Zum Versailler Vertrag: Ein Wort an das bayerische Volk und dessen Vertreter [Reprint 2019 ed.] 9783486722147, 9783486722130


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German Pages 19 [20] Year 1870

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Einleitung
I
II
III
IV
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Zum Versailler Vertrag: Ein Wort an das bayerische Volk und dessen Vertreter [Reprint 2019 ed.]
 9783486722147, 9783486722130

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Versailler Vertrag. Em Wort an das bayerische Bott und dessen Vertreter.

München, 1870. Rudolph Oldenbourg.

Niederreissen ist leicht — aufbauen schwer. Leicht war es, das alte morsche aus einer Unzahl von Mitgliedern — Reichsständen, Churfürsten, Reichs­

fürsten ,

Reichsprälaten, Reichsgrafen,

Reichsstädten,

Reichsritterschaften, unmittelbaren Reichsgliedern, mit­

telbaren — und Landständen, Reichskreisen rc. besteh­ ende heilige römische Reich zu zerstören, und damit das

Band zu lösen, welches

die deutschen

Stämme zu-

sammenfafsen sollte, das aber stets lockerer und lockerer wurde.

Ohne die Welt zu erschüttern, brach die ehemals erste Macht der Welt im Jahre 1806 zusammen.

Aus den Kurfürsten- und Herzogthümern erhoben

sich Königreiche und Großherzogthümer als Vasallen

des französischen Cäsaren. Als auch das

von diesem aufgethürmte Gebäude

durch das Zusammenwirken der europäischen Völker und

insbesondere durch deutsche Kraft zertrümmert

wurde,

stellte sich von selbst für die deutsche Nation wieder das Bedürfniß fest — nun den verschiedenen Stämmen ein

einigendes Band zu schaffen, und diesen Bestrebungen

1*

4 der Diplomatie ist die Entstehung der deutschen Bundes­ akte zu danken.

Auch dieses Band ist durch die kriegerischen Ereig­ nisse vom Jahre 1866 zerrissen worden.

Heute, wo es sich um eine neue Gestaltung von Deutschland handelt, ist es Pflicht aller derjenigen, welche

hiezu mitzuwirken berufen sind, sowohl das historisch gewordene deutsche Staatsrecht als die wenigerbauliche

Geschichte

über die Entstehung der deutschen Bundes­

akte zu studiren, ehe sie, ehe Bayern zum zweitenmal

das Beispiel gibt, daß zwar die Schöpfung eines staats­

rechtlichen Bandes unter den deutschen Stämmen ge­

hindert, aber die von

allen Parteien als ihr Pro­

gramm betonte Einigung Deutschlands

nicht bewerk­

stelliget zu werden vermochte.

I.

Nach der Eidesformel, welche der deutsche Kaiser nach den Bestimmungen der Wahlcapitulation zu be­

schwören hatte, mußte der Kaiser die Kirche und Reli­

gion beschirmen, das Reich nach allen Kräften schützen,

erhalten und vermehren,

Churfürsten und Stände bei

ihren Hoheiten, Freiheiten, Regalien und Gerechtsamen nicht nur laffen, sondern auch handhaben, gegen benach­

barte Potentaten sich ftiedlich betragen und ihnen zu Feindseligkeiten gegen das Reich keinen Anlaß geben.

Wenn auch der Kaiser im Namen des Reichs ohne

deffen Mitbewilligung weder einen Krieg anfangen, noch

die Reichstruppen aus dem Reiche oder fremde herein­ führen durfte, wenn ferner Bündnisse und Friedens­ schlüsse andergestalt nicht als mit Zuthun und Bewirk­

ung des Reiches beschlossen werden konnten, so bezieht sich diese Befugniß resp. deren Einschränkung doch nur

auf die Regel und fällt auch diese weg, wo Gefahr auf Verzug stand. Dem

Kaiser stand

es zu mit

Bewilligung des

Reichs Reichssteuern und Anlagen, insbesondere zur Er­

haltung der Reichsfestungen, zur Bestreitung der Reichs­ gesandtschaften, bei Reichskriegen zur Operationskassa auszuschreiben.

Wir sehen daher, daß die Befugnisse des deutschen

Kaisers des heiligen römischen Reiches immerhin soweit gingen, daß

die Selbstständigkeit der einzelnen zahl­

reichen deutschen Staaten neben den kaiserlichen Macht-

befugniffen eine unbeschränkte weder war noch sein konnte.

Je mehr aber die Gelegenheit der Kaiserwahlen benützt wurde, um die Machtbefugnisse dieses deutschen

Kaisers zu verkümmern und die eigene Autonomie zu stärken, desto rascher wurde die Auflösung des Reiches

vorbereitet und angebahnt, und so allein war es mög­ lich geworden, daß das erste Reich der Welt seit zwei

Jahrhunderten die Schmach erleiden mußte, daß deutsche

Provinzen bei Friedensschlüssen vom deutschen Reiche

als Ausgleichungsobjecte

abgetrümmert,

das deutsche

Reich statt gemehrt — stets verringert wurde, und nur so war es möglich, daß dieses ehemals erste Reich der

6

Welt im Jahre 1806 auseinanderfiel,

ohne die Welt

zu erschüttern. Aus den Reichsfürsten aller Art bildeten sich fran­ zösische Vasallen unter dem Rheinbünde und unter Na­ poleonischer Zwangsjacke.

Französische Generale verfügten in dem befreun­

deten verbündeten Lande über die Freiheit der Eingebornen, über deren Leben, und die Souveränität der

neu geschaffenen Könige war nur berufen, die Befehle

des Cäsaren zu vollziehen.

30,000 Bayern starben auf den russischen Schnee­

feldern für die Befreiung des

eigenen und

gemein­

samen Vaterlandes von dem unerträglichen französischen

Drucke. Eine solche Schmach war für die deutsche Nation

nur möglich,

weil die Bande des heiligen römischen

Reiches stets mehr und mehr gelockert wurden,

weil

jeder Reichsstand nur bestrebt war, sich in jeder Weise neue Privilegien zur Stärkung der eigenen Autonomie

und zur Schwächung des ersten Reiches der Welt zu verschaffen — blind gegen die Gefahr, die nothwendig dem Ganzen wie den Theilen erwachsen mußte,

wenn

das Ganze ohne festen inneren Zusammenhalt,

ohne

den einigenden Kitt in machtlose Atome sich auflöste.

II. Erst das frische Andenken an die schmachvolle Un­

terdrückung, Bedrückung, Aussaugung und Plünderung,

welche Folge dieser Bestrebungen war, — führte wieder zur Einigung, zur glorreichen Erhebung des deutsche»

Volkes,

zur

Abschüttelung

des

verhaßten,

fremden

Joches.

Nachdem dieses Ziel erreicht war, sollte künftige Schmach, Wiederkehr einer Verknechtung des deutschen Volkes abgewendet werden durch Schaffung eines neuen

Baues.

Die Verhandlungen von Bildung des Fünfer-Aus­ schusses bis zur ersten Bundesversammlung, vom Oktober 1814 bis zum November 1816 bieten kein trostreiches Bild über

die

Bestrebungen

zur

Zusammenfassung

Deutschlands in ein kräftiges Ganze, sondern ein trau­ riges Denkmal der Selbstsucht der einzelnen Staaten

dar, unter welchen Bayern und Würtemberg keines­

wegs hervorleuchteten, und wäre Napoleon von der Insel

Elba nicht wieder

zurückgekehrt, — so würden wohl

Jahre dahin dahingestrichen sein, — bis die Bundes­

akte vollendet worden wäre. Diese kam zu Stande ohne Mitwirkung des deutschen Volkes, welches die Napoleonische Zwang­

herrschaft vernichtet. Sie wurde eröffnet und eingeführt unter Verheiß­

ungen, die nie erfüllt werden sollten!

Die freie öffentliche Meinung der Nation, — mit diesen Worten wurde die erste Bundesversammlung eröffnet

— werde der Leitstern ihrer Berathungen sein, die Erfiittung

des Nationalbedürfnisses ihre heilige Pflicht!

8 In der Bundesversammlung waren nur die Re­

gierungen, nicht das Volk vertreten, und das Bestreben der ersteren war auch nur darauf gerichtet, die Hoheits­

rechte zu stärken und

dem Volke die Befolgung der

Bundesbeschlüsse zu überlasten. Kein staatsrechtliches Institut hat so wenig als die Bundesregierung während eines 32jährigen Bestandes

geleistet. Volk und Regierungen waren

im Jahre 1848

einig in Einem Punkte: darin, — die Bundesversamm­ lung zu verwerfen, zu verdammen.

Ihre Wirksamkeit bestand darin:

das lose, durch die Bundesakte geschlungene Band unter den deutschen Regierungen zu lockern—

das deutsche Volk aber mit Haß gegen diese In­ stitution zu erfüllen.

III.

Darum fiel der deutsche Bund, mißachtet im Innern, ohnmächtig gegen außen, —

ohne Sang und Klang.

Doctores aller Grade und

aller

Wiffenschasten,

Professoren, Gelehrte aller Art, Künstler und wenig

Praktiker bildeten das erste deutsche Parlament.

Aber indem

sie sich in Diskussionen über das

Beste, was der Nation geboten werden könne, — er­ schöpften, versäumten sie vor Allem die Bil­

dung einer starken Centxalgewalt, und wäh-

rend die glänzendsten Stylübungen in der Paulskirche

ertönten— gewannen die einzelnen Regierungen wieder Muth,

das erste deutsche Parlament wurde aufgelöst,

der Bundestag wieder ins Leben gerufen.

Die Schaffung einer starken Centralgewalt wurde aber nunmehr auch von den Regierungen als nothwen­

dig erachtet und die gekrönten Häupter derselben ver­ einigten sich.in Frankfurt a. M. zu einem vergeblichen Versuche der Schaffuug einer Centralgewalt mit obiger

Tendenz.

Die kriegerischen Ereignisse vom Jahre 1866 be­

endeten für immer eine Institution, welcher nie eine Thräne gewidmet worden ist, Zusammenbruch

ohne daß auch dieser

eines diplomatischen Kunststückes

die

Welt im Geringsten erschüttert hätte.

IV. Und wieder liegt ein

Berfassungsbündniß vor,

und wieder ist es und kann es Zweck desselben nur

sein, die deutschen Stämme einigend zu einem Ganzen

zusammenzufaffen. Dieser Vertrag bestimmt,

aus den verschiedenen

deutschen Nationalitäten Ein Ganzes

zunächst

zum

Schutz und Trutz nach außen zu bilden — ist von den

Regierungen vereinbart und dem Volke zur Annahme

unterbreitet.

Zum erstenmale soll das deutsche, soll auch das

io bayerische Volk zur Grundlage des künftigen staats­ rechtlichen Verbandes mitwirken. Eine solche Mitwirkung wurde demselben zur Zeit

des Bestandes des heiligen

römischen Reiches nie ge­

währt, und trotz der von dem Volke zur Befreiung des

gemeinsamen Vaterlandes gebrachten ungeheuren Opfer

wurde jede Mitwirkung desselben bei Aufrichtung des deutschen

Bundes

ausgeschlossen und auch,

als

die

deutschen Fürsten an eine Regeneration desselben dach­ ten, — eine Mitwirkung des Volkes nicht in Aussicht

gestellt. Allerdings ist diese Mitwirkung nur eine beschränkte,

sie kann naturgemäß nur in der Annahme oder Ver­ werfung der Verträge bestehen, — denn würde jede

deutsche Kammer Modificationen beschließen, so würde eine Einigung unmöglich gemacht.

Wird die bayerische Volksvertretung sich für An­

nahme oder Verwerfung entscheiden, ist eine Frage von tiefster Bedeutung für die Zukunft, ja für die Fort­

existenz des bayerischen Vaterlandes. Sie ist von höchster Bedeutung für die Zukunft Bayerns.

Von der Annahme

der Verträge wird

es ab­

hängen, ob Bayern einen Theil des großen Ganzen

bilden, oder ob es eine isolirte Stellung einnehmen wird. Als Theil des großen, unter einer starken Central­ gewalt geeinigten Deutschlands wird es stark mit dem

Ganzen und alle Vortheile genießen, welche eine große

geeinigte Macht genießt. römische Reich zerfiel, weil es an

Das heilige

einer starken Centralgewalt gebrach, —

der deutsche

Bund ging zu Grunde, weil eine starke Centralgewalt

ermangelte, — das erste deutsche Parlament löste sich

auf, weil es versäumte, zunächst eine starke Central­

gewalt zu schaffen. Seit dem Jahre 1866 haben alle Parteien die Nothwendigkeit

der Einigung

von Deutschland, und

ebenso zum Zwecke der Herstellung eines einigen Deutsch­ lands die Nothwendigkeit betont,

Staaten Opfer

bringen müssen.

speciell zu bestehen sollen,

daß

die einzelnen

Worin diese Opfer

darüber haben

die Pro­

gramme geschwiegen. Nun werden bestimmte Opfer, die wenigsten aber

von Bayern verlangt.

Soll deßwegen,

weil Bayern die privilegirteste

Stellung im deutschen Reiche erhält, — die bayerische Volksvertretung ablehnen? Sollen wir der Vortheile beraubt werden, die wir

als privilegirteS Glied des großen Ganzen genießen?

Unmöglich! Man hat betont,

und betont zunächst die noth­

wendige Erhöhung der Steuerlast, die die Annahme

der Verträge involvirt, — die große Erhöhung ins­ besondere

budgets.

sogar

die

Unabänderlichkeit

des

Militär­

12 Wir fürchten diese allerdings nothwendige Lasten­

vermehrung ist nicht der wahre Grund. Seit Napoleon III. Europa und beziehungsweise

das europäische Völkerrecht mit den Principien

der

Nationalität und Nichtintervention zu dem Zwecke be­

glückt hat, um beide Grundsätze durch Frankreich stets

verletzen zu lasten, überall aber, wohin es ihm beliebte, die Fahne der Revolution zu tragen, — ist Europa

in einer neuen Staatenbildung

begriffen, und der

Staat wird zu Grunde gehen, der nicht bis an die

Zähne bewaffnet ist,

bis solche Umbildung sich voll­

zogen hat. Wenn Preußen trotz alles Widerstrebens der Volks­

vertretung

ein

kostspieliges Wehrsystem rechtzeitig

eingeführt hat, so hat es nur weise gehandelt, und sich befähiget

Oesterreich und Frankreich

niederzuwerfen,

den Krieg nach Oesterreich und Frankreich in das Herz

der feindlichen Länder zu spielen,

und dadurch die

eignen Länder von den ungeheuren Calamitäten des

Krieges frei zu halten. Ist die Staatenbildung vollzogen, ist ein europä­ isches Staats-, ein Völkerrecht wieder hergestellt, kann der Janustempel mit Sicherheit wieder geschloffen werden,

dann werden und müssen die Staatsregierungen, wird

und muß das deutsche Reich

von

selbst die Opfer,

welche ein großes Heer auferlegt, — mäßigen und zu­

letzt erfassen. Würde aber dieses nicht der Fall sein, so wird

die Stimme des deutschen Volkes im deutschen Parla­

mente so laut und so mächtig ertönen, und so lange mächtig erschallen, bis zur rechten Zeit dieses Ziel er­ reicht ist.

Und werden diese Opfer Bayern erspart, wenn es

sich isolirt?

Je schwächer der bayerische Staat im Verhältniß zu den ihn umkreisenden Großstaaten ist, — je mehr wir wissen, daß der Eine derselben den Inn zu seiner Gränze haben will, je mehr befürchtet , wurde, daß der andere den Main überschreiten werde, desto nothwen­

diger

ist

es,

wenn

er

nur

einige Hoffnung

auf

Fortdauer haben will, daß er eine achtunggebietende,

seine Kräfte übersteigende Armee aufstellt und erhält. Oder glaubt man im Ernste — vor den Gränzen Bayerns, das sich vom deutschen Bunde ausgeschlossen hat,

«ine sichernde Allianz nicht zu schließen vermag, am aller­

wenigsten aber eine Neutralität mit immerhin zweifel­ hafter europäischer Garantie erringen wird, das keinen Freund besitzt, — vor den Gränzen Bayerns wird

insbesondere dann, wenn ein neuer Krieg ausbrechen

sollte, der eine oder andere kriegführende Theil Gewehr zu Fuß halt machen — namentlich dann, wenn es nicht eine starke, wohlgerüstete Armee besitzt? Niemand wird das glauben, am wenigsten der, für welchen die Geschichte des bayerischen Vaterlandes nicht spurlos vorübergegangen.

Gerade das also, was durch die Ablehnung der

14 Verträge vermieden werden will, gerade die Anspan­ nung der Steuerkraft wird nicht vorübergehend,

son­

dern dauernd herbeigeführt, ohne Bayern weiters als eine Prekäre Existenz zu verschaffen.

Und wird Bayern diese erhöhte Last zu tragen

vermögen?

Wir glauben: ja bis.zum Ablauf des Zollvereines. Hat Bayern sich aus dem deutschen Reiche aus­ geschlossen, so wird es an dem bezeichneten Zeitpunkte der Wohlthat des

Zollvereins

durch dessen Kündung

verlustig werden. Handel und Verkehr, dem die Adern unterbunden

sind,

werden

mern,

stocken, — die Industrie wird

der Ackerbau für seine Produkte

verküm­

Absatz

nicht

finden, — wie seiner Zeit in einem andern deutschen Lande, das nur zu lange vom Zollvereine sich aus­

schloß, Städten

wird das Gras auf den Straßen und in den wachsen, und eine wesentlichste Einkommens-

Quelle aus den Eisenbahnen sinken. Bayern wird dann die Last,

welche eine seine

Existenz stiftende, große, wohlgerüstcte Armee erfordert, nicht mehr zu tragen vermögen, und' wird verarmt froh

sein, in den deutschen Bund ohne alle Vergünstigung ausgenommen zu werden.

Wir hören einen weiteren Einwand,

den:

daß

der deuffche Bund nicht alle Deutsche in sich aufnimmt,

daß alle Deutschösterreicher ausgeschlossen sind.

Unmöglich kann auch dieser Einwand im Ernste

gemeint sein?

Sollen die Deutschen,

die deutschen Länder, die

sich zu einigen vermögen, deßwegen die Einigung unter­ lassen, schwach, isolirt, ohne einigendes Band bleiben,

weil bezüglich einer Minderzahl dieselbe Einigung nicht möglich ist?

Soll deßwegen die Zerrissenheit Deutsch­

lands fortdauern?

Soll, weil das Beste nicht erzielt werden kann,— das Gute abgelehnt werden?

Oesterreich hat sich im Jahre 1866 beeilt, Frieden zu schließen, und seine Bundesgenossen ihrem Schicksale

überlassen! Wer, wie wir, wahrhaft großdeutsch gesinnt ist, —

weiß, daß die Zeit nicht ferne ist, wenn die Deutsch-

Oesterreicher dem neuen deutschen Reiche zufallen werden.

Oesterreich ist nicht blos durch seine Finanzwirth­ schaft ,

nicht blos durch seinen Dualismus, nicht blos

Dadurch geschwächt, daß jedes Kronland dieselbe Selbst­

ständigkeit erringen will, wie Ungarn solche endlich er­ rungen hat, — die Geschicke Oesterreichs werden sich

darum erfüllen, weil nicht blos eine kräftige Regierung mit bewußten Zielen seit Jahren ermangelt, sondern

und ganzvorzugsweise, weil die Corruption alle Schich­ ten der Gesellschaft durchdrungen, zerfressen hat, und

weil nach dem Zeugnisse der Geschichte aller Zeiten und Nationen keine also corrumpirte Nation Anspruch auf

Dauer, am allerwenigsten aber ein Reich hat, welches

16 aus den verschiedensten Nationalitäten sich zusammen­ setzte, welche zwar früher nicht die goldene Bulle, son­ dern ein kräftiges Regiment, nicht aber jetzt, wo das

Princip der Nationalitäten gefräßig und auflösend um sich gegriffen — eine schwache und dualistische Regie­

rung zusammen zu halten vermag. Nur ein einiges, ein starkes deutsches Reich ist im

Stande, die Dauer von Oesterreich zu fristen, weil nur der Hinblick auf dieses einige starke deutsche Reich die Deutschösterreicher in ihrem Kampfe gegen die übrigen

österreichischen Nationalitäten

gegenüber

dem ziellos

hin- und herschwankenden Regimente zu stärken vermag, — der deutschen Cultur allein in Oesterreich den Sieg

verschaffen wird. Gerade der Hinblick auf

Oesterreich,

auf den

Deutsch-Oesterreicher ist daher für uns — nach unserer

innigsten Ueberzeugung — ein und zwar eines

der

stärksten Motive für Annahme der Verträge.

Nur schüchtern vermögen wir ein weiteres Moment anzudeuten — das allenfalls,

wenn auch nicht offen,

aber doch insgeheim gegen solche Annahme geltend ge­ macht werden dürfte:

wir meinen den protestan­

tischen Kaiser.

Wir zählen zu treuen Anhängern der katholischen Kirche, wenn wir auch manche Vorgänge in derselben

aus neuester Zeit bedauern, welche den Frieden in der Kirche selbst stören, griffen aussetzten.

und diese einer Reihe von An­

Gleichwohl begrüßen wir mit Freuden den pro­

testantischen Kaiser,

der ein Reich zu schaffen berufen

ist, dessen Devise: „Gottesfurcht, edle Sitte und wahre Freiheit",

in dessen weitem Gebiete die katholische Kirche nie jenen maßlosen Angriffen Preis gegeben, welche wir in katho­ lischen Ländern nicht im Jntereffe des Protestantismus,

sondern im Interesse des Unglaubens zu beklagen ha­ ben, — wir begrüßen den deutschen Kaiser,

welcher

sich als ersten Diener seines Staates betrachtet, in hohem

Greisenalter unermüdlich seinen hohen Regentenpflichten

obliegt, im Frieden, umgeben stets von den Rathgebern der Krone, — im Kriege inmitten seiner Armee rastlos

bestrebt ist, die Interessen seines Volkes zu fördern, — wir begrüßen mit Freuden den protestantischen Kaiser,

welcher dem deutschen Volke den ersten Rang unter den Nationen, den es einst gehabt und verloren, — wieder

errungen hat, — wir begrüßen den Fürsten mit Freu­ den als Kaiser,

welcher, wählend die Gesandten aller

katholischen Völker

sten

Gefahr

den bedrängten Papst in der höch­

verließen



schützend zur Seite ließ, und

allein

seinen

Gesandten

auf den allein die Hoff­

nung derjenigen Katholiken gebaut sein kann, die eine

wahrhafte und wirkliche Selbständigkeit des Papstes wün­ schen und wollen.

Wir gehören keiner Parthei an,

weil uns keine

befriedigt. Aber dann, wenn wir einem Programme huldigen 2

18 würden, welches die Einigung Deutschlands ans seine Fahne geschrieben, dann müßten wir als Deutsche, als Bayern diejenige Einigung, wie sie nns nun geboten

wird, mit Freude als Erfüllung unseres Program­

mes begrüßen, wenn wir uns nicht dem Borwurfe aus­

setzen wollen, als sei ein solches Ziel betonendes Pro­ gramm nicht ernstlich gemeint gewesen. Das ist sicher bei allen jenen der Fall, welche die Bündnißverträge vom Jahre 1866 allein als genügen­

des Einigungsband erklären, und darum nun die Ver­ träge ablehnen wollen, denn ihr Programm hat seine Entstehung erst viel späterer Zeit zu danken, und es

wäre

mindestens

überflüssig

gewesen

die

Einigung

Deutschlands in demselben als Zielpunkt der Parteibe­ strebung zu betonen, wenn sie bereits durch die Bünd­

nißverträge geschaffen war.

Uns scheint , daß die höchsten Interessen des bayeri­ schen Volkes in Frage stehen, und daß, wenn die Ver­

träge abgelehnt werden wollen, weil die Art und Weise

der Einigung etwa nicht entspricht, diejenigen, welche

darum gegen die Verträge plaidiren,

auch verpflichtet

sind, — nicht blos, wie wir Eingangs erwähnten, nie­

derzureissen, sondern auch aufzubauen, d. h. die Art und Weise, wie die Einigung nach ihrer Anschauung erwirkt werden soll, — zu bezeichnen. Daß hiebei Opfer gebracht werden müssen, ist als

selbstverständlich niedergelegt.

in allen Programmen als Postulat

Wir haben aber von einer cklso motivirten Ab­

lehnung nie gehört, und geben uns daher der Ueber­ zeugung hin,

Stelle

daß es wohl nicht möglich ist, an die

des vorliegenden Vertrages einen besseren zu

schaffen.

Aber eben darauf bguen wir unsere Hoffnung, daß eine wiederholte, gewissenhafte, unbefangene, des Zieles

aller Partheien bewußte Würdigung, nicht zur Ablehn­

ung, nicht zur Niederreissung, sondern zur Annahme,

zur Vollendung des Ausbaues des deutschen Einigungs­ werkes führen wird und führen muß.

Kgl. Hofbuchdruckeret von Dr. 6. Wolf L Sohn.