Vom Stamme Aaron und dessen angeblichen Vorrechten: Ein Beitrag zum Judenwesen [Reprint 2021 ed.] 9783112512821, 9783112512814


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Vom Stamme Aaron und dessen angeblichen Vorrechten: Ein Beitrag zum Judenwesen [Reprint 2021 ed.]
 9783112512821, 9783112512814

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Vom

Stamme Aaron und dessen

angeblichen Vorrechten.

E i n

Beitrag z u m Judenwesen »Oll

„ben sich Geist und Herz. Wer jene überall verlor, „dem kann nichts mehr wichtig und ehrwürdig

„scheinen;

seine Seele hat die edle Hartung,

„die Kräftigung des Ernstes, verloren. Ein

VI „nichtiges Gespenst — mir schaudert! ,'Siehe! es „geht umher und lacht und — lacht!"

Fünfzehn Jahr sind verflossen nach dem Tage, wo ich zuerst schrieb:

„Wider die Juden."

Nie habe ich, was auch in diesem langen Zeiträume geschehen und geduldet ist, die eben ausgesprochene

Grundsätze verändert oder verleugnet.

Nicht we­

niger habe ich mir selbst, als jedem Andern dieBefugniß zur Intoleranz aufrichtig und vollkommen

zugestanden.

Mit dem Munde von Einigen, in

Herzen und mrtt der That aber von Niemand ist dies Zugestandniß gegen mich gleich aufrichtig er­

wiedert, und darin, nicht in der mir vorgeworfe­ nen Intoleranz, liegt der Grund vieles Haders,

Hasses, Verdrusses und Unglücks.

VII Gerade in dem Augenblick, wo die Krone des neuen Bürgerthums auf die ungetauften Häupter Israels gesetzt werden sollte, veranlaßten einige

des Schmuckes unwürdige Häupter dieser Häupter in Breslau einen fanatisch-Rabbanitischcn Skandal, der ein Jahrhundert früher in einer

katholischen Stadt und Provinz unstreitig an Hand und Haupt gestraft wäre.

hen ist,

Daß dies nicht gesche­

beweist^ die wahre Toleranz der

Regierung, welche dem Obskurantismus'zwar

die Befugniß der Intoleranz ebenfalls für sich zum

eigenen Gebrauch zugcsteht, ihn jedoch dergestalt züchtiget und zügelt, daß die bürgerliche Gesell­

schaft gegen seine Bissigkeit, seine istille und tobende Wuth geschützt bleibt.

Dagegen ge­

stattet sic aber auch, das Unvernünftige, Gehäs­ sige und Gefährliche des Skandals mit dem treffen-

VII£ den Farben zu schildern, und ein getreues Gemälde solchen Greuels zu liefern, das zwar die blinden Fanatiker nicht zu erkennen im Stande sind, doch

aber hier,

und auch wohl noch anderswo, als

Warnungstafel seinen Platz finden wird. Da sich eben an Ort und Stelle kein Besserer zeigt, der

Lust, Beruf und Geschick zu dieser Arbeit hat, so hab' ich sie übernehmen müssen.

Meisterwerk,

Wie Apelles das

so will ich nur--eine gewöhnliche

Skizze ausstellen zur Beurtheilung Aller, die ein­

gedenk sind des alten Spruchs: „ne sutor ultra crepidam.“

lich

Auch stell' ich sie aus, ohne sonder­

künstlichen

Rahmen

mir

Vergoldung

und

Schnitzwerk, dergleichen ich mir von zehn tausend

Allegaten aus mehr als fünfhundert Büchern und Broschüren, die großentheils durch, mein Schrift-

chen wider die Juden veranlaßt sind, mit leichter

IX Mühe hätte fertigen können, anmerkend: Wie mir

schon das Wenige, was hie und da beigebracht ist,

in so gerechter als klarer Sache überflüssiger Zie-. rath scheint.

Die Veränderung des staatsbürgerlichen Ver-hältnifses der Juden bestimmt meine Hand­

lungen dem Gesetz gemäß,

kann aber nicht

den mindesten Einfluß auf meine Gesinnungen und

Ueberzeugungen haben.

Weder die Motive des

Gesetzes, noch seine Folgen für Gegenwart und Zukunft, worüber von Vielen, am besten aber von Rühs und Fries, Arndt's nicht zu gedenken,

geschrieben ist, sollen hier beurtheilt und bestimmt werden.

Merkwürdig bleibt aber gewiß der Bei­

trag zum Judenwesen, den die folgenden Blätter enthalten, nicht blos in privat-, sondern auch in

staatsrechtlicher Rücksicht, als ein Beweis, daß

X bürgerliche Gesinnungen die erste Bedingung zur

Bürgerrechtsfähigkeit sind, daß antisociale Maxi­ men der Separatisten jeder Art eine verstockte

Opposition gegen alle rechtmäßige Staatsverfassung bilden, und daß diese durch kein Einbürgerungs­

edikt gehoben wird.

Uebrigens bedarf der Inhalt der Aktenstücke keiner ausführlichen Erklärung. Der Regierungskommissarius

ein Kohen, d. i. ein Ab­

kömmling aus dem Priesterstamme Aarons, ehe­ lichte eine geschiedene Fran.

Das Breslau'sche

Rabbinergericht verweigerte die Trauung, erklärte

die Ehe für ein Verbrechen gegen die jüdischen Ge­ setze, den ®*** aber deshalb für eidcsunfä-

hi g.

Es untersagte den jüdischen Kirchenbeam-

ten, bei der Abnahme seiner Eide ihre gesetzlichen

Pflichten zu erfüllen, und beharrte mit Eigensinn

XI und Renitenz auf diesem ungebührlichen Verfahren,

was in zwei Berichten (Nr. I. und II.) mit verkehr­ ter, der Staats-, Religions- und Kirchenverfas­

sung widersprechenden Behauptungen vertheidiget

Auf die von mir verfaßte Gegenvorstellung

wird.

(Nr. III.) machte das hohe Justizministcrialreskript vom 9. Jun. 1812. (Nr. IV.) der rabbannitischen Widersetzlichkeit ein Ende, und setzte einer Anma­

ßung Schranken, die unter dem Deckmantel der Kirchenzucht und des Kirchenregiments die frivolste Willkühr des Fanatismus und persönlicher Belei­

digung verbergen wollte. Daß es bei der Beurtheilung dieser Angele­ genheit

einzig

und

allein

auf die Sache

selbst, auf die Ideen, die Behauptungen und die Grundsätze, nicht aber aufdic Perso­

nen und die Persönlichkeiten ankommt, sa-

XII ge ich blos um der Frechen willen, die, un­ fähig den Gegenstand zu begreifen und Zu beurthei­ len , die Person auzufeinden und zu beschimpfen ge­

wohnt sind.

Berlin, den 8. Jan. 1817.

D. Gr.

I. Er-

I. Erster Bericht des Rabbiner - Gerichts m Breslau vom i6ten Decbr. i8u.

König!. Hochlöbl. Ober - Landes - Gericht hat uns unterm zten dieses aufgcgeben, die Ursache anzu­ zeigen, warum wir dem Kommissarius ®*** unsere Assistenz zur Ablegung eines Zeugencides verweigert haben. Die Verweigerung der Assistenz gegen den re. ®*** war Leine wiükührlichc, sondern eine in un­ serm Gesetze uns vorgcschriebcne Handlung. DaS jüdische Gesetz verordnet auf mehr als einer Stelle, daß ein Jude, der etwas begehet, was in der bciligcn Schrift ausdrücklich verboten ist, und frevelhaft darin beharret, mehr zu keinem Zeugniß und Ablegung eines Eides zugelaßen werden solle. Talmud: Baba Kamma Abschnitt 7. Fol. 72. Sanhcdrin Abschnitt 3. Fol. 25. und 27. Sch ebuoth Abschnitt 7. Fol. 45. Maim 0 nides: Gerichts-Ordnung Titul 2. Abschnitt 10. §. 2. Ehoschen Mischpat, Schulchen Ahruch 'Kapitel 34. §. 1. §. 2. 24. ickorn Kapitel 92. §. 3. A 2

4 Der Grund, den die Rabbiner von dieser Ver­

ordnung

ist sehr einleuchtend —

angeben,

„Die

„Gewißheit ( sagen sic, zu der wir durch Zeugniß oder „den Eid über eine zweifelhafte Sache zu gelangen

„glauben, ist offenbar nut eine moralische Gewißheit, „und gründet sich bloß aufdie psychologisch - moralische „Voraussetzung,

daß der Zeuge oder Eidlcistende,

„indem uns von ihm nichts Böses bekannt ist, zu der

„allgemeinen Menschenklaße gehöret, die ein reines „Gewissen besitzet."

Bei den Juden

braucht aus

diesem Grunde ein Zeuge nicht einmal erst vereidet zu

werden, woraus denn folget, daß die Gewißheit durch Zeugen und Eid sogleich aufhört, sobald von einem

Menschen erwiesen ist, daß er schon einmal irgend sich

eine

gewiße nswidrige Handlung zu Schulden

kommen lassen, weil durch diese Handlung (durch ihr

sich zu Schulden kommen lassen) er an den Lag gegeben, daß er wirklich nicht zu der gewissensreinen Menschen­ klasse gehöret.

Es kann folglich seiner Aussage mehr

kein voller Glaube beigemessen werden, und obschon

von einer Handlung oder Gesinnung des Menschen, auf alle feine übrigen Handlung und Gesinnungen kein

gewißer Schluß zu machen ist, so kann doch immer wenigstens

noch

Bezug

darauf genommen werden,

um seine Gewissenhaftigkeit als verdächtig zu achten. Er hat sein Gewissens-System ein für allemal irritirt; er hat die Schranken eines reinen unbefleckten

Gewissens verletzt; wer bestimmt uns nun das Ziel,

bis wohin seine Gewissenlosigkeit sich nicht erstrecken

5 wird —? Und da endlich die Pflicht, der Religion , zu der man sich bekennt, treu zu bleiben, nicht minder eine Gcwisscnspflicht ist; so steht nun der Satz fest: daß demjenigen, der muthwillig seine Religion verletzt, hinfolglich eine gewissenswidrige Handlung begeht, mehr keine Glaubwürdigkeit seines Zeugnisses und Eides eingeräumt werden kann; und eben hierin liegt der Grund, warum wir dem zc. @ * * * unserer Assistenz bei seiner Vereidung versagt haben. Er der re. ©***, hat eine von ihrem Manne verstoßene Fraugchcurathet, die er als sogenannter Koh en oder Abkömmling aus dem Priesterstamme Aaronsnach dem trockenen Gesetze Moses Buch 3. Kapitel 33. Vers 7.

nicht hcurarhen durfte. Er hat also eine Dogma des Mosaischen Gesetzes verletzet, und demnach hierdurch seiner Zulässigkeit zum Zeugniß oder Eide, so lange er nicht diese verbotene Ehe wieder aufhebt, sich ver­ lustig gemacht. Wie könnten, wir ihn. nun bei Ab­ legung eines Eides, assistiren? Wie können wir, wenn wir nicht selbst gegen unser Gesetz meineidig werden sollen, ihm bei einem 'Actus assistiren, der nach unserm Gesetze unzulässig ist; und was nutzt überhaupt die Admonition, deren man sich bei der Eides-Ablegung eines Jude:: bedient, wenn der Schwörende nicht tactfest in seiner Religion ist? DaS Gesetz, sehen wir, ist ihm. nicht heilig; was wissen wir, was ihm denn ra heilig ist?

6 Jeder Mensch schwört bei dem, was seine Ncli-

gkon ihm heiliget;

und ach!

der irreligiöse

Jude

ergreift die Gesetzrolle, der er innerlich und äußerlich

Hohn spricht.

Ein Königl. Hochlödl. §"ber-Landes-Gericht ge­ ruhe zugleich auch die Ursache zu vernehmen, warum wir

gerade

gegen

den :c. ®***

Maaßregeln genommen,

unsre

gesetzliche

da cs doch außer ihm noch

mehrere Juden hier gibt, die das jüdische Gesetz über­ treten, und man sie so hingchen laßt.

Die Ursache hievon ist,, daß ein jüdischer GesetzUebertreter nach Vorschrift MaimonidesProzeß-Ordn. : Titel 4. Abschn.

2- §. 3Choschen MischP0t Kapitel 34. §. 24. idem 92. §• Z-

zu nichts kondemnirt werden kann, bevor er nicht vor

Gericht gestanden,

und

in

gehörigem Ncchtsgang

durch gültige Zeugen u. s. w. als ein solcher deklarirt worden ist,

so wie solches bei allen andern Rechts­

fallen der Fall ist.

Ein solcher Fall ist aber bei uns noch nicht vorgekommcn; weil nach der heutigen Staats-Verfassung

kein Jude gehalten ist, von seinem religiösen Lebens­ wandel dem Klerus Rechenschaft abzulegcn.

Anderes ists hingegen mit dem re. ® * * *.

Ein

Sein Per-

7 brechen durch die verbotene Heurath ist schon durch die große Publicitat hinlänglich legitimirt, ohne erst gerichtlich ausgemittelt zu werden; anbei hat derselbe dies eine Verbrechen mit noch einen andern verbunden, indem er die, ihm hier Orts verweigerte Kopulation auf eine hinterlistige Art im Auslande sich erschlichen; und endlich haben wir auf die Mühewal­ tung attendirt, die uns durch den Schritt des.c. ($**♦ gar lästig fallen wird, indem man bei den Juden immer ein aufmerksames Auge darauf haben muß, daß die Kinder, die in einer verbotenen Ehe gezeugt worden, immer alssolcheausgezeichnctblei­ ben. Indem wir uns schmeicheln unsere Verfahren hiermit gerechtfertigct zu haben, haben wir die Ehre zc.

Das hiesige Rabbiner-Gericht.

8

II.

Zweiter Bericht des nämlichen Rabbiner-

Gerichts vom 8ten Januar 1812*

wSitt Hochlöblich Königlich Ober-Landes - Gericht hat unterm 28ten v. M. die in Angelegenheit des abzulegcnden Icugeneides des Kommissarii ®*** von uns an­ gegebenen Gründe über die verweigerte Assistenz darum

für unstatthaft erklärt,

weil solche sich aus den be­

stehenden bürgerl. Gesetzen nicht rechtfertigen lassen.

1)

Endesgenannre müssen gestehen, daß ihnen

kein Gesetz bekannt ist, welches verordnen sollte, daß

ein Religionssatz von den im Staate geduldeten Reli­ gionen erst durch das bürgerliche Gesetz gerechtfertigt werben müßte,

Rcligionssatz,

und glauben vielmehr,

daß jeder

der mit dem bürgerlichen Gesetze nur

in keinem Widerspruche ist,

sogar von letztem in

Schutz genommen zu werden verdiente.

Daß aber die von uns gegebenen Gründe, über

unsere Assistenz-Verweigerung mit den Landesgesetzen

nicht nur in keiner Kollision stehen, sondern vielmehr der Intention derselben aus mehr als einer Rücksicht vollkommen angemeßen sind, ist gar leicht zu erweisen.

9 Wir müssen nun zuvor bemerken, daß bei den

vorwaltendcn Umständen mit dem :c. ® *** die Rede

gar nicht davon ist, ob der rc. ©***, welcher nach dem jüdischen Gesetze zum Zeugniße und zur Eides­ ablegung unfähig ist, es auch nach den Landesgesctzen

sei? Denn die Person des rc. ®*** geht uns ganz

und gar nichts an, wir haben nur das, was unsere eigene Person betrifft,

zum Vorwurf,

und ist die

Frage nur die: ob wir Rabbiner dem rc. ®***, den

wir nach unserm Gesetze keine Assistenz leisten dürfen,

uach denLandesgesetzcn solche zu leisten dennoch schuldig

sind — ?

und die Verneinung erhellet aus den

Landesgesetzen selbst sonnenklar. Man bedenke nun, wie diese in- der That heiligen Gesetze sich nicht einmal den nur kleinen Eingriff in die

jüdische Religion erlauben, den Juden an dem Sabbath und Festtagen schwören zu lassen, welches zu thun doch bei den Juden keine sonderliche Sünde ist; um wieviel weniger würde

sich dieses Gesetz erlauben,

einem

Rabbiner den Zwang anzulegen, etwas zu thun , was

ihm nach seinem Gesetze wesentlich verboten ist? 2) Aus noch einem andern Gesichtspunkt betrach­ tet, würde es sehr paradox scheinen, daß die bestehen­

den Landesgesetze in einer und derselben Sache, auf der einen Seite gar zu vorsichtig, und auf der andern Seite, wenn man so sagen darf, gar zu nachlässig zu Werke gehen.

Es ist bekannt, unter welcher Vorsicht,

IO

Sorgfalt, und unter welchen Einschränkungen und Modalitäten das Landesgesetz einem Juden den Eid zukommen laßt. Aber dem assistirenden Rabbiner auf­ zuerlegen, auf die Religiosität des Juratus, als das äußerliche Symbolum der innern Gottesfurcht zu sehen, und der requirirenden Behörde Anzeige zu machen, daß er darausgesehen habe, daran zu denken, vergißt das Ge­ setz ganz; und es würde mehr wie lächerlich seyn, den schwörenden Juden eine Thora in die Hand nehmen zu sehen, die er kaum einem Roman gleich achtet, oder die Geoetriemen arrlegen zu sehen, die er nicht einmal dem Wenh seines Sattelriemens gleich würdigt! Um ober dieses Problem aufzulösen, muß man nothwendig voraussetzen, daß die Landesgesetze hierin sich aus die Art und Weife verlassen haben, wie der Rabbiner verfahrt, wenn ein Jude bei der jüdischen Instanz schwören soll, und da es notorisch ist, daßderRabbiner keinen Juden schwören laßt, ohne erst auf seinen religiösen Charakter gesehen zu haben; so versteht sich's von selbst, daß er solches auch, wenn er einem Juden bei einer christlichen Behörde assistiren soll, zu thun nicht unterlassen wird, so wie solches auch in der That bei der uns abgefvrderten Assistenz des re. G*** geschehen ist, daß wir den religiösen, zum Theil auch den sittlichen Charakter desselben geschildert haben. Wir können aber nichts dafür, daß Ein :e. OberLanhes - Gericht gar nicht darauf refleetirt hat. 3) Es braucht drittens keiner weithergeholten Eregetik, um aus den Landesgesehen selbst die Unzu-

II

laßigkeit eines irreligiösen Juden zum Zeugniß unb Eid herzuleiten. — H^ißt es nicht in der Prozeß-Ordnung Theil i. Tit. io. §. 227.: „daß diejenigen, welche „in dieser oder einer andern Sache eines falschen Zeug„nisses oder andern Meineides überführt worden, zu „keinem Zeugniß zugelassen werden können." Der Ausdruck „andern Meineides" ist ein unbestimm­ ter und allgemeiner Satz, und schließt selbst den Religions-Meineid nicht aus. Bei den Christen ist ein Religions-Meineid vielleicht eine etwas unbe­ kannte Sache; aber bei den Juden heißt derjenige Jude, der frevelhaft das Gesetz übertritt, eine meineidige Person, weil er den Eid gebrochen, mit dem Moses die Israeliten beschworen, seinem Gesetze treu zu bleiben. Moses 5, Cap.- 29. v. 13 — 15.

Hier wäre nun abermals ein triftiger Grund, um den it. ©*** selbst bei einer christlichen Behörde von der ZulDigkeir zu Ablegung des Zeugeneides auszu­ schließen. Wir haben indessen schon oben uns erkürt, daß das, was die Person des rc.G*** betrifft, gar unser Factum nicht ist; uns liegt bloß ob, das, was uns selbst angeht, zu verfechten, und es sollte uns leid thun, falls Ein zc. Ober-Landes-Gericht auch die hier angeführten Gründe für irrelevant erkennen sollte, weil wir aus jeden Fall nichts anders thun können und werden, als das, was unsere Religion zu thun

12 uns erlaubet, und daher dem re. ®*** so lange er nicht die verbotene Ehe, warm er jetzt lebt, wieder aushebt, aus keinen Fall afsistiren. Unter dieser unserer kathegorischen (sic?) Erklärung verharren wir re. —

——♦♦♦

11

------------ —

III.

Nllergehorsamste Vorstellung des königliche» Regiermigskormnissarius G * * * gegen vorste­ hende Berichte des Rabbinergericht-, wor­ in sie ihn zur Ableistung eines Eides für unfähig erklären wollen — vom 26. März 1812. profanata» vid.ua; ita, ut jure le*

23 §. V. ad 2. Ganz anders verhalt es sich jetzt.

Die

Furcht vordem Sichtbaren, das kosmokra-

ti sch e Princip, regiert die europäische Welt; sie allein ist das Bindende in aller Staatsvcrsafsung. Mosaische Priester, israelitische Kohens, wie einst am Ganges und Euphrat, gibt's heute nicht am Rhein, an der

Spree und Oder. Uütergeordnet ist alles Kirchliche dem Bürgerlichen und was vom Kirchlichen dem Bür­

gerlichen widerspricht, hat keine verbindende Kraft. Die Eheist, kirchlich betrachtet, Ceremonie oder Sakrament,

rechtlich,

Kontrakt; sie ist nicht

willkührlich - auflöslich, sondern nur rechtlich - trennbar

aus juridischen Gründen.

Sie gewahrt und garantirt

gegenseitige Rechte und Verbindlichkeiten der Ge­ schlechtes.

Ihre gesetzmäßige Trennung erfolgt von

Rechts wegen; willkührlich und eigenmächtig ihrer Rechte beraubt darf kein Eheweib mehr werden. Darum

viratus excluderetur, vid. Levit. XXI. 7. 13. 14it. Ral>. Salm. Isaacides ad h, 1. , qui bas voccs expli-

cat ct Tract. Jebhamoth cap. 17., cui ex sententia doctorum a jure leviratus rejecta et ex mente Iofephi in

Antiquitatib: Lib. IH. cap, X. p. 95. captiva, serva €t cauponaria addebatur:

Saccrdotibus quoque connu-

bium inire cum quibuslibet feminis non liccbat; potcrant aliquam ducere ex quacunquc vellent Israelitarum

tribu , sed non meretricem, non expulsam, non profanatam, non servanit non repudiatam a leviro t non

captivam non eam,

prius fuerat."

quae cauponaria et stulularia

24 ist die Geschiedene auch keine Verstoßene; nicht durch die Scheidung,

nur durch die Gründe,

welche sie

dazu gab, kann ein Vorwurf wider sic entstehen. Ueber die Gründe hat nur der Mensch, nichr der Bürger

ein Urtheil, und darum fehlt dem Staat und der Kirche

jede Veranlagung, darüber von irgend einem Manne,

wes Standes und Würden er auch sey, Auskunft und Rechenschaft zu fordern, wie er zu dem Entschluß ge­ kommen sey, eine Geschiedene zu ehelichen! Am wenig­

sten gebührt den Rabbanniten, eine so schnöde vorwitzige

Nachfrage zu thun, die ich hier ein für allemal mit der Antwort abfertigen will, daß ich Ungebührliches zum

Schweigen verweise. Ware also das angeführte mosaische Eheverbot

auch, wie es doch wirklich der Fall ist, nicht blos dem Priesterstande,

sondern, dem

Pricstcrgeschlecht

gegeben; so würde cs dennoch gegenwärtig durchaus keine Verbindlichkeit haben, weil es der bürgerlichen Verfassung widerspricht; weil die Ehe der Juden nicht mehr ist, was sie war, als es gegeben wurde; weil die

geschiedene Frau unserer Zeit andere Rechte hat, andere

Achtung verdient, als die verstoßene Magd und Bei­ schläferin in Palästina fordern durfte.

Die bürger­

lichen Verhältnisse, denen das Verbot galt, unter bene«

cs allein bestehen sollte und konnte, sind nicht mehr, und mit ihnen zugleich hat das Verbot Kraft und Gül­ tigkeit verloren. Das ausschließende Recht der Abkömmlinge aus

dem Stamm Aarons auf die Priesterwürde existirt

25 ebenfalls nicht mehr, und wie diese Würde selbst aus­ gehört

hat,

so ist auch das Geschlechtsprarogativ,

was die Anwartschaft aus sie gewahrte, bis auf eine leere, nichts bedeutende Ceremonie erloschen.

„Die

„Gesetze und Religionsgcbrauche der heutigenJuden „gründen sich theils aus das schriftliche, theils auf das

„mündliche Gesetz. „Büchern

Moses

Das schriftliche ist in den fünf enthalten.

Alle Verordnungen,

„welche in demselben Vorkommen,

werden noch

in

„jetzigen Zeiten für verbindlich gehalten, diejenigen „ausgenommen, welche entweder auf das gelob« „te Land, oder auf den Tempel und den Gotres-

„dienst in demse l b en eine unmittelbare Beziehung „haben, da alle diese seit der Zerstörung des Tempels

„und der Aufhebung des hohen Gerichts in Jerusalem „unverbindlich geworden sind."

Ritualgefttze der Juden, entworfen vonM. Mendel­

sohn,

auf Veranlassung und unter Aufsicht dcS

Lberlandesrabbiner

Hirschel

Löbel.

Berlin

1799. Einleit. I. XII.

Offenbar gehört jenes,

nur für den damaligen

Priesterstand gültige Eheverbot zu den blos im gelobten

Lande

für

den Tempel und Gottesdienst gültigen

Kirchenpolizeigcsetzcn, und hat als solches gegenwär­ tig nicht die mindeste verbindliche Kraft. §. V. ad 3. An sich selbst widersinnig und unverstaodig ist nun schon die Behauptung, es könne die

Uebertretung eines solchen Kirchenpolizeigesetzes

26

den Verlust irgend eines bürgerlichen Rechts begründen; ganz unerhört und unverantwortlich bleibt aber die Frechheit, mit welcher die Nabbanniten den Beweis derselben aus Ertrarten des Talmuds und aus Frag­ menten seiner Kommentare versucht haben. Ich lege zuvörderst einen Auszug dieser Beweis­ stellen ( dictorum probantinm) in der Ursprache und in beglaubtcr Uebersetzung bei, und bin überzeugt, E. H O. L. G. werde weniger über den ganz lächerlichen Unsinn, welchen sie enthalten, als über die Unverschämtheit und den Unverstand erstaunen, durch welchen verblendet, es eine Rabbanniten-Kongre­ gation gewagt hat, damit ihr angemaßtcs Urtheil über das Höchste und Heiligste, was der Mensch be­ sitzt und verehrt, über Staat, Religion und Gewissen rechtfertigen zu wollen — l Es ist vollkommen klar, das kein Jude in der ganzen Monarchie mehr einen Eid schwören oder ein Zeugniß ablegen kann, wenn nach diesen, mit allen geselligen, menschlichen, bürger­ lichen und sittlichen Lcbensverhaltnissen unvereinbaren Gärungen verkehrter Schwärmer, Fanatiker, Mystagogcn'und Kabbalisten langst versunkener Jahrhunderte, jeder eideS - und zcugenunsahig seyn soll, der ge­ säuertes Brod, oder Fleisch mit der Springader rßt, aus Zinsen leiht, am Sabbath aus den Grenzen der Stadtmauer geht, sich die Haare und den Barl ab­ schneidet, mit Würfeln spielt, Tauben halt, Zeug aus Wolle und Flachs tragt — und der Himmel mag wissen, was sonst noch für gleichgültige Dinge thut oder zu

27 thun unterlaßt.

Es ist aber auch eine wahre Prostitu­

tion der ganzen Nation, die eben jetzt durch die Gnade und Weisheit des erhabensten Monarchen in den Be­ sitz und Genuß aller staatsbürgerlichen Rechte gesetzt,

der Konskription unterworfen, und mit den übrigen Staatsbürgern in den Zustand der G le ich he it des

Anspruchs und

der Einheit des Gesetzes ge­

stellt wird, daß es sich die Rabbanniten gerade in die­

sem Momente untersangen, das faule Holz aus den langst

eingesankenen

Gräbern

des

krassesten,

seit

Jahrhunderten verwesten Obskurantismus, noch ein­ mal frevelhaft hervorzuholen, voll der thörigen Ein­ bildung , damit in einem hohen Gerichtshöfe Wahrheit

Recht und bürgerliche Verfassung beleuchten zu wollen! Nur die Ueberzeugung, daß dies ihr letzter unseliger

Versuch seyn wird, nur die Gewißheit, daß künftig Geburt, Ehe und Tod der Juden keiner andern Ge­

setzgebung unterworfen seyn sollen, als der für diese Akte des Civil stand es allgemein gültigen, halt mich ab, in das Detail des unergründlichen Unsinns

einzugehen, und Wort für Wort nachzuwciscn, daß

in

dem ganzen rabbannitischen Raisonnemcnt nicht

eine einzige Folgerung richtig, nicht ein einziger Ge­ danke vernünftig, vielmehr, wie es scheint, das Gan­

ze nur darum erdacht und zusammengestellt ist,

um

sich des Muthwillens erfreuen zu können, aller Ver­

nunft zu verspotten und alle Einsicht zu verhöhnen.*) ')

Als

Gegenstück

des Obskurantismus der Rabbanniten

28

Freilich gestehen das die Rabbanniten auch selbst em, indem sie anführen, daß sie viele Juden schwören lasten, die nach diesen Gesetzen nicht schwören, oder Zeugniß ablegen dürfen. Damit brechen sie sich denn aber auch selbst den Stab. Wenn es ihrem Gewissen und ihrer vorgeblichen Amtspflicht nicht widerspricht, jene Gesetzübertreter für religiöse Juden zu halten, mit welcher eisernen Stirn mögen sie mich wohl der Irreligiosität beschuldigen? Wenn sie aber jene Jrreln grösen schwören lassen, warum mich nicht? Es ist eben so notorisch, daß viele Juden zeugen und schwören, die alle von den Rabbanniten angeführte Gesetze, ja Thatsache.

fotgende

Der

vorige

Oberlandesrabdiner

Joseph Jonas Fränkel in Breslau, ein allgemein anerkannt

gelehrter,

wissenschaftlich-gebildeter

Mann,

hatte gehört, daß. der ebenfalls aus dem Stamme Aaron

entsprossene medicinische Student H — l auf der hiesigen Anatomie präparire, und sich dadurch nach dem Ritual­ gesetz verunreinige. und fragte ihn:

Er ließ ihn deshalb zu sich kommen

ob er diese ritualgesetzwidrige anotomu

fche Beschäftigung

aufgeben, oder seinem Vorrechte, als

Kohen den Segen zu sprechen, entsagen wolle? Rabbi,"

„Herr

antwortete dieser: „ja, ich thue Verzicht auf

„dies Vorrecht; ich will mir Lieber gründliche Kenntniß „in der Arzeneikunde erwerben und ein nützliches Mitglied „der bürgerlichen Gesellschaft werden!" Wohl zufrieden mit dieser Antwort entließ ihn der Rabbiner. Seit 20 Jahren ist

Herr H — l,

schicktesten

je

ein

obgleich noch Jude, einer der

ge­

hiesigen Aerzte und Accoucheurs, ohne daß sich

fanatischer Rabbannit unterstanden hat,

ihn für

2Y

alle 168 Verbote, welche derHilchos Sanhedrtn Abschnitt iy. tz. 14. anführt, in einem Tage übertreten und nebenher die sieben Hauptsünden *) in einer Stunde begehen, als es meine Verheurathung mit der geschie­ denen 3*** nur immer seyn kann. Wenn also ihr Verdammungsurtheil auf die Notorietät gegründet werden darf, so trifft es diese so gut, wie mich; daß sie aber den Ausspruch ihres Anathemas über mich noch endlich damit entschuldigen, weil es ihnen Mühe mache, auf meine Kinder und Nachkommen aus dieser ihnen so verhaßten Ehe ein besonders wachsames Auge zu eidesunfähig zu erklären, wiewohl das Verunreinigen an

einem Todten eben so , wie die Ehe mit eincrgeschiedenen Frau, hört,

zu den

Verboten der mosaischen Kirchenpolizeige-

und es sogar mehrere unvernünftige Talmudisten

gibt, welche die

Arzeneikunde für eine gotteslästerliche,

verruchte Wissenschaft erklärt, und dafür eben so schlechte Gründe angeführt

haben,

als

vom Herrn Salomon

Seeligmann Pavpenheimer,

dem Mitverfasser

der rabbannitischen Berichte, in seiner Schrift: „an die

„Barmherzigen in Endor, Breslau 1794" gegen die Professoren Herz und Levi, für den sträflichen Un­

fug des frühen Begrabens der Juden vorgebracht sind; —•

welche Schrift übrigens,

ganz würdig einer Dedikation

an die Hexe zu Endor, deshalb erwähnt wird, um

auch literarisch historisch nachzuweisen, welch*

rin finsterer Geist in diesen verstockten Rabbanniten gebannt

ist. *) Otiiun. Superbia. Avaritia. Invidu.

Luxuria,

Libide.

Ir^cundia.

30

haben, da die Sünde ihres Vaters auf sie übergehe; ist eine unter dem Deckmantel der Religion verübte, noch §. 226. Tit. XX. Th. II. des Allg. Landrechts höchst strafbare persönliche Bosheit. *) Glücklicher Weise hangt es nicht von den Rabbannitcn ab, meinen Kindern Rechte zu geben oder zu nehmen, und ich will sie von ihnen so wenig unterrichten, als legitimiren lassen. Ob sie zwar auch sich nicht entblödet haben, zu behaupten, diese meine Kinder standen als Huren­ kinder (Mamserin) unter ihrer besondern genealogischen Vigilanz, so verachte ich doch diese Injurie zu sehr, um etwas weiter, als dies zu er­ wiedern, daß ihr Vorgeben sogar nach den ihnen wohl­ bekannten Grundsätzen des Talmuds eine muthwillige Lüge ist. Im

Ksubos Blatt 29. und im Kiduschin Blatt 66. heißt es wörtlich: „Rabbi Samai sagt, aus allem „macht Rabbi Aktiva Bastarden, (Mamserin) „ausgenommen, wenn der Hohepriester (der noch mebr ist, als der Oberpriester) „eine Wittwe heu„rachct. Warum? Es steht im Buche Moses III. Kap. ,,2l. v. 14. 15. er soll nicht sie nehmen und nicht enti „weihen seinen Namen; das ist: seine Nachkommen „werden zwar entweihet und können keine „Priester seyn, aber Mamserin sind sie nicht" — ♦) Gottlieb Samuel Treuer, D. de injuiüs religionis coloie exornatis. Helmfiad, 172g. §« 16.

31

tz. VII. Das Gesetz Moses hat den Effekt der Ehe eines Kohcns mit einer Wittwe oder gcschicdnen Frau nicht bestimmt, in Hilchos Sanhedrin Abschnitt XIX. §. 14. wird sie aber mit der Strafe von 39 Schlagen belegt. Offenbar ist der mit einer Geschie­ denen verheurathete Kohcn für sich und seine Nachkom­ men vom Priestcrthume, und also vom Dienste des Altars und . des Tempels ausgeschlossen. Diese Aus­ schließung lasse ich mir gefallen; *) ich habe nie zu dm Kandidaten des Priestcrthums gehört, und weder einen Bart, noch einen weißen Talar, sondern in der Regel einer modernen schwarzen Frack getragen. Ferner ist eine solche Ehe kirchlich nichtig. Auch dagegen habe ich nichts, nur kann sich die kirchliche Nichtigkeit der Ehe auf keine bürgerlichen Rechtsverhältnisse extendiren und keine andere Wirkung haben, als daß die copula sacerdotalis verweigert werden darf, was auch nach dem Reskript vom 8- Septbr. 1802. (in Stengels Beiträgen Bd. XVII. S. 155) bei den Katholiken der Fall ist, obgleich bei den Juden nicht so wie bei diesen die Ehe als ein Sakrament betrachtet wird. Don der Strafe der 39 Schlage, als einer den Rabbanniten so höchst willkommenen Kirchenzuckt, ist dem Himmel sei Dank, gar nicht die Rede, und da *) Conf. Ist dec Beweis der Synagogenobservanz zuzulassen, daß ein Jude,

der eine Geschwächte heurathet, gewisser

Ehrenrechte nicht fähig sey? in M a d i h n s Miscellcn aus

allen Theilen der Rechtsgclehrsamkeit — erstes Schock,

Breil. 1814. p. abi. No. 40,

32 ich mich begnügt habe, meine Ehe als einen Akt des

Civilstandes durch auswärtige Trauung bestätigen zu lassen,

ohne das kirchliche Ancrkenntniß der hiesigen

Synagogen- Präfekten zu verlangen,

so mögen die

Rabbanniten solche immerhin für null und nichtig hal­ ten. Thun sie dies aber, so geht ihnen diese nich tige

Ehe auch gar nichts mehr an, und sie müssen sie ganz ignoriren, da sie überhaupt dann gar keinen Effekt hat,

und es eben so gut, ist» als exisiire sie gar nicht.

Die

Fortsetzung einer nichtigen Ehe ist niemals ein Verge­

hen; es sei denn, daß ein Incest oder eine Bigamie vorhanden wäre, und nur allein in dieser beiden Fällen ist sie zugleich auch ein Delikt, muß.

das bestraft werden

Om kirchlichen Verhältnisse zu den Rabbanniten

bin ich daher noch heute unverheurathct, *) und eine Ehe, die sie nicht anerkennen, dürfen sie auch

in

keiner Beziehung berücksichtigen,

oder mich

deshalb irgend eines .Rechts verlustig erklären.

Noch­

mals muß ich aber daran erinnern, daß nach dem m

§. II. angeführten Gutachten des Oberlandesrabbiners

vom ») Dafür spricht auch die Analogie der katholischen Kirchenmeiuung. Ein Protestant, der «ine vom protestantischen Ge­ kickt geschiedene Frau gehcurakhet, und sich wieder von ihr

geschieden hat, kann dieser Meinung gemäß, als unsers heuratheter Mann mit einer Katholikin eine kirchlich

gültige Ehe schließen, da seine erste geschiedene Frau, de­ ren Ehe mit ihrem ersten Manne fortbesteht,

nur als sein« Konkubine betrachtet wird.

33 i8- Februar 1794 irr Ehesachen auf den Geschlechts­ stamm gar nichts ankommen ftII, und mithin meine angenommene Abkunft vom Stamme Aaron nicht beit geringsten Einfluß hat.

Satzungen

Moses,

So wenig die Gesetze und

Hillels,

Schamai's und

Akkrva's in Bezug auf Treu nung der Ehe gültig

sind,

eben so uagülüg sind die in den bürgerlichen

Gesetzen nicht bestätigte Verbote ihrer Schließung, und nur die bestätigten,

welche die inhibirte Ver­

wandtschaftsgrade betreffen,

haben für

die

Luden

verbindliche Kraft. ,§. VIIL ■ Der Eid ist nach den Grundsätzen be§' preußischen positiven Rechts — worauf es hier allein an­

kommt— „eine feierliche Anrufung des al lwiss en -

„den Gottes zum Zeugen der Wahrheit dessen, was „von dem Schwörenden angegeben wird V* Allg. Ger. Ord. Th.l. Lit. X. ■§. 145. und nur in Rücksicht der Luden allein ist er zugleich „eineAufforderung der göttlichen Rache des Meineides,

„und eine Erklärung des Schwörenden, sich dem Fluch

„und den Strafen derselben unterwerfen zu wollen." §. 33°‘ 336. ebendas.

Da es nach dem Edikte, betreffend diebörgerlichen

Verhältnisse der Juden, vom 11. Marz d. Jahres, §. 22., bei diesen Vorschriften sein Bewenden behält, so findet eine weitere Kritik des Begriffs vom Eide eines Jude», als einer feierlichen Anrufung dergött-

C

34 lief)en Rache Jehovah's hier nicht Statt.

Ein­

sichtsvolle Zeitgenossen haben sich zwar aus manchen

religiösen, moralischen und juridischen Gründen gegen diese Provokation erklärt:

Paalzow,

über den Judenstaat. Berlin 1803.

S. inMeister,

über den Eid. Leipz. 1810. S. 2. 8-

Wenn aber auch die Ethik die Grenzen der gcsetzlichenMenschenpflichten nicht überschreiten darf, so ist

doch damit die Unzulässigkeit des Glaubens an eine ewige göttliche S trafgerechtigkcit,die, gleich

dem Fatum der alten philosophirenden Dichter, das Recht nach der eisernen unlenkbaren Nothwendigkeit

ausspricht, und nach dem Urtheile unserer eigenen Ver­ nunft Belohnung und Strafe auf eine unerforschliche

Weise vollzieht, noch keineswegen erwiesen; daher ich gern und freimüthig zugestehe, daß ich selbst diesen

Glauben als vernünftig anerkenne.'*) Kant's Tugcndlehre. Königsberg 1797. S. 184.

i85*

*) Ich erkläre diese Ueberzeugung für die meinige.

ES ist

ein durchaus falsches Verständniß des Christenthums, wenn Einige behaupten, das Wesen Gottes bestehe a l le in in Liede und

Güte.

In diesem Wesen ist vielmehr auch

etwas, das blos Kraft und Stärke ist, und nur darin

irrt das Zudenthum, daß es das göttliche Wesen in die

35

Wie jeder andere, so ist auch der Eid eines Juden ei­ ne religiöse Betheunmg, bestehenden dem ausdrück­ lichen, bestimmten, öffentlichen und feierlichen Be­ kenntnisse, daß dee Schwörende sich nicht nur überbaupt die Pflicht der Wahrhaftigkeit m.'d Worttreue ernsthaft und mit Erwägung aller sittlichen und religiösen Be­ stimmungsgründe in seiner Seele vorstelle, sondern sie auch in unmittelbarer Beziehung aus die Gottheit selbst als ein Gebot aberkenne, das für die Grundle­ gung des geselligen Lebens und des Verbandes der bürgerlichen Gesellschaft heilig und wichtig, sei.

Meister a. a. O. S. 22, Ueberall gründet sich eine solche religiöse Betheurung auf die in Beziehung auf einen Gerichtshof durchKraft

und Stärke allein setzt.

Keine wahre Liebe ohne

Flucht, keine wahre Furcht ohne Liebe.

Eine Furcht

Gottes kann nicht seyn, wenn keine Stärke in Gott ist,

und wie sollte Gott bestehen können mit seiner Weisheit und Güte ohne .Stärke, da Stärke eben das Bestehen,

und alles Bestehen Stärke ist? Wo keine Stärke ist, da ist auch kein Charakter, keine Individualität, keine wahre Persönlichkeit, sondern eitel Diffluenz, wie wir an

charakterlosen Menschen täglich gewahr werden. — Worin sich dieser Glaube an ein unabwendbares göttliches Geschick vom Islam ism unterscheidet, gehört hieher nicht. Er nä­

hert sich ihm allerdings, und die ihm das zum Vorwurf ma­ chen frage ich: wie sie an eine Allmacht glauben uud etwas Höheres, als ihr Wollen und Walten im unerforschlichen

Schicksaale der Menschen und Völker, denken mögen?

C 2

36

aus nothwendige Voraussetzung, cs glaube und bekenne jeder einen Gott, ein allmächtiges, allwissen­ des, allerhöchstes Wesen— eine Intelligenz der höch­ sten Vollkommenheit — eine Wcltordnung, eine Weltseelc; einen Welturheber— einen Inbegriff des Rechten, Wahren und Guten.

Kants metaphysische Anfangsgründe der Rechts­ lehre Königsb. 1797. §. 40. S. 151.

Rur dasjenige Individuum, was diese allgemeine Vermuthung für seine Person durch die That widerlegt hat, ist keiner religiösen Betheurung, kei­ nes Eides fähig. Darum ist eigentlich nur der Mein­ eidige in religiöser, und der Bürgerlich-Ehrlose iir sittlicher Beziehung cidesunsahig, und mit besonderer Weisheit hat die preußische Gesetzgebung diese Ehr­ losigkeit als Hauptstrase des Meineides bestimmt. Allg. Landrecht Th. II. Tit. XX. §; 1405.

Vom Atheist en, dem theoretischen und prak­ tischen — dessen Daseyn nicht ohne Grund geleugnet wird — kann hier nicht die Rede seyn. Weder Protagoras von Abdera, noch Göthe, der göttliche Deutsche, sind Atheisten, wenn jener sagt: „de Diis, „neque ut sint, ncque ut non fint, haheo dice„re “ *) und dieser ihn so übersetzt:

37 Wer darf Ihn nennen? Und wer bekennen:

Ich glaub' Ihn; Wer empfinden

Und sich unterwinden Zusagen:

ich glaub' Ihn Nicht»

Der Allumfafser,.

Der Allerhalter — Faßt und erhalt er nicht

Dich, mich, sich selbst? Wölbt sich der Himmel nicht droben?

Liegt die Erde nicht hier unten fest? Und steigen freundlich blinkend

Ewige Sterne nicht hinauf? Schau' ich nicht Aug' in's Auge dir.

Und drangt nicht alles Rach Haupt und Herzen sich, Und wallt in ewigem Geheimniß Unsichtbar sichtbar neben dir —?

Erfüll' davon dei n Herz, so groß es ist; Und wenn du ganz in dem Gefühle selig

L i st, Nenn' es dann wie du willst. Nenn's Glück! Herz! Liebe! Gott! Ich habe keiuen Namen

D afü r!

Gefühl ist alles! *)

Faust, ein Fragment von Göthe, Dessen fämtl>. Werke,

Leipz. 1790, Bd, VU< S. 159,

38

Wer mögte Protagoras, Göthe oder Jacobrder über diese Stelle ein herrliches Buch geschrieben hat, wohl für eidesunfahig erklären wollen?*) §. IX. Die Gesetze, welche die Vermuthung aus­ sprachen, daß der Jude die Pflicht der Wahrhaftigkeit in religiöser Beziehung weniger anerkenne, als der •) Höchst merkwürdig für Mit-und Nachwelt ist der Streit

über Theismus,

Atheismus und Naturalismus zwischen

Jacobi (veranlaßt durch seine bereits angeführte Schrift) und Schelling.

zuletzt dahin

Ob alle Plüosophie atheistisch sei und

führe,

einen unnatürlichen Gott

und eine gottlose Natur anzuneh men—? dar, über kämpfen zwei deutsche vortreffliche Männer mit gegen­

seitigen

schrecklichen

Beschuldigungen.

„Nach

Gottes

„Bilde geschaffen, Gott inuns und ü b e r u n s, getrennt „und doch in unzertrennlicher Verbindung — das ist die

„Kunde, die wir von ihm haben, die einzig mögliche; da„mit offenbart sich Gott dem Menschen lebendig, fortgehend

„für alle Zeiten." (Jacobi S. 55.)

Hat Herr Schelling

wirklich eine andere Kunde und woher? Was bedeutet die

Fabel von der AseitäL des Allerhöchsten ? (Schellings Denkmal der Schrift von den göttlichen Dingen, und der

ihm gemachten Beschuldigung des Atheismus. Tübing. 1312.)

Vortrefflich sagt er indessen: „verbreitet über den ganzen „menschlich gebildeten Theil der Erde, befestigt durch gött-

„liche Anstalten, durch Gebräuche, Sitten und Gesetze,

„ist der Theismus das System der Menschheit, der offent„liche Glaube

aller

Verfassungen, in denen Recht und

„Ordnung wohnt. Mir scheint, das-Publikum sollte des-

39 Christ, sind, Dank sei es der Weisheit und Gerech­ tigkeit des erhabenen Monarchen, aufgehoben.

Nur

in Criminalfallen findet kein Zwang zur Ablegung eines

eidlichen

Zeugnisses

Statt;

s. §.

23.

des

ongef. Edikts ) sonst ist die Eides - und Zeugenfahig-

keit des Juden und Christen als Staatsbürger nunmchro gesetzlich gleich. (Anhang z. Allg. Gerichtsord­

nung §. 88-) Der Grundunterschied des Juden-und Christen­ thums, wie überhaupt, so auch besonders in Bezug auf den Eid, beruht aus dem Glauben an eine furcht-

„halb die Beschuldigung des Atheismus nie leicht nehmen,

„sondern ihr jedesmal die größte Aufmerksamkeit schenken, „ja sie kann sogar auf einen Punkt getrieben seyn, wo es

„selbst dem gemeinen Wesennicht erlaubtist, „gleichgültig zu bleiben- Denn obwohl ernphilo-

„sophi scher Staat ( wenn und wo gab's oder giebts

einen solchen?) „nie auch entschiedne Gottesleugner verfol„gen wird, (weil aller GLaubenszwang unvernünftig ist)

„so können doch, nach meiner Ueberzeugung, Menschen, die „mit dem Namen

Gott nur S piel und B etrug trei-

„ben, unmöglich öffentlicher Aemter fähig gehalten werden, „wäre es auch aus keinem andern Grunde, als weil zu

„präsumiren ist, daß demjenigen, der nichts Unsichtbares „glaubt,

der mit dem Heiligsten nur Betrug

vorhat,

^auch keine Eide, noch andere zuletzt nur auf u nsr ch r„baren Gründen „werden/-

beruhend? Verpflichtungen heilig seyn

4o bare oder liebende Gottheit»

Daher die Sieb e-

nung der alten Hebräer; Michaelis mosaisches Recht Th.V. §.256. S.207»

daher die Untenverfung des Meineides unter die richter­

liche Strafe in Mischm:

, ihnen gemäß, nun gestehen und be­ kennen wollte, daß ich das mosaische Kirchen - Ccremonial-und Ritual-Gesetz geradezu für unverbindlich halte? Ich gestehe und bekenne das nicht; — aber selbst dann, mit welchem Schatten eines Schcingrundes dürften die Rabbanniten wohl behaupten, daß ich eides - und zeugenunsahig sei ? Zur Eidesfahigkcrt des Juden gehört, wie ich nochmals wiederhole, nach den Gesetzen nichts weiter, als daß die legale Voraus­ setzung, er glaube an eine, den Meineid rächende, gött­ liche Strafgerechtigkcit, nicht durch die That wider ihn aufgehoben und widerlegt sei; Aus seinem Geständ­ nisse, er halte das Ccrewonialgesetz für unverbindlich,

48 folgt aber fern Unglaube an diese Strafgerechtigkelt

noch kcinesweges. Die

jüdische Kirchengesellschaft ist verpflichtet,

ihren Mitgliedern Ehrfurcht gegen den Staat und sitt­ lich gute Gesinnungen gegen ihre Mitbürger einzuflösien, (Allg. Landr. a. a. D. §» 13. 20» 21.) und deshalb sollen ihre Repräsentanten nach der Instruktion vom

7. Decbr. 1790. §. 23» nichts Gesetzwidriges, Sitten­

loses und Unanständiges dulden.

Dagegen sollen sie

aber auch nach eben diesem Gesetz „in Religionssachen

„alle Duldung ausüben, und sich besonders bei Be„vbachtung oder Nichtbeobachtung des jüdischen Cere„monialgesetzes,

welche

dem Gewissen eines

„jeden unbedingt überlassen bleibt,

aller

„Verfolgung, Strafen und Züchtigung gänzlich ent-

„halten."

Nach der Verordnung vom 21. May 1790.

§. io. bin ich überdies in allen meinen bürgerlichen Rechtsverhältnissen dem hiesigen statutarischen

Rechte unterworfen,

und die jüdische Gesetze und

Ritualen verbinden mich einzig und allein nur noch in Ehescheidungssachen.*) Uebcrhaupt sind diese Ritualge-

setze *) Vaters Äepettoriunr der pteuZisch-schlesischen Verfassung Wb. II. Mth. II. §. 104. Nr. 1. S. 647.

Die Ehescheidun­

gen gehörten sonst cpioad effectus civiles vor die ordentliche

Civilobrigkeit, quoad rituale aber zur Instruktion und Entscheidung des Rabbiners, Welcher auch den Scheide»

trief aussertigte.

Diesem Unfug hat das Edikt vom 11.

War; .181», §. a6, u, 27, ebenfalls gesteuert und festgesetzt,

daß

49

setze nach klarer Bestimmung des Generaljudenprivi-

legii vom i^ten April 1750. §. 30. 31. und dem Re-

skripte vom Zten Marz 1Z06. (in Mathis jur. Mo­ natsschrift Bd. IX. Scct. 457. no. 32.) in Erbschafts-, Dormundsschasts-,

Testaments - und Ehesachen nur

so weit gültig, als sie das Mein und Dein — das sachliche Eigenthum — betreffen; in ReligionsGlaubens -und Gewissenssachen haben sie gar keine

verbindliche Kraft, und hier erfreuen sich in den preu­ ßischen Staaten auch die Juden der allgemein gesetz­

lichen Autonomie, indem die einst so gefährliche Macht

des Rabbiners mit weiser Strenge auf die Beobachtung der Kirchenceremoniels des jüdischen Gottesdienstes

beschrankt ist.*) -aß -re Trennung aus den im Allgemeinen LanörechLe ent­

haltenen allgemein gültigen Gründen vomCivilrichter ausgesprochen wird, und es der Ausfertigung eines raöban-

nitischen Scheidet iefs nicht bedarf; nach der Deklaration vom LZ.Iunir' 1812. (Brest. Amtsblatt. Stück 34. Nr. 32;%.

S. 412. lit. b.) wird die Scheidung allemal auch von den

Polizeibehörde als ein Akt des -Civilstandes konstatirk

*) Quam natura tribuit unLcuiqne libertatem, nt Deum secundum propriam convictionem adoret, quamquö nos conscientiae libertatem vocamus, leges, cpaibus N08 utimur, Juda eis nullo modo adimunt, jubent potius, ut Jadaei» praesertim recepti, in ritibns ac oeremoniis suis nullatenus oftendantur et turbentur, ^lenique ei, penes est judiciaiia potestas, in*

D

50

Meine Ehe ist geschlossen mit voller Freiheit nach dem bürgerlichen Gesetze; bestimmt ist sie durch Liebe und Wahlverwandtschaft. Nicht wider mein Gewissen, ganz seinem Ausspruche gemäß, habe ich meine Gattin gewählt und mich mit der Gewählten verbunden. Nur wenn ich mich von rabbannitischer Verstocktheit be­ stimmen ließe, bei dieser Wahl auf ein vor süns Tau­ send Jahren in Palästina gegebenes Kirchenpolizcigesetz „jungunt, ut contra turbantem tueatur Judaeos , man„datis ut ajunt, sine clausulis.“ J. G. Thiel principia jurisprndenliae judaicae. Ilalae 1780. §. 290. p. 107. „Rabbinus in sensu juris ecclesiastici est persona eccle„siastica, quae ritus in cultu divino Judaeorüm es» „sentiales peragit.“ G. JL. Böhmer de officio et potestate Rabbini provincialis in Elect. jur. civil. Tom. IIL p. 70. Thiel 1. c. §. 511. „Gleichwie dem Ober„haupre des Staats über alle im Staate aufgenommene und „blos geduldete Neligionögesellschaften die Oberaufsicht und „die Kirchengewalt als Majestätsrecht zusteht; so gilt „dieses auch in Ansehung der in den preußischen Staaten „geduldeten jüdischen Religi-onsgesellschaften. Hieraus „folgt denn auch, daß den Juden eine vollkommene ,,Gl a u b en s - u nd G ew isse n s fr ei h e i t, die eine we„sentliche Folge ihrer Aufnahme und Duldung ausmacht, „verstattet werden muß, mithin es unerlaubt sei, sie me­ ngen ihrer Religionsmeinungen zu verfolgen. Ein Rabbiner, „in Beziehung auf sein Kirchenamt, ist diejenige gottes„dienstliche Person, welche die wesentlichen gottesdienst„lichen Handlungen des jüdischen Gottesdlenstes verrich­ tet/' Terlindens Judeurecht. Halle 1804. 250.

S, 135. z. 553* S. 270,

5i wider Vernunft,

Gefühl, Einsicht und Neigung die

mindeste Rücksicht zunehmen, würo' ich unverantwort­ lich gegen meine Ueberzeugung handle», und den Vor­ wurf

der

Gewissenlosigkeit

vollkommen

verdienen.

Niemand ist durch meine Ehe gekrankt, keiner durch sie verletzt;

Perlen aber würd' ich wegwersen--------

wenn ich mein innerstes heiligstes Gefühl des Lebens

darstellen wollte der finstern Verstocktheit fanatischer Rabbanniten, in denen nichts lebt, als wüthender Un­

sinn.

§. XL

Der Talmud lehrt: ,,der beste Weg zum

„Himmel ist ein rechtschaffnes Herz." *) „Lehrt mich"

— sagte ein Heide zum Rabbi Hillel dem kelteren

— „das ganze Gesetz, indem ich auf einem Fuße stehe.

„Mein Sohn," erwiederte dieser: — „liebe deinen „Nächsten wie dich selbst, das ist der Text und die „Summa des Gesetzes.

Gehe nun hin, lerne, und

„thue, desgleichen. —"

Wie weit sind die hiesigen

Rabbanniten entfernst von der Weisheit jener Lehrer zur Zeit der Zerstörung des zweiten Tempels! Wie geneigt scheinen sie zu seyn, mich zu verketzern, zu

verfolgen und zu mißhandeln, wie ihre verstockte Vor­ fahren dem unglücklichen Uriel Acosta thaten, dessen

merkwürdige Selbstbiographie **)

sie wahrscheinlich

*) Mesachteth - Abos. Abschn. II. §. 15. **) Herder's Adrastea itzir. III. 17 ff.

D »

52

nicht kennen. Einen frechen Eingriff wagen sic in die gesetzgebende und richtende Staatsgewalt, der nur zu deutlich beweist, die Kirchenzucht sei in ihren Handen ein zweischneidig Schwert, mit dem sic sich selbst und ihre Glaubensgenossen tödtlich verwunden. Ihr Be­ tragen ergibt, wie cs nicht hinreichend ist, nach Herrn Dohms Meinung*) das ihnen anvcrtraute Bannrecht in der bürgerlichen Gesellschaft für durchaus unwirksam zu erklären, indem es leider alles vollkommen bestäti­ get, was Mendelsohn in der Vorrede zu Ma nasse Ben Israels Rettung der Juden. S. XLXII. da­ gegen anführt. Nicht zu gedenken, daß sie dies Bannrechsi hier wirklich in der bürgerlichen Gesellschaft geltend zu machen versuchen, und sogar den unbezwcifetten Grundsatz, das ausgestoßenr Mitglied einer Kirche könne ein rechtlicher, nützlicher und geachteter Bürger seyn, geradezu umstoßen wollen; so liegt auch überdies noch ganz klar am Tage, daß sie mir darum, weil sie mich für dissidentisch und heterodox halten , die Thüren der Synagoge selbst dann zu ver­ schließen beabsichtigen, wenn mich eine religiöse Handlung, die staatsbürgerliche Folgen hat, dahin zu kom­ men nöthiget. Sic gehen dabei aber sogar noch Ho weit, baß sie meine menschliche, häusliche und bürger­ liche Glückseligkeit zum Opfer ihrer unsinnigen Intole­ ranz fordern, und bevor sie ihren Bann zurückzunchmen gemeint sind, die Auslösung meiner Ehe verlangen,

53 auf deren Schließung und Dauer sich meine Wohlfahrt rind meine Ruhe gründet. Weniger als diese Zumuthung würde mich ihr Befehl empören, mich, wie Uriel Acosta that, von ihnen peitschen, mit Füßen treten, anspeien und öffentlich zur Ehre Gottes und der Kirche mißhandlen zu lassen. So viel ist aber gewiß, daß die­ jenigen, welche solcher Zumuthung sich unterfangen, Lust und Beruf in Uebermaß fühlen, mit Feuer und Schwert, am Brandpfahl und in der Marterkammer, oder heimlich mit Dolch und Gift die heilige Kirchen­ zucht recht exemplarisch auszuübcn!

§. XII. Aus dem, was bisher vorgetragen ist, ergeben sich unleugbar folgende damit erwiesene Sätze:

a) Ich bin kein Koh en in demjenigen Sinne, wel­ chen das Gesetz Moses «nimmt, wenn es dem mit der Priestermürde Bekleideten die Ehe mit einer geschiedenen Frau untersagt. b) Dies Kirchenpolizeigcsctz, was als eine bloße An­ tiquität zur Geschichte der Dogmen gehört, hat unter den ganz veränderten politischen, religiösen, staats - und bürgerrechtlichen Verhältnissen der Juden nicht die mindeste verbindliche Kraft.

c) Die Uebertretung desselben begründer gegen den Ucbertreter keinen Beweis des Atheismus, der Irreligiosität und des Unglaubens an eine, das Unrecht und die Sünde des Meineides rächende Strafgerechtigkeit Gottes.

54 d) Darum wird der Uebertreter eben so wenig in religiöser, als in ethischer Rücksicht eides- und

zeugenunfahig, weil sich eine allgemeine Gcwissenspflicht zur Haltung eines ungültigen Gesc^eF gar nicht denken laßt.

e) Die Erklärung der Rabbanniten, daß durch diese Uebertretung die Eides- und Zeugenfahigkeit des

Ucbertreters in religiöser, sittlicher und bürgerli­ cher Beziehung aufgehoben werde, ist eine unbe­ fugte Anmaßung, und, als ein Mißbrauch der ih­

nen anvcrtrauten Kirchenzucht, der strengsten Rü»

fit unterworfen.

Zweiter Abschnitt. §. XIII.

Alle diese Resultate sind evident, und

die Rabbaniten können daher mit ihrem Widerspruch gegen meine Zulassung zum Eide und Zeugnisse kein

rechtliches und vernünftiges Gehör finden.

Es scheint

auch, daß sie bei Erstattung ihres zweiten Berichts

schon selbst die Ueberzeugung von der Unstatthaftigkeit und Sträflichkeit 'dieses Widerspruchs gehabt haben,

weil sie darin ausdrücklich erklären, daß sie meine

bürgerliche Fähigkeit zur Ableistung eines Eides oder Zeugnisses gar nichts angehe.

Nur sich selbst

wollen sie verwahren gegen jede Theilnahme an der re­ ligiösen Sünde einer solchen Handlung, und es kommt also noch auf die Prüfung der Gründe an, welche sie

für ihre Weigerung, mir bei Beobachtung der bürger-

55

lich- gesetzlichen Eidessolemnitätcn vorschriftsmäßig zu assistircn, vorgebracht haben. Sie zerfallen in die bei­ den Behauptungen: a) daß ich die jüdischen Eidessolemnitaten nicht hei­ lig halte, ihnen aber

b) das Gesetz verbiete, mir, als einem Reli­ gio ns meineidigen, bei Ableistung eines Ei­ des zu assistiren. §. XIV. ad a.~ Es aefyt nun aber zuvörderst den Rabbanniten gar nichts an, ob ich die Eidessolemnitäten heilig halte, oder nicht. Sic wissen darüber meine Gesinnungen sowenig, als ich nöthig habe, sie ihnen mitzutheilcn; so viel aber erkläre ich hiermit: jede Feierlichkeit, welche das bürgerliche Ge­ setz bei Ableistung des Eides befiehlt, ist mir ehrwürdig. Weil sie das Gesetz befiehlt, und weil sie mir ehrwürdig ist, darum beobachte ich sie. Thora und Gebetriemen sind mir Symbole, die mich erinnern, daß mir die als göttliches Gebot er­ kannte Pflicht obliegt, die Wahrheit zu sagen, und ich lege sie an zum gesetzlichen, öffentlichen Beweise vor Gericht, daß ich dieser Pflicht der Wahrhaftigkeit und Worttrcue eingedenk war. Keine Ceremonie, keine Solemnitat kann einen andern, als den Zweck haben, diese Vorstellung durch sinnliche Zeichen in der Seele des Schwörenden lebhaft zum Bewußt­ seyn zu bringen. Betrachten sie die Rabbanniten an-

56 ders und glauben sie etwa wirklich an eine mystisch­ magische Kraft der Pergamentrolle, Thora genannt, und der Schnüre, Zizith (oder Zizis) und Tal­ las bcnamt, so sind sie in der verwerflichsten Superstition besangen. Ich halte Pergament und Schnüre für das, was sie sind; nicht als wirkli­ che Dinge, sondern als Symbole sind sie mir eben so heilig, als andern Rcligionsparteien das Kreuz, die Kerze und das Evangelienbuch. Woher wissen aber die Rabbanniten, daß ich Gebet- und Sattelriemen für gleich halte, und womit wollen sie wohl diese bos­ hafte Invektive gegen mich rechtfertigen?

§. XV. ad b. Eben so verkehrt ist die zweite Behauptung, daß 'ich wegen meiner verbotenen Ehe eines religiösen Meineides schuldig, ihnen aber im Ge­ setz geboten se», einem Religivnsmcineidigen keinen Eid zu gestatten, viclweniger ihm dabei zu assistiren. Nach der Bulle Pius des IV. vom Jahre 1564 wurde «ls ein Sicherungsmittel gegen die Ketzerei im kanonischen Rechte der Religionseid eingeführt, der nicht blos auf ein gegenwärtiges, sondern auch auf ein künftiges (!) Glauben und Bekennen der katholi­ schen Grundsätze gerichtet ist, und zugleich das Verspre­ chen des kanonischen Gehorsams enthalt, in der For­ mel : ,,hanc veram calholicam fidem integram et „immaculatam usque ad extremum vitae spirituni „constantissime retinere et confiteri — ego N.

57

„spondeo, voveo ac juro. “ *) Alle , die zu einem Kirchenamte und zu einer Pfründe gelangen wollten, sollten diesen Eid «Meisten; auch war er bei den Erz­ bischöfen und Bischöfen eine Art Vasalleneid. Außer diesem Eide, von dem die Rabbanniten gewiß nie Kunde erhielten, ist in der Geschichte des Eides nir­ gend die Spur eines ähnlichen Religivnseides zu ent­ decken , und am wenigsten ist ein solcher Eid irgend je­ mals den Juden auferlegt, oder ihnen in den christli­ chen europäischen Staaten jemals gestattet worden, die ihn, wäre davon je etwas zu ihrer Wissenschaft ge­ kommen, ehemals auch "offenbar als die sträflichste Ke­ tzerei betrachtet und verfolgt hätten.

Das Allegat des §. 227. Nr. 6. Tit. X. Th. I. der Allg. Ger. Ordnung ist vollends die gröbste Absurdität. Allerdings sind diejenigen, welche eines falschen Zeug­ nisses oder andern Meineides nberführr worden, eidesunfähig; daß sich aber die Worte: „andern Meineides", auf einen RetigionSmcineid beziehen, ist baarcr Unsinn. Sie beziehen sich, wie eine nähere Kritik, die aber hier nicht am rechten Orte ist, unwidersprechlich beweist, nicht einmal aus den EideSbruch —die Verletzung des (promissorischen) Verspre­ ch ungseides, sonderneinzig und allein nur auf de» *) Gärtners corp. jur. eccles. Part. I. p. 35g. Concil. Tridentin. Sess. XXIV. c. 12. de reforra. c. X. de elect. Wiese Handbuch des Äirchenrechts. LH, II. P 131. §. 152.

58 falschen (assertorischen) Betheurungseid, auf btn

eigentlichen Meineid, wiewohl es der Theorie desselben, besonders bei den gemischten, assertorisch - promis­

sorisch-und promissorisch-assertorischen Eiden, z. B. den Ma nife st ations-, Kautions-, Kalumnial-, Kredulitäts-, Diligenz- und ArmenEid en, vorzüglich, wenn es auf den Unterschied des kulp osen(?) und dolosenperjurU ankommt, an Voll­

ständigkeit und Präcision wirklich fehlt, auch hin­

reichende Vorschriften üb erden Beweisdes Meineides mangeln.

ist der Begriff eines

Dem preußischen Rechte

Religionsmeineides durchaus

fremd, ja er ist ihm, bei der darin für alle Religions­ verwandte seit Jahrhunderten ausgesprochenen Auto­ nomie und vollkommenen religiösen Gewissensfreiheit

ganz unmöglich; am allerwenigsten kann die Nichtbe­

achtung des kirchlichen Ritual- und Eeremonialgesctzes als ein religiöser Meineid betrachtet und diesem, nach der Meinung der Rabbanniten, eben die Wirkung bei­ gelegt werden, welche der Meineid im kriminalrechtlichen Begriff zur juridischen Folge hat.

Der Eid, mit

dem Moses

Buch V. Kap. 29. v. 13. 15. die Ksraeliten beschwor, ist theils nicht von den Isra­

eliten, sondern von ihm, als ihrem Heerführer, Gesetz­ geber und Feldherrn, geleistet, theils kann er auf das

Eheverbot,

welches kein

Kirchenpolizeigesetz war,

Rcligions - , sondern ein

gar nicht bezogen werden.

59 Es ist an sich auch eine horrende Idee, daß ein von dem vor fünf tausend Jahren verstorbenen Stammvater in die Seele seiner Nachkommen bis an der Welt Ende geleisteter Eid, diese in Glaubens-undGcwissenssachen auf irgend eine Weise fortdaurend verpflichten, und Ihnen das heiligste Borrecht der Autonomie für alle Ewigkeit entreissen feilte? Ueberhaupt ist ein Meineid, gedacht als subjektive Rechtsverletzung des Menschen gegen die Gottheit, eine ganz un­ vernünftige und in bei That abgöttische Idee, die allen reinen Religionsbegriffen von einem unendlichen, allmächtigen Wesen durchaus widerspricht, zu wel­ chem höchsten Wesen das Verhältniß des Menschen niemals real, sondern nur ideal seyn, mithinimmer nur in Beziehung auf ihn, den Menschen selbst, und die Maxime der innern Sittlichkeit bestehen kann. §. XVI. Allein alles dies, was die Einsicht und Fassungskraft der Rabbanniten ohnehin weit übersteigt, gehr sie auch wiederum gar nichts an. Indem sie sich selbst aller Entscheidung über meine bürgerliche Eides-und Zeugenfähigkcit begeben haben, stellen sie selbst an denjenigen Platz, der ihnen verfassungsmäßig gebührt. Sie gestehen nämlich damit zugleich ein, daß sie in Bezug auf meine Eidesleistungennichts weiter zu thun haben, als das ihnen vom Staate anvertraute Amt der Ceremonienmeister gesetzlich zu verwalten. Das allein ist auch ihre Pflicht, ihr Beruf, ihr Dienst. Bringen mögen sie mir Becken

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und Wasser zum Abwaschen der Hande; Acht sollen sie geben, daß die Thora in meinem Arm echt undohne Flecken (koscher) ist, — daß die Tallas recht anlie­ gen, daß dieZizith nicht mehr neun Fingerglieder lange Faden haben als 8, und nicht weniger Knoten als g, und daß bei der Orthographie des Wortes Jehovah und Adonai in der Eidesformel oder aus der Tafel nichts versehen sei. *) Mit vernehmlicher Stimme — wo möglich ohne lächerlichen jüdischen Accent — sotten sie mir die Verwarnung verlesen, die in der Gerichts­ ordnung steht, bevor ich schwöre; auch mögen sie Zeter schreien, wenn es wirklich geschieht, und Amen rufen, wenn der Schwur endet. Das alles auf's genaueste und sorgfältigste zu beobachten, liegt ihnen ob. Unbedingt sind sie schuldig, dies ihr Amts an mir und jedem, den ihnen die richtende Staatsgewalt als einen Schwörenden zuschickt, unweigerlich und pünkt­ lich zu vollziehen. Kein Vorwand, und selbst nicht der gegründete Vorwurf der Unsittlichkcit des Schwören­ den befreiet sie von dieser Schuldigkeit; selblkWeibs­ personen, die außer der Ehe geschwängert und deshalb von allen gottesdienstlichen Versammlungen der Gemeinde ausgeschlos­ sen find, darfdennoch die Eidesableistung in der Synagoge nicht verweigert werden; wenn der proceßführende Gegner darauf *) Kleins Annalen. Bd. X. S. agg. ff. Neues Archiv.

Bd,HI. S.;7g. Stengels-Beiträge. S3b. Xlll. S. 345.

besteht. Dies bestimmt die Gerichtsordnung Th. r. Tit. X. §. 350. ausdrücklich, und jede Widerrede der Rabbanniten ist also offenbar eine ganz sträfliche Oppo­ sition. Sind Ordnungsstrafen nicht hinreichend^ sie von ihrer Renitenz abzuhalten, so müssen sic, gleich allen andern ihre Pflicht beharrlich weigernden Staats­ dienern, ihres Amtes entsetzt werden. Das ist dielega­ le, einfache, kurze,- nachdrückliche Procedur, welche wider sie Statt finden soll und muß.

So lange ich Jude bin und bleiben werde, kann ich unter keinen andern, als den gesetzlichen Solemnitaccn einen Eid ablcistrn, und so gewiß ich als Staats­ bürger die Ableistung des Eides fordern darf, eben fi> gewiß bin ich auch befugt zu verlangen, daß diejenigen Kirchendiener, welche bei diesen Solemnitaten ihr Amt verrichten müssen, dazu durch richterliche Gewalt «»gehalten werden, weil ich, wenn ihre freche, dienst­ widrige Weigerung berücksichtiget würde, indirekt und faktisch eidesunfakig wäre. Mein Recht im bürgerlichen Gerichtshöfe beruht darauf, daß ich einen Eid ablcifte, und ich bin also befugt zu fordern, daß diejenigen Kirchendiener, welche die Ableistung durch dienstwidrige Renitenz hindern, und mich dadurch in meinem Rechte kränken, mit Zwangmitteln angehaltcn werden, ihr Amt zu verrichten.

Hierum bitte ich denn eben so dringend und aller­ gehorsamst, als ich nachdrücklichst darauf bestehe. Es liegt klar am Tage, daß ich der mit einer geschie-

6r denen Frau bestehenden Ehe ohngeachtet, nach den bürgerlichen Gesetzen eidesfähig bin und bleibe. Diese Fähigkeit gibt mir ein heiliges, wichtiges, in allen meinen bürgerlichen Verhältnissen unbeschranktes Recht, sie geltend zu machen; selbst die Rechte meiner Mitr bürget hangen davon ab, daß ich in ihren Rechtsangclegenheiten ein eidliches Zeugniß abzulegen im Stan­ de bin. An der Ausübung dieser Rechts darf mich das eingebildete Kirchenregiment und die sogenannte Kirchenzucht der Rabbanniten nicht einen Augenblick hindern, und wo sie mich hindert, muß sie die welt­ liche Macht in ihre Schranken zurückweisen, züchtigen und strafen. Wer eidesunfahig ist, befindet sich außer dem Gesetz; er ist einem geachteten, vogel­ freien Menschen in den meisten Verhältnissen gleich. Es empört, daß ein solcher Zustand für irgend ein staats­ bürgerliches Individuum durch rabbannitische Verstockt­ heit auch nur auf einen einzigen Tag hcrbeigeführt werden darf. Kein Gesetz und keine rechtmäßige Ge­ walt im Staate kann mich zur Aufhebung meiner Ehe zwingen, und darum muß mich die Staatsgewalt auch schützen gegen den fanatischen Zwang der Rabbanniten, welche mich zur Scheidung damit nöthigen wollen, daß sie mich durch ihre superstitivsc, sträfliche Amtsweige­ rung indirekt in diesen faktischen Zustand versetzen.

Feierlich in allen Ländern und Staaten haben die Juden anerkannt und erklärt: „Alle kirchliebe „Macht fei der weltlichen Obrigkeit unter-

63 „morsen." Auf dies Anerkeiintniß und unter dieser Bedingung allein ist ihre Einbürgerung zugestanden, und nur auf diese Kondition können sie des Genusses der Bürgerrechte (jm ium civicorum, nicht civiiium) fähig und würdig seyn. Empörend — das muß ich nochmals wiederholen — ist es aber, daß gerade jetzt, wo die Nation zu diesem, seit Jahrtausenden gewünsch­ ten Glück gelangt, die Nabbinen in der Hauptstadt,ekner kultivirten preußischen Provinz mit Grundsätzen hervorzutretcn wagen, die ein fluchwürdiger, die Na gekleidet;

dieser ist zeugenunfähig

nach der Lehre der h eilig en Schrift.

Genießt aber

jemand Geflügel in Milch, oder entweihet er den zwei­ ten Feiertag, oder tragt ein wollenes Kleid mit Flachs,

diese sind nach der Rabbiner Meinung zum Zeu­ gen unfähig.

Das Oberlandesgericht nahm aufdiese Vorstellung

lediglich Bezug und erklärte in seinem an den JustizMinister am 24. Mai 1812 erstatteten Bericht: ,,Aus den von dem @*** in rechtlicher Hinsicht

„angeführten Gründen sind wir der Meinung, „daß die jüdische Gelehrte im Fall ihrer ferneren

„Weigerung durch Zwangsmittel zur Assistenz bei

„tcn von dem ©*** zu leistenden Eiden anzuhal-

,,tcii sind.

Wir wellen dies jedoch der höheren

„Entscheidung Eines hohen Justizministers unter-

„werfen, und bitten ganz gehorsamst, uns hier„über für vorkommende Falle, besonders aber um

„das Erforderliche an das hiesige Stadtgericht ver„fügen zu können, hochgeneigtcst mit Vorbeschei-

„düng versehen zu lassen. Hieraus erging folgendes Justiz - Ministerial - Reseript vom 9. Jun. igu,

was auch in den Jahrbü­

chern der preußischen Gesetzgebung Bd. I. y. 62. Nr. 35. abgedruckt ist.

72

IV. Justizministerial-Reskript v. 9. Junius 1812.

dem Berichte des kvnigl. Oberlandesgerichts zu

Breslau vom 24. v. M. über die Beschwerde des Commissarii ®*** ist zu ersehen, daß Dasselbe der

Meinung ist, daß die jüdische (belehrte im Fall ihrer ferneren Weigerung durch Zwangsmittel zur Assistenz bei dem von dem rc. ® *** zu leistenden Eide anzuhal­

ten, sind.

Da diese Meinung nach den Gesetzen für

gegründet zu achten, indem die Beurtheilung der Fähig­ keit eincS Menschen zur Eidesleistung, und der Wirk­ ung eines geleisteten Eides, anmaßlichen und

jüdischen

keineswcges von der

Entscheidung Gelehrten

der

Rabbiner

abhängig,

son­

dern lediglich dem Ermessen der Obrigkeit

nach

den

'Vorschriften

des

bürgerlichen

Rechts zn überlassen, hiernach aber derec. ®***

wegen seiner Verheurathung mit einer geschiedenen Frau uud seiner supponirten Abstammung von Aaron

für unfähig zur Ableistung des Eides nicht zu achten,

am wenigsten aber den Nabbinen und jü­ dischen Gelehrten die Befugn iß einzuräu­ men, in Civilstreitigkeiten den Fortgang

deS

73 des rechtlichen Verfahrens durch Verwei­ gerung der ihnen nach der Allgcm. Ger. Ordnung Th. I. Tit. X. §. 324. obliegenden Funktionen zu hemmen, und die DefinitivEntscheidung durch Einwendungen, die nur das Gewissen des Schwörenden und das Interesse seines Gegners angehen, zu verzögern; so hat das k. O. L. Ger. die Rabbincn und die jüdischen Gelehrten nachdrücklich zu­ recht zu weisen und weiter in der Sache rechtlich zu verfahren. Berlin, d. 9. Juni 1312.

Der Justiz-Minister

Kircheisen. An das königl. Oberlandesgericht zu Breslau.

74

Auch gegen dies hohe Reskript sind die Rabdannitcn am 4. Rvbr. c. nochmals mit einer Vorstellung voll von Invektiven und Jnsobenzen eingckommen, in wel­ cher sie mir einer Jmmediatbeschwerde bei Sr. Majestät des Königs Allerhöchsten Person drohen. Es ist ihnen aber durch das Reskript des OberlandeSgerichts vom 17. ejusd. zur Resolution ertheilt, daß es lediglich bei den Bestimmungen des Justiz-Ministerial Reskripts v. 9. Jun. ej. aus den darin angeführten Gründen fein Bewenden behalte.