelle lautet: gala Greci lactem dicunt. . . post haec scrofinus aut aequinus aut baccinus aut asininus aut fetinus. Vgl. den griech. Text: E Î A È MÙ Airôc fiïnnoN H BOS'C H Ô N O C H npocÂTON. FETINUS setzt hier unbedingt ein F E T A »Mutterschaf« voraus. F E T A selbst ist endlich nachgewiesen worden im Heptateuch des C y p r i a n u s G a l l i ü s (aus Gallien, 5. Jahrhundert), S. C O R N U , ALL 13, 1 9 2 \ 8. Beginnen wir die Übersicht über die Ergebnisse des sich entspinnenden Kampfes im Osten. Auffallenderweise hat Rumänien OVIS bewahrt, was einen Zweifel an der oben dargelegten Notwendigkeit von dessen Schwund hervorrufen könnte. Bei näherem Zusehen verwandelt sich jedoch dieser in eine wichtige Stütze des Gesagten. Einerseits beweisen die ziemlich zahlreichen Ableger von PECORA 2 , daß dieses einst auf rumänischem 1

CORNU will auch in dem Vergilvers : non inswta gravis tentaburd pabula foetas (Buc. 1, 49)

F E T A = Mutterschaf verstehen.

Es liegt aber kein Grund vor, dem W o r t einen anderen

Sinn beizulegen als »Muttertier j e d w e d e r Haustierart, wenigstens des Kleinviehs«.

Zudem

wäre es auffallend, dem W o r t .im ersten Jahrhundert zu begegnen und dann erst w i e d e r 600 Jahre später. 2

P E C O R A R I U S »Schafhirt« > dr. päcurdr,

rvr: - I N A < siebenb, päcuina

»Schöpse«,

a.r.prieurar; picular, mgl. picurar,

ir. pecu^

Zur Benennung des Schafes in den romanischen Sprachen.

9

Sprachgebiet in der Bedeutung »Schaf« gelebt haben muß, daß also auch hier OVIS eine Zeitlang nicht mehr genügte. Andrerseits zeigt ein Vergleich der Formen von OYEM mit NOVEM und BOVEM 1 , daß das erstere durchaus aus seiner phonetischen Entwicklung abgedrängt worden ist. In einem bestimmten Momente des Kampfes zwischen OVIS und PECORA (als ersteres schon mehr und mehr weichen mußte) wurde es durch irgendeinen Anstoß aus der ihm vorgezeichneten phonetischen Entwicklungsreihe herausgeworfen, so seiner homonymen Schwäche entledigt und vor dem Untergang gerettet. Von dem Moment an mußte es auch der Stärkere sein, da es eindeutig und klar, PECORA aber natürlicherweise bis zur vollständigen Verdrängung von OVIS ein etwas vagerer Ausdruck war 2 . Wir halten hier also wieder einen Fall, wo ein von Homonymen bedrohtes Wort durch den Umstand gerettet wird, daß es einen lautlichen Sonderhabitus erhalten hat 3 . OVIS ist bis heute in Rumänien geblieben: odie; es ist auch in allen Mundarten erhalten: ar. odie, mgl. oaia, ir. öte (nach ZRPh 3 1 , 2 2 9 : oie} nach AG1 9, 186: öja), vgl. hierzu Pu§c 1 2 11 4. 9. Sonst' ist das Wort nirgends erhalten. A u f französischem Boden begegnen uns allerdings noch drei Ableitungen von OVIS 5 , die aber durch ihre zeitliche und räumliche Vereinzelung auffallen und daher kaum als Zeugen eines Fortlebens dieses Wortes auf gallischem Boden angesehen werden können: In einer Urkunde vom Jahre 1404 aus dem Departement 1

dr. odie, nouä, bnü, ar. odie, ndo (noao, noauä), boü, mgl. oaiä, ngauä, bou, ir. öie, bowu;

cf. Pusc. 1211, 1193, 213. 2 Vgl. zum Kampfe OVIS-PECORA in Rumänien auch CARACOSTEA, Mitt. Rum. Inst. Wien I, 79 und SPITZER, RDR 6, 367. 3 Man muß sich hüten, den Vorgang so aufzufassen, als ob die Sprechenden mit Absicht zu dem Mittel gegriffen hätten, um OVEM zu retten. 4 Eine Ableitung davon muß vegl. öila sein (AG1 9, 186). 5 KÖRTING führt auch ein afr. oue < OVIS an. Dieses Wort findet sich in BENOITS Chronik (ed. Michel II, 79). Die Stelle lautet: Ne n' i remaint beste a occire Pore ne vache, oue ne moton. Doch passen sowohl die lautliche Form als auch der Sinn des Satzes weit besser zur Bedeutung: Gans. Seit diese Zeilen geschrieben wurden, haben MEYER-LÜBKE, ZRPh 37, 606 und A. THOMAS, Rom. 43, 619 dieses afr. oue besprochen und neue Stellen angeführt. Sie gehen einig in dem Schlüsse, daß darin auf keinen Fall ovis vorliegt. — Für Marne gibt TARBE ein oves »brebis«. Bei der bekannten Ungenauigkeit und Unzuverlässigkeit dieses Gewährsmannes wäre es gewagt, aus dieser Form irgendwelche Schlüsse zu ziehen.

Phil-Mst. Äbh. 1918. Nr. 10.

2

10

W.

VON

WAETBURG:

Loiret findet sich ovet » agneau«, im Dep. A i n (nach

MEYER,

DOC.

ling. 164).

oeles » brebis« (pl.) und z u r Z e i t der Revolution wird uns für Bouillon ein ouviette1 » agneau femelle « bezeugt (RLR 14, 1 7 7 ; Lettres à Grégoire), alle drei also Diminutivformen zu OVIS 2 .

Gegen einen direkten, historisch ununter-

brochenen Zusammenhang zwischen OVIS und diesen drei Formen spricht bloß, wie bereits erwähnt, ihre Vereinzelung, nicht etwa die oben gelegte Auffassung vom Untergang von OVIS in Gallien.

dar-

Da der Zerfall

der Formen des Latein erst mehrere Jahrhunderte nach der Eroberung Galliens eintritt, muß OVIS auch hier einmal existiert haben.

Hätte es

nicht vermocht, den einheimischen Ausdruck zu verdrängen, so wären auch nicht lat. T y p e n seine Nachfolger geworden.

Die heutige Verteilung Galliens

unter O V I C U L A , F E T A , V E R V E X kann nur auf einer Unterschicht O V I S sich aufgebaut haben.

A n und für sich hätte also die Auffindung von

Trümmern dieser Unterschicht nichts erstaunliches. 10. Gehen wir weiter nach Westen, so finden wir P E C O R A 3 , das sich in R u m ä n i e n 1

trotz kräftiger Ansätze

H e r r Prof. MORF macht mich auf den Parallelismus aufmerksam, der zwischen dieser

F o r m , u n d dem P a a r apicula—*apitta 2

nicht durchzusetzen vermochte als

in französischen Mundarten besteht.

Das Provenzalische kennt noch eine Ableitung von O V I S :

Schaf gehörig« übersetzt.

ovin, v o n LEVY mit »zum

D o c h ist das W o r t nur einmal belegt, und z w a r in den A r c h i v e n

v o n N a r b o n n e ; es findet sich in der V e r b i n d u n g carns ovinas = Schaffleisch als Gegensatz zu carns arietinas non-crestadas und carns arietinas crestadas und ist zweifellos eine einfache Ubersetzung des lateinischen C A R O O V I N A oder auch blos O V I N A = Schaffleisch. Ist auch O V I S fa§t in der ganzen Romania geschwunden, so hat sich doch —

außer

O V I C U L A , über das weiter unten — noch eine zweite, ebenfalls schon lateinische Ableitung a.uf weitem

Gebiete erhalten : O V I L E = Schafstall, und z w a r außer im albanesischen be-

sonders im Rätischen:

alb. ovik

(MEYER 316) in LEAKE, obwald. nuvil

(für das n — vgl.

A G I 1, 110) nidwald. uigl, ob. eng. ovigl, miviyl, unt. eng. ui, ovi, uvi, uvil, B i v i o : uit ( = Stall), piem. ovil (GAVUZZI), siz. ovili (MORT.), it. ovile. (PETR. bezeichnet das W o r t als bloß literarisch und ungebräuchlich, doch geben TOMSI.-BELL. ziemlich viele Beispiele und auch RIGUTINIFANF. haben es in ihr W ö r t e r b u c h der Umgangssprache aufgenommen), apr. ovili (nur einmal vorkommend und durch parc erklärt, also gelehrt).

Die Bedeutung »Stall im allg.« hat

nichts Auffallendes, da schon das lat. O V I L E gelegentlich in diesem Sinne gebraucht wird. Hierher gehört auch der toskanische Ortsname Ooi/ico, w o h l irrtümlicherweise zu O V I S gestellt wird. Ortsnamen Montfeil,

Vlitte,

Flutsch,

der von PIERI (AGI Suppl. 5, 115)

M e h r als zweifelhaft sind die deutschtirolischen

die SCHNELLER, Beitr. zur tirol. Ortsnamenforsch. 3, 78

von O V I S ableitet. — Ein Fortleben von O V I L E auf S a r d i n i e n ,

wie

es A G I 1 5 , 4 8 5 auf

G r u n d von cuili ( < C U B I L E ) vermutet w u r d e (die beiden lat. W ö r t e r sollten sich gemischt haben), ist nicht zu beweisen, da C U B I L E lautlich u n d begrifflich vollständig genügt. 3

D e r Singular P E C U S hat sich fast d u r c h w e g in den übertragenen Bedeutungen »dumm,

verriickt«, in verschiedenen Teilen der Romania gehalten.

Vgl. dazu außer MEYER-LÜBKE.

Zur Benennung des ScÄafes in den romanischen Sprachen.

11

den alteingesessenen Ausdruck in M i t t e l - und S ü d i t a l i e n sowie im größten Teil von O b e r i t a l i e n : tosk. pècora\ von da wohl ins Gallur. eingedrungen: pekuri (pl., AGI 13, 136), sillan. peggura (AGI 13,330), gombit. pçgora (AGI 1 3 , 3 1 3 ) , kors. pécura, agnon. pçJcuoerd (ZRPli 34,426), alatr. pça/ra (AGI 10, 169), velletr. pçko, altumbr., march. peco, alog. pecus (pl. pecos, M E Y E R - L . , Altlog. 37)®, abruzz. pècure (Lanciano), vgl. auch den Ausdruck pecore da vita 0 da corpo »pecore di tre anni«, neap. pecura, altaquil. pecora ( 1 5 . Jahrh., Giorn. Stor. 7, 3 5 1 , Vers 50), Bari: pegre^ pégere3 ( B A R T O L I , Krit. Jahr. ber. Y1II, I, 122), Matera (Basilicata) päkre (ZRPh 38), calabr. pecura, Reggio: pecura, siz. pècura. sanfratell. piéura (AGI 8, 313). — In Oberitalien macht das Wort heute gegenüber feta und anderen Wörtern sehr große Fortschritte. In derEmilia ist PECORA, nach seinem lautlichen Habitus zu urteilen, einheimisch : bol. pîgra (Ungh.), pigvra (Cor.-Berti), parm. pègra, moden. pégra (1384: pegora, RDR 3, 186), regg. pègra, romagn. p'igra, faent. pigura, ferrar. piegura, pl. piegur, mirand. pégura, piacent. pegôra. Nördlich schließt sich die Lombardei an : pav. pegora, mant. pègora, altmant. pégora (ca. 1300, vgl. Giorn. stor. lett. it. Suppl. 5, 181) cremon. pégora, bresc. pégora, pera (beide Formen auch schon in demWörterbuch von 1759), peghér\ altberg. pegora berg. pégora, Valle Gandino: pégra, com. pègora, mail, pégora. Seine R E W 6 3 3 9 noch ALF 5 9 8 , die p§k in der Bedeutung »fou« in der Gascogne zeigt, norm. pec «méchant, sot«, wozupecander »mettre les mains dans le plat, se conduire comme une bête«, dann ardenn. pec »sot« (so nach H E Y M A N N , Franz. Dialektwörter 7 9 schon 1 6 5 5 in Sedan), gase, pèc »dumm« (R. L I N G 1 3 , 4 0 0 für Bayonne, Bull. Soc. Borda 3 0 , 9 0 für Aire, RLR 43, 3 r 9 für Baretous, RLR 3 1 , 2 3 für Dax bezeugt, davon bask. pikern (ZRPh 11,485), bearn. pegutsse »Dummheit«, bask. pegeseria »bagatelle« (ZRPh 11,481), akat. pe.es »dumm« (Rom. 1 5 , 6 3 ) , peguesa »Dummheit« (Rom. 1 5 , 4 7 ) , kat. empecar »verblüffen«, pg. peco »nicht zur Reife gelangt (Frucht), dumm, einfältig« (hier ist die erste Bedeutung aus der zweiten abgeleitet; vgl. unser schweizerdeutsches narr »Nuß oder Haselnuß, deren Kern nicht zur Entwicklung gelangt ist«, com. falôca »leer, von einer Nuß u. a.« neben veltl. falôch »debole, imbecille«). Die phonetische Form der französ. und pg. Wörter deutet auf Entlehnung aus dem prov. hin. Merkwürdig ist ein ardenn. pèque »mauvais cheval«, das allerdings nur von T A R B É bezeugt ist. 1 AusSiena die phonetisch interessante Form péorelle »pecorelle« (Arch. Trad. Pop. 6, 341). 2 Diese Formen werden von SALVIONI, St Fil Rom 7 , 1 8 5 und MONACI, Krit. Iber. 1, 1 3 4 als Reste des alten sing. nom. aufgefaßt. 3 Das hohe Alter von p e c o r a in Unteritalien wird belegt durch den von D E BARTHOLOJIAEIS behandelten Codex Cavensis (AGI 1 5 , 3 5 0 ) , der neben pecuru »montone« ein via de pecara gibt. 4 Uber den in dieser Form vorliegenden Akzentschub vgl. zuletzt SALVIONI, Rom. 4 3 , 381 n 3; über die phonetische Entwicklung der erstgenannten Formen 1. c. p. 393.

2*

12

W . VON

WAETBÜEG:

Konkurrenten sind hier: berctj becia und sein Diminutiv bezzina. Doch dringt pecora, von der Schriftsprache unterstützt, mehr und mehr durch, zuerst natürlich in den Städten.

So gibt

comune«: bèra und bezzina.

Bei

CHERUBINI

ANGIOLINI

(1827) für Mailand als »più

finden wir aber nur noch das

erstere, bezzina scheint in der Zwischenzeit verschwunden zu sein.

Auch

in den tessinischen Alpentälern ist pecora vorhanden, und zwar in Formen, die eine Einwanderung des Wortes aus der Ebene ausschließen: Val Colla: perwa (B Stor Svizz. Jt. 13, i o i ) \ Val Maggia: peira (AGI 9, 194), Lavizzara: pejri (pi. AGI 9, 210), Coglia : pewra (AGI 9. 221), bellinz. pjöwra (Rom. 43, 564), Arbedo: péwra. Auch in Piemont dringt pecora gegenüber dem alten fea (s. u.) vor, meistens allerdings in der schriftsprachlichen Gestalt.

Nur Monferrat

kennt eine einheimische Form : pèjóra, pi. pèjóri (Renier, Gelindo), ebènso wieder Genua: pègua.

Östlich schließt sich an die Lombardei Venetien an:

alttrevig. piegola (AGI 16, 317), ven- piegora, Muggia: piégura {AGI 12, 336), veron. vicent. piegora, triest. pegora, trent. pégora2.

Als einziges rätisches

Gebiet hat Friaul: piòre-, hier und in den südtirolischen Alpentälern stellen sich F E T A und BESTIA dem Eindringling entgegen. bei v.

ETTMAYER,

RF 1 3 , 4 8 8 — 9 1 .

Endlich Veglia: pira

Vgl. die Formen und schon

(BARTOLI,

AGI 9, 131) und istr.-rum. pire (hier ist das Wort wohl aus den benachbarten romanischen Dialekten neben dem einheimischen die eingedrungen) 3 . 1

Diese F o r m ist durch Metathese entstanden.

2

SCHNELLER leitet das pustertalerische grutz (=r Schaf) aus *pegoruccio

Etsch- und im Pustertal vorkommende görr ( = weibliches Schaf) aus pecora verschiebung) ab.

Beide Etymologien sind nicht haltbar.

Auf

und das im (mit Akzent-

Das erstere gehört zu Kärnten.

grüsin »junger Baum« (PERNEGG, PBrBeitr. 28, 73), mhd. grözzine. 3

Die Wortfamilie, die sich um P E C O R A gruppiert hat — reich ist sie sowieso nicht —

bleibt geographisch hinter ihrem Haupt zurück.

Das ¿jeweist uns von neuem, daß

vielerorts erst in neuerer Zeit eingedrungen ist. —

dieses

In fast ganz Italien verbreitet ist die

Ableitung auf - A R I U S zur Bezeichnung des Schafhirten:

tosk. pecuraio, kors.

pecuraghju,

teram. pecoraro, neap. pecoraro, pecuraro, auch in die neugriech Dialekte der Provinz Otrantö eingedrungen: peTcurari (A.G1. Suppl. 3,78) kalabr. pecuräru, picurierü,

nicos. piyurteru,

piazzarmer. picureru

diesen Dialekten: diterna d'picurieri,

(vgl.

dazu

sie. piccuräru, die Namen

pl. — a, sanfrat.

des Glühwurms

in

ddus giu d'u pigurieru, dusa-picurera, SALVIONI, Krit. Jahr.

Ber. I V , 1, 171), regg. pegrer (V. R.), pegrär (Pa), parm. pegrar, bologn. pigvrar, pecorar (dieses importiert), ferrar, pigurar, berg. pegorer,

faent., romagn. pigurer, parm. pegrär, mail. pegoree, crem, pegorer,

mant. pegorer (Ar.), pegorar

(Cher.), Arbedo: pewrec, piem. pecoror,

pecort,

genues. peguä, pegoä, ven. pegorer, piegorer, veron.-pad. piegoraro, pegoraro (RDR 6, 166 n. i), triest. pegorer, trent. pegorar, friul. piorär,yErto: diese

Ableitung in Neapel

pegorer (Z 1 6 , 3 3 7 ) istr.-rum. pekurnr.

auch die Zusammensetzung: guardapccurr. —

- ARIA:

Für

Reggio

13

Zur Benennung des Schafes in den romanischen Sprachen.

der iberischen Halbinsel ist pecora nicht nachzuweisen. Das pècora, das für Spanien mit der Bedeutung »bête à laine« gibt, ist gelehrt und nur sehr wenig gebraucht, ebenso valenc. pècora. Schwer zu beurteilen sind a. gal .pècora »Schaf« xmà pecorear »Herden entwenden«, da sie durch P I N O L auf indirektem Wege zu uns gelangen. Ebenfalls unsicher ist gal. pegueiro, über dessen semantische I n t e r p r e t a t i o n nicht einmal P I N O L selber sich klar ist. Bleibt nur noch pecoreiro, »Schafhirt«, das auch gelehrt ist.

CUESTA

11. Für die Frage nach dem Grunde dieser Verbreitung von PECORA über R u m ä n i e n und I t a l i e n besitzen wir in dessen morphologischen Ursprung aus dem neutralen Plural auf -ORA einen Wegweiser. Zwar scheint vorerst die geographische Ausbreitung desselben einer solchen Lösung nicht günstig zu sein: bloß R u m ä n i e n 1 und S ü d i t a l i e n haben die -ORA-Plurale bis heute lebendig erhalten. Für M i t t e l i t a l i e n bringt M E Y E R - L U B K E , Ital. Gramm. § 346, außer zahlreichen älteren Beispielen einige Formen aus den heutigen Mundarten bei. Für den N o r d e n aber glaubt er das Vorhandensein von -ORA-Pluralen in romanischer Zeit verneinen zu müssen. Jedoch schon in seinen Giunte italiane alla Romanische Formenlehre, SFR 7,190, hat S A L V I O N I auf Überreste auch in gallo-italischen Mundarten aufmerksam gemacht, eingehender sodann Rom. 29,554: Mod. lógher, parm. lögher »podere«, romagn. égur »spillo», ancon. nodero »nodo« sind lauter Substantive, die einen Plural * locora, * agora, * nodora voraussetzen. Vgl. dazu auch B E R T O N I , ZRPh 35,69. Für das Lombardische hat S A L V I O N I , SFR 7 , 1 9 0 ; Boll. stör. Svizz. It. 2 1 , 8 6 und 2 2, 95n. auf den verbreiteten Ortsnamen Campora (in der Emilia ebenfalls, s. B E R T O N I , ZRPh 33,735), sowie auf das südtessin. d'Em. : pegrèra. pegrit,



auf K o r s i k a

-ILE: als

tosk. pecorile,

O N : pecurìle.

veron. padov. pegorile I N U S : faent. piguren,

(RDR 6, 166 n. 1),

- A M E N : tosk. pecorame = quantità di persone d'indole pecoresca, neap. pecorimma, ràmi — Schafherde. tosk. pecoraccia,

siz. picù-

O S U S : bresc. (1759) perus »lezzo di pecora« (urspr. adj.).

parm. pcgrazza

»pecoraccia«

»Schafmist«, pecoresco

(V. del Serchio; Pieri, AGI. Suppl. 5 , 1 1 5 ) .

(agg. spreg.. Ich unter-

lasse es, hier die zahlreichen Diminutiv- und Vergröberungsableitungen aufzuzählen. eine Maskulinbildung pecoro s . u . einmal bei Gof.), apr. pecorin 1

Sie

Endlich

( - A C E A ) , mail, pegorón »accresc..di pecora e

di pecoro, uomo senza energia« (- ONE), tosk. pecorino da pecora), der Ortsname Pecoreccia

ferrar.

alle drei »Schafstall«. —

Über

Gelehrten Ursprungs sind: ap. peccorel s. m: »ouaille« (nur

»pécorin«, 11fr. pècore,

pécorin.

A u f dem Balkan muß das Leben der - O R A - P l u r a l e besonders kräftig gewesen sein.

finden

sich auch im Albanesischen und sind sogar als pluralbildendes Suffix ins Bul-

garische übergegangen (Mém. Soc. Ling. Paris 7.196).

14

W.

W A R T B

V O N

uR

G :

Arbostora hingewiesen. Einen Zeugen für Korsika hat Guarnerio, A G 1 1 4 , 3 9 3 ; RIL 49, 742 beigebracht: hurata »gugliata, tratta di filo dalla rocca al fuso«, das auf ein *ACORA zurückgeht (dazu auch lucch. g o r a t a , AG-1 16, 447). Auch kennt Korsika den Ortsnamen Campora

(Falcucci 408).

Es bleiben

also bloß noch Ligurien und Venetien, in denen meines Wissens keine Reste von -ORA-Pluralen nachgewiesen sind.

Ligurien fällt außer Betracht, da,

wie wir gesehen haben, pecora dort erst in neuerer Zeit feta verdrängt hat. Für Venezien1 beweisen die unten ( § 1 2 ) genannten Belege eine alte F E T A Schicht, die wohl nur sekundär von PECORA zugedeckt worden ist.

Mit

dieser heutigen Verteilung der Spuren von Pluralen auf -ORA stimmt nun sehr schön überein, was aus mittelalterlichen Urkunden2 nachgewiesen worden ist. Ich verweise hierfür auf die reichen Sammlungen aus ober- und mittelitalienischen Urkundensammlungen (Codex dipl. Lang, usw.), die

SALVIONI,

Studi Mediev. 1 , 4 1 2 — 4 1 3 , veröffentlicht hat. Einzelne Fälle hatte auch schon ALL 2 , 5 7 0 — 5 7 2

SITTL,

beigebracht.

So ist also die Ubereinstimmung eine nahezu vollständige, wie dies auch auf unserer Karte durch die fast völlige Deckung des vertikal schraffierten Gebietes mit dem horizontal und dem schräg schraffierten zum Ausdruck gelangt 3 . Auffallend scharf fallen die beiden Grenzen besonders zusammen beim Übergang 1

A. ven. und a. umbr. pegnora als Rest des alten Plurals aufzufassen, wie

SAI.VIONI,

S F R 7,189 und 192 will, geht wohl kaum an, da man es dann von prov. penhora, kal. penyora, sp. prenda, pg. penhor, prenda trennen müßte, in denen

MEYER-LÜBKE,

R E W 6489

mit Recht Ableitungen vom V e r b P I G N O R A R E sieht. 2 Vereinzelt zeigen auch Urkunden außerhalb des oben umschriebenen -ORA-Gebietes solche Formen.

So findet sich z . B . ein lacora in einer venezianischen Urkunde des 10. Jahr-

hunderts und die gleiche Form kehrt sogar bei

WARTMANN

in einer Urkunde aus dem 8. Jahr-

hundert (ALL 2,570—572) wieder. Auch campora findet sich zweimal in ligurischenDokumenten (AG1 14,13).

Doch vermag das die oben entwickelte Auffassung nicht zu entkräften.

Da

man sich j a mehr oder weniger bemühte, gutes Latein zu schreiben, konnten leicht Fälle »umgekehrter Deklination«

vorkommen,

karolingischen Renaissance

passierten,

Schnitzer,

wie sie z. B. auch den Dichtern

der

die nervora statt nervi schrieben (vgl. A L L 3, 262;

2, 570; Poetae aeri Carol. 2, 9 und 14). —

Ahnlich würde man sich irren, wenn man die

in der L e x Langob. 252 vorkommende Form peeoras als Zeugen eines Singulars pecora anrufen wollte.

Dieselbe ist vielmehr mit castellas (Andr. Berg. 16), digitas (Lex Langob. 120)

u. a. als Fehler eines übereifrigen Schreibers aufzufassen. 3

und

Hingegen fällt das Sardische hier aus dem Rahmen heraus.

SALVIONT,

MEYER-LÜBKE,

Altlog. 37

Rendic. Ist. Lomb. 42, 816 haben die -ORA-Plurale auf der Insel nachgewiesen,'

während pecora sich nicht findet. Hr. Dr.

M.

L.

WAGNER

teilt mir in zuvorkommendster W e i s e .

Zur Benennung des Schafes in den romanischen Sprachen.

15

von den t e s s i n i s c h e n zu den r ä t i s c h e n M u n d a r t e n . Kaum einen Kilometer westlich der MontiPijera am Lukmanier und nur zwei Marschstunden östlich des Val Piora liegt eine Talmulde: Campra. Es ist in diesem Namen wohl ein ajtes Campora zu erblicken. Von allen drei genannten Punkten führt uns ein Marsch von zwei schwachen Stunden nach Norden ins rätoromanische Sprachgebiet, wo pecora unbekannt, aber auch keine Spur von -ORA mehr zu treffen ist. Die besprochene Übereinstimmung, verbunden mit einer Vergleichung, des Gebietes von pecora und tempora »Schläfe«, beweist, daß pecora erst spät als Singular gebraucht wurde, nämlich erst nach dem Erlöschen der ORA-Plurale in der übrigen Romania. Wertvoll wäre es nun zu wissen, wann dieser Vorgang sich vollzogen hat, denn das würde uns gestatten, die Periode des Untergangs von OVIS näher zu bestimmen, das bis zum Moment der Aufteilung seines Gebietes unter seine drei Nachfolger gelebt haben muß. Einen Fingerzeig dafür bieten uns die oben § 7 gegebenen ältesten Belege für feta »Schaf«, die beweisen, daß im 5. und 6. Jahrhundert dieses Wort in der genannten Bedeutung auf einem Gebiet gelebt hat, das tatsächlich in romanischer Zeit F E T A behielt. D a s 5. J a h r h u n d e r t i s t a l s o der t e r m i n u s ad q u e m s o w o h l f ü r den U n t e r g a n g v o n OVIS, a l s a u c h d e r n e u t r a l e n P l u r a l e a u f -ORA in dem auf unsere Karte nicht senkrecht schraffierten Gebiet. 12. F E T A herrschte im Mittelalter auf einem weiten Gebiete: F r i a u l , Venetien, dischen

einem großen Teil der s ü d t i r o l i s c h e n und a l p e n l o m b a r -

Dialekte,

Piemont,

des heutigen F r a n k r e i c h . Stand zeigt, F E T A

Ligurien

sowie der ö s t l i c h e n

Hälfte

Wenn auch auf der Karte, die den heutigen

sehr eingeschränkt erscheint, so erlauben uns doch

viele alte Belege, seine Ausdehnung im früheren Mittelalter zu rekonstruieren.

Wir finden feda im alten Treviso (AG1. 16,301), in Belluno

mit, daß die Ausführungen der beiden genannten Gelehrten unbedingt richtig sind und fügt aus der Carta de Logu pumora, ein log. früttura — fructura

(in Urkunden), sowie ein im

Gennargentugebiet fortlebendes edöra »ragazzaglia«, < foetu + -ora bei. Sollte endlich nicht auch pännor

»panni« (Arch. Trad. Pop. 22, 180), sowie nuor. locor mios

»il mio vicinato«

(ibid. 15, 241) dazugehören und nach Analogie dieses letztern zu den Feminina llabra und anca die nuoresischen Plurale (ibid. 1 5 , 2 3 9 ; 19,433)? — bene Auffassung von

llabrar

»le labbra«

ufid ancar

»le gambe«

gebildet

sein

Ich glaube nicht, daß das Sardische vermag, die oben gege-

der Geschichte

von pecora zu widerlegen.

Es

ist wohl

vielmehr

die Doppelstellung der Insel zur West- und zur 'Ostromania, die dadurch zum Ausdruck gelangt,

lfi

W. v o n

Wartbukg:

noch im 16. Jahrhundert (Cavassico) 1 und Rossi in seinem Glossario liguro medioevale bringt für Ligurien ein fea aus dem 14. Jahrhundert bei. Nordfrankreich

ist F E T A

bereits in vorliterarischer

Zeit

In

geschwunden.

Doch halten wir einen unanfechtbaren Beweis seiner ehemaligen 2 Existenz auch in diesen Gegenden im Polyptique de l'abbaye St. .Rèmi de Reims, aus dem 8. bis 9. Jahrhundert.

Unter den Abgaben, die von jedem dem

Kloster gehörigen Hofe jährlich Donat

einlaufen sollen, finden wir Kap.

annis singulis denarios VIII,

foetas II cum agnis II, de spelta modios XII,

pullos IIIova

XV.

Donat

uno anno

altero anno anniculos II, Kap. 6, 23: Solvit in corbo

in hostelitia denarios VIII;

uno anno fetam cum agno u, nicht > M; vom Zentral- und Westfranzösischen

ab-

weichende Durchführung der S y n k o p e , die sich übrigens im Westrätischen genau gleich wiederfindet; gleiche und von der Reichssprache sich unterscheidende Behandlung des suffixes -ELLU) zeigt auch der Wortschatz des

1

Diese Notwendigkeit bleibt besteheil, auch w e n n die MoRFSche Dreiteilung Frankreichs

durch eine Zweiteilung im Sinne meiner Andeutungen in Lbl. 37, 120 ersetzt werden sollte.

Phil,-hist Abh. 1918. Nr. 10,

3

18

W. t o n W a r t b u r g :

Franko-Provenzalischen in einigen Fällen Verwandtschaft mit' dem der lothringisch-(champagnisch-)wallonischen Dialektgruppe. 14. Für den Mejßel weist die A L F Karte 295 in der S c h w e i z wie in der W - a l l o n i e den Typus SCALPELLU auf, der auch in der von G i l l i é r o n leider nicht berücksichtigten Metzer Mundart auftritt: Remilly: hhèpia (Woippy: chèpio) » ciseau de charpentier« (R 5 , 2 1 1 ) , Metz. chèpio » ciseau de maçon« (Jaclot), c'haipiat »c. de tonnelier« (Lorr.), ferner in den Ar denn en:' saiplat » ciseau taillant par le bout« (Tarbé), und im Süden bis in das Departement Cantal reicht: stsarprë » ciseau «, in Murât (Mém. Soc. Ant. France 12, 379). Als Benennung der Milch kennt die gleiche Gruppe eine Ableitung von LAG: *LACTICELLU, das zweifellos recht alt ist, vgl. außer der Karte 746 des A L F die Belege bei Gdf. 4, 695, sub. laicel, die alle aus dem Osten stammen und von der W a l l o n i e bis in die F r a n c h e - C o m t é verteilt sind, die altlothr. Formen lassei und laicel. (R 15, 181 u. 185), sowie deutschlothr. läse (Zéliqzon) usw. Im Gegensatz zum übrigen Frankreich .hat der Osten von der D a u p h i n é bis in die W a l l o n i e *SOLUCULU, nicht SOLICULU. Vgl. außer ALF 1241 noch dauph. selaio, selaœ (Devaux), Villefranche-S. S. soleu (RPhF 25,97), Dompierre: selä° (ZRRh 14,430), Clos du Doubs: sorouey (BGloss 4, 56), Crans (Jura): sélu (RPhF 4, 146), Plombières: sloy usw. (RPhF 6, 129), in Urkunden aus der Bourgogne, 14. Jahrhundert: souloi, seloil (Rom 6, 24), Poisoux: chelô (RP 1, 198), Pierrecourt: sroy, frc. soulo, Val d'Ajol: srüy (RPhF 6, 16). Forêt de Clairvaux: sero (Baudouin), Ban de la Roche: selb, metz. selo, Les Vouthons: slaw, wallon, sglç (ZRRh 12, 258; 18, 262), lüttich. slg (ZRRh 15,559). Auf der Atlaskarte sind die ursprünglichen Verhältnisse durch Einfluß und Eindringen von fr. soleil schon großenteils gestört. Zu dem ebenfalls auf den Osten" beschränkten CONGERIES »zusammengewehter Schneehaufe« vgl. Meyeb-Lübke, R E W 2 1 4 5 . 15. Einige dieser Wortbeziehungen, besonders landwirtschaftliche Ausdrücke, erstrecken sich auch auf das Alpengebiet, entsprechen also geographisch und semantisch F E T A noch genauer: Obwald. amblaz, umblaz »Jochriemen« ( < AMBI-LAQUEUS) kehrt im afr. amblais »hart d'attelage « wieder, das heute noch in den Mundarten ziemlich verbreitet ist, vgl. z. B. centr. amblée »branche tordue en corde, hart qui sert à fixer la perche de la charrue au joug des bœufs«. Reste der

Zur Benennung des Schafes in den romanischen Sprachen.

19

alten Verbindungsbrücke finden wir in dem deutsch-grbd. amläze »lederner geflochtener Jochriemen« (Schweiz. Idiot, i., 219), im schwäb. äblenz (FISCHER 1,43) sowie in B L O N A Y : abyé »grosse corde du tour d'un char«, während nach Osten das Wort sich fortsetzt in ueng. umblaz »Jochriemen«, Etschtal: ampletz, amplatz » doppelsträngiger Riemenstrick zur Verbindung des Joches mit der Deichsel« (SCHÖPF 13), kärntn. amphts »Jochriemen« ( P A U L und B R A U N E S Beitr. 28, 66). Das im trient, oha bewahrte OCCA liegt wohl auch vor in Montbéliard : ocai »herser«, vielleicht auch im metz. rauc'helai »herser«. Dem gleichen Begriffskreis gehören die Namen einiger Körperteile, der Haustiere an. So hat sich UBER »Euter« auf einem ähnlichen Gebiet gehalten, wenn es auch in Oberitalien etwas weiter ausgreift. Vgl. außer der bei M E Y E R - L Ü B K E , R E W 9026 angeführten Literatur besonders ALF 1020 und T A P P O L E T , BGloss 13, 56, der das Wort für die ganze Westschweiz (Genf ausgenommen) nachweist. — DURUS im Sinn von »Leber« findet sich in Graubünden und Ostfrankreich, vgl. A L F 585 und ZAUNER, RF 14, 506. — Diese Bedeutung von DURUS steht in gegenseitigem ursprünglichem Zusammenhang .mit MOLLIS »Lunge«. Allerdings ist dies in Frankreich weiter verbreitet, im ganzen Norden (ALF 1073) und sogar bis im limous. (molas »poumon de veau ou d'agneau«). Im Rätischen fehlt es; seine frühere Existenz wird aber erwiesen durch seinen Nachfolger lom (oberld.) < germ. LAM, das sonst »weich, zart« bedeutet. Der germanische Eindringling ersetzte so das lateinische Wort in seiner eigentlichen wie in seiner übertragenen Bedeutung. Es ist der gleiche Vorgang, der z . B . in Punkt 7 1 der Atlaskarte tendre an die Stelle von mou gesetzt hat. DURUS und MOLLIS sind ursprünglich adjektivisch gebraucht, wie noch deutlich aus der Angabe deg Punktes 264 hervorgeht: trip mol. Beides sind Ausdrücke der Schlächterei, vielleicht direkt der bäuerlichen Hausschlächterei. In die l a n d w i r t s c h a f t l i c h e T e r m i n o l o g i e gehören sodann noch einige Wörter, deren Ursprung nicht klar, wohl vorromanisch ist: Über *DRAGIA »Sieb« hat JUD, BDR 3, 66 n. und ZRPh 38, 64 gehandelt. Zu den dort genannten Formen wären hinzuzufügen: Lure: rege »Sieb« (Ac. Bes. 1850, 227), Ban de la Roche: rige, voges. rïs »rundes Sieb zum reinigen des Getreides« (HORNING, Grenzdial. 1 19), metz. rige »châssis-crible que l'on adapte au grand van«; rdgeous »cribleur «, rëjë »cribler«. — Zu *CRIENT(I)A vgl. Jun, BDR 3, 68. Das Wort ist auch den französischen 3*

20

W.

VON

WARTBURG:

Mundarten heute noch bekannt: Y o n n e : ' crincer »cribler le blé, le passer au tarare«, crinces (m. pl.) »déchets provenant de grains criblés ou vannés«, La Hague: crenchiei » vanner le blé «, Guernesey : crainchier »cribler«, cra'inchons »criblures«, Troyes: craincer,.«séparer

le blé des dernières pailles«,

Vitteaux: crème »criblure«, morv. crinses »déchet dés grains«, Bourberain: efyrese »trier le blé« (RPGR i , 249), morv. crintans'e »mauvais grain qu'on met à part en criblant le blé», Bournois: kriyät »criblures«.

Es reicht ins

Piemontesische hinunter: grinssa »vagliatura« und hat auch in den schweizerdeutschen Mundarten seine Spur hinterlassen in Entlebuch : chriendle, Thun : chriene » den gedroschenen Dinkel in einer Wanne schütteln « (Schw. Idiot. 3,828). Die Wortzone von *MANDIUS bietet vielfach eine auffallende Ähnlichkeit mit der von F E T A .

Von den ostfranzösischen Mundarten ist es

einzig noch im Wallonischen erhalten : vache monse » vache laitière qui est stérile pour la saison, soit quelle n'ait pas été saillie ou qu'ayant pas été saillie, elle n'a pas porté«, nam. monse »stérile en gén.«; sodann findet es sich in zahlreichen deutschen Mundarten: afläm. mans-, mause-, mansche, mansche Jcoe (nach

GRANDGAGNAGE

kalb, minsekalb »Kuhkalb«

II,

(CRECELIUS

135),

rheinländ. minzekalb, oberhess. mense-

588), nassauisch menzekalb

(KEHREIN

278),

deutschlothr. mäs »unbefruchtet geblieben (Kuh)«, mänz »Zitze am Euter « (FOLLMANN

353, 355), Schweiz, mans »unträchtig«, mänsrind » 1 1 / 2 — 2 j ä h r .

Rind«, mause »Rind von der ersten Trächtigkeit« (dazu eine reiche Wortfamilie, Schweiz. Idiot. 3, 94; 4, 334ff.; 6, 1031), Augsburg: mes »unfruchtbar (von Kühen)«

(BIRLINGER

334), bayr. manz, menz »vacca sterilis«, mänz

gên (m. — adv.) »von Kühen, die beim Stier gewesen sind und keine Folge davon bringen, oder auch von solchen, die überhaupt nicht zur Begattung gekommen sind; oder'auch von Weibern, deren Schwangerschaft ein zu frühes, erfolgloses" Ende nimmt«

(SCHMELLER

3

1,

1632), kämt, mänz und setzt

sich ins romanische Gebiet durch die Alpenmundarten bis ins Rumänische fort.

Im Westen reicht es, wie F E T A , bis in die provenzalisclxen Alpen-

mundarten hinunter, wenn es auch durch sekundäre Typen (vachette, veau) teilweise verdrängt ist (vgl. A L F , Karte 637, génisse).

Von den rätischen

Mundarten scheint nur das Engadinische unser Wort zu kennen: manz »junger Stier«

(wozu auch manzina »Zweig eines Baumes«?).

also auch hierin eine eigentümliche Parallele zu F E T A .

Es bietet

Vgl. dazu unter

§ 35 und zur weiteren Verbreitung von *MANDIU Archiv 136, i i 3 n 1, U 4 N

4 und

PUÇCARIU

1092, wo außer den obigen Formen noch ngr.

CTEIPO-

Zur Benennung des Schafes in den romanischen Sprachen. MATZIGTA

»junge Kuh« (auf Kreta, vgl. G.

MEYER,

Idg. Forsch.

21

6, 1 1 3 )

bei-

gefügt werden könnte. Die weitere Herkunft von *MANDIU ist noch dunkel. TOMASCHEK,

Bezz. Beitr. 9, 100 vermutet Zusammenhang mit Menzana, dem

Beinamen des Jupiter, bei den wegen ihrer Pferdezucht berühmten Dauniern und Messapiern.

Die Bedeutung »Pferd« ist ja in der Tat dem Worte

besonders im Albanischen und Rumänischen eigen.

Doch bestehen phone-

tische Schwierigkeiten (rum. müßten wir i erwarten, nicht i,

auch

die

Alpenformen können nicht auf -e-, sondern nur auf -a- zurückgehen), so daß wir die vorgeschlagene Verbindung ablehnen müssen 1 . Ähnlich ist auch die Verbreitung des etymologisch 2 etwas schwierig zu beurteilenden rät. tezzär, lothr. tasi »trinken, an der Mutterbrust« (ZRPh 9,499), das ostfr. sehr-lebendig ist: metz. tossie, Remilly: tasie 5, 221), Ban de la Roche: tassi, voges. tocir (Mem. Soc. Ant. France 6, 134), Plancherles-Mines: tossi, Sancey: tossi (RPhF 14, 55), Baume-les-D. tosi (RLing 35, 7 i)j bourn. iösi, Bourberain: tse (RPGR 1, 249), Pierrecourt: tost, dazu bourn., montbel. tösrö »animal encore ä la mamelle« ( T H O M A S , Nouv. Ess. 1 0 0 ) . Daneben stehen noch eine Anzahl Wörter, die, ohne der speziell landwirtschaftlichen Terminologie anzugehören, doch täglich in den Gesichtskreis des Bauern treten: Auf den ostfranzösisch-rätischen Zusammenhang von TRAJECTORIUM »Trichter« hat JTJD, ZRPh 38, 62 aufmerksam gemacht. — JANUA lebt (außer im Sard.) im Engad. genna »Gittertüre« und im Voges. gemme »porte ä claire-voie« weiter (ZRPh 30,457). — Über QUATTUORPEDIA 3 »Eidechse« hat ebenfalls JUD, ZRPh 38,64 schon gehandelt. Dieser .ländlichen Begriffsgruppe gehören ebenfalls einige Wörter unbekannten Ursprungs an: *TROGIU »Weg«, über das JUD, BDR 3 , 6 — 7 gehandelt hat, kehrt auch in den Vogesen wieder: iröc »sentier dans un 1

390

Nichts Neues zu dem Worte enthalten die Ausführungen von K . TREIMER, Z R P h 38,

u. 3 9 4 . 2

MEYER-LUBKE, R E W 8759 denkt an * T I T T A R E (zu germ. T I T T A ) + S U C T I A R E .

Wahrscheinlicher

ist mir

eine schon

frühe Ableitung

T I T T A , die in dem lateinischen Kinderwort T I T I A

*TITTIA,

einer Nebenform

von

(ALL 13, 164) eine gute Stütze hat.

.Auf diese gehen denn auch rum. /i/o usw. (Pusc. 1742) zurück, so daß sich die Zone des Wortes ähnlich wie oben bei M A N D I U S erweitert. 3

Interessant ist, daß dieses W o r t in übersetzter Form auch in deutsche Mundarten

eingedrungen'ist: Nach FROMANN, Deutsche Mundarten 6 , 4 7 3 trägt die Eidechse in Franken den Namen Viergebein, in K o b u r g : virgeb&i Henneberg: viergeben, Eisfeld: firgebe, westfäl. verfemter, dän. fiirbeen

(diese letzteren Formen bei WOESTE, Westfäl. 297).

22

W.VON WAetbdeg:

ravin, entrée du ravin« (Rom. 41, 292 n. 1), in Malmédy: trihœ »Waldsteig« (ZRRh 18, 264) und ist in den angrenzenden alemannischen Mundarten wenigstens in Ortsnamen erhalten. So gab es in Esch enzweiler (Elsaß) eine Troygasse (Bück, Alemannia 1 0 , 2 1 7 , w 0 auch viele Tiroler Ortsnamen erwähnt werden). In der Mundart von Liechtenstein gibt es ein troien »Triebweg« (Jahrb. hist.Yer. L. 11, 139), das auch in Ortsnamen wiederkehrt. Auch die Westschweiz muß das Wort gekannt haben: Die Mém. et Doc. de la Suisse Rom. 3 1 , 2 6 5 bringen in einem Wallis er Dokument von 1315 die Stelle : item £ de ilio trœyen supra que ducit ad Loaczenachen. — Endlich kehrt auch * BORA 1 »runder Holzklotz«, das in den oberitalienischen und in den Alpenmundarten verbreitet ist, im Wallon.-Lothr. wieder. Vgl. ALF 1334 (tronc d'arbre), Punkt 197: òur, bei Grandgagnage : bour » tronc d'arbre«,a. wallon, borhea » runder Holzklotz «, Uriménil: heure »morceau de bois assez fort«.- Das Wort ist auch den deutschen Mundarten Graubündens wohlbekannt, und zwar in den Bedeutungen: »abgebrochener'Nadelholzbaum, Sägeblock, Abschnitt eines Tannen- oder Buchenstammes«. Vgl. Schweiz. Idiot. 4,1529.. Es mögen noch einige andere, geographisch ähnlich sich verhaltende Wörter folgen: FLABELLUM > obwald. flavi, afr. flavel »Fächer«. — INTELLIGERE 2 > engad. incler, afr. entelgirantillier (in hebr. Glossen, ZRPh 22, 133), entillement »intelligence«. — Das vielumstrittene rätische hier »viel« kehrt auch in Blonay wieder: bté »en quantité«. — MELLINUS »gelb« kehrt in obw. melen, aber auch im afr. melinB wieder, das seinerseits ins apr. (melin) und ins Breton, (melen, Mém. Soc. Ling. Paris 4, 240; 7,485) gedrungen ist. Auf das. Hinübergreifen von Y A S C E L L U »Sarg« vom Wallon.-Lothr. ins Rätische hat schon Jud, ZRPh 88,63 hingewiesen. Fügen wir das geographisch und jedenfalls auch genetisch damit zusammenhängende V A S hinzu, so dehnt sich das Gebiet über die französische Schweiz bis gegen die Auvergne und das Languedoc hin aus. Vgl. außer der Karte 214 1

Mit-itecht lehnt MEYER:LÜBKE, R E W 1214 den Zusammenhang dieses Wortes mit

•der *BURrSippe ab, wie .ihn E. RICHTER vermutet hatte.

Auch langued. burlo, berlo sind

lautlich nicht mit unserer Wortfamilie in Einklang zu bringen, so daß Südfrankreich sie nicht zu kennen scheint und sich ihr Gebiet auf die oben genannten Mundarten beschränkt. 2

Über die weitere Verbreitung dieses Wortes s. K Z 33, 547.

3

Ist das von MEYER-LÜBKE, R E W 5483 zitierte awallon. meille durch Suffixwechsel

(-idus) entstanden?

Zur Benennung des Schafes in den romanischen Sprachen.

23

des ALF frc. va, vai, vom (Ac. Bes. 1850, 175), Plancher-les-Mines: va, St. Etienne: vas, V A S »tombeau« (oder cercueil?) in einer christlichen Inschrift aus der Gallia Narbonn. ( P I R S O N 264) rouerg. vas »tombe« (in Dokumenten, die von 1 3 5 4 — 1 6 0 9 reichen, vgl. Affre p. 93 u. 452, a. mail, vaxe »Sarg« in P. da Barsegapè (ZRPh 1 5 , 4 7 2 , v. 1747). W i r erhalten so auch hier ein Wortgebiet, das dem von F E T A nicht unähnlich ist, wenn • auch die ursprünglichen Verhältnisse durch neue Wörter stark gestört sind. : — Und ähnlich wie F E T A westlich ein OVICULA, so steht dem V A S - V A S CELLUS ein LOCELLUS gegenüber, das, obschon heute stark von neuern Wörtern überflutet, doch noch im höchsten Norden, in der Pikardie, sich erhalten hat (ALF.2 14), sowie in Spanien: asp. luziello (Libro de Alexandre, Rom. 4,46), nsp. lutitto »Steinsarg«. 16. Etwas auffallend erscheint auch die weite Ausdehnung von F E T A in Südfrankreich gegen Westen, ja sogar in die Pyr.-Orient. wo es das alte katal. OVICULA verdrängt hat. W i r haben hier wohl eine Ausstrahlung der Ebene der Rhonemündung gegen die umliegenden Berge hin zu sehen, in welchen die Schafherden den Sommer verbringen, während sie im Herbst wieder in die Ebene verbracht werden. So sind z. B. vor der Revolution jährlich 300000 Schafe aus dem Tiefland in die Berge der Lozère getrieben worden und auch heute noch spielen diese Wanderungen eine große Rolle, wenn auch die Zahl der dabei beteiligten Tiere sehr gesunken ist (in unserem Beispiel um die Hälfte 1 ). 17. Im Laufe der Zeiten' hat nun aber F E T A große territoriale Einbußen erlitten: fast ganz Venetien, Ligurien 2 und den nördlichen Teil seines gallischen Gebietes. Die Frage, warum F E T A seinen Konkurrenten nicht gewachsen ist, läßt sich leicht beantworten: Es hat nicht, wie PECORA, V E R V E X , OVICULA das Glück gehabt, auf seinem Gebiete eine Schriftsprache sich entwickeln zu sehen, die ihm andern, dialektischen Wörtern gegenüber hätten zum Durchbruch verhelfen können (das ProWizalische dauerte als Schriftsprache zu kurze Zeit und war infolge seines literarischen, höfischen Charakters überhaupt nicht geeignet, unserem Wort als Vehikel 1

V g l . hierzu den Artikel d r a i o bei MISTRAL, für Rouergue besonders A f f r e 143-145,

für Lozère Ann. Midi 17, 558 und vor allem BARBOT, J., Les anciennes drayes de la Lozère (Bull, de la Soc. d'agriculture, industrie, sciences et arts du dép. de la L.-vol. 54, année 1902, 16 p). ' 2

A u c h in den anderen Provinzen beginnt P E C O R A sich einzunisten, so, wie wir

gesehen haben, in Piémont,

24

W.

YON WA R T B U R G

zu dienen). Es entbehrte daher der Expansionskraft und war auch, sobald es mit einem Vertreter der Schriftsprache zusammentraf, von vornherein der schwächere Teil. So hat es an das italienische p e c o r a und an das französische b r e b i s viel Gebiet verloren. 18. Heute ist unserm Wort noch folgendes Territorium geblieben: ein breiter, da und dort unterbrochener Landstrich, der sich von F ri au 1 längs der A l p e n bis nach P i é m o n t hinüberzieht, die ganze P r o v e n c e , D a u p h i n é , S a v o y e n , den größten Téil des L a n g u e d o c , der A u v e r g n e , L y o n n a i s , den südlichen Zipfel der F r a n c h e - C o m t é , sowie die Kantone W a l l i s , F r e i b u r g , G e n f , W a a d t . (größtenteils), vgl. dazu ALF, Karte brebis: feltr. fea (AGI 1 , 4 1 4 ) , friul. fède — pecora che ha figliato, Erto: feda, daran anschließend ein weites zusammenhängendes Gebiet: Colle, Zoldo, Ampezzo, Auronzo, Gomelico, Cimolais, Forni di sopra, Tramonti, Maniago, Clauzetto, Prédàzzo am Avisio, Vigo, Ober-Fascha (vgl. dazu ZRPh 16, 319), Unter-Fassa: feida (AGI 1, 3 5 0 ) , fçidg (diese Form nach GARTNER, Grundriß 2 613), judik. fida (AGI 1, 313), Spiazza, Pelugo, Villa (Rendena), Vord. Iudik., Roncone, Lardaro, Praso (V. Bona), V. di Sarca: feda, Pinzolo, Strembo: fida, V. diLedro: fea, Fleims: fèda (SCHNELLER), Bormio: feda (auch = sacco di pelle pecorina), vaiteli, feda (auch = vello di pecora), unt. bergell. feda} altmonferr. fèja, pl. fèji (Renier, Gelindo) neben dem Vertreter von PECORA (vgl. §10), piem. fèa, fêia (allgemein verbreitet, auch schon in den gallo-ital. Predigten, ed. FÖRSTER vorhanden: fea), valsoan. féa (AGI 3 , 8, 4 9 ) , Pral (WaldensJ feo (AGI 11,331, B. GLOSS ro, 60), Torre Pellice:"fé (AGI 11 5 379); sodann: nizz. féa (Rom. Forsch. 9, 350), nach Pell, auch feja, menton, fea, apro Y. feda, fea1, prov. lang, fedo, feda, feo, fea, Gilhoc (Ardèche): fio, hier und da auch in Ortsnamen, z. B. Las Feas bei Nizza (Ann. AlpesMar. 18, 267), dauph. faya, feia, Mons-la-Tour (Hte Loire): fèda (RPhF 25, 142), stéph. feya, lyonn. for. feya, faya (in Lyon im 14. Jahrhundert belegt: feyes, Rom. 1 3 , 5 8 9 , ebenso für das dép. Ain: feyes, s. MEYER, Doc. ling. ' 1 6 3 ) , Saint Genis-les-Ollières: fàya (RPhF 2, 2 7 , 1 9 8 ) , Létra (Rhône): fèya (RPhF 2, 135), tarent. sav. jïà (und-andere Formen, vgl. Const.Désorm. s. v., fèe schon in einer Urkunde von 1 6 4 0 , BRUCHET, Ripaille 6 0 7 ) , 1 Vgl. den von Du G A N G E aus einer Urkunde von A P T vom Jahre 1 0 9 7 beigebrachten Beleg von feta : dabo per gaudium ipsum vasculum plenum vino puro, et fêtas très, et capras duas. — Vereinzelt ist apr. feda in die katal. Dichtersprache übergegangen, so feda inj Roman de Blaquerna (13. Jahrhundert,; Rom. 6, 520).

Zur Benennung des Schafes in den romanischen Sprachen.

25

valdôt. feya, Schweiz. 1 faya, faye, so schon in einem Text von 1400 aus Freiburg (Gdf), jetzt Kantone Waadt, Wallis, Genf, Freiburg, Neuenburg, fr.-comt. faille, feille. Vgl. zu allen diesen Formen auch die oben erwähnte Karte des ALF. Mit der Bedeutung Schaf finden sich auch noch einige von F E T A 2 abgeleitete Wörter: -ITTU: Tarentais fiat, apr. fedetta (hier »petite brebis«), Schweiz, fayéta »jeune brebis« (Waadt, Wallis, Freiburg, Neuenburg, Bern: fodyàt) piem. feassa (-AÇEA) »pecoraccia«, valsoan. (gergo) fejüs'ci, apr. fetans »brebis«, noch heute pr. fedan s. m. (-amen) »les brebis en général« (Azaïs) saY.fian »brebis« (Andrevetan, vgl. R O L L A N D ) , Lens (Wallis): fian »Schafherde« s . 19. Die P y r e n ä e n h a l b i n s e l und W e s t g a l l i e n endlich wählten OVICULA. Das wird uns für das erstgenannte Gebiet nicht besonders verwundern, hat doch schon M E Y E R - L Ü B K E , Rom. Gramm. II, § 422 auf die Vorliebe jener Gegend für das Suffix-ICIJLA, sowie auf die Leichtigkeit aufmerksam gemacht, mit der dort die ursprüngliche Diminutivbedeutung der damit gebildeten Wörter verblaßt. Hier war also OVICULA als Ersatz gegeben. Schwerer zu lösen ist das Problem für W e s t g a l l i e n . Es liegen hier wohl alte Wanderungen vor, deren weitere Spuren vorläufig noch im Dunkeln liegen. W i r können nur soviel sagen, daß diese Teilung Frankreichs eine alte zu sein scheint. Das Datum des definitiven Erlöschens von OVIS kann nach dem § 11 gesagten wohl ziemlich weit heruntergeIn den Alpen auch oft in Ortsnamen : La Câte-aux-Fées, Saas-Fee u. a. (vgl. J A C C A R D ) . — Für die Westschweiz wurden mir von Herrn Prof. G A U C H A T in zuvorkommender Weise die Materialien des Glossaire zur Verfügung gestellt. Vgl. dazu jetzt T A P P O L E T , Arch. 131, 8 7 . 2 Die um F E T A sich gruppierende Wortfamilie ist nicht sehr groß : waadtl. freiburg. fahir, fahira »berger, -ère« friul. fedàr »pecoraio«, fedarìe »fabbricazione del formaggio pecorino«, altbell./ecfera »ovile« (Cavassico), ven. federa »ovile« (vgl. über dazugehörige Ortsnamen P R A T I , RDR 5 , 1 0 7 ) ; valdôt. feyë (-an) »Schafhirt«; Wallis, fayeron, faytronda »berger, -ère«, Ormont Dess.: fiyhranda »bergère«, waadtl. freibg. fayaire »Schafweide«. Les Fourgs: fayots, f. »une troupe«; ziemlich verbreitet ist das Verbum, vgl. M-L., R E W 3 2 7 0 . 3 Zu andern Bedeutungen von F E T A vgl. M E Y E R - L Ü B K E , R E W 3 2 6 9 , zu FETUS und dessen Verbreitung ibid. 3 2 7 3 . Das pg. fedegosa »Schafpelz«, das C . M I C H A E L I S D E V A S C . Kr. Iber 4, 339 erwähnt, gehört nicht zu FETA, sondern zu p g . f e d e r »stinken« FOETERE. Zu ergänzen ist pelle-, die Grundbedeutung war also »stinkendes Fell«. Dieser Name wird wohl unter den Hirten aufgekommen sein, die nur schlecht gereinigte Felle frisch geschlachteter Schafe als Kleidung benutzten. Arch. Trad. Pop. 7, 510 wird aus Nicosia (sizil.) ein feteddari »proprietari che posseggono mandrie- beigebracht, das wohl ebenfalls zu FETUS, nicht zu FETA zu stellen ist. 1

PMl.-hist. Abh. 1918. Nr. 10.

4

W .

VON

A V A II T B U K S !

setzt werden (vielleicht ins 5. Jahrhundert), und im 8. Jahrhundert zeigen uns die ersten Kapitulare und Rodel schon die genannte Verteilung. dazu auch das § 11

Vgl.

Gesagte.

20. O V I C U L A hatte sich im Mittelalter auf der ganzen Pyrenäenhalbinsel sowie in der anschließenden Westhälfte von Frankreich festgesetzt: altspan. oveia, altaragon. ouella (14. Jahrhundert,

Heredia, vgl. Rev. hisp.

16, 252: como lobös qui corrm sobre las ouellas), altcat. ovella (vgl. z. B. eine Urkunde aus dem Pfarrarchiv von Segura 1 vom Jahre 1580: que si volran tenir ovelles de venire (= Mutterschafe, heute ovettes de cria), no pugue esser lo remat mes de sexanta caps), apr. ovella. oeille2,

oaille aus Anjou, Poitou, der Normandie, Pikardie und aus

anglonormannischen P.

MEYER,

78) 3 .

Die altfranzösischen Belege für

Rom 38, 67, Vers 5 5 4 ; und Lai du Conseil, ed. A.

In allen

dem

(vgl. Gdf., dazu noch das anglonorm. Lapidaire, ed.

diesen Gegenden

BARTH,

Vers

ist ouaille im 12. und 13. Jahrhundert

das für Schaf durchaus gebräuchliche W o r t .

Im 8. bis 9. Jahrhundert war

dies zum Teil auch für die Ile-de-France der Fall, wie das

Polyptique

d'Irminon 1, 3 1 6 lehrt: od tertium annum solvunt oviculas X V I I (0. hat hier den Sinn von »Mutterschaf«).

Noch

GARNIER,

der aus Pont St. Maxence,

also vor den Toren von Paris, stammt, braucht ouaille. alter teilten sich also O V I C U L A

und F E T Ä

Im früheren Mittel-

in das Gebiet Frankreichs,

und zwar auffallenderweise durch eine von Norden nach Süden (statt, wie gewöhnlich, von Osten nach Westen) gehende Spaltung.

Beide hatten denn

auch das gleiche Schicksal: sie wurden durch V E R V E X (>brebis) nach Süden zurückgedrängt.

W ä h r e n d aber F E T A

spurlos

langsam

verschwand,

1

Freundliche Mitteilung von Herrn Dr. A. GRIERA.

2

Diese Form nach Gdf. auch als adj. »qui est de l'espèce de la brebis«.

3

Der aus dem Lyonnais stammende Aimon de Varennes braucht in seinem Roman

Florimont ebenfalls oeille.

Es darf jedoch diese Form nicht als Zeuge eines lyonn. *oeille

angesehen werden, denn Aimon bemüht sich, gut französisch zu schreiben und entschuldigt sich sogar ausdrücklich, daß F-ranzösisch nicht seine Muttersprache sei. in seinem Gr. II, 58g. —

Vgl. dazu GRÖBER

In dem von L. JORDAN in den R F 16 publizierten afr. Prosa-

lapidar steht S. 396—397 : ovaille prains, hierauf toit as brebis, so daß man für diesen für ostfranz. gehaltenen Text ovaille »Mutterschaf« neben brebis »Schaf im allgemeinen« interpretieren könnte.

Doch folgt gleich darauf por quoi les brebis en sont miex laitieres, wo brebis also

»Mutterschaf« bedeuten muß. logischer Beziehung

Tatsächlich bietet der Text auch in lautlicher und morpho-

eine Mischung von

verschiedenen Elementen (lothr., champ., franz.,

pikarcl.), so daß er in keinçr W ç i s e vorstehende Darlegung zu entkräften vermag.

27

Zur Benennung des Schafes in den romanischen Sprachen.

rettete sich ouaille1' in die Kirchensprache und blieb so im Schriftfranzösischen erhalten. 21. Heute findet sich OVICULA noch: pg. ovelha, galiz. ovella, span. oveja, cat. ovella, gase, auelho, aulhe1. oelhe, olhe, gwelho (RLR46, 350, Bagneresde Luchon), limous. (Tülle) ouillio, saint. oueille, die gleiche Forrli im Centre und in Blere (Rom..1,89) poit. ouaille (Chef-Boutonne, Bourges), oueille, ang. ouielle, bret. öveille (Orgeres, Ille-et-Vil.), bas-manc. wdy, wey (ChäteauGontier) Yonne: oueilles (pl.), haut-manc. ouaille3. Dieser am weitesten noch nach Norden ragende Vertreter von OVICULA ist schon nicht mehr allgemein im Gebrauch. D E MONTESSON sagt: »nous employons e n c o r e q u e l q u e f o i s ce mot«. — Altfranzösisch findet sich noch owaillinei »brebis« im Roman de Horn. 22. W i r gelangen zum letzten größern Wortgebiet unserer Karte: BERBIX. Das lateinische V E R V E X bedeutete »Hammel«, und in diesem Sinne

LITTRÉ

1

bringt noch zwei neufranzösische Belege für ovaille = Schaf.

D o c h kann

keiner ein Fortlehen des W o r t e s in seiner eigentlichen Bedeutung beweisen : M m c gebraucht

es mit ironischer Absicht und

LA

FONTAINES

DE

SÉVIGNÉ

Vorliebe für Dialektausdrücke ist

bekannt. Ossau hat aulhe (Passy, Ossalois p. 9 2 — 9 3 ) ; diese Form w i r d von

2

MILLARDET

(Ann.

Midi 18, 99, Et. de dial. land. 6 1 — 6 4 ) , wohl unnötig, durch Suffixwechsel erklärt: * O V U C U L A , ebenso a. gase, aolha (cf. P. TARBÉ

3

MEYER,

Rom 4, 464).

bringt eine oeille für Marne bei. D a er aber seine Quellen keiner genügenden

•— oder besser gesagt gar keiner —

Kritik unterworfen hat, dürfen w i r aus dieser ver-

einzelten Form keine Schlüsse ziehen auf ein ehemaliges Vorhandensein von O V I C U L A in der Champagne. V g l . zu der Art von Glossaire de la Forêt de Clairv-aux.

TARBÉS

Materialsammlung die scharfe Kritik in

BAUDOUINS

St. Pol. wäl kennzeichnet sich schon durch die Über-

setzung »ouaille« als nicht volkstümlich. 4

oülM,

Z u O V I C U L A : - A R I U S : altgask. ovelhier, gask. awèté ( A L F 128 berger) béarn. aulhe,

fem. aulhère

span. ovejero »Schafhirt»,

davon

auch

gask. auterete »bergeronnette«

( A L F 1460) - A T A : altgask. ovelhada »Abgabe, bestehend aus Schafen«, béarn. aulhade, Gers.: aoueilhado

»troupeau

de brebis«; a. béarn. ohhimi s. m. sg. »les brebis, la race ovine«.



Hierher gehört auch das im Dép. Gers gebräuchliche aoueilha v. a. »terminer, placer le faîte d ' u n e meule de gerbes ou de paille«. Die V e r w e n d u n g von Tiernamen und Bezeichnungen anderer Lebewesen scheinung: Vgl. HORNING,

zur Benennung von Getreide- und Heuhaufen ist eine bekannte Er-

SAINÉAK,

Chat p. 29, 59 (aber auch 118); id., Chien p. 36, 62, 99, 105, 128,

Z R P h 27,149, sowie frc. louvnton »petit tas de foin dans le pré« (Mesnay, R P h F 14,54),

bourg, sœvrawt »petit tas de fourrage« < C A P R A + - O T T U (Bourberain, R P G R 2, 268), bess. d'mouézéle

»réunion de 3 ou 4 javelles placées debout les têtes liées ensemble«,

Alençon:

bonhomme »3 gerbes un peu obliques au sol et se touchant en haut pour supporter une 4i™c gerbe horizontale« (RPhF 7, 201). 4*

28

W.von Wartbükg:

ist es auch noch im obwald. berbeisch, sowie im rumän. berbéce, ar. birbek, birbeatse, megl. birbçtsi, istrorum. birbelse erhalten. — In Frankreich nun geht es zuerst über zur Bedeutung: »Schaf im allgemeinen« 1 . Sie wird belegt durch die oben § 12 am Schluß zitierte Stelle aus dem Polypt. de St. Rémi, sowie durch viele Beispiele aus den Leges Burgondionum (Mon. Hist. Germ.), so pag. 96: si vero minora furta, idest: porcurn, vervecem, capram_, apem involaverit; p. 109: in quolibet tempore minora animalia, id est: capra} vervices aut porci in vinea inventa fuerint. . ; p. 112: quicumque mancipiumj caballum bovem, vaccam, equamvervicemporcurn, apem aut capram perdiderit, et ei veius \extiterit\; donet veio ipsi pro mancipio solidos V pro vacca solidum Ij pro vervice solidum I. . . . pro capra tremisse. Sowohl auch Stat. Corb. cap. 5: quintam decimae de pecudibus; id est in vitulis-, in berbicibus . . . ., und in einem Kapitular Karls des Gr. vom Jahre 769 (Capit. Regum Franc. Bd. I, p. 61, Admonitio generalis): . . . nee berbices tundere habeant licitum. — Der älteste Beleg für Y E R Y E X »Schaf im allgemeinen« stammt aus Südwestfrankreich, von Marcellus Empiricus. Während in seinem De medicamentis liber 2 , Cap. 1, 88, OVICULA ausdrücklich dem ARIES gegenübergestellt wird, also »weibl. Schaf« bedeutet, gebraucht er Kap. 22, 39 BERBIX, wo es sich um das Schaf im allgemeinen handelt. Dieser Gebrauch entspricht genau dem, was wir auf Grund der heutigen romanischen Formen und Bedeutungen erwarten müssen (s. § 5 , 2 0 — 2 1 , 23). Angesichts der parallelen Bedeutungsverschiebung in F r a n k r e i c h und in S a r d i n i e n (§ 25), die auf jeden Fall schon ins frühe Mittelalter zu setzen ist, erhebt sich die Frage, ob nicht schon im spätem Latein überall 1

Das Polyptique de St. Rémi zeigt auch in prächtiger Weise, wie die beiden Be-

deutungen »Hammel« und »Schaf im allgemeinen« ander bestanden

haben:

Kap. 28,69

wenige

(wie j a heute bei fr. moutori) nebenein-

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zitierten Stelle lesen

w i r : ad tertium annum donat anniculum I, et devimam de verveeibus; et, si verveces non habent, donant fœlam cum agno, aut multonem I de tribus annis. 2

Kap. 1, 88: Lanam oviculae deinter femora velles

Kap. 22, 39: De lupi praeda, id est de reliquiis

Lanam arietis de fronte velles

berbicis aut caprae aut cuiuslibet

quam comederit, i arnein vel pellen vel os cotlige et serva.

animantis,

Man wende nicht ein, daß in der

letzten Stelle B E R B I X nach Analogie von C A P R A das Muttertier bezeichnen müsse, denn die weibl. Ziege ist zu allen Zeiten das einzige wirkliche Gebrauchslier gewesen und capra infolgedessen auch immer als genereller Ausdruck verwendet worden.

Auch macht es j a

der Sinn des Satzes absolut unmöglich, nur das »weibl. Schaf« als Bedeutung von B E R B I X anzunehmen.

Damit werden auch die Ausführungen von

Sachen 6,122, sowie von

GEYER,

A L L 8,474 hinfällig.

JUD

und

SPITZER,

Wörter

und

Zur Benennung des Schafes in den romanischen Sprachen.

29

VERVEX »Schaf im allg.« bedeutet habe. Die einzige wirklich beweisende Stelle ist die oben aus Marcellus angeführte. Was G E Y E R , ALL 8,474, a u s merowingischen Urkunden beibringt, ist natürlich durchaus eindeutig lokalisiert und darf nicht als eine allgemein lateinische Erscheinung aufgefaßt werden. Auch die Belege bei R Ö N S C H , Semas. Beitr. 1 , 7 6 , erlauben durchweg beide Definitionen »Hammel« und »Schaf im allg.«. Ebensowenig lassen sich die Glossen als entscheidend anrufen: das Lemma TTPÖBATON, das meist erscheint, ist eben selber zweideutig, da das griech. Wort einen ähnlichen Bedeutungswandel durchmachte. Sicher belegt ist also VERVEX »Schaf im allg.« für Gallien seit dem 5. Jahrhundert, für Sardinien seit Beginn der schriftlichen Überlieferung. Ein definitiver Entscheid ist in dieser Frage vorläufig nicht zu treffen. Sollte es sich erweisen, daß der Vorgang in Sardinien und in Frankreich 1 auf einer gemeinsamen lateinischen Grundlage beruht, so wäre die unter § 23 vorgetragene Auffassung der Geschichte von VERVEX in Frankreich teilweise unrichtig. Obgleich diese Bedeutung »Schaf im allgemeinen« dem Wort noch lange erhalten blieb, tauchte doch in der karoling. Zeit daneben eine andere, speziellere auf: »Weibliches Schaf, Mutterschaf«. Zum erstenmal begegnet sie uns im C a p i t u l a r e d e V i l l i s vom Jahre 800 (ungefähr), vgl. loc. cit. I, p. 83 : Volumus ut non praesumant iudices nostram familiam in eorum servitium ponerej non corvadas, non materia cedere nec aliud opus sibi facere cogantet neque ulla dona ab ipsis accipiant, non caballum, non bovem} non vaccam} non porcurrij non berbicem, non porcellum, non agnellum nec aliam causam, nisi buticulas et ortum, poma, pullos et ova. Hier wird berbix deutlich von agnellus unterschieden: es ist das ausgewachsene Tier. Noch deutlicher sind die Stellen im B r e v i u m e x e m p l a ad describendas res ecclesiasticas et fiscales, etwa ums Jahr 810 (ibid. p. 252): Repperimus vitulos F, vervices LXXXVI1, agnellos XIV, pag. 254 (auch Inventar eines Bauernhofes): . . . verres V, vervices cum agnis GL> agnos annotinos (7(7, arietes (7XX, capras cum hedis XXX . . v p. 255: verbices cum agnis LXXXj agnos anniculos LVII, multones LXXXI1, 1

Ein Fall, in dem Sardinien und Frankreich einen gleichen Bedeutungswandel unabhängig vollzogen haben, liegt wohl vor in vi IIa > fr. vitte, nuor. bidda »Stadt« (Arch. Trad. Pop. 15, 239), da kaum anzunehmen ist, daß algher. vira »Stadt, bis nach Nuoro hinein gewirkt habe. Ebenso wird man wohl kaum die dem französischen und dem sardischen gemeinsame Metathese scintilla > *stincilla auf einen gemeinsamen Ursprung zurückführen wollen.

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W. v o n W a e t b o s g :

capras cum hedis XV, anniculos XV...

anniculos VIp.

256: putrellas trimas X, bimas XII

vervices cum agnis GL, anniculos CG, multones VII, capras cum

hedis XX, anniculos XVI.

Hier sind zweifellos die vervices cum agnis die weib-

lichen trächtigen oder vielleicht

säugenden Tiere,

die Mutterschafe,

im

Gegensatz zu den agnos anniculos (»Lämmer«), den multones, und arietes (»Widder« und »Hammel«). — . Ähnliche Belege bietet uns das P o l y p t . F o s s a t e n s e : vervecem cum agno (vgl. Polypt. d'Irminon 2, 183 und passim). Schon in vorliterarischer Zeit drang BERBIX »Mutterschaf« in den nordöstlichen Provinzen gegenüber F E T A durch, während es im Nordwesten erst seit dem

13. Jahrhundert festen Fuß zu fassen begann.

So gebrauchen

noch die Lois de Guill. le Conq. berbix als männl. Subst., messen ihm also die Bed. »Schaf im allg.« zu (ZFSL 15 11 , 249). 23. W i e bei der Besprechung der Ableitungen unter § 27

gezeigt

werden soll, war Y E R Y E X im früheren Mittelalter auch in Südfrankreich vorhanden.

Die Bedeutung muß aber auch hier »Schaf im allgemeinen«

gewesen sein.

V g l . die von Du Cange zitierte Stelle aus Ugutio et Joannes

de Janua: berbex et berbicus, aries castratus, et haec berbica, oois.

Ein eindeutiges

W o r t (»Hammel« oder »Mutterschaf«) wäre nicht in zwei gespalten worden. Umgekehrt zeigt diese Spaltung wieder, wie sehr die Sprechenden einen allgemeinen Terminus für »Schaf« als Ballast empfinden. sich denn, daß ein solcher überhaupt aufkommen konnte?

W i e erklärt es Ein Blick auf

die Karte Hammel weist uns den W e g : In beiden Gallien stieß lt. V E R V E X »Hammel« auf ein kelt. W o r t : *MULTO.

Der Hammel als das wichtigste 1 ,

das Gebrauchstier in der Schaffamilie war zu eng mit dem Leben eines jeden Bauern verknüpft, als daß sich der Name dafür durch den lateinischen Neuling hätte verdrängen lassen'2.

Infolgedessen wurde nun seinerseits das

Am widerstandsfähigsten gegenüber den Einflüssen einer Schriftsprache zeigen sich einerseits die mit dem täglichen Lehen und Arbeiten des Landvolkes eng verbundenen, häufig gebrauchten Wörter, anderseits die seltenen, nur bestimmten Klassen der Bevölkerung bekannten, während die »mittleren« W ö r t e r am raschesten erliegen. So erklärt es sich, warum uns die Karte »Mutterschaf« ein fast rein lateinisches Bild zeigt, während die Karten »Hammel« und »Widder« recht viel vorlateinisches Gut aufweisen. 1

Ein Blick auf die von Meyer-Lübke, Einf. p. 39—44, zusammengestellten, aus dein Gallischen herübergeretteten Wörter lehrt, wie überraschend viel landwirtschaftliche Ausdrücke dem römischen Sieger getrotzt haben, auch ein Hinweis darauf, wie hoch entwickelt und wie verschieden von denen der römischen Kolonen die gallische Landwirtschaft lind Viehzucht gewesen sein müssen. 2

Zur Benennung des Schafes in den romanischen Sprachen. VERVEX

der italischen

abgedrängt 1 .

Kolonen

und

Soldaten

seiner

Bedeutung

Da alle Einzeltiere der Schaffamilie schon ihren Namen hatten,

erhielt es die Bedeutung »Schaf im allgemeinen« 2 . wichtigste

aus

31

Tier

ist,

ziemlich leicht.

vollzog

sich

Da der Hammel das

dieser Bedeutungsübergang

jedenfalls

A l s nicht durchaus notwendiger Terminus gelangte dann

V E R V E X mit der Zeit wieder in Vergessenheit.

Seine Erhaltung im Norden

verdankt es nur dem Umstand, daß es ihm gelang, sich in der Kanzleisprache der königlichen V e r w a l t u n g in der Bedeutung «Mutterschaf« einzuschleichen 3 und so im Dialekt der Hauptstadt sich an die Stelle

von

O V I C U L A zu setzen (s. die Belege oben § 22). V o n da aus war es ihm dann ein leichtes, getragen von der Schriftsprache den Norden fast ganz zu erobern 4 . 24. Heute herrscht brebis in allen nordfranzösischen Dialekten, ausgenommen Anjou, Poitou und Saintonge (hier ist das von Eveillé erwähnte berbis, barbis natürlich in neuerer Zeit importiert, ebenso barbi in Puybarraud, R P G R 3, 190).

Merkwürdigerweise

kennen außer der Schriftsprache

nur

die normann. Dialekte v o n L a H a g u e und A u r i g n y (norm. Inseln) di Metathese des r, alle anderen haben die Form berbis.

Sonst ändert das W o r t seine

Gestalt nur sehr wenig. W i r geben daher im folgenden bloß ein paar seltene Varianten: St. Pol: barbi (RPGR 3, 305), Malmédy: bürbü (ZRPh 1 7 , 4 2 4 ) , Les Vouthons: borbie, Bourberain: boérbi (RPGR 3,42), Saóne-et-Loire: beurbis (RPhF 4, 116), mow. beurbi, barbi '.

Für die genauen Formen vgl. die Karte

brebis des A L F . W i e wir sehen, ist das Resultat der Kämpfe zwischen den

1

Auf einen ähnlichen Fall macht

JABERG,

Arch. 126,376 n.

1

aufmerksam.

Die Kölner Glosse: berbiz dicitur aries castratus scilicet hamil (12. Jh., Z d Ph. 11, 292) bezieht sich trotz der romanischen Form des Wortes auf dessen Bedeutung im klassischen Latein. 3

A u f welchem AVege sich in der königlichen Kanzlei dieser W a n d e l vollzogen hat,

ist schwer zu sagen.

Hat vielleicht die mangelhafte Sachkenntnis der Schreiber hier eine

Rolle gespielt? 1

Was

DAUZAT,

R P h F 28, 177 fi', über die Geschichte von vervex-ovicula-fveta in Frank-

reich vorbringt, ist zu wenig auf dem Boden der für uns erreichbaren Tatsachen aufgebaut; immerhin sei darauf hingewiesen, daß einzelne seiner Ausführungen sich mit den Ergebnissen meiner Arbeit ganz oder teilweise decken.

Die Diskussion dei' vielen Punkte, in denen

unsere Ansichten auseinandergehen, wird durch die vorangehenden Seiten überflüssig gemacht. Eine bei

den Haustieren

sehr häufige Bedeutungsübertragung

zeigt bess. bérbi

»poutre du pressoir. sur laquelle repose l'émoué«, norm, brébis »pièce du pressoir à cidre placee sous le grand a.rbre« (Moisy 671). — Interessant ist das aus berbis abgezogene Rufwort herb berb, das in Bonneval (Eure-et-Loir) von den Hirten zum Locken der Schafe verwendet, wird (^NTéni. Roc. A.nt, France 2,422).

82

W .

VON

W A E TB U R G :

drei zuletzt behandelten Wörtern die Dreiteilung Frankreichs, die uns heute der Atlas zeigt : Norden : brebis, Südwesten : ovicula, Südosten : feta. — Eine auffallende Parallele zur Bedeutungsentwicklung von brebis bietet mouton. Eigentlich den Hammel bezeichnend, ist es in der heutigen Sprache ein Sammelname für die ganze Schaffamilie geworden, neben dem allerdings die alte Bedeutung noch weiterlebt. moütonnef)

Heute taucht nun mouton (und daneben

schon an verschiedenen Punkten auf der Karte brebis, also als

Benennung des weiblichen Schafes auf. — Einen ähnlichen V o r g a n g zeigt vielleicht auch das deutsche Schaf,

dessen Geschlecht wenigstens

darauf

hinweist, daß es nicht von Anfang an das weibliche Schaf bezeichnet habe. Der alte Name lautete übrigens aue, entsprechend lat. ovis, griech.

Ö(F)IC.

25. Der Bedeutungsschub von V E R V E X , den wir hier in F r a n k r e i c h beobachtet haben, wiederholt sich ganz unabhängig davon in S a r d i n i e n : campid. brebèi, logud. berveghe, barvèghe, dazu brébeixedda »pecorella«, Tiesi (log.) èlveghe »pecora«, elvegalzu »pastore« (Arch. Trad. Pop. 13, 253).

Auch

hier ist der W a n d e l schon sehr alt: in den Statuti della Repubblica Sassarese aus dem 14. Jahrhundert

finden

sich schon: bebreche, berbeche, beruegues,

verueges »pecore«, auch alt campid. berbeis de madriedu »pecore che hanno già figliato« (Stud. Rom. 4, 244).

Hr. Dr. M.

L. WAGNER

hat die Güte, mir

mitzuteilen, daß das W o r t im Sard. durchaus »Schaf im allgemeinen« bedeutet, daneben auch »Mutterschaf«, und daß zur Verdeutlichung in letzterem Fall in log. auch etwa madrige beigefügt wird (berfjége m.). A u c h in den Antiche Rime Genovesi (AGI 8, 331) kommt berbixi — pecore vor, ebenso im katalonischen berbitz — oveja (von altet bezeichnet).

LABERNIA

als ver-

Das letztere ist sicher, der Form wegen, das erstere sehr

wahrscheinlich aus dem Französischen entlehnt. im Altprovenz, nur zweimal vorkommende

Ebenso ist entlehnt das

berbitz1

: bei

G I R A U T DE

BORNELH

heißt die Stelle: Ar es pretz de raubar Buousmotos 1

Immerhin

zeigen die unten

e berbitz

(§ 27) besprochenen

prov. Ableitungen

von vervex,

daß dieses W o r t noch längere Zeit in Südfrankreich existiert haben muß, und zwar als der allgemeine Ausdruck für Schaf,• nicht der spezielle für Mutterschaf.

Darauf weist schon die

Bedeutung jener Derivate hin, besonders aber auch der bereits erwähnte Umstand, daß die beiden gut lateinischen ovicula und feta Südfrankreich restlos unter sich aufgeteilt haben. F ü r jene letzte Stufe der Bedeutungsentwicklung blieb also hier kein Raum.

Zur Benennung des Schafes in den romanischen Sprachen.

33

In der Chanson des Albigeois, Vers 8875 findet es sich als Wappentier. Das heutige bearnesische besitzt berbit, brebit, natürlich Import aus dem Norden. Das italienische bèrbice endlich ist ein nicht volkstümlich gewordener Latinismus. 26. Von BERBIX 1 abgeleitet sind: Brillon (Meuse): borbin ~ brebis, Punkt 199: berbe, Montfaucon (Hte. Loire): barbino (RLR 33, 403), Möns: berbotte, bourbotte = vieille brebis, -Punkt 292: berbot, Montjean (ang.): brebiette — petite brebis, das gleiche Wort in verkürzter Form in Chef-Boutonne (poit): briette, poit. brebial »brebis en général«, dazu bas-lim. berbialho »bêtes à laine en gén.«, saint, brebiaille »troupe de brebis«, aber auch »mauvaises brebis«, Sardent (Marche): berbiaillo »allg. pejorativer Ausdruck für die Schafe« (RLR 15, 113), morv. barbaille »race ovine en gén.«; Porrentruyr berbigeattes s. f. (auch übertragen »Schäfchenwölken«), vielleicht auch poit. beurlin, breiin, » brebis «, beurlinage » nom collectif pour les veaux et les moutons «. 27. Nun finden sich aber eine Reihe von anderen Wörtern, die auf BERBIX zurückgeführt werden, zum Teil ohne daß die Dialekte, denen sie angehören, dieses Wort besitzen. Es handelt sich um afr. nfr. bercail (aus den normannischen Mundarten stammend), auch A L F 451 : berkay de pu = toit à porcs (p. 64 Bern), afr. bercheril (Rom. 39, 228) »bercail«, morv. beurlin, lyonn., ben. berlin-, brelin, bas-manc. bardin s. m., hautmanc. bardine s. f. — pou de mouton, berr. creus. barjau, Vallée d'Yères : bercail, pr. berbial, apr. berbegal (Rom. 39, 205 und zu allen diesen Wörtern T H O M A S , Mélanges 29) = id., béarn. barguerou = parc de brebis dans un champ. Nun kennen aber diese Dialekte, sowohl das normannische (das ja ursprünglich OVICULA besaß, s.. oben) wie auch das provenzalische ein W o r t : berco, bercho (Dauphiné), bearcho (Alpes) »brebis qui a perdu ou qui commence à perdre les dents de devant« (der Ausfall der Zähne beginnt etwa im 6. Jahre). Hierzu gehört auch norm, berque »vieille brebis«, Eure: berques »mauv. moutons«, Val de Saire: bërc »mauvaise brebis«. Davon abgeleitet eine Reihe von neuen Wörtern, die sich zum Teil auf Gebieten befinden, welche das Primitivum aufgegeben haben: Val de Saire: bërcal » brebis«, L a H a g u e : berça »animal mâle ou femelle de l'espèce ovine«, bess. bèrkat »mauv. brebis« (Bull. pari, norm. 201), Bray: bercailles »moutons maigres et de mauvaise qualité«, Guernesey: berquène »brebis de deux ans et de deux dents«, poit. bergotte 1

ronnetu

Auf eine' Darstellung der um BERBIX sich gruppierenden Familie (fr. berger, bergeusw.) verzichte ich aus Rücksicht auf den Raum.

Phil.-hist.

Abh. 1918.

Nr. 10.

5

34

W .

»brebis déjà vieille«

VON

(inCivray,

WARTBURG

Poitiers),

bregotte, bregosse1

»mauvaise

brebis, de peu de valeur« (Vienne und Deiix-Sèvres), brejolle »bête vieille et maigre«, ferner: Guernesey: berçasse »èhair de mouton«,

Y o n n e : bergasse

»brebis, moutons réunis en un certain nombre«, bess. bèrcale

»mauvaise

viande de mouton«, Y a l de Saire: bërcateu »marchand de moutons«, Y o n n e : -bergeas, bargeat » troupeau de moutons «, centr. bergeat » brebis «, La Puisaye : lot debergeat »troupeau de moutons« (Ann. Y o n n e 1862, 133), h. manc. bergeas »bélier châtré«. — MEYER-LÜBKE

II, § 355 hat diese Sippe als Primitivbildung zu berkal'
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Nr.

10.

K. Prevß. Ahad. d. Wissensch.

Legende

W, VON

WARTBDRG:

Zur Benennung des Sc

Taf. II

des Schafes in den romanischen Sprachen. Taf. II.