Zivilrechtspflege durch externe Funktionsträger: Das Justizverfassungsrecht der Notare und Verwalter 9783161579325

Externe Funktionsträger sind Private, die in Zivilverfahren Aufgaben übernehmen, die der Staat sonst durch eigene Bedien

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German Pages 544 [549] Year 2020

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
§ 1 Problemaufriss und Grundlagen
I. Staatliche Zivilrechtspflege
II. Zivilrechtspflege durch Zivilverfahren
1. Charakteristika
2. Durchführung von Zivilverfahren durch interne und externe Funktionsträger
3. Teilhabe an der Verfahrenshoheit
a) Abgrenzung zu einem Mitwirkungsverzicht des Staates
b) Abgrenzung zu sonstigen Hilfstätigkeiten
c) Abgrenzung zu schlichter Verwaltungstätigkeit unter staatlicher Überwachung
III. Justizverfassungsrecht als Basis für die Verfahrensdurchführung
1. Kapitel: Externe Funktionsträger
§ 2 Einsatz externer Funktionsträger auf dem Gebiet der Zivilrechtspflege
I. Der Staat als „Sachwalter“ im privatrechtlichen Bereich
II. Rechtsprechende Gewalt
1. Schiedsgericht
2. Notarielles Schiedsgericht
III. Außerstreitige Konfliktbereinigung und Konfliktprophylaxe
1. Außerstreitige Konfliktbereinigung
a) Herbeiführung einer gütlichen Einigung im Zivilprozess
b) Vorgerichtliche und außergerichtliche Streitbeilegung
2. Staatliche Mitwirkung zur Konfliktprophylaxe
IV. „Recht zum Zwang“
1. Gewaltmonopol und Effizienzgebot
2. Justizgewährung durch externe Funktionsträger mit Vollstreckungsgewalt
a) Gütestellen
b) Notar
3. Einbindung externer Funktionsträger ohne hoheitliche Vollstreckungsgewalt
a) Versteigerung durch eine andere Person gem. § 825 II ZPO
b) Zwangsverwaltung
aa) Der Zwangsverwalter
bb) Die Aufsichtsperson
V. Externe Funktionsträger in den Verfahren der InsO
1. Insolvenzverfahren
a) Die Gläubigerversammlung
b) Der Gläubigerausschuss
c) Der Insolvenzverwalter
d) Der Sachwalter
2. Verfahren zur Überwachung der Planerfüllung
3. Restschuldbefreiungsverfahren
4. Eröffnungsverfahren
VI. Nachlassverwalter
VII. Fazit
§ 3 Der Einsatz externer Funktionsträger als Teil des Justizverfassungsrechts
I. Organisationskonzepte für den Einsatz externer Funktionsträger
1. Der organisationsrechtliche Ansatz
a) Das Notariat als personalistische Rechtspflegeeinrichtung
b) Zuweisung des Funktionskreises
2. Der verfahrensrechtliche Ansatz
II. Strukturelle Probleme
1. Spezielle konzeptionelle Probleme der externen Rechtspflegeeinrichtung
2. Spezielle konzeptionelle Probleme der Einbindung Privater in Zivilverfahren
III. Regelungsgegenstände eines Justizverfassungsrechts der externen Funktionsträger
2. Kapitel: Das Notariat als externe staatliche Rechtspflegeeinrichtung
§ 4 Justizgewährung vermittels externer Rechtspflegeeinrichtungen
I. Notar als „Außenstelle“ der Justiz
II. Grundlegende Strukturentscheidungen des Notarverfassungsrechts im Überblick
1. „Rechtsform“
2. Institutionelle Ausgestaltung
a) „Allgemeine Amtspflichten“
b) Zur Bedeutung institutioneller Grundpflichten
3. Unabhängigkeit als Statusmerkmal der Funktionsträger der Justiz
4. Staatliche Bestellungs- und Kontrollhoheit
a) Bestellung
b) Amtsverlust
c) Kontrollinstrumente
III. Fazit
§ 5 Das Notaramt
I. Zur Bedeutung des Amtsbegriffs
II. Notaramt als „instituierte Zuständigkeit“
III. Notaramt als Status
1. Notarbefugnis und Beleihung
2. „Außerdienstliches“ öffentliches Amt
a) Zur Rechtsfigur des „außerdienstlichen Amtes“
b) Die Bedeutung des „Treueverhältnisses“
IV. Die „Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit“ des Amtes
V. Amtsausübungsbefugnis und wirtschaftliche Verwaltung
1. Abwesenheit und Verhinderung
2. Vorläufige Amtsenthebung
a) Die Vertreterlösung
b) Die Verwalterlösung
c) Entscheidung zwischen den beiden Fortführungsformen
3. Verbot der persönlichen Amtsausübung
a) Hauptberuflicher Notar
b) Anwaltsnotar
4. Vorübergehende Niederlegung des Notaramts mit Wiederbestellungsgarantie
§ 6 Institutionelle Ausgestaltung der Rechtspflegeeinrichtung durch notarielle Grundpflichten
I. Die Regelung allgemeiner Amtspflichten in der BNotO
1. Das grundlegende Problem der gesetzessystematischen Zuordnung der Notarpflichten
2. Konkretisierung des Pflichtenkreises
3. Systematik
II. Aufgabenbezogene Grundpflichten
1. Unparteilichkeit
a) Abgrenzung zur Interessenvertretung
b) Verbot der Bevorzugung oder Benachteiligung
c) Ableitung von Verfahrenspflichten?
d) Sicherung des Unparteilichkeitsgebots
2. Unabhängigkeit
a) Zielrichtung und Gegenstand des Unabhängigkeitsgebots
b) Bindungs- und Mitwirkungsverbote
c) Zum Problem „wirtschaftlicher“ Abhängigkeit
3. Verschwiegenheit
4. Fortbildungspflicht
III. Vertrauenssichernde Grundpflichten
1. Die Pflicht zu „amtswürdigem“ Verhalten
a) „Integritätsgebot“
b) Auswirkung des Integritätsgebots auf die Verfahrensgestaltung?
2. Vermeidung falschen Anscheins („Anscheinsverbot“)
a) Abgrenzung zu dem verfahrensrechtlichen Verbot, einen falschen Anschein zu erwecken
b) „Statusbildende“ Bedeutung
c) Verhaltensanforderungen
aa) Vermeidung des Anscheins der Parteilichkeit oder Abhängigkeit
bb) Verbot, den Anschein einer Amtspflichtverletzung zu erwecken
IV. Organisatorische Grundpflichten
1. Amtsbereitschaft
2. Organisation einer eigenständigen Funktionseinheit
a) Geschäftsstelle und Kanzlei
b) Eigenständigkeit der Funktionseinheit
c) Binnenorganisation
3. Unabhängigkeit
4. Gebührenerhebung
5. Versicherung statt Staatshaftung
§ 7 Unabhängigkeit als Statusmerkmal
I. Unabhängigkeitsgewähr
1. Ausprägungen des Begriffs der Unabhängigkeit
a) Sachliche Unabhängigkeit
b) Persönliche Unabhängigkeit
c) Organisatorische Unabhängigkeit
2. Präzisierung der Zielrichtung der Unabhängigkeitsgewähr
a) Aufsichtsbehörde und Disziplinargericht
b) Notarkammern
c) Andere Funktionsträger der Justiz
3. Grenze der Unabhängigkeitsgewähr
a) Umsetzung justizorganisatorischer Entscheidungen
b) Verwaltungsverwahrung
c) Materielle Verkörperung öffentlicher Urkunden
d) Kosten
II. Staatsaufsicht und notarielle Unabhängigkeit
1. Zur Frage des Kontrollbedarfs auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege
a) Kontrollbedarf bei Einsatz einer externen Rechtspflegeeinrichtung
b) Das Problem beschränkter Sachkontrolle
2. Das Spannungsverhältnis zwischen Aufsicht und Unabhängigkeit
a) Lösungsansätze auf dem Gebiet des Notarrechts
aa) „Innerer“ und „äußerer“ Tätigkeitsbereich
bb) Schuldhafte Pflichtverletzung
b) Richterberufsrechtliche Grundsätze als Leitlinie?
aa) Die Kernbereichslehre
bb) Offensichtlich fehlsame Amtsausübung
c) Der Notar als „Rechtsbefolger“
3. Gegenstände staatlicher Kontrolle
a) Aufsicht über den Notar „als Verfahrensträger“
aa) § 14 III 1 BNotO
bb) § 14 II BNotO und § 4 BeurkG
cc) Pflicht zur Urkundsgewährung und sonstige Handlungspflichten
dd) „Ob“ und „Wie“ der Rechtsanwendung
ee) Kostenentscheidung
b) Aufsicht über den Notar „als Institution“
aa) Aufgabenbezogene und vertrauenssichernde Grundpflichten
bb) Organisatorische Grundpflichten
cc) Gebührenerhebung
III. Bedeutung der Unabhängigkeit innerhalb des Funktionsbereichs der Justiz
1. Bindung des Notars an richterliche Akte
2. Unabhängigkeit des Notarvertreters im Verhältnis zum vertretenen Notar?
a) Justizgewährung durch Notarvertretung
b) Das statusrechtliche Verhältnis zwischen Notar und Notarvertreter
aa) Meinungsstand
bb) Stellungnahme
§ 8 Die staatliche Bestellungsverantwortung
I. Bestellung des Notars und Zuweisung eines Amtssitzes
1. Eignung für das Notaramt
a) Persönliche Eignung
b) Fachliche Eignung
c) Auswahl
2. Zuweisung eines Amtssitzes
a) „Eignung“ für einen bestimmten Amtssitz
b) Die örtliche Wartezeit nach § 6 II Nr. 2 BNotO
aa) Bestellungsvoraussetzung
bb) Amtssitzverlegung
c) Auswahl
II. Verwalterbestellung
1. Eignung für das Amt des Notariatsverwalters
a) Grundsätzliche Eignung für das Amt des Notariatsverwalters
b) Individuelle Eignung für eine bestimmte Notariatsverwaltung
c) Belange des Notars und der Notarkammer
2. Auswahl
III. Vertreterbestellung
1. Vertreterbestellung auf Antrag des Notars
2. Vertreterbestellung von Amts wegen und auf Vorschlag eines Betreuers oder Abwesenheitspflegers
§ 9 Die staatliche Kontrollverantwortung
I. Das duale Kontrollsystem des Notarverfassungsrechts
1. Pflichtenkonkretisierung
a) Kompetenzverteilung zwischen Notarkammern und Justizverwaltung
b) Die Richtlinienkompetenz der Notarkammern
2. Aufsichtsmittel
a) Nebeneinander der Aufsichtskompetenzen
b) Die Unterstützungsfunktion der Notarkammern
II. Amtsverlust
1. Amtsenthebung und Entfernung aus dem Amt
2. Systematik
3. Problemfälle
a) § 50 I Nr. 4 und 5 BNotO
b) § 50 I Nr. 10 BNotO
c) § 50 I Nr. 9 BNotO
aa) Wiederholter Verstoß gegen Mitwirkungsverbote
bb) Grober Verstoß gegen Mitwirkungsverbote
d) § 50 I Nr. 8 BNotO
3. Kapitel: Einbindung externer Verwalter in Zivilverfahren
§ 10 Justizgewährung durch die Funktionseinheit „Gericht und Verwalter“
I. Das Verwalteramt als Teil der Justizorganisation
II. Grundlegende Strukturentscheidungen des Verwalterverfassungsrechts im Überblick
1. Die Rechtsfigur des Verwalteramtes
2. Institutionelle Grundpflichten
3. Konstitution der zuständigen Funktionseinheit „Gericht und Verwalter“
a) Die Entscheidung über die geeignete Person
aa) Rechtsakt
bb) Bedeutung der Wahlmöglichkeit nach § 57 S. 1, 2 InsO für die Qualifikation der gerichtlichen Entscheidung
cc) Eignungsprüfung
b) Zur Unterscheidung zwischen Bestellungsentscheidung und Auswahl
aa) Beschränkung der gesetzlich normierten Konzeption auf die Bestellungsentscheidung
bb) Rechtliche Bedeutung der Auswahl
cc) Rechtliche Bedeutung der Vorauswahl
4. Staatliche Kontrollhoheit und funktionaler Freiraum des Verwalters
a) Verfahrensimmanente Aufsicht
b) Verfahrensübergreifende Aufsicht
c) Berufsrechtliche Aufsicht
III. Fazit
§ 11 Das Verwalteramt
I. Instituierte Zuständigkeit
II. „Status“ des Verwalteramtes
1. Das Verfahrensamt als Bestandteil der Funktionseinheit „Gericht und Verwalter“
2. Die Verwalterbefugnis
3. Fähigkeit zur Amtsinhaberschaft
a) Generelle Fähigkeit zur Amtsinhaberschaft
b) Fähigkeit zur Ausübung des Verwalteramtes
III. Zur Bedeutung der „Rechtsstellung“ des Verwalters für die Konzeption des Verfahrensamtes
1. Der Streit um die richtige Verwaltertheorie unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters
a) Gläubigervertretungstheorie
b) (Masse-) Organtheorie
c) (Schuldner-) Vertretungstheorie und Theorie der „Vertretung kraft Amtes“
d) Neue Vertreter- und (Gesellschafts-) Organtheorie
e) Amtstheorie
2. Relevanz der Verwaltertheorien für die Dogmatik des Verfahrensamtes
a) Die Amtstheorie als „Programm“
b) Der programmatische Anspruch der Theorie der Vertretung kraft Amtes
c) Ansätze eines institutionellen Amtsverständnisses bei der (Masse-) Organtheorie
§ 12 Institutionelle Grundeigenschaften und Grundpflichten
I. Unparteilichkeit („Unabhängigkeit“)
1. Begriff der „Unabhängigkeit“
2. Unparteilichkeit und Vermeidung des falschen Anscheins der Parteilichkeit
a) Begriff der Unparteilichkeit
b) Unparteilichkeit als Verhaltenspflicht
c) Vermeidung des Anscheins der Parteilichkeit
d) Sicherung der Unparteilichkeit durch Ausschluss vom Verwalteramt
3. Zwingende Ausschlussgründe
a) Verwaltung „in eigener Sache“
aa) Insolvenzverfahren
bb) Zwangsverwaltung
cc) Nachlassverwaltung
b) Mitberechtigung und Nähe zu einem Beteiligten
aa) Mitberechtigung, Vertreter, Verwandte (§ 41 Nr. 1 bis 4 ZPO, § 3 I 1 Nr. 1 bis 3, 5, 6 BeurkG)
bb) Gemeinsame Berufsausübung (§ 3 I Nr. 4 BeurkG)
cc) Kapitalbeteiligung (§ 3 I 1 Nr. 9 BeurkG; § 319 II Nr. 1 HGB)
c) Abhängigkeitsverhältnisse
d) „Vorbefassung“
4. Indizierte Befangenheit und „Besorgnis der Befangenheit“
a) Besorgte Gefahr der Parteilichkeit
aa) Begriff der Besorgnis der Befangenheit
bb) Besorgnis der Befangenheit als Eignungsmangel
b) Indizierte Gefahr der Parteilichkeit
c) Besorgnis der mangelnden Unvoreingenommenheit
II. Uneigennützigkeit
1. Eigennütziges Verhalten und Anschein der Eigennützigkeit
2. Sicherungsmaßnahmen
III. Zuverlässigkeit
IV. Verschwiegenheit
V. Organisatorische Grundpflichten
1. Amtsbereitschaft
2. Personal- und Sachmittel
3. Wertigkeit der persönlichen Haftung
§ 13 Die staatliche Bestellungsverantwortung
I. Die Verwalterbestellung
1. Gegenstand der Bestellungsentscheidung
2. Eignung für das Verwalteramt
a) Institutionelle Voraussetzungen des Verwalteramtes
b) Qualifikation für die Verfahrensaufgaben
aa) „Verwalterprofile“
bb) Systematischer Vorrang des Anforderungsprofils
cc) Entscheidungsprozesse
dd) Das Problem der mangelnden Transparenz der Entscheidungsprozesse
3. Bestellungsverantwortung bei Verwalterwahl durch die Gläubiger
a) Fehlende Eignung
b) Sonstige Belange?
c) Prüfungspflicht
II. Vorauswahl
1. Zur rechtlichen Qualifikation der Maßnahmen zur Ermittlung und Vorauswahl der Verwalter
2. Konzeptionelle Probleme der „verfahrensrechtlichen Lösung“
a) Pflicht zur sachgerechten Justizorganisation
aa) Unzulänglichkeiten der verfahrensrechtlichen Lösung
bb) Das Transparenzproblem auf der Ebene der Vorauswahl
b) „Zulassung“ zur Vorauswahl
c) Schlussfolgerung
III. Auswahl unter geeigneten Bewerbern
1. Kriterien
2. Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung?
§ 14 Die staatliche Kontrollverantwortung
I. Verfahrensrechtliche Kontrollinstrumente
1. Die kontrollierende Aufsicht
a) Insolvenzgericht
aa) Aufsicht und funktionaler Freiraum
bb) Aufsicht bei Einsatz eines Gläubigerausschusses
b) Vollstreckungsgericht
aa) Anweisungsbefugnis
bb) Kontrolle
c) Nachlassgericht
2. Entlassung des Verwalters aus dem Verfahrensamt
a) Erfordernis des wichtigen Grundes
b) Entlassungsgründe
c) Entlassung als „Sicherungsmaßnahme“?
II. Verfahrensübergreifende Kontrolle
1. Die Verwalterbestellung als faktisches Aufsichtsinstrument
a) „Erprobung“
b) „Entlassung“
2. Rechtliche Bedeutung und konzeptionelle Probleme
a) Verfahrensübergreifende Aufsicht auf der Ebene der Vorauswahl
b) Verfahrensübergreifende Aufsicht auf der Ebene der Auswahl
3. Fazit
Schlussbetrachtung
I. Ergebnisse
II. Abschließende Würdigung
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
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Zivilrechtspflege durch externe Funktionsträger: Das Justizverfassungsrecht der Notare und Verwalter
 9783161579325

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 96

Nicola Preuß

Zivilrechtspflege durch externe Funktionsträger Das Justizverfassungsrecht der Notare und Verwalter

Mohr Siebeck

Nicola Preuß, geboren 1966, 1994 P r o m o t i o n ; 2 0 0 1 Habilitation; Lehrstuhlvertretungen an der Freien Universität Berlin und der Universität Bielefeld, derzeit Hochschuldozentin an der Ruhr-Universität Bochum.

978-3-16-157932-5 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 ISBN 3 - 1 6 - 1 4 8 5 8 0 - 7 ISSN 0 9 4 0 - 9 6 1 0 (Jus Privatum) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2 0 0 5 M o h r Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung a u ß e r h a l b der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Z u s t i m m u n g des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, M i k r o verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch w u r d e von Guide-Druck in Tübingen aus der Sabon gesetzt, auf alterungsbeständiges W e r k d r u c k p a p i e r gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Die Rechtspflege zählt zu den klassischen Staatsaufgaben. Vielfältige Aufgaben lässt der Staat jedoch nicht durch Funktionsträger erfüllen, die in den eigentlichen Justizapparat eingebunden sind. Das deutsche Rechtspflegesystem kennt mit den Notaren und den Insolvenz-, Zwangs- und Nachlassverwaltern Amtsträger, die im weiteren Sinne zum staatlichen Justizpersonal gezählt werden können, obwohl sie in keinem ständigem Dienstverhältnis stehen. Sie bilden gewissermaßen einen Außendienst auf dem Gebiet der Zivilrechtspflege und unterliegen deshalb einem eigenen Justizverfassungsrecht, das ihrer Sonderstellung in der Justiz Rechnung tragen muss. Die Strukturen und die Institute dieses Sondergebiets des Justizverfassungsrechts sind bislang nicht in einer Gesamtschau untersucht worden, obwohl sich viele Einzelfragen ohne Rückgriff auf diese Strukturentscheidungen kaum stimmig beantworten lassen. Das Notarverfassungsrecht wirft trotz mehrfacher Novellierungen, mit denen grundlegende konzeptionelle Mängel behoben wurden, nach wie vor offene Fragen auf, die sich aus der eigenartigen „Zwischenstellung" des Notars ergeben. Für das Justizverfassungsrecht der Verwalter stellt sich das grundlegende Problem, dass das geltende Recht den Verwaltereinsatz lediglich als ein Instrument des Zivilverfahrensrechts begreift, so dass es in weiten Teilen noch an einem normierten Verwalterverfassungsrecht fehlt. Die Weichenstellung für die Bestellung eines Verwalters spielt sich einer rechtlichen Grauzone ab. Den entscheidenden Anstoß zu einer grundsätzlichen Neuorientierung kann die mit Spannung erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. August 2004 zur Frage der rechtlichen Überprüfbarkeit der Verwalterauswahl geben. Das Verfassungsgericht verlangt ein transparentes und überprüfbares Vorauswahlverfahren, und zwar nicht nur im Interesse der Bewerber um ein Verwalteramt, sondern auch im öffentlichen Interesse an einer geordneten und effizienten Rechtspflege. Es erkennt den professionellen Verwalter als eine Person an, die integraler Bestandteil der deutschen Rechtspflegeverfassung ist. Damit ist das Fundament für ein Justizverfassungsrecht der Verwalter gelegt. Die Ausgestaltung ist Aufgabe des Gesetzgebers. Die vorliegende Untersuchung des Justizverfassungsrechts der externen Funktionsträger klammert rechtspolitische Fragen bewusst aus. Ihr Ziel ist, Strukturen und konzeptionelle Grundentscheidungen aufzuzeigen, um das praktizierte Notar- und Verwalterverfassungsrecht nachvollziehbar und vorhersehbar zu machen.

VI

Vorwort

Die Arbeit hat im Sommersemester 2001 der Juristischen Fakultät der RuhrUniversität Bochum als Habilitationsschrift vorgelegen. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Klaus Schreiber, möchte ich an dieser Stelle für die Unterstützung, die ich von seiner Seite erfahren habe, aufrichtig danken. Ohne seine stete Förderung und Gesprächsbereitschaft, ohne den so großzügig gewährten wissenschaftlichen Freiraum wäre diese Arbeit nicht zustande gekommen. Mein besonderer Dank gilt auch dem Zweitgutachter Herrn Professor Dr. Uwe Hüffer für das Interesse, das er meiner Arbeit entgegengebracht hat. Dem Verein zur Förderung der Rechtswissenschaft danke ich für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Bei der Vorbereitung der Drucklegung musste der besonderen Aktualität der Problematik Rechnung getragen werden. In der Zeit nach Abschluss des Habilitationsverfahrens war insbesondere das Problem der Verwalterbestellung Gegenstand einer intensiven und äußerst kontrovers geführten rechtspolitischen Diskussion. Rechtsprechung und Literatur konnten noch bis August 2004 berücksichtigt werden. Bochum, im August 2004

Nicola Preuß

Inhaltsübersicht Einleitung

1

§ 1 Problemaufriss und Grundlagen

2

15

1. Kapitel: Externe Funktionsträger § 2 Einsatz externer Funktionsträger auf dem Gebiet der Zivilrechtspflege

16

§ 3 Der Einsatz externer Funktionsträger als Teil des Justizverfassungsrechts

68

2. Kapitel: Das Notariat als externe Rechtspflegeeinrichtung

staatliche

§ 4 Justizgewährung vermittels externer Rechtspflegeeinrichtungen § 5 Das Notaramt

93 . . . .

94 112

§ 6 Institutionelle Ausgestaltung der Rechtspflegeeinrichtung durch notarielle Grundpflichten § 7 Unabhängigkeit als Statusmerkmal

141 179

§ 8 Die staatliche Bestellungsverantwortung

240

§ 9 Die staatliche Kontrollverantwortung

268

3. Kapitel: Einbindung externer Verwalter in Zivilverfahren

301

§ 10 Justizgewährung durch die Funktionseinheit „Gericht und Verwalter" § 1 1 Das Verwalteramt

302 330

§ 12 Institutionelle Grundeigenschaften und Grundpflichten

354

§ 1 3 Die staatliche Bestellungsverantwortung

393

§ 14 Die staatliche Kontrollverantwortung

439

Schlussbetrachtung

464

Literaturverzeichnis

495

Stichwortverzeichnis

523

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

V

Einleitung

1

§1

Problemaufriss

2

und Grundlagen

I. Staatliche Zivilrechtspflege

2

II. Zivilrechtspflege durch Zivilverfahren

5

1. Charakteristika

6

2. Durchführung von Zivilverfahren durch interne und externe Funktionsträger

8

3. Teilhabe an der Verfahrenshoheit a) Abgrenzung zu einem Mitwirkungsverzicht des Staates

9 . .

b) Abgrenzung zu sonstigen Hilfstätigkeiten

10 10

c) Abgrenzung zu schlichter Verwaltungstätigkeit unter staatlicher Überwachung

12

III. Justizverfassungsrecht als Basis für die Verfahrensdurchführung .

12

1.

Kapitel: E x t e r n e Funktionsträger

15

§2

Einsatz externer Funktionsträger Zivilrechtspflege

16

auf dem Gebiet der

I. Der Staat als „Sachwalter" im privatrechtlichen Bereich

17

II. Rechtsprechende Gewalt

19

1. Schiedsgericht

21

2 . Notarielles Schiedsgericht III. Außerstreitige Konfliktbereinigung und Konfliktprophylaxe

22 . . .

1. Außerstreitige Konfliktbereinigung

26 26

a) Herbeiführung einer gütlichen Einigung im Zivilprozess . .

27

b) Vorgerichtliche und außergerichtliche Streitbeilegung

29

2. Staatliche Mitwirkung zur Konfliktprophylaxe IV. „Recht zum Z w a n g " 1. Gewaltmonopol und Effizienzgebot

. . .

31 35 35

X

Inhaltsverzeichnis

2. Justizgewährung durch externe Funktionsträger mit Vollstreckungsgewalt a) Gütestellen b) Notar 3. Einbindung externer Funktionsträger ohne hoheitliche Vollstreckungsgewalt a) Versteigerung durch eine andere Person gem. § 825 II ZPO b) Zwangs Verwaltung aa) Der Zwangsverwalter bb) Die Aufsichtsperson V. Externe Funktionsträger in den Verfahren der InsO 1. Insolvenzverfahren a) Die Gläubigerversammlung b) Der Gläubigerausschuss c) Der Insolvenzverwalter d) Der Sachwalter 2. Verfahren zur Überwachung der Planerfüllung 3. Restschuldbefreiungsverfahren 4. Eröffnungsverfahren VI. Nachlassverwalter VII. Fazit §3

Der Einsatz externer Justizverfassungsrechts

39 39 40 42 42 44 45 47 48 49 49 50 53 58 58 59 62 65 67

Funktionsträger

als Teil des

I. Organisationskonzepte für den Einsatz externer Funktionsträger 1. Der organisationsrechtliche Ansatz a) Das Notariat als personalistische Rechtspflegeeinrichtung . b) Zuweisung des Funktionskreises 2. Der verfahrensrechtliche Ansatz II. Strukturelle Probleme 1. Spezielle konzeptionelle Probleme der externen Rechtspflegeeinrichtung 2. Spezielle konzeptionelle Probleme der Einbindung Privater in Zivilverfahren III. Regelungsgegenstände eines Justizverfassungsrechts der externen Funktionsträger

68 69 69 70 75 80 82 83 84 89

Inhaltsverzeichnis

2.

§4

Kapitel: Das Notariat als externe staatliche Rechtspflegeeinrichtung Justizgewährung

vermittels

XI

93

externer

Recbtspßegeeinrichtungen I. Notar als „Außenstelle" der Justiz

94 96

II. Grundlegende Strukturentscheidungen des Notarverfassungsrechts im Überblick

98

1. „Rechtsform"

98

2 . Institutionelle Ausgestaltung

101

a) „Allgemeine Amtspflichten"

101

b) Zur Bedeutung institutioneller Grundpflichten

102

3. Unabhängigkeit als Statusmerkmal der Funktionsträger der Justiz 4 . Staatliche Bestellungs- und Kontrollhoheit

105 107

a) Bestellung

107

b) Amtsverlust

108

c) Kontrollinstrumente

108

III. Fazit

111

§5 Das Notaramt

112

I. Z u r Bedeutung des Amtsbegriffs II. Notaramt als „instituierte Zuständigkeit" III. Notaramt als Status

112 114 115

1. Notarbefugnis und Beleihung

116

2 . „Außerdienstliches" öffentliches Amt

119

a) Zur Rechtsfigur des „außerdienstlichen Amtes" b) Die Bedeutung des „Treueverhältnisses" IV. Die „Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit" des Amtes V. Amtsausübungsbefugnis und wirtschaftliche Verwaltung 1. Abwesenheit und Verhinderung

119 121 122 124 125

2. Vorläufige Amtsenthebung

126

a) Die Vertreterlösung

126

b) Die Verwalterlösung

128

c) Entscheidung zwischen den beiden Fortführungsformen . . 3. Verbot der persönlichen Amtsausübung

133 134

a) Hauptberuflicher Notar

134

b) Anwaltsnotar

136

4 . Vorübergehende Niederlegung des Notaramts mit Wiederbestellungsgarantie

138

XII

§6

Inhaltsverzeichnis

Institutionelle Ausgestaltung der durch notarielle Grundpflichten

Rechtspflegeeinrichtung 141

I. Die Regelung allgemeiner Amtspflichten in der B N o t O

141

1. D a s g r u n d l e g e n d e P r o b l e m der gesetzessystematischen Z u o r d n u n g der N o t a r p f l i c h t e n

142

2. K o n k r e t i s i e r u n g des Pflichtenkreises

142

3. Systematik

145

II. A u f g a b e n b e z o g e n e G r u n d p f l i c h t e n

146

1. Unparteilichkeit

146

a) A b g r e n z u n g zur Interessenvertretung

147

b) Verbot der Bevorzugung o d e r Benachteiligung

147

c) Ableitung von Verfahrenspflichten?

148

d) Sicherung des Unparteilichkeitsgebots

152

2. U n a b h ä n g i g k e i t a) Z i e l r i c h t u n g u n d G e g e n s t a n d des U n a b h ä n g i g k e i t s g e b o t s b) Bindungs- u n d M i t w i r k u n g s v e r b o t e c) Z u m Problem „ w i r t s c h a f t l i c h e r " A b h ä n g i g k e i t

153 .

154 154 155

3. Verschwiegenheit

156

4. F o r t b i l d u n g s p f l i c h t

158

III. Vertrauenssichernde G r u n d p f l i c h t e n 1. Die Pflicht zu „ a m t s w ü r d i g e m " Verhalten a) „ I n t e g r i t ä t s g e b o t "

160 160 162

b) A u s w i r k u n g des Integritätsgebots auf die Verfahrensgestaltung? 2. V e r m e i d u n g falschen Anscheins ( „ A n s c h e i n s v e r b o t " )

163 166

a) A b g r e n z u n g zu d e m verfahrensrechtlichen V e r b o t , einen falschen Anschein zu e r w e c k e n

166

b) „ S t a t u s b i l d e n d e " Bedeutung

167

c) V e r h a l t e n s a n f o r d e r u n g e n

168

aa) V e r m e i d u n g des Anscheins der Parteilichkeit oder Abhängigkeit

168

bb) Verbot, den Anschein einer Amtspflichtverletzung zu e r w e c k e n IV. O r g a n i s a t o r i s c h e G r u n d p f l i c h t e n

169 171

1. A m t s b e r e i t s c h a f t

171

2. O r g a n i s a t i o n einer eigenständigen F u n k t i o n s e i n h e i t

172

a) Geschäftsstelle u n d Kanzlei

173

b) Eigenständigkeit der Funktionseinheit

173

c) B i n n e n o r g a n i s a t i o n

174

3. U n a b h ä n g i g k e i t

176

4. G e b ü h r e n e r h e b u n g

176

5. Versicherung statt S t a a t s h a f t u n g

177

Inhaltsverzeichnis

§7 Unabhängigkeit

XIII

als Statusmerkmal

179

I. Unabhängigkeitsgewähr

179

1. Ausprägungen des Begriffs der Unabhängigkeit

179

a) Sachliche Unabhängigkeit

180

b) Persönliche Unabhängigkeit

183

c) Organisatorische Unabhängigkeit

183

2. Präzisierung der Zielrichtung der Unabhängigkeitsgewähr

. .

184

a) Aufsichtsbehörde und Disziplinargericht

184

b) Notarkammern

187

c) Andere Funktionsträger der Justiz

188

3. Grenze der Unabhängigkeitsgewähr a) Umsetzung justizorganisatorischer Entscheidungen

188 . . . .

b) Verwaltungsverwahrung

189 190

c) Materielle Verkörperung öffentlicher Urkunden

191

d) Kosten

192

II. Staatsaufsicht und notarielle Unabhängigkeit

193

1. Zur Frage des Kontrollbedarfs auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege

193

a) Kontrollbedarf bei Einsatz einer externen Rechtspflegeeinrichtung

194

b) Das Problem beschränkter Sachkontrolle

195

2. Das Spannungsverhältnis zwischen Aufsicht und Unabhängigkeit a) Lösungsansätze auf dem Gebiet des Notarrechts

197 . . .

198

aa) „Innerer" und „äußerer" Tätigkeitsbereich

198

bb) Schuldhafte Pflichtverletzung

199

b) Richterberufsrechtliche Grundsätze als Leitlinie? aa) Die Kernbereichslehre bb) Offensichtlich fehlsame Amtsausübung c) Der Notar als „Rechtsbefolger" 3. Gegenstände staatlicher Kontrolle a) Aufsicht über den Notar „als Verfahrensträger"

201 202 205 210 211 211

aa) § 14 III 1 B N o t O

212

bb) § 14 II B N o t O und § 4 BeurkG

215

cc) Pflicht zur Urkundsgewährung und sonstige Handlungspflichten

217

dd) „ O b " und „ W i e " der Rechtsanwendung

218

ee) Kostenentscheidung

220

b) Aufsicht über den Notar „als Institution"

223

aa) Aufgabenbezogene und vertrauenssichernde Grundpflichten

223

bb) Organisatorische Grundpflichten

224

cc) Gebührenerhebung

226

XIV

Inhaltsverzeichnis III. Bedeutung der Unabhängigkeit innerhalb des Funktionsbereichs der Justiz 1. Bindung des Notars an richterliche Akte 2. Unabhängigkeit des Notarvertreters im Verhältnis zum vertretenen Notar? a) Justizgewährung durch N o t a r Vertretung b) Das statusrechtliche Verhältnis zwischen N o t a r und Notarvertreter aa) Meinungsstand bb) Stellungnahme

§8

Die staatliche Bestellungsverantwortung I. Bestellung des Notars und Zuweisung eines Amtssitzes 1. Eignung für das N o t a r a m t a) Persönliche Eignung b) Fachliche Eignung c) Auswahl 2. Zuweisung eines Amtssitzes a) „Eignung" für einen bestimmten Amtssitz b) Die örtliche Wartezeit nach § 6 II Nr. 2 BNotO aa) Bestellungsvoraussetzung bb) Amtssitzverlegung c) Auswahl II. Verwalterbestellung 1. Eignung für das Amt des Notariatsverwalters a) Grundsätzliche Eignung für das Amt des Notariatsverwalters b) Individuelle Eignung für eine bestimmte Notariatsverwaltung c) Belange des Notars und der N o t a r k a m m e r 2. Auswahl III. Vertreterbestellung 1. Vertreterbestellung auf Antrag des Notars 2. Vertreterbestellung von Amts wegen und auf Vorschlag eines Betreuers oder Abwesenheitspflegers

§9

Die staatliche Kontrollverantwortung I. Das duale Kontrollsystem des Notarverfassungsrechts 1. Pflichtenkonkretisierung a) Kompetenzverteilung zwischen Notarkammern und Justizverwaltung b) Die Richtlinienkompetenz der Notarkammern 2. Aufsichtsmittel

III 227 228 229 233 233 234

240 240 240 241 243 247 250 250 251 252 254 256 257 258 258 260 261 262 263 263 266

268 268 269 270 276 277

Inhaltsverzeichnis

XV

a) Nebeneinander der Aufsichtskompetenzen b) Die Unterstützungsfunktion der Notarkammern II. Amtsverlust 1. Amtsenthebung und Entfernung aus dem Amt 2. Systematik 3. Problemfälle a) § 50 I Nr. 4 und 5 BNotO b) § 50 I Nr. 10 BNotO c) § 50 I Nr. 9 BNotO aa) Wiederholter Verstoß gegen Mitwirkungsverbote . . . bb) Grober Verstoß gegen Mitwirkungsverbote d) § 50 I Nr. 8 BNotO

3.

Kapitel: Einbindung externer Verwalter in Zivilverfahren

§10 Justizgewährung Verwalter"

durch die Funktionseinheit

278 281 283 283 284 286 287 289 290 291 293 297

301 „Gericht

und

I. Das Verwalteramt als Teil der Justizorganisation II. Grundlegende Strukturentscheidungen des Verwalterverfassungsrechts im Überblick 1. Die Rechtsfigur des Verwalteramtes 2. Institutionelle Grundpflichten 3. Konstitution der zuständigen Funktionseinheit „Gericht und Verwalter" a) Die Entscheidung über die geeignete Person aa) Rechtsakt bb) Bedeutung der Wahlmöglichkeit nach § 57 S. 1, 2 InsO für die Qualifikation der gerichtlichen Entscheidung . cc) Eignungsprüfung b) Zur Unterscheidung zwischen Bestellungsentscheidung und Auswahl aa) Beschränkung der gesetzlich normierten Konzeption auf die Bestellungsentscheidung bb) Rechtliche Bedeutung der Auswahl cc) Rechtliche Bedeutung der Vorauswahl 4. Staatliche Kontrollhoheit und funktionaler Freiraum des Verwalters a) Verfahrensimmanente Aufsicht b) Verfahrensübergreifende Aufsicht c) Berufsrechtliche Aufsicht III. Fazit

302 302 304 304 308 312 312 313 315 316 318 319 321 322 324 325 326 327 328

XVI §11

Inhaltsverzeichnis

Das Verwalteramt

330

I. Instituierte Zuständigkeit II. „Status" des Verwalteramtes 1. Das Verfahrensamt als Bestandteil der Funktionseinheit „Gericht und Verwalter" 2. Die Verwalterbefugnis 3. Fähigkeit zur Amtsinhaberschaft a) Generelle Fähigkeit zur Amtsinhaberschaft b) Fähigkeit zur Ausübung des Verwalteramtes III. Zur Bedeutung der „Rechtsstellung" des Verwalters für die Konzeption des Verfahrensamtes 1. Der Streit um die richtige Verwaltertheorie unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters . a) Gläubigervertretungstheorie b) (Masse-) Organtheorie c) (Schuldner-) Vertretungstheorie und Theorie der „Vertretung kraft Amtes" d) Neue Vertreter- und (Gesellschafts-) Organtheorie e) Amtstheorie 2. Relevanz der Verwaltertheorien für die Dogmatik des Verfahrensamtes a) Die Amtstheorie als „Programm" b) Der programmatische Anspruch der Theorie der Vertretung kraft Amtes c) Ansätze eines institutionellen Amtsverständnisses bei der (Masse-) Organtheorie

§12

Institutionelle

Grundeigenschaften

und Grundpflichten

I. Unparteilichkeit („Unabhängigkeit") 1. Begriff der „Unabhängigkeit" 2. Unparteilichkeit und Vermeidung des falschen Anscheins der Parteilichkeit a) Begriff der Unparteilichkeit b) Unparteilichkeit als Verhaltenspflicht c) Vermeidung des Anscheins der Parteilichkeit d) Sicherung der Unparteilichkeit durch Ausschluss vom Verwalteramt 3. Zwingende Ausschlussgründe a) Verwaltung „in eigener Sache" aa) Insolvenzverfahren bb) Zwangsverwaltung cc) Nachlassverwaltung

331 332 332 333 336 336 337 339 341 341 342 344 345 346 347 349 351 352

354 355 356 358 358 359 359 360 362 362 363 364 365

Inhaltsverzeichnis

II.

III. IV. V.

b) Mitberechtigung und Nähe zu einem Beteiligten aa) Mitberechtigung, Vertreter, Verwandte (§41 Nr. 1 bis 4 ZPO, S 3 I 1 Nr. 1 bis 3, 5, 6 BeurkG) bb) Gemeinsame Berufsausübung (§ 3 I Nr. 4 BeurkG) . . cc) Kapitalbeteiligung (§ 3 I 1 Nr. 9 BeurkG; § 319 II Nr. 1 HGB) c) Abhängigkeitsverhältnisse d) „Vorbefassung" 4. Indizierte Befangenheit und „Besorgnis der Befangenheit" . . a) Besorgte Gefahr der Parteilichkeit aa) Begriff der Besorgnis der Befangenheit bb) Besorgnis der Befangenheit als Eignungsmangel . . . . b) Indizierte Gefahr der Parteilichkeit c) Besorgnis der mangelnden Unvoreingenommenheit . . . . Uneigennützigkeit 1. Eigennütziges Verhalten und Anschein der Eigennützigkeit . . 2. Sicherungsmaßnahmen Zuverlässigkeit Verschwiegenheit Organisatorische Grundpflichten 1. Amtsbereitschaft 2. Personal- und Sachmittel 3. Wertigkeit der persönlichen Haftung

Die staatliche Bestellungsverantwortung I. Die Verwalterbestellung 1. Gegenstand der Bestellungsentscheidung 2. Eignung für das Verwalteramt a) Institutionelle Voraussetzungen des Verwalteramtes . . . . b) Qualifikation für die Verfahrensaufgaben aa) „Verwalterprofile" bb) Systematischer Vorrang des Anforderungsprofils . . . cc) Entscheidungsprozesse dd) Das Problem der mangelnden Transparenz der Entscheidungsprozesse 3. BestellungsVerantwortung bei Verwalterwahl durch die Gläubiger a) Fehlende Eignung b) Sonstige Belange? c) Prüfungspflicht II. Vorauswahl 1. Zur rechtlichen Qualifikation der Maßnahmen zur Ermittlung und Vorauswahl der Verwalter

XVII 366 368 370 371 372 374 377 378 378 380 384 385 385 386 386 388 388 390 390 391 391 393 395 396 399 399 400 401 403 404 405 408 408 409 410 414 417

XVIII

Inhaltsverzeichnis 2. Konzeptionelle P r o b l e m e der „verfahrensrechtlichen Lösung"

421

a) Pflicht zur sachgerechten Justizorganisation

422

aa) Unzulänglichkeiten der verfahrensrechtlichen Lösung

423

bb) D a s T r a n s p a r e n z p r o b l e m auf der Ebene der Vorauswahl

425

b) „ Z u l a s s u n g " zur V o r a u s w a h l

427

c) Schlussfolgerung

432

III. A u s w a h l unter geeigneten Bewerbern

434

1. Kriterien

435

2. A n s p r u c h auf ermessensfehlerfreie Entscheidung?

436

§14 Die staatliche Kontrollverantwortung

439

I. Verfahrensrechtliche K o n t r o l l i n s t r u m e n t e

440

1. Die kontrollierende Aufsicht

440

a) Insolvenzgericht

441

aa) Aufsicht u n d f u n k t i o n a l e r F r e i r a u m

442

bb) Aufsicht bei Einsatz eines Gläubigerausschusses . . . . b) Vollstreckungsgericht

445 446

aa) A n w e i s u n g s b e f u g n i s

446

bb) Kontrolle

449

c) Nachlassgericht

449

2. Entlassung des Verwalters aus d e m V e r f a h r e n s a m t

450

a) E r f o r d e r n i s des wichtigen G r u n d e s

450

b) E n t l a s s u n g s g r ü n d e

452

c) Entlassung als „ S i c h e r u n g s m a ß n a h m e " ?

454

II. V e r f a h r e n s ü b e r g r e i f e n d e Kontrolle 1. Die Verwalterbestellung als faktisches A u f s i c h t s i n s t r u m e n t

456 . .

456

a) „ E r p r o b u n g "

457

b) „ E n t l a s s u n g "

457

2. Rechtliche B e d e u t u n g u n d konzeptionelle P r o b l e m e

458

a) V e r f a h r e n s ü b e r g r e i f e n d e Aufsicht auf der Ebene der Vorauswahl

459

b) V e r f a h r e n s ü b e r g r e i f e n d e Aufsicht auf der Ebene der Auswahl 3. Fazit

Schlussbetrachtung I. Ergebnisse II. Abschließende W ü r d i g u n g

461 462

464 464 490

Literaturverzeichnis

495

Stichwortverzeichnis

523

Einleitung

§ 1 Problemaufriss und Grundlagen

Die Begriffe „Privatisierung", Delegation oder Ausgliederung staatlicher Aufgaben umschreiben kein exklusives Phänomen der Zivilrechtspflege. Auf dem Gebiet der Zivilrechtspflege treten allerdings besondere Formen der Einbeziehung nichtstaatlicher Funktionsträger auf, die sich orientiert an den spezifischen Anforderungen dieses Aufgabenbereichs gebildet haben. Ziel der Arbeit ist es, den Einsatz solcher Funktionsträger als Sonderform des staatlichen Justizverfassungsrechts zu untersuchen. Gemeint sind „externe" Funktionsträger, die Aufgaben auf dem Gebiet der Zivilrechtspflege erfüllen, ohne aber - anders als der Richter oder der Rechtspfleger - in den eigentlichen staatlichen Justizapparat eingebunden zu sein. Gegenstand der Untersuchung ist die Ergänzung des staatlichen Justizpersonals durch Funktionsträger „im Außendienst". Probleme, die sich aus dem Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Regulierung und gebotener Freiheit privater Funktionsträger auf dem sog. Rechtsbesorgungsmarkt ergeben, werden berührt, stehen aber nicht im Zentrum dieser Untersuchung.

I. Staatliche

Zivilrecbtspflege

(Zivil-) Rechtspflege ist überwiegend eine originär staatliche Aufgabe.1 Dem Staat ist zum einen als Kehrseite des Gewaltmonopols die Pflicht zur sog. Justizgewährung im engeren Sinne auferlegt.2 Die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats erfordert insofern die Schaffung und Unterhaltung von Verfahren und staatliBull, Staatsaufgaben, S. 352f. B G H Z 37, 113, 120f.; Baur/Stürner, Bd. 1, Rdn. 1.3; A. Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, § 1 II 2; Goldschmidt, Der Prozess als Rechtslage, S . 7 8 ; Grob, ZZP 51 (1926), 145, 147; 169ff.; Wieczorek/Prutting, Einl. Rdn. 25; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 3 Rdn. 1; Saenger, Einstweiliger Rechtsschutz, S. 4; zur verfasssungsrechtlichen Ableitung des Justizgewährungsanspruchs vgl. auch BVerfGE 85, 337, 345f; Dütz, Rechtsschutz, S.95ff.; Dreier/Scbulze-Fielitz, Art. 2 0 GG Rdn. 197; Papier, in: Isensee/Kirchhof, HbStR VI § 153, Rdn. 1, 7f.; ders., NJW 1990, 8, 9; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 IV GG Rdn. 16ff. (2/03), Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 188 ff. Dazu gehört etwa der wirkungsvolle Rechtsschutz in privatrechtlichen Streitigkeiten (vgl. BVerfGE 54, 2 7 7 , 2 9 1 ; 74, 2 2 8 , 2 3 4 ; 82, 126, 155; 85, 3 3 7 , 345; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, (9. Aufl.), Art.20 R d n . 2 1 ; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein (8. Aufl.), Art.20 GG Rdn. 10 b; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rdn. 89; vgl. auch Badura, Staatsrecht, H Rdn.23. 1

2

I. Staatliche

Zivilrechtspflege

3

chen Institutionen, die dem Einzelnen die Durchsetzung seiner Rechtsposition ermöglichen. 3 Z u m anderen gehört die Fürsorge für die Belange der Staatsbürger, hier in der F o r m der Einbindung in eine funktionierende Privatrechtsordnung, gewissermaßen zur staatlichen Daseinsvorsorge. 4 Eine spezifisch „staatliche Rechtspflege" muss in diesem letztgenannten Bereich allerdings von Rechtspflegeleistungen unterschieden werden, die Private erbringen. § 1 B R A O charakterisiert etwa den Rechtsanwalt als ein Organ der Rechtspflege. Im Anwaltsprozess ist seine M i t wirkung zwingend vorgeschrieben. Gleichwohl kann man die Beiträge, die der Rechtsanwalt auf dem Gebiet der Rechtspflege leistet, nicht als Tätigkeit der staatlichen Justiz bezeichnen. 5 Dabei ist der entscheidende Gesichtspunkt nicht der, dass der Rechtsanwalt keinerlei Zwangsbefugnisse ausübt. Auch dem Richter, der einen Vergleich beurkundet, k o m m t keine Zwangsgewalt in dem Sinne zu, dass seine Tätigkeit sich unter Umständen gegen den Willen der Parteien entfalten dürfte. Der Unterschied zwischen justizieller und privater Rechtspflegeleistung liegt vielmehr darin, dass dem Funktionsträger der Justiz die Befugnis erteilt ist, verbindliche, konkrete Rechtsfolgen auslösende Rechtsakte zu erlassen und in diesem weitverstandenen Sinne eine Entscheidungs- und Anordnungsgewalt auszuüben. Sie kann deutlich abgegrenzt werden von der helfenden und vorbereitenden Rolle des privaten Rechtspflegeorgans. 6 Dieser Unterschied zeigt sich exemplarisch in der Gegenüberstellung anwaltlicher und richterlicher Tätigkeit, und zwar selbst dann, wenn im Fall des Prozessvergleichs der Rechtsprechungscharakter der richterlichen Tätigkeit bewusst ausgeblendet bleibt. D e r Anwalt unterstützt und bereitet vor. D e r Richter, der einen Vergleich beurkundet, führt die Beendigung des Verfahrens herbei und schafft einen Vollstreckungstitel (§ 7 9 4 I Nr. 1 Z P O ) . Die Unterscheidung zwischen staatlicher Rechtspflege in Erfüllung der Justizgewährungspflicht und privater Rechtsbesorgung ist im Übrigen auch im Hinblick auf die Kompetenzverteilung innerhalb der Europäischen Union von

3 Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rdn.93ff.; Schmidt-Jortzig, NJW 1994, 2569, 2571; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, HbStR I §24, Rdn. 1, 22; Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, § 2 IV. 5. a); vgl. auch Stürner, DRiZ 1976, 202, 203; zur Durchsetzung von Rechtspositionen als Verfahrensziel des Zivilprozesses vgl. Grunsky, Grundlagen, S. 4; Gottwald, ZZP 95, 245, 247; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 1 Rdn. 5, 9; Schilken, Zivilprozessrecht, § 1 Rdn. 7. 4 Gonella, DNotZ 1956, 453; vgl. auch Römer, Notariatsverfassung, S. 12. 5 Die Tätigkeit des Rechtsanwalts stellt auch keine Ausübung öffentlicher Gewalt i.S.v. Art. 45, 55 EGV dar, da die Wahrnehmung der Aufgaben des Rechtsanwalts, selbst wenn seine Mitwirkung gesetzlich vorgesehen ist, die richterliche Beurteilung und die freie Ausübung der Rechtsprechungsbefugnis unberührt lässt (EuGH, Rs. 2/74, Slg. 1974, 631 Rdn. 51/53 - Reyners). 6 Dieses Kriterium hat der EuGH ebenfalls herangezogen, um Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, von privaten Tätigkeiten abzugrenzen (EuGH, Rs. C-42/92, Slg. 1993, 1-4047 Rdn.22 - Thijssen).

4

§ 1 Problemaufriss

und

Grundlagen

Bedeutung. 7 Die Regelungen des EG-Vertrages über die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gelten gem. Art. 45, 55 EG-Vertrag nicht für Tätigkeiten, die für sich genommen eine unmittelbare und spezifische Teilhabe an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen. 8 Die Regelung über die Arbeitnehmerfreizügigkeit findet gem. Art. 39 Abs. 4 EG-Vertrag keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung. Diese Begriffe sind funktional und nicht institutionell zu verstehen. 9 Entscheidend ist also die Qualifizierung der ausgeübten Tätigkeit. Der E u G H hat den f ü r eine solche Qualifizierung entscheidenden Begriff der öffentlichen Gewalt nicht abstrakt bestimmt, sondern im Wege der negativen Abgrenzung und der Vergleichsbildung lediglich einzelne Kriterien entwickelt, die für die Auslegung des Begriffs der öffentlichen Gewalt von Bedeutung sind. So wird die Tätigkeit des Rechtsanwalts mit der des Richters verglichen. Der E u G H weist die Rechtspflegetätigkeit des Anwalts deshalb nicht dem Bereich staatlicher Rechtspflege zu, weil sie die richterliche Beurteilung und die freie Ausübung der Rechtsprechungsbefugnis unberührt lässt. 1 0 Bewachungs- und Schutzaufgaben, die ein Sicherheitsdienst w a h r n i m m t , sind nach der Rechtsprechung des E u G H nur d a n n mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden, wenn der Sicherheitsdienst mit staatlichen Zwangsbefugnissen ausgestattet ist. 11 Bei Kontrollaufgaben handelt es sich d a n n nicht um Ausübung öffentlicher Gewalt, wenn die abschließende Entscheidung einer anderen staatlichen Stelle vorbehalten bleibt und die vorab ausgeführte Kontrolle lediglich unterstützend oder vorbereitend wirkte. 1 2 Aus diesen Vergleichsfällen lässt sich ein entscheidendes M e r k m a l entnehmen, das zumindest für einen Teilbereich der mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbundenen Tätigkeiten, und zwar gerade im Hinblick auf die Qualifizierung staatlicher Rechtspflege, von maßgeblicher Bedeutung ist. Gleichgültig, ob der Staat leistend oder eingreifend tätig wird, handelt er doch in W a h r n e h m u n g einer abschließenden Entscheidungs- und Anordnungsgewalt. Dieser Entscheidungs- und Anordnungsgewalt k a n n der Bürger sich eher unfreiwillig ausgesetzt sehen oder er kann sich ihrer für seine Zwecke bedienen, indem er für einen Vorgang die staatliche „Genehmigung" beansprucht. In jedem Fall ist er staatlicher Gewalt ausgesetzt, da der Staat die Rechtskontrolle über einen Lebensbereich beansprucht und diese

7

Preuß, ZEuP, erscheint demnächst. E u G H , Rs. 2/74, Slg. 1974, 6 3 1 R d n . 4 4 / 4 5 (Reyners). 9 Z u A r t . 3 9 A b s . 4 (ex-Art.48 A b s . 4 ) EGV: E u G H Rs. 152/73, Slg. 1974, 152 R d n . 4 (Sotgiu); Rs. 149/79, Slg. 1980, 3 8 8 1 R d n . l l , 12 (Kommission/Belgien); Rs. 307/84, Slg. 1986, 1725 R d n . 12 (Kommission/Frankreich); Rs. C - 4 7 3 / 9 3 , Slg. 1996, 1-3207 R d n . 2 7 (Kommission/Luxemburg); Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, A r t . 3 9 E G V R d n . 2 1 6 (5/2001); Schwarze/Schneider/Wunderlicb, A r t . 3 9 EGV R d n . 134. 10 E u G H , Rs. 2/74, Slg. 1974, 6 3 1 R d n . 51/53 (Reyners). 11 E u G H , Rs. C - 1 1 4 / 9 7 , Slg. 1 9 8 8 , 1 - 6 7 1 1 7 R d n . 3 7 (Kommission/Spanien). 12 E u G H , Rs. C - 4 2 / 9 2 , Slg. 1 9 9 3 , 1 - 4 0 4 7 R d n . 2 2 (Thijssen). 8

II. Zivilrechtspflege durch

Zivilverfahren

5

Rechtskontrolle sich in einem verbindlichen, konkrete Folgen setzenden Rechtsakt niederschlägt. D e m Erlass des Rechtsakts durch den staatlichen Funktionsträger geht in diesem Sinne notwendigerweise Rechtsanwendung voraus. Umgekehrt ist staatliche Rechtspflege erforderlich, wenn für einen bestimmten Lebensbereich Rechtsanwendung zwingend vorgesehen ist, also staatliche Rechtskontrolle ausgeübt werden soll. Staatliche Rechtspflege kann sich somit durchaus auch auf die Vorhaltung von „Rechtsanwendungsinstitutionen" 1 3 erstrecken, die dem Rechtsuchenden die Möglichkeit bieten, seine privaten Rechtsbeziehungen nach den Vorgaben der Privatrechtsordnung zu gestalten und abzuwickeln. 1 4 Z u einer Justizaufgabe wird diese Art der Rechtsgestaltung, wenn damit zugleich eine zwingende Rechtsanwendung, also staatliche Rechtskontrolle, stattfindet, die sich in einem verbindlichen, konkrete Rechtsfolgen auslösenden Rechtsakt

nieder-

schlägt. Bei dieser Art der Rechtspflege handelt es sich dann ebenfalls um Justizgewährung (nunmehr im weiteren Sinne). 1 5

II. Zivilrechtspflege

durch

Zivilverfahren

Staatliche Zivilrechtspflege erfolgt in der Form von Zivilverfahren. Die staatliche Zivilrechtspflegetätigkeit in summa lässt sich gewissermaßen durch eine Auflistung der Zivilverfahren beschreiben. Üblicherweise werden die Zivilverfahren in die drei Verfahrensgruppen Zivilprozess (Erkenntnisverfahren, vorläufiger Rechtsschutz), Zwangsvollstreckung (einschließlich der Sonderform des Insolvenzverfahrens) sowie Freiwillige Gerichtsbarkeit unterteilt. Teils handelt es sich um Verfahren, die unmittelbar als Ausprägung des staatlichen (Zwangs-) Gewaltmonopols verstanden werden können, teils, insbesondere auf dem Gebiet der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, dienen die Verfahren vornehmlich der Verwirklichung staatlicher Rechtsfürsorge.

Hellge, Deutscher Notartag, DNotZ 1998, 340* f. (bezogen auf das Notariat). Baumann, MittRhNot 1996, 1, 3; Kanzleiter, DNotZ 2001, 69*, 71*; Mihm, Kollisionsprobleme, S. 57; SchippelISchippel, § 1 BNotO Rdn. 1; vgl. auch Pützer, in: Das moderne Notariat, S. 6, 8; Reithmann, DNotZ 1986, 37*; insoweit offen bereits Groh, ZZP51 (1926), 145, 148 („Anspruch auf Ausübung der Rechtspflegetätigkeit durch richterliche und nichtrichterliche Organe"); a.A. Bethge, Verfassungsrechtl. Standort, S. 140ff. (keine Staatsfunktion); Kunz, Berufsbilder, S.59 (Funktionen im Parteiinteresse). 15 Bilda, in: Notar und Rechtsgestaltung, S. 387, 390; SchippeVSchippel, § 1 BNotO Rdn. 8; DNotZ 1962,11,17; vgl. auch Baumann, MittRhNot 1996,1, 17f.; ders., in: Eylmann/Vaasen, § 93 BNotO Rdn. 1; Bohrer, DNotZ 1991, 3, 6; Eylmann, notar zwei 1998,4,10 (Rechtspflege gehöre zu den „klassischen Kernaufgaben des Staates") sowie Versteyl, in: v. Münch/Kunig, Art. 138 GG Rdn.20 („Justizersatzfunktion"). 13

14

6

§ 1 Problemaufriss

und

Grundlagen

1. Charakteristika Wesensmerkmal der staatlichen Zivilverfahren ist es, dass sie mit der verbindlich vorgesehenen Rechtskontrolle in einem Lebensbereich ein Verfahrensziel verfolgen, das auch im öffentlichen Interesse liegt. Diese Rechtskontrolle dient entweder der gezielten Fürsorge für eine schutzbedürftige Person oder es werden staatliche Instrumente zur zielgerichteten Entscheidung, Bereinigung, Abwicklung oder Vermeidung privater rechtlicher Konflikte eingesetzt. Im ersten Fall ist Gegenstand des Verfahrens gerade die staatliche Überwachung als solche, wobei sich die traditionelle Zuordnung zur Zivilrechtspflege daraus ergibt, dass die Überwachungstätigkeit sich auf den privatrechtlichen Bereich bezieht. Derartige Überwachungstätigkeiten erfolgen zur Kontrolle privater Gewaltverhältnisse (z.B. vormundschaftsgerichtliche Genehmigung) oder als kontrollierte Sicherung privater Rechtsgüter (z.B. Sicherung des Nachlasses). Es handelt es sich um Aufgaben, die der Staat kraft seines Wächteramtes (Art. 6 II 2 GG) bzw. generell als „Sachwalter" bestimmter schutzbedürftiger Rechtssubjekte übernimmt. 16 In der Sache lässt sich dieser Aufgabenkomplex als eine Art der vorsorglichen „Gefahrenabwehr" charakterisieren. Der Funktionsträger, dem diese Tätigkeit zugewiesen ist, übt konkret die staatliche Wächter- und Sachwalterfunktion aus. Im zweiten Fall, also bei der Entscheidung, Bereinigung, Abwicklung oder Vermeidung privater rechtlicher Konflikte durch Zivilverfahren, dient die staatliche Mitwirkung der Befriedung auf dem Gebiet des Privatrechts. 17 Staatliche Mitwirkung mit Befriedungswirkung im privatrechtlichen Bereich konzentriert sich auf Tätigkeiten zur Konfliktbeendigung und Konfliktprophylaxe. „Befriedung" in diesem Sinne kann, muss aber nicht durch die Herbeiführung eines Konsenses oder Herstellung des sozialen Friedens zwischen den streitenden Parteien erzielt werden. Befriedung, verstanden als Beendigung eines Rechtsstreits, tritt vielmehr bereits mit dem rechtskräftigen Abschluss eines Prozesses ein. Bei der Befriedung privatrechtlicher Konflikte kommt ein breites Spektrum staatlicher Mitwirkung in Betracht, das von der Konfliktprophylaxe durch vorsorgende Gestaltung disponibler Rechtsbeziehungen über Konfliktlösungen oder Konfliktbereinigungen im Streitfall bis hin zur Konfliktbeendigung durch Unterwerfung einer der streitenden Parteien reicht. Die Durchführung eines in dieser

16

Vgl. BVerfGE 54, 268f.; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20 G G R d n . 4 8 . Die effektive D u r c h f ü h r u n g von Zivilverfahren mit ihren unterschiedlichen Primärzielen dient der W a h r u n g bzw. Herstellung des Rechtsfriedens (Gaul, AcP 168, 25, 59; Grunsky, Grundlagen, S.4; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 1 R d n . 10; vgl. auch Schilken, Zivilprozessrecht, § 1 R d n . 8). Z.T. wird hierin auch ein eigenständiger Prozesszweck gesehen (MünchK o m m - Z P O - R e f o r m I P r ü t t i n g , § 2 7 8 R d n . 8; AK-ZPO/Röhl, § 2 7 9 R d n . 4; Scbönke, AcP 150, 2 1 6 ; ähnlich Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, S.37ff.). 17

II. Zivilrechtspflege

durch

Zivilverfahren

7

Weise zielorientierten Verfahrens muss einem institutionell neutralen und aus diesem Grund „staatlichen" Organ übertragen sein. 18 Die mit der staatlichen Rechtskontrolle verfolgten Ziele orientieren sich allgemein am Interesse der Privatrechtssubjekte. Das Individualinteresse des einzelnen Verfahrensbeteiligten muss sich mit dem überindividuellen und in diesem Sinne „öffentlichen" Interesse nicht in jedem Fall decken. Außerdem unterliegen staatliche Zivilverfahren einer - mehr oder weniger ausgeprägten - Verfahrensordnung, der sich der Beteiligte unterwirft. Er mag deren Anwendung zwar steuern können (Klageerhebung, -änderung, -rücknahme, Anträge, Rügeverzicht usw.), aber er muss auch Verfahrenshandlungen und -entscheidungen hinnehmen, die sich seiner unmittelbaren Disposition entziehen. Die Durchsetzung der Verfahrensziele und die Anwendung der Verfahrensordnung können für den Einzelnen also Ausübung staatlichen Zwangs bedeuten oder zumindest als im Grunde unerwünschte Formalität empfunden werden. Auch wenn er selbst auf rechtsstaatliche Schutzinstrumente und Verfahrensgarantien einer Verfahrensordnung verzichten will, so muss er doch hinnehmen, dass sie dem anderen Beteiligten gewährt werden. Selbst im Geltungsbereich der Dispositionsmaxime kann der Einzelne sich der Durchführung des Verfahrens nur entziehen, indem er von seinem Initiativrecht schlicht keinen Gebrauch macht und damit auf das Ergebnis des Prozesses verzichtet. Auch im Bereich privater Rechtsbeziehungen verfolgt der Staat im Zivilverfahren also das Interesse und die Ziele der Allgemeinheit, verfolgt er mit anderen Worten die Durchsetzung des Rechtsstaates. Die Leistung staatlicher Rechtspflege führt zu einer Konkretisierung der Privatrechtsordnung im Prozess. So verschafft beispielsweise der Richter im Zivilprozess „dem Recht den Übergang vom idealen Sollen zum realen Sein im eigenartigen Konkretisierungsprozess".19 Diese Rechtspflegeleistung wird vermittelt durch den staatlichen Funktionsträ-

18 In diesem Sinne sieht die überwiegende Ansicht auch die Tätigkeit des deutschen Notars gemeinschaftsrechtlich als eine solche an, die nicht auf dem Binnenmarkt erbracht wird, sondern den Bereichsausnahmen der Art. 45, 55 EG-Vertrag unterfällt: Bohrer, Berufsrecht, R d n . 4 3 1 ; Burgi, JuS 1996, 958, 960; Fischer, DNotZ 1989, 4 6 7 , 479ff., insbesondere 495ff.; Geiger, Art. 4 5 EGV Rdn. 4; Hailbronner, in: Hailbronner/Klein/Magiera/Müller-Graff, Art. 55 EGV a. F Rdn. 7 (9/1991); Oppermann, Europarecht, Rdn. 1615; Ott, DNotZ 2 0 0 1 , 8 3 * , 87»; Richter, MittBayNot 1 9 9 0 , 1 , 4 f . ; Schippel, Festschrift für Lerche, S. 4 9 9 , 5 0 8 ; Stern, FS für Rudolf, S. 367, 377; Versteyl, in: von Münch/Kunig, Art. 138 GG Rdn. 20; Wehrens, Ö N o t Z 1992, 237, 2 4 3 f.; ders., Ö N o t Z 1 9 9 4 , 1 0 , 11 f.; vorsichtiger Hirsch, DNotZ 2 0 0 0 , 729, 736f. (unterliegt „wohl nicht den Bindungen der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit des EGV); Schwarz t/Schlag, Art. 4 5 EGV Rdn. 8; zweifelnd Bröhmer, in: Callies/Ruffert, Art. 4 5 EGV Rdn. 3; Hellge, ZNotP 2 0 0 0 , 306, 311 f.; differenzierend Basedow, RabelsZ 55 (1991), 4 0 9 , 426f.; Hergeth, Europäisches Notariat, S. 133ff., 172ff.; MünchKomm-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rdn. 56 b. 19 So Eichenberger, Richterliche Unabhängigkeit, S. 100; siehe auch Krütztnann, DRiZ 1985, 2 0 1 .

§ 1 Problemaufriss und Grundlagen

8

ger, der gem. Art. 2 0 III G G der Bindung an die Gesetze und die verfassungsmäßige Ordnung unterliegt. Staatliche Zivilrechtspflege bedeutet hiernach nichts anderes als die Durchführung von Zivilverfahren unter Beachtung einer Verfahrensordnung, die bestimmte Verfahrenziele verfolgt und rechtsstaatliche Grundsätze verwirklicht.

2 . D u r c h f ü h r u n g v o n Z i v i l v e r f a h r e n d u r c h interne und e x t e r n e Funktionsträger Die Durchführung von Zivilverfahren liegt überwiegend in der H a n d von „intern e n " Funktionsträgern, d.h. von Funktionsträgern, die dem staatlichen Justizapparat selbst angehören und innerhalb einer staatlich organisierten Institution tätig werden (wie Richter, Rechtspfleger, Gerichtsvollzieher, badische N o t a r e und württembergische Bezirksnotare 2 0 ). Daneben sieht das Zivilverfahrensrecht Verfahren vor, in denen Personen, die weder als Individuum noch als Teil einer Institution in den staatlichen Justizapparat eingegliedert sind, bestimmte Aufgaben zur selbständigen Erledigung zugewiesen sind. Beispielsweise werden mit dem Zwangsverwalter und dem Insolvenzverwalter Private als „ e x t e r n e " Funktionsträger jeweils für ein bestimmtes Verfahren bestellt. Z u m anderen kennt das Verfahrensrecht Prozesse, die vollständig von Personen durchgeführt werden, die nicht in den staatlich organisierten Justizapparat integriert sind. Beurkundungsverfahren werden vornehmlich durch den N o t a r durchgeführt, einen Funktionsträger, der eine „Zwischenstellung" einnimmt, indem er einerseits „Träger eines öffentlichen A m t e s " ( § 1 B N o t O ) ist, andererseits aber nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht, sondern seine Tätigkeit als „freier" N o t a r organisatorisch selbständig verrichtet. 2 1 Die organisatorische Selbständigkeit macht es erforderlich, auch den freien N o t a r als einen „extern e n " und nicht als „internen" Funktionsträger zu bezeichnen. 2 2 Diese - an dieser Stelle noch nicht näher analysierten - Beispielsfälle zeigen an, dass es in der deutschen Zivilrechtspflege Bereiche gibt, die sich als staatliche Rechtspflege durch externe Funktionsträger herausgreifen und systematisieren

2 0 Vgl. § § 1 , 13, 17 LFGG BW. Im Zuge einer Justizreform in Baden-Württemberg ist geplant, das badische Rechtsgebiet zunächst für die Regelform der Notariats nach der BNotO zu öffnen. Hierzu bedarf es einer Änderung der BNotO. Baden-Württemberg hat einen entsprechenden Entwurf eines Änderungsgesetzes eingebracht (BT-Drucks. 15/3147). 21 Feyock, DNotZ 1952, 244, 256; Lichtenberger, FS 125 Jahre Bay. Notariat, S. 113, 117, 123; Papier, notar 1/2002, 7, 13; vgl. auch Begr. BReg, BT-Drucks., 3/219, S.60; a. A. KleineCosack, DNotZ 2 0 0 4 , 327, 330, der den Amtsaspekt contra legem als überholt ansieht. Eine Nähe zum Anwaltsberuf betont auch - allerdings ohne Begründung -Jaeger, ZNotP 2 0 0 3 , 4 0 2 , 404. 22 In diesem Sinne ist der Notar auch keine Einrichtung des öffentlichen Rechts, sondern ein wirtschaftlich Selbständiger, dessen Leistungen der Mehrwertsteuerpflicht unterliegen (vgl. EuGH, Rs. 235/85, Slg. 1987, 1471 Rdn.9, 14, 22).

II. Zivilrechtspflege

durch

Zivilverfahren

9

lassen. Was macht eine Person aber, gleichgültig ob sie bereits zum Justizpersonal des Staates gehört oder ob sie als Externer Aufgaben übernimmt, zu einem Funktionsträger der staatlichen Justiz? Staatliche Zivilrechtspflege wurde oben charakterisiert als die Durchführung von Zivilverfahren unter Beachtung einer Verfahrensordnung, die bestimmte Verfahrenziele verfolgt und rechtsstaatliche Grundsätze verwirklicht. Diese staatliche Prägung des Zivilverfahrens rechtfertigt den Schluss, dass das Verfahren als solches hoheitlichen Charakter trägt. Auf den Gebieten, auf denen der Staat im überindividuellen und insoweit öffentlichen Interesse ein Zivilverfahren in dem oben beschriebenen Sinne vorsieht, übt er mit der Durchführung des Verfahrens eine Form der öffentlichen Gewalt aus. Das Verfahren steht folglich unter staatlicher Verfahrenshoheit, die durch einen Funktionsträger der Ziviljustiz ausgeübt wird. Auch ein externer Funktionsträger muss diese Verfahrenshoheit ausüben oder er muss zumindest in einem ihm zugewiesenen Teil des Verfahrens an ihr teilhaben, um selbst staatliche Zivilrechtspflege leisten zu können. Ihm müssen also unabhängig von einem staatlichen Funktionsträger zur Verwirklichung der Verfahrensziele eigene Entscheidungs- oder Steuerungskompetenzen im Verhältnis zu den Verfahrensbeteiligten zukommen.

3. Teilhabe an der Verfahrenshoheit Nicht jede Form der Mitwirkung Privater in Zivilverfahren kann hiernach als Wahrnehmung staatlicher Justizgewährung angesehen werden. Zunächst sind die Verfahrensbefugnisse Externer auszuschließen, die in der Sache keine staatliche Mitwirkung zur Entscheidung, Bereinigung, Abwicklung oder Vermeidung privater rechtlicher Konflikte darstellen, sondern die umgekehrt auf einem Mitwirkungsverzicht des Staates beruhen (im Folgenden unter a). Innerhalb des Spektrums der Mitwirkungstätigkeiten Privater ist weiter zu differenzieren zwischen Mitwirkungstätigkeiten, die kraft eigener Teilhabe an der Verfahrenshoheit erfolgen, und solchen, denen lediglich eine unterstützende Funktion zukommt (im Folgenden unter b). Letztere stellen bloße „Hilfstätigkeiten" im Verhältnis zu den Verfahrensaufgaben des staatlichen Funktionsträgers dar. Die Qualifikation als „Hilfstätigkeit" beinhaltet dabei keine Aussage über die Bedeutung der delegierten Tätigkeit für die ordnungsgemäße Durchführung des einzelnen Verfahrens, die in der Tat erheblich und entscheidend sein kann, sondern sie charakterisiert ihre systematische Zuordnung im Kontext staatlicher Justizgewährung. Auszusondern sind schließlich Tätigkeiten, die zwar im öffentlichen Interesse erfolgen und insoweit im weiteren Sinne ebenfalls als Zivilrechtspflege bezeichnet werden könnten, die jedoch kein Zivilverfahren darstellen, in dem Rechtsakte ergehen, und mit denen folglich keine Verfahrenshoheit über eine dritte Person ausgeübt wird (im Folgenden unter c).

10

§ 1 Problemaufriss und Grundlagen

a) Abgrenzung zu einem Mitwirkungsverzicht

des Staates

Der Externe handelt nur dann als Funktionsträger in einem Verfahren, wenn ihm innerhalb des Verfahrens ein eigener, unmittelbar auf die Verwirklichung eines Verfahrensziels hinwirkender Aufgabenbereich zugewiesen ist. Nicht jede Art der Mitwirkung, die ein Externer bei der Durchführung eines Zivilverfahrens leistet, kann in diesem Sinne als integraler Bestandteil des Verfahrens angesehen werden. An einer unmittelbar auf die Verwirklichung eines Verfahrensziels gerichteten Mitwirkungshandlung fehlt es, wenn in einem Verfahren bestimmte Wahrnehmungszuständigkeiten von vornherein den um Rechtsschutz nachsuchenden Beteiligten selbst verbleiben. Diese Privaten üben keine Verfahrenshoheit aus, sondern sie sind ihr, wenn sie von ihren Mitwirkungsbefugnissen auton o m Gebrauch machen, lediglich nicht unterworfen. Entsprechendes gilt, wenn der Staat sich aus einem Verfahren von einer gewissen Entwicklungsstufe ab oder für bestimmte Entscheidungen zurückzieht. Soweit den Verfahrensbeteiligten also eigene Kompetenzen zukommen, handelt es sich um einen Mitwirkungsverzicht des Staates und nicht um eine Zuweisung staatlicher Mitwirkungsaufgaben.

b) Abgrenzung zu sonstigen

Hilfstätigkeiten

Der Externe nimmt nur dann an der Verfahrenshoheit teil, wenn ihm in einem Verfahren Entscheidungs-, Beurteilungs- oder Einwirkungskompetenzen gegenüber den Verfahrensbeteiligten eingeräumt sind. Davon zu unterscheiden sind Hilfstätigkeiten, die zwar im R a h m e n der Verfahrensabwicklung von Bedeutung sind, die den Staat bei der Wahrnehmung seiner Pflicht zur Justizgewährung jedoch lediglich unterstützen. In diesem Sinne handelt es sich etwa bei Sachverständigen, die aufgrund vorgegebener Fragestellung einen Sachverhalt begutachten und insofern als Beweismittel im Zivilprozess ( § § 4 0 2 f f . Z P O ) 2 3 oder als „Informationsquelle" in den Zivilverfahren

mit Amtsermittlungsgrundsatz

(z.B.

§§12,

15

FGG

i.V.m.

§ § 4 0 2 ff. Z P O 2 4 ; § 5 I InsO) dienen, nicht um externe Funktionsträger. Der Sachverständige fungiert lediglich als Berater 2 5 bzw. als H e l f e r 2 6 des Gerichts; er ' A.A. Pieper, in: Pieper/Breunung/Stahlmann, Sachverständige, C III 1.3. Vorschriften der ZPO finden Anwendung, soweit sie mit dem Amtsermittlungsgrundsatz zu vereinbaren sind (Bumiller/Winkler, § 15 FGG Rdn.23). 2 5 BGH, NJW 1998, 3355, 3356; NJW 1994, 801, 802; Leipold, in: Stein/Jonas, Vor § 402 I ZPO Rdn.3; Pieper, in: Pieper/Breunung/Stahlmann, Sachverständige, C III 2. 2 6 BGH, NJW 1974, 312, 314; NJW 1987, 2500, 2501; Bölling, KTS 1990, 599, 600; MünchKomm-ZPO/Damra«, §402 Rdn.2; Franzki, DRiZ 1991, 314, 315; Holzer, Entscheidungsträger, Rdn.295;Jessnitzer/Ulrich, Rdn. 7,190; Leipold, in: Stein/Jonas, Vor §402 I ZPO Rdn.3; vgl. auch Hahn, Materialien, Bd.2,1. Abt. Berlin 1880, S.316, kritisch zur Begriffswahl Bayerlein/Bayerlein, Sachverständigenrecht, §11 Rdn.7ff.; a.A. (Sachverständiger nehme Funktionen des Richters wahr) Pieper, in: Pieper/Breunung/Stahlmann, Sachverständige, B III 2

24

II. Zivilrechtspflege

durch

Zivilverfahren

11

ist s t r e n g a n den i h m erteilten G u t a c h t e n a u f t r a g g e b u n d e n . 2 7 D i e r e c h t l i c h e W ü r d i g u n g u n d d a m i t die E n t s c h e i d u n g b l e i b t alleinige A u f g a b e des G e r i c h t s . 2 8 D a s gilt selbst d a n n , w e n n der S a c h v e r s t ä n d i g e i m A n s c h l u s s a n seine g u t a c h t e r l i c h e n Ä u ß e r u n g e n eine b e s t i m m t e V e r f a h r e n s h a n d l u n g e m p f o h l e n h a t ( B s p . : E m p f e h l u n g , das I n s o l v e n z v e r f a h r e n zu e r ö f f n e n 2 9 ) u n d das G e r i c h t dieser E m p fehlung folgt. Zwangsweise durchsetzbare Auskunftsrechte k ö n n e n gegenüber d e m G e r i c h t b e s t e h e n (vgl. e t w a § § 2 0 , 9 7 I n s O ) , n i c h t a b e r u n m i t t e l b a r g e g e n ü b e r d e m S a c h v e r s t ä n d i g e n . 3 0 A n der V e r f a h r e n s h o h e i t n i m m t der S a c h v e r s t ä n dige selbst a l s o n i c h t teil. E i n e n S o n d e r f a l l regelt § 2 2 1 2 Nr. 3 2 . H s . I n s O , w o n a c h der v o r l ä u f i g e I n s o l v e n z v e r w a l t e r zugleich als S a c h v e r s t ä n d i g e r f u n g i e r t . H i e r sind a u s Z w e c k m ä ß i g k e i t s g e s i c h t s p u n k t e n zwei - n a c h F u n k t i o n u n d Stellung i m V e r f a h r e n gleichw o h l v o n e i n a n d e r zu t r e n n e n d e 3 1 - A u f g a b e n b e r e i c h e v e r z a h n t . § 2 2 I 2 Nr. 3 2 . H s . I n s O regelt die B e g u t a c h t u n g , o b ein E r ö f f n u n g s g r u n d vorliegt u n d w e l c h e A u s s i c h t e n für eine F o r t f ü h r u n g des s c h u l d n e r i s c h e n U n t e r n e h m e n s b e s t e h e n , als g e s o n d e r t zu e r t e i l e n d e Z u s a t z a u f g a b e des v o r l ä u f i g e n V e r w a l t e r s . 3 2

1.; C III 1.3; ders., ZZP 84 (1971), 1. 30; vgl. bereits Hellwig, System, 1. Teil, S. 716; Nikisch, Zivilprozessrecht, S.353; Reformüberlegungen bei Bender, DRiZ 1976, 193, 195; Kruchen, Der gerichtliche Sachverständige, S. 153; Pieper, ZZP 84 (1971), 1, 38ff.; Überblick etwa bei Franzki, DRiZ 1991, 314, 316 ff. 2 7 Bayerlein/Bayerlein, Sachverständigenrecht, § 11 Rdn.54; Bölling, KTS 1990, 599, 604. 2 8 Bayerlein/ßijyer/em, Sachverständigenrecht, § 1 1 Rdn. 60; Leipold, in: Stein/Jonas, Vor § 4 0 2 I ZPO Rdn. 11; zur Entwicklung dieses Grundsatzes Olzen, ZZP 93 (1980), 66, 74ff. 2 9 Im Insolvenzeröffnungsverfahren kann gem. § 5 1 2 InsO i.V.m. § § 402 ff. ZPO ein Sachverständiger bestellt werden. Die Vorschrift betrifft das Eröffnungsverfahren wie das eröffnete Insolvenzverfahren (vgl. Bölling, KTS 1990, 599 [zu § 7 5 KO|; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch, Rdn. 3/187; Wessel, DZWiR 1999, 230f.). Praktikabel ist diese Vorgehensweise allerdings nur, wenn nicht zugleich ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird, da diesem zweckmäßigerweise auch die Tätigkeit des Sachverständigen übertragen werden sollte, und zwar gem. § 2 2 I Nr. 3 2. Hs. InsO (vgl. FK-InsO/Schmerbach, § 2 2 Rdn. 57). 30 Bölling, KTS 1990, 599, 611. Wenn der Schuldner sich nicht kooperativ zeigt, kann nur das Gericht Auskunft erzwingen (Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch, Rdn.3/188). Auskünfte muss der Schuldner dagegen gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter erteilen (§22 III 3 InsO). Das Insolvenzgericht kann den Sachverständigen schließlich nicht ermächtigen, die Wohn- und Geschäftsräume des Schuldners gegen dessen Willen zu betreten, da die InsO ein solches Eingriffsrecht nicht vorsieht (BGH, NZI 2 0 0 4 , 312). 31 Rendels, NZG 1998, 839, 841; a.A. Wessel, DZWiR 1999, 230, 231 f. 3 2 Umgekehrt ist der Sachverständige gewissermaßen als der „geborene vorläufige Verwalter" anzusehen (Schmittmann, NZI 2004, 239, 240; Smid/Smid/Thiemann, § 2 2 InsO Rdn. 17; siehe auch Begr. BReg, BT-Drucks. 12/2443, S. 117 zu § 2 6 InsO-E). Aus diesem Grund sollten an die Person des Sachverständigen vorausschauend grds. die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an einen (vorläufigen) Verwalter (FK-InsO/Schmerbach, § 22 InsO, Rdn. 57; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch, Kap. 3 Rdn. 182; vgl. auch OLG Köln, ZIP 1986, 1261, 1262).

12 c) Abgrenzung Überwachung

§ 1 Problemaufriss

zu schlichter

und

Grundlagen

Verwaltungstätigkeit

unter

staatlicher

Ein Externer ist nur dann Funktionsträger der Ziviljustiz, wenn sein Tätigkeitsbereich sich als integraler Bestandteil eines Zivilverfahrens beschreiben lässt. Hieran fehlt es, wenn eine schlichte Verwaltungstätigkeit auf dem Gebiet des Privatrechts ausgeübt wird, die als solche keine Rechtsakte beinhaltet, mit denen bestimmte öffentliche Zwecke verfolgt werden. Wird beispielsweise fremdes Vermögen verwaltet, muss unterschieden werden, ob die Vermögensverwaltung selbst ein Zivilverfahren darstellt, mit dem bestimmte überindividuelle Verfahrensziele verfolgt werden, oder ob der Vermögensverwalter lediglich an die Stelle des Vermögensinhabers tritt und allein in dessen privatem Interesse tätig wird. Auch wenn die Vermögensverwaltung unter staatlicher Kontrolle steht, ist die staatliche Rechtspflegeleistung im letzteren Falle nicht etwa die Vermögensverwaltung als solche, sondern vielmehr die Kontrolle über den Vermögensverwalter. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Vermögensverwaltung kraft Gesetzes eintritt, durch Hoheitsakt angeordnet wird oder aufgrund privater Bestimmung erfolgt. Entscheidend ist allein, dass ihr nicht die Qualität eines Zivilverfahrens zukommt.

III. Justizverfassungsrecht

als Basis für die

Verfahrensdurchführung

Das Verfahrensrecht entfaltet sich erst auf der Grundlage des Justizverfassungsrechts. 3 3 Es bedarf einer organisatorischen und institutionellen Basis, um Zivilverfahren in Erfüllung der staatlichen Justizgewährungspflicht durchführen zu können. „Verfassungsrecht" meint in diesem Sinne die Regeln, die für die Einrichtung und für die Tätigkeit der Institutionen staatlicher Justiz maßgeblich sind. 34 Die Justizorganisation ist im Raum der Europäischen Gemeinschaften Aufgabe der Mitgliedstaaten. Das gilt auch dann, wenn im Rahmen der Justizorganisation der Einsatz externer, nicht in den eigentlichen Justizapparat eingegliederter Funktionsträger vorgesehen ist. Für den staatlichen „Außendienst" gilt insofern die Bereichsausnahme der Art. 4 5 , 5 5 EGV. 3 5 Staatliche Justiztätigkeit

3 3 Nach Stern (StaatsR II, § 4 3 S. 919) sind (in Abgrenzung zum Gerichtsverfassungsrecht) in die „Rechtspflegeverfassung" alle nichtgerichtlichen Institutionen und Organe, die Rechtspflegeaufgaben erfüllen, einzubeziehen, und zwar Staatsanwaltschaft, Urkunds- und Vollstreckungsbeamte, Rechtspfleger, Rechtsanwälte und Notare. Wolf (Gerichtsverfassungsrecht, § 1 III.) fasst diesen Bereich unter den Oberbegriff „Gerichtsverfassungsrecht". Der Begriff Justiz beschränkt sich dagegen auf die staatlichen Organe und Institutionen, die der Rechtspflege in Zivil- und Strafsachen dienen (vgl. Greifelds, Rechtswörterbuch, „Justiz"). 3 4 So zum Begriff des „Gerichtsverfassungsrechts" Schilken, Gerichtsverfassungsrecht § 1 Rdn.2. 35 Preuß, ZEuP, erscheint demnächst.

III. Justizverfassungsrecht

als Basis für die Verfahrensdurchführung

13

wird nicht im Binnenmarkt erbracht, sondern unterliegt der mitgliedstaatlichen Organisationshoheit. Das staatliche Organisationsrecht verlangt zunächst eine abstrakte Zuweisung bestimmter Verfahren zu bestimmten Gruppen von Funktionsträgern der Justiz sowie die konkrete Vorhaltung von Organisationseinheiten, die den staatlichen Rechtspflegeauftrag im Einzelfall erfüllen. Gegenstand der Justizverfassung ist weiter die Aufstellung von Organisationsregeln, die die Binnenstruktur solcher Organisationseinheiten betreffen (wie Gerichtsaufbau, Geschäftsverteilung usw.). Z u m Regelungsbereich des Justizverfassungsrechts gehört darüber hinaus die Bestimmung aufgabenbezogener Qualifikationsmerkmale, die der Funktionsträger erfüllen muss, um ein Verfahren ordnungsgemäß durchführen zu können. Diese Qualifikation reicht von der rechtlichen Ausgestaltung des „Amtes" bis hin zu aufgabenbezogenen Grundpflichten, zu deren Einhaltung der einzelne Funktionsträger verpflichtet werden muss (Neutralität, Bindung an das Gesetz usw.). 36 Die Einhaltung solcher Grundpflichten ist Voraussetzung für die Erreichung der Verfahrensziele und damit für die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Vorschriften des Prozessrechts allein können diese Funktionsfähigkeit nicht gewährleisten. So findet sich beispielsweise in § 300 I Z P O die Regelung, dass ein Endurteil zu erlassen ist, wenn der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist. Dieses Urteil muss dem Sinn und Zweck des Zivilprozesses entsprechend „getreu dem Gesetz" und „ohne Ansehen der Person" gefällt werden. Dass das geschieht, wird nicht durch das Zivilverfahrensrecht abgesichert, sondern durch das Justizverfassungsrecht, das die Entscheidung dem Richter vorbehält, der k r a f t seines Amtseides zur gesetzestreuen und unparteiischen Amtsausübung verpflichtet ist (§38 DRiG). Ein bedeutsamer Abschnitt des Justizverfassungsrechts ist schließlich der Komplex des Zugangs zum Amt und der Kontrolle der Amtsträger (mit der letzten Konsequenz der Entlassung ungeeigneter Amtsträger). N i m m t ein Externer an der Verfahrenshoheit teil und wird er in diesem Sinne eingesetzt wie ein in den staatlichen Justizapparat eingebundener Funktionsträger, gehört er gewissermaßen zum erweiterten Justizpersonal des Staates. Damit gewinnt der Einsatz externer Funktionsträger eine justizorganisatorische Dimension. Als Basis, auf dem sich das Verfahrensrecht erst entwickeln k a n n , spielen organisatorische Entscheidungen, Qualifikationsmerkmale, Zugangsregelungen und Kontrolle hier eine ebenso große Rolle wie bei der Rechtspflege durch interne Funktionsträger. Der Einsatz externer Funktionsträger kann also trotz deren organisatorischer Selbständigkeit als Teil der Rechtspflege- oder Justizverfassung verstanden werden. Wenn externe Funktionsträger in Zivilverfahren eingesetzt werden, muss es folglich auch ein - mehr oder weniger ausgeprägtes - Justizverfassungsrecht die36

Vgl. Schilken,

Gerichtsverfassungsrecht, § 1 Rdn.9, 10.

14

§ 1 Problemaufriss und Grundlagen

ser Funktionsträger geben. Welche Organisationskonzepte die deutsche Rechtspflegeverfassung hierfür vorsieht, wie diese Konzepte normativ umgesetzt sind und w o konzeptionelle Lücken vorhanden sind, die geschlossen werden müssen, soll im Folgenden untersucht werden. Dazu ist zunächst im Rahmen einer Bestandsaufnahme zu klären, in welchem Umfang und mit welchen konkreten Aufgaben externe Funktionsträger in der deutschen Zivilrechtspflege zum Einsatz kommen. Im Anschluss kann festgestellt werden, welche Konzepte für den Einsatz externer Funktionsträger die deutsche Justizverfassung kennt. Gemeint ist hiermit zum einen der konzeptionelle Ansatz, dem ein Integrationsmodell folgt. Externe Funktionsträger können sowohl als Rechtspflegeeinrichtungen mit eigenem Zuständigkeitsbereich eingesetzt als auch lediglich für die Erledigung bestimmter Aufgaben in einem einzelnen Verfahren bestellt werden. Zum anderen stellt sich die Frage, welche Strukturentscheidungen ein Integrationsmodell prägen und wie sie normativ umgesetzt sind. Z u den strukturellen Grundlagen zählt beispielsweise die Art und Weise, in der der Staat bei dem Einsatz des externen Funktionsträgers seiner Bestellungsverantwortung Rechnung trägt. Der Hauptteil der Untersuchung ist der Analyse der einzelnen Strukturentscheidungen des jeweiligen Modells gewidmet.

1. Kapitel

Externe Funktionsträger

§ 2 Einsatz externer Funktionsträger auf dem Gebiet der Zivilrechtspflege Im ersten Kapitel sollen zunächst im Rahmen einer Bestandsaufnahme Vorkommen und Tätigkeitsspektrum externer Funktionsträger auf dem Gebiet der staatlichen Zivilrechtspflege untersucht werden. Hier geht es um die Überprüfung, in welchen Verfahren oder Verfahrensabschnitten Verfahrenshoheit auf Funktionsträger übertragen ist, die nicht in den staatlichen Justizapparat eingebunden sind. Dabei sind die Mitwirkungstätigkeiten auszuscheiden, die keine Beteiligung an dem Verfahren unter Teilhabe an der Verfahrenshoheit bedeuten, sondern im Gegenteil auf einem Mitwirkungsverzicht des Staates beruhen. Gleiches gilt für Mitwirkungstätigkeiten, die sich als bloße Hilfstätigkeit darstellen, sowie für schlichte Verwaltungstätigkeiten unter staatlicher Überwachung. In diesen Fällen handelt es sich nicht um staatliche Rechtspflege durch einen externen Funktionsträger. Dem externen Funktionsträger der Justiz werden Rechtspflegeaufgaben übertragen, die der Staat sonst durch eigenes, in den Justizapparat eingegliedertes Personal erledigen lassen müsste. Es handelt sich um Zivilverfahren, mit denen der Staat seiner Pflicht zur Justizgewährung 1 nachkommt, also um Verfahren, die durch eine private Rechtsbesorgungstätigkeit nicht vollständig ersetzt werden können, weil die private Rechtsbesorgungstätigkeit sich nicht in einem verbindlichen Rechtsakt manifestiert, der die staatliche Rechtskontrolle attestiert. Beispielsweise hat eine Zertifizierung durch eine anerkannte private Stelle eine andere rechtliche Qualität als ein staatliches Genehmigungsverfahren, obwohl die auf einen Gegenstand angewandten konkreten Prüfungsverfahren durchaus vergleichbar sein können. Um den Einsatz externer Funktionsträger auf dem Gebiet der Zivilrechtspflege feststellen zu können, bedarf es einer Überprüfung der einzelnen Zivilverfahren dahin, ob Mitwirkungstätigkeiten Privater vorkommen, die mit der Verleihung zumindest partieller Verfahrenshoheit verbunden sind, ob dem Privaten also Verfahrensentscheidungen zur eigenverantwortlichen Erledigung zugewiesen sind. Nur wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, handelt es sich bei dem Privaten um ein Organ der staatlichen Rechtspflege und damit um einen Funktionsträger im Sinne der Justizverfassung. 1

Vgl. §1 I.

/. Der Staat als „Sachwalter" im privatrechtlichen

17

Bereich

Es stellt sich also die Frage, in welchem Umfang in den Verfahrensgruppen Zivilprozess (Erkenntnisverfahren, vorläufiger Rechtsschutz), Zwangsvollstreckung (einschließlich der Sonderform des Insolvenzverfahrens) und Freiwillige Gerichtsbarkeit externe Funktionsträger zum Einsatz k o m m e n .

Eventuelle

Parallelen treten deutlicher hervor, wenn die einzelnen Verfahrensarten in einer an den Zwecken des Einsatzes staatlicher Funktionsträger orientierten Ordnung untersucht werden. Im Hinblick auf den verfolgen öffentlichen Z w e c k und die hieraus resultierende Bestimmung der zuständigen Funktionsträger

können

Zivilverfahren mit Kontrollfunktion zum Schutz privater Rechtssubjekte und Rechtsgüter ( „ G e f a h r e n a b w e h r " ) und Zivilverfahren mit Befriedungsfunktion im weitesten Sinne unterschieden werden. 2 Diese Unterscheidung wird der folgenden Bestandsaufnahme zugrunde gelegt. Im ersten Fall repräsentiert der Funktionsträger gerade die staatliche Wächter- und Sachwalterrolle (dazu sub I.), im zweiten Fall ist er ein notwendigerweise institutionell neutrales O r g a n , das zur Entscheidung, Bereinigung, Abwicklung oder Vermeidung privater rechtlicher Konflikte tätig wird (dazu sub II. bis VI.).

I. Der Staat als „Sachwalter " im privatrechtlichen

Bereich

Nehmen voll geschäftsfähige, in ihrer Verfügungsbefugnis nicht beschränkte Privatrechtssubjekte am Rechtsverkehr teil, so findet diese Teilnahme als solche ohne staatliche Mitwirkung und Kontrolle statt. Die Teilnahme am Rechtsverkehr kann zwar bestimmten rechtlichen Schranken oder Erlaubnisvorbehalten unterliegen oder sie kann rechtliche Verpflichtungen (z.B. Steuertatbestände) auslösen. Sie ist aber für sich genommen eine private Tätigkeit, auf die sich der Bereich staatlicher Zivilrechtspflege nicht erstreckt. Das ändert sich erst dann, wenn staatliche Mitwirkung zur Konfliktbereinigung oder Konfliktprophylaxe, unter Umständen unter Einsatz staatlicher Zwangsgewalt, eingreift. Ist ein Privatrechtssubjekt dagegen generell oder für einzelne Akte nicht in der Lage, selbst oder vermittels eines gewillkürten Vertreters am Rechtsverkehr teilzunehmen, muss eine andere Person an seiner Stelle tätig werden. Entsprechendes gilt, wenn es für die Besorgung einer bestimmten Angelegenheit an einer handlungsbefugten Person fehlt. Angesprochen sind hiermit insbesondere die Fälle der Vormundschaft, Betreuung und Pflegschaft, aber ebenso der Bereich der elterlichen Sorge. Diesen Fällen ist gemeinsam, dass dem Vormund, Betreuer, Pfleger sowie den Eltern des minderjährigen Kindes die Befugnis eingeräumt ist, das Rechtsleben eines anderen zum Teil maßgeblich zu bestimmen. Vormund und Mündel, Betreuer und Betreuter, Pfleger und Pflegling, Eltern und Kind stehen gewissermaßen in einem privatrechtlichen Gewaltverhältnis. Für die vorlie2

Vgl. §1 II. 1.

18

52 Einsatz externer Funktionsträger auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

gende Untersuchung sind diese Gewaltverhältnisse deshalb von Interesse, weil es sich bei den Personen, die die rechtliche Sorge für einen anderen ausüben, um externe Funktionsträger der Justiz handeln könnte, indem der Staat sich zur Durchführung seiner öffentlichen Schutzaufgabe der Privatperson bedient.' Vormund, Betreuer und Pfleger werden im Übrigen auch als Inhaber (privatrechtlicher) „ Ä m t e r " 4 oder als „amtliche O r g a n e " 5 bezeichnet. Von diesen Gewaltverhältnissen zu unterscheiden sind die Verwaltertätigkeiten des Insolvenzverwalters, des Zwangsverwalters und des Nachlassverwalters. Z w a r werden auch diese Personen mit der Verwaltung fremden Vermögens betraut. Ihre Verwaltungstätigkeit hat jedoch eine andere rechtliche Qualität, weil sie dem Ziel dient, aus dem übertragenen Vermögen Verbindlichkeiten zu berichtigen, und den Verwalter damit zugleich verpflichtet, den Ausgleich konfligierender Interessen zu beachten. Diese Verwaltertätigkeiten werden daher einer gesonderten Betrachtung vorbehalten. M i t den genannten Gewaltverhältnissen systematisch vergleichbar ist dagegen die Position des Testamentsvollstreckers, o b w o h l der Testamentsvollstrecker seine Rechtsposition weder kraft Gesetzes noch kraft hoheitlicher Anordnung erlangt, sondern durch Anordnung des Erblassers. Die Art der ausgeübten Tätigkeit rechtfertigt es jedoch, diese ebenfalls als „privates A m t " beschriebene 6 Rechtsposition den privaten Gewaltverhältnissen zuzuordnen. Der Testamentsvollstrecker trägt im Interesse des Erblassers an dem künftigen Schicksal seines Vermögens Sorge für den Nachlass. 7 Seine Aufgabe ist es, dem Willen des Erblassers auch über dessen Tod hinaus Gestalt zu verleihen. Er handelt also in gewisser Hinsicht gleichfalls für jemanden, der seine Interessen nicht (mehr) selbst wahrnehmen kann. Dass es sich hier um eine gewillkürte Amtsstellung handelt, macht für die vorliegende Untersuchung keinen Unterschied, da staatliche Rechtspflege, wenn es sich um eine solche handeln sollte, auch fakultativ in Anspruch genommen werden kann. Allen diesen „privaten Gewaltverhältnissen" ist gemeinsam, dass sie in fremdem Interesse erfolgen und sich unter mehr oder weniger intensiver staatlicher Kontrolle vollziehen. Es stellt sich nun die Frage, ob die staatliche Wächter- und Sachwalterrolle bereits von dem privaten Amtsträger wahrgenommen wird oder o b sie erst eingreift, wenn der Staat bei der Bestellung oder Abberufung des privaten Amtsträgers tätig wird oder wenn er eine Kontrolle über dessen Tätigkeit ausübt. Es ist also zu überprüfen, o b das Gewaltverhältnis als solches schon zum

Vgl. BVerfGE 10, 302, 312; 54, 251, 268. Vgl. Palandt/Diederichsen, Einl v § 1773 BGB Rdn.4. 5 RGZ 151, 57, 62; Soergel/Zimmermann, Vor § 1773 BGB Rdn.2 [Vormund], 6 BGHZ 25, 275, 279; MünchKomm-BGB/ßra^tter, Vor §2197 Rdn.5; Soergel/Damrau, Vor §2197 BGB Rdn.5; Palandt/Edenhofer, Einf v §2197 BGB Rdn.2; Staudinger/Reimann, Vorbem zu §§2197-2228 Rdn.14; Erman/M. Schmidt, Vor §2197 BGB Rdn.3. 7 BGHZ 25, 275, 279; BayObLG 1976, 67, 71; MünchKomm-BGB/ßranrfner, Vor §2197 Rdn.5 („Vertrauensperson des Erblassers"). 3 4

II. Rechtsprechende

19

Gewalt

Zivilverfahren gehört und damit staatliche Rechtspflege darstellt. Wenn das Gewaltverhältnis selbst Teil des staatlichen Rechtspflegeverfahrens ist und als Ausübung einer Verfahrenshoheit interpretiert werden kann, dann handelt der private Amtsträger als Funktionsträger der Justiz mit der Konsequenz, dass sein Amt als Bestandteil der staatlichen Justizverfassung verstanden werden müsste. Staatliche Rechtspflege wurde charakterisiert als zwingend

vorgesehene

Rechtsanwendung, die sich in einem verbindlichen Rechtsakt niederschlägt. 8 Sie erfolgt durch Zivilverfahren unter staatlicher Verfahrenshoheit, mit denen bestimmte Verfahrensziele

(z.B. die Befriedung

rechtlicher Konflikte,

die

zwangsweise Durchsetzung eines Anspruchs) verfolgt werden. 9 Betrachtet man unter diesen Gesichtspunkten das private Gewaltverhältnis, so lässt sich feststellen, dass der private Amtsträger zwar eine in fremdem Interesse liegende Aufgabe zu erfüllen hat und bei der Erledigung dieser Aufgabe konkreten Bindungen unterliegt; seine Tätigkeit lässt sich aber weder als Vollzug staatlicher Rechtskontrolle beschreiben noch lassen sich seine Bindungen mit der Bindung an eine Verfahrensordnung gleichsetzen. Der private Amtsträger besorgt vielmehr lediglich die Angelegenheiten, die der Schutzbefohlene oder im Fall der Testamentsvollstreckung der Erblasser nicht (mehr) selbst erledigen kann. Sein Einsatz erfolgt nicht deshalb, weil ein bestimmter Lebensvorgang sich unter staatlicher Rechtsanwendungskontrolle vollziehen soll, sondern weil die Person, in deren Interesse er bestellt ist, nicht (mehr) selbst am Rechtsverkehr teilnehmen kann. Er handelt insofern also in gleicher Weise als Privatrechtssubjekt - und nicht als staatlicher Funktionsträger - wie der Schutzbefohlene oder der Erblasser selbst als Privatrechtssubjekt agieren würde, wenn er (noch) am Rechtsverkehr teilnehmen könnte. 1 0 Die staatliche Wächter- oder Sachwalteraufgabe wird deshalb nicht mit dem Einsatz des privaten Amtsträgers als solchem erfüllt, sondern sie erfolgt in der förmlichen Bestellung, in der Abberufung und in der Kontrolle über den privaten Amtsträger. Fazit: Vormund, Betreuer, Pfleger und Testamentsvollstrecker sind keine externen Funktionsträger der Justiz.

II. Recbtsprechende

Gewalt

Die zwangsweise Befriedung privater Rechtskonflikte erfordert staatliche Mitwirkung aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols. Das staatliche Gewaltmo-

Vgl. § 1 I. Vgl. § 1 II. 1. 10 MünchKomm-BGB/Wagettte, Vor § 1 7 7 3 Rdn. 19; vgl. auch Soergel/Zimmermann, Vor § 1 7 7 3 B G B Rdn. 2 (privatrechtliche Bestandteile überwiegen, weil Stellung des Vormunds weitgehend der des Inhabers der elterlichen Sorge nachgebildet ist). 8

9

20

§ 2 Einsatz externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

nopol ist die Konsequenz des grundsätzlichen Verbots der „Privatgewalt" 1 1 , also des Selbsthilfeverbots. 12 Der Staat muss den Privatrechtssubjekten seine hoheitlichen Befugnisse für die Durchsetzung ihrer Rechtspositionen zur Verfügung stellen. Die Anerkennung des staatlichen Justiz- und Zwangsgewaltmonopols stützt sich auf die Erkenntnis, dass die Monopolisierung von Streitentscheidung und Zwangsausübung der Wahrung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden dient und angesichts der Bindung der staatlichen Gerichte an die Gesetze und die Werteordnung der Verfassung zu einem gerechten Ausgleich widerstreitender Interessen führt. Das Zwangsgewaltmonopol wird schließlich getragen von dem Grundsatz, dass in einem Rechtsstaat die Ausübung staatlicher Gewalt - kontrollierbare - Rechtsanwendung darstellt. Auch im privaten Lebensbereich soll der

zwangsweisen

Durchsetzung

von

Rechtspositionen

notwendigerweise

Rechtsanwendung vorausgehen, die eben nur durch die Recht und Gesetz unterworfene staatliche Instanz gewährleistet wird. Dem staatlichen Justiz- und Zwangsgewaltmonopol unterfällt zum einen die rechtsprechende Gewalt, die nach Art. 92 G G den Richtern zur Ausübung durch Gerichte anvertraut ist. 13 Für die Zuweisung zu den aus dem Justiz- und Zwangsgewaltmonopol resultierenden Aufgaben und damit für die Grenze der Delegierbarkeit ist hier weniger die inhaltliche Qualifizierung einer Maßnahme als „Rechtsprechung" von Bedeutung 14 als vielmehr der Umstand, dass durch Rechtsprechung Gewalt ausgeübt wird. 1 5 Eine aus dem Gewaltmonopol resultierende Aufgabe kann der Staat nur auf einen mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattenen Funktionsträger übertragen. Angesichts der Monopolisierung richterlicher Gewalt (Art. 92 GG) kommt ein Rückzug oder Teilrückzug des Staates jedoch allenfalls hinsichtlich des Begriffsteils „Rechtsprechung" in Betracht. 1 6

Terminologie: § 96 I 7 Preußisches ALR. Badura, Staatsrecht, H Rdn.23; Baur/Stürner, Bd. 1, Rdn. 1.1; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, § 1 I. 1.; Isensee, FS für Eichenberger, S.23, 26; Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, S. 34; Prutting, in: Wieczorek/Schütze, Einl. Rdn. 25; Rosenberg/Gaul/Schüken, § 1 II. 1., 2.; Saenger, Einstweiliger Rechtsschutz, S.3; Scholz, N J W 1983, 705, 707; vgl. auch Walter, ZZP 103 (1990), 1 4 1 , 1 4 2 ; zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung des Selbsthilferechts, Heyer, ArchBürgR 19 (1901), 3 8 ff. 13 Bettermann, in: Isensee/Kirchhof, HBStR III § 73 Rdn. 73; Smid, Rechtsprechung, S . 3 7 . 14 Verstanden als letztverbindliche, der Rechtskraft fähige Feststellung und Ausspruch dessen, was im konkreten Fall rechtens ist (BVerfG, NJW 2 0 0 1 , 1048, 1052). 15 Nur bei der rechtsprechenden Gewalt handelt es sich um Rechtsprechung als Staatsfunktion (BK-GGIAchterberg, Art. 92, Rdn. 186; Bettermann, in: Isensee/Kirchhof, HbStR III § 73, Rdn. 4, 77; Dütz, Gerichtsschutz, S . 2 3 5 ; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 92 GG, Rdn. 6; Stober, N J W 1979, 2 0 0 1 , 2 0 0 4 ; Wassermann, Richterliche Gewalt, S.37ff.). Auf die staatsinterne Funktionenverteilung (etwa die Abgrenzung der Begriffe „Rechtsprechung" und „Verwaltung" insbesondere auf dem Gebiet der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, vgl. statt aller Smid, Rechtsprechung, S.37ff.) kommt es für diese Untersuchung nicht an. 16 Wenn der Staat sich gleichwohl in bestimmten Bereichen ein Rechtsprechungsmonopol vorbehält, wie etwa für Statusklagen aus dem Familienrecht (vgl. Begr. BReg, BT-Drucks. 13/ n

12

IL Rechtsprechende

Gewalt

21

So darf die Rechtsprechung privaten Gerichten überlassen werden (vgl. § 1055 ZPO) 1 7 ; das Schiedsgericht kann jedoch selbst keine Hoheitsakte erlassen, d.h. insbesondere keinen Vollstreckungstitel erschaffen. 18 1. Schiedsgericht Das schiedsgerichtliche Verfahren als solches wird als Teil der Zivilrechtspflege angesehen. 19 Gleichwohl handelt es sich bei dem Prozess zur Gewinnung eines Schiedsspruchs um eine „private Veranstaltung" 20 . Daran ändert der Umstand nichts, dass das Schiedsverfahren sich vielfach der Verfahrensregeln des Zivilprozesses bedient. Die Möglichkeit, die Entscheidung eines Streits über vermögensrechtliche Ansprüche oder einem Vergleich zugängliche nichtvermögensrechtliche Ansprüche einem Schiedsgericht anzuvertrauen ( § 1 0 3 0 I ZPO), ist Ausfluss der Privatautonomie der Parteien. 21 Das Schiedsgericht hat keinerlei hoheitliche Funktion; es übt keine Zwangsbefugnisse aus. Erst mit der Vollstreckbarerklärung (§ 1060 I ZPO) wird ein Vollstreckungstitel (§ 794 I Nr. 4 a ZPO) geschaffen. Das Verfahren zur Erteilung der Vollstreckbarerklärung (§§ 1060 II, 1062ff. ZPO) stellt ein eigenständiges staatliches Zivilverfahren dar, das eine von dem Schiedsspruch zu unterscheidende gestaltende und zugleich (die Unanfechtbarkeit des Schiedsspruchs) feststellende Entscheidung über die Vollstreckbarkeit zum Gegenstand hat (vgl. § 1059 III 4 ZPO). 2 2 In einem Schiedsverfahren ist folglich nicht die rechtsprechende Gewalt auf ein privates Gericht übertragen. 23 Das Schiedsgericht entscheidet lediglich wie 5 2 7 4 , S . 3 5 zu § 1030 ZPO-E), so ist das keine Folge des Gewaltmonopols, sondern ein Akt staatlicher Fürsorge (hier etwa kraft des staatlichen Wächteramtes). 17 B G H Z 5 1 , 2 5 5 , 2 5 8 ; 54, 3 9 2 , 2 9 5 ; 65, 59, 61; BGH, N J W 1986, 3027, 3 0 2 8 ; W M 1986, 688, 689; B K - G G / A c h t e r b e r g , Art.92 R d n . 1 8 1 ; Dütz, Gerichtsschutz, S . 2 3 2 ; Ramm, ZRP 1989, 136; Schütze, Schiedsgericht, Rdn. 1; Stober, N J W 1979, 2 0 0 1 , 2 0 0 4 ; Walter, ZZP 103 (1990), 141, 143, 147; Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, § 2 IV. 5. b) 18 B G H Z 65, 59, 61; BGH, W M 1986, 688, 689; Gaul, Rpfleger 1971, 1; Stober, NJW 1979, 2 0 0 1 , 2 0 0 4 . 19 MünchKomm-ZPO[l.Aufl.]/Ato;r, § 1 0 3 4 a.F. R d n . l ; vgl. auch Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 1, Rdn. 1 („prozessual-jurisdiktionelle Institution"); zur Entwicklung: Schlosser, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, Rdn. 42. 2 0 MünchKomm-ZPO[l. Aui\.]IMaier, § 1034 a.F. Rdn. 1. 21 Raeschke-Kessler/Berger, Schiedsverfahren, Rdn. 2; MünchKomm-ZPO/Münch, § 1 0 2 9 Rdn.2; Schütze, Schiedsgericht, R d n . l ; vgl. auch Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 1, Rdn. 7; zur alten Rechtslage BK-GGIAchterberg, Art. 92 Rdn. 1 8 1 , 1 8 5 ; Dütz, Gerichtsschutz, S . 2 3 9 . Nach Voit (JZ 1997, 1 2 0 , 1 2 4 f . ) ist diese Legitimationsgrundlage angesichts der Regelung in § 1030 11 ZPO nicht mehr gegeben, da die Vorschrift keine Vergleichsbefugnis der Parteien für vermögensrechtliche Ansprüche voraussetzt. 2 2 BGH, BB 1960, 302; Borges, ZZP 111 (1998), 4 8 7 , 508; Schütze, Schiedsgericht, Rdn. 2 4 4 ; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 26, Rdn. 3, 7. 23 BK-GGIAchterberg, Art. 92 Rdn. 186; a.A. Zuck, FS für Schippel, S. 817, 818 (Schiedsgerichtsbarkeit sei Ausübung der rechtsprechenden Gewalt, für die es folglich kein Staatsmonopol

22

§2 Einsatz externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

ein staatliches Gericht. 2 4 Insoweit verzichten die Parteien auf ihren Anspruch auf Justizgewährung durch den gesetzlichen Richter. 2 5 Die staatliche Mitwirkung ist erst erforderlich, damit der kraft der Privatautonomie relevante Wille, sich einem bestimmten Schiedsspruch zu unterwerfen, in einen Vollstreckungstitel münden kann (Vollstreckungsgewalt). 2 6 Demnach konzentriert sie sich darauf, dem Schiedsspruch hoheitliche Anerkennung als Vollstreckungstitel zu verschaffen, wobei angesichts der Bindung des staatlichen Gerichts an Recht und Gesetz eine Verpflichtung zur Missbrauchs- und Evidenzkontrolle (vgl. § 1 0 5 9 II Z P O ) besteht. 2 7 Das Schiedsverfahrensrecht vollzieht somit eine strikte Trennung zwischen dem Schiedsspruchverfahren des privaten Schiedsgerichts und dem staatlichen Verfahren, in dem über die Erteilung eines Vollstreckungstitels entschieden wird. 2 8 Die Tätigkeit des Schiedsgerichts lässt sich somit nicht als eine Form der Einbindung externer Funktionsträger in ein staatliches Verfahren qualifizieren. 2 . Notarielles Schiedsgericht Im Hinblick auf die eventuelle Zuweisung von Zivilverfahren zugunsten eines externen Funktionsträgers stellt sich jedoch die Frage, ob ein notarielles Schiedsgericht als wirkliche „Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit" 2 9 eingerichtet werden kann. Der Notar ist schließlich auch auf dem Gebiet des Schiedsverfahrensrechts befugt, Vollstreckungstitel zu schaffen (vgl. §§ 7 9 4 I Nr. 4 a, 1 0 5 3 IV 1 ZPO30). gebe); ähnlich Habscheid, J Z 1998, 4 4 5 , 4 4 6 (Ausübung staatlicher Gerichtsbarkeit, die den Schiedsrichtern übertragen wird). 2 4 BGH, W M 1986,688,689. 2 5 MünchKomm-ZPO/M«ttcfc, Vor § 1025 Rdn.2. 26 Bettermann, in: Isensee/Kirchhof, HbStR III § 7 3 , Rdn.78; MünchKomm-ZPO/Münch, § 1 0 6 0 Rdn.2; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 1 II 2; Schlosser, in: Stein/Jonas, § 1 0 6 0 ZPO Rdn. 1; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 1, Rdn.7, Kap. 2 6 , Rdn. 1. 27 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 92 GG Rdn. 166ff. (1/1976); Schmidt-Aßmann, in Isensee/ Kirchhof, HbStR I, § 24 Rdn. 73; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 GG (Rechtsstaat) Rdn. 198; zur Durchführung Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 26 Rdn. 5 f. 2 8 Die Trennung gilt gleichermaßen für die - nunmehr gem. § 1041 I ZPO ausdrücklich zugelassenen - Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes durch das Schiedsgericht. Auch die durch das Schiedsgericht erlassene Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes bedarf nach § 1041 II 1 ZPO zu ihrer Vollziehung einer Vollziehbarkeitsentscheidung durch das ordentliche Gericht (hierzu Schütze, BB 1998, 1650, 1652). 2 9 Vgl. Wagner, DNotZ 2 0 0 0 , 13, 15. , 0 Die überwiegende Ansicht billigt der Vollstreckbarerklärung des Schiedsvergleichs zu Recht die Qualität eines Vollstreckungstitels i. S. d. § 7 9 4 I Nr. 4 a ZPO zu, obwohl der Wortlaut des § 7 9 4 I Nr.4 a ZPO auf die mit der Rechtsbeschwerde angreifbare gerichtliche Vollstreckbarerklärung zugeschnitten ist (ZöWer/Stöber, § 7 9 4 ZPO Rdn. 23; Musielak/Voif, § 1053 ZPO Rdn. 28; MünchKomm-ZPO/Wo//stemer, § 7 9 4 Rdn. 121 f.; a.A. MünchKomm-ZPO/Münch, § 1053 Rdn.24). Die notarielle Vollstreckbarerklärung wird sofort formell rechtskräftig und kann damit als Vollstreckungstitel eingesetzt werden (Schlosser, in: Stein/Jonas, § 1053 ZPO

IL Rechtsprechende

Gewalt

23

Eine Verlagerung richterlicher Aufgaben scheidet aus, soweit sie das Monopol der staatlichen Gerichte zur Ausübung richterlicher Gewalt (Art. 92 GG) tangiert. 31 Andere Amtsträger können die Staatsfunktion „Rechtsprechung" nicht wahrnehmen. 3 2 Das heißt, dass zwar Rechtsprechungsaufgaben delegiert werden können, nicht aber rechtsprechende Gewalt. Soweit Notare bei der Bereinigung rechtlicher Konflikte tätig werden sollen, ist das als notarielle Tätigkeit de lege lata allenfalls als staatliche Mitwirkung ohne Entscheidungskompetenz nach der Zuständigkeitszuweisung des § 24 BNotO möglich. Eine schiedsrichterliche Streitentscheidung stellt demgegenüber eine außernotarielle Nebentätigkeit dar. 33 Wird das Schiedsverfahren nicht durch einen Schiedsspruch, sondern durch einen Schiedsvergleich („Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut") beendet, stellt sich die Frage, ob der als Schiedsrichter tätige Notar, dem Sinn und Zweck des Verfahrens über die Erteilung der Vollstreckbarerklärung entsprechend, von der Erteilung der Vollstreckbarerklärung (§ 1053 IV ZPO) ausgeschlossen werden muss. Bei der Vollstreckbarerklärung handelt es sich nicht um eine Beurkundungstätigkeit, sondern um eine richterliche Tätigkeit. 3 4 Hinsichtlich der Frage einer Ausschließung oder Ablehnung des Notars ist allerdings danach zu differenzieren, ob es um die Begründung der Zuständigkeit des Notars oder um die Durchführung der bereits übernommenen Tätigkeit geht. Da der Notar seine Kompetenz von der Wahl der Parteien ableitet, kann für die Zuständigkeitsbegründung ein Vergleich zur Auswahl eines bestimmten Notars als Beurkundungsorgan gezogen werden. Einschlägig sind deshalb insoweit die Mitwirkungsverbote des § 3 BeurkG. Ist die Zuständigkeit des Notars für die Erteilung der Vollstreckbarerklärung aber einmal begründet, wechselt er in die Funktion eines Richters und kann erforderlichenfalls wegen Befangenheit abgelehnt werden. 3 5 Da es vorliegend um die Frage geht, ob der als Schiedsrichter tätige Notar

R d n . 8; M ü n c h K o m m - Z P O / W o l f s t e i n e r , § 7 9 4 R d n . 1 2 2 ) . Im Übrigen ist die notarielle Vollstreckbarerklärung des Schiedsvergleichs der Vollstreckbarerklärung des Anwaltsvergleichs nachgebildet; der Gesetzgeber wollte also die rechtliche Grundlage für einen notariellen Vollstreckungstitel schaffen (vgl. BT-Drucks. 13/5274, S.55). " Insofern ist es unbeachtlich, dass der N o t a r die Befähigung zum Richteramt hat (Ausnahme: württembergische Bezirksnotare); a.A. Bohrer, Berufsrecht, R d n . 86, ihm folgend Baumann, M i t t R h N o t 1996, 1 , 1 8 (allerdings bzgl. der Vollstreckbarerklärung von Schiedsvergleichen). 52 Bettermann, in: Isensee/Kirchhof, H b S t R III § 73, R d n . 5; Schmidt-Bleibtreu, in: SchmidtBleibtreu/Klein, A r t . 9 2 G G R d n . l ; vgl. auch BVerfGE 32, 2 1 3 . 35 Baumann, in: Eylmann/Vaasen, § 8 B N o t O Rdn. 23; S c h i p p e l / R e i t h m a n n , § 2 4 B N o t O Rdn. 21; kritisch Wagner, Z N o t P 2 0 0 0 , 18, 2 0 f . sowie 2 1 4 , 2 2 0 f . ; vgl. auch Wagner, D N o t Z 1998, 34*, 75' f f., der in der Regelung des § 8 IV B N o t O eine Aufgabenerweiterung zugunsten des N o t a r s sieht. 34 ZöllerIGeimer, § 1053 Z P O R d n . 9. von Schuckmann/Preuß, in: H u h n / v o n S c h u c k m a n n , § 5 2 BeurkG R d n . 7 0 m . w . N . zum Streitstand.

24

§2 Einsatz externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

in Personalunion auch die Vollstreckbarerklärung erteilen darf, handelt es sich um einen Fall, in dem die Wahl des mit der Erteilung der Vollstreckbarerklärung betrauten Notars bereits mit der Bestellung zum Schiedsrichter erfolgen soll. Die Zuständigkeit des Notars für die Vollstreckbarerklärung soll also bereits begründet sein, so dass nicht die Mitwirkungsverbote des § 3 BeurkG, sondern die Ausschließungsgründe der ZPO Anwendung finden. Der hiernach einschlägige §41 Nr. 6 ZPO erfasst zwar seinem Wortlaut nach lediglich die vorgehende Mitwirkung bei Erlass einer „angefochtenen Entscheidung". Die Vorschrift soll allerdings erreichen, dass ein Richter nicht eine von ihm mit zu verantwortende Entscheidung überprüft. 3 6 Die inhaltliche Beschränkung auf Rechtsmittelverfahren erklärt sich damit, dass die Norm, obwohl sie das schiedsrichterliche Verfahren ausdrücklich einbezieht, auf die Uberprüfung von Entscheidungen eines staatlichen Gerichts zugeschnitten ist. Eine beschränkte Überprüfung findet jedoch auch in dem Verfahren zur Erteilung der Vollstreckbarerklärung statt, und zwar in gleicher Weise wie im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens (vgl. § 1060 II ZPO mit dem Verweis auf die Aufhebungsgründe des § 1059 II ZPO). Das Verfahren, seinem Wesen nach ein Erkenntnisverfahren ohne streitende Parteien 37 , verwirklicht gewissermaßen eine Staatsaufsicht über die Schiedsgerichte. 38 §41 Nr. 6 ZPO muss deshalb auch hinsichtlich der Uberprüfung von Schiedssprüchen im Verfahren zur Erteilung der Vollstreckbarerklärung Anwendung finden. Dabei macht es im Übrigen auch keinen Unterschied, ob es sich um einen Schiedsspruch oder um den von einem Notar für vollstreckbar erklärbaren Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut handelt, da die Prüfung der Aufhebungsgründe des § 1059 II ZPO in beiden Fällen gleichermaßen zu erfolgen hat. Das heißt, dass de lege lata der Notar in einer Schiedssache immer nur entweder außernotariell als Schiedsrichter oder als ersuchter Notar nach § 1053 IV ZPO tätig werden kann. Der de lege ferenda in Betracht zu ziehenden Möglichkeit eines notariellen Schiedsgerichts 39 , d.h. einer in einen Schiedsspruch mündenden Amtstätigkeit des Notars, stünde das Richtermonopol nicht entgegen, solange der Schiedsspruch zur Vollstreckung der - nicht durch eine notarielle Erklärung ersetzbaren - Vollstreckbarerklärung durch das Gericht bedürfte (§§1060 I, 1062 I Nr.4 ZPO). In diesem Fall bliebe die Trennung zwischen „Rechtsprechung" und „rechtsprechender Gewalt" i.S.v. Art. 92 GG gewahrt. 40 Mit dieser Maßgabe 36

Bork, in: Stein/Jonas, § 4 1 Z P O R d n . 1 6 ; MünchKomm-ZPO/Fei&er, § 4 1 , R d n . 2 4 . Schwab!Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, K a p . 2 6 , R d n . 3 . 38 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, K a p . 2 7 , R d n . 8 . Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es, die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung nicht als A u s ü b u n g rechtsprechender Gewalt anzusehen, so dass die Verlagerung dieser nicht dem Richter vorbehaltenen Aufgabe auf den N o t a r möglich ist. 39 So der Vorschlag von Wagner, D N o t Z 2 0 0 0 , 13, 15; vgl. auch Baumann, MittRhNot 1996, 1, 18. 40 Eine andere Frage ist es, ob das Schiedsrichteramt (wohlgemerkt als Notartätigkeit und 37

II. Rechtsprecbende

Gewalt

25

besteht für eine Erweiterung des Aufgabenkatalogs des Notars jedoch keine Notwendigkeit, da der Notar - wenn auch insoweit nicht als Notar - bereits nach geltendem Recht schiedsrichterlich tätig werden kann. Als wirkliche „Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit" könnte ein notarielles Schiedsgericht nur angesehen werden, wenn das Ergebnis der Schiedsrichtertätigkeit auch in Form einer - vollstreckbaren - Entscheidung niedergelegt werden dürfte. 4 1 Bei einem solchen notariellen Schiedsspruch handelte es sich zwar nicht der Form nach um ein streitentscheidendes, vollstreckbares Urteil. Vereinen sich jedoch die beiden Elemente „Rechtsprechung" und „Schaffung eines Vollstreckungstitels kraft staatlicher Vollstreckungsgewalt" in einer staatlichen Funktion, dann wird ungeachtet der gewählten Form rechtsprechende Gewalt ausgeübt. Der Kompetenz eines notariellen Schiedsgerichts zum Erlass vollstreckbarer Schiedssprüche stünde somit Art. 92 GG entgegen. Sie stößt im Übrigen auch dann auf Bedenken, wenn für das notarielle Schiedsgericht lediglich die strikte Trennung zwischen dem Schiedsverfahren und dem Verfahren zur Erteilung der Vollstreckbarerklärung in den Fällen aufgehoben würde, in denen das Verfahren mit einem Schiedsvergleich endet. Die Vollstreckbarerklärung als Vollstreckungstitel gem. § 794 I Nr. 4 a ZPO hat die Wirkung eines vollstreckbaren Urteils. Sie kann mit präkludierten Einwendungen nicht mehr angegriffen werden. Diese weit reichende, über die Wirkungen einer vollstreckbaren notariellen Urkunde (vgl. § 797 IV ZPO) oder eines vollstreckbaren Anwaltsvergleichs (vgl. 797 VI ZPO) hinausgehende Folge ist nur gerechtfertigt, wenn die Vollstreckbarerklärung in einem von dem Schiedsverfahren getrennten Verfahren erfolgt, in dem die in § 1059 II ZPO niedergelegten Grundsätze für die Anerkennung eines Schiedsspruchs überprüft werden. Für den Notar hat somit nicht anders als für den Richter zu gelten, dass der Trennung der Verfahren auch eine Personenverschiedenheit der Mitwirkenden entsprechen muss (vgl. §41 Nr. 6 ZPO). Hinzu kommt, dass kaum abgegrenzt werden kann, inwieweit ein Schiedsvergleich faktisch an die Stelle eines Schiedsspruchs tritt, indem die Parteien nämlich einem Vergleichsvorschlag des Schiedsgerichts folgen, weil sie davon ausgehen, dass sich der Schiedsspruch im Ergebnis nicht von diesem Vergleichsvorschlag unterscheiden wird. Auch dieser Aspekt spricht dafür, ein notarielles Schiedsgericht nicht mit der Kompetenz zum Erlass von Vollstreckungstiteln außerhalb des § 794 I Nr. 5 ZPO auszustatten. nicht als Nebentätigkeit) und das N o t a r a m t ü b e r h a u p t kompatibel sind. Befürworter einer solchen Erweiterung des Zuständigkeitsbereichs des N o t a r s (Wagner, D N o t Z 2 0 0 0 , 13, 15; vgl. auch Baumann, M i t t R h N o t 1996, 1 , 1 8 ) müssen von der Prämisse ausgehen, dass schiedsrichterliche Unparteilichkeit und Unabhängigkeit u n d notarielle Unparteilichkeit u n d Unabhängigkeit identisch sind. Das w ä r e allerdings erst nachzuweisen. Bedenken ergeben sich d a n n , w e n n das notarielle Schiedsgericht Vergleichsvorschläge vortragen soll. Hier stellt sich nämlich die Frage, o b der Schiedsrichter-Notar in gleicher Weise vorzugehen hat, wie der N o t a r als „ u n a b hängiger u n d unparteiischer Betreuer der Beteiligten" (§ 14 I 2 B N o t O ) . 41 Wagner, D N o t Z 1998, 34*, 64*.

26

§2

Einsatz

externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet

der

Zivilrechtspflege

Fazit: Eine Übertragung richterlicher Gewalt auf externe Funktionsträger findet in der Justizverfassung nicht statt und kann wegen des Rechtsprechungsmonopols des Art. 9 2 G G auch nicht eingeführt werden.

III. Außerstreitige

Konfliktbereinigung

und

Konfliktprophylaxe

Staatliche Mitwirkung bei der Abwicklung von Konflikten im privatrechtlichen Bereich kommt nicht nur als Folge des staatlichen (Zwangs-)Gewaltmonopols in Betracht. Der Gesichtspunkt der Rechtsfürsorge kann vielmehr auch losgelöst von staatlicher Gewaltausübung rechtspflegende Tätigkeit rechtfertigen, um Frieden zwischen den Privatrechtssubjekten zu stiften bzw. rechtliche Konflikte im Vorfeld auszuschließen. 4 2 Die potentiellen staatlichen Mitwirkungsaufgaben erstrecken sich hiernach auch auf die Bereiche der Konfliktprophylaxe und Konfliktbereinigung, in denen der Staat nicht als Inhaber des (Zwangs-)Gewaltmonopols, sondern als neutrale, rechtskundig beratende und vermittelnde Instanz in Erscheinung tritt. Die staatlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Konflikten können früher eingreifen, indem die prinzipielle Privatautonomie durch die Anordnung zwingender staatlicher Mitwirkungsakte Schranken erfährt 4 3 oder indem der Staat Hilfsinstrumente zur Regelung oder Abwicklung privater Rechtsbeziehungen anbietet. Entscheidend ist allerdings jeweils die zwingend angeordnete Rechtsanwendung, um eine solche Hilfe bei der Privatrechtsgestaltung als Justizaufgabe zu qualifizieren. 4 4 Auch im Bereich der Konfliktbereinigung und Konfliktprophylaxe werden die staatlichen Mitwirkungshandlungen durch die Bindung der staatlichen Funktionsträger an Recht und Gesetz und ihre hieraus abgeleitete Pflicht, sich an den jeweiligen Verfahrenszielen zu orientieren, geprägt. 4 5 Hinzu kommt, dass dem staatlichen

Funktionsträger

in

seinem

jeweiligen

Zuständigkeitsbereich

bestimmte hoheitliche Instrumente zur Verfügung stehen, die hier als Mittel der Konfliktprophylaxe und der außerstreitigen Konfliktbereinigung zum Einsatz gebracht werden können (z.B. der Prozessvergleich als Vollstreckungstitel).

1. Außerstreitige Konfliktbereinigung Hinsichtlich der Formen außerstreitiger Konfliktbereinigung ist die gütliche Einigung als alternatives Verfahrensziel des an sich auf autoritative Streitent-

42 43 44 45

Vgl. § 1 I. Vgl. BVerfGE 19, 9 3 , 96, Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, A r t . 2 0 G G R d n . 2 0 b. Vgl. § 1 I. sowie II. 1. § 1 II. 1.

///. Außerstreitige

Konfliktbereinigung

und Konfliktprophylaxe

27

Scheidung ausgerichteten Zivilprozesses46 von der gütlichen Konfliktbereinigung im Rahmen eines vor- oder außergerichtlichen Verfahrens zu unterscheiden. Auch im Hinblick auf die Möglichkeiten, externe Funktionsträger an der außerstreitigen staatlichen Konfliktbereinigung zu beteiligen, ist insoweit zu differenzieren. a) Herbeiführung

einer gütlichen Einigung im

Zivilprozess

Für den ordentlichen Zivilprozess ergeben sich Befugnis und Pflicht des Rechtsprechungsorgans, auf eine gütliche Einigung der Prozessparteien hinzuwirken, aus § 2 7 8 ZPO n.F. Die Einbeziehung aktiver Schlichtungsbemühungen in den Zivilprozess und die Anerkennung des Vergleichs als Verfahrensinstitut werden durch die auf Befriedung ausgerichtete Funktion des Zivilprozesses gerechtfertigt, die sich durch gütliche Einigung, die auch Raum für die Bewältigung außerhalb des Prozessstoffes liegenden Konfliktpotentials lässt, zum Teil effektiver erzielen lässt als durch autoritative Rechtsanwendung.47 Mit dem Prozessgericht ist gerade die staatliche Einrichtung mit der Herbeiführung einer gütlichen Einigung befasst, die auch für die streitige Entscheidung zuständig ist. § 2 7 8 V 1 ZPO n.F. (§ 279 I 2 ZPO a.F.) sieht daneben die Möglichkeit vor, die Parteien für einen Güteversuch an einen beauftragten oder ersuchten Richter zu verweisen. Im Rahmen der Diskussion über die weitere Verlagerung gerichtlicher Zuständigkeiten auf den Notar 48 wird eine Ergänzung dieser Vorschrift vorgeschlagen, nach der auch die Verweisung an den Notar möglich sein soll. 49 Ein „Notarvergleich" mit den Folgen eines Prozessvergleichs wäre als Instrument der Streitbeendigung im Ergebnis systemgerecht, zumal es sich bei dem Prozessvergleich, verfahrensrechtlich gesehen, um nichts anderes handelt als einen vom Gericht beurkundeten Vergleichsvertrag.50 Es stellt sich jedoch die 4 6 Bei der „Schlichtungstätigkeit", die der Richter zur Herbeiführung einer gütlichen Einigung zwischen den Parteien unternimmt (Grundlage: § 2 7 8 I ZPO = § 2 7 9 ZPO a.F.), handelt es sich um eine eigenständige Aufgabe (Freund, DRiZ 1 9 8 1 , 2 2 1 , 2 2 2 : „ein echtes aliud"), um eine Form der „leistenden Rechtspflege" des Staates (Wolf, ZZP 89 (1976), 260, 271). 4 7 Vgl. Zöller/Greger, § 2 7 8 ZPO R d n . l ; MünchKomm-ZPO-Reform/Prutting, § 2 7 8 Rdn.2; Pfeiffer, DNotZ 1981, 5, 6; Wolf, ZZP 89 (1976), 260, 269; kritisch Stürner, in: Gottwald, Prozessvergleich, S. 147, 149. (Ob die Wahrung des Rechtsfriedens ein eigenständiges Verfahrensziel darstellt, wird kontrovers beurteilt; vgl. die Nachweise § 1 Fn 11.) 4 8 Insbesondere Verlagerung nachlassgerichtlicher Zuständigkeiten (vgl. Schmidt-]ortzig, ZNotP 1998, 2 1 0 , 2 1 1 f.; Weber/Maaß, FS für Bezzenberger, S.634, 638; kritisch Frohn, Rpfleger 1993, 265, 266), Zuständigkeit für die Teilungsversteigerung (vgl. Wilke, MittBayNot 1998, 1, 7), notarielle Scheidungsvereinbarung (vgl. Eylmann, notar zwei 1998, 4, 11; Keim, MittBayNot 1994, 2, 7). Auch die Justizministerkonferenz hat zur Entlastung der Justiz eine weitere Übertragung gerichtlicher Aufgaben auf den Notar angeregt (dpa, NJW-aktuell, Heft 4 2004). 49 Wagner, DNotZ 1998, 3 4 * , 6 8 * f . 5 0 BGH, W M 1986, 537, 538; Bork, Vergleich, S.2, S.448.; vgl. auch BGH, NJW 1985, 1962, 1963 (Prozesshandlung „Begleitform" für einen materiellen Vergleich).

28

§2 Einsatz externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

Frage, ob die Güteverhandlung im Zivilprozess, obwohl sie nicht auf Streitentscheidung abzielt, überhaupt in den Zuständigkeitsbereich des Notars passt, den § 1 BNotO als einen Funktionsträger auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege charakterisiert. Umgekehrt kann eine Delegierung nur befürwortet werden, wenn nicht gerade die Doppelrolle als Vermittler und Richter für die Herbeiführung einer gütlichen Einigung im Zivilprozess derart prägend ist, dass diese Aufgabe notwendigerweise bei einem Richter verbleiben muss . Die Übernahme richterlicher Aufgaben durch den Notar ist nur sinnvoll, wenn es sich um Aufgaben handelt, die mit der Rechtsstellung des Notars harmonieren. § 14 I 2 BNotO definiert den Notar als „unabhängigen und unparteiischen Betreuer" der Beteiligten. In dieser Position sind ihm die Beurkundung und sonstige Aufgaben auf dem Gebiete der vorsorgenden Rechtspflege übertragen (§ 1 BNotO). Der Notar unterliegt dabei spezifischen „Betreuungspflichten", die es ihm etwa im Beurkundungsverfahren auferlegen, auf eine ausgewogene, Gefährdungen einer Partei vermeidende Vertragsgestaltung hinzuwirken. 51 Die Vorschläge, die im Rahmen eines Einigungsvorschlags zwischen streitenden Parteien hilfreich sein mögen, können jedoch im Widerspruch zu den Vorschlägen stehen, die der Notar auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege den Beteiligten unterbreiten würde. Das Vermittlungsergebnis, das durch das einseitige Nachgeben einer Partei erzielt wird, wird nur ausnahmsweise dem ausgewogenen Vertrag entsprechen, auf den der Notar als Verfahrensträger der vorsorgenden Rechtspflege hinzuwirken hat. Ein solcher Interrollenkonflikt, dem der Notar als Vermittler und „Betreuer" ausgesetzt sein kann, spricht jedoch noch nicht zwingend gegen eine Verlagerung der Vermittlungstätigkeit auf den Notar. Einem potentiellen Interrollenkonflikt unterliegt nämlich auch der vermittelnde Richter, da richterliche Unparteilichkeit und Unparteilichkeit des Vermittlers gleichfalls nicht notwendigerweise zu identischen Handlungsanforderungen führen. 52 Trotzdem wird der Richter auch als Vermittler tätig. Dabei ist der Interrollenkonflikt, wenn er im Einzelfall auftritt, stets im Sinne der Erfüllung der Richterpflichten zu lösen, und das auch dann, wenn der Richter sich damit als „schlechter" Vermittler erweisen sollte. 53 Hinweise, die der Richter nicht gestützt auf § 139 ZPO einbringen kann, darf er folglich auch nicht zur Herbeiführung einer gütlichen Einigung geben. Der Richter muss immer im

51 Pflicht zur umfassenden, ausgewogenen und interessengerechten Vertragsgestaltung (vgl. etwa BGH, N J W 1994, 2 2 8 3 ; Reitbmann, in: Reithmann/Albrecht, Handbuch, Rdn.20). 5 2 Vgl. Breidenbach, Mediation, S . 3 0 6 ; Gottwald, Streitbeilegung, S.67ff.; Stürner, DRiZ 1976, 202, 2 0 5 . 53 Stürner, D R i Z 1976, 2 0 2 , 2 0 5 ; vgl. auch ders., J R 1979, 133, 136f. Als Vermittler kann sich der Richter im Übrigen nicht auf das Spruchrichterprivileg berufen (vgl. Stürner, DRiZ 1976, 2 0 2 , 2 0 4 : ähnlich wie bei der Verletzung notarieller Belehrungspflichten).

III. Außerstreitige

Konfliktbereinigung

und

Konfliktprophylaxe

29

Auge behalten, dass er nach dem Scheitern eines Güteversuchs wieder seine Rolle als streitentscheidender Richter einnimmt. 54 Mit der Führung von Güteverhandlungen wie ein beauftragter oder ersuchter Richter würde der Notar eine richterliche Tätigkeit übernehmen, unterläge also insofern den gleichen Verfahrenspflichten wie der Richter. 55 Hier ergibt sich folglich das Problem, dass der Notar wegen der Überlagerung der Vermittlerpflichten durch die Richterpflichten Güteverhandlungen nicht wie ein vermittelnder Notar führen dürfte, sondern gewissermaßen wie ein Richter, der immer wieder die Möglichkeit des Prozessausgangs durch streitige Entscheidung bei seiner Verhandlungsführung berücksichtigen muss. Notarielle Unparteilichkeit und richterliche Unparteilichkeit können jedoch nicht pauschal gleichgesetzt werden. Vorschläge, die der Notar als Vermittler auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege unterbreiten kann, müssen nicht auch von der richterlichen Hinweispflicht gedeckt sein. Der Notar als Vermittler im Streitverfahren könnte hier somit einem Konflikt zwischen Notarpflicht und Richterpflicht ausgesetzt werden, wie es in sonstigen auf den Notar verlagerten justiziellen Verfahren nicht der Fall ist. Der Konflikt ergibt sich gerade daraus, dass die hier in Rede stehenden Richterpflichten solche sind, die aus der Stellung des Richters als Rechtsprechungsorgan resultieren, und zwar auch dann, wenn der einzelne Richter (wie im Falle des beauftragten oder ersuchten Richters) nicht derjenige ist, der den Streit letztendlich zu entscheiden hat. Eine Verlagerung richterlicher Aufgaben auf den Notar kommt somit nur in den Bereichen in Betracht, in denen die streitentscheidende Tätigkeit nicht berührt wird. Dazu zählen Güteverhandlungen innerhalb eines anhängigen Verfahrens nicht. b) Vorgerichtliche

und außergerichtliche

Streitbeilegung

Vorgerichtliche und außergerichtliche Streitbeilegung ist die Domäne der durch die Landesjustizverwaltung anerkannten oder errichteten Gütestellen. Darüber hinaus kann Schlichtung im Einvernehmen der Parteien auch durch sonstige Stellen geleistet werden (vgl. § 15 a III EGZPO), denen allerdings die Befugnis fehlt, vollstreckbare Gütestellenvergleiche zu errichten. 56 Diskutiert werden schließlich gerichtsverbundene alternative Streitverfahren nach dem Modell des MultiDoor-Courthouse. 57 Für die vorliegende Untersuchung sind die Verfahren zur vorgerichtlichen oder außergerichtlichen Streitbeilegung allerdings nur von Inte-

5 4 „Streitbehandlung mit Entscheidungsmacht" (vgl. Ortloff, in: Breidenbach/Henssler, Mediation, S. 111, 115). 5 5 Umgekehrt müsste der Richter als Beurkundungsorgan schließlich die Pflichten eines Notars beachten (vgl. BGH, D R i Z 1963, 2 3 3 , 234). 5 6 MünchKomm-ZPO/ScWosser, § 15 a EGZPO Rdn.14. 57 W. Gottwald, AnwBl. 2 0 0 0 , 2 6 5 , 267ff.; ders., W M 1998, 1257, 1264; vgl. auch Bender, DRiZ 1976, 195, 196 („staatliches Schiedsgericht").

30

§2 Einsatz externer Funktionsträger auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

resse, wenn der Staat hiermit seiner Pflicht zur Justizgewährung n a c h k o m m t , da nur in diesem Fall die Vorhaltung von entsprechenden Rechtspflegeeinrichtungen Gegenstand der Justizorganisation ist. Es stellt sich also die Frage, o b richterliche Kompetenzen auf einen anderen Funktionsträger verlagert werden oder ob Justizgewährung zumindest in der F o r m der zwingend vorgesehenen Rechtskontrolle bei der Gestaltung privater Rechtsbeziehungen stattfindet. Für die rechtliche Qualifikation der Tätigkeit der Gütestellen bietet § 7 9 4 I Nr. 1 Z P O , der den Gütestellenvergleich neben dem Prozessvergleich nennt, einen Anknüpfungspunkt. Das Gütestellenverfahren könnte in diesem Sinne eine Alternative zum Zivilprozess darstellen. 5 8 Das mit dem Vergleichsschluss beendete Schlichtungsverfahren entspricht im Ergebnis durchaus einem Teilbereich des Erkenntnisverfahrens. Es wird der dem Erkenntnisverfahren

gleichfalls

immanente Schlichtungsgedanke separiert und in einem besonderen Verfahren institutionalisiert. Gleichwohl wäre es verfehlt, das Schlichtungsverfahren als teilweise Verlagerung richterlicher Aufgaben zu begreifen. Z w a r kennt das Erkenntnisverfahren die Einbeziehung aktiver Schlichtungsbemühungen. M i t dem Z P O - R e f o r m g e s e t z vom 2 7 . 0 7 . 2 0 0 1 (BGBl. 1 , 1 8 8 7 , geänd. 3 1 3 8 ) ist überdies eine Güteverhandlung auch für den allgemeinen Zivilprozess als gesetzlicher Regelfall eingeführt worden ( § 2 7 8 II Z P O ) . Im Erkenntnisverfahren ist der Schlichtungsgedanke jedoch lediglich eine Alternative zur Streitentscheidung und nicht das eigentliche Verfahrensziel, zu dessen Erreichung der Prozess anhängig gemacht wurde. Verspricht der Schlichtungsversuch keinen Erfolg, wendet sich das Verfahren wieder dem Gegenstand zu, für den es eingerichtet ist, der Streitentscheidung. 5 9 Vor diesem Hintergrund muss der Versuch zur Herbeiführung der gütlichen Einigung im Zivilprozess gesehen werden. Hinter dem Einigungsversuch steht immer der mögliche Ubergang zur Streitentscheidung. Die Vermittlerrolle, die der Richter übernimmt, wird dadurch geprägt, dass er zugleich zur Streitentscheidung berufen ist. Der Vergleichsvorschlag, den der Richter unterbreitet, basiert auf seiner rechtlichen Würdigung des Sachverhalts, so wie sich dieser zum Zeitpunkt des Vorschlags darstellt. Die außergerichtliche Schlichtung begleitet demgegenüber nur den Einigungsprozess der Parteien. Unter dem Gesichtspunkt der Justizgewährung ersetzt sie weder zum Teil das Erkenntnisverfahren noch k o m m t ihr eine Justizersatzfunktion in dem Sinne zu, dass Privatrechtsgestaltung unter zwingend vorgesehener Rechtskontrolle stattfindet. Selbst sofern das Schlichtungsverfahren gesetzlich vorgeschriebene Voraussetzung für den Zugang zum Erkenntnisverfahren ist, heißt das nicht, dass die staatliche Justizgewährung bereits auf dieser Stufe einsetzt. Die Parteien lassen sich lediglich durch eine autorisierte Stelle bescheini-

5 8 Z u m Gesichtpunkt der Schaffung von Vollstreckungstiteln im Folgenden unter IV. „Recht zum Z w a n g " . 5 9 Vgl. oben § 3 II. 1. a).

III. Außerstreitige Konfliktbereinigung

und

Konfliktprophylaxe

31

gen, dass sie selbst versucht haben, eine gütliche Einigung herbeizuführen. 6 0 Die Tätigkeit der Gütestellen kann deshalb nicht als Teil der staatlichen Justizgewährung qualifiziert werden. Bei einer Untersuchung des spezifischen Justizverfassungsrechts hat die Gütestelle somit außer Betracht zu bleiben. Eine Verlagerung an sich richterlicher Tätigkeiten findet demgegenüber in den spezialgesetzlich

vorgesehenen

notariellen

Vermittlungsverfahren

auf

dem

Gebiet der Freiwilligen Gerichtsbarkeit statt. 6 1 Hierbei handelt es sich zum einen um die nach Landesrecht übertragbare förmliche Auseinandersetzung

von

Nachlass- und Gesamtgutsauseinandersetzungen nach den § § 8 6 f f . , 9 9 F G G ( § § 2 0 V B N o t O , 1 9 4 F G G ) . 6 2 Bundesgesetzlich ist zum anderen das in Anlehnung an dieses Verfahren entwickelte 6 3 notarielle Vermittlungsverfahren nach den § § 8 7 f f . S a B e r G als vorgerichtliches Vermittlungsverfahren vorgesehen. In diesen Sonderverfahren fungiert der N o t a r als ein Richter der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. Er gehört insofern zum staatlichen Justizpersonal.

2 . S t a a t l i c h e M i t w i r k u n g zur K o n f l i k t p r o p h y l a x e Staatliche Mitwirkung kann private Rechtsverhältnisse oder Rechtshandlungen publik machen und dient somit unmittelbar der Rechtssicherheit. 6 4 Die Publizität ist insbesondere bei Akten öffentlicher Bezeugung oder ihrem Sonderfall der Beurkundung 6 5 ein wesentliches Element. Z u r Herstellung dieser besonderen „Öffentlichkeit" ist insbesondere der N o t a r berufen, indem er etwa Erklärungen als „passive Assistenz" 6 6 leistende staatliche Stelle entgegennimmt, wie es etwa bei der Auflassung (§ 9 2 5 B G B ) 6 7 der Fall ist, oder als staatliches Urkundsorgan 6 0 Ein vergleichbares außergerichtliches „Einigungsverfahren" sieht die InsO als Zugangsvoraussetzung für das Verbraucherinsolvenzverfahren vor (§ 305 I Nr. 1 InsO). 61 Begr. RegE, BT-Drucks. 12/5992, S. 164 zu § 88 SaBerG-E; vgl. auch Vossius, Vor § 87 SaBerG Rdn. 7. 6 2 Die Beurkundung von Vermögensauseinandersetzungen, die Vermittlung von Nachlassund Gesamtgutsauseinandersetzungen auf Ansuchen der Beteiligten usw. sind dagegen Tätigkeiten, für die sich die Zuständigkeit des Notars bereits aus den §§ 20 I, 24 BNotO ergibt (vgl. Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, §20 BNotO Rdn. 85, 86). 6 3 Begr. RegE, BT-Drucks. 12/5992, S. 164 zu § 88 SaBerG-E; Frenz, DtZ 1995, 66, 67; Vossius, Vor § 87 SaBerG, Rdn. 10; zum Vermittlungsvorschlag des Notars: Waldner, NotBZ 1999, 164. 6 4 Vgl. Eue, FS für Schippel, S.599, 606; Reithmann, DNotZ 1986, 37*. 6 5 Unter „Beurkundung" ist im engeren Sinne die Herstellung einer Zeugnisurkunde über eigene Wahrnehmungen der Urkundsperson zu verstehen; davon zu unterscheiden sind gutachtliche Bescheinigungen (vgl. Entwurf BReg, BT-Drucks. 13/4184 zu Nr. 17; Limmer, ZNotP 2002, 261, 262; Mecke/Lerch, § 1 BeurkG Rdn. 2; Schippel/Reithmann, Vor §§20-25 BNotO Rdn. 1; ders., Urkundenrecht, S.39; ders., DNotZ 1974, 6, 14; Winkler, § 1 BeurkG Rdn. 2). 6 6 Jauernig/Jauernig, §925 Rdn. 11. 6 7 Die eigene Publizitätsfunktion der Auflassungsform tritt allerdings hinter der Bedeutung ihrer Dokumentation für das Grundbuchverfahren zurück (Kübl, DNotZ 1983, 207, 211f.; Staudinger/Pfeifer, § 925 BGB Rdn. 75; vgl. auch zum Verkehrsinteresse als Formfunktion Häsemeyer, Form, S. 183ff.). Obwohl die Auflassung nach materiellem Recht nicht der Beurkun-

32

§2 Einsatz externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

öffentliche Urkunden erstellt. Wesensmerkmal des öffentlichen Urkundswesens ist der durch die staatliche Mitwirkung vermittelte „öffentliche Glaube" (vgl. § 4 1 5 Z P O ) , den öffentliche Urkunden genießen. 6 8 Die förmliche Kundbarmachung privater Rechtsverhältnisse dient der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs und ist in diesem Sinne ein Mittel zur Vermeidung rechtlicher Konflikte und damit das maßgebliche Instrument der so genannten vorsorgenden Rechtspflege. Allein der Umstand, dass einer Person die Befugnis verliehen ist, bestimmte typisch öffentlichrechtliche Instrumente zu gebrauchen, also beispielsweise öffentliche Urkunden zu errichten, rechtfertigt jedoch für sich genommen noch nicht, sie als einen Teil der staatlichen Justiz anzusehen. 6 9 Vielmehr ist auch eine punktuelle Beleihung mit hoheitlicher Befugnis (hier: Urkundsgewalt) möglich, ohne dass diese Beleihung zugleich bedeuteten muss, dass damit die Verfahrenshoheit über ein Zivilverfahren übertragen werden soll. Für den Gegenstand der Untersuchung ist die Verleihung von Urkundsgewalt deshalb nur dann von Interesse, wenn die Urkundsgewalt eingesetzt wird, um Tätigkeiten auszuüben, die als Justizgewährung begriffen werden können. Nur wenn ein Funktionsträger in einem Zivilverfahren zum Einsatz kommt, das der Staat in Wahrnehmung seiner Justizgewährungspflicht zur Verfügung stellt, ist der Funktionsträger Teil der staatlichen Justizorganisation. Nur dann kann die Bundesrepublik im Übrigen auch gem. Art. 4 5 , 5 5 EG-Vertrag die Organisationshoheit zur Regelung dieses Tätigkeitsbereichs beanspruchen. 7 0 Es stellt sich also die Frage, ob bzw. inwieweit mit dem Ziel der Konfliktvermeidung staatliche Rechtspflege geleistet wird. Soll Befriedung im Wege der Konfliktvermeidung durch gerechte und rechtssichere Gestaltung privater Rechtsbeziehungen erreicht werden, kann durch vorgeschriebene staatliche Mitwirkung gewährleistet werden, dass die Regelung oder Konstitution privater Rechtsverhältnisse auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsvorschriften erfolgt. 7 1 Auch die Mitwirkung bei der Rechtsgestaltung ist eine Justizaufgabe, wenn zwingende staatliche Rechtskontrolle stattfindet, die sich in einem verbindlichen, konkrete Rechtsfolgen auslösenden Rechtsakt

dung bedarf (BGH, N J W 1 9 9 2 , 1 1 0 1 ) , ist die Beurkundung aus Gründen des Beurkundungsverfahrensrechts ( § § 6 , 7 BeurkG) erforderlich (siehe BayObLG, FGPrax 2 0 0 1 , 57ff.). 6 8 Insofern geht etwa die Anerkennung eines „öffentlichen Glaubens" notarieller Urkunden mit dem Erfordernis der höheren Autorisation für die Ausübung des Notariats einher (vgl. Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 53 I.S. 351; Oberneck, Notariatsrecht, S. 6; Osterley, Teil 1, S . 2 1 4 ; siehe auch Strauch, in: Notar und Rechtsgestaltung, S . 5 8 7 , 589). 69 Baur, B W N o t Z Sonderheft 1 9 7 6 , 4 3 , insoweit zutreffend auch Kleine-Cosack, DNotZ 2 0 0 4 , 327, 3 2 9 . 7 0 Vgl. Preuß, ZEuP, erscheint demnächst. 7 1 Vgl. Pikart/Henn, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 1963, A I 3.; Keim, Beurkundungsverfahren, A. 2. R d n . 2 1 (bzgl. Beurkundung); Niese, ZZP 73 (1960), 1, 27.

III. Außerstreitige

Konfliktbereinigung

und

Konfliktpropbylaxe

33

niederschlägt. 7 2 Es ist also entscheidend, welche Funktion der Beurkundung in der Privatrechtsordnung beigemessen wird. Die deutsche Privatrechtsordnung versteht die Beurkundung nicht nur als einen Akt, in dem das Instrument „öffentliche U r k u n d e " errichtet wird. Mit dem Beurkundungsverfahren werden weiter gehend die Zwecke der rechtlichen Überp r ü f u n g des Inhalts sowie der Kontrolle des Vorgangs verfolgt 7 3 , einschließlich der Kontrolle und damit Gewährleistung, dass der Inhalt der Urkunde dem Willen der mit der rechtlichen Tragweite vertraut gemachten Beteiligten entspricht 7 4 . Staatliche Mitwirkung heißt also auch institutionalisierte Hilfe bei der Rechtsanwendung. 7 5 Der Gesetzgeber hat gewissermaßen eine situationsbedingte Schutzbedürftigkeit aller Beteiligten in den Fällen angenommen, in denen als Wirksamkeitsvoraussetzung eines Vertrages (z.B. § 311 b I BGB, § § 2 1 1 , 1 5 III G m b H G ) oder einer Erklärung (z.B. § 1750 12 BGB) bzw. eines Antrags (z.B. § § 1752 II 2 BGB) die notarielle Beurkundung angeordnet ist. 76 In diesem Sinne ist nicht „der Urkundsakt das privilegierende Spezifikum der notariellen Tätigkeit, sondern die gestaltende Funktion des N o t a r s bei der Fixierung des rechtsgeschäftlichen Willens der Beteiligten" 7 7 . Bei der staatlichen Mitwirkung im Wege des Beurkundungsverfahrens handelt es sich um ein „Verfahren zur Aufdeckung und Beseitigung von Risikolagen und Gefahren, die in der Willensbildung der Beteiligten, in Unklarheiten über tatsächliche Verhältnisse oder in der Formulierung und Gestaltung der Rechtsge-

72

Vgl. § 1 I. Vgl. Baur, B W N o t Z Sonderheft 1976, 4 3 , 45; Hellge, n o t a r 1/2001, 2, 3; Kanzleiter, D N o t Z Sonderheft 2 0 0 1 , 6 9 * , 71* („Einhaltung der R e c h t s o r d n u n g gewährleistet"). 74 Vgl. Ott, D N o t Z Sonderheft 2 0 0 1 , 83*, 93*. 75 Hellge, Deutscher N o t a r t a g , D N o t Z 1998, 3 4 0 * f . ; vgl. insoweit auch die Analyse des Beu r k u n d u n g s v o r g a n g s durch Gonella, D N o t Z 1956, 4 5 3 , 4 5 6 f . 76 N a c h § 1053 III Z P O ist die notarielle B e u r k u n d u n g allerdings nicht erforderlich, w e n n die b e u r k u n d u n g s b e d ü r f t i g e Erklärung in einem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut enthalten ist. Der Gesetzgeber ist hier o h n e nähere Auseinandersetzung mit der Problematik der bisherigen h. M . gefolgt, die § 127 a BGB auf den Schiedsvergleich entsprechend angewendet hatte (vgl. Begr. BReg, BT-Drucks. 13/5274, S . 5 5 zu § 1053 ZPO-E). Das heißt jedoch nicht, dass das private Schiedsgericht hier als externer Funktionsträger ein staatliches Beurkundungsorgan (Gericht oder N o t a r ) ersetzte. Der Schiedsvergleich hat nicht die Q u a l i t ä t einer öffentlichen U r k u n d e , so dass für Eintragungen in das G r u n d b u c h u n d andere öffentliche Register die vorherige Vollstreckbarerklärung des Schiedsvergleichs z u m förmlichen N a c h w e i s erforderlich ist (Begr. BReg, BT-Drucks. 13/5274, S . 5 5 zu § 1 0 5 3 Z P O - E ; Z ö l l e r / G e i m e r , $ 1053 Z P O R d n . 7; Raeschke-Kessler/Berger, Schiedsverfahren, R d n . 817; Saenger, M D R 1999, 6 6 2 , 663). Deshalb werden Erklärungen, die in einem Schiedsvergleich nach § 1 0 5 3 Z P O niedergelegt sind, entgegen dem missverständlichen Wortlaut der Vorschrift, die in Anlehnung an § 127 a BGB von einer Ersetzung der notariellen B e u r k u n d u n g spricht, im G r u n d e v o m Beurkundungserfordernis befreit. Es handelt sich hier nicht u m eine Aufgabenverlagerung zugunsten des privaten Schiedsgerichts (so aber Rehm, RabelsZ 2 0 0 0 , 1 0 4 , 1 1 2 , 1 1 7 ) , sondern u m einen partiellen Mitwirkungsverzicht des Staates. 77 Baur, B W N o t Z Sonderheft 1976, 4 3 , 44. 73

34

§2 Einsatz externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

Schäfte ihre Ursachen haben". 7 8 Dabei sind im Beurkundungsverfahren mit mehreren Beteiligten grundsätzlich alle Beteiligten gleichermaßen schutzwürdig. 79 Durch die Ermittlungs- und Belehrungspflicht des Notars nach § 17 I 1 BeurkG wird hinsichtlich des Verständnisses für die Tragweite des Geschäfts eine Parität zwischen den Beteiligten geschaffen, die jedenfalls idealtypisch die Entfaltung der Privatautonomie im Rahmen der rechtsstaatlichen Privatrechtsordnung gewährleistet, wie sie nur auf der Grundlage paritätischer Verhältnisse möglich ist. 80 Dagegen ist es nicht Sinn und Zweck des Beurkundungsverfahrens, die Problematik wirtschaftlicher Imparität der Vertragsparteien zu lösen. 81 Das Beurkundungsverfahren entfaltet in zweierlei Hinsicht eine Schutzfunktion, die es als Akt staatlicher Rechtspflege charakterisiert. Zum einen wird eine rechtskundige Beratung hier gewissermaßen institutionalisiert und den Beteiligten damit ermöglicht, ihre zunächst noch vagen Zielvorstellungen in den Formen und Kategorien des einschlägigen Rechtsgebiets sachgerecht zum Ausdruck zu bringen und so für ihre privaten Rechtsbeziehungen eine sichere und tragfähige Basis für die Zukunft zu schaffen. 82 Zum anderen erfasst das Beurkundungsverfahren auch kompensatorische Elemente. Die notarielle Belehrung begünstigt den belehrungsbedürftigen „schwächeren Beteiligten", schützt also den, „den es angeht". 8 3 Das Beurkundungsrecht verwirklicht eine Rechtsanwendungsgewähr durch den Notar und leistet dem materiellen bürgerlichen Recht insoweit eine „unmittelbare Hilfestellung". 84 Die Beurkundung fungiert außerdem vielfach als „Vorverfahren" für ein anderes staatliches Verfahren (Grundbuch-, Handelsregister-, Güterrechtsregistereintragung). 85 Es dient insofern auch dem Zweck,

78

Bohrer, Berufsrecht, R d n . 66; zur sozialen Schutzfunktion der B e u r k u n d u n g Stern, FS für R u d o l f , S . 3 6 7 , 375. 79 Raukes, D N o t Z 1963, 141, 149. 80 Baur, B W N o t Z Sonderheft 1976, 4 3 , 47; Flume, Dt. N o t a r t a g 1969, S.30, 35; Keim, Beu r k u n d u n g s v e r f a h r e n , S.XIX (Notariatswesen „ G a r a n t der Vertragsfreiheit"); Limmer, in: N o t a r und Rechtsgestaltung, S. 15, 25ff.; vgl. auch Eue, FS für Schippel, S . 5 9 9 , 607, 610; Habersack, AcP 1 8 9 , 4 0 3 , 4 1 7 ; Odersky, D N o t Z 1994, 7, 9; Schippel, D N o t Z 1985, 9% 12*; zur Vertragsgerechtigkeit M. Wolf, Entscheidungsfreiheit, S. 32ff.; zur Entwicklung des G e d a n k e n s ausgleichender Vertragsgerechtigkeit Oechsler, Gerechtigkeit, S . 5 5 f f . 81 Vgl. Loritz, D N o t Z 1994, 5 4 3 , 5 4 6 . Die Belehrungspflicht bezieht sich also nicht auf Beeinträchtigungen, die allein a u f g r u n d der wirtschaftlichen Überlegenheit einer Partei entstehen k ö n n e n , ohne in einer Beziehung zur rechtlichen Anlage oder Abwicklung des Vertrages zu stehen (vgl. Haug, A m t s h a f t u n g , R d n . 5 4 7 ; Tremml/Karger, A m t s h a f t u n g , R d n . 1036). 82 Vgl. auch Bärmann, D N o t Z 1 9 5 6 , 341, 3 4 2 ; Brambring, D N o t Z 1985, 23*, 24* f . 83 Dumoulin, D N o t Z 1971, 502, 504; Kanzleiter, D N o t Z 1 9 7 3 , 519, 520; vgl. auch Hönn, Kompensation, S. 161 (zu § 311 b I BGB = § 3 1 3 BGB a.F.: „sektorale I m p a r i t ä t " ) . 84 Baur, D N o t Z 1955, 5 0 7 , 516. 85 Keim, Beurkundungsverfahren, A. 2. R d n . 20; vgl. auch Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 1 B N o t O Rdn. 21.; Gemes, notar 4 / 1 9 9 7 , 2 7 , 28f.; Priester, D N o t Z Sonderheft 2 0 0 1 , 52% 64*; Pützer, in: Das m o d e r n e N o t a r i a t , S. 1 0 , 1 3 ; ähnlich ( „ k o m p l e m e n t ä r e F u n k t i o n e n " ) Baumann, M i t t R h N o t 1996, 1 , 1 7 .

IV. „Recht zum Zwang'

35

die Zusammenarbeit der Privatrechtssubjekte mit anderen Trägern der vorsorgenden Rechtspflege zu erleichtern. 8 6 Fazit: Das Beurkundungsverfahren ist ein Verfahren, in dem unter Einschluss kompensatorischer Elemente eine zwingend vorgesehene stattfindet und sich in einem abschließenden

Rechtsakt,

Rechtsanwendung der

öffentlichen

Urkunde i.S.d. § 4 1 5 I Z P O , niederschlägt. Es handelt sich deshalb um eine Art der Rechtspflege, die als Justizgewährung im weiteren Sinne bezeichnet werden k a n n . 8 7 D e r hiermit geleisteten „vorsorgenden Rechtspflege" k o m m t gewissermaßen „Justizersatzfunktion" zu. 8 8 Die Zuständigkeit zur Durchführung der Beurkundungsverfahren ist deshalb geeignet, den N o t a r als einen Funktionsträger der Justiz auszuweisen.

IV. „Recht zum Zwang" Das G e w a l t m o n o p o l konkretisiert sich exemplarisch in dem staatlichen „ R e c h t zum Z w a n g " , das dem Vollstreckungsrecht zugrunde liegt. 8 9 Staatliche Mitwirkung erfolgt dabei sowohl mit dem Erlass vollstreckbarer Titel als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung als auch mit der Durchführung der Vollstreckungsakte. Für die vorliegende Untersuchung

ist die Wahrnehmung

des

Zwangsgewaltmonopols von Interesse, sofern Zwangsgewalt in Erfüllung der staatlichen Justizgewährungspflicht ausgeübt wird. K o m m t es hier zu einem Einsatz externer Funktionsträger, so überträgt der Staat nämlich dem externen Funktionsträger eine Aufgabe, die sonst durch eigenes, dem Justizapparat angehörendes Personal erfüllt werden müsste. Zunächst ist jedoch zu klären, um welche Art der Aufgaben es sich überhaupt handelt, die auf dem Gebiet des Vollstreckungsrechts durch Funktionsträger der Justiz zu erledigen sind.

1. G e w a l t m o n o p o l und E f f i z i e n z g e b o t Zwangsvollstreckung ist „Justizgewährung in einem besonderen Verfahrensstad i u m " 9 0 . Das Vollstreckungsrecht lässt sich allerdings nicht undifferenziert lediglich als Ausprägung des staatlichen (Zwangs-)Gewaltmonopols verstehen. Nicht jede einzelne M a ß n a h m e , die unter den Oberbegriff „Zwangsvollstrec k u n g " gefasst w i r d 9 1 , stellt Staatsgewalt anstelle der verbotenen Privatgewalt 86

Vollrath, MittBayNot 2001, 1.

87

Vgl. § 1 I.

88

89

90

Begriff: Versteyl, in: von Münch/Kunig, Art. 138 GG Rdn.20. Münzberg, in: Stein/Jonas, vor § 704 ZPO Rdn. 16.

Gaul, Rpfleger 1971, 41, 50.

Die Zwangsvollstreckung gliedert sich in verschiedene Vollstreckungsvorgänge auf, wie etwa die Pfändung und die Versteigerung beweglicher Sachen (vgl. Gaul, Rpfleger 1971, 81, 91

86).

36

§2 Einsatz externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

dar und kann somit unmittelbar aus dem staatlichen (Zwangs-)Gewaltmonopol abgeleitet werden. Privatgewalt wird zwar bereits dann durch Staatsgewalt ersetzt, wenn dem Schuldner durch staatlichen Zwang auferlegt wird, eine bestimmte zur Befriedigung des Gläubigers führende Handlung zu dulden (so z.B. Ermächtigung zur Ersatzvornahme, § 887 ZPO). 9 2 Dass der Staat aber bei der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung darüber hinaus im Regelfall auch bei der Verwertung des beschlagnahmten Haftungsguts mitwirkt, lässt sich nicht unmittelbar aus dem Gewaltmonopol folgern. Besonders deutlich werden die Grenzen, die sich einer undifferenzierten Berufung auf das Gewaltmonopol bieten, wenn die Einbindung eines komplexen Verfahrens wie des Insolvenzverfahrens in den Kreis staatlicher Aufgaben begründet werden soll. Die rechtssystematische Einordnung dieses Verfahrens ist entsprechend umstritten. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, hier handele es sich „der Sache nach" um ein Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, mit dessen Einbeziehung in den Kreis der staatlichen Aufgaben der Staat einer seiner elementaren Pflichten, der Sicherung von Gerechtigkeit, letztlich des inneren Friedens, gerecht werde. 93 Andere wollen das Insolvenzverfahren zumindest als „eine besondere Art des bürgerlichen Rechtsganges" 94 oder als „nichtstreitiges Verfahren der rechtsfürsorgerischen Beaufsichtigung der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung" 95 in die Nähe der Freiwilligen Gerichtsbarkeit rücken oder siedeln das Verfahren als „Regelungsstreitigkeit" oder besonderes „Liquidationsverfahren" in einem Grenzbereich zwischen der streitigen und der Freiwilligen Gerichtsbarkeit an. 96 Auf der anderen Seite findet sich die Ansicht, das Insolvenzverfahren gehöre, weil die Haftungsverwirklichung gegen den Willen des Schuldners erfolgen könne, gerade nicht zur Freiwilligen Gerichtsbarkeit, sondern als „Gesamtvollstreckung" zum Zivilprozess. Eine entsprechende Zuordnung setze § 4 InsO (§ 72 KO) mit der Verweisung auf die Vorschriften der ZPO voraus. 97 Eine differenzierende Auffassung trägt dem Aufgabengemisch im Insolvenzverfahren Rechnung und kommt zu dem Ergebnis, dass hier Aufgaben, die dem Zivilprozess zuzurechnen sind, neben solchen stehen, die in den Bereich der „fürsorgenden" Freiwilligen Gerichtsbarkeit gehören. 98 Diese kontroversen 92

Vgl. Zöller/Sföfcer, § 8 8 7 Z P O R d n . 9 . Schick, N J W 1991, 1328; vgl. auch E.J. Habscheid, KTS 1999, 59, 61f.; W. Habscheid, Rpfleger 2 0 0 1 , 1, 4. 94 Heilmann/Klopp, in: G o t t w a l d , Insolvenzrechts-Handbuch (1. A.), § 18 R d n . 14. 95 S m i d / S m i d , § 4 InsO R d n . 1. 96 Berges, KTS 1 9 6 0 , 1, 3 („Treuhandgerichtsbarkeit"); Bley-Mohrbutter, VglO, § 3 8 A n m . 1; Lorenz, KTS 1963, 2 3 7 , 2 3 8 ; Wild, KTS 1 9 8 2 , 6 3 ; vgl. auch Bötticher, Z Z P 90 (1977), 55, 63; entsprechend für die Z w a n g s v e r w a l t u n g S t e i n e r / H a g e m a n n , § 146 Z V G , R d n . 13; zur „Regelungsstreitigkeit" Bötticher, FS für Lent, S. 89ff. 97 Jaeger/Weber, § 7 2 K O R d n . l ; VShknbruck/Uhlenbruck, § 4 InsO R d n . l ; Obermüller/ Hess, InsO, R d n . 41. 98 Häsemeyer, Insolvenzrecht, R d n . 6.05 a; z.T. zust. U h l e n b r u c k / U h l e n b r u c k , § 4 InsO Rdnr.l. 93

IV. „Recht zum

Zwang"

37

Auffassungen illustrieren ein grundlegendes Konzeptionsproblem. Ungeachtet der sich im Weiteren anschließenden Problematik der Beschreibung eines materiellen Begriffs der Freiwilligen Gerichtsbarkeit", auf die es für die hier interessierende Frage in ihrer grundsätzlichen Bedeutung nicht ankommt, wird mit der Kategorisierung zumindest bestimmter Aufgabenkomplexe im Insolvenzverfahren als „Freiwillige Gerichtsbarkeit" an den sog. „rechtsfürsorgerischen" Charakter angeknüpft, der jedenfalls für die sog. klassischen Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit typisch ist. 1 0 0 Hiermit wird richtigerweise zum Ausdruck gebracht, dass das Insolvenzverfahren in seiner Komplexität - wie das Verfahren der Einzelvollstreckung im Übrigen auch - nicht allein als staatliche Zwangsmaßnahme und damit als staatliche Mitwirkung unmittelbar in Ausübung des Gewaltmonopols verstanden werden kann. 1 0 1 Dieser Befund sollte jedoch nicht dazu verführen, die Funktion des Staates als Inhaber des Gewaltmonopols von vornherein lediglich partiell wirken zu lassen und die staatliche Mitwirkungstätigkeit auf die eigentlichen Zwangsmaßnahmen zu beschränken. Die Bedeutung des Gewaltmonopols für die einzelnen Akte eines Vollstreckungsverfahrens bedarf vielmehr einer genaueren Spezifikation. Staatliche Gewaltausübung sind jedenfalls die „Zugriffsakte" im engeren Sinne (wie Pfändung [§ 8 0 4 ZPO], Beschlagnahme [§ 2 0 ZVG], Herausgabevollstreckung [§ § 883 ff. ZPO], Eintragung einer Sicherungshypothek [ § 8 6 7 I 2 ZPO], Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Herbeiführung des Insolvenzbeschlags [ § § 2 7 , 80f. InsO] 1 0 2 ) sowie die Beugemittel, die den Schuldner zu einem geschuldeten Verhalten anhalten sollen (vgl. §§ 888ff. ZPO; § 98f. InsO), da hier buchstäblich Staatsgewalt an die Stelle der verbotenen Privatgewalt tritt. Die Eingriffsmacht des Staates bringt aber auch Schutzpflichten gegenüber den Betroffenen mit sich. Insofern kann das Erfordernis schonender Ausübung

99 Die Zuweisung bestimmter Angelegenheiten zum Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit folgt historischen Gründen und/oder Zweckmäßigkeitserwägungen und lässt keinen eindeutigen Rückschluss darauf zu, dass diese Angelegenheiten „der Sache nach" Freiwillige Gerichtsbarkeit sind (vgl. etwa Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, § 1 FGG Rdn. 1; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 5 II; Baur, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 1 III; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 4 II. 4.; Pawlowski/Smid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 1 Rdn. 6; siehe auch G. Schmidt, Handbuch, Kap. 1 Rdn. 1; a.A. Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 1 Rdn. 9, 11 [„Verwaltungstätigkeit im Dienste der Privatrechtsordnung"]). Versuche, einen materiellen Begriff der Freiwilligen Gerichtsbarkeit i.S. einer konkreten Aufgabenbeschreibung zu definieren, finden sich etwa auch bei Jansen, § 1 FGG Rdn. 4; Pikart/Henn, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S . 4 . 100 Baur, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 1 III 1.; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit § 6.; Münzel, ZZP 66, 340ff., 367; Pikart/Henn, Freiwillige Gerichtsbarkeit, A 14; vgl. auch Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 1 Rdn. 24; Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, § 2 III. 4. a). 101 Vgl. auch Begr. BReg. BT-Drucks., 12/2443, S . 7 5 („Insolvenzrecht soll, wie alles Recht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, einen gerechten Ausgleich schaffen, den Schwächeren schützen und Frieden stiften.") 1 0 2 Vgl. Henckel, FS für Weber, S.237ff.; SmidISmid, § 2 7 InsO Rdn. 2.

38

§2 Einsatz externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

der staatlichen Gewalt konkrete Folgehandlungen erforderlich machen. 103 Der Vollstreckungsschuldner soll in diesem Sinne vor Verschleuderung des Vollstreckungsguts geschützt werden. Auf der anderen Seite muss Rechtsschutz in effektiver Weise geleistet werden, um Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu gewährleisten. 104 Dieser Grundsatz gilt insbesondere für den Gerichtsschutz 105 ; ihm kann aber darüber hinaus allgemeine Bedeutung im Kontext der Justizgewährung zugesprochen werden. 106 Wenn der Staat das Gewaltmonopol unter Verbot der Privatgewalt für sich beansprucht, muss im Interesse der Rechtsschutzsuchenden gewährleistet sein, dass die Einbeziehung des Staates zu einem abschließenden Ergebnis führt, das Rechtssicherheit und Rechtsfrieden herzustellen geeignet ist. 107 Insofern zieht auch der Gesichtspunkt der effektiven Ausübung des Gewaltmonopols unter Umständen notwendige Folgehandlungen nach sich. Auf dem Gebiet des Vollstreckungsrechts können also Maßnahmen, die unmittelbar aus der staatlichen Zwangsgewalt resultieren, von Folgemaßnahmen unterschieden werden, die zur Verwirklichung des Gebots effizienter Gewaltausübung getroffen werden. Dementsprechend gehören sowohl Vollstreckungsaufgaben im engeren Sinne als auch Fürsorgemaßnahmen zu den Aufgaben, die Funktionsträger der Justiz auf dem Gebiet des Vollstreckungsrechts zu erledigen haben. Nur im ersten Fall muss der Funktionsträger, der die Maßnahme trifft, mit Vollstreckungsgewalt ausgestattet sein. Die auf dem Gebiet des Vollstreckungsrechts eingesetzten Funktionsträger sind also nicht notwendigerweise solche, die mit hoheitlicher Zwangsgewalt beliehen sind. Die Untersuchung beschränkt sich folglich nicht auf den Bereich möglicher Justizgewährung durch externe Funktionsträger mit Vollstreckungsgewalt (dazu im Folgenden sub 2.), sondern wird sich ebenfalls auf die potentielle Einbindung externer Funktionsträger ohne Vollstreckungsgewalt erstrecken (dazu im Folgenden sub 3.).

103

Vgl. Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 16 (Schutz des Schuldners vor Gläubigerwillkür). BVerfGE 54, 2 7 7 , 291; 85, 337, 3 4 5 ; 81, 1 2 3 , 1 2 9 ; 88, 118, 123f.; 91, 176, 181; Dreier/ Schulze-Fielitz, Art. 20 G G (Rechtsstaat), R d n . 1 9 8 ; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, H b S t R I, § 2 4 R d n . 7 4 . 105 Vgl. Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, § 20. 106 Vgl. Schmidt-]ortzig, N J W 1994, 2 5 6 9 , 2 5 7 2 zur Effektivität der Justizgewährung („Möglichst sachlich vollständige, verfahrensmäßig sicher zu erreichende und resultatbezogen wirkungsvolle Zielguterbringung.") 107 Auf die Frage, ob Einschränkungen der staatlichen Zwangsvollstreckung im Hinblick auf den G r u n d s a t z der Verhältnismäßigkeit geboten sind (vgl. statt aller Münzberg, in: Stein/Jonas, vor § 7 0 4 Z P O R d n . 4 3 f f . ) , k o m m t es in diesem Z u s a m m e n h a n g nicht an. 104

IV.

„Recht

zum

Zwang"

39

2. Justizgewährung durch externe Funktionsträger mit Vollstreckungsgewalt Die Wahrnehmung staatlicher Vollstreckungsgewalt ist an sich die Domäne interner Funktionsträger. Interne Funktionsträger, insbesondere Richter, errichten Vollstreckungstitel; interne Funktionsträger, z.B. der Rechtspfleger als Vollstreckungsgericht, führen Vollstreckungsverfahren durch. Bei der Errichtung von Vollstreckungstiteln kommt darüber hinaus auch eine Justizgewährung durch externe Funktionsträger in Betracht. Zu den sonstigen Vollstreckungstiteln, die der Katalog des § 7 9 4 I Z P O aufzählt, gehören mit den Gütestellenvergleichen, den notariellen Vollstreckbarerklärungen und der notariellen Urkunde auch solche, die von mit Vollstreckungsgewalt beliehenen Personen erschaffen werden. Hierbei handelt es sich insbesondere dann um staatliche Justizgewährung auf dem Gebiet des Vollstreckungsrechts, wenn eine Verlagerung justizieller, insbesondere richterlicher Gewalt stattfindet, wenn der mit Vollstreckungsgewalt Beliehene also gerade die Justizaufgabe wahrnimmt, die ansonsten von einem internen Funktionsträger erfüllt wird, der mit dem Erlass des Titels zugleich staatliche Rechtsanwendung dokumentiert. 1 0 8 Liegt kein Fall der Verlagerung justizieller Gewalt vor, handelt der Beliehene nur dann als Funktionsträger der Justiz, wenn das Errichtungsverfahren für sich genommen der staatlichen Justizgewährung zuzuschreiben ist, also als Zivilverfahren, mit dem staatliche Rechtskontrolle ausgeübt wird, qualifiziert werden kann. a)

Gütestellen

Zu den Vollstreckungstiteln der Z P O zählt gem. § 7 9 4 1 Nr. 1 der vor einer durch die Landesjustizverwaltung errichteten oder anerkannten Gütestelle geschlossene Vergleich. § 7 9 4 1 Nr. 1 Z P O stellt den Gütestellenvergleich systematisch auf eine Stufe mit dem Prozessvergleich. Sofern ein Landesgesetzgeber von der Ermächtigung des § 15 a E G Z P O Gebrauch gemacht hat und nach Maßgabe des § 15 a I E G Z P O ein obligatorisches Schlichtungsverfahren verlangt 1 0 9 , ist das erfolglose Durchlaufen des Schlichtungsverfahrens zugleich Zugangsvoraussetzung für das gerichtliche Erkenntnisverfahren. Dieses obligatorische Schlichtungsverfahren kann zwar auch durch einen einvernehmlichen Schlichtungsversuch vor einer sonstigen Stelle ersetzt werden (§ 15 a III EGZPO); nur die durch die Landesjustizverwaltung anerkannte oder errichtete Gütestelle ist jedoch befugt, Vollstreckungstitel nach § 7 9 4 I Nr. 1 Z P O zu erlassen. 1 1 0 Wie bereits festgestellt wurde, ersetzt das Verfahren vor der Gütestelle jedoch weder zum Teil das Erkenntnisverfahren noch kommt ihm eine JustizersatzfunkZur Rechtsanwendungsgewähr als Merkmal der staatlichen Justizaufgabe vgl. § 1 1 . ' Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg (bis 3 1 . 1 2 . 2 0 0 5 ) , Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein. 1 1 0 MünchKomm-ZPO/ScWosser, § 15 a E G Z P O R d n . 1 4 . 108 10

40

§2 Einsatz externer Funktionsträger auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

tion in dem Sinne zu, dass hier Privatrechtsgestaltung unter zwingend vorgesehener Rechtskontrolle stattfindet. Die Tätigkeit der Gütestellen gehört nicht zu den Zivilverfahren, die der Staat in Erfüllung seiner Justizgewährungspflicht zur Verfügung stellt. 1 1 1 Deshalb können die Mitglieder der Gütestelle ungeachtet der punktuellen Beleihung mit Vollstreckungsgewalt nicht zu den Funktionsträgern der Justiz gezählt werden, die als Subjekte des Justizverfassungsrechts für die vorliegende Untersuchung von Relevanz sind. Eine punktuelle

Verleihung

hoheitlicher Kompetenzen zwingt den Beliehenen nicht in die staatliche Organisationsverfassung. b)

Notar

Die Zivilprozessordnung sieht in beträchtlichem Umfang die Befugnis des N o t a r s zur Errichtung von Vollstreckungstiteln vor. Grenze der Kompetenz des N o t a r s ist allerdings, wie bereits a n g e s p r o c h e n 1 1 2 , der Bereich der rechtsprechenden Gewalt. Eine an sich richterliche, wenn auch nicht dem R i c h t e r m o n o p o l unterfallende Aufgabe ist dem N o t a r mit der Erteilung von Vollstreckbarerklärungen für Schiedsvergleiche (§ 1 0 5 3 I V Z P O ) zugewiesen. Gleiches gilt für Vollstreckbarerklärungen nach § 7 9 6 c Z P O . Die Erteilung der Vollstreckbarerklärung durch den N o t a r unterliegt zwar Sondervorschriften und ist außerdem durch die eingeschränkte Sachverhaltsermittlung im Vergleich zum gerichtlichen Verfahren der Vollstreckbarerklärung geprägt. 1 1 3 Gleichwohl handelt es sich um eine richterlic h e 1 1 4 , lediglich auf den N o t a r verlagerte Aufgabe, deren Erledigung nach M a ß gabe der einschlägigen Vorschriften der Z P O und nicht des B e u r k G zu erfolgen h a t . 1 1 5 N a c h M a ß g a b e des Art. 5 7 E u G V O können schließlich

öffentliche

Urkunden, die in einem EG-Mitgliedstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, für vollstreckbar erklärt werden. Gem. Art. 3 9 I, Anh II E u G V O , § 5 5 III AVAG besteht für die Vollstreckbarerklärung notarieller Urkunden eine konkurrierende Zuständigkeit des N o t a r s . Die Vorschriften über das gerichtliche Exequaturverfahren finden für das notarielle Verfahren entsprechende Anwendung ( § 5 5 III 2 AVAG). In diesem Bereich wird der N o t a r somit insgesamt in der Funktion eines Richters tätig.

§2 III. 1. b) §2 II. 2. 113 Der Notar, der nach §§796 a, 796 c I 2 ZPO die Wirksamkeit des Anwaltsvergleichs zu prüfen hat, kann zur Aufklärung keine Zeugen oder Sachverständigen vernehmen (vgl. Musielak/Voif, § 796 c ZPO Rdn.3; Ziege, NJW 1991, 1580, 1583). 114 Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 86; Zöller/Ge/mer, §796 c ZPO Rdn.l; ders., DNotZ 1991, 266,271; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 24 BNotO Rdn. 9; Schütze, in: Wieczorek/ Schütze, § 796 c ZPO Rdn. 4. 115 ZöWedGeimer, §796 c ZPO Rdn.l; ders., DNotZ 1991, 266, 271; Zimmer, NotBZ 2000, 175. 111

112

IV. „Recht zum Zwang"

41

Als extern errichteter Vollstreckungstitel ist darüber hinaus die notarielle Urkunde (§ 7 9 4 I Nr. 5 Z P O ) von Bedeutung. 1 1 6 Bei der Beurkundung von Unterwerfungserklärungen 1 1 7 handelt es sich, im Gegensatz zu sonstigen Beurkundungen, um eine aus dem staatlichen Zwangsgewaltmonopol abgeleitete Tätigk e i t . 1 1 8 Die Errichtung vollstreckbarer Urkunden gehört in diesem Sinne nicht zu den M a ß n a h m e n auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege, sondern sie stellt eine M a ß n a h m e des Zivilprozessrechts dar. 1 1 9 Die Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen notarieller Urkunden wird folgerichtig nicht mehr von der Zuständigkeitszuweisung des § 1 B N o t O erfasst, sondern richtet sich nach den Vorschriften der Z P O ( § § 5 2 B e u r k G , 7 2 4 f f . , 7 9 7 Z P O ) . Allerdings bleibt das Verfahren, in dem der Titel durch Beurkundung der Unterwerfungserklärung errichtet wird, also das Beurkundungsverfahren, ein Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. 1 2 0 Es wird mit anderen Worten ein Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Errichtung eines Instruments des Zivilprozessrechts nutzbar gemacht. Das Institut der vollstreckbaren notariellen Urkunde, wie § 7 9 4 I Nr. 5 Z P O es kennt, basiert auf dem Institut der notariellen Urkunde. § 7 9 4 I Nr. 5 Z P O sieht demnach keine Verlagerung richterlicher Aufgaben auf den N o t a r vor. Vielmehr wird umgekehrt ein Amtsträger, als dessen Zuständigkeitsbereich § 1 B N o t O das Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege festlegt, in einer Art der „ O r g a n l e i h e " auf dem Gebiet des Zivilprozessrechts eingesetzt. Auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege konnte der N o t a r allerdings bereits als Funktionsträger der Justiz, der in Erfüllung der staatlichen Justizgewährungspflicht tätig wird, identifiziert w e r d e n . 1 2 1 Diese Zuordnung gilt auch dann, wenn der N o t a r das Beurkundungsverfahren mit dem Ziel der Erstellung eines Vollstreckungstitels durchführt. Er ist also nicht etwa nur punktuell mit Vollstreckungsgewalt beliehen, sondern er übt die Vollstreckungsgewalt als Akt staatlicher Justizgewährung aus. Will man die Art der staatlichen Justizgewährung hier näher spezifizieren, so lässt sich feststellen, dass die Möglichkeit, sich wegen eines Anspruchs der Zwangsvollstreckung zu unterwerfen, nicht im engeren Sinne Gewährung von Ziviljustiz darstellt, sondern Justizgewährung in dem

1 1 6 Die vollstreckbare notarielle Urkunde gehört im Übrigen zu den Vollstreckungstiteln, die mit Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2 0 0 4 als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt werden können. 1 1 7 Beurkundung i.S.v. § 2 0 I 1 BNotO (Bohrer, Berufsrecht, Rdn.38 Fn.25; Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdn. 15.1). 118 Römer, Notariatsverfassung, S. 14. 1 1 9 Vgl. Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 86; Geimer, DNotZ 1 9 9 1 , 2 6 6 , 2 7 1 Fn.27 a); Reithmann, Urkundenrecht. S. 25; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 24 BNotO Rdn. 9; Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, 33.2; a.A. LG Hildesheim, NJW 1962, 1256f. 1 2 0 MünchKomm-ZPO/Wö//sfeiwer, § 7 9 4 R d n . l 3 6 f . , 164. 1 2 1 § 2 III. 2.

42

§2 Einsatz externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

weiteren Sinne der staatlichen Mitwirkung bei der Rechtsgestaltung bedeutet. Sie erfüllt insofern eine „Justizersatzfunktion". 122 3. Einbindung externer Funktionsträger ohne hoheitliche Vollstreckungsgewalt Der Staat kann sich zur effizienten Handhabung des Gewaltmonopols ebenfalls der Mitwirkung privater Funktionsträger bedienen, ohne diesen Personen Vollstreckungsgewalt zu übertragen. Konkret können solche Funktionsträger im Bereich der Verwertungsmaßnahmen zum Einsatz kommen, sofern der Staat nicht ohnehin vom Erreichen einer bestimmten Verfahrensstufe ab, nachdem den Erfordernissen des Gewaltmonopols Genüge getan ist, auf die Mitwirkung verzichtet und den Beteiligten die Abwicklung überlässt. Die wegen ihrer Komplexität im Folgenden gesondert betrachteten Insolvenzverfahren ausgeklammert, bleiben zwei Verwertungsarten, in denen eine Einbindung externer Funktionsträger ohne eigene Zwangsgewalt in Betracht kommt. Hierbei handelt es sich zum einen um die Versteigerung durch eine andere Person gem. § 825 II ZPO, zum anderen um den Einsatz des Zwangsverwalters in der Immobiliarvollstreckung. a) Versteigerung durch eine andere Person gem. § 825 II ZPO Bei der Verwertung beweglicher Sachen gebieten sowohl das Gebot der Gewähr effektiven Rechtsschutzes als auch der Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes im Regelfall eine qualifizierte Form der staatlichen Mitwirkung. Dem schützenswerten Interesse des Gläubigers, sich nicht selbst um die Verwertung der Pfandsache bemühen zu müssen, sowie dem Schutz des Schuldners vor Verschleuderung der Pfandsache wird durch das Prinzip der Verwertung durch öffentliche Versteigerung (§814 ZPO), Erlösempfang durch den Gerichtsvollzieher (§819 ZPO) und Auskehrung an den Gläubiger Rechnung getragen. Anstelle der Verwertung durch den Gerichtsvollzieher kann gem. § 825 II ZPO auf Antrag die Versteigerung der gepfändeten Sache durch eine andere Person als den Gerichtsvollzieher angeordnet werden, wenn auf diese Weise ein höherer Verwertungserlös erwartet werden kann. 1 2 3 Die Anordnung einer Verwertung durch die andere Person ersetzt die Verwertung durch den Gerichtsvollzieher allerdings nicht; das Vollstreckungsverfahren wird hiermit noch nicht beendet. 124 122

Terminologie: Versteyl, in: v. M ü n c h / K u n i g , Art. 138 G G R d n . 2 0 . O b w o h l in § 8 2 5 II Z P O n u r von einer Versteigerung durch die andere Person die Rede ist, wird häufig auch - § 825 Z P O a.F. entsprechend - eine andere Verwertung zugelassen: M u sielak/Becker, § 8 2 5 R d n . 6 ; M ü n c h K o m m - Z P O / S c h i l k e n , § 8 2 5 R d n . 1 5 ; a.A. ZöUtr/Stöber, § 825 Z P O R d n . 1 5 . 124 B G H , J Z 1964, 772; Münzberg, in: Stein/Jonas, § 8 2 5 Z P O R d n . 1 5 ; vgl. auch Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 5 3 III. 3. 123

IV. „Recht zum Zwang"

43

Bei der Versteigerung durch eine andere Person handelt es sich nicht um eine F o r m der hoheitlichen Verwertung durch einen beliehenen Privaten, sondern um eine privatrechtliche T ä t i g k e i t . 1 2 5 Die Mitwirkung staatlicher Funktionsträger beschränkt sich insoweit auf die Anordnung der anderen F o r m der Verwertung, die Beauftragung des Privaten (mit der Anweisung zur Beachtung der § § 8 0 6 , 8 1 7 a Z P O 1 2 6 ) und entweder auf die Anordnung der Erlösverteilung durch den Privaten oder die Verteilung des Erlöses nach Inempfangnahme durch den Gerichtsvollzieher. 1 2 7 Diese Beschränkung der Tätigkeit staatlicher Funktionsträger könnte als Mitwirkungsverzicht des Staates im Verwertungsbereich oder aber als Einbeziehung des Privaten in das Verfahren angesehen werden. D e r entscheidende Gesichtspunkt ist hier, dass die Versteigerung durch eine andere Person nichts anderes darstellt als eine im Einzelfall im Vergleich zur Versteigerung oder Veräußerung durch den Gerichtsvollzieher günstigere, weil wahrscheinlich lukrativere Verwertungsmöglichkeit. Die Anordnung einer anderen Verwertungsart ist also eine Alternative zur Verwertung durch den staatlichen Funktionsträger, jedoch kein Verzicht auf Verwertung im R a h m e n des Vollstreckungsverfahrens. 1 2 8 Jedenfalls mit der Beauftragung des privaten Verwerters wird das Vollstreckungsgericht auch auf dem Sektor „Verwertung" tätig. Hiernach wäre die in Ausführung des öffentlich-rechtlichen Auftrags durchgeführte Verwertung durch den Privaten als integraler Bestandteil des Vollstreckungsverfahrens anzusehen, das erst mit der Befriedigung des Gläubigers beendet wird. Das Vollstreckungsgericht bedient sich zur Durchführung dieses Verfahrensabschnitts gewissermaßen der Hilfe eines a n d e r e n . 1 2 9 D e r Private erhält durch das Vollstreckungsgericht den Auftrag zur Durchführung der Verwert u n g . 1 3 0 Wenn der Private in diesem Sinne den Verfahrensteil „Verwertung" übernimmt, muss er folgerichtig als ein Funktionsträger in diesem Verfahren angesehen werden. In dieser Hinsicht kann die Stellung des privaten Verwerters 125 BGHZ 119, 75, 80f.; BGH, JZ 1964, 772 (§ 844 ZPO); RGZ 164, 162, 172; BayObLG, GewArch 1988, 193; Backhaus, Schutz des guten Glaubens, S.59f.; Musielak/Bec&er, §825 ZPO Rdn.6; Freels, Verwertungsarten, S.249f. (privater Versteigerer als „Verwaltungssubstitut); Hintzen/Wolf, Handbuch, C Rdn.264; Wieczorek/W. Lüke, $ 825 ZPO Rdn.18; Münzberg, in: Stein/Jonas, §825 ZPO Rdn. 10; Nies, Mobiliarvollstreckung, X Rdn.27; MünchKomm-ZPO /Schilken, § 825 Rdn. 15; Zöller /Stöber, § 825 ZPO Rdn.24; Walker, in: Schuschke/Walker, §825 ZPO Rdn.24; a.A. Wieczorek, in: Wieczorek/Schütze [2.Aufl.], §825 ZPO Rdn. B II b 2; vgl. auch G. Lüke, NJW 1954,254,255; Huber, Versteigerung, S. 42f. (Beleihung des privaten Versteigerers). 126 MünchKomm-ZPO/Schilken, § 825 Rdn. 15. 127 Münzberg, in: Stein/Jonas, §825 ZPO Rdn. 11; MünchKomm-ZPO/ScW/fce«, §825, Rdn. 15; Zöller /Stöber, § 825 ZPO Rdn.24. 128 Vgl. auch Freels, Verwertungsarten, S. 251 f. 129 So bereits RGZ 164,162,172; vgl. auch Freels, Verwertungsarten, S. 249 f. (Verwaltungssubstitut). 1 3 0 Öffentlich-rechtlicher Auftrag: MünchKomm-ZPO/Schilken, §825 Rdn. 15; a.A. (privatrechtlicher Geschäftsbesorgungsvertrag) A. Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, § 50 II 3; Wieczorek, in: Wieczorek/Schütze [2. Aufl.], § 825 ZPO Rdn. B II b 1.

44

$2 Einsatz externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

sogar mit der des Verwalters im Insolvenzverfahren verglichen werden. 1 3 1 Der Bundesgerichtshof musste sich in der grundlegenden Entscheidung vom 2. Juli 1 9 9 2 nicht mit der Frage der Verfahrensposition des Verwerters auseinandersetzen, hat jedoch zumindest festgestellt, dass das Verständnis der Verwertung im Rahmen der Zwangsvollstreckung „wegen des staatlichen Zwangsmonopols" als hoheitliche Aufgabe im Einzelfall „deren Verwirklichung in privatrechtlichen Formen, jedoch kraft staatlicher Anordnung und unter staatlicher Aufsicht" nicht ausschließe. 1 3 2 Diese Formulierung deutet an, dass auch der Senat dazu tendierte, in der Verwertung durch einen Privaten bei der Einzelvollstreckung in Mobilien eine Parallele zu den mit der Verwertung des Haftungsguts betrauten Zwangs- und Insolvenzverwaltern zu ziehen. Indem dem Privaten ein Verfahrensteil, die Verwertung, zur eigenständigen Erledigung übertragen ist, übt er partiell und unter der Oberhoheit des Vollstreckungsgerichts Verfahrenshoheit aus. Da die Anordnung einer anderen Verwertungsart jedoch lediglich eine Alternative zu der für den Regelfall vorgesehenen Verwertung durch den staatlichen Funktionsträger darstellt, ist der Einsatz des Privaten kein zwingendes Erfordernis, um das Verfahren überhaupt in den vorgesehenen Formen durchführen zu können. Die zur Leistung dieser besonderen Form staatlicher Justizgewährung erforderlichen

Rechtspflegeeinrichtungen

sind das mit internen Funktionsträgern besetzte Vollstreckungsgericht und der Gerichtsvollzieher. Dieser Umstand ist für die Untersuchung der justizorganisatorischen Grundlagen des Zivilverfahrens von entscheidender Bedeutung. Die Einbeziehung des externen Funktionsträgers ist hier nicht notwendig. Sie bedarf folglich keiner institutionellen Ausgestaltung. Der private Verwerter ist deshalb keine Figur des Justizverfassungsrechts, für die ein eigenes „Verwerterverfassungsrecht" als justizorganisatorische Basis der Verwertertätigkeit konstituiert werden müsste. Diese Rechtsfigur kann somit im Rahmen dieser Untersuchung außer Betracht bleiben. b)

Zwangsverwaltung

Die Zwangsverwaltung ist eine Form der Vollstreckung in Grundstücke. Bei der Vollstreckung im Wege der Zwangsverwaltung soll der Gläubiger aus den Erträgnissen des Grundstücks befriedigt werden. Zum Schutz des Gläubigers vor einer Wertminderung des Objekts oder vor ineffizienter Bewirtschaftung wird die Verwaltung und Nutzung der Zwangsvollstreckungsmasse

einem

Zwangsverwalter zur selbständigen Erledigung übertragen. 1 3 3

So G. Lüke, N J W 1954, 2 5 4 , 2 5 6 ; vgl. auch Huber, Versteigerung, S . 4 2 Fn.6. B G H Z 119, 75, 81. 133 Muth, in: Dassler/Schiffhauer/Gerhard/Muth, § 146 Z V G Rdn. 1; Stöber, § 146 Z V G Anm.2.2.; vgl. auch Steiner/Hagemann, § 146 Z V G Rdn. 7 (mittelbarer Zweck). 131

132

IV. „Recht zum

aa) Der

Zwang"

45

Zwangsverwalter

Gem. § 152 I Z V G hat der Zwangsverwalter das Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu nutzen. Er muss die Ansprüche, auf die sich die Beschlagnahme erstreckt, geltend machen und die für die Verwaltung entbehrlichen Nutzungen in Geld umsetzen. Außerdem zählt die Durchführung des Teilungsplans zu den Aufgaben des Verwalters; er hat auf Anordnung des Gerichts die fälligen Auszahlungen an die Gläubiger zu leisten ( § 1 5 7 I ZVG). Das Zwangsverwaltungsverfahren sieht somit zwingend vor, dass die Verfahrensteile Verwertung, hier in der Form der Nutzungs- und nicht der Substanzverwertung, und Verteilung nicht durch einen staatlichen Funktionsträger erledigt werden, sondern durch eine eigens für diesen Aufgabenbereich bestellte Privatperson, die trotz der öffentlichen Bestellung ihre Verfahrensaufgaben mit privatrechtlicher Befugnis ausübt. 1 3 4 Der Umstand, dass die Verwaltungstätigkeit hier konkret und zielgerichtet der Durchführung des Verfahrenszwecks dient, unterscheidet die Tätigkeit des Zwangsverwalters von der Tätigkeit eines Vermögensverwalters, der ein privatrechtliches Gewaltverhältnis unter gerichtlicher Überwachung ausübt. 1 3 5 Dem Zwangsverwalter werden bestimmte Verfahrensaufgaben zur eigenständigen Erledigung zugewiesen und ihm insofern unter der Oberhoheit des Gerichts partielle Verfahrenshoheit übertragen. Da eine Zwangsverwaltung ohne Zwangsverwalter nicht möglich ist, handelt es sich hier um eine, allerdings für das einzelne Verfahren getroffene und nicht verfahrensübergreifend institutionell verfestigte, personelle Ergänzung der staatlichen Rechtspflegeeinrichtung. 136 Charakteristisch für die Einbindung des Zwangsverwalters in das Vollstreckungsverfahren ist einerseits seine Selbständigkeit bei der Ausführung der Verwaltung (vgl. § 1 I 1 ZwVwV). Er hat, orientiert an den Zielvorgaben der Zwangsverwaltung als Einzelvollstreckungsverfahren, Maßnahmen zu treffen wie ein sorgfältig und ordentlich handelnder Eigentümer, der das Ziel hat, seine Gläubiger zu befriedigen. 137 Andererseits unterliegt er aber der Aufsicht des Vollstreckungsgerichts (vgl. § 153 I 1. Hs. ZVG), die sicherstellen soll, dass die Zwangsverwaltung sich durch ein ordnungsgemäßes Verfahren vollzieht, in dem 134 Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, § 150 a Z V G Rdn. 18; Muth, in: Dassler/Schiffhauer/Gerhard/Muth, § 152 Z V G Rdn. 4. 135 Vgl. oben $2 I. 1 3 6 Der Zwangsverwalter wird in diesem Sinne z. T. auch als „Rechtspflegeorgan" bezeichnet (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, § 150 a Z V G Rdn. 2, § 154 Z V G Rdn. 3). 137 BFH, W M 1 9 6 5 , 1 1 9 9 , 1201; O L G Nürnberg, KTS 1966, 114; Eickmann, § 36 I, § 4 0 1 . 1.; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, § 1 ZwVwV Rdn. 5; Steiner/Hagemann, § 1 5 2 Z V G Rdn. 20, 27; Muth, in: Dassler/Schiffhauer/Gerhard/Muth, § 152 Z V G Rdn. 7; Stöber, § 152 Z V G Anm.3.2.

46

§2 Einsatz externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

die berechtigten Interessen von Gläubiger und Schuldner gewahrt werden. 138 An Weisungen des Vollstreckungsgerichts ist der Verwalter grundsätzlich gebunden ( § 1 1 2 ZwVwV), was jedoch nicht heißt, dass er als bloßes „Ausführungsorgan" des Vollstreckungsgerichts angesehen werden könnte. 1 3 9 Gerade das Zusammenspiel von Delegierung und Kontrolle entspricht hier der staatlichen Pflicht zur sowohl möglichst schonenden als auch im allseitigen Interesse effizienten Wahrnehmung des Gewaltmonopols. Deshalb steht das Verfahren zwar unter der Oberhoheit des Gerichts, aber dem Zwangsverwalter kommt doch für die zur Durchführung seiner mit unmittelbarer Außenwirkung zu erfüllenden Aufgaben eine Teilhabe an der Verfahrenshoheit zu. Mit der Einräumung eines selbständig zu erledigenden Aufgabenbereichs des Verwalters korreliert im Übrigen dessen persönliche Haftung für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben gegenüber allen Beteiligten (§ 154 S. 1 ZVG). Das Zwangsverwaltungsverfahren ist also ein Verfahren, in dem systemnotwendig ein externer Funktionsträger mit eigenständig zu erledigendem Aufgabenbereich zum Einsatz kommt. Nichts anderes gilt, wenn ein Institutsverwalter (§150 a ZVG) oder der Schuldner selbst (§150 b ZVG) zum Zwangsverwalter bestellt wird. Der Institutsverwalter ist eine im Dienst eines Gläubigers stehende Person; nur bestimmte, vom Gesetzgeber als besonders vertrauenswürdig angesehene Gläubiger können einen solchen Institutsverwalter vorschlagen. 140 Der Institutsverwalter unterscheidet sich in seiner Rechtsstellung jedoch nicht von einem Fremdverwalter. Der Staat verzichtet hier nicht etwa zugunsten einer gläubigerautonom gesteuerten Abwicklung der Verwertung auf seine Mitwirkung; der Wesensgehalt des Verfahrens als staatliches Vollstreckungsverfahren bleibt gewahrt. Wird der Schuldner zur Nutzung eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gärtnerischen Grundstücks zum Zwangsverwalter bestellt, so kommen ihm als Zwangsverwalter die Verwaltungsbefugnisse zu, die ihm in seiner Schuldnerrolle gerade entzogen werden. Er hat nunmehr vorrangig im Hinblick auf die Gläubigerbefriedigung zu wirtschaften. Der bei einer solchen Personalunion anzunehmende Interessenkonflikt wird durch die Zuweisung einer Aufsichtsperson kompensiert (§ 150 c ZVG). Hiermit soll gewährleistet werden, dass der Schuldner „als Zwangsverwalter" seiner Verfahrensfunktion nachkommt. 138

Vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, § 1 Z w V w V R d n . 21; Muth, in: Dassler/Schiffh a u e r / G e r h a r d / M u t h , § 153 Z V G R d n . 1. 139 Stöber, § 153 Z V G A n m . 3 . 6 . 140 N e b e n der Kostenersparnis bezweckt die Institutsverwaltung, die privilegierten Gläubiger für die wirtschaftliche Gestaltung des Verfahrens zu interessieren ( S t e i n e r / H a g e m a n n , § 150 a Z V G R d n . 1; Muth, in: Dassler/Schiffhauer/Gerhard/Muth, § 150 a Z V G Rdn. 1). Insofern ist die Institutsverwaltung nicht zu Unrecht der Kritik ausgesetzt, da die wirtschaftliche Einflussn a h m e auf das Verfahren über einen Institutsverwalter mit der Stellung des Verwalters, der im Spannungsverhältnis widerstreitender Interessen gerade Neutralität w a h r e n muss, schlecht zu vereinbaren ist (vgl. Eickmann, § 39 II. 2. b; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, § 150 a Z V G R d n . 31).

IV. „Recht zum Zwang"

47

Das Zwangsverwaltungsverfahren sieht also zwingend vor, dass der Teilbereich der (Nutzungs-) Verwertung von einem außerhalb des Staatsapparats stehenden Zwangsverwalter erledigt wird. Organisatorisch betrachtet lässt sich die Funktionseinheit, die das Vollstreckungsverfahren insgesamt durchführt, als eine Funktionseinheit beschreiben, die sich aus internen und externen Funktionsträgern zusammensetzt. Neben die Zuständigkeiten des Vollstreckungsgerichts und des Gerichtsvollziehers auf dem Gebiet der Einzelvollstreckung tritt also die Zuständigkeit der Funktionseinheit „Gericht und Z w a n g s v e r w a l t e r " . bb) Die

Aufsichtsperson

Die Aufgaben der Aufsichtsperson ( § 1 5 0 c Z V G ) umfassen zwei Komplexe. Z u m einen kontrolliert die Aufsichtsperson die Zwangsverwaltung durch den Schuldner, wobei sie festgestellte Verstöße dem Vollstreckungsgericht mitzuteilen hat (§ 1 5 0 c III Z V G ) . Die Aufsichtsperson selbst kann dem Zwangsverwalter keine Weisungen erteilen, wie er seine Verwaltung durchzuführen hat. 1 4 1 Bei dieser Kontrolltätigkeit handelt es sich nicht um eine verselbständigte Verfahrensaufgabe, die die hier zwingend einzusetzende Aufsichtsperson 1 4 2 zu einem institutionellen

Element staatlicher Justizverfassung

qualifizierte.

Vielmehr

unterstützt die Aufsichtsperson insofern lediglich das Vollstreckungsgericht bei der Überwachung des Zwangsverwalters. D e r zweite Aufgabenkomplex der Aufsichtsperson, der die Ausübung von Zustimmungsvorbehalten bei bestimmten Geschäften und Verfügungen des Schuldner-Zwangsverwalters betrifft (§§ 1 5 0 c I V 3 , 1 5 0 d Z V G ) , greift dagegen über die Wahrnehmung der Beobachtungsfunktion als Informationsquelle des Gerichts hinaus. Insofern besteht hier in der Tat eine exklusive Zuständigkeit des Externen, die nicht nur eine Alternative zu der Erledigung durch interne staatliche Funktionsträger darstellt, sondern von vornherein integraler Bestandteil des Verfahrens ist. Im Gegensatz zum Einsatz des Zwangsverwalters selbst handelt es sich bei der Einbeziehung der Aufsichtsperson jedoch nicht um ein konzeptionell notwendiges Zusammenwirken interner und externer Funktionsträger, ohne das ein Zwangsverwaltungsverfahren nicht durchgeführt werden kann. Das Rechtspflegekonzept, mit dem der Staat hier seiner Justizgewährungspflicht n a c h k o m m t , lässt sich vielmehr auch in diesem Fall abschließend durch das Zusammenwirken von Gericht und Verwalter innerhalb der gemischten

Funktionseinheit

Stöber, § 150 c ZVG Rdn. 3.6. Steht keine Aufsichtsperson zur Verfügung, kann das Verfahren der Zwangsverwaltung durch den Schuldner nicht durchgeführt werden. Das hat zur Folge, dass ein anderer Zwangsverwalter bestellt werden muss (vgl. Böttcher, §§150 b-150 e ZVG Rdn. 10; Steiner/Hagemann, § 150 b-e ZVG Rdn. 34; Muth, in: Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, § 150 c ZVG Rdn.4), nicht jedoch, dass das Vollstreckungsverfahren aufgehoben werden müsste (so aber Stöber, § 150 c ZVG Rdn.2.4). 141

142

48

§2 Einsatz externer Funktionsträger auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

beschreiben. Die institutionelle Grundlage für die Durchführung eines solchen Verfahrens ist mit dem Einsatz dieser Funktionseinheit gelegt, unabhängig davon, ob ein Dritter oder der Schuldner selbst als Zwangsverwalter fungiert. In diesem System dient der Einsatz der Aufsichtsperson lediglich dem Zweck, in Kauf genommene „Defizite" in der Person des Verwalters zu kompensieren. Zu einer eigenen Rechtsfigur des Justizverfassungsrechts wird die Aufsichtsperson damit nicht. Wegen der von ihr geleisteten „Unterstützung" auf der Verwalterseite und damit der Partizipation an den Verwaltungsaufgaben kann sie jedoch als eine Unterart der Rechtsfigur des Verwalters angesehen werden.

V. Externe

Funktionsträger

in den Verfahren

der

InsO

Unter dem Dach der InsO sind verschiedene, sich zum Teil überschneidende Verfahren geregelt, die - kumulativ oder alternativ - der Verwirklichung der in § 1 InsO normierten Verfahrensziele der vorrangigen Gläubigerbefriedigung und der Schuldnersanierung dienen. Zu unterscheiden sind - das „Vorverfahren" zur Entscheidung über die Verwertungsart, also die Entscheidung zwischen der Verwertung nach Maßgabe der §§ 165ff. InsO und dem Insolvenzplan (§ 157 InsO), - das Verwertungsverfahren im engeren Sinne (§§165 bis 173 InsO), - das Insolvenzplanverfahren (§§217 bis 253 InsO), - das Verfahren zur Überwachung eines Insolvenzplans (§§260 bis 269 InsO), - das Schuldenbereinigungsverfahren (§§305 bis 310 InsO) und - das Restschuldbefreiungsverfahren (§§286 bis 303 InsO). Keine eigenständigen Verfahren stellen demgegenüber die Eigenverwaltung (§270 InsO) sowie das vereinfachte Insolvenzverfahren (§§311 ff. InsO) dar. Hinzu kommt gegebenenfalls die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen nach § 2 1 InsO im Insolvenz-Eröffnungsverfahren. Die Verfahren nach der InsO sehen - mit Ausnahme des Schuldenbereinigungsverfahrens, das lediglich Schuldner und Gläubiger in ihrer Stellung als schlichte Verfahrensbeteiligte kennt - vereinfacht eine Verteilung der verfahrensrelevanten Entscheidungs- und Handlungskompetenzen zwischen dem Gericht, einem Verwalter und einem Gläubigergremium vor. Es stellt sich also die Frage, inwieweit in dieser Funktionenverteilung Einbindungen externer Funktionsträger zu sehen sind und welche Entscheidungen und Handlungen umgekehrt, insofern unter partiellem Mitwirkungsverzicht des Staates, den Beteiligten zur alleinigen Erledigung überlassen bleiben.

V. Externe

Funktionsträger

in den Verfahren

der

InsO

49

1. Insolvenzverfahren Im Insolvenzverfahren sind Entscheidungs- und Handlungskompetenzen der Gläubiger vorgesehen, mit denen keine Funktionen im Verfahren übernommen werden, sondern denen umgekehrt ein Rückzug des Staates aus dem Verfahren zur Beförderung der einvernehmlichen Bewältigung der Insolvenz zugrunde liegt. Der Gesetzgeber hat mit der Neukonzeption des Insolvenzrechts auf der Grundlage der gewonnenen Einsicht, dass „privatautonome Entscheidungen ein höheres M a ß an wirtschaftlicher Effizienz verbürgen als die hoheitliche Regulierung wirtschaftlicher Abläufe", zielgerichtet eine noch weiter gehende Deregulierung des Verfahrens angestrebt, als es bereits nach der Konkursordnung der Fall war. 1 4 3 Das heißt jedoch nicht, dass das Insolvenzverfahren im eigentlichen Sinne als „Gläubigerselbstverwaltung unter staatlicher Aufsicht" verstanden werden könnte. Das Verhältnis von Gläubigerautonomie und staatlicher Mitwirkung ließe sich eher umgekehrt charakterisieren. Im Grundsatz ist die Übernahme der Gesamtvollstreckung mit dem Ziel der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger, auch wenn sie über den Weg der Sanierung erfolgt, eine staatliche Aufgabe. Der Staat zieht sich lediglich für gewisse Entscheidungen aus dem Verfahren zurück, indem er sie den Gläubigern zur autonomen Entscheidung überlässt. 1 4 4 a) Die

Gläubigerversammlung

Die Deregulierung des Insolvenzverfahrens zugunsten der Gläubigerautonomie führt dazu, dass wesentliche Lenkungs- und Entscheidungsbefugnisse der Gläubigerversammlung, d.h. genau genommen den stimmberechtigten Mitgliedern der Gläubigerversammlung (vgl. §§ 7 6 , 7 7 InsO), eingeräumt sind. 1 4 5 Ihre Entscheidung ist zwar für den Verfahrensfortgang erforderlich und dient letzten Endes der erfolgreichen Abwicklung des Verfahrens. Sie stellt jedoch, wenn auch mit der Gewährung gläubigerautonomer Entscheidung der Sachverstand jedenfalls einzelner Gläubiger zur Optimierung der Verwertung genutzt werden kann 1 4 6 , keine Wahrnehmung partieller Verfahrenshoheit anstelle des staatlichen Funktionsträgers dar. Der Staat lässt sich keine Aufgabe abnehmen, sondern zieht sich, indem er den Adressaten des Verfahrens gewisse autonome Ent143 144

Begr. BReg., BT-Drucks. 12/2443, S . 7 8 . Vgl. Schick, N J W 1991, 1328 („teilweise Hereinnahme der Betroffenen in das Verfah-

ren"). 145 Z.B. Wahl eines anderen Insolvenzverwalters ( § 5 7 InsO), Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens ( § 1 5 7 InsO); Zustimmung zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen (sofern kein Gläubigerausschuss bestellt ist) wie etwa der Unternehmensveräußerung ( § 1 6 0 InsO), zur Unternehmensveräußerung an besonders Interessierte (§ 162 InsO) oder zur Unternehmensveräußerung unter Wert (§ 163 InsO). 146 Baumann/Alisch, Konkurs und Vergleich, § 8 II 2 b; Heidland, in: Kölner Schrift zur InsO, Rdn.6; vgl. auch Begr. BReg., BT-Drucks. 12/2443, S . 7 8 .

50

§2 Einsatz externer Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrecbtspflege

Scheidungen ü b e r l ä s s t , partiell a u s d e m V e r f a h r e n z u r ü c k . D a die G l ä u b i g e r als ein K o l l e k t i v e n t s c h e i d e n , das den V e r f a h r e n s z i e l e n n i c h t v e r p f l i c h t e t ist, sondern E i g e n i n t e r e s s e n z u m D u r c h b r u c h v e r h e l f e n k a n n , lässt § 7 8 I I n s O a u f A n t r a g die A u f h e b u n g eines B e s c h l u s s e s der G l ä u b i g e r v e r s a m m l u n g zu, w e n n der B e s c h l u s s d e m

„gemeinsamen

Interesse"

der I n s o l v e n z g l ä u b i g e r

wider-

spricht.

b) Der

Gläubigerausschuss

W e n i g e r eindeutig ist a u f den e r s t e n B l i c k die P o s i t i o n i e r u n g des G l ä u b i g e r a u s s c h u s s e s . D e r G l ä u b i g e r a u s s c h u s s w i r d a u c h als „ H i l f s o r g a n " der I n s o l v e n z v e r w a l t u n g 1 4 7 bzw. des I n s o l v e n z v e r w a l t e r s ' 4 8 b e z e i c h n e t . Z u m Teil w i r d dieser A n s a t z im H i n b l i c k a u f die R e c h t s n a t u r und v e r f a h r e n s m ä ß i g e Stellung des G l ä u b i g e r a u s s c h u s s e s d a h i n k o n k r e t i s i e r t , d a s s er g e g e n ü b e r den G l ä u b i g e r n u n d der G l ä u b i g e r v e r s a m m l u n g eine s e l b s t ä n d i g e und u n a b h ä n g i g e Stellung einn e h m e . 1 4 9 In den M o t i v e n h e i ß t es d a g e g e n , dass es sich u m ein „ V e r t r e t u n g s o r g a n der G l ä u b i g e r , . . . n i c h t e i n e m ö f f e n t l i c h e n A m t s - , s o n d e r n e i n e m M a n d a t s v e r h ä l t n i s e n t s p r e c h e n d " h a n d e l e . 1 5 0 D i e G e g e n a n s i c h t sieht in dem G l ä u b i g e r a u s s c h u s s in diesem S i n n e , n i c h t a n d e r s als in der G l ä u b i g e r v e r s a m m l u n g , ein S e l b s t v e r w a l t u n g s o r g a n der G l ä u b i g e r s c h a f t . 1 5 1 I m v o r l i e g e n d e n

Zusammen-

h a n g ist i n s o f e r n v o n B e d e u t u n g , o b die A u f g a b e n des G l ä u b i g e r a u s s c h u s s e s solc h e sind, die der S t a a t den Beteiligten zur a u t o n o m e n E n t s c h e i d u n g ü b e r l ä s s t , die a l s o a u f e i n e m M i t w i r k u n g s v e r z i c h t des S t a a t e s b e r u h e n , o d e r o b der S t a a t eigene A u f g a b e n a u f den G l ä u b i g e r a u s s c h u s s v e r l a g e r t und ihn in diesem Sinne a n der V e r f a h r e n s h o h e i t t e i l h a b e n lässt. D e m G l ä u b i g e r a u s s c h u s s k o m m e n (als K o l l e k t i v o r g a n ) vielfach E n t s c h e i d u n gen anstelle der G l ä u b i g e r v e r s a m m l u n g z u 1 5 2 , d a der G l ä u b i g e r a u s s c h u s s a n g e sichts seiner p e r s o n e l l e n Z u s a m m e n s e t z u n g im R e g e l f a l l leichter - und z u m Teil k o m p e t e n t e r - eine E n t s c h e i d u n g fällen k a n n als die s c h w e r f ä l l i g e G l ä u b i g e r v e r -

Kilger/K. Schmidt, § 87 KO Anm. 1; Kübler, in: Kübler/Prütting, § 69 InsO Rdn.4 (8/98). R G Z 20, 108, 109; 31, 119, 122; 36, 367, 368; Böhle-Stamschräder/Kilger, § 8 7 KO, Anm. 1; Graf Brockdorff, in: Graf Brockdorff/Huntemann, Kap. 11 Rdn.25. 149 Frege, NZG 1999, 478, 479; Kübler, in: Kübler/Prütting, § 69 InsO Rdn.4 (8/98). 150 Hahn, Motive, S.284 (Selbstbestimmungsrecht der Gläubiger im Gegensatz zur Stellung des Kurators nach Gemeinem Recht). 151 OLG Koblenz, KTS 1971, 220; Graf Brockdorff, in: Graf Brockdorff/Huntemann, Kap. 11 Rdn.23; Delhaes, in: Nerlich/Römermann, vor § 5 6 InsO Rdn. 13 (1/99); Haenecke, KTS 1983, 533; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 6.13; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S.65ff.; Heidland, in: Kölner Schrift zur InsO, Rdn.4; Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 2 1 Rdn. 1; Obermüller/Hess, InsO, Rdn. 616; SmidISmid, § 6 9 InsO Rdn. 3; Uhlenbruck, BB 1976, 1198; vgl. auch Begr. BReg., BT-Drucks. 12/2443, S. 131 zu § 78 InsO-E. 152 Z.B. bei der Entscheidung über besonders bedeutsame Rechtshandlungen nach § 1 6 0 InsO. 147

148

V. Externe

Funktionsträger

in den Verfahren

der

InsO

51

Sammlung. Die Gläubiger sollen hier durch den Gläubigerausschuss als Gläubiger Einfluss auf den Ablauf des Insolvenzverfahrens nehmen können. 1 5 3 Dem Gläubigerausschuss können dementsprechend keine allgemeinen oder besonderen Weisungen durch das Insolvenzgericht erteilt werden. 1 5 4 Er untersteht nicht der Aufsicht des Insolvenzgerichts. 1 5 5 W ä h r e n d die Gläubigerversammlung die Weichenstellung im Hinblick auf Grundsatzentscheidungen des Verfahrens trifft, entscheidet der Gläubigerausschuss in Detailfragen. 1 5 6 Konzeptionell handelt es sich in beiden Fällen um einen partiellen Mitwirkungsverzicht des Staates zugunsten der Gläubigerautonomie. Das Kollektiv Gläubigerausschuss ist danach ebenso wenig Funktionsträger im Insolvenzverfahren wie die Gläubigerversammlung. Als systematischer Sonderfall scheinen die Regelungen der § 187 III 2, 195 I InsO diesen Grundsatz zu durchbrechen. Hiernach hat der Verwalter, wenn ein Gläubigerausschuss bestellt ist, vor der Vornahme einer Abschlagsverteilung dessen Zustimmung einzuholen und ihn den Bruchteil für die Abschlagsverteilung bestimmen zu lassen (den der Verwalter nach § 195 I 2 InsO selbst bestimmt, wenn kein Gläubigerausschuss eingesetzt ist). Dem Gläubigerausschuss k o m m t hier also keine Entscheidungskompetenz zu, die in Verfahren ohne Gläubigerausschuss der Gläubigerversammlung zusteht 1 5 7 , sondern ihm werden sonst dem Verwalter zur alleinigen Erledigung zustehende Abwicklungsentscheidungen zugewiesen. Diese Regelung rechtfertigt es jedoch nicht, die Mitwirkung des Gläubigerausschusses nicht als Gewähr einer gläubigerautonomen Entscheidung (bei gleichzeitigem partiellen Mitwirkungsverzicht des Staates zugunsten einer solchen gläubigerautonomen Entscheidung), sondern als Aufga151

Vgl. Begr. BReg, BT-Drucks. 12/1443, S. 131 zu § 78 InsO-E. Graf Brockdorff, in: Graf B r o c k d o r f f / H u n t e m a n n , Kap. 11 R d n . 2 7 ; Frege, N Z G 1999, 4 7 8 , 4 8 0 ; M o h r b u t t e r / P a p e , H a n d b u c h , Rdn. V.l5; s. auch B G H W M 1 9 6 5 , 1 1 5 8 , 1 1 5 9 (keine U n t e r o r d n u n g unter das Konkursgericht). 151 Brüning, Funktionsträger, S. 64; H e s s / H e s s , § 69 InsO R d n . 5 („vom Insolvenzgericht unabhängig"); Kilger/K. Schmidt, § 87 K O Anm. 1 ; Kühler, in: Kübler/Prütting, § 6 9 InsO Rdn. 9 (8/98); \Jh\enbruck/Uhlenhruck, § 6 9 InsO R d n . 3; vgl. auch Hegmanns, Gläubigerausschuss, S.90; a.A. S m i d I S m i d , § 7 0 InsO R d n . 5 ; ders., Grundzüge, § 13 R d n . 4 7 („vergleichbar der Aufsicht über den Insolvenzverwalter" unter Berufung auf § 70 InsO). 156 Hegmanns, Gläubigerausschuss, S 49; Heidland, in: Kölner Schrift zur InsO, R d n . 4. 157 Insofern stellt sich die Frage, ob ein Beschluss der Gläubigerversammlung die Versagung der Genehmigung durch den Gläubigerausschuss ersetzen k a n n . Die wohl h. M . r ä u m t der Gläubigerversammlung hier keine übergeordnete Entscheidungskompetenz ein, sondern verweist sie auf den umständlichen Weg, den Gläubigerausschuss abzuberufen und einen neuen Ausschuss zu wählen (so Pape, Z I n s O 1999, 675, 6 8 1 ; Jaeger /Weher, § 1 3 3 , 134 A n m . 4 ; vgl. auch Frege, N Z G 1999, 4 7 8 , 4 8 2 ; Kilger/K. Schmidt, § 150 K O Anm. 1; Kühler, in: Kühler/ Prütting, § 6 9 InsO R d n . 7 (8/98)). Die Gegenansicht trägt dagegen dem Umstand Rechnung, dass die Gläubigerversammlung das „Basisorgan" der Gläubiger ist und erkennt folgerichtig der Gläubigerversammlung auch bei der Verteilungsentscheidung die Letztentscheidungskompetenz gegenüber dem Gläubigerausschuss zu (so Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 51 ff.; M o h r b u t t e r / P a p e , H a n d b u c h , Rdn. V.5, V.107; Seuffert,\ 4 8 IV., S.314; vgl. auch Hahn, Motive, S.286f.). 154

52

§2 Einsatz externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

benzuweisung zugunsten eines in das Verfahren integrierten Funktionsträgers anzusehen. Sinn und Zweck der Regelung ist es, bei der Entscheidung über die Abschlagsverteilung die Gläubigerinteressen möglichst Berücksichtigung finden zu lassen. Die autonome Gläubigerentscheidung wird bei der Abschlagsverteilung allerdings nicht in jedem Fall zugelassen, sondern nur dann, wenn das für die Entscheidung von Detailfragen regelmäßig besser ausgerüstete Entscheidungsgremium des Gläubigerausschusses zur Verfügung steht. 1 5 8 Nach § 6 9 S. 1 InsO sind die Mitglieder des Gläubigerausschusses verpflichtet, den Insolvenzverwalter bei seiner Tätigkeit zu unterstützen und zu überwachen, was jedoch nicht heißt, dass die Ausschussmitglieder den Verwalter kraft ihres korrespondierenden Unterstützungs- und Überwachungsrechts zu bestimmten Handlungen anweisen könnten. 1 5 9 Die Mitglieder des Gläubigerausschusses können keine Verwaltungsbefugnisse an sich ziehen, die das Insolvenzverfahrensrecht dem Insolvenzverwalter zuweist. Die Überwachungspflicht konzentriert sich zwar in erster Linie auf die Belange der Gläubiger, betrifft aber in der Sache die gesamte Verfahrensabwicklung des Insolvenzverwalters, so dass hierbei die Interessen aller Verfahrensbeteiligten zu berücksichtigen sind. 1 6 0 Die Stellung des Gläubigerausschusses als Aufsichtsorgan ähnelt in gewisser Hinsicht der eines Aufsichtsrats. 1 6 1 Auch die Unterstützungs- und Überwachungspflicht der Mitglieder des Gläubigerausschusses, insbesondere die Pflicht zur Kassenprüfung nach § 6 9 S . 2 InsO, stellt keine eigenständige Verfahrensaufgabe dar, die der Staat auf Externe übertragen hätte, anstatt sie durch eigene Funktionsträger zu erfüllen. Die Überwachung durch die Mitglieder des Gläubigerausschusses ersetzt weder die 1 5 8 Z.T. wird die Zuweisung der Regelungsmaterie wieder eingegrenzt bzw. kann von Entscheidungen des Gerichts im Interesse der Verwirklichung der Verfahrensziele überholt werden, was jedoch - wie im Fall des § 78 I InsO - die gesetzgeberische Grundsatzentscheidung nicht aufhebt. Nach § 233 InsO kann die Verteilung durch das Gericht ausgesetzt werden, wenn sie die Durchführung eines vorgelegten Insolvenzplans vereiteln würde. Bei der Festsetzung der Bruchteile handelt es sich um eine Verwaltungsentscheidung, die nicht der Kontrolle des Gerichts unterliegt (Holzer, in: Kübler/Prütting, § 1 9 5 InsO Rdn.4 (8/98); Kilger/K. Schmidt, § 159 KO Anm. 1; Uhlenbruck/Uhlenbruch § 195 InsO Rdn. 3; Hess/Weis, § 195 InsO Rdn. 10; Westphal, in: Nerlich/Römermann, § 195 InsO Rdn. 8 (1/99); ¿i.A. RG, J W 1896, 34 Nr.20), so dass hier allenfalls eine Weigerung des Verwalters, die Verteilung nach der durch den Gläubigerausschuss festgesetzten Quote vorzunehmen, in Betracht kommt. Der Verwalter darf gesetzwidrige Quotenfestsetzungen nicht ausführen (Kilger/K. Schmidt, § 1 5 9 KO Anm. 1; Hess/Weis, § 195 InsO Rdn. 5). 159 Delhaes, in: Nerlich/Römermann, § 6 9 InsO Rdn. 11 (1/99); Grub, Haftungsrisiken, S. 160; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 71; Hess/Hess, § 69 InsO Rdn. 6; Kubier, in: Kübler/ Prütting, § 6 9 InsO Rdn. 21 (8/98); Uhlenbruck /Uhlenbruck, § 6 9 InsO Rdn. 12; Obermüller, FS für Möhring, S. 1 0 1 , 1 0 5 ; vgl. auch Hahn, Motive, S . 2 8 5 (Ausschuss soll nicht über, sondern neben dem Verwalter stehen). 160 Kübler, in: Kübler/Prütting, § 6 9 InsO Rdn.5 (8/98); vgl. auch BGH, ZIP 1994, 4 6 , 49. 161 BGH, ZIP 1994, 4 6 , 47; Jaeger, Konkursrecht, S . 7 5 ; vgl. auch Delhaes, in: Nerlich/Römermann, vor § 56 InsO Rdn. 13 (1/99); § 69 InsO Rdn.2 (1/99); Kübler, in: Kübler/Prütting, § 6 9 InsO Rdn.5 (8/98).

V. Externe

Funktionsträger

in den Verfahren

der

InsO

53

gerichtliche Aufsicht noch gebührt ihr die Priorität gegenüber der gerichtlichen Aufsicht. 1 6 2 Auch insoweit ist also nicht ein Teil der Verfahrenshoheit zur Durchführung des Insolvenzverfahrens den Mitgliedern des Gläubigerausschusses übertragen. Der Unterstützungs- und Überwachungspflicht der Mitglieder des Gläubigerausschusses kommt gleichwohl eine nicht unerhebliche Hilfsfunktion zu. Die Gläubigerausschussmitglieder können erforderliches Fachwissen, insbesondere Branchenkenntnisse, in das Verfahren einbringen. 1 6 3 Die Verpflichtung zur Rechnungsprüfung ermöglicht praktisch erst eine laufende Kontrolle des Rechnungswesens des Verwalters. 1 6 4 Aus der Gesamtschau der Aufgaben, die die InsO dem Gläubigerausschuss vorbehält, ergibt sich somit, dass weder der Gläubigerausschuss als solcher noch das einzelne Mitglied an der Verfahrenshoheit zur Durchführung des Insolvenzverfahrens partizipiert. Der Gläubigerausschuss ist somit kein Funktionsträger, auf den der Staat eigene Rechtspflegeaufgaben übertragen hätte. Die Unterstützungs- und Überwachungsfunktion seiner Mitglieder qualifiziert ihn jedoch als ein Hilfsorgan, dessen Mitwirkung bei der Verfahrensabwicklung durchaus entlastende Wirkung beigemessen kann. c) Der

Insolvenzverwalter

Der Insolvenzverwalter ist das zentrale Handlungsorgan im Insolvenzverfahren. Obwohl er in einem Verfahren tätig ist, das durch den Gesichtspunkt der Gläubigerautonomie geprägt wird, nimmt er nicht etwa als „Vertreter" der Gläubiger deren Interessen wahr 1 6 5 , sondert agiert „mehrseitig fremdbestimmt" zur Erfüllung eines Teils der Verfahrensaufgaben, die der Staat im Interesse einer maßvollen und zugleich effizienten Ausübung des Gewaltmonopols übernommen hat. Die Tätigkeit ergibt sich vor dem Hintergrund der staatlichen Verpflichtung, für eine Verteilungsgerechtigkeit zu sorgen, die hier im Wege des nicht nur an die Stelle der Privatgewalt, sondern auch an die Stelle der Einzelzwangsvollstreckung tretenden staatlichen Insolvenzverfahrens verwirklicht wird. 1 6 6 Soweit

162 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn.6.32; Liike, in: Kübler/Prütting, § 5 8 InsO Rdn.7 (2/00); Naumann, in: Kölner Schrift zur InsO, Rdn. 33; Smid/Smid, § 5 8 InsO Rdn.4; Jaeger/ Weber, § 8 3 KO R d n . l . 163 Vgl. Graf Brockdorff, in: Graf Brockdorff/Huntemann, Kap. 11 Rdn.29; Delhaes, in: Nerlich/Römermann, § 6 9 InsO R d n . 1 4 (1/99). 164 Delhaes, in: Nerlich/Römermann, § 6 9 InsO Rdn.2 (1/99). 165 Die zur Kennzeichnung der Rechtsstellung des Konkursverwalters aufgestellte sog. Gläubigervertretungstheorie (Hellmann, Lehrbuch, S. 624ff., 6 3 2 ; Kohler, Lehrbuch, S.400ff. [Konkursverwalter Exekutivorgan der Gläubigergemeinschaft]; Planck, Zivilprozessrecht II, S. 660; Seuffert, Konkursprozeßrecht, § 2 5 , S. 151 f., § 26, S. 153 [Konkursverwalter Organder Gläubigerschaft]) wird deshalb heute zu Recht allgemein abgelehnt (vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 15.03; Jaeger/Henckel, § 6 KO Rdn.5; Lüke, in: Kübler/Prütting, § 8 0 InsO R d n . 3 4 (8/98); Sm'td/Smid, § 80 InsO Rdn. 21). 166 Vgl. Uhlenhruck, KTS 1989, 2 2 9 , 2 3 5 .

54

§2

Einsatz

externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet

der

Zivilrechtspflege

Aufgaben auf den Verwalter übertragen sind, zieht der Staat sich also nicht etwa aus dem Verfahren zurück; hierzu k o m m t es erst, indem konkrete Entscheidungen der Gläubigerautonomie überlassen bleiben. 1 6 7 Vergleichbar der bereits beschriebenen Funktion des Zwangsverwalters in der Einzelvollstreckung, dessen Aufgaben und Befugnisse dem begrenzten Verfahrensgegenstand entsprechend allerdings wesentlich beschränkter ausfallen, wird also eine Privatperson anstelle eines staatlichen Funktionsträgers mit der selbständigen Erledigung wesentlicher Verfahrensaufgaben betraut und ihr in diesem Sinne partielle, unter der Oberhoheit des Gerichts stehende Verfahrenshoheit verlieren. Die Ziele des (staatlichen) Verfahrens determinieren in diesem Sinne auch die Handlungen des Verwalters. 1 6 8 Systematisch lassen sich insofern im Wesentlichen drei Tätigkeitsarten des Verwalters unterscheiden, die wiederum jeweils eine Vielzahl einzelner Tätigkeitselemente aufweisen. Der Verwalter bereitet zum einen durch Sachverhaltsermittlung und Aufklärung verfahrensrelevante Entscheidungen der Gläubiger vor. Er wirkt insofern zur Vorbereitung der dem Verwertungsverfahren oder dem Insolvenzplanverfahren vorgeschalteten Entscheidung über den Fortgang des Insolvenzverfahrens mit, als er mit seinem Bericht über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und einer Analyse ihrer Ursachen, gutachterlichen Äußerungen zur Sanierungsfähigkeit des schuldnerischen Unternehmens und einer Stellungnahme zur Möglichkeit eines Insolvenzplans mitsamt prognostischer Einschätzung der zu erwartenden Auswirkungen für die Gläubigerbefriedigung (§ 156 I InsO) eine sachliche Grundlage für die Entscheidung der Gläubigerversammlung über den Fortgang des Verfahrens (§ 157 InsO) schafft. Darüber hinaus können die Kenntnisse und Würdigungen des Verwalters generell als Richtschnur für die Verfahrensentscheidungen der Gläubiger gelten. 1 6 9 Im Insolvenzplanverfahren ist der Insol-

167 D e s h a l b k a n n d e r V e r w a l t e r a u c h n i c h t , w i e die G l ä u b i g e r v e r t r e t u n g s t h e o r i e seine A u f g a b e n v e r s t a n d , als „ G l i e d d e r S e l b s t v e r w a l t u n g s o r g a n i s a t i o n d e r G l ä u b i g e r " b e z e i c h n e t w e r d e n (so a b e r Kesseler, Z I P 2 0 0 0 , 1 5 6 5 , 1 5 7 2 u n t e r B e r u f u n g auf Hegmanns, Gläubigerausschuss, S . 5 . Hegmanns zitiert bei d e r V e r w e n d u n g dieses Begriffs a l l e r d i n g s seinerseits F. Baur \Baur/ Stürner, 11. A u f l . , § 5 6 R d n . 1 0 1 8 | . Baur ä u ß e r t sich hier z u m T h e o r i e n s t r e i t ü b e r die R e c h t s s t e l l u n g des K o n k u r s v e r w a l t e r s , i n d e m er jeder T h e o r i e z u t r e f f e n d e A s p e k t e k o n z e d i e r t , so d e r G l ä u b i g e r v e r t r e t u n g s t h e o r i e , d a s s d e r K o n k u r s v e r w a l t e r auch ¡ H e r v o r h e b u n g n u r hier] im Sinne dieser T h e o r i e [vgl. Kohler, Lb., S . 4 0 0 ; Seuffert, K o n k u r s p r o z e ß r e c h t , § 2 6 , S. 1 5 3 ] ein G l i e d d e r S e l b s t v e r w a l t u n g s o r g a n i s a t i o n d e r G l ä u b i g e r sei. G l e i c h w o h l w i r d a u c h v o n Baur die m e h r seitige F r e m d b e s t i m m u n g d e r V e r w a l t e r t ä t i g k e i t i n s g e s a m t b e t o n t [ a a O . R d n . 1 0 1 7 ] u n d d e u t lich g e m a c h t , d a s s es sich bei d e r g l e i c h m ä ß i g e n B e f r i e d i g u n g d e r G l ä u b i g e r in e i n e m g e o r d n e ten V e r f a h r e n u m eine S t a a t s a u f g a b e h a n d e l e , zu d e r e n E r f ü l l u n g d e r S t a a t i n s o w e i t k e i n e eigene B e h ö r d e , s o n d e r n d e n K o n k u r s v e r w a l t e r einsetze | a a O . R d n . 9 5 0 ] . Stürner h a t im Ü b r i g e n in d e r f o l g e n d e n A u f l a g e des W e r k s a u f d a s m i s s v e r s t ä n d l i c h e Z u g e s t ä n d n i s a n die G l ä u b i g e r v e r t r e t u n g s t h e o r i e zu R e c h t v e r z i c h t e t ] B a u r / S t ü r n e r , B a n d II, 12. A u f l . , § 10 R d n . 1 0 . 5 . ] ) .

"• 8 Vgl. Brüning, F u n k t i o n s t r ä g e r , S . 4 5 ; Kluth, N Z I 2 0 0 0 , 3 5 1 , 3 5 2 . 169 Allein d u r c h die A r t d e r D a r s t e l l u n g ( „ C r a s h S z e n a r i e n " etc.) k a n n d e r V e r w a l t e r u . U . m a ß g e b l i c h e n E i n f l u s s a u s ü b e n (vgl. hierzu Ziechmann, in: v. L e o p r e c h t i n g / Z i e c h m a n n ,

V. Externe

Funktionsträger

in den Verfahren

der

InsO

55

venzverwalter zur Vorlage eines Plans berechtigt ( § 2 1 8 1 1 InsO). Die Gläubigerversammlung kann ihm auch den Auftrag zur Erstellung eines Insolvenzplans, gegebenenfalls mit konkreten Zielvorgaben, erteilen (§ 1 5 7 S . 2 InsO). Legt der Schuldner einen Plan vor, den das Gericht nicht aus einem der in § 2 3 1 1 Nr. 1 bis 3 InsO niedergelegten Gründe von Amts wegen zurückgewiesen hat, kommt dem Insolvenzverwalter ein Recht zur Stellungnahme zu ( § 2 3 2 I Nr. 3 InsO). Am Erörterungs- und Abstimmungstermin über den Insolvenzplan nimmt der Verwalter gleichfalls teil (vgl. § 2 3 5 III InsO), wobei er den selbst vorgelegten Insolvenzplan zu erläutern h a t 1 7 0 und im Übrigen als kompetenter Berater bei der Erörterung des Plans zur Verfügung steht. Diese Aufgaben sind vor dem Hintergrund der Einordnung des Insolvenzplans als alternative Verwertungsform zu verstehen. Das Insolvenzplanverfahren ist wie das Verwertungsverfahren im engeren Sinne auf das vorrangige Ziel einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung gerichtet. Da der Insolvenzplan als Grundlage für die Verwertung und Verteilung jedoch erst geschaffen werden muss, verlagert sich die rechtsfürsorgerische Aufgabe hier in das Vorfeld der Beratung bzw. gegebenenfalls der Ausarbeitung eines konkreten Vorschlags. In ihrer rechtsfürsorgerischen Funktion ähneln die Berichts-, Entwurfs- und Vorschlagspflichten des Insolvenzverwalters dabei den Pflichten des Notars zur Sachverhaltsermittlung, zur Belehrung über die rechtliche Tragweite eines Geschäfts ( § 1 7 1 1 BeurkG) und zur rechtskundigen Beratung, die die Beteiligten gleichfalls in die Lage setzen sollen, einen ihren Zielvorstellungen entsprechenden rechtsgeschäftlichen Willen zu bilden (und mit Unterstützung des Notars zu äußern). Der zweite, die Stellung des Verwalters vor allem prägende Tätigkeitskomplex umfasst die Maßnahmen zur Optimierung der Verteilungsmasse im Verwertungsverfahren. Hier liegt die eigentliche

„Vermögensverwaltungstätigkeit".

Das Tätigkeitsspektrum reicht dabei grob skizziert von Verwertungsmaßnahmen im engeren Sinne über die Realisierung von Ansprüchen, die z.T. erst mit InKraft-Treten der insolvenzrechtlichen Haftungsordnung begründet werden, bis zur Unternehmensfortführung. Gerade zur Erfüllung dieses Aufgabenbereichs ist die wirtschaftliche Kompetenz des Insolvenzverwalters genauso bedeutsam wie seine Rechtskunde. Das für die Durchführung des Insolvenzverfahrens wesentliche Mittel zum Zweck ist die Übertragung der dem Schuldner entzogenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (vgl. § 8 0 I InsO). 1 7 1 Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterscheidet sich in einem für die Untersuchung der Justizverfassung entscheidenden Punkt von der Verwaltungs- und VerfügungsS . 2 2 9 f . ; zur Bedeutung des Verwalterberichts vgl. auch Eser, KTS 1 9 8 5 , 2 3 , 2 8 ; Haberbauer/ Meeh, DStR 1 9 9 5 , 2 0 0 5 , 2 0 1 0 ) . 1 7 0 SmidISmid/Rattunde, § 2 3 5 InsO R d n . 4 . 171 Der Zuweisungsakt hegt in der Ernennung des Insolvenzverwalters gem. § 2 7 I InsO (HesslObermüller, Verfahrensheteiligte, R d n . 7 3 2 ) .

56

§2 Einsatz externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

befugnis eines Vermögensverwalters in privatrechtlichen Gewaltverhältnissen. Der Vermögensverwalter, der ein privatrechtliches Gewaltverhältnis ausübt, nimmt seine Verwaltungsmacht zweckgebunden unter staatlicher Kontrolle, aber nicht verfahrenszweckgebunden als Funktionsträger in einem Verfahren wahr. 1 7 2 Der Insolvenzverwalter übt dagegen in seiner Position als Vermögensverwalter Rechtsmacht als Funktionsträger des Insolvenzverfahrens, d.h. im Sinne der insolvenzrechtlichen Haftungsordnung, aus. 1 7 3 Seine Tätigkeit ist der Verfahrensteil der Verwertung, zu dessen eigenständiger Durchführung dem Insolvenzverwalter ein Teil der Verfahrenshoheit unter gerichtlicher Oberhoheit übertragen ist. Flankiert wird die verfahrenszielorientierte Vermögensverwaltung im Übrigen durch die Sicherungsfunktion, die mit dem Einsatz des Verwalters verbunden ist. Der dritte Tätigkeitsbereich erfasst die dem Verwalter zugewiesenen Abwicklungs- bzw. Vollzugsmaßnahmen. Hierbei handelt es sich zunächst um verfahrenstechnische Abwicklungsaufgaben wie die Führung der Insolvenztabelle (§§ 1 7 4 , 1 7 5 InsO) und die Aufstellung der Verzeichnisse (§§ 151ff. InsO). Der Verwalter nimmt außerdem die Verteilung der Haftungsmittel nach Maßgabe der §§ 187ff. InsO vor (§ 1 8 7 III 1 InsO). Um eine Abwicklungsmaßnahme und nicht um eine Maßnahme der Vermögensverwaltung handelt es sich schließlich auch bei der Auseinandersetzung mit Aussonderungsberechtigten, für die der Insolvenzverwalter gleichfalls zuständig ist. 1 7 4 Wie der Zwangsverwalter handelt auch der Insolvenzverwalter in seinem Tätigkeitsbereich selbständig und eigenverantwortlich (vgl. § 6 0 I InsO), unterliegt allerdings einer verfahrensimmanenten Aufsicht des Insolvenzgerichts ( § 5 8 I InsO). Ein wesentlicher konzeptioneller Unterschied zu dem Einbindungsmodell der Zwangsverwaltung liegt allerdings darin, dass sowohl im Hinblick auf die Aufgaben des Verwalters als auch die hiermit korrespondierende Aufsichtspflicht des Gerichts zu berücksichtigen ist, dass das Verfahren Raum für gläubigerautonome Entscheidungen lässt. Betrachet man die für die Durchführung des Verfahrens zuständige Funktionseinheit, so ergibt sich, nicht anders als bei der Zwangsverwaltung, dass erst Gericht und Verwalter zusammen die Funktionseinheit bilden, die zur Abwicklung des Verfahrens zur Verfügung gestellt werden muss. Den internen und externen Funktionsträgern

sind zwar unterschiedliche

Verfahrensaufgaben

Vgl. oben § 2 1. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 15.01; wohl a.A. Holzer/Kleine-Cosack/Prütting, Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 14 (Verwalter habe private Interessen unter öffentlicher Aufsicht wahrzunehmen), anders jedoch S. 24 Fn 83 (Verwalter gehöre zum Rechtspersonal des Staates im weiteren Sinne). 1 7 4 Zur Zuständigkeit des Verwalters: Andres, in: Nerlich/Römermann, § 4 7 InsO Rdn. 59 (1/99); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 11.26.; Prütting, in: Kübler/Prüting, § 4 7 InsO Rdn.76 (6/99); Smid/Smid, § 4 7 InsO Rdn.3f. 172 173

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zugewiesen. 1 7 5 Im Hinblick auf die Durchführung des Verfahrens wirken sie jedoch zusammen. Das Insolvenzverfahren kann geradezu als Prototyp eines Verfahrens unter Einbindung eines externen Funktionsträgers in eine solche „gemischte" Funktionseinheit angesehen werden. Die Aufgabenvielfalt des Insolvenzverwalters entspricht dabei der Komplexität des Verfahrens, das vollstreckungsrechtliche Elemente im engeren Sinne und rechtsfürsorgerische Elemente verbindet. 1 7 6 Das Grundkonzept der Einbindung eines externen Funktionsträgers in die für die Durchführung des Verfahrens erforderliche Funktionseinheit findet gleichermaßen im vereinfachten Insolvenzverfahren sowie im Verfahren der Eigenverwaltung Anwendung. Der Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren nimmt die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahr ( § 3 1 3 I 1 InsO). Bei der Eigenverwaltung fungiert der Schuldner selbst unter der Aufsicht eines Sachwalters als „Verwalter" (vgl. § 2 7 0 I InsO). 1 7 7 Wie vergleichsweise im Fall der Zwangsverwaltung durch den Schuldner selbst übt der Schuldner nunmehr in seiner Verwaltereigenschaft die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das haftende Vermögen aus; er hat sich also bei seinen Verwaltungsmaßnahmen an der Haftungsordnung des Insolvenzrechts und dem Verfahrenszweck der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zu orientieren. Die in der gleichzeitigen Schuldnerposition des Eigenverwalters angelegte mögliche Gefährdung der Gläubigerinteressen soll durch konkrete Zustimmungserfordernisse und Mitwirkungsbefugnisse des Sachwalters (vgl. § § 2 7 5 I, 2 7 9 , 2 8 2 II InsO) sowie die allgemeine Aufsicht des Sachwalters über die Geschäftsführung des Eigenverwalters ( § 2 7 4 II InsO) verhindert werden. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Insolvenzverfahren geprägt ist durch eine Funktionenverteilung zwischen dem Insolvenzgericht auf der einen Seite, wobei hier wiederum zwischen den Zuständigkeiten des Richters und des Rechtspflegers unterschieden werden muss, und dem Insolvenzverwalter auf der anderen Seite. Insgesamt gesehen ist die Durchführung eines Insolvenzverfahrens einer Funktionseinheit überantwortet, die sich aus den internen staatlichen Funktionsträgern und dem externen Funktionsträger zusammensetzt. Der „Personalbestand" dieser Funktionseinheit muss zwingend durch die Hinzuziehung des Privaten ergänzt werden. Die Funktionseinheit, die das einzelne Insolvenzverfahren durchführen wird, konstituiert sich erst mit der Ernennung des Insolvenzverwalters. Als Konsequenz dieser Konzeption sieht § 2 7 I InsO etwa ausdrücklich eine notwendige Verbindung von Verfahrenseröffnung und Verwalterbestellung vor. 1 7 5 Zu den vereinzelten Doppelzuständigkeiten vgl. Holzer, Entscheidungsträger, Rdn. 534ff. 1 7 6 Vgl. oben § 2 II. 2. a). 177 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 8.15; Hess/Weis, § 2 7 0 InsO Rdn. 17; vgl. auch Pape, in: Kübler/Prütting, § 2 7 0 InsO Rdn.l (1/99).

58 d) Der

§2 Einsatz externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

Sachwalter

Fungiert der Schuldner im Eigenverwaltungsverfahren (§§ 270ff. InsO) selbst als „Insolvenzverwalter", wird seine Tätigkeit durch den Sachwalter überwacht (§274 II, III InsO). Die Figur des Sachwalters im Insolvenzverfahren ähnelt in der Systematik der Justizverfassung der einer Aufsichtsperson nach § 1 5 0 c ZVG. 1 7 8 Soweit der Sachwalter eine schlichte Beobachtungsfunktion ausübt, nimmt er keine verselbständigte Verfahrensaufgabe wahr, sondern dient lediglich als Informationsquelle für das Insolvenzgericht, aber auch für die Gläubiger (vgl. § 2 7 4 III InsO). Daneben umfasst der Kompetenzbereich des Sachwalters jedoch auch verschiedene gesetzlich vorgesehene bzw. gerichtlich angeordnete Aufgaben, die bei der Aufgabenverteilung innerhalb der gemischten Funktionseinheit im Hinblick auf die Leistung staatlicher Justizgewährung als „Unterstützung" der Verwalterseite qualifiziert werden können. 1 7 9 Funktionale „Verwaltertätigkeit" liegt sowohl bei der Wahrnehmung der Mitwirkungsbefugnisse nach den § § 2 7 5 , 276 I, 279 InsO vor als auch bei der Erfüllung der Prüfungspflichten 1 8 0 nach § 2 8 1 InsO. Gleiches gilt für die gem. § 280 InsO dem Sachwalter und nicht dem Schuldner-Insolvenzverwalter übertragenen Aufgaben, Gesamtschäden der Insolvenzgläubiger, die diese durch eine Verminderung der Insolvenzmasse erlitten haben (§ 92 InsO), und Ansprüche aufgrund der persönlichen Haftung der Gesellschafter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (§93 InsO) geltend zu machen sowie das Anfechtungsrecht auszuüben. Im Hinblick auf die institutionellen Grundlagen staatlicher Justizgewährung kommt der Figur des Sachwalters wie der einer Aufsichtsperson nach § 150 c Z V G allerdings keine eigenständige Bedeutung zu. Es handelt sich vielmehr um einen Unterfall der Rechtsfigur des Verwalters. 2. Verfahren zur Ü b e r w a c h u n g der Planerfüllung Das Verfahren zur Überwachung der Planerfüllung (§260 InsO) kann sich an das - mit rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans aufzuhebende (§258 I InsO) - Insolvenzverfahren anschließen. Gegenstand des Verfahrens ist zunächst die Kontrolle der Planerfüllung mit dem Ziel, die Gläubiger von Verstößen in Kenntnis zu setzen, damit sie ihre Rechte wahren, insbesondere rechtzeitig die Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens beantragen können. Die Aufgabe der 178

Vgl. oben § 2 IV. 3. b) aa). Vgl. Bork, Einführung, R d n . 4 0 6 („Aufteilung der Insolvenzverwalterkompetenzen); Riggert, in: N e r l i c h / R ö m e r m a n n , § 2 7 4 InsO R d n . 2 (11/00). 180 Z u m Teil wird darauf hingewiesen, dass der Sachwalter hier weniger als Überwachungsorgan, sondern eher als Berater des Schuldner-Insolvenzverwalters angesehen werden könne (Pape, in: Kübler/Prütting, § 2 8 1 InsO R d n . 3 (8/98); insoweit kritisch gegenüber der gesetzlichen Regelung: Smid/Nellessen, InVo 1998, 113, 114). 179

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Planüberwachung weist § 2 6 1 I 1 InsO dem bisherigen Insolvenzverwalter zu, dessen Amt zu diesem Zweck fortbesteht (§ 2 6 1 I 2 InsO). 1 8 1 Der Schuldner ist dementsprechend zur Auskunft gegenüber dem Insolvenzverwalter verpflichtet; dem Verwalter stehen die gleichen Untersuchungsmöglichkeiten zu wie einem vorläufigen Verwalter (§ 2 6 1 I 3 i.V.m. § 2 2 III InsO). Außerdem kann im Insolvenzplan geregelt werden, dass zur Wirksamkeit bestimmter Geschäfte während der Überwachungszeit die Zustimmung des Insolvenzverwalters erforderlich ist ( § 2 6 3 InsO). Auch in diesem Verfahren besteht eine enge Rückkoppelung an das Insolvenzgericht, dem der Verwalter - wie dem Gläubigerausschuss - Verstöße gegen den Insolvenzplan mitzuteilen hat ( § 2 6 2 S. 1 InsO). Außerdem unterliegt der Verwalter als solcher in diesem Verfahren der Verfahrensaufsicht des Insolvenzgerichts nach 5 8 I I n s O . 1 8 2 Im Planüberwachungsverfahren dient die Überwachung durch den Verwalter nicht primär der Unterstützung des selbst die Aufsicht führenden Gerichts, sondern ist ein eigenständiger Verfahrensgegenstand, der dem Verwalter zur exklusiven Erledigung übertragen ist. Übt der Verwalter zugleich die Zustimmung zu bestimmten Geschäften aus, enthält das Planüberwachungsverfahren sogar Elemente eines echten (Vermögens-) Verwaltungsverfahrens und stellt in diesem Sinne gewissermaßen eine Fortsetzung des Insolvenzverfahrens dar. Trotz der vollständigen Delegierung der Verfahrensaufgaben auf den Verwalter kann jedoch nicht von einer gänzlichen Übertragung der Verfahrenshoheit auf den Verwalter ausgegangen werden. Da der Verwalter seinerseits wieder der gerichtlichen Aufsicht unterliegt, kommt vielmehr auch in diesem Verfahren das Modell der gemischten Funktionseinheit zur Anwendung. Mit dem Verwalter im Planüberwachungsverfahren wird keine neue Rechtsfigur geschaffen, sondern auf die institutionellen Grundlagen zurückgegegriffen, die bereits die Durchführung des Insolvenzverfahrens ermöglichen.

3.

Restschuldbefreiungsverfahren

Während der sog. Wohlverhaltensperiode oder Treuhandphase hat der Schuldner den dem Restschuldbefreiungsverfahren unterliegenden Teil seiner Einkünfte (vgl. § § 2 8 7 II, 2 9 5 InsO) auf einen Treuhänder zu übertragen, der turnusmäßig die Verteilung unter die Insolvenzgläubiger nach Maßgabe des 181 Die Parteien können aufgrund ihrer Vertragsfreiheit auch eine andere Überwachungsform vorsehen, etwa die Überwachung durch einen von den Gläubigern bestimmten Sachwalter (Begr. BReg., BT-Drucks. 12/2443, S . 2 1 5 zu § 3 0 7 InsO-E; Otte, in: Kübler/Prütting, § 2 6 1 InsO Rdn.4 (8/98)). Sie nehmen in diesem Fall das Planüberwachungsverfahren nicht in Anspruch. Insofern ist es konsequent, wenn die amtliche Begründung feststellt, dass in diesem Fall die Rechtsfolgen des Überwachungsverfahrens nicht greifen (Begr. BReg., BT-Drucks. 12/2443, S . 2 1 5 zu § 3 0 7 InsO-E; vgl. auch Otte, in: Kübler/Prütting, § 2 6 1 InsO Rdn.3 (8/98); a.A. Sm'idlSmid/Rattunde, § 2 6 0 InsO Rdn.5). 1 8 2 Begr. BReg., BT-Drucks. 12/1443, zu § 3 0 8 , S . 2 1 5 .

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auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

Schlussverzeichnisses vornimmt ( § 2 9 2 I 2 InsO). Die Gläubiger können während des Verfahrens nur mittels der Realisierung ihrer jeweiligen Auszahlungsansprüche gegen den Treuhänder Befriedigung ihrer Insolvenzforderungen erlangen. Hinzu kommt, dass durch den gegenüber dem Insolvenzgericht gem. § 2 9 2 III 1 InsO zur Rechnungslegung verpflichteten Treuhänder das Zahlungsverhalten des Schuldners innerhalb des Verfahrens transparent gemacht wird. In diesen Tätigkeiten liegt jedoch keine dem Treuhänder zugewiesene Entscheidungs-, Beurteilungs- oder Einwirkungskompetenz. Ist ihm nicht zusätzlich die Überwachung der Schuldnerobliegenheiten übertragen (vgl. § 2 9 2 II InsO; dazu im Folgenden), beschränkt sich seine Funktion im Verfahren auf die einer Sammlungs- und Verteilungsstelle. Inhaltliche Prüfungen oder Verwertungsmaßnahmen zählen nicht zu seinem Aufgabenbereich. 1 8 3 Er ist auch nicht verpflichtet, nach § 2 9 5 I Nr. 3 InsO Auskünfte von dem Schuldner über seine Erwerbstätigkeit, seine Erwerbsbemühungen und seine Vermögenssituation zu verlangen oder entgegenzunehmen (um dokumentieren zu können, dass der Schuldner seiner Auskunftsobliegenheit nachgekommen ist). Die Tätigkeit des Treuhänders erschöpft sich also in der schlichten Verwaltung der für das Restschuldbefreiungsverfahren eingesetzten Mittel. Er ist der Tat nichts anderes als „Treuhänder", und zwar hier in der Form einer „gesetzlichen Treuhand mit rechtsgeschäftlichen Elementen". 1 8 4 Insofern ähnelt seine Stellung der eines Vermögensverwalters, der ein privatrechtliches Gewaltverhältnis unter staatlicher Aufsicht ausübt. In diesem Sinne sind auch die Eignungskriterien, die an den Treuhänder zu stellen sind, nicht mit den Eignungskriterien identisch, die der Insolvenzverwalter zu erfüllen hat; die Anforderungen des § 5 6 InsO gelten hier nicht. 1 8 5 Als Treuhänder kommen etwa auch die Schuldnerberater kommunaler oder karitativer Stellen in Betracht. 1 8 6 Wenn nur die Regelaufgabe des Verwaltens und Verteilens der Tilgungsmittel erfüllt werden soll, können selbst Verwandte des Schuldners diese Aufgabe übernehmen. 1 8 7 Charakterisiert man die eigentlichen staatlichen Verfahrensaufgaben im Restschuldbefreiungsverfahren, so handelt es sich zum einen um den Komplex der Entscheidung über die Gewährung oder Versagung der Restschuldbefreiung und 183 Ahrens in Kohte/Ahrens/Grote, § 2 9 5 InsO Rdn.42; Hoffmann, Verbraucherinsolvenz, S. 132; Römermann, in: Nerlich/Römermann, § 2 9 5 InsO R d n . 3 0 (7/02); Uhlenbruck/Va/fewder, § 2 9 5 InsO Rdn.39; a.A. Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 161. 184 Smid/Haarmeyer, § 2 9 2 InsO Rdn.2; a.A. Brüning, Funktionsträger, S.46 („mit eingeschränkten Aufgaben tätiger Insolvenzverwalter"). 185 Fuchs, in: Kölner Schrift zur InsO, Rdn. 186; Goetsch, in: Breutigam/Blersch/Goetsch, § 2 8 8 InsO Rdn. 5 (8/00); Smid/Haarmeyer, § 2 8 8 InsO Rdn. 3; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch, Kap. 8 R d n . 2 4 6 . 186 Grote, in: Kohte/Ahrens/Grote, § 2 8 8 InsO Rdn. 9; Wenzel, in: Kübler/Prütting, § 2 8 8 InsO Rdn.2 (10/03). 1 8 7 Braun/Buck, § 2 8 8 Rdn.2; Hess/Hess, § 2 8 8 InsO Rdn.3; Römermann, in: Nerlich/Römermann, § 2 8 8 InsO Rdn. 17 (1/99); a.A. Smid/Haarmeyer, § 2 8 8 InsO Rdn.3; Smid, Grundzüge, § 3 1 Rdn.21; Trendelenburg, S.238.

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zum anderen um den Komplex der Bestellung und Überwachung des Treuhänders. Eine Verfahrensaufgabe, zu deren Erledigung dem Treuhänder ein Teil der Verfahrenshoheit gewährt worden wäre, ist dabei nicht vorgesehen. Der Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren ist somit (anders als der VerwalterTreuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren) kein Funktionsträger, der die zur Durchführung des Verfahrens erforderliche Funktionseinheit ergänzt. Hat der Treuhänder zusätzlich die Einhaltung der Schuldnerobliegenheiten zu überwachen ( § 2 9 2 II InsO), ist es seine Aufgabe, Verstöße den Gläubigern „unverzüglich" mitzuteilen ( § 2 9 2 II 2 InsO), damit ihnen Gelegenheit gegeben wird, von ihrem Recht, die Versagung der Restschuldbefreiung zu beantragen ( § 2 9 6 I 1 InsO), Gebrauch zu machen. Die Überwachungspflicht des Treuhänders ähnelt auf den ersten Blick der Überwachungspflicht des Insolvenzverwalters im Planüberwachungsverfahren. Ihm kommt jedoch weder das Auskunftsrecht gegenüber dem Schuldner zu noch räumt die InsO ihm eine sonstige Möglichkeit zur Unterrichtung ein. Den Schuldner trifft vielmehr - wie in Verfahren ohne Überwachung durch den Treuhänder - lediglich die AuskunftsObliegenheit nach § 295 I Nr. 3 InsO, wonach er auf Verlangen sowohl den Treuhänder als auch das Gericht zu unterrichten hat. Dementsprechend unterliegt der Treuhänder auch keiner verfahrensrechtlichen Überwachungspflicht, bei deren Verletzung er den Gläubigern auf Schadensersatz haftete, wenn trotz einer Obliegenheitsverletzung des Schuldners Restschuldbefreiung erteilt wird und nicht mehr widerrufen werden kann (vgl. § 303 II InsO). Nach § 292 III 2 InsO sind zwar die Vorschriften über die Aufsicht und Entlassung des Insolvenzverwalters, nicht aber die Haftungsregelung des § 60 InsO entsprechend anwendbar. 188 Eine Haftung kommt somit allenfalls wegen einer Verletzung des Treuhandverhältnisses zu den Gläubigern nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung ( § 2 8 0 1 BGB) 1 8 9 oder in Analogie zu der für den Vormund geltenden Haftungsregelung (§ 1833 BGB) 1 9 0 in Betracht. Auch diese Art der Treuhand, die Informationspflichten gegenüber den Treugebern, also den Gläubigern, einschließt, stellt somit nichts anderes dar als ein gesetzliches Treuhandverhältnis mit rechtsgeschäftlichen Elementen. Die Zuwei1 8 8 Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift kann eine Haftung in entsprechender Anwendung des § 60 InsO nicht befürwortet werden (so auch Braun/Buck, § 2 9 2 InsO Rdn. 16; Grote, in: Kothe/Ahrens/Grote, § 2 9 2 InsO Rdn. 29; Hess/Hess, § 2 9 2 InsO Rdn. 15; Römermann, in: Nerlich/Römermann, § 2 9 2 InsO Rdn. 62 (7/02); Uhlenbruck/Va/fe«iier, § 2 9 2 InsO Rdn. 11; Wenzel, in: Kübler/Prütting, § 2 9 2 InsO Rdn. 16 (10/03); offen gelassen Maier/Krafft, BB 1997, 2 1 7 3 , 2 1 7 8 ; a.A. Häsemeyer, Insolvenzrecht, R d n . 2 6 . 3 2 ; H K - I n s O / L a n d f e r m a n n , § 2 9 2 Rdn. 14; Müller, ZInsO 1999, 3 3 5 , 339). 189 Grote, in: Kothe/Ahrens/Grote, § 2 9 2 InsO Rdn. 31; Hess/Hess, § 2 9 2 InsO Rdn. 17; Römermann, in: Nerlich/Römermann, § 2 9 2 InsO Rdn. 64 (7/02); Wenzel, in: Kübler/Prütting, § 2 9 2 InsO Rdn. 17 (10/03). 190 Döbereiner, Restschuldbefreiung, S . 3 4 9 ; Grote, in: Kothe/Ahrens/Grote, § 2 9 2 InsO Rdn. 32; dagegen Römermann, in: Nerlich/Römermann, § 2 9 2 InsO Rdn. 63 (7/02).

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sung einer Verfahrensaufgabe des Rechtsschuldbefreiungsverfahrens, die die personelle Ergänzung der staatlichen Funktionseinheit zur D u r c h f ü h r u n g des Verfahrens erforderlich machte, kann hierin nicht gesehen werden. Der Gegenstand des Restschuldbefreiungsverfahrens beschränkt sich - ungeachtet der erweiterten Inpflichtnahme des Treuhänders - auf die beiden Komplexe der Entscheidung über die Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung und die Bestellung und Überwachung des Treuhänders. Der Treuhänder ist also, anders als der Insolvenzverwalter (und der Verwalter-Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren), kein externer Funktionsträger, der partielle Verfahrenshoheit ausübt. Demzufolge handelt es sich nicht um eine Rechtsfigur, die für das Justizverfassungsrecht von Relevanz ist.

4. E r ö f f n u n g s v e r f a h r e n Das Eröffnungsverfahren unterscheidet sich nach Gegenstand und Verfahrenszielen vom späteren Insolvenzverfahren. Primäres Verfahrensziel ist die Entscheidung über den Eröffnungsantrag. Im Regelfall tritt hierzu der weitere Verfahrenszweck, die künftige Insolvenzmasse vor Manipulationen zu schützen 1 9 1 , also die Sicherung und Erhaltung der künftigen Insolvenzmasse' 9 2 , und erforderlichenfalls die Fortsetzung eines Unternehmens zur Ermöglichung der Sanierung (vgl. § 22 I 2 Nr. 2 InsO). Gem. § 21 InsO hat das Insolvenzgericht vor der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung erforderlichenfalls Sicherungsmaßnahmen zu verhängen, um negativen Entwicklungen der Vermögenslage des Schuldners vorzubeugen. Dieses „Sicherungsziel" ist sowohl vom Verwertungsziel des späteren Insolvenzverfahrens als auch vom Sanierungsziel des Insolvenzplanverfahrens zu unterscheiden, wenn es auch bereits auf die Verwirklichung späterer Verfahrensziele ausgerichtet ist. Die Ausrichtung auf spätere Verfahrensziele f ü h r t lediglich dazu, dass das Sicherungsziel nicht statisch i.S. des bloßen Bewahrens eines Status q u o verstanden werden kann. N a c h § 21 II Nr. 1 InsO kann hierzu ein vorläufiger Insolvenzverwalter (früher sog. Sequester) bestellt werden. 1 9 3 Verhängt das Gericht zugleich gegen den Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot ( § 2 1 II Nr. 2 InsO) 1 9 4 , so wird die 191

Haarmeyer/Wutzke/Förster, H a n d b u c h , Kap. 3 R d n . 2 3 5 ; Häsemeyer, Insolvenzrecht, R d n . 7 . 4 0 ; Smid, W M 1995, 785, 787; S m i d I S m i d / T h i e m a n n , § 2 1 InsO R d n . 2 . 192 Blersch, in: Breutigam/Blersch/Goetsch, § 2 1 InsO R d n . 1 (12/02); Mönnnig, in: Neriich/ R ö m e r m a n n , § 2 1 InsO R d n . 12 (4(02); Smid, W M 1995, 785, 787; SmidlSmid/Thiemann,§2\ InsO R d n . 2 ; Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur InsO, R d n . 6 , 12; Vallender, D Z W i R 1999, 265. 193 Wegen der unterschiedlichen Verfahrensziele des Eröffnungsverfahrens und des Insolvenzverfahrens darf der vorläufige Verwalter nicht als ein „Vor-Insolvenzverwalter" angesehen werden ( B G H Z 86, 190, 195f.; Bork, Einführung, R d n . 104; Pape, Z I P 1994, 89, 96; Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur InsO, R d n . 6; vgl. auch Feuerborn, KTS 1997, 171, 184). 194 Absolutes Verfügungsverbot (vgl. Blersch, in: Breutigam/Blersch/Goetsch, § 2 4 InsO

V. Externe Funktionsträger in den Verfahren der InsO

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Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis kraft Gesetzes dem vorläufigen Verwalter zugewiesen ( § 2 2 I 1 InsO). Der Aufgabenkreis des vorläufigen Verwalters mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ist nunmehr in § 2 2 II 2 Nr. 1 bis Nr. 3 1. Hs. InsO umrissen. Dagegen muss der Pflichtenkreis des Verwalters ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis durch das Insolvenzgericht bestimmt werden (§ 2 2 II 1 InsO). In beiden Fällen gilt jedoch, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter ein eigenständiger Aufgabenbereich im Hinblick auf das Sicherungsziel des Eröffnungsverfahrens zugewiesen ist. Er untersteht dabei - ebenso wie der mit Verfahrenseröffnung eingesetzte Insolvenzverwalter - der Aufsicht des Insolvenzgerichts, ist entsprechend § 6 6 InsO zur Rechnungslegung verpflichtet und haftet wegen Pflichtverletzungen persönlich (vgl. § 2 1 II Nr. 1 InsO). Der Umstand, dass der Einsatz eines vorläufigen Insolvenzverwalters lediglich fakultativ vorgesehen ist, also nicht generell zum notwendigen personellen Bestand des Eröffnungsverfahrens gehört, spricht nicht dagegen, den zur Verwirklichung des Sicherungszwecks des Verfahrens eingesetzten und mit eigenständigen Verfahrensaufgaben betrauten vorläufigen Verwalter als einen externen Funktionsträger anzusehen, der Rechtspflegeaufgaben übernimmt, die der Staat ansonsten durch eigene Funktionsträger erbringen müsste. Dass im Eröffnungsverfahren nicht in jedem Fall ein Zusammenwirken von Insolvenzgericht und einem vorläufigen Insolvenzverwalter vorgesehen ist, folgt lediglich daraus, dass Umfang und Intensität der im Einzelfall erforderlichen staatlichen Rechtspflegetätigkeit sich nach den konkreten Sicherungsbedürfnissen richten. Das Ausmaß der staatlichen Rechtsfürsorgemaßnahmen im Insolvenz-Eröffnungsverfahren ist für jedes einzelne Verfahren individuell zu bestimmen. Hiernach richtet sich zugleich, welches „Personal" für die Verfahrensabwicklung erforderlich ist. K a n n die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis dem Schuldner nicht oder nicht uneingeschränkt belassen bleiben, weil dieser Zustand nicht geeignet wäre, einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners hinreichend entgegenzuwirken, ergibt sich die konkrete Verfahrensaufgabe, im Interesse der Gläubiger „vorläufigen Rechtsschutz" zu leisten. W i r d zur Wahrnehmung dieser Aufgabe ein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt, so nimmt der vorläufige Insolvenzverwalter unter der Oberhoheit des Gerichts partiell Verfahrenshoheit wahr. Im Einzelnen ergibt sich dabei folgendes Bild: Wird das Eröffnungsverfahren unter Einsatz eines vorläufigen Verwalters mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis durchgeführt, d.h. dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt ( § 2 1 II N r . 2 InsO) und ein vorläufiger Rdn.3 (12/02); Bork, Einführung, Rdn.106; Gerhardt, in: Kölner Schrift zur InsO, Rdn.5; ders. ZZP 109 (1996), 415, 419; ders., FS 100 Jahre KO, S. 111,121; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch, Kap. 3 Rdn.262; Braun/KiW, §21 InsO Rdn.12; Mönning, in: Nerlich/Römermann, § 21 InsO Rdn. 50 (3/02); Obermüller/Hess, InsO, Rdn. 150; FK-InsO/Schmerbach, § 21 Rdn.28; Smid/Smid/Tkiemann, § 21 InsO Rdn. 33 [anders noch Smid, WM 1995, 785, 7871); HessIWienberg, §22 InsO Rdn. 24.

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auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

Verwalter ( § 2 1 II Nr. 1 InsO) bestellt 1 9 5 , heißt das, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis einer Person zugewiesen wird, die sie im Interesse des Sicherungsziels des Eröffnungsverfahrens ausübt, so dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter eine eigene Verfahrensaufgabe zukommt. 1 9 6 Die Gewähr vorläufigen Rechtsschutzes im Eröffnungsverfahren erfolgt also unter Einsatz eines externen Funktionsträgers. Die durch den individuellen Sicherungszweck konkretisierte Rechtspflegeaufgabe lässt der Staat nicht allein durch seine internen Funktionsträger erfüllen, sondern er überträgt sie einer Funktionseinheit, die durch den hinzutretenden externen Funktionsträger vervollständigt wird. Dabei ist das Aufgabengebiet des vorläufigen Verwalters bereits gesetzlich umrissen, so dass dieser Verwaltertypus insofern auch als vorläufiger Insolvenzverwalter mit gesetzlicher Kompetenzzuweisung bezeichnet werden kann. 1 9 7 Bei dem Insolvenz-Eröffnungsverfahren mit Einsatz eines vorläufigen Verwalters ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (vgl. § § 2 1 II Nr. 1, 22 II InsO) sowie als Unterform hierzu dem Insolvenz-Eröffnungsverfahren mit Einsatz eines vorläufigen Verwalters mit (genereller oder beschränkter 1 9 8 ) Zustimmungsbefugnis (vgl. § 2 1 II Nr. 2 InsO) handelt es sich gleichfalls um Eröffnungsverfahren mit konkretisierten Sicherungszielen. Auch in diesen Fällen wird, wenn auch nicht mit gleicher Intensität wie bei Entzug der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners, im Interesse der Gläubiger vorläufiger Rechtsschutz geleistet. Die Aufgaben, die der vorläufige Insolvenzverwalter hier zu erfüllen hat, ergeben sich nicht ausdrücklich aus dem Gesetz 1 9 9 , sondern werden seitens des Gerichts angeordnet. 2 0 0 Es handelt sich hier also um einen vorläu195 Diese K o m b i n a t i o n ist eine zwingende Folge der Entscheidung, das Verfügungsverbot zu verhängen, da auch w ä h r e n d des Eröffnungsverfahrens ein Verfügungsbefugter v o r h a n d e n sein muss. Das Sicherungsmittel des § 2 1 II Nr. 1 InsO k o m m t also n u r in R a h m e n einer „vorläufigen Insolvenzverwaltung" in Betracht (vgl. Bork, Einführung, R d n . 107; Gerhardt, in; Kölner Schrift zur InsO, R d n . 8 ; ders. Z Z P 109 (1996), 4 1 5 , 4 1 9 ; ders., FS für Fiume I, S . 5 2 7 , 532; Haarmeyer/Wutzke/Förster, H a n d b u c h , Kap. 3 R d n . 2 6 5 ; Mönning, in: N e r l i c h / R ö m e r m a n n , § 2 1 InsO R d n . 5 3 (4/02); Obermüller/Hess, InsO, R d n . 151; Pape, in: Kübler/Prütting, § 21 Ins O R d n . 2 3 (3/02); Smid/Smid/Thiemann,%21 R n . 2 3 ; Hess /Wienberg, § 2 1 InsO R d n . 27; /. E. Blersch, in: Breutigam/Blersch/Goetsch, § 2 1 InsO R d n . 24; vgl. auch HK-InsO/Kirchhof, § 2 1 InsO R d n . 17 (sollte regelmäßig n u r mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters v o r g e n o m m e n werden, d a m i t Verfügungen möglich bleiben); a.A. LG Göttingen, N Z I 1999, 330; Kießling/Singhof, D Z W I R 2 0 0 0 , 353, 361; F K - I n s O / S c h m e r b a c h , § 21 R d n . 31; vgl. auch O L G Jena, N Z I 2 0 0 0 , 2 7 1 . 196 Bork, E i n f ü h r u n g , R d n . 104; FK-InsO /Schmerbach, § 2 2 InsO R d n . 5 a; Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur InsO, R d n . 5 (Rechtsstellung des vorläufigen Verwalters mit Verwaltungsund Verfügungsbefugnis sei der des endgültigen Verwalters stark angenähert.); vgl. auch Blersch, in: Breutigam/Blersch/Goetsch, § 2 2 InsO R d n . 4 (12/02); Delhaes, N Z I 1998, 102, 103. 197 So Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur InsO, R d n . 12. 198 Z . B Z u s t i m m u n g zu Verfügungen über G r u n d s t ü c k e oder Grundstücksrechte (Blersch, in: Breutigam/Blersch/Goetsch, § 2 1 InsO R d n . 30 (12/02); Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur InsO, R d n . 16). 199 § 2 2 II 2 InsO verbietet lediglich, dass die Aufgaben und Befugnisse des vorläufigen Ver-

VI.

Nachlassverwalter

65

figen Insolvenzverwalter mit gerichtlicher Kompetenzzuweisung. 2 0 1 Die Ähnlichkeit, die die Rechtsstellung des vorläufigen Verwalters mit der eines Insolvenzverwalters aufweist, zeigt sich vielleicht nicht mit gleicher Deutlichkeit wie im Fall des vorläufigen Verwalters mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, obwohl § 2 1 II Nr. 1 InsO die Übertragung der Regelungen, die für den Insolvenzverwalter gelten, ausdrücklich für alle Formen vorläufiger Insolvenzverwaltung anordnet. Die Notwendigkeit gerichtlicher Kompetenzzuweisung ändert jedoch nichts daran, dass in diesem Fall gleichermaßen Justizgewährung mit dem Ziel eines vorläufigen Rechtsschutzes geleistet werden soll, wobei die dafür vorgesehene Funktionseinheit der personellen Ergänzung durch den externen Funktionsträger bedarf.

VI.

Nacblassverwalter

O b w o h l es sich nicht um ein Vollstreckungsverfahren handelt, sondern um ein Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, kann auch das Nachlassverwaltungsverfahren wegen der systematischen Parallelen in der Abwicklung im K o n text des Zwangsverwaltungs- und Insolvenzverfahrens behandelt werden. Die Nachlassverwaltung ist gesetzlich als ein Unterfall der Nachlasspflegschaft geregelt. Das vorrangige Ziel des Verfahrens ist jedoch die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten. 2 0 2

Das Verfahren bedient sich deshalb zum

Z w e c k der Befriedigung der Nachlassgläubiger zum Teil rechtlicher Instrumente, die denen der Zwangsvollstreckung angenähert sind. 2 0 3 D e r Nachlass wird als haftendes Sondervermögen separiert ( § 1 9 7 5 B G B ) . 2 0 4 Die Verpflichtungs-, Verfügungs-, Erwerbs- und Prozessführungsbefugnis des Erben in Bezug auf den Nachlass geht auf den Nachlassverwalter über, der den Nachlass zu verwalten, d.h. in seinem Bestand zu erhalten sowie nach den Regeln einer ord-

walters die eines vorläufigen Verwalters mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis überschreiten. 2 0 0 Da die Verfahrensziele jedoch konkrete Sicherungsaufgaben vorgeben, ist zu unterscheiden zwischen den Aufgaben, die der konkreten Anordnung bedürfen, und solchen, welche zu den „selbstverständlichen Pflichten" des vorläufigen Insolvenzverwalters gehören (vgl. Uhlenbruch, in: Kölner Schrift zur InsO, Rdn. 14). 201 Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur InsO, Rdn. 12. 2 0 2 Palandt/Edenhofer, § 1985 BGB Rdn. 5; Kipp/Coing, Erbrecht, § 97; Staudinger/Maroföke, § 1985 BGB Rdn. 10; Etman/Schlüter, § 1985 BGB Rdn.4; MünchKomm-BGB/S/'egmaw», § 1985 Rdn.8; Jauernig/Stiirner, §1985 BGB Rdn.5; vgl. auch Pütter, Nachlassverwalter, S. 170 ff. 2 0 3 Vgl. auch v. Spreckelsen, Privatrechtliches Amt, S. 95 (stellt die Anordnung der Nachlassverwaltung sogar der Beschlagnahme gleich). 2 0 4 Damit tritt für den Erben zugleich die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass ein. Insofern dient das Verfahren also auch seinen Zwecken.

66

§2 Einsatz externer

Funktionsträger

auf dem Gebiet der

Zivilrechtspflege

nungsgemäßen Wirtschaft zu mehren 2 0 5 , erforderlichenfalls zu verwerten 2 0 6 und die Nachlassgläubiger zu befriedigen hat. Zu seinen Abwicklungsaufgaben zählt ferner die Aufstellung der Teilungsmasse und die Feststellung der Nachlassgläubiger. 2 0 7 Die staatliche Mitwirkung beschränkt sich im Nachlassverwaltungsverfahren nicht auf den Einsatz und die Überwachung eines Vermögensverwalters. Es handelt sich vielmehr in erster Linie um ein Verfahren zur Gläubigerbefriedigung. Die Verwaltungstätigkeit als solche ist Gegenstand des Verfahrens. Im Nachlassverwaltungsverfahren fallen also Verfahrensaufgaben in den Zuständigkeitsbereich des Nachlassverwalters. Der Nachlassverwalter hat seine Aufgaben selbständig und eigenverantwortlich nach pflichtgemäßem Ermessen im Interesse der Nachlassgläubiger und des Erben zu erfüllen. 2 0 8 Für die in den § § 1 8 2 1 , 1 8 2 2 B G B aufgeführten Rechtsgeschäfte bedarf er allerdings der Genehmigung des Nachlassgerichts ( § § 1 9 1 5 , 1 9 6 2 BGB). Der Nachlassverwalter untersteht bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben der Aufsicht des Nachlassgerichts (SS 1 9 7 5 , 1 9 6 2 , 1 9 1 5 I, 1 8 3 7 II 1 BGB), das ihm jedoch keine Weisungen zur Zweckmäßigkeit seiner Verfahrensführung erteilen k a n n . 2 0 9 Die Abwicklung des Verfahrens liegt also im Wesentlichen „in den Händen" des Nachlassverwalters, der seine Aufgaben unter der Oberaufsicht des Nachlassgerichts ausführt. 2 1 0 Soweit die auf das Ziel der Gläubigerbefriedigung gerichteten Verfahrensaufgaben dem Nachlassverwalter übertragen sind, nimmt er unter der Oberhoheit des Gerichts an der Verfahrenshoheit teil. Der Staat bedient sich also zur Durchführung des Verfahrens eines externen Funktionsträgers. Erst mit der Bestellung des Verwalters bilden Gericht und Verwalter zusammen die Funktionseinheit, die das einzelne Nachlassverwaltungsverfahren abwickelt. Die Rechtsstellung des Nachlassverwalters entspricht somit im Grunde der eines Insolvenzverwalters und nicht der eines Nachlasspflegers. 2 1 1 Die Nachlassverwaltung gehört mit der Zwangsverwaltung und den Verfahren der InsO zu einer Gruppe der „Verwalterverfahren", in denen die zur Verwirklichung des Verfahrensziels der Gläubigerbefriedigung erforderlichen Verfahrensaufgaben 2 0 5 StaudingerIMarotzke, § 1 9 8 5 BGB R d n . 1 0 ; MünchKomm-BGB/Siegmann, § 1 9 8 5 Rdn.3; Soergel/Stein, § 1985 BGB Rdn. 11. 206 Firsching/Graf, Nachlassrecht, Rdn. 4 . 8 2 4 ; MünchKomm-BGB/S/egratfnK, § 1 9 8 5 Rdn. 8; Soergel /Stein, § 1 9 8 5 BGB Rdn. 11. 207 Brox, Erbrecht, Rdn. 60; Firsching/Graf, Nachlassrecht, R d n . 4 . 8 1 8 . 2 0 8 Staudinger IMarotzke, § 1985 BGB Rdn. 10; Soergel/Siem, § 1985 BGB Rdn.3. 2 0 9 OLG Frankfurt, Rpfleger 1998, 200, 2 0 1 ; Staudinger/Marotzke, § 1 9 8 5 BGB Rdn. 36; Soergel/Stein, § 1985 BGB, Rdn.3. 210 Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 4 9 III. 1. 2 1 1 BGH, N J W 1987, 1019, 1020; B G H Z 38, 2 8 2 , 2 8 4 ; R G Z 135, 305, 307; 63, 2 8 7 , 2 8 8 ; 61, 2 2 1 , 2 2 2 ; Firsching/Graf, Nachlassrecht, Rdn. 4 . 7 8 6 ; v. Lübtow, Erbrecht, S. 1138; Staudinger/Marotzke, § 1985 BGB Rdn. 1; Pütter, Nachlassverwalter, S.5; Erman/Schlüter, § 1975 BGB Rdn. 3; v. Spreckelsen, Privatrechtl. Amt, S. 92; vgl. auch Brox, Erbrecht, Rdn. 6 5 5 ; Jauernig/Stürner, § 1985 BGB Rdn. 1.

VII.

Fazit

67

zwischen dem Gericht als Verfahrensträger und dem im Wesentlichen als Abwicklungsorgan fungierenden Verwalter aufgeteilt sind. Betrachtet man die institutionelle Grundlage des „Verwalterverfahrens", so lässt sich als Charakteristikum feststellen, dass diese Verfahren Funktionseinheiten zur Erledigung zugewiesen sind, die sich notwendig aus internen und externen Funktionsträgern zusammensetzen. Das staatliche Justizpersonal wird für jedes einzelne Verfahren um den Verwalter ergänzt, damit Justizgewährung in der Form des Verwalterverfahrens geleistet werden kann.

VII.

Fazit

Zusammenfassend ergibt sich, dass in der Justizverfassung zwei Arten des Einsatzes externer Funktionsträger vorkommen. Hierbei handelt es sich zum einen um die Tätigkeit des Notars, der vornehmlich als Funktionsträger der vorsorgenden Rechtspflege installiert ist, darüber hinaus aber in besonders angeordneten Fällen zur Erledigung originär richterlicher Aufgaben herangezogen wird. Die Zuständigkeit des Notars beschränkt sich nicht auf einzelne Verfahren, für die er bestellt wird, sondern sie beruht auf einer allgemeinen Zuständigkeitszuweisung. Zum anderen findet sich die Gruppe der Verwalter (Insolvenz-, Zwangsund Nachlassverwalter), die in bestimmten Verfahren die zuständige gerichtliche Funktionseinheit personell ergänzen. Für diese Art des Einsatzes eines externen Funktionsträgers charakteristisch ist die Einbindung in ein einzelnes Verfahren. Eine verfahrensübergreifende Kompetenzzuweisung findet nicht statt.

§ 3 Der Einsatz externer Funktionsträger als Teil des Justizverfassungsrechts Die Bestandsaufnahme hat gezeigt, in welchem Umfang Justizaufgaben von Funktionsträgern erledigt werden, die nicht unmittelbar dem Justizapparat angehören und deshalb als externe Funktionsträger bezeichnet werden können. Bei der Zwangsverwaltung, der Insolvenzverwaltung und der Nachlassverwaltung wird die an sich zuständige gerichtliche Funktionseinheit durch einen Verwalter ergänzt, dem bestimmte Verfahrensaufgaben zur eigenständigen Erledigung zugewiesen sind. Auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege ist mit dem Notar ein Funktionsträger eingesetzt, der als eigenständiger Verfahrensträger Zivilverfahren durchführt. Als kennzeichnendes Element, das sowohl die Verwalter als auch den Notar als Funktionsträger der Justiz ausweist, konnte jeweils die Übertragung der Verfahrenshoheit respektive die Teilhabe an der Verfahrenshoheit bei der Durchführung bestimmter Zivilverfahren festgestellt werden. Verwalter und Notare gehören damit gewissermaßen zum „erweiterten Justizpersonal" des Staates. Lässt der Staat ein Zivilverfahren ganz oder teilweise nicht durch interne, sondern durch externe Funktionsträger der Justiz ausführen, so integriert er diese Funktionsträger in die Justizverfassung. 1 Das Justizverfassungsrecht kann sich deshalb nicht auf das Organisationsrecht der internen Funktionsträger, wie beispielsweise der Richter, beschränken, sondern es verlangt ebenfalls ein Organisationsrecht der externen Funktionsträger. Es stellt sich somit die Frage, welche Organisationskonzepte die deutsche Justizverfassung für den Einsatz der Notare und der Verwalter generell vorsieht und wie und in welchem Umfang diese Organisationskonzepte normativ umgesetzt sind. Hierbei ist zu beachten, dass Notartätigkeit und Verwaltertätigkeit sich in einem wesentlichen Punkt unterscheiden. Soweit der Notar tätig wird, ist die Verfahrensträgerschaft vollständig dem externen Funktionsträger zugewiesen. Es handelt sich also um die Ausgliederung eines gesamten Bereichs der Rechtspflege, die einer organisatorischen Entsprechung bedarf. Durchaus komplexe und umfangreiche organisationsrechtlichen Regelungen finden sich in diesem Sinne in den sog. berufsrechtlichen Vorschriften der B N o t O . Verwalter werden dagegen in ein unter gerichtlicher Verfahrensträgerschaft stehendes Verfahren eingebunden. 1

Vgl. $ 1 III.

I. Organisationskonzepte

für den Einsatz externer

Funktionsträger

69

Sie nehmen zwar gleichermaßen an der Verfahrenshoheit teil, indem ihnen bestimmte Verfahrensaufgaben zur eigenständigen Erledigung zugewiesen sind. Nichtsdestotrotz stehen sie aber unter verfahrensimmanenter Kontrolle des Verfahrensträgers, also des Gerichts. 2 Den Verfahrensbeteiligten steht deshalb im Übrigen auch kein Beschwerderecht gegen eine Einzelmaßnahme des Verwalters zu.3 Eine „Ausgliederung" von Aufgaben und ihre Übertragung auf den externen Funktionsträger findet nur innerhalb des jeweiligen gerichtlichen Verfahrens statt. Einige wenige, aber maßgebliche Regelungen über den Einsatz der Verwalter finden sich in diesem Sinne nur in den Verfahrensvorscbriften, die die Bestellung des Verwalters für die Durchführung bestimmter Aufgaben für ein einzelnes Verfahren vorsehen.4 Der Einsatz der Verwalter folgt insoweit einem grundsätzlich anderen Organisationskonzept als der Einsatz des Notars. Demnach müssen für die Einbindung externer Funktionsträger auf dem Gebiet der Zivilrechtspflege zwei Ansätze unterschieden werden. Der Notar fungiert als Verfahrensträger und verkörpert insofern selbst eine Institution der Rechtspflege. Das Justizverfassungsrecht verfolgt somit für die Einbindung des Notars einen organisationsrechtlichen Ansatz. Der Einsatz der Verwalter ist demgegenüber nur verfahrensrechtlich geregelt, so dass in diesem Fall von einem verfahrensrechtlichen Ansatz gesprochen werden kann.

I. Organisationskonzepte

für den Einsatz externer

Funktionsträger

1. Der organisationsrechtliche Ansatz Justizgewährung durch Zivilverfahren verlangt nach Institutionen, denen die Verfahrensträgerschaft für die Durchführung dieser Zivilverfahren zugewiesen ist. Die rechtsstaatliche Aufgabe, solche Institutionen auf bestimmten Gebieten zu errichten und vorzuhalten, schlägt sich nieder in der Pflicht, - abstrakt organisationsrechtliche Entscheidungen über die Verteilung und Lokalisierung von Stellen5 2 Ungeachtet der persönlichen Haftung des Verwalters bleibt es deshalb bei einer Letztverantwortung des Gerichts. Bei ungenügender Auswahl oder Beaufsichtigung durch das Gericht kommt folglich Staatshaftung in Betracht (so für den Insolvenzverwalter (Konkursverwalter) RGZ 154, 291, 295ff.; OLG München ZIP 1991, 1367, 1368; FK-InsO/Kmd, § 5 6 Rdn.44; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 6.08; Smid/Smid, § 56 InsO Rdn. 22). Wird der externe Funktionsträger als Verwalter über fremdes Vermögen eingesetzt, kann die staatliche Aufsicht zugleich, jedoch nicht ausschließlich, als Korrelat dafür verstanden werden, dass durch einen Hoheitsakt dem Betroffenen die Verwaltungsbefugnis und u.U. auch die Verfügungsbefugnis über sein beschlagnahmtes Vermögen entzogen und auf den externen Funktionsträger übertragen wird; zu diesem Aspekt der Aufsicht: Delhaes, in: Nerlich/Römermann, § 5 8 InsO Rdn. 1 (4/02); Wellensiek, in: Kölner Schrift zur InsO, Rdn.23. 3 BVerfG, NJW 1993, 513. 4 Vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 1273.

70 -

§ 3 Der Einsatz externer Funktionsträger als Teil des

Justizverfassungsrechts

mit entsprechenden Zuständigkeitszuweisungen 6 zu treffen.

Die Errichtung einer Institution ist somit Teil eines übergeordneten Organisationsplans, der den Belangen ordnungsgemäßer Rechtspflege Rechnung zu tragen h a t . 7 Die Qualifikation einer Institution als Verfahrensträger setzt dabei nicht voraus, dass sie selbst Teil des Staatsapparats ist. Verfahrensträger kann vielmehr prinzipiell auch ein sonstiges institutionalisiertes Subjekt der staatlichen Rechtspflege sein. Es ist also ebenfalls möglich, solche Einrichtungen in den übergeordneten abstrakten Organisationsplan einzubeziehen, die gegenüber dem staatlichen Justizapparat - nunmehr im konkreten Sinne - organisatorisch selbständig sind, also externe Rechtspflegeeinrichtungen.

a) Das Notariat als personalistische

Rechtspflegeeinrichtung

M i t der Figur des externen Funktionsträgers, also einer Person,

scheint die als

Verfahrensträger fungierende externe R e c h t s p f l e g e e i n r i c h t u n g auf den ersten Blick wenig zu tun zu haben. D a s Gerichtsverfassungsrecht differenziert etwa auf der Grundlage des Art. 9 2 G G zwischen dem Richter, dem die rechtsprechende Gewalt anvertraut zur Ausübung

ist, und dem Gericht als einer staatlichen Einrichtung

der Rechtsprechung 8 . Es trennt und kombiniert hiermit ein perso-

nenbezogenes Element und ein institutionsbezogenes Element. 9 Diese Trennung verwirklicht jedoch kein zwingendes und unverrückbares Grundprinzip des Justizorganisationsrechts. D e r Notar, dem die „vorsorgende Rechtspflegegewalt" anvertraut ist 1 0 , ist zur Ausübung seiner Tätigkeit weder einem Gericht noch einer Behörde zugeordnet. 1 1 Das Notarverfassungsrecht der B N o t O 1 2 sieht keine Einbindung des 5 Entsprechend zu Verwaltungsstellen: Bull, Allg. Verwaltungsrecht, Rdn. 139; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 2 1 Rdn.58. Auf dem Gebiete des Gerichtsverfassungsrechts obliegt beispielsweise den Ländern die organisationsrechtliche Entscheidung, die Anzahl der Amtsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgerichte festzulegen und ihnen jeweils Gerichtssitz und Gerichtsbezirk (als dem territorialen Zuständigkeitsbereich) zuzuweisen (Kissel, § 1 2 GVG Rdn. 5). 6 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 52 Rdn. 2; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 2 1 Rdn. 58. 7 BVerfG 73, 280, 292; BGH, DNotZ 1991, 82, 83; vgl. auch BGHZ 67, 348, 352ff.; BGH, DNotZ 1997, 827, 830; DNotZ 2002, 70f. (Lebensfähigkeit einer Notarstelle). 8 Insoweit wird allerdings kontrovers beurteilt, ob der Richter als Organwalter des Rechtsprechungsorgans fungiert (BK-GG/Achterberg, Art. 92 GG Rdn. 2 6 7 m. w. N (4/1981); vgl. auch Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 92 GG Rdn. 75 (1/1976); Stern, StaatsR II, § 43 III.S. 919) oder ob die Gerichte funktionale Instrumente sind, durch die der Richter als das Rechtsprechungsorgan seine richterliche Gewalt ausübt (Meyer, in: v. Münch/Kunig, Art. 92 GG Rdn.4, 9, 10; AK-GG/Wassermann, Art. 92 Rdn. 36 (2001); vgl. auch Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 92 GG Rdn. 10). 9 Vgl. Barbey, in: Isensee/Kirchhof, HbStR III, § 74 Rdn. 16. 10 Löwer, MittRhNot 1998, 310, 311; vgl. auch Limon, FS für Schippel, S.741, 747 („ein Element im großen System der gerichtlichen Gewalt"). 11 Eine Ausnahme stellt derzeit noch das staatliche Notariat in Baden-Württemberg dar.

I. Organisationskonzepte

für den Einsatz externer

Funktionsträger

71

A m t s t r ä g e r s in eine o r g a n i s i e r t e s t a a t l i c h e E i n r i c h t u n g „ N o t a r i a t " v o r . 1 3 G l e i c h w o h l k a n n das N o t a r i a t als R e c h t s p f l e g e e i n r i c h t u n g v e r s t a n d e n w e r d e n . 1 4 D i e B N o t O v e r w e n d e t den B e g r i f f „ N o t a r i a t " als s o l c h e n z w a r n i c h t , k e n n t j e d o c h die F u n k t i o n des „ N o t a r i a t s " v e r w a l t e r s (§ 5 6 B N o t O ) u n d setzt h i e r m i t g e w i s s e r m a ß e n die E x i s t e n z einer I n s t i t u t i o n „ N o t a r i a t " , die v e r w a l t e t w e r d e n k a n n , voraus.15 D e r N o t a r i a t s v e r w a l t e r , ein „ E r s a t z n o t a r a u f Z e i t " 1 6 , k o m m t n a c h § 5 6 I B N o t O z u m E i n s a t z , w e n n der h a u p t b e r u f l i c h e N o t a r „sein A m t n i c h t p e r s ö n lich a u s ü b e n " k a n n 1 7 , w e n n „ d a s A m t des N o t a r s e r l o s c h e n " o d e r w e n n „sein A m t s s i t z v e r l e g t " w o r d e n ist. D i e N o t a r i a t s v e r w a l t u n g sichert die F o r t f ü h r u n g des N o t a r i a t s 1 8 bzw. z u m i n d e s t eine qualifizierte A b w i c k l u n g in der F o r m eines „ N o t a r i a t s in A b w i c k l u n g " 1 9 . D e r N o t a r i a t s v e r w a l t e r soll i m F a l l der F o r t f ü h r u n g s v e r w a l t u n g die „ f r e i g e w o r d e n e N o t a r s t e l l e v e r w a l t e n " , d a m i t die zur A u s -

12 Anders: §§ 1, 17 LFGG BW. Bohrer (Berufsrecht, Rdn. 1, 2) überträgt dieses Prinzip zunächst stillschweigend auf das Notarverfassungsrecht der BNotO, wohingegen er an anderer Stelle (Rdn. 305) richtigerweise die Selbständigkeit des Notars zum Organisationsprinzip des Notarverfassungsrechts erhebt. 1 3 Vgl. BGH, DNotZ 2 0 0 3 , 376, 377. 14 Baumann, MittRhNot 1996, 1, 2f.; Eue, FS für Schippel, S.599, 604; Starke, in: Beck'sches Notar-Handbuch, K 1 Rdn. 3; Wehrens, ÖNotZ 1 9 9 4 , 1 0 ; ders., ÖNotZ 1 9 9 2 , 2 3 7 ; Weirich, DNotZ 1962, 11, 16; a.A. Kleine-Cosack, DNotZ 2 0 0 4 , 327, 329f. 15 Vgl. BGH, DNotZ 1975, 693, 695. 16 BGH, DNotZ 1993, 469, 470; Schippel/Vefier, § 56 BNotO Rdn. 2. Als Inhaber des Verwalteramtes nimmt er eine dem Notar vergleichbare Stellung ein (siehe § 5 7 BNotO), hierzu BGH, DNotZ 1991, 72; vgl. auch Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 5 7 BNotO Rdn.2; Schippel/Vetter, § 57 BNotO Rdn. 1. 1 7 Nach § 8 I 2 BNotO darf der Notar, der (mit Ausnahmegenehmigung der Justizverwaltung) ein besoldetes Amt angenommen hat, sein Notaramt nicht persönlich ausüben. 18 BGH, DNotZ 1975, 693, 695; Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 5 8 BNotO Rdn.2. Die Fortführungsverwaltung erfolgt bis zur Wiederaufnahme durch den bisherigen Notar, Neubesetzung der Stelle mit Aktenübergabe (§ 64 III BNotO) oder Errichtung einer anderen Stelle (vgl. § 64 I BNotO); vgl. Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 64 BNotO Rdn. 4; a.A. (Wegfall und Neuerrichtung der Notarstelle) BAG, ZNotP 2 0 0 0 , 204, 205; Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 243. Eine Fortführung ist nicht erforderlich, wenn kurzfristig ein neuer Notar auf die Notarstelle berufen wird, so dass die vorübergehende Vakanz nicht zu einer Störung der notariellen Betreuung führt (BGH, aaO; Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 5 6 BNotO Rdn. 9). 1 9 Die im Anschluss an Beurkundungsvorgänge notwendigen Amtshandlungen (Erteilung von Ausfertigungen usw.) sind zwar auch bei der schlichten Akten Verwahrung durch das Amtsgericht oder einen anderen Notar gewährleistet (vgl. § 5 1 1 BNotO). Für die Abwicklung sonstiger schwebender Notargeschäfte ist dagegen die Bestellung eines Notariatsverwalters erforderlich. Die Gegenansicht, die im Fall der Aktenverwahrung durch einen anderen Notar diesem weiter gehende Befugnisse und Pflichten zuordnet als dem Amtsgericht, an dessen Stelle er verwahrt, und deshalb auch bei Aktenverwahrung durch einen anderen Notar von einer Abwicklung der schwebenden Notargeschäfte ausgeht (Schippel/Veiier, § 51 BNotO Rdn.53f.), findet keine Grundlage im Gesetz (so auch Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 5 1 BNotO Rdn.5) und widerspricht im Übrigen der Konzeption der BNotO, die für die qualifizierte Abwicklung eben die Bestellung eines Notariatsverwalters vorsieht (vgl. auch Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 5 6 BNotO Rdn. 9).

72

Der Einsatz externer Funktionsträger

als Teil des

Justizverfassungsrechts

Übung der A m t s t ä t i g k e i t e r f o r d e r l i c h e O r g a n i s a t i o n v o n S a c h e n u n d D i e n s t e n n i c h t zerfällt, der G e s c h ä f t s u m f a n g e r h a l t e n b l e i b t u n d die R e c h t s u c h e n d e n bis zur B e s t e l l u n g eines n e u e n N o t a r s die M ö g l i c h k e i t h a b e n , n o t a r i e l l e T ä t i g k e i t in A n s p r u c h zu n e h m e n . 2 0 D u r c h diese K o n s t r u k t i o n w e r d e n die N a c h t e i l e ausgeg l i c h e n , die sich d a r a u s e r g e b e n , dass es k e i n e v o n d e n F u n k t i o n s t r ä g e r n u n t e r s c h i e d e n e B e h ö r d e „ N o t a r i a t " g i b t . 2 1 D i e K o n z e p t i o n der N o t a r i a t s v e r w a l t u n g lässt d e m e n t s p r e c h e n d R ü c k s c h l ü s s e a u f die K o n z e p t i o n des N o t a r i a t s selbst zu. D i e B N o t O b e z e i c h n e t als N o t a r i a t s v e r w a l t u n g e i n m a l die v o r ü b e r g e h e n d e W a h r n e h m u n g des Amtes

des Notars

h e n d e ) W a h r n e h m u n g einer Notarstelle

(§ 5 6 I), a n a n d e r e r Stelle die ( v o r ü b e r g e (§ 1 1 3 III Nr. 8 ) . D a b e i v e r s t e h t sich -

u n g e a c h t e t des m i s s v e r s t ä n d l i c h e n W o r t l a u t s 2 2 - v o n s e l b s t , dass das p e r s ö n l i c h e A m t des a u s g e s c h i e d e n e n N o t a r s n i c h t „ w a h r g e n o m m e n " w i r d , da es e n t w e d e r w e i t e r h i n bei d i e s e m v e r b l e i b t u n d n u r n i c h t p e r s ö n l i c h bzw. n u r an e i n e m a n d e r e n A m t s s i t z a u s g e ü b t w e r d e n k a n n 2 3 o d e r aber, wie die 2 . Var. des § 5 6 I B N o t O es v o r a u s s e t z t , bereits e r l o s c h e n ist (vgl. § 4 7 B N o t O ) . D e r B e g r i f f der N o t a r stelle w i r d i m A l l g e m e i n e n i m o r g a n i s a t i o n s r e c h t l i c h e n S i n n e v e r w a n d t ; die E r r i c h t u n g v o n N o t a r s t e l l e n ist h i e r n a c h G e g e n s t a n d der E n t s c h e i d u n g

des

j e w e i l i g e n B u n d e s l a n d e s ü b e r die V e r t e i l u n g u n d L o k a l i s i e r u n g a b s t r a k t e r , o r g a n i s a t i o n s r e c h t l i c h e r E i n h e i t e n . 2 4 D e r einzelne B e w e r b e r h a t d e s h a l b k e i n s u b j e k 2 0 BGHZ 6 3 , 2 7 4 , 2 7 5 ; BGH, DNotZ 1 9 9 1 , 7 2 , 7 3 ; Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 58 BNotO Rdn.2, 7; Schippel/Vetter, § 58 BNotO Rdn. 2; vgl. auch Begr. BReg, BT-Drucks. 3/219, S.27; Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 5 6 BNotO Rdn. 1. 2 1 BGH, DNotZ 1984, 146, 248; vgl. auch Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 5 6 BNotO Rdn. 1 (im hauptberuflichen Notariat herrsche „faktische Ämterkontinuität"). Habscheid (Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 9 II 1) bezeichnet den Notar selbst insofern als „Behörde" und meint damit wohl die durch den Notar verkörperte Institution der Rechtspflege. 2 2 Die synonyme Verwendung der Begriffe „Notariat" und „Notaramt" findet ihre Wurzel in dem vor Erlass der RNotO üblichen Sprachgebrauch. In Preußen wurde dem Notar nach der Allgemeinen Verfügung des Justizministers vom 13.02. 1924 (JMB1. 362) das „Notariat" verliehen. 2 3 Eine ähnliche Differenzierung zwischen Amtsinhaberschaft und „Wahrnehmung" des Amtes enthält das Notarvertretungsrecht. Der Notarvertreter „übernimmt" das Amt für einen bestimmten Zeitraum von dem Notar und „übergibt" das Amt nach Ablauf der Vertretung wieder (vgl. § 4 4 I 1 BNotO). Zur Ausübung des Amtes ist sowohl der Notarvertreter (kraft seiner besonderen Amtsbefugnis als Notarvertreter) als auch der vertretene Notar (kraft seiner Notarbefugnis) in der Lage. § 44 I 2 BNotO postuliert, dass der vertretene Notar sich während der Dauer der Vertretung der Ausübung seines Amtes enthalten soll. Er kann also Amtsgeschäfte wirksam vornehmen, handelt jedoch amtspflichtwidrig, wenn er trotz der Vertreterbestellung tätig wird (Bohrer, Berufsrecht, Rdn.273). 2 4 BVerfGE 73, 280, 292ff.; BGH, ZNotP 2 0 0 3 , 230, 231; ZNotP 2003, 355, 356; BAG, ZNotP 2000, 204; Bohrer, Berufsrecht, Rdn.22, 230ff.; ders., DNotZ 1991, 3; Lischka, DNotZ 2002, 71 f.; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 GG Rdn. 256; Ronellenfitsch, DNotZ 1990, 75, 77f.; Schippel/Schippel, § 1 BNotO Rdn. 11; Schmitz-Valckenberg, in: Eylmann/Vaasen, § 6 b BNotO Rdn. 3; Starke, DNotZ 2003, 831, 834; vgl. auch Römer, Notariatsverfassung, S.74, S.89 (gegen OLG Stuttgart, AnwBl. 1962, 299); Stern, FS für Rudolf, S. 367, 372; Weisbrodt, DNotZ 1995, 825, 827; siehe auch BVerfG 17, 371; OVG Münster, DNotZ 1959, 433, 436f.; JMB1. NW 1961, 21.

I. Organisationskonzepte

für den Einsatz externer

Funktionsträger

73

tives Recht auf Ausschreibung einer Notarstelle. 25 In diesem Sinne kann die Notarstelle auch als „Planstelle" (nicht zu verwechseln mit der haushaltsrechtlichen „Planstelle") bezeichnet werden. 26 Die organisationsrechtliche Entscheidung hat sich dabei an den Belangen einer geordneten Rechtspflege zu orientieren. 27 Spielen haushaltsrechtliche Gesichtspunkte eine Rolle, wie es bei der Errichtung von Stellen, die aus staatlichen Mitteln eingerichtet werden, der Fall ist, konzentriert sich die Entscheidung regelmäßig darauf, wie viele Stellen der Staat sich „leisten" muss, um eine geordnete Rechtspflege sicherzustellen. Bei „drittfinanzierten" Stellen wie der Notarstelle stellt sich demgegenüber die Frage, in welchem Maße die Stellenanzahl begrenzt und wie die Stellen örtlich verteilt werden müssen, um eine schon aus Gründen der beruflichen Qualifikation und Amortisation der eingesetzten Betriebsmittel erforderliche Auslastung einzelner Notariate sowie eine flächendeckende Versorgung der rechtsuchenden Bevölkerung mit Notarleistungen zu gewährleisten. Durch eine den Bedürfnissen der rechtsuchenden Bevölkerung entsprechende Anzahl und Verteilung der Notarstellen soll dem qualitativen Niedergang des einzelnen Notariats aufgrund mangelnder Auslastung oder umgekehrt aufgrund der Überlastung der Notars vorgebeugt werden. Insofern kann der organisationsrechtlichen Entscheidung zugleich eine qualitätssichernde Bedeutung beigemessen werden. 28 Auf der Grundlage dieser zunächst nur abstrakt errichteten Organisationseinheit („Notarstelle") muss nun die konkrete Institution der Rechtspflege entstehen. Das geschieht mit der Vergabe bzw. Besetzung 29 und dem Führen der Notarstelle 30 . Da eine Notarstelle nach der deutschen Rechtspflegeverfassung nur mit dem Träger eines (persönlichen) Notaramtes besetzt sein kann 3 1 , bedeutet Vergabe der Notarstelle zugleich Verleihung des Notaramtes. 3 2 Weiteres findet nicht statt. Die Institution erlangt allein durch die Besetzung der Notarstelle, durch die 25

BGH, ZNotP 2003, 230, 231; ZNotP 2003, 355, 356; ZNotP 2004, 71. Vgl. Schippel/Veffer, § 5 8 BNotO Rdn.2. 27 BGH, D N o t Z 2002,70f.; ZNotP 2 0 0 3 , 2 3 0 , 2 3 1 ; ZNotP 2 0 0 3 , 4 3 9 , 4 4 0 ; Starke, D N o t Z 2003, 831, 832. „Probe-Ausschreibungen", um die Bewerberlage zu sichten, sind von diesem Organisationsermessen nicht gedeckt (vgl. BVerfG, NJW-RR 2003, 203, 204). 28 Vgl. BGH, D N o t Z 2 0 0 4 , 2 3 0 , 2 3 2 ; Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 239; Lischka, D N o t Z 2002, 71, 72; Versteyl, in v. Münch/Kunig, Art. 138 GG Rdn. 16. 29 BVerfGE 73, 280, 294. Dabei handelt es sich bei der Vergabe einer Notarstelle eben nicht um eine organisationsrechtliche Entscheidung, sondern um eine Auswahlentscheidung zwischen den in Betracht kommenden Bewerbern (BVerfGE 73, 280, 294; anders noch BGH, D N o t Z 1982, 633, 634; keine Differenzierung zwischen der organisationsrechtlichen Entscheidung über Anzahl und Lokalisierung und der Auswahlentscheidung: SchippelIScbippel, § 1 BNotO Rdn. 11). 30 Vgl. BGH, D N o t Z 1991, 72, 73. 31 Dagegen lässt beispielsweise Frankreich auch Gesellschaften als „Amtsinhaber" zu (vgl. hierzu Förtig, MittBayNot 2002, 94, 95). 32 Ronellenfitsch, D N o t Z 1990, 75, 78. In diesem Sinne werden die Begriffe Notaramt und Notarstelle z. T. auch (ungenau) synonym gebraucht (vgl. BGH, D N o t Z 1983, 633, 634; Baumann, MittRhNot 1996, 1, 6; Schippel/Schippel, § 1 BNotO Rdn. 11). 26

74

§ 3 Der Einsatz externer

Funktionsträger

als Teil des

Justizverfassungsrechts

Verleihung des Notaramtes Gestalt. Das Notariat wird ausschließlich durch einen Amtsträger verkörpert, der die Notarstelle besetzt und „führt". 3 3 Die Institution ist somit letztendlich der Notar selbst. 34 Durch die „Führung" bzw. Wahrnehmung der Notarstelle konzentriert der Amtsträger zum einen laufende Amtsgeschäfte auf diese Stelle; zum anderen wird die geführte Stelle wirtschaftlich verwaltet, also etwa von dem Amtsinhaber mit einem für die Ausübung der Amtstätigkeit erforderlichen Apparat an Personal- und Sachmitteln ausgestattet, der (nicht mit dem Notariat als Rechtspflegeeinrichtung zu verwechselnden) Notariatskanzlei. Der Kanzlei kommt nur eine Hilfsfunktion zum Führen der Notarstelle zu. 35 Diesem personalistischen Konzept trägt die Regelung der Notariatsverwaltung Rechnung, indem sie als Interim die Besetzung und Führung der Notarstelle durch die Person des „Ersatznotars" vorsieht 36 und diesem das Aufgabensegment eines Notars, die „Wahrnehmung des Notaramts", zuweist. Dadurch wird 33 Vgl. B G H , D N o t Z 2 0 0 3 , 376, 3 7 7 ; im G r u n d s a t z auch BAG, Z N o t P 2 0 0 0 , 2 0 4 , 2 0 5 . Das BAG geht allerdings d a v o n aus, dass das N o t a r i a t mit d e m Wegfall der N o t a r b e f u g n i s erlischt und die Notarstelle mit der Neuerteilung einer N o t a r b e f u g n i s neu errichtet wird (BAG, Z N o t P 2 0 0 0 , 2 0 4 , 2 0 5 ; so auch Bohrer, Berufsrecht, R d n . 2 4 3 ) . 34 Demzufolge ist es dem N o t a r auch untersagt, die Bezeichnung N o t a r i a t oder N o t a r i a t s kanzlei zu führen (BGH, D N o t Z 1984, 246, 2 4 8 ; D N o t Z 2 0 0 3 , 376 f.; Görk, D N o t Z 2 0 0 3 , 378); differenzierend Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 194 R d n . 3 (Notarvertreter, Notariatsverwalter institutionelle Subjekte, anders N o t a r ) . N o c h deutlicher als mit dem Begriff der „ N o t a r i a t s " v e r w a l t u n g wird diese Konzeption im Übrigen durch die Begriffswahl der R e i c h s n o t a r o r d n u n g reflektiert. § 4 0 R N o t O bezeichnete den Notariatsverwalter als „ N o tar"verweser. 35 Vgl. BAG, Z N o t P 2 0 0 0 , 2 0 4 , 2 0 5 . Will der Verwalter oder auch ein neu bestellter N o t a r die Betriebsmittel der Notariatskanzlei weiter nutzen, muss er sich mit d e m ausgeschiedenen N o t a r oder mit dessen Erben einigen bzw. den Eintritt in laufende Verträge (Mietvertrag etc.) erreichen (Bohrer, Berufsrecht, R d n . 2 7 7 ; ders., Beck'sches N o t a r - H a n d b u c h , K I R d n . 55; Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 5 7 B N o t O Rdn. 10, § 58 B N o t O R d n . 4; Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 56 B N o t O R d n . 9). N u r die Übertragung der Kanzlei (auf den neu bestellten oder aber auf einen anderen N o t a r ) könnte im Übrigen auch als Betriebsübergang i.S.d. § 6 1 3 a BGB angesehen werden (vgl. Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 5 9 B N o t O R d n . 4 ; angedacht etwa von Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 5 8 B N o t O R d n . 9; dagegen Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 1 B N o t O R d n . 2 7 ) . Das BAG hat einen Betriebsübergang abgelehnt, wobei der Senat allerdings den Übergang des Notariats p r ü f t e . Der Übertragung der Kanzlei k o m m t insofern allerdings in der Tat keine eigenständige Bedeutung zu, weil die Betriebsmittel o h n e die N o t a r b e f u g n i s („wesentliches Substrat des N o t a r i a t s " ) keinen funktionsfähigen Betrieb darstellen (BAG, Z N o t P 2 0 0 0 , 2 0 4 , 2 0 5 f . ; Volk, N o t B Z 1999, 73, 75f.). 36 Dabei ist es wieder eine organisationsrechtliche Entscheidung, ob eine Notarstelle auch nach dem Ausscheiden des Amtsinhabers weitergeführt (und nicht abgewickelt) werden soll und deshalb für die Übergangszeit, bis ein neuer N o t a r bestellt wird, zur Abwicklung der N o t a riatsgeschäfte u n d zum Zweck des Z u s a m m e n h a l t s der Organisation von Diensten und Sachen ein Notariatsverwalter (insoweit zur Fortführungsverwaltung) eingesetzt wird (vgl. BGH, D N o t Z 1991, 72, 73; Ronellenfitsch, D N o t Z 1990, 75, 78 f; i. E. auch BAG, Z N o t P 2 0 0 0 , 204; z u m Erfordernis einer Abwicklungsverwaltung bei Verzicht auf Wiederbesetzung der N o t a r stelle: Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 5 6 B N o t O R d n . 9; dagegen Schippel/Veiter, § 5 6 B N o t O R d n . 16).

I. Organisationskonzepte

für den Einsatz externer

Funktionsträger

75

erreicht, dass trotz der Vakanz ein Amtsträger vorhanden ist, der die Rechtspflegeeinrichtung konkret verkörpert. Eine vergleichbare Fortführung der Institution findet statt, wenn für den vorübergehend verhinderten Notar ein Notarvertreter bestellt wird (§ 39 BNotO), der kraft eigener Amtsbefugnis die Amtsgeschäfte erledigt. Der Vertreter benötigt dabei sein Vertreteramt, um das „Notaramt", verstanden als Rechtspflegeeinrichtung, führen zu können. 37 b) Zuweisung

des

Funktionskreises

Die organisationsrechtliche Entscheidung über die Verteilung und Lokalisierung von Stellen wird ergänzt durch die Zuweisung bestimmter Rechtspflegeaufgaben zum Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Rechtspflegeeinrichtung. Die externe Rechtspflegeeinrichtung wird in diesem Sinne geprägt durch die ihr zugewiesenen Rechtspflegeaufgaben. Das Notariat ist keine Rechtspflegeeinrichtung, die für die Durchführung einer einzelnen Verfahrensart, der Beurkundung, vorgesehen ist. Nach § 1 BNotO gehört neben der Beurkundung von Rechtsvorgängen die Erledigung „anderer Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege" zum Tätigkeitsfeld des Notars. Die Zuweisung von Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege lässt erkennen, dass es sich hierbei nicht um ein Synonym für Notartätigkeit handelt, sondern um einen besonderen staatlichen Aufgabenbereich. 38 Deshalb kann die vorsorgende Rechtspflege, wie Notare sie leisten, auch nicht mit „rechtlicher Vorsorge" durch andere Rechtskundige verglichen werden. 39 Eine nähere Spezifikation der Notaraufgaben, die die BNotO dem Bereich der vorsorgenden Rechtspflege zuordnet 40 , findet sich in den § § 2 0 - 2 4 BNotO. Kernstück ist die Zuständigkeit für die Durchführung des Beurkundungsverfahrens. 41 § 24 I BNotO begründet als Auffangtatbestand die Zuständigkeit der Notare für die „sonstige Betreuung" der Beteiligten auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege, soweit keine speziellere Zuständigkeitsregelung greift. Die Regelung des § 2 4 BNotO eröffnet gewissermaßen den äußersten 3 7 Insofern kann das Vertretungsverhältnis nicht dadurch charakterisiert werden, dass der Vertreter „gleichzeitig mit seinem Vertreteramt... auch das Amt des vertretenen, noch mit eigener Amtsbefugnis ausgestatteten Notars" wahrnehme (so aber Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 56 BNotO Rdn.2). 38 Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege, S.3. 3 9 So aber Hagen, DNotZ 1985, 3 4 * , 3 7 * . 4 0 Eine Sonderstellung nimmt § 2 2 I BNotO ein. Bei der Abnahme von Eiden und der eidlichen Vernehmung, zu denen der Notar nur in ausländischen Rechtsangelegenheiten ermächtigt ist, handelt es sich um Mitwirkungen bei der Wahrheitsermittlung zum Schutz staatlicher Rechtspflege (Schippel/Reithmann, § 2 2 BNotO Rdn. 3). Unter den Aufgaben der vorsorgenden Rechtspflege für die Beteiligten ist die Abnahme von Eiden daher als „Fremdkörper" anzusehen (SchippeVReithmann, § 2 2 BNotO Rdn. 5; a.A. Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S . 3 4 3 ; Wagner, ZNotP-Beilage 1/98, S.3; ders., DNotZ 1 9 9 8 , 3 4 * , 8 4 * Fn.229). 41 Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 2 BNotO Rdn. 9.

76

§ 3 Der Einsatz externer

Funktionsträger

als Teil des

Justizverfassungsrechts

Bereich staatlicher Mitwirkungshandlungen im Privatrechtsverkehr, da hiermit staatliche Mitwirkung fakultativ auch in Formen zugelassen wird, wie sie nichtstaatliche Rechtsberater ebenfalls erbringen können. Die offene Zuständigkeitszuweisung des § 24 B N o t O bedeutet, dass die Grenzen staatlicher Mitwirkung flexibel sind und sich nach dem Ansuchen der Rechtsuchenden richten. Je weiter das Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege in Bereiche vorstößt, in denen auch von nichtstaatlicher Seite rechtliche Vorsorge geleistet wird, in denen staatliche Rechtspflege also mit rechtlicher Vorsorge durch andere Rechtskundige 4 2 konkurriert, desto mehr rückt jedoch die Frage nach der definitiven Grenze der Zuständigkeitszuweisung ins Blickfeld, um die staatliche Rechtspflegeeinrichtung von dem privaten Rechtsberater abzugrenzen. Die Zuständigkeit des N o t a r s ist dann unproblematisch, w e n n sich die sonstige Betreuung in notariellen Vollzugs- und Treuhandtätigkeiten im Z u s a m m e n hang mit Urkundsgeschäften niederschlägt (vgl. § 24 II 1 BNotO). Jenseits dieses klassischen Bereichs notarieller Betreuungstätigkeit beginnen jedoch die Abgrenzungsschwierigkeiten. Als Spezialfall der Betreuung auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege nennt § 24 I B N o t O auch die rechtliche Beratung, w o r u n t e r der Bundesgerichtshof ausdrücklich auch den rechtlichen Rat zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten verstanden wissen wollte. 4 3 Gemeint ist damit aber jedenfalls keine Rechtsberatung im Hinblick auf bestehende oder potentielle Rechtsstreitigkeiten unter Beteiligten. 44 Die institutionelle Neutralität der Rechtspflegeeinrichtung „ N o t a r " darf nicht mit bloßer Objektivität bei der Beurteilung rechtlicher Sachverhalte verwechselt werden. Sie schließt vielmehr jede einseitige Tätigkeit für eine Partei eines rechtlichen Konflikts von vornherein aus. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof bereits in dem Beschluss vom 20. Januar 1969 auch eine Vermittlungstätigkeit des N o t a r s als von § 2 4 I B N o t O gedeckt angesehen. 4 5 Hieran schließen sich die in jüngerer Zeit publizierten Stellungnahmen zur Einbindung der N o t a r e auf dem Gebiet außergerichtlicher Streitbeilegung an. 4 6 Gleiches gilt für die von der Vertreterversammlung der Bundesnotarkammer empfohlene Güteordnung für die Schlichtung durch 42

Vgl. Hagen, D N o t Z 1985, 34% 3 7 * . BGH, N J W 1969, 929, 931. Der A n w a l t s n o t a r handelt hier allerdings im Zweifel als Anwalt und nicht als N o t a r (siehe § 2 4 II 2 B N o t O ) . 44 Wilke, M i t t B a y N o t 1998, 1, 6 (weist in F n . 4 2 zu Recht darauf hin, dass der Bundesgerichtshof sich entgegen des insoweit missverständlichen Wortlauts der oben zitierten Entscheid u n g nicht für eine unbeschränkte Beratungszuständigkeit des N o t a r s ausgesprochen hat). 45 B G H , N J W 1969, 929, 931. 46 Keim, M i t t B a y N o t 1994, 2, 8; Hertel, in: Z u g e h ö r / G a n t e r / H e r t e l , N o t a r h a f t u n g , R d n . 1 5 8 , 1 6 5 ; Limmer, in: Eylmann/Vaasen, § 20 B N o t O R d n . 56 (zum Verfahren R d n . 58ff.); Wagner, in: Büchner/Groner, Außergerichtliche Streitbeilegung, S. LVff.; ders., Z N o t P 1998, Beilage 1/98, S.6ff.; ders. D N o t Z 1998, 3 4 % 78* ff.; ders. Z N o t P 2 0 0 0 , 18, 22ff.; Weber/ Maaß, FS für Bezzenberger, S . 6 3 4 , 6 4 2 f f . ; Wilke, M i t t B a y N o t 1 9 9 8 , 1, 6ff.; vgl. auch Jost, Z N o t P 1999, 2 7 6 , 2 8 1 ; zur Vermittlung bereits Lichtenberger, in: Blankenburg, Alternativen, S. 50; ders., FS 125 Jahre Bay. N o t a r i a t , S. 113, 129; Vossius, V I Z 1 9 9 7 , 4, 8. 43

I. Organisationskonzepte

für den Einsatz externer

Funktionsträger

77

Notare 4 7 , die sich sowohl auf Schlichtungen im Rahmen der Betreuung der Beteiligten nach § 2 4 I B N o t O als auch auf die Schlichtung als anerkannte Gütestelle i.S.d. § 7 9 4 I Nr. 1 Z P O bezieht. Es geht dabei bereits um Bereiche, die nicht mehr unter den Oberbegriff der Konfliktprophylaxe zu fassen sind, sondern die Konfliktbereinigung zum Gegenstand haben. Sofern keine gesetzlichen Sonderzuständigkeiten staatlicher Rechtspflegeeinrichtungen für die Mitwirkung im Bereich außerstreitiger Konfliktbewältigung vorhanden sind, kommt hier in der Tat eine notarielle Amtstätigkeit nur auf der Grundlage des § 2 4 I B N o t O in Betracht. Die Frage nach der Grenze staatlicher Mitwirkungszuständigkeiten konzentriert sich somit auf den unbestimmten Begriff der vorsorgenden Rechtspflege. Die Zuständigkeitszuweisung in § 1 B N o t O bedeutet, dass der Notar für Beurkundungen und sonstige Betreuungsaufgaben nur berufen ist, wenn sie den Charakter „vorsorgender Rechtspflege" haben. 4 8 Vorsorgende Rechtspflege ist zunächst kein synonymer Begriff für Freiwillige Gerichtsbarkeit. 4 9 Die „vorsorgende Rechtspflege" ist lediglich justizorganisatorisch der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen. 5 0 O b darüber hinaus allgemein ein materieller Begriff der Freiwilligen Gerichtsbarkeit formuliert werden kann, spielt im Hinblick auf die Bestimmung des Gebietes der „vorsorgenden Rechtspflege" keine Rolle. Der Begriff der vorsorgenden Rechtspflege rankt sich um den Spezialfall der Beurkundung, deren beispielhafte Nennung somit als Ansatzpunkt für eine inhaltliche Qualifikation des Begriffs gewählt werden kann. Die gebräuchlichen Definitionen haben in diesem Sinne die Beurkundung als Prototyp einer Tätigkeit auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege vor Augen. Vorsorgende Rechtspflege wird hiernach als diejenige Tätigkeit verstanden, die durch Mitwirkung bei der Gestaltung und Sicherung privater Rechtsverhältnisse die schutzwerten rechtlichen Interessen des Einzelnen fördert, ihrer künftigen Verletzung vorbeugt, zugleich aber auch die Interessen der Allgemeinheit betreut und auf diese Weise der Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden dient. 51 Komprimierter in der sprachlichen Fassung, jedoch ohne 4 7 Güteordnung, Empfehlung der Vertreterversammlung der BNotK vom 8.10.1999 (DNotZ 2 0 0 0 , lff.). 48 Peter, in: Kersten/Bühling, § 3 Rdn.2; Weber, DNotZ 1952, 3 1 3 , 319f. 49 Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege, S.2; Schippel/Schippel, § 1 BNotO, Rdn.5; a.A. noch Feyock, DNotZ 1952, 2 4 4 , 2 5 2 ; Haegele, Vorsorgende Rechtspflege, S. 9 f.; Lent, DNotZ 1950, 3 2 0 ; vgl. auch Goldschmidt, ZPR, S.68 (als Rechtsfürsorge Teil der Freiwilligen Gerichtsbarkeit); Habscheid, Rpfleger 2 0 0 1 , 1; ähnlich R. Schmidt, Lehrbuch, S. 163. Versuche der Definition eines materiell-rechtlichen Begriffs der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ähneln jedoch z. T. der Umschreibung des Gebiets der vorsorgenden Rechtspflege (vgl. Jansen, § 1 FGG Rdn.4; Pikart/Henn, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S.4). 50 Baumann, MittRhNot 1996, 1, 3 Fn. 20; Gemes, notar 4/1997, 2 7 („Amtsträger der Justiz"); Wehrens, Ö N o t Z 1 9 9 4 , 1 0 ; in diesem Sinne auch Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit,

§ 9 II. 51

Baumann,

MittRhNot 1996, 1, 3; Gonella,

DNotZ 1956, 4 5 3 , 4 5 5 ; Huhn/von

Schuck-

78

§3 Der Einsatz externer

Funktionsträger

als Teil des

Justizverfassungsrechts

wesentlichen inhaltlichen Unterschied ist die zweite Definition, nach der „vorsorgende Rechtspflege" die Form staatlicher Rechtsbetreuung bezeichnet, die durch die rechtskundige Mitwirkung bei der Gestaltung privater Rechtsbeziehungen der Rechtssicherheit und Streitverhütung dient. 5 2 Beide Fassungen betonen das gestalterische Element (Art der Rechtspflege) und heben als besonderes Charakteristikum der vorsorgenden Rechtspflege die Konfliktprophylaxe (Ziel der Rechtspflege) hervor. Andere Autoren fassen unter dem Begriff der vorsorgenden Rechtspflege solche Tätigkeiten zusammen, die der Sicherung und Erleichterung des Rechtsverkehrs dienen. 5 3 „Vorsorgende" Rechtspflege soll hiernach von „fürsorgender" Rechtspflege abgegrenzt werden, die nicht dem Rechtsverkehr, sondern der Sicherung privater Rechte dient, wobei beispielhaft die Tätigkeiten des Nachlass- und Vormundschaftsgerichts genannt werden. 5 4 Allen Definitionen ist gemeinsam, dass sie mit dem Gesichtspunkt der Streitvermeidung bzw. der Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs des Privatrechtsverkehrs konzentriert die in die Zukunft gerichtete, insofern „vorsorgende" bzw. vorbeugende Tendenz dieser Rechtspflegeleistungen betonen und dem Gesichtspunkt der Streitbeilegung allenfalls die Bedeutung einer unter Umständen erforderlichen Zwischenstufe auf dem Weg zur Bildung des rechtsgeschäftlichen Willens und seiner Niederlegung in einer notariellen Urkunde beimessen. Diese Eingrenzung des Begriffs der „vorsorgenden Rechtspflege" wird jedoch (z.T. von denselben Autoren) nicht als Hinderungsgrund verstanden, die außergerichtliche Streitbeilegung durch den Notar als Vermittler, Schlichter oder Mediator als „sonstige Betreuung auf dem Gebiete der vorsorgenden Rechtspflege" zu begreifen. 5 5 Sofern dieser Konflikt gesehen wird 5 6 , wird er nicht als Anlass für eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der vorsorgenden Rechtspflege erkannt. Bei der inhaltlichen Bestimmung des Gebiets der vorsorgenden Rechtspflege stellt sich zunächst die Frage, ob der Begriff eine bestimmte Art und Weise der mann [3. Aufl.], BeurkG, Einl. Rdn.2; Römer, Notariatsverfassung, S. 12; vgl. auch Weirich, DNotZ 1962, 11, 12. 52 Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 1 BNotO Rdn. 11; SchippelISchippel, § 1 BNotO Rdn.5; Seybold/Hornig, § 1 RNotO Anm. I. 2.; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 5 3 III.S. 363; Göttlich, Amtsführung, S . 8 4 ; Weirich, DNotZ 1962, 11, 12; vgl. auch Feyock, DNotZ 1952, 2 4 4 , 2 4 5 ; ähnlich Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 342. 53 Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 1 BNotO Rdn. 4; Maunz, Schlichtungsversuch, S. 82; Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege, S. 5. 54 Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege, S. 7. 55 Hertel, in: Eylmann/Vaasen, § 2 4 BNotO Rdn.48; Limmer, in: Eylmann/Vaasen, § 2 0 BNotO Rdn. 57; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 2 4 BNotO Rdn. 23; Schippel/ Reithmann, § 2 4 BNotO Rdn.21; SchippeVSchippel, § 1 BNotO Rdn.5; Starke, in: Beck'sches Notar-Handbuch, K I Rdn.34; a.A. (zu § 15 a EGZPO) Maunz, Schlichtungsversuch, S . 8 4 (Schlichtung als notarielle Amtstätigkeit sei nur zulässig bei gemeinsamem Ansuchen der Parteien, woran es bei einem obligatorischen Schlichtungsversuch regelmäßig fehle). 56 Maunz, Schlichtungsversuch, S. 81 ff.

/. Organisationskonzepte

für den Einsatz externer

Funktionsträger

79

Tätigkeit und/oder eine Zusammenfassung von Tätigkeiten, die bestimmten Z w e c k e n dienen, erfasst. Zweckorientiert scheint auf den ersten Blick das M e r k mal der „Vorsorge" zu sein. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter „Vorsorge" verstanden, „im Hinblick auf die Zukunft etwas zu u n t e r n e h m e n " 5 7 . Vor dem Hintergrund der Befriedungswirkung staatlicher Rechtspflege könnte diese Definition noch dahin konkretisiert werden, dass eine Vorsorgemaßnahme getroffen wird, damit ein bestimmtes Ereignis oder ein bestimmter Zustand, nämlich eine Störung des Rechtsfriedens zwischen den Privatrechtssubjekten, in der Z u k u n f t nicht eintritt. Die Insuffizienz einer vorrangig auf den Aspekt der „Vorsorge" abstellenden Definition zeigt sich jedoch, wenn man versucht, sie zur Abgrenzung zu anderen staatlichen Rechtspflegeaufgaben mit Befriedungswirkung, etwa zur Rechtsprechung, zu verwenden. Auch der Zivilprozess wirkt nämlich in diesem Sinne präventiv, künftigen Streit verhindernd. 5 8 Das M e r k m a l der „ V o r s o r g e " , präziser der Vorsorgezweck einer Tätigkeit, ist somit, jedenfalls isoliert betrachtet, nicht geeignet, das Charakteristische des Gebiets der vorsorgenden Rechtspflege zu beschreiben. Vor diesem Hintergrund erscheint jede Präzisierung des Zwecks

dieser Rechtspflegetätigkeit willkürlich. Dies illustrieren

im Übrigen auch gerade die gängigen Definitionen, indem zwar einerseits vorsorgende Rechtspflege als Verfahren zur Konüiktvermeidung

verstanden, anderer-

seits aber die Vermittlung bzw. Schlichtung im Streitfall unproblematisch gleichfalls als vorsorgende Rechtspflege aufgefasst wird. Wenn der VorsorgezH/ec& somit keinen Aufschluss über den Wesensgehalt der „vorsorgenden Rechtspflege" gibt, so muss dieser sich hinsichtlich der Mittel, d.h. der Art und Weise, in der hier Rechtspflege geleistet wird, erschließen lassen. Als staatliche Rechtspflegeleistung mit BefriedungsWirkung ist „vorsorgende Rechtspflege" die Mitwirkung eines institutionell neutralen Organs und schließt insoweit auf der einen Seite eine Parteivertretung a u s . 5 9 Auf der anderen Seite ist vorsorgende Rechtspflege durch N o t a r e wegen des Richtermonopols von jeder F o r m der Streitentscheidung abzugrenzen. 6 0 Zwischen diesen Polen ist das Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege also abzustecken. Die inhaltliche Bestimmung der Art und Weise, in der „vorsorgend" Rechtspflege geleistet wird, kann sich dabei in erster Linie an der in § 1 B N o t O exemplarisch

genannten

Beurkundung

orientieren.

Vorsorgende

Rechtspflege

Duden, Band 10, „Vorsorge". Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, §1 Rdn.23 (zur Untauglichkeit des „vorbeugenden Zwecks" als Abgrenzungsmerkmal zwischen Freiwilliger Gerichtsbarkeit und Zivilprozess); Pfeiffer, DNotZ 1981, 5, 6; vgl. bereits Lent, Grundriss, S.6; Wach, Handbuch, S.52. 59 OLG Stuttgart, DNotZ 1964, 734, 735; DNotZ 1964, 738, 739; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S.343; Hertel, in: Eylmann/Vaasen, §24 BNotO Rdn.2; Niese, ZZP 73 (1960), 1, 31; Odersky, DNotZ 1994, 7, 8; Seybold/Hornig, $ 26 RNotO Anm. I. 2.; vgl. auch Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, §9 II. 2. 60 Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 343; Baur, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 9 II. 2. a); vgl. auch Habscheid, Rpfleger 2001, 1. 57 58

80

Der Einsatz externer

Funktionsträger

als Teil des

Justizverfassungsrechts

umfasst somit die rechtskundige Beratung, die Hilfestellung bei der Gestaltung und Abwicklung privater Rechtsbeziehungen sowie die öffentliche Bezeugung und Niederlegung privatautonom getroffener Willensentscheidungen der Verfahrensbeteiligten durch ein nicht zur Streitentscheidung berufenes 61 , ex officio neutrales und den Maximen einer rechtsstaatlichen Privatrechtsordnung verpflichtetes Organ der Rechtspflege. Diese Art der Rechtspflege kann konfliktbereinigend eingesetzt werden; sie kann ebenso dazu dienen, ein latentes Konfliktpotential auszuschalten oder zumindest zu minimieren, und damit präventiv wirken. Durch den rechtskundigen Einfluss sowie die öffentliche und hiernach regelmäßig unstreitige62 Dokumentation wird zugleich, was im Grunde kaum noch einer Betonung bedarf, der Rechtsverkehr gesichert und erleichtert. Fazit: Der Notar verkörpert in persona eine staatliche Rechtspflegeeinrichtung. Ihm ist ein Teilbereich der staatlichen Rechtspflegeaufgaben, der sich durch die Art der Tätigkeit von anderen staatlichen Rechtspflegeaufgaben, insbesondere von der Streitentscheidung, unterscheidet, zur exklusiven Wahrnehmung übertragen. 2. Der verfahrensrechtliche Ansatz Insolvenz-, Zwangs- und Nachlassverwalter fungieren nicht als Verfahrensträger, sondern sie werden als Funktionsträger mit bestimmten Aufgaben in Zivilverfahren eingesetzt, die unter der Verfahrensträgerschaft des Gerichts stehen. In diesem Sinne wird der Verwalter auch als ein „Gerichts(verwaltungs)helfer" charakterisiert, der allerdings im Gegensatz zu anderen Hilfspersonen, wie etwa dem Sachverständigen, nicht assistierend, sondern weitgehend selbständig tätig wird. 63 Das Justizverfassungsrecht kennt keine Rechtspflegeeinrichtung „Verwalter" mit einem abstrakt zugewiesenen Zuständigkeitsbereich. Der Verwaltereinsatz ist vielmehr lediglich in den Verfahrensgesetzen geregelt, die die Bestellung eines Externen für die Durchführung bestimmter Aufgaben vorsehen. Die Merkmale des organisationsrechtlichen Ansatzes spiegeln sich allerdings auf der Ebene des Verfahrensrechts wider. Das Organisationskonzept der externen Rechtspflegeeinrichtung verlangt eine Entscheidung des Staates über die Verteilung und Lokalisierung abstrakter, organisationsrechtlicher Einheiten, also über die Notarstellen. Die „Verwalterstelle" wird dagegen dann „eingerichtet", wenn das einzelne Verfahren eröffnet wird, in dem der Verwalter zum Einsatz kommen

61 Der einen Gütevorschlag unterbreitende Richter wechselt nach dem Scheitern des Versuchs gütlicher Streitbeilegung übergangslos wieder in die „Rolle" des streitentscheidenden Richters (vgl. Ortloff, in: Breidenbach/Henssler, Mediation, S. 111, 115). 62 Schreiber, Urkunde, S. 16. 63 Holzer/Kleine-Cosack/Prütting, Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 15 f.

I. Organisationskonzepte

für den Einsatz externer

Funktionsträger

81

soll. 6 4 Der externen Rechtspflegeeinrichtung „ N o t a r " ist ein abstrakter Zuständigkeitsbereich zugewiesen, der sie erst zu dem macht, was sie ist, einer Rechtspflegeeinrichtung auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege. Der für das einzelne Verfahren bestellte Verwalter hat einen bestimmten Aufgabenkreis in diesem konkreten Verfahren zu erledigen. Er ist dabei Verfahrensvorschriften unterworfen, die sich auf dieses einzelne Verfahren beziehen. Das Organisationskonzept des Verwaltereinsatzes beschränkt sich somit auf den Bereich des Zivilverfahrensrechts. In justizfer/izssttwgsrechtlicher Hinsicht tritt die Einbindung der Verwalter de lege lata nicht in Erscheinung. 6 5 Betrachtet man den Verwaltereinsatz jedoch im Hinblick auf die staatliche Pflicht zur Justizgewährung, der zunächst durch die Einrichtung tauglicher Rechtspflegeeinrichtungen genügt werden muss, bietet sich ein durchaus differenziertes Bild. Trotz der Beschränkung des Verwaltereinsatzes auf das einzelne Verfahren ist dieser Einsatz doch systematisch Teil der Justizorganisation. Für das einzelne Verfahren muss zwingend ein Verwalter bestellt werden. Zur Durchführung der Verfahren, in denen die Einbindung des Verwalters vorgesehen ist, hält der Staat zwar mit dem zuständigen Gericht eine Rechtspflegeeinrichtung vor, unter deren Verfahrensträgerschaft das Verfahren durchgeführt werden kann. Diese Institution bedarf jedoch der personellen Ergänzung durch den externen Funktionsträger. Erst mit dem Zusammenwirken interner und externer Funktionsträger kann das konkrete Verfahren vollzogen werden und der Staat damit seine konkrete Rechtspflegeaufgabe erfüllen. Gericht und Verwalter bilden deshalb eine aus internen und externen Funktionsträgern zusammengesetzte Funktionseinheit. Die zur Durchführung des Verfahrens verbundenen internen und externen Funktionsträger treten allerdings nicht als geschlossenes „Kollegium" (wie etwa ein Kollegialgericht) auf, sondern ihnen sind separate Aufgabenbereiche zugewiesen. Das ändert aber nichts daran, dass ein Verfahren nur im Zusammenwirken der Funktionsträger abgewickelt werden kann. 6 6 Der Verwalter erfüllt deshalb nicht nur auf ihn delegierte Aufgaben in einem einzelnen Verfahren. Er ist als externer Funktionsträger in einer Weise in das System staatlicher Rechtspflege eingebunden, die seinem Einsatz durchaus institutionellen Charakter verleiht. Die Bildung gemischter Funktionseinheiten „Gericht und Verwalter" dient in gleicher Weise dem Zweck, funktionstaugliche Institutionen zur Erfüllung der staatlichen Pflicht zur Justizgewährung vorzusehen, wie die Schaffung einer Rechtspflegeeinrichtung.

6 4 Vgl. Holzer/Kleine/Cosack/Prütting, Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 15 (Für das einzelne Insolvenzverfahren habe der Verwalter zumindest eine amtsähnliche Stellung inne.) 6 5 Diesen Unterschied berücksichtigt Schick (NJW 1991, 1 3 2 8 , 1 3 2 9 ; zustimmend Brüning, Funktionsträger, S.45f.) nicht, wenn er ohne weiteres von der „staatsrechtlichen Stellung" des Konkursverwalters ausgeht. 6 6 Vgl. § 2 IV. 3. b) [Zwangsverwalter], V. 1. c) [Insolvenzverwalter], VI. [Nachlassverwalter].

82

§ 3 Der Einsatz externer

Funktionsträger

II. Strukturelle

als Teil des

Justizverfassungsrechts

Probleme

Die Übertragung staatlicher Rechtspflegeaufgaben auf externe Funktionsträger, gleichgültig ob sie als externe Rechtspflegeeinrichtung zum Einsatz kommen oder ob sie eine für ein einzelnes Verfahren zuständige Funktionseinheit personell ergänzen, dient auf der einen Seite der Flexibilität und Spezialisierung, letztendlich also der Effizienz staatlicher Rechtspflege sowie ihrer „Bürgernähe" 67 . Sie bringt jedoch auf der anderen Seite nicht unerhebliche strukturelle Probleme mit sich. Es muss auch bei dieser Art der staatlichen Zivilrechtspflege durch Auswahl, Kontrolle und Haftung gewährleistet sein, dass taugliche Funktionseinheiten vorhanden sind, dass sie erhalten bleiben und dass Funktionsfehler kompensiert werden. Die Abstimmung von staatlicher Steuerung und Selbständigkeit des externen Funktionsträgers ist das variierende Kernproblem bei der Delegierung von Justizaufgaben. Der Staat muss auch in der Form der delegierten Zivilrechtspflege Justizgewährung leisten, soll aber gleichzeitig dem externen Funktionsträger genügend Freiräume lassen, damit die Vorteile der Delegierung sich entfalten können. Auswahl und Aufsicht (im weitesten Sinne) sind die staatlichen Steuerungsinstrumente, mit denen Einfluss darauf genommen werden kann, dass die staatliche Aufgabe, Zivilrechtspflege zu leisten, durch den externen Funktionsträger bzw. unter seiner Mitwirkung ordnungsgemäß erfüllt wird. Von maßgeblicher Bedeutung ist insofern zunächst die sorgfältige Auswahlentscheidung, wobei sich jeweils die Frage stellt, nach welchen Kriterien diese Auswahl zu erfolgen hat. Unter Umständen sind Vorschlags- oder Mitspracherechte Dritter (etwa der berufsständischen Vereinigungen) zu berücksichtigen. Im Anschluss konzentriert sich die staatliche Steuerung auf „Weisungen", zumindest durch eine Bindung des externen Funktionsträgers an eine Verfahrensordnung und an Verfahrensziele. Wie viel Freiraum dem externen Funktionsträger demgegenüber gewährt und unter Umständen sogar gesetzlich garantiert wird, ist die konzeptionelle Grundentscheidung eines Integrationsmodells. Probleme wirft ferner die sachgerechte Kontrolle des externen Funktionsträgers auf. Hier ist zu fragen, durch wen, auf welche Weise, nach welchen Kriterien und in welchem Umfang eine solche Kontrolle zu erfolgen hat, um die ordnungsgemäße Erfüllung staatlicher Rechtspflegeaufgaben sicherzustellen. Insgesamt ist bei der Ausübung der staatlichen Kontrolle zu berücksichtigen, dass es gerade Sinn und Zweck der Integration externer Funktionsträger in die Ziviljustiz ist, ihnen Aufgaben zur selbständigen Erledigung zuzuweisen, gleichgültig ob sie ihre Tätigkeit in exklusiver eigener Zuständigkeit (wie der Notar) oder eingebunden in ein unter gerichtlicher Verfahrensträgerschaft geleitetes 67 Eylmann, S. 741, 749f.

Deutscher Notartag 1998, DNotZ 1 9 9 8 , 2 4 * ; vgl. auch Limon, FS für Schippel,

II. Strukturelle

Probleme

83

Verfahren (wie der Insolvenzverwalter) ausführen. Die Tätigkeit des externen Funktionsträgers erfolgt deshalb auf der einen Seite in Eigenverantwortung; er haftet wegen Verletzungen seiner Verfahrenspflichten persönlich (vgl. § 1 9 B N o t O , § 60 InsO, § 154 ZVG). Auf der anderen Seite k a n n der Staat sich aber durch die Übertragung von Aufgaben auf einen externen Funktionsträger seiner Verantwortung für eine ordnungsgemäße und effiziente D u r c h f ü h r u n g der Zivilverfahren nicht völlig entledigen. 6 8 Insbesondere wird diese Verantwortlichkeit nicht durch die A n o r d n u n g der persönlichen H a f t u n g des externen Funktionsträgers ersetzt. Die persönliche H a f t u n g des Externen stellt lediglich eine notwendige konzeptionelle Ergänzung dar, indem sie die Nachteile kompensiert, die der Rechtsuchende durch ein persönliches Versagen des externen Funktionsträgers erleidet. 6 9 Sie wäre nicht geeignet, strukturelle Defizite eines Integrationsmodells aufzufangen. Die Möglichkeiten staatlicher Steuerung sind also im Rahmen des Zulässigen und - unter Wahrung der Grundentscheidung für eine Integration Privater - Sinnvollen auszuschöpfen, um schadensstiftende Funktionsstörungen von vornherein zu vermeiden.

1. Spezielle konzeptionelle P r o b l e m e der e x t e r n e n Rechtspflegeeinrichtung Welche konzeptionellen Probleme sich ergeben, wenn Rechtspflegeaufgaben Personen zugewiesen werden, die nicht unmittelbar in die staatliche Organisation eingegliedert sind, sondern denen vielmehr berufliche Freiheit und Selbständigkeit gewährt wird, liegt auf der H a n d . Zunächst ist die Abgrenzung zwischen Amt und Privatsphäre bei externer Erbringung staatlicher Leistungen weniger eindeutig zu ziehen als bei behördlich organisierter Erbringung. 7 0 Die Realisierung der Rechtspflegeeinrichtung kann faktisch nicht rein organisatorisch erfolgen, sondern muss im Wege der persönlichen Verpflichtung des einzelnen Amtsträgers umgesetzt werden. Folglich stellt sich die Frage, mit welchem Inhalt und welcher Zielrichtung entsprechende Pflichten des Amtsträgers auszugestalten sind, wobei zwischen sog. Dienstpflichten gegenüber der Körperschaft, die den N o t a r bestellt hat, und Verfahrenspflichten gegenüber den Beteiligten des N o t a r verfahrens zu unterscheiden ist. Der aus dem Beamten- bzw. Richterrecht entlehnte Begriff der „Dienstpflicht", der auch zur Kennzeichnung des Pflichtenverhältnisses des N o t a r s gebraucht wird 7 1 , besagt noch nichts über das Wesen die68

BVerfGE 17, 371, 379. Die strukturell bedingte K o m p e n s a t i o n s f u n k t i o n der H a f t u n g des externen Funktionsträgers ist nicht disponibel; er kann also keine H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g e n mit potentiell betroffenen Beteiligten vereinbaren (vgl. zu § 19 B N o t O : Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 19 B N o t O R d n . 4 ; vgl. auch Lichtenberger, FS für Schippel, S . 7 2 9 , 733, 737, der allerdings insoweit z. T. für die Möglichkeit beschränkter A m t s p f l i c h t ü b e r n a h m e plädiert; hierzu Reithmann, MittBayNot 1999, 159, 160). 70 Baumann, M i t t R h N o t 1996, 1, 7. 71 Weisgerber, M i t t R h N o t 1986, 1 , 2 . 69

84

53 Der Einsatz externer

Funktionsträger

als Teil des

Justizverfassungsrechts

ses Verhältnisses. Die Konstitution des Notariats als externe Rechtspflegeeinrichtung basiert jedoch im Wesentlichen auf der Festlegung des Verhältnisses des Amtsträgers zum Staat. Hiernach richten sich zugleich Art und Umfang, aber auch Grenzen der staatlichen Kontrolle. Mit der organisatorischen Selbständigkeit der Rechtspflegeeinrichtung geht schließlich die berufliche Freiheit des Amtsträgers einher. Der Beruf wird zwar durch das Amt überlagert. Gleichwohl ist ein „Spannungsverhältnis" zwischen Beruf und Amt nicht auszuschließen, zumal der wirtschaftlich selbständige Amtsträger sich von seinem Selbstverständnis her häufig eher als „Dienstleist e r " 7 2 , der Rechtsdienste auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege anbietet, versteht und im Interesse effizienter staatlicher Rechtspflege durchaus auch verstehen soll.

2 . Spezielle konzeptionelle Probleme der Einbindung Privater in Zivilverfahren Die konzeptionellen Probleme, die die Einbindung externer Funktionsträger in Zivilverfahren hervorruft, ähneln im Prinzip den Problemen, die sich bei der Integration eines Funktionsträgers als externe Rechtspflegeeinrichtung in das System staatlicher Zivilrechtspflege ergeben. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass es hier zunächst nicht um einen Bereich des Justizorganisationsrechts, sondern de lege lata ausschließlich um einen Bereich des Zivilverfahrensrechts geht. Probleme anlässlich der Bestimmung und Kontrolle externer Funktionsträger sind vor diesem Hintergrund zunächst als Probleme des Zivilverfahrensrechts einzuordnen. Für das einzelne Verfahren ist ein geeigneter Funktionsträger zu bestellen und in seiner „Amtsführung" zu überwachen. Hiernach stellt sich, wie bei der vollständigen Ausgliederung von Zivilverfahren mit der Übertragung auf eine externe Rechtspflegeeinrichtung, die Frage nach sachgerechten Eignungskriterien und nach effektiver Überwachung, die jedoch die Freiräume des externen Funktionsträgers, die das Rechtspflegemodell der Einbeziehung externer Funktionsträger voraussetzt, hinreichend respektieren soll. Darüber hinaus ist jedoch die grundlegende Frage aufzuwerfen, ob die für die Einbindung der Verwalter charakteristische „verfahrensrechtliche Lösung" eine tragfähige Grundlage bietet, um das Rechtspflegekonzept der Funktionseinheit „Gericht und Verwalter", also das Rechtspflegekonzept eines notwendigen Zusammenwirkens interner und externer Funktionsträger zur Erfüllung der konkreten Rechtspflegeaufgabe, umzusetzen. Wenn eine einzelne Rechtspflegeeinrichtung erst mit Hinzuziehung eines Externen funktionsfähig wird, folglich 72 Eylmann, in: Eylmann/Vaasen, § 2 9 BNotO Rdn. 12; ders., N J W 1998, 2 9 2 9 , 2 9 3 0 , 2 9 3 2 ; Sommer, NotBZ 1999, 21 (Tagungsbericht); Wagner, ZNotP 2 0 0 0 , 2 1 4 , 215; ders., AnwBl 2 0 0 2 , 387, 3 8 8 ; vgl. auch Wilke, DNotZ 1996, 870, 875; Richter, MittBayNot 1990, 1, 4f. ; kritisch Löwer, MittRhNot 1998, 310, 312.

II. Strukturelle

Probleme

85

mit Verfahrenseröffnung notwendigerweise ein externer Funktionsträger zu bestellen ist, der die personelle Lücke ausfüllt, so ist die Bestellung des Externen nicht nur eine Entscheidung innerhalb des Zivilverfahrens, sondern zugleich eine Entscheidung über den Einsatz des in der Justiz tätigen Personals. Hierin liegt ein nicht unerhebliches konzeptionelles Problem der rein verfahrensrechtlichen Lösung, da Verfahrensentscheidung und Personalentscheidung in ihren Zielen und Anforderungen voneinander zu unterscheiden sind. Die Verfahrensentscheidung konzentriert sich lediglich darauf, ob die betreffende Person geeignet

ist,

um die an sie gestellten Verfahrensaufgaben uneingeschränkt zu erfüllen. Ist das Gericht, das den Beschluss über die Bestellung fasst, hiervon überzeugt, bedarf es keiner Suche, ob es einen anderen Kandidaten gibt, der vielleicht qualifizierter ist. 7 3 Gegenstand der Verfahrensentscheidung Auswahl. Die Personalentscheidung

ist die Eignungsprüfung und keine

setzt diese Eignungsprüfung gleichermaßen

voraus, beinhaltet aber darüber hinaus eine Auswahlentscheidung, wenn mehr als ein geeigneter Bewerber zur Verfügung steht. Im Fall einer Auswahlmöglichkeit wäre die Gleichbehandlung der Bewerber zu gewährleisten, wenn etwa die Grundsatzentscheidung des Art. 3 3 II G G auch Geltung für die personale Ergänzung der Funktionseinheit durch den externen Funktionsträger beansprucht 7 4 oder wenn der einzelne Bewerber sich hier auf den Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 1 GG) berufen kann. Die praktische Auswirkung dieses Konzeptionsproblems zeigt sich beispielsweise bei der Ernennung des Insolvenzverwalters, wenn man die konkrete Bestellungsentscheidung mit der ganz überwiegenden Ansicht als eine Verfahrensentscheidung des Gerichts ansieht. 7 5 Die gesetzliche Regelung beschränkt sich auf die Festlegung des Erfordernisses, dass es sich um eine für das einzelne Verfahren geeignete Person handeln muss (vgl. §§ 5 6 1 , 5 7 S. 2 InsO). Unter dem verfahrensrechtlichen Blickwinkel reicht diese Regelung aus, da es insoweit nur auf das

73 Henssler, in: Aktuelle Probleme, S . 4 8 ; vgl. auch Kesseler, ZIP 2 0 0 0 , 1565, 1570 (Insolvenzverwalter). 7 4 Bei der Besetzung einer Notarstelle ist Art. 33 II GG in diesem Sinne als Richtschnur für die Auswahlentscheidung heranzuziehen (BVerfGE 73, 2 8 0 , 2 9 5 , 298; BVerfG, N J W 2 0 0 4 , 1935, 1936; vgl. auch BGH, DNotZ 1 9 9 1 , 7 2 , 73 [Notariatsverwalter]). Der Bestellungsentscheidung für das einzelne Verfahren könnte durchaus eine insofern vergleichbare „Vorentscheidung" über generell geeignete Personen vorausgehen (zur Auswahl des Insolvenzverwalters nach Maßgabe des Art. 33 II GG: Brüning, Funktionsträger, S . 4 9 ; Mönning, in: Kölner Schrift zur InsO, Rdn. 13; Schick, N J W 1991, 1328f.; vgl. auch Uhlenbruch KTS 1998, 1, 14; Haarmeyer, InVo 1997, 57, 61). 7 5 Nach Ansicht von Kesseler (ZIP 2 0 0 0 , 1 5 6 5 , 1 5 7 2 ) handelt es sich dagegen bei dem Insolvenzverwalter um ein „Glied der Selbstverwaltungsorganisation der Gläubiger", das erst durch die - aktive oder passive - Wahlentscheidung der Gläubigerversammlung nach § 57 InsO legitimiert werde. Das Gericht fungiere bei der Ernennung des „vorläufig bestellten" Verwalters nach § 56 InsO als Stellvertreter (verstanden im Sinne einer fremdnützigen Treuhand) der noch nicht handlungsfähigen Gläubigerversammlung. Der Staat müsse sich diese Entscheidung deshalb nicht als eigene zurechnen lassen.

86

Der Einsatz externer

Funktionsträger

als Teil des

Justizverfassungsrechts

Ergebnis der gerichtlichen Bestellungsentscheidung, also den Einsatz einer geeigneten Person, ankommt. Dass der Insolvenzverwalter, ohne den das Insolvenzverfahren nicht durchgeführt werden kann, an sich auch zum „Rechtspersonal des Staates im weiteren Sinne" zu zählen ist 7 6 , lässt dieses ausschließlich verfahrensrechtliche Regelungskonzept nicht erkennen. Dementsprechend gibt es keinen nach bestimmten Kriterien festgelegten Kreis potentieller Bewerber, aus denen das Insolvenzgericht im Einzelfall den geeigneten Insolvenzverwalter auswählen könnte. Wenn ein Gericht „hausintern" eine Kandidatenliste führt, auf die bei der Bestellungsentscheidung zurückgegriffen wurde, so gibt es für diese Praxis weder eine spezielle gesetzliche Grundlage noch ist sie in der InsO angelegt. M i t dem Führen einer Bewerberliste wird praktisch auf das konzeptionelle M a n k o reagiert, dass die Insolvenzverfahren organisationsrechtlich Rechtspflegeeinrichtungen übertragen sind, die notwendigerweise der personellen Ergänzung durch einen externen Funktionsträger bedürfen. Jedes Gericht, das in dieser Weise vorgeht, organisiert sich damit, natürlich sektoral betrachtet, gewissermaßen selbst. Wie diese „Selbstorganisation" vorgenommen wird, ist weder transparent noch ist ein Rechtsmittel des bei einem solchen Selbstorganisationsakt nicht berücksichtigten Bewerbers gesetzlich ausdrücklich vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht hatte vor diesem Hintergrund über zwei Verfassungsbeschwerden abgewiesener Bewerber zu entscheiden. In einem Fall wehrte der Beschwerdeführer sich gegen die ausdrückliche Erklärung des Gerichts, ihn mangels Bedarfs nicht in den Kreis der regelmäßig mit Verwaltungen betrauten Personen aufzunehmen. Sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 2 3 E G G V G war als unzulässig zurückgewiesen worden. 7 7 Im zweiten Fall hatte sich der Beschwerdeführer wiederholt darum bemüht, als Insolvenzverwalter eingesetzt zu werden. Obwohl ihm mitgeteilt worden war, dass sein Interesse Berücksichtigung fände, wurden allerdings in der Folgezeit ausschließlich die an dem betreffenden Gericht bislang eingesetzen Verwalter vermehrt beschäftigt. Der Beschwerdeführer wurde in keinem Verfahren zum Verwalter bestellt. Auch sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb ohne Erfolg. Die Oberlandesgerichte konnten sich insoweit auf die wohl h . M . in Rechtsprechung und Literatur stützen, derzufolge eine Beschwerdemöglichkeit ausscheiden sollte. 7 8 Dagegen mehrten sich in der Literatur die Stimmen, die jedenfalls in der abschlägigen Mitteilung einen Justizverwaltungsakt sehen wollten,

Schick, N J W 1991, 1328, 1330. O L G Koblenz, ZIP 2 0 0 0 , 5 0 7 , 5 0 8 . 71i Kesseler, ZIP 2 0 0 0 , 1 5 6 5 , 1 5 7 1 ff. (dagegen Lüke, ZIP 2 0 0 0 , 1 5 7 4 f . ) ; vgl. auch OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 1273 (mit der Begründung, es gäbe kein förmliches „Vorauswahlverfahren"); zustimmend Delhaes, in: Nerlich/Römermann, § 5 6 InsO Rdn.6 (5/00); HK-InsO/ Eickmann, § 5 6 InsO R d n . l l ; FK-InsOIHössl |1. A.|, § 5 6 InsO Rdn.3; Rohrecht, KTS 1998, 63, 65f.; Zeller /Stöber, § 1 5 0 Z V G Rdn.2.10; Uhlenbruch, KTS 1998, 1, 17; Vallender, DZWiR 1999, 2 6 5 , 2 6 6 . lh

77

II. Strukturelle

Probleme

87

gegen den der abgewiesene Bewerber mit der Beschwerde nach § 23 E G G V G vorgehen können sollte. 79 Vertreten wurde auch die Ansicht, dem Bewerber wegen der „verfahrensgestaltenden Wirkung des Grundrechts aus Art. 12 I G G " gerichtlichen Rechtsschutz nach § 23 E G G V G zu gewähren. 8 0 Das Bundesverfassungsgericht ist in der Entscheidung vom 3. August 2 0 0 4 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verweigerung der gerichtlichen Überprüfung die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Art. 19 IV G G unter besonderer Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 3 I und Art. 1 2 1 G G verletzt. Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Entscheidung ist lediglich die Einbeziehung der Bewerber in das Vorauswahlverfahren; über die Frage, ob ein Bewerber im Einzelfall einen Anspruch auf Bestellung in einem bestimmten Verfahren haben kann, w a r nicht zu entscheiden. Angesichts der zunehmenden Professionalisierung der Verwaltertätigkeit in den letzten zwanzig Jahren wird die Betätigung als Insolvenzverwalter als eigenständiger Beruf anerkannt. 8 1 Das Gericht sieht in dem „Vorauswahlverfahren", in dem gerichtsintern mehr oder minder verbindlich festgelegt wird, ob ein Bewerber generell bei der Vergabeentscheidung berücksichtigt wird, keine bloße Vorbereitung der Verfahrensentscheidung über die Bestellung einer Person zum Verwalter, sondern eine für sich genommen rechtlich relevante Entscheidung über den Z u g a n g zum Bewerberpool. Es verlangt ein justiziables Vorauswahlverfahren mit präzisierten rechtlichen Maßstäben für die Vorauswahlentscheidung. 8 2 Jedem Bewerber müsse eine faire Chance eingeräumt sein, entsprechend seiner in § 56 InsO Vorausgesetzen Eignung berücksichtigt zu werden. Z u d e m stellt das Gericht fest, dass die korrekte H a n d h a b u n g der Vorauswahl- und Auswahlentscheidung zugleich im öffentlichen Interesse an einer geordneten und effizienten Rechtspflege liege. 83 Das Verfassungsgericht hatte sich mit Grundrechtsverletzungen in zwei Einzelfällen auseinander zu setzen und musste insofern nicht zur Problematik des verfahrensrechtlichen Ansatzes der Einbindung externer Verwalter in die Justizverfassung Stellung nehmen. Die Entscheidung lässt jedoch eindeutig erkennen, dass es einen rechtlich relevanten Bereich neben den verfahrensrechtlichen Regelungen gibt. Es fehlt allerdings an Rechtsvorschriften, die diesem Bereich inhaltlich Gestalt verleihen. Eine gesetzliche Regelung justizverfassungsrechtlicher Fragen des Verwaltereinsatzes ist mittlerweile Gegenstand der Reformüberlegungen. Diese Uberle79

Holzer/Kleine-Cosack/Prütting, Bestellung des Insolvenzverwalters, S.55ff.; Lüke, ZIP 2 0 0 0 , 4 8 5 , 4 8 7 ; Römermann, N Z I 2 0 0 3 , 134, 135; vgl. auch Mönning, in: Kölner Schrift zur InsO, R d n . 4 8 . 80 Holzer, EWiR 4 / 2 0 0 0 , 175, 176; anders noch ders., Entscheidungsrräger, R d n . 2 8 1 ff. (allerdings mit dem Hinweis, eine gesetzliche Regelung sei wünschenswert, weil Ablehnung einem örtlich begrenzten Berufsausübungsverbot gleichkomme, a a O R d n . 2 8 3 c, 284). 81 BVerfG, N J W 2 0 0 4 , 2 7 2 5 , 2 7 2 7 . 82 BVerfG, N J W 2 0 0 4 , 2 7 2 5 , 2 7 2 7 f . 83 BVerfG, N J W 2 0 0 4 , 2 7 2 5 , 2 7 2 8 .

88

§3 Der Einsatz externer Funktionsträger als Teil des

Justizverfassungsrechts

gungen konzentrieren sich allerdings auf das verfassungsrechtlich bedeutsame Problem der Verwalterbestellung. Die Praxis der Verwalterbestellung wurde durch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Insolvenzrecht" überprüft. Der im Sommer 2 0 0 2 vorgelegte Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe nahm zur Konzeption der Verwalterbestellung durch gerichtliche Auswahl ausführlich Stellung. 8 4 Handlungsbedarf sah die Arbeitsgruppe nur, soweit einzelne Gerichte eine Berücksichtigung der Bewerber ausschließen, die nicht auf einer gerichtsintern geführten geschlossenen Verwalterliste vermerkt sind („closed-shop"-Praxis). Nach Auffassung der Arbeitsgruppe sollte nicht die Rechtslage als solche, sondern ihre Anwendung in der Justizpraxis auf rechtliche Bedenken stoßen und deshalb lediglich eine gesetzliche Klarstellung, nicht jedoch eine grundlegende Änderung erforderlich sein. Im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Bewertung verteidigte die Arbeitsgruppe das rein verfahrensrechtliche Bestellungskonzept, das allein auf die Eignung einer Person für den Einzelfall abstellt. Die Arbeitsgruppe verneinte schon deshalb eine Vergleichbarkeit mit „kontingentierten Berufen wie etwa dem des N o t a r s " , weil allgemeine Auswahlkriterien für den Berufszugang kein probates Mittel seien, um die erforderliche Eignung eines Bewerbers für das einzelne Verfahren sicherzustellen. 85 Diese Stellungnahme bezog sich zwar konkret auf die verfassungsrechtliche Problematik der durch Art. 12 G G geschützten Berufsfreiheit. Sie führt jedoch darüber hinaus dazu, dass die organisationsrechtliche Dimension der Problematik von vornherein völlig ausgeblendet bleibt. In Anlehnung an die Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe sieht auch der Diskussionsentwurf des Justizministeriums zur Änderung der Insolvenzordnung vom 15. April 2 0 0 3 8 6 keine grundlegende konzeptionelle Änderung vor. Es soll lediglich § 5 6 I InsO dahin ergänzt werden, dass die zum Insolvenzverwalter zu bestellende Person aus dem Kreis aller zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereiten Personen auszuwählen ist, wobei die Bereitschaft zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen auf bestimmte Verfahren beschränkt werden kann. Die vorgeschlagene Regelung stellt damit nur klar, dass alle Interessenten bei einer Auswahlentscheidung berücksichtigt werden müssen, so dass eine geschlossene Verwalterliste jedenfalls nicht zulässig wäre. Eine Aussage dazu, in welcher Weise und nach welchen Kriterien sich die Auswahl vollziehen soll, wird nicht getroffen. Den Anforderungen an ein justiziables Vorauswahl- und Auswahlverfahren, das auch transparent machen soll, welche Eignungskriterien und Bewertungsmaßstäbe herangezogen wurden 8 7 , wird die vorgeschlagene Regelung nicht gerecht. Sie ignoriert, was die verfassungsrechtliche Dimension der Problematik schlaglichtartig beleuchtet hat: In der Verwalterbestellung bündeln 84 85 86 87

Zusammenfassung: Graf-Scblicker/Remmert, ZInsO 2 0 0 2 , 563 ff. Graf-Schlicker/Remmert, ZInsO 2 0 0 2 , 563, 5 6 4 . ZVI 2 0 0 3 , Beilage 1. Vgl. BVerfG, NJW 2 0 0 4 , 2 7 2 5 , 2 7 2 7 f .

III. Regelungsgegenstände

eines Justizverfassungsrechts

der Funktionsträger

89

sich eine Verfahrensentscheidung und eine Entscheidung über das in der Justiz tätige Personal. Die Personalentscheidung muss den Anforderungen genügen, die an eine Berufszugangsregelung zu stellen sind. Sie ist zugleich ein Akt der Justizverfassung und hat sich als solcher an den Belangen einer im öffentlichen Interesse liegenden geordneten und effizienten Rechtspflege zu orientieren. 8 8 Das heißt jedoch noch nicht, dass der verfahrensrechtliche Ansatz der Verwalterbestellung per se aufzugeben ist. Vielmehr hat das Justizverfassungsrecht der Verwalter auf die Besonderheiten Rücksicht zu nehmen, die sich daraus ergeben, dass der Verwalter keine eigene Institution mit abstrakt zugewiesenem Zuständigkeitsbereich ist, sondern dass er für das einzelne Verfahren bestellt wird. Die Abstimmung zwischen Verfahrensrecht und Justizverfassungsrecht gehört also zu den konzeptionellen Problemen dieses Rechtspflegemodells.

III. Regelungsgegenstände der externen

eines Justizverfassungsrechts Funktionsträger

Diese erste strukturelle Analyse zeigt an, welche Problembereiche das Justizverfassungsrecht der externen Funktionsträger erfasst und welchen Gegenständen sich infolgedessen eine vertiefte Auseinandersetzung zu widmen hat. Z u m einen treten mit der personalistisch verfassten Rechtspflegeeinrichtung „ N o t a r i a t " sowie mit der aus internen und externen Funktionsträgern zusammengesetzten Funktionseinheit „Gericht und Verwalter" Sonderformen des Justizverfassungsrechts in Erscheinung, deren institutionelle Ausgestaltungen sich nicht ohne weiteres erschließen. Es stellt sich jeweils die Frage, in welcher Rechtsform der Einsatz externer Funktionsträger sich konkret vollzieht. Hinsichtlich der personalistisch verfassten Rechtspflegeeinrichtung „ N o t a r i a t " , bei der der Amtsträger selbst die Institution verkörpert, setzt die Beantwortung dieser Frage eine eingehende Analyse des Amtsbegriffs der B N o t O voraus. Der Status des Verwalters ist organisationsrechtlich nicht geregelt; es bedarf deshalb zunächst der Klärung, wie die Rechtsfigur des Verwalteramtes überhaupt im Sinne der Justizverfassung verstanden werden muss. Generell gilt für den Einsatz externer Funktionsträger, dass der einzelne Amtsträger

als Person

pflegeeinrichtung erklärt bzw. in eine Rechtspflegeeinrichtung

zur Rechts-

eingebunden

wird. Ein wesentlicher Problembereich des Justizverfassungsrechts der externen Funktionsträger ist deshalb die Festlegung der institutionellen Grundeigenschaften und Grundpflichten, die der einzelne Funktionsträger erfüllen muss, um als Rechtspflegeeinrichtung oder Teil einer Rechtspflegeeinrichtung fungieren zu können.

88

Vgl. BVerfG, N J W 2 0 0 4 , 2 7 2 5 , 2 7 2 8 .

90

§3

Der Einsatz externer

Funktionsträger

als Teil des

Justizverfassungsrechts

Zum anderen hat das Justizverfassungsrecht der externen Funktionsträger zu regeln, in welcher Form und in welchem Umfang der Einsatz externer Funktionsträger staatlicher Kontrolle unterliegt, damit der Staat seiner Bestellungs- und Kontrollverantwortung gerecht wird. Schließlich muss berücksichtigt werden, dass der Staat mit dem Einsatz externer Funktionsträger seiner Justizgewährungspflicht nachkommen will. Gegenstand der Untersuchung ist deshalb insbesondere die Frage der ordnungsgemäßen Besetzung der Notar- sowie der Verwalterstellen. Des Weiteren ist zu überprüfen, welche konkreten Kontrollmechanismen das Justizverfassungsrecht der externen Funktionsträger vorsieht und wie diese Kontrollmechanismen funktionieren. Hinsichtlich der Kontrolle über den Notar ist zu beachten, dass der Notar nicht nur einer aufsichts- und disziplinarrechtlichen Kontrolle (§ § 9 2 f f . BNotO), sondern darüber hinaus auch der Standesaufsicht durch die Notarkammer ( § § 7 4 , 7 5 B N o t O ) unterliegt. Schon insofern unterscheidet sich das Kontrollsystem, das für den externen Funktionsträger gilt, von der Art und Weise der über einen internen Funktionsträger, insbesondere über den Richter, ausgeübten Kontrolle. Der Verwalter steht unter der verfahrensimmanenten Aufsicht des als Verfahrensträger fungierenden Vollstreckungs- 8 9 , Insolvenz- 9 0 bzw. Nachlassgerichts 9 1 . Hinsichtlich der Aufsichtsform existiert de lege lata somit ebenfalls lediglich eine verfahrensrechtliche Lösung, die sich an den Anforderungen des Justizverfassungsrechts messen lassen muss. Darüber hinaus sind jedoch auch verfahrensübergreifende „Aufsichtsmaßnahm e n " zu betrachten. So stellt sich die Frage, welche Bedeutung der gerichtlichen Entscheidung zukommt, einen Verwalter, der sich nicht bewährt hat, in späteren Verfahren nicht mehr zu bestellen. Die grundlegenden konzeptionellen Unterschiede des organisationsrechtlichen Ansatzes auf der einen Seite und des verfahrensrechtlichen Ansatzes auf der anderen Seite legen eine getrennte Untersuchung nahe. Gleichwohl bleibt zu berücksichtigen, dass es sich in beiden Fällen um den strukturell vergleichbaren Einsatz natürlicher Personen als externe Funktionsträger auf dem Gebiet der Zivilrechtspflege handelt. Die Herausarbeitung möglicher Parallelen beider Integrationsmodelle ist deshalb hilfreich, um erforderlichenfalls

konzeptionelle

Lücken schließen zu können. In diesem Sinne ist von Bedeutung, dass für den Einsatz des Notars als einer externen Rechtspflegeeinrichtung ein Organisationsrecht vorhanden ist, wohingegen organisationsrechtliche Regelungen für den Verwaltereinsatz de lege lata fehlen. Dem Notarverfassungsrecht könnte in diesem Sinne prinzipiell Modellcharakter für das zukommen.

89 90 91

§ 2 IV. 3 . b) aa). § 2 V. 1. c). § 2 VI.

„Verwalterverfassungsrecht"

III. Regelungsgegenstände

eines Justizverfassungsrecbts

der Funktionsträger

91

Im zweiten Kapitel soll deshalb zunächst das Verfassungsrecht des Notariats als einer externen Rechtspflegeeinrichtung betrachtet werden. Einem Uberblick über die grundlegenden Strukturentscheidungen des Modells der Justizgewährung vermittels einer externen Rechtspflegeeinrichtung ( § 4 ) folgt eine Analyse der einzelnen Strukturelemente dieses Rechtspflegemodells ( § § 5 bis 9). Das dritte Kapitel ist dem Rechtspflegemodell der Verwalterverfahren gewidmet. Auch hier wird zunächst ein Überblick über die Konzeption dieses Rechtspflegemodells gegeben (§ 10), an den sich die Auseinandersetzung mit den einzelnen Strukturelementen anschließt ( § § 1 1 bis 14).

2. Kapitel

Das Notariat als externe staatliche Rechtspflegeeinrichtung

§ 4 Justizgewährung vermittels externer Rechtspflegeeinrichtungen Mit dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege ist ein nicht unerheblicher Sektor der staatlichen Zivilrechtspflege einer externen Rechtspflegeeinrichtung, dem Notar, zur - zum Teil sogar exklusiven - Erledigung zugewiesen. Hinzu kommt die Zuständigkeit des Notars für bestimmte richterliche Aufgaben, also eine Verlagerung originär richterlicher Zuständigkeiten auf den Notar. Es findet somit zur Verwirklichung staatlicher Justizgewährung insgesamt eine Aufgabenverteilung zwischen internen und externen Rechtspflegeeinrichtungen statt. Die externe Rechtspflegeeinrichtung ist in die Justizorganisation integriert. Soll Justizgewährung vermittels einer externen Rechtspflegeeinrichtung geleistet werden, muss der Einsatz einer solchen Einrichtung, die trotz ihrer organisatorischen Selbständigkeit Teil der staatlichen Justizverfassung ist, justizorganisatorisch geregelt werden.1 Das Justizorganisationsrecht des Staates und das Statusrecht seiner Funktionsträger sind dabei strikt zu trennen von den Verfahrensordnungen, denen die Funktionsträger bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterliegen. Diese Unterscheidung ist im Zuständigkeitsbereich interner Rechtspflegeeinrichtungen unproblematisch, da den Funktionsträgern hier komplexe Verfahrensordnungen zur Verfügung stehen. Im Notarrecht wird die Grenze zwischen Notarverfassungsrecht und Notarverfahrensrecht allerdings z.T. verwischt, indem aus der Rechtsstellung des Notars als „Betreuer der Beteiligten" ( § 1 4 1 2 BNotO) Belehrungspflichten für das anhängige Verfahren abgeleitet werden.2 Den organisationsrechtlichen Vorschriften des GVG und den den Status der Funktionsträger betreffenden Regelungen des DRiG entspricht in diesem Sinne das Notarverfassungsrecht der BNotO. Wegen der personalistischen Konzeption der Rechtspflegeeinrichtung Notariat, die eine Trennung von Institution und Funktionsträger nicht kennt, kann eine Überblendung dieser beiden Regelungsbereiche und damit eine Aufspaltung einzelner notarverfassungsrechtlicher Begriffe in organisationsrechtliche und statusrechtliche Elemente als systembedingt nicht ausgeschlossen werden. Vgl. § 1 III. Vgl. B G H Z 5 8 , 3 4 3 , 3 4 8 ; B G H , D N o t Z 1 9 8 6 , 4 1 8 , 4 2 1 ; 1 9 8 7 , 1 5 7 , 1 5 8 f . ; 1 9 8 9 , 4 5 , 4 7 ; 1 9 9 1 , 7 5 9 , 7 6 1 (hier ausdrücklicher Hinweis auf § 14 I B N o t O ) . 1

2

§4 Justizgewährung

vermittels externer

Rechtspflegeeinrichtungen

95

M i t der b e r u f l i c h e n S e l b s t ä n d i g k e i t des N o t a r s w e i s t die e x t e r n e R e c h t s p f l e g e e i n r i c h t u n g allerdings ein K r i t e r i u m a u f , das sie t r o t z der s t r u k t u r e l l e n u n d s t a tusrechtlichen Parallelen deutlich von internen Rechtspflegeeinrichtungen und ihren F u n k t i o n s t r ä g e r n u n t e r s c h e i d e t . D i e s e s M e r k m a l , v e r b u n d e n m i t a n d e r e n c h a r a k t e r i s t i s c h e n E i g e n s c h a f t e n des N o t a r b e r u f s , die sich m i t d e n j e d e n f a l l s als T y p i s i e r u n g s m e r k m a l e n 3 f e s t s t e l l b a r e n C h a r a k t e r i s t i k a e i n e r s o g e n a n n t e n freib e r u f l i c h e n T ä t i g k e i t d e c k e n ( z . B . E r b r i n g u n g p e r s ö n l i c h e r L e i s t u n g 4 in E i g e n b e s t i m m u n g u n d E i g e n v e r a n t w o r t l i c h k e i t 5 ) , f ü h r t h ä u f i g d a z u , d a s s der N o t a r b e r u f k u r z e r h a n d zu d e n freien B e r u f e n g e z ä h l t 6 bzw. in die N ä h e der freien B e r u f e g e r ü c k t 7 w i r d . D a b e i g e n i e ß t die A n n ä h e r u n g s t h e o r i e d e n V o r z u g g r ö ß e rer b e g r i f f l i c h e r P r ä z i s i o n , weil sie d e m w e s e n t l i c h e n U n t e r s c h i e d des N o t a r b e rufs g e g e n ü b e r den „ k l a s s i s c h e n " F r e i b e r u f e n R e c h n u n g t r ä g t . D e m N o t a r ist ein ö f f e n t l i c h e s A m t verliehen (§ 1 B N o t O ) , u m ihn zur V e r k ö r p e r u n g e i n e r e x t e r n e n R e c h t s p f l e g e e i n r i c h t u n g zu m a c h e n , die als s o l c h e Teil der s t a a t l i c h e n J u s t i z v e r f a s s u n g ist. 8 D i e s o g . „ F r e i b e r u f l i c h k e i t " des N o t a r s b e s c h r ä n k t sich 3 Ausführlich Taupitz, Standesordnungen, S. 38 ff.; vgl. auch Lenz, in: Meilicke/v. Westphalen/Hofman/Lenz, § 1 PartGG Rdn.2, 23; Neuner, ZHR 157, 243, 263; Ziegenhagen, Berufsgerichtsbarkeit, S. 79f.; kritisch Ganster, Freier Beruf, S. 532f. Z.T. werden ähnliche Merkmale als Bestandteile einer Definition des freien Berufs verwandt (vgl. etwa Fleischmann, Die freien Berufe, S. 92f. [„eine Art Mittelstellung zwischen dem öffentlichen Amt einerseits und den völlig ungebundenen wirtschaftlichen Berufen andererseits]; Michalski, Begriff des freien Berufs, S. 156f.; siehe aber BVerfGE 10, 354, 364 (kein rechtlicher, sondern soziologischer Begriff). 4 Vgl. etwa BVerfGE 46, 2 2 4 , 241; BVerwG, NVwZ 1984, 236, 237; BSGE 8, 256; 260ff.; Boecken, Pflichtaltersversorgung, S.34; Bülow, FS für Eich, S. 18; Deneke, Klassifizierung, S.24; Fleischmann, Die freien Berufe, S.35ff.; Fuhrmann, Rechtsstellung, S.41 f.; Hanna, Standesrecht, S. 58; Gründler, Werbebeschränkungen, S. 10; von Heimburg, Verwaltungsaufgaben, S.51; Höppner, BB 1961, 1209; Kremer, GmbH als Rechtsform, S.lOff.; Klinkert, Standesrechtliche Wettbewerbsverbote, S. 92ff.; Rittner, Unternehmen, S 19ff.; Stern, Anwaltschaft, S. 8; Taupitz, Standesordnungen, S.41; Tettinger, Kammerrecht, S. \3l; Ziegenhagen, Berufsgerichtsbarkeit, S. 81; vgl. auch Ganster, Freier Beruf, S. 545; Harms, NJW 1 9 7 6 , 1 2 8 9 , 1 2 9 2 (soziologische Merkmale). 5 Vgl. etwa Deneke, Klassifizierung, S.27f.; Kremer, GmbH als Rechtsform, S. 13; von Heimburg, Verwaltungsaufgaben, S.51; Höppner, BB 1 9 6 1 , 1 2 0 9 ; Michalski, Begriff des freien Berufs, S.47; Noack, RRAO, § 1 Anm.2 c; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG Rdn.256 (9/1981); Stern, Anwaltschaft, S. 8; Stieglitz, Freie Berufe, S.259f.; Taupitz, Standesordnungen, S.44f.; Ziegenhagen, Berufsgerichtsbarkeit, S. 82; vgl. auch BGHZ 68, 62, 63. 6 Birk, DNotZ Sonderheft 2 0 0 1 , 4 3 4 7 * ; Deneke, Klassifizierung, S.73f.; Fikentscher, Wirtschaftsrecht II, S.94, 95; Gründler, Werbebeschränkungen, S.25f.; Harms, NJW 1976, 1289, 1296; Hendler, Selbstverwaltung, S.251; Kleine-Cosack, DNotZ 2004, 327, 329; Limon, FS für Schippel, S.741, 747; Löwer, MittRhNot 1998, 310, 311; Michalski, Begriff des freien Berufs, S. 126; Rittner, Unternehmen, S.30; Stober, NJW 1981, 1529; Taupitz, Standesordnungen, S. 95; Tettinger, Kammerrecht, S. 131; Wehrens, ÖNotZ 1 9 9 4 , 1 0 , 1 ; ders., ÖNotZ 1992, 2 3 7 , 238. 7 OVG Münster, DNotZ 1959, 433, 435; Hellge, notar 1/2001, 2; Lerch, in: Arndt/Lerch/ Sandkühler, § 1 BNotO Rdn.6; Ott, DNotZ Sonderheft 2 0 0 1 , 8 1 * , 90*; vgl. auch Schippel/ Schippel, § 1 BNotO Rdn. 14. 8 Römer, Notariatsverfassung, S.42; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 14 BNotO Rdn.6; SchippeUSchippel, § 1 BNotO Rdn. 14; Schippel/Vefier, § 4 BNotO Rdn.2; vgl. auch BVerfGE 17, 381, 386; BGHZ 64, 214, 217.

96

§4 Justizgewährung

vermittels

externer

Rechtspflegeeinrichtungen

deshalb auf eine Facette der externen Rechtspflegeeinrichtung, die berufliche und wirtschaftliche Selbständigkeit des Funktionsträgers. 9 Im Konzept der externen Rechtspflegeeinrichtung ist somit auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Rechtspflegeeinrichtung aus der Sicht des Notars, der in gewissermaßen „unternehmerischer" Verantwortung ihre organisatorischen und wirtschaftlichen Grundlagen schafft, in gleicher Weise um einen „Betrieb" handelt wie bei der Praxis eines klassischen Freiberuflers. 1 0 Durch die staatliche Rechtspflege, die der Notar auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege und im übertragenen richterlichen Aufgabenbereich leistet, werden jedoch keine Honoraransprüche, sondern öffentlich-rechtliche Gebührentatbestände ausgelöst. 1 1 Dem trägt nunmehr auch der im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung geänderte § 143 KostO Rechnung. Verjährungsrechtlich wird der Gebührenanspruch des Notars nicht mehr systemwidrig wie ein privatrechtlicher Anspruch behandelt. Dem beruflich selbständigen, außerhalb des Justizapparats tätigen Notar fließen die Gebühren zwar selbst zu. 1 2 Dieser Umstand ändert aber nichts an der öffentlichrechtlichen Natur des Kostenanspruchs, so dass weder die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Gebührenerhebung noch die Gebührenerhebungen als solche der Disposition des Notars unterliegen (vgl. §§ 1 4 0 KostO, 17 BNotO).

I. Notar als „Außenstelle"

der Justiz

Gegenstand des Notarverfassungsrechts ist die Kreation einer „Außenstelle" der Justiz, die mit den hierfür notwendigen institutionellen Merkmalen ausgestattet sein muss, wobei sowohl die generelle Zuordnung zum Funktionsbereich der Justiz zu berücksichtigen ist als auch der konkrete Einsatz auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege. Hierbei sind drei Regelungsbereiche zu unterscheiden, die der Ausfüllung bedürfen. 9 Vgl. auch Baumann, in: Eylmann/Vaasen, § 93 BNotO Rdn.2; Hirsch, DNotZ 2 0 0 0 , 729, 734; Mihm, Kollisionsprobleme, S. 60f.; Rinsche, Haftung, Rdn. II 1, 2; Schippel/Schippel, § 1 BNotO Rdn. 14; Stockebrand, in: Eylmann/Vaasen, § 9 5 BNotO Rdn. 19 („in den Strukturen eines freien Berufs" ausgeübtes Amt) sowie BVerfGE 17, 381, 386 (Steuerrecht). 1 0 Die „eingerichtete und ausgeübte" Praxis eines Freiberuflers, verstanden als „Gesamtheit alles dessen, was die gegenständliche und personelle Grundlage der Tätigkeit ist", unterfällt dem Schutz des Art. 14 I GG (vgl. B G H Z 81, 21, 33 [Kassenarztpraxis]; Depenheuer, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rdn. 137). 1 1 Vgl. zur „öffentlich-rechtlichen Natur" der Notarkosten: BGH, DNotZ 1 9 9 0 , 313, 314; KG, O L G Z 1991, 19, 20f.; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 1 7 BNotO Rdn. 11, 47ff.; Schippel/Vetter, § 17 BNotO Rdn.21. Der EuGH hat die Gebühren des badischen Notars, weil sie dem Notar nicht selbst zufließen, sogar als indirekte Steuern angesehen (EuGH, Rs. C-264/00 [Gründerzentrum-Betriebs-GmbH], DNotZ 2 0 0 2 , 3 8 9 , 393). 1 2 Im Einkommenssteuerrecht wird der Notar wie ein Freiberufler behandelt. Seine Kosten unterliegen im Übrigen der Umsatzsteuer (hierzu Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 17 BNotO Rdn. 8ff.; vgl. auch EuGH, Rs. 235/85, Slg. 1987, 1471 Rdn. 9, 14).

/. Notar als „Außenstelle"

der Justiz

97

Der erste Regelungsbereich betrifft die „Rechtsform" und die institutionelle Ausgestaltung der externen Rechtspflegeeinrichtung. Hier stellt sich zum einen die Frage, auf welche Weise der nicht in den eigentlichen Justizapparat eingebundene externe Funktionsträger gleichwohl konzeptionell in die Justizorganisation integriert wird. Probleme ergeben sich dabei nicht nur aus systematischen Gründen, weil es um eine außerhalb des Justizapparats zu implementierende Institution geht, sondern insbesondere aufgrund der personalistischen Konzeption des Notariats. Funktionsnotwendige Eigenschaften der Institution verwirklichen sich in diesem Fall nur durch ein entsprechendes Verhalten des einzelnen Funktionsträgers. Die institutionelle Ausgestaltung des Notariats als Rechtspflegeeinrichtung ist somit eine Frage der persönlichen Verpflichtung des Notars. Dieses konzeptionelle Problem tritt verschärft in Erscheinung, wenn der Notar zugleich in Personalunion den Beruf des Rechtsanwalts ausübt. Die Zulässigkeit des Anwaltsnotariats steht und fällt damit, dass die Notartätigkeit nicht als bloße Zusatzqualifikation des Anwalts erscheint. Der zweite Regelungsbereich erfasst die Positionierung der Rechtspflegeeinrichtung innerhalb der staatlichen Funktionenverteilung. Hierbei ist nicht nur die bereits erwähnte Funktionenverteilung zwischen internen und externen Funktionsträgern angesprochen, die sich nicht als konzeptionelles Problem der Position der Rechtspflegeeinrichtung innerhalb der staatlichen Funktionenverteilung (mit den hieran anknüpfenden Konsequenzen für ihre Ausgestaltung) darstellt, sondern als Problem der Verwirklichung staatlicher Justizgewährung. Die Stellung innerhalb der staatlichen Funktionenverteilung betrifft vielmehr den Status des Notars als Funktionsträger der Justiz. Der dritte im Hinblick auf die Verwirklichung der Justizgewährungspflicht relevante Regelungsbereich des Notarverfassungsrechts bezieht sich auf die Steuerungsmittel des Staates, mit denen die Gewährleistung ordnungsgemäßer Rechtspflege sichergestellt werden soll. Staatliche Steuerung unter Berücksichtigung der Belange der Rechtspflege wird in diesem Sinne zunächst durch die förmliche Bestellung des einzusetzenden Funktionsträgers bzw. umgekehrt durch die Entfernung ungeeigneter Funktionsträger geleistet. Mit der Entlassung des bestellten Funktionsträgers in die nach den Vorgaben des Notarverfassungsrechts zu gestaltende Selbständigkeit ist der staatlichen Pflicht, eine Rechtspflegeeinrichtung vorzuhalten, die die vorgesehenen Mitwirkungsaufgaben zur Befriedung des Privatrechtsverkehrs übernimmt, allerdings nicht Genüge getan. Allein durch die Konzeption einer bestimmten „Rechtsform" der externen Rechtspflegeeinrichtung, die rechtsdogmatisch eine Annäherung des diese verkörpernden externen Funktionsträgers an den Staat bedeutet, sowie durch eine institutionelle Ausgestaltung der Rechtspflegeeinrichtung, die diese mit den für die vorgesehene Aufgabenwahrnehmung notwendigen Grundeigenschaften versieht, ist noch nicht gesichert, dass die externe Rechtspflegeeinrichtung die ihr zugewiesenen Rechtspflegeaufgaben auch kontinuierlich erfüllt. Trotz der kon-

98

§4 Justizgewährung

vermittels

externer

Rechtspflegeeinrichtungen

zeptionellen Vorgaben und der sorgfältigen Auswahl würde eine unkontrollierte Tätigkeit des externen Funktionsträgers faktisch einen Rückzug des Staates aus dem an sich übernommenen Rechtspflegebereich bedeuten.

II. Grundlegende Strukturentscheidungen des Notarverfassungsrechts im Überblick Den Anforderungen an die Errichtung einer Außenstelle der Justiz entsprechend, enthält das Notarverfassungsrecht grundlegende Strukturentscheidungen, die einer Analyse des Konzepts der externen Rechtspflegeeinrichtung zugrunde zu legen sind. Diese Strukturentscheidungen sollen zunächst im Uberblick dargestellt werden, da sich das Gesamtkonzept nur in der Zusammenschau aller Strukturentscheidungen erschließt.

1.

„Rechtsform"

Da das Notariat als eine personalistische Rechtspflegeeinrichtung konzipiert ist, d.h. als eine Institution, die durch den Funktionsträger buchstäblich verkörpert wird, lässt sich ihre „Rechtsform" nur durch die Stellung des Notars zum Staat beschreiben. Das freie Notariat nimmt insofern eine Sonderstellung in der Justizverfassung ein. Zum einen ist der Notar „Träger eines öffentlichen Amtes" (vgl. § 1 B N o t O ) und als solcher staatlicher Aufsicht unterworfen ( § § 9 2 f f . BNotO). Zum anderen übt er unter dem Schutz des Art. 12 I G G 1 3 seinen Beruf wirtschaftlich und organisatorisch selbständig aus und ist, vom Grundprinzip ähnlich wie der Rechtsanwalt, in eine Berufsorganisation eingebunden, deren berufsrechtlichem Reglement und berufsrechtlicher Kontrolle er unterliegt. Die Rechtsstellung des Notars ist in diesem Sinne als „Zwischenstellung zwischen den Beamten und den Angehörigen eines freien Berufs" charakterisiert worden. 1 4 Hinsichtlich des Amtsverständnisses besteht im Übrigen kein Unterschied zwischen dem hauptberuflichen Notar und dem Anwaltsnotar. 1 5 Beide Notariatsformen dienen 13 Vgl. nur BVerfGE 17, 3 7 1 ; 73, 2 8 0 ; 4 5 , 4 2 2 , 4 2 8 ; 4 7 , 2 8 5 , 3 1 9 ; 54, 2 3 7 , 2 4 6 ; 69, 373, 3 7 8 ; 7 3 , 2 8 0 , 2 9 2 ; BVerfG, N J W 1 9 9 3 , 1 5 7 5 ; DNotZ 2 0 0 0 , 787, 7 8 9 ; DNotZ 2 0 0 2 , 889, 890; DNotZ 2 0 0 2 , 891, 892; DNotZ 2 0 0 3 , 65, 66; N J W 2 0 0 4 , 1 9 3 5 , 1936; BGHZ 112, 163, 170; Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 10ff.; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 12 GG Rdn. 21; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 12 GG Rdn.46, 60; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 GG, R d n . 4 4 ; Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 12 GG Rdn. 8; Zuck, FS für Schippel, S. 817, 824f. 1 4 So Amtl. Begr., BT-Drucks., 3/219, S. 60; Feyock, DNotZ 1 9 5 2 , 2 4 4 , 2 5 6 ; a.A. Kleine-Cosack, DNotZ 2 0 0 4 , 3 2 7 , 330, der contra legem den „immer noch grassierenden Amtsaspekt" als bedeutungslos ansieht.. 15 Mihm, Kollisionsprobleme, S . 4 6 .

II. Strukturentscheidungen

des Notarverfassungsrechts

im Überblick

99

gleichberechtigt als Rechtspflegeeinrichtung und damit als „Außenstelle der Justiz". Die B N o t O knüpft in ihrer Konzeption an die R N o t O an, die dem N o t a r keinen Beamtenstatus verlieh, anders als die meisten Partikulargesetze, die den N o t a r (in verschiedenen Ausgestaltungen) als Staatsbeamten, überwiegend als Gebührenbeamten, auffassten. 1 6 Bei Erlass der B N o t O wurde ausdrücklich darauf verzichtet, die Stellung des N o t a r s zum Staat näher zu bestimmen, sondern sich darauf beschränkt, den N o t a r als unabhängigen Träger eines öffentlichen Amtes zu definieren (§ 1 B N o t O ) . 1 7 Die Charakterisierung der Stellung des Notars zum Staat als „öffentlich-rechtliches Treueverhältnis", wie sie in § 2 S . 2 R N o t O (allerdings in nationalsozialistischer Diktion) noch enthalten war, sollte sich bereits eindeutig aus der Amtsstellung des N o t a r s ergeben. 1 8 D e r Gesetzgeber scheint andererseits den zwischen dem Staatsdienst und dem Freiberuf angesiedelten N o t a r b e r u f zunächst sogar eher in der N ä h e des Freiberufs gesehen haben zu wollen. Insofern wurde im Gesetzgebungsverfahren

ausdrücklich

betont, dass die Herauslösung der N o t a r e aus dem Beamtenrecht gerade der klareren Abgrenzung des Berufsrechts der N o t a r e vom Beamtenrecht diene. 1 9 D e m entsprechend sollte es sich bei dem Disziplinarverfahren gegen Notare um ein „aus Vereinfachungsgründen in die äußere F o r m eines Disziplinarverfahrens gekleidetes Verfahren besonderer Art zur Ahndung von Verfehlungen von Nichtb e a m t e n " handeln. Die Bezeichnung „Disziplinarverfahren" habe lediglich historische Bedeutung. Es sei gleichfalls möglich, den N o t a r insoweit wie den Anwalt einer Ehrengerichtsbarkeit zu unterstellen. 2 0 Das Bundesverfassungsgericht hat demgegenüber auch die sachliche N ä h e des Amtsverhältnisses des N o t a r s zum öffentlichen Dienst betont und in den Regelungen der B N o t O eine folgerichtige Entsprechung dieser Zuordnung gesehen. 2 1 An die Amtsträgereigenschaft des N o t a r s ist hiernach gewissermaßen ein Sonderrecht für N o t a r e angeknüpft. Die Materialien zur R N o t O lassen ebenso wenig wie die Begründung zur B N o t O ein abschließendes Konzept erkennen, das zu der „Zwischenstellung" des N o t a r s führt. Der (nicht im Buchhandel erschienene) Entwurf einer R N o t O der Reichsfachgruppe N o t a r e (Akte Bundesarchiv, Reichsjustizministerium R 2 2 / 7 8 3 ) sah in seinem Dritten Teil zum Dienststrafrecht und zur Amtsunfähigkeit die Ahndung von Dienstübertretungen durch ein als Dienststrafrichter abge16 Seybold/Hornig, § 2 RNotO Anm. 1 b); zu den Notariatsverfassungen vor Erlass der RNotO vgl. Oberneck, Notariatsrecht, S. 11 (Preußen), S.39ff. (sonstige Notariatsformen). 17 Um die treffende Bezeichnung der Rechtsstellung des Notars wurde in den Vorbereitungen zur BNotO durchaus gerungen; vgl. Schüler, Entstehungsgeschichte der BNotO, S. 99, 117, 140, 178. 18 Amtl. Begr., BT-Drucks. 3/219, S. 18. 19 Amtl. Begr., BT-Drucks. 3/219, S.60; vgl. bereits Seybold/Hornig, § 2 RNotO Anm. 1. B). 2 0 Amt. Begr., BT-Drucks. 3/219, S.60. 2 1 BVerfGE 17, 371, 377.

100

§4 Justizgewährung

vermittels

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Rechtspflegeeinrichtungen

stelltes Kammermitglied oder durch ein Ehrengericht vor. 22 Nach dem Referentenentwurf des Reichsjustizministeriums zu einer R N o t O vom

15.01.1936

(Akte Bundesarchiv R 22/783) sollten die Notare einer staatlichen Aufsicht durch eine berufsständisch aufgebaute Selbstverwaltung unterstehen. 23 Die Reichsnotarkammer kritisierte in ihrer Stellungnahme vom 3 0 . 0 4 . 1 9 3 6 (Akte Bundesarchiv R 22/783) die Übertragung der Dienstaufsicht auf die Justizbehörde. Die Überwachung der Amtsführung müsse durch die Standesorganisationen durchgeführt werden. Die Revisionen durch die Notarkammern würden eine ständige Fortentwicklung der betreuten Notare mit sich bringen und auch den Notarkammern die Möglichkeit geben, durch Anordnung, Anregungen und Aufklärungen zu Tage tretende Mängel zu beseitigen. Die Reichsnotarkammer kam zu dem Schluss, dass allein die Tatsache der Dienstaufsicht durch die Standesorganisation, welche viel gründlicher und sachgemäßer ausfallen würde als die Dienstaufsicht durch die Justizbehörde, manches ehrengerichtliche Verfahren verhindern würde. Wenn das Aufsichtsrecht beim Staat verbleiben müsse, so bleibe es immer noch möglich, dieses Aufsichtsrecht durch die Notarkammern ausüben zu lassen. 24 In den folgenden internen Besprechungen (Vermerke Akte Bundesarchiv R 22/783) plädierte der Präsident der Reichsnotarkammer allerdings gegen eine rein ständische Gerichtsbarkeit, um die Amtsträgereigenschaft des Notars stärker in den Vordergrund zu rücken. Im Reichsjustizministerium wurde schließlich die Frage, ob der Notar Beamter oder nichtbeamteter Amtsträger sein sollte, diskutiert. Während die Abteilung I des R J M vor den Gefahren eines „ Abgleitens in Richtung der ,Freiberuflichkeit' nach Art des Anwalts" warnte, monierte die Abteilung IV, dass mit dem beamteten Notar ein „Zwittergebilde" geschaffen würde, auf das ein beträchtlicher Teil der beamtenrechtlichen Vorschriften nicht passe, und dass die Beamtenkonstruktion mit der angestrebten beruflichen Selbstverwaltung kollidiere. Im Übrigen sah sie die bei der Beamtenkonstruktion nötige Abstimmung mit dem Innenministerium als problematisch an. 2 5 In § 2 R N o t O findet sich schließlich die in Anlehnung an das Reichsbeamtengesetz getroffene Regelung, dass der Notar in einem öffentlich-rechtlichen Treueverhältnis stehe. Auf den förmlichen Beamtenstatus wurde verzichtet, weil der Notar nicht den Vorschriften des Beamtenrechts, sondern als Amtsträger besonderen Regelungen unterliegen sollte. 26 Das heißt, dass sich die Tendenz, ein „Sonderamtsrecht" für Notare in Anlehnung an das Recht des öffentlichen Dienstes zu bilden, gegenüber der rein berufsständischen Konzeption durchsetzte, ohne aber auf berufsrechtliche Elemente der Notarverfassung gänzlich zu 22 23 24 25

26

In Auszügen dokumentiert bei Schubert, Schubert, aaO, S . 7 0 3 . Schubert, aaO, S . 7 0 6 . Schubert, aaO, S . 7 0 8 .

Seybold/Hornig, §2 RNotO, Anm.l. b).

in: Notar und Rechtsgestaltung, S . 6 9 3 , 697ff.

II. Strukturentscheidungen

des Notarverfassungsrechts

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verzichten. Die Aufsicht wurde, in Fortsetzung der vormaligen Aufsichtspraxis über N o t a r e als G e b ü h r e n b e a m t e 2 7 , den staatlichen Aufsichtsbehörden, d.h. dem Präsidenten des Landgerichts, des Oberlandesgerichts und dem Reichsminister der Justiz, zugewiesen ( § 6 5 R N o t O ) . Die N o t a r k a m m e r n sollten nach § 4 5 II R N o t O lediglich eine „kameradschaftlich ermahnende Aufsichtstätigk e i t " 2 8 ausüben und im Übrigen die staatlichen Aufsichtsbehörden unterstützen. Diese Grundkonzeption hat die B N o t O übernommen (vgl. § 6 7 1 2 B N o t O ) , den N o t a r k a m m e r n jedoch zusätzlich ein Ermahnungsrecht bei leichteren Verfehlungen vorbehalten ( § 7 5 I B N o t O ) . Die Stellung des N o t a r s zum Staat stellt sich somit nach der Konzeption der R N o t O und ihr folgend der B N o t O als eine als „öffentlich-rechtliches Treueverhältnis" bezeichnete Bindung an den Staat dar, die durch die berufsständische Selbstverwaltung ergänzt wird. Das besondere Amtsverhältnis des N o t a r s bildet hiernach die „ R e c h t s f o r m " der externen Rechtspflegeeinrichtung. Die Abgrenzung vom förmlichen Beamtenstatus vollzieht sich dabei konzeptionell durch die Figur des „außerdienstlichen A m t e s " . Die „ R e c h t s f o r m " der Rechtspflegeeinrichtung N o t a r i a t erschließt sich somit nach der strukturellen Vorgabe der B N o t O über Begriff und Bedeutung des N o t a r a m t s als „außerdienstliches A m t " .

2 . Institutionelle A u s g e s t a l t u n g Die institutionelle Ausgestaltung des Notariats als Rechtspflegeeinrichtung wird durch die persönliche Verpflichtung des N o t a r s als Amtsträger umgesetzt. a) „Allgemeine

Amtspflichten"

In § 1 4 B N o t O und den folgenden Spezialvorschriften sind die grundlegenden Amtspflichten des N o t a r s geregelt. Diese Pflichten werden z.T. als „allgemeine A m t s p f l i c h t e n " 2 9 oder auch „allgemeine Berufspflichten" 3 0 bezeichnet. D e r Begriff „Berufspflicht", der auf eine systematische Parallele zum anwaltlichen Berufsrecht 3 1 verweist, das z.T. inhaltsgleiche Pflichtenformulierungen kennt, verwischt allerdings, dass es sich bei den notariellen Pflichten um solche handelt, die an das Amt anknüpfen. 3 2

Vgl. Oberneck, Notariatsrecht, S. 34. Seybold/Hornig, §45 RNotO Anm. III. 1. 29 Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 1; Schippel/Schippel, § 14 BNotO IV; vgl. auch Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege, S. 10 (zählt das Neutralitätsgebot allerdings nicht zu den „allgemeinen Pflichten"); kritisch Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 94 („nicht hinreichend deutlich ..., dass dieser Pflichtenkreis das Notaramt als Institution definiert...") 3 0 So etwa in der Beck'schen Textausgabe; vgl. auch Schippel/Schippel, § 14 BNotO Rdn. 7f. 31 BVerfGE 57, 121, 131; 60, 215, 230; 71, 162, 172. 3 2 Die begriffliche Präzisierung, die der Gesetzgeber mit der Ersetzung des Begriffs Beruf durch den Begriff Amt in § 14 III 1 BNotO vorgenommen hat (vgl. Begr. BReg BT-Drucks. 13/ 27 28

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§4 Justizgewährung

vermittels externer

Rechtspflegeeinrichtungen

Die grundlegenden „allgemeinen" Amtspflichten des Notars sind in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Als „institutionelle Grundpflichten" bewirken sie zum einen die „Errichtung" der personalistischen Rechtspflegeeinrichtung. Sie repräsentieren die notwendigen Grundeigenschaften der Institution. Institutionelle Grundpflichten lassen sich unterteilen in die Gruppe der aufgabenbezogenen und die Gruppe der organisatorischen Grundpflichten. In diesen Zusammenhang gehören ferner solche Pflichten, denen der Notar deshalb unterliegt, weil er eine außerhalb der Justizorganisation eingerichtete Rechtspflegeeinrichtung verkörpert, die dem äußeren Erscheinungsbild entsprechend mit der Person identifiziert wird. Sie zielen nicht darauf ab, die konkrete Funktionsfähigkeit der Rechtspflegeeinrichtung zu ermöglichen, sondern darauf, das Vertrauen der rechtsuchenden Bevölkerung in die Funktionsfähigkeit der Rechtspflegeeinrichtung zu sichern. Ihrem Zielgehalt entsprechend können sie deshalb als vertrauenssichernde Grundpflichten bezeichnet werden. Allgemeine Amtspflichten richten sich zum anderen auch im Interesse der Beteiligten bzw. allgemeiner des Publikums an den Notar als Verfahrensträger. Der Notar hat seine Amtsführung nach Maßgabe seiner allgemeinen Amtspflichten zu gestalten. Das heißt jedoch nicht, dass allgemeine Amtspflichten ohne weiteres auch als konkrete Verfahrenspflichten angesehen werden könnten. Die Verfahrenspflichten des Notars ergeben sich nicht aus seiner Stellung, sondern aus seiner Aufgabe, sind also im Fall der Lückenhaftigkeit der Verfahrensordnung in Orientierung an den Zielvorgaben des einzelnen Notarverfahrens zu präzisieren. b) Zur Bedeutung institutioneller

Grundpflicbten

Die konzeptionelle Notwendigkeit der aufgabenbezogenen institutionellen Grundpflicbten ergibt sich daraus, dass eine staatliche Rechtspflegeeinrichtung gewisse institutionelle Gtxm&eigenscbaften aufzuweisen hat, um ihren Aufgaben nachkommen zu können. Sofern diese Wesensmerkmale sich als persönliche Eigenschaften des Amtsträgers konkretisieren, also nicht durch die abstrakte organisationsrechtliche Ausgestaltung der Institution realisiert werden können, muss der einzelne Amtsträger entsprechend verpflichtet werden. Derartige „Grundpflichten" reflektieren also nichts anderes als die funktionsnotwendigen Eigenschaften der Rechtspflegeeinrichtung. Eine entsprechende Verpflichtung des Funktionsträgers ist keine exklusive Eigenschaft der personalistischen Rechtspflegeeinrichtung, muss hier jedoch strukturbedingt zur Ausgestaltung der Institution selbst eingesetzt werden. Der Grundpflicht als solcher unterliegt der Amtsträger gegenüber dem Staat. Verstöße gegen eine Grundpflicht stellen somit ein Dienstvergehen dar.33 4 1 8 4 , S. 23 f. zu Nr. 11 (§ 14); BNotK, Vorschläge zur Reform, S.24), sollte sich deshalb auch in der Bezeichnung der grundlegenden Pflichten des Notars niederschlagen. 33 Schmidt-Ränsch, Vorbem § 3 8 DRiG; zu Grundpflichten des Notars vgl. Schippel/ScWp-

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des Notarverfassungsrechts

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Die Erfüllung aufgabenbezogener Grundpflichten ist Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. In diesem Sinne ist beispielsweise der Richter zur Unabhängigkeit verpflichtet, zur Leistung des Richtereids, zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses usw. So genannten „statusbildenden Grundpflichten" (vgl. § § 43 ff. BRAO), die den Beruf prägen und deren Erfüllung Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege ist, unterliegt auch der Rechtsanwalt. 34 Diese Pflichten, die schon angesichts textueller Entsprechungen in Vergleich zur BNotO gesetzt werden 35 , unterscheiden sich jedoch in ihrer systematischen Bedeutung von den Grundpflichten, denen der Notar als Repräsentant einer staatlichen Rechtspflegeeinrichtung und Verfahrensträger unterliegt. Die Erfüllung der Grundpflicht durch den staatlichen Funktionsträger, gleichgültig ob es sich um einen internen oder einen externen Funktionsträger handelt, ist Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erbringung der staatlichen Rechtspflegeleistung und damit für die konkrete Erfüllung der Justizgewährungspflicht. Soweit die Erfüllung einer solchen Pflicht Grundlage für die Durchführung eines Zivilverfahrens ist, sind auch die Verfahrensbeteiligten betroffen. Sie können allerdings nicht unmittelbar die Einhaltung einer Grundpflicht verlangen, sondern müssen von den ihrem Schutz dienenden speziellen Verfahrensrechten Gebrauch machen, den möglicherweise parteilichen Richter etwa wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen (§ 43 ZPO). Entsprechendes gilt für das Notarverfassungsrecht. „Funktionieren der Rechtspflege" meint dabei primär die den Verfahrenszielen verpflichtete Abwicklung des einzelnen Verfahrens, reflexiv jedoch auch die generelle Akzeptanz der Rechtspflegeeinrichtung, d.h. den Erhalt des Vertrauens der rechtsuchenden Bevölkerung in die Funktionsfähigkeit der Institution. Als in diesem Sinne funktionsnotwendige Eigenschaften der Rechtspflegeeinrichtung, die sich in entsprechenden Grundpflichten des Notars niederschlagen müssen, regelt § 14 I 2 BNotO etwa die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars. 36

pel, § 14 BNotO Rdn. 9. Entsprechendes gilt für die anwaltlichen Grundpflichten. Sie sind disziplinarrechtlicher Natur und haben als solche keine unmittelbare Wirkung gegenüber den Mandanten (Boergen, NJW 1969, 913, 914; Borgmann/Haug, Kap. I Rdn.40; Eylmann, in: Henssler/Prütting, Vorb § 43 BRAO Rdn. 12; Friedlaender, § 28 RAO Rdn. 1). Dieses Verhältnis richtet sich vielmehr allein nach dem Mandatsvertrag. Berufspflichten, die auch den Interessen der Mandanten dienen, sind allerdings regelmäßig stillschweigend vereinbarter Inhalt dieses Vertrages (Eylmann, in: Henssler/Prütting, Vorb § 43 BRAO Rdn. 12; Friedlaender, vor § 30 RAO; Rdn. 12; Hanna, Standesrecht, S.25). 3 4 BVerfGE 76, 171, 185f. 3 5 Vgl. etwa Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 1. 3 6 Den Streit darüber, ob der Notar überhaupt einer Pflicht zur Unabhängigkeit unterliegt (so Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler [3. A.], § 14 BNotO Rdn. 99; Seybold/Schippe!, § 14 BNotO Rdn.29; vgl. auch BGHZ 106, 212, 217; a.A. Bohrer, Berufsrecht, Rdn.89), hat der Gesetzgeber mit der Neufassung der Vorschrift zugunsten der ersten Auffassung entschieden (vgl. Begr. BReg, BT-Drucks. 13/4184 S.23 zu Nr. 11 [§14 BNotO]). Der Begriff der „Unabhän-

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Rechtspflegeeinrichtungen

Fungiert der grundpflichtgebundene Funktionsträger, wie es bei dem Notar der Fall ist, als Verfahrensträger, so ergibt sich zwar aus der Grundpflicht keine unmittelbare Verfahrenspflicht. Ihre „latente" Erfüllung ist jedoch Voraussetzung für die ordnungsgemäße Verfahrensdurchführung. 37 Die Erfüllung bestimmter Grundpflichten kann im Übrigen zugleich Voraussetzung für die Erreichung des Verfahrensziels sein. So regelt etwa, worauf bereits hingewiesen wurde 3 8 , § 3 0 0 I ZPO lediglich, dass ein Endurteil zu erlassen ist, wenn der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist. Dass dieses Urteil, dem Sinn und Zweck des Zivilprozesses entsprechend, „getreu dem Gesetz" und „ohne Ansehen der Person" gefällt wird, ist nicht verfahrensrechtlich abgesichert, sondern ergibt sich daraus, dass die Entscheidung dem Richter vorbehalten ist, der kraft seines Amtseides zur gesetzestreuen und unparteiischen Amtsausübung verpflichtet ist ( § 3 8 DRiG). Dass der vorgegebene Zweck eines Notarverfahrens, beispielsweise des Beurkundungsverfahrens, erfüllt wird, ist in gleicher Weise von der Unparteilichkeit des Notars abhängig. Wesentlicher Teil des Beurkundungsverfahrens ist schließlich die sachgerechte Belehrung durch den neutralen Dritten, die die privatautonome Willensbildung unterstützt bzw. vielfach überhaupt erst ermöglicht. Die vertrauenssichernden Grundpflichten des Notars haben dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein externer Funktionsträger eine staatliche Rechtspflegeeinrichtung verkörpert. Diese Konzeption birgt ein spezifisches Konfliktpotential in sich. Da allein die Person die Rechtspflegeeinrichtung verkörpert, wird die Institution in der Öffentlichkeit mit dieser Person identifiziert. Die berufliche Selbständigkeit des Funktionsträgers hat zur Folge, dass der ihm zugewiesene Sektor staatlicher Rechtspflege nur vermittels der außerhalb des behördlich organisierten Justizapparats geleisteten Amtstätigkeit in Erscheinung tritt. Der Notar stellt eine Außenstelle des Justizapparats dar, die für das rechtsuchende Publikum nach der Art ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihrer Selbstdarstellung größere Ähnlichkeit mit einem freiberuflichen Rechtsberater hat als mit einem Gericht, zumal in den Bezirken, in denen Rechtsanwälte das Amt des Notars im Nebenberuf ausüben. § 14 III 1 BNotO verpflichtet den Notar in diesem Sinne zu „amtswürdigem" Verhalten innerhalb und außerhalb des Amtes. Auf das Erscheinungsbild des Notars in der Öffentlichkeit stellt auch § 14 III 2 BNotO ab, indem der Notar verpflichtet wird, selbst den Anschein pflichtwidrigen Verhaltens zu vermeiden. Delegiert der Staat Rechtspflegeaufgaben auf eine Institution, die organisatorisch nicht in den staatlichen Justizapparat eingebunden ist, müssen zu den aufgabenbezogenen Grundpflichten solche hinzutreten, die den die Institution vergigkeit" in § 1 BNotO sollte wohl in der Tat doppeldeutig verstanden werden (zur Entstehungsgeschichte vgl. Schüler, Entstehungsgeschichte der BNotO, S. 159). 3 7 Vgl. auch Frenz, Festgabe für Weichler, S. 175, 185. 3 8 § 1 III.

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des Notarverfassungsrechts

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körpernden Funktionsträger dazu verpflichten, selbst einen funktionsfähigen „Apparat" zu unterhalten. Der Notar, der zur Amtsausübung verpflichtet ist (vgl. § 14 I 1 BNotO) 3 9 , muss in eigener „Organisationshoheit" die sachlichen und personellen Voraussetzungen schaffen, die für seine Amtsführung erforderlich sind. Der Notar unterliegt also auch organisatorischen Grundpflichten. Im weiteren Sinne gehört zu diesen organisatorischen Grundpflichten auch die bei der Ausgliederung von Rechtspflegeaufgaben auf den externen Funktionsträger übertragene Pflicht, die öffentlich-rechtlichen Gebühren zu erheben und beizutreiben (vgl. § 1 7 BNotO). 4 0 Die Funktionsfähigkeit der Rechtspflegeeinrichtung und damit die Erfüllung der staatlichen Justizgewährungspflicht stützt sich demnach auf ein Geflecht aufgabenbezogener, vertrauenssichernder und organisatorischer Grundpflichten des Notars. Der Regelungsgehalt und das Zusammenspiel der Pflichten des Notars formen die Institution. 3. Unabhängigkeit als Statusmerkmal der Funktionsträger der Justiz Die Zuweisung zum Justizbereich innerhalb der innerstaatlichen Aufgabenverteilung wirkt sich auf den Status des Amtsträgers aus. Dem Richter ist in diesem Sinne als eine Konkretisierung des Gewaltenteilungsprinzips, das die Teilaspekte der Machtverteilung (und -begrenzung) unter verschiedenen Trägern der Staatsgewalt sowie der effizienten Funktionenverteilung umfasst 41 , richterliche Unabhängigkeit verliehen (Art. 97 I GG). 4 2 Die Unabhängigkeitsgewähr betrifft hier nicht im Wortsinne den Ausschluss von Abhängigkeitsbeziehungen, sondern vielmehr die Absteckung eines exklusiven Gewalt- und Funktionsbereiches, den der andere Gewalten- und Funktionsträger nicht berühren darf. Unabhängigkeit der Funktionsträger bedeutet in diesem Sinne „Staatsunabhängigkeit". Die richterliche Unabhängigkeit steht also etwa Maßnahmen der Justizaufsicht entgegen. Dabei wird dem Richter die Unabhängigkeit nicht nur gewährt, sofern er im engeren Sinne rechtsprechende Gewalt ausübt; sie gilt vielmehr gleichermaßen bei der Ausführung sonstiger Tätigkeiten, die in Vollzug der innerstaatlichen Funktionenverteilung als „richterliche Geschäfte" wahrgenommen werden. 43 Unabhängigkeit als Begriff des

SchippelISchippel, § 14 BNotO Rdn. 1. Vgl. Begr. BReg, BT-Drucks. 13/4184, S.25 zu Nr. 14 (§ 17 Abs. 1 BNotO). 4 1 Vgl. Hess. Dienstgericht für Richter, DRiZ 1 9 8 0 , 4 6 9 , 4 7 0 ; Bettermann, in: Isensee/Kirchhof, HbStR III § 73 Rdn. 1; Eichenberger, Unabhängigkeit, S.26. 4 2 BVerfGE 2, 307, 329; 27, 312, 322; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 97 GG Rdn. 2 (5/1977); Papier, NJW 2001, 1089; Pfeiffer, FS für Bengl, S.85; Rudolph, DRiZ 1984, 135, 139; Schmidt-Ränsch, §25 DRiG Rdn. 3; M. Wolf, NJW 1977, 1063, 1064; vgl. auch BGHZ 67, 184, 187. 43 Kissel, § 1 GVG Rdn.41; Papier, NJW 1990, 8, 9; ; ders., NJW 2001, 1089, 1990; Ru39

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§4 Justizgewährung

vermittels externer

Recbtspflegeeinricbtungen

Organisationsrechts knüpft also nicht vorrangig an die Gewaltverteilung, sondern an die Funktionenverteilung an. Justizgewährung, gleichgültig ob sie sich als Ausübung rechtsprechender Gewalt, Recht zum Zwang, Rechtsfürsorge, Konfliktbereinigung oder Konfliktprophylaxe darstellt, findet durch unabhängige Funktionsträger statt. § 1 BNotO ordnet folgerichtig auch dem Notar „Unabhängigkeit" als ein Statusmerkmal zu. 44 Der dem Justizorganisationsrecht entstammende topos der Unabhängigkeit wird auf den Notar übertragen, weil er sowohl bei der Wahrnehmung der ihm originär zugewiesenen Aufgaben als auch bei der Wahrnehmung verlagerter richterlicher Aufgaben auf justiziellem Gebiet tätig wird 45 , und zwar als eine Rechtspflegeeinrichtung, die Bestandteil der staatlichen Justizorganisation ist. Auch der Notar, obwohl er im Sinne der Machtverteilung keine rechtsprechende Gewalt ausübt, kann also im Sinne der Funktionenverteilung als „Funktionsträger der dritten Gewalt" angesehen werden. 46 Jedenfalls wird er mit der Gewähr statusrechtlicher Unabhängigkeit organisationsrechtlich als ein solcher behandelt. Als unabhängiger Amtsträger beherrscht der Notar seinen Funktionsbereich im Grundsatz frei von Einflussnahmen der Verwaltung. 47 Die Wahrung der Unabhängigkeit ist darüber hinaus auch zwischen den Funktionsträgern eines Bereichs von Bedeutung. 48 Unabhängigkeit als Statusmerkmal der Funktionsträger des Justizbereichs erscheint hier schlicht als ein Prinzip des Justizorganisationsrechts. Ob dieses Statusmerkmal des Richters sich aus Art. 97 GG ergibt oder ob die verfassungsrechtlich verankerte Unabhängigkeitsgarantie sich auf den Schutz der rechtsprechenden Gewalt vor Eingriffen durch die Legislative und die Exekutive beschränkt 49 , ist für das Verständnis der Staatsunabdolph, DRiZ 1979, 97; Scbmidt-Ränsch, § 25 DRiG Rdn. 8; vgl. auch Funk, DRiZ 1978, 357, 362; Hohendorf, NJW 1984, 958, 960. 44 Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 141; Pfeiffer, DNotZ 1981, 5, 6; Vollhardt, FS 125 Jahre Bay. Notariat, S. 11, 21; Weirich, DNotZ 1962, 11, 15. 4 5 Wenn der Notar verlagerte richterliche Kompetenzen wahrnimmt, muss ihm die gleiche Unabhängigkeit wie einem Richter gewährt werden (zur Sonderproblematik der sachlichen Unabhängigkeit der Notare im Landesdienst vgl. Fratzky, BWNotZ 1986, 97ff.; Nieder, BWNotZ 1986, 104. 111 ff.; Richter, BWNotZ 1986, 115ff.). 46 Höfer/Huhn, Urkundenrecht, S. 49ff.; Stern, FS für Rudolf, S. 367, 375; ähnlich Gonella, Dt. Notartag 1956, S.45, 55 f.; vgl. auch Bilda, Notar und Rechtsgestaltung, S. 387, 394; Niese, ZZP 73 (1960), 1, 28f. Wer hier nicht differenziert, „Unabhängigkeit" nur dem Träger rechtsprechender Gewalt zuspricht, und den Notar, der solche nicht ausübt, der (abhängigen) Verwaltung zuschreibt, muss folgerichtig eine sachliche Unabhängigkeit des Notars verneinen und § 1 BNotO lediglich als Garantie persönlicher Unabhängigkeit verstehen (so die vereinzelt gebliebene Auffassung von Kruse, Rechtsstellung, S.76ff., 95). 4 7 Vgl. Bilda, in: Notar und Rechtsgestaltung, S.387, 394. 4 8 Zur Bedeutung richterlicher Unabhängigkeit gegenüber anderen Trägern richterlicher Gewalt: BVerfGE 17, 252, 259f.; BVerfG, NJW 1996, 2 1 4 9 , 2150; Haherland, DRiZ 2002, 301, 302; Kissel, § 1 GVG Rdn. 107; Papier, NJW 2 0 0 1 , 1 0 8 9 , 1 0 9 0 ; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rdn.465; MünchKomm-ZPO/M. Wolf, § 1 GVG Rdn.25; ders., Gerichtsverfassungsrecht, § 18 III.; Wiebel, BB 1995, 1197, 1198. 49 Rudolph, DRiZ 1984, 135, 139; Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 97

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hängigkeit im Notarverfassungsrecht ohne Belang. Da der Unabhängigkeit des Notars ausdrücklich kein Verfassungsrang zukommt 5 0 , beschränkt sich die notarrechtlich relevante Fragestellung auf den möglichen Inhalt und die Grenzen notarieller Unabhängigkeit im justizorganisatorischen Binnenbereich. Zur Ausgestaltung des Notariats als Rechtspflegeeinrichtung gehört also die dem Amtsträger in § 1 BNotO gewährte notarielle Unabhängigkeit. Der dem Notar innerhalb des Justizorganisationsrechts zur effizienten Erfüllung der staatlichen Justizgewährungspflicht eingeräumte Freiraum richtet sich nach Inhalt und Grenzen dieses Statusmerkmals. 4. Staatliche Bestellungs- und Kontrollhoheit Der Staat muss bei dem Einsatz privater Funktionsträger in Zivilverfahren durch Auswahl und Kontrolle gewährleisten, dass die Rechtspflegebelange, denen er verpflichtet ist, erfüllt werden. Die Sicherung der Qualität der Rechtspflegeleistung ist ein gewichtiger öffentlicher Belang. 51 a)

Bestellung

Den Staat trifft zunächst die Pflicht zur Entscheidung, welche Träger des Notaramtes auf den organisationsrechtlich festgelegten Notarstellen 5 2 zum Einsatz kommen. Der Vorschlag, jedenfalls im Bereich des Anwaltsnotariats auf eine organisationsrechtliche Errichtung von Notarstellen zu verzichten und statt dessen jedem Bewerber, der eine spezielle Eingangsprüfung absolviert hat, einen Anspruch auf Verleihung des Notaramtes zu verschaffen 53 , ist mit der Grundkonzeption des Notariats als staatliche Rechtspflegeeinrichtung nicht zu vereinbaren. Die Entscheidung über den Einsatz eines Notaramtsträgers als Rechtspflegeeinrichtung setzt sich aus zwei Teilentscheidungen zusammen, für die im Einzelnen unterschiedliche Kriterien gelten und die im Übrigen sogar zeitlich auseinanderfallen können. Es handelt sich dabei um die Entscheidung über die Bestellung zum Notar ( § § 5 - 7 BNotO) sowie um die Entscheidung über die Zuweisung eines konkreten Amtssitzes (vgl. § 10 I BNotO). Der Gegenstand beider Teilentscheidungen konkretisiert sich allerdings vor dem Hintergrund ein und desselGG Rdn. 1; in diesem Sinne noch BVerfGE 12, 67, 71; 2 7 , 312, 321 f.; vgl. aber nunmehr BVerfG, N J W 1996, 2 1 4 9 , 2 1 5 9 („Die Gewährleistung des Art. 9 7 1 GG kann .. auch innerhalb der Gerichtsbarkeit und im Innenverhältnis einer Gerichtskammer Wirkung entfalten."); so auch MünchKomm-ZPO/M. Wolf, § 1 GVG Rdn. 25. 5 0 Für eine verfassungsrechtliche Verankerung der notariellen Unabhängigkeit haben sich Höfer/Huhn (Urkundenrecht, S.47) ausgesprochen. 51 BVerfG, NJW-RR 2 0 0 3 , 2 0 3 ; N J W 2 0 0 4 , 1935, 1937. 5 2 Zur Notarstelle vgl. oben § 3 I. 1 a). 5 3 DAV, AnwBl. 1996, 2 1 3 ; Schwackenberg, AnwBl. 1 9 9 5 , 4 7 6 , 4 8 0 .

108

§4 Justizgewährung vermittels externer

Rechtspflegeeinrichtungen

ben Entscheidungsmaßstabs. Sowohl die Kriterien zur Bestellung eines Bewerbers für das N o t a r a m t als auch die Kriterien für die Zuweisung eines „passend e n " Amtssitzes orientieren sich letztendlich an den Belangen

geordneter

Rechtspflege. Ferner darf nicht außer Acht gelassen werden, dass im Zuständigkeitsbereich des Notars auch Notariatsverwalter (§ 5 6 B N o t O ) und Notarvertreter (§§ 3 9 f f . B N o t O ) nicht kraft eines Notaramtes, sondern kraft ihres Verwalter- bzw. Vertreteramtes tätig werden. Auch die Bestellung dieser Amtsträger unterfällt der staatlichen Organisationshoheit. b)

Amtsverlust

Die Pflicht zum Einsatz geeigneter N o t a r e erfasst nicht nur im positiven Sinne die Bestellung, sondern auch im negativen Sinne den Amtsverlust ungeeigneter Amtsträger. Z u den Gründen, die zu einem Erlöschen des Amtes führen ( § 4 7 B N o t O ) , zählen in diesem Sinne neben dem Amtsverlust infolge strafgerichtlicher Verurteilung ( § 4 7 N r . 4 i.V.m. § 4 9 B N o t O ) auch die Amtsenthebung ( § 4 7 N r . 5 i.V.m. § 5 0 B N o t O ) und die Entfernung aus dem Amt durch disziplinargerichtliches Urteil ( § 4 7 Nr. 6 i.V.m. § 9 7 1 1 B N o t O ) . Die Regelungen enthalten auf den ersten Blick keine strikte systematische Trennung dahin, den Amtsentzug wegen eines Dienstvergehens dem Disziplinarverfahren vorzubehalten und andere Mängel der Amtsinhaberschaft (z.B. Fehlen der Bestellungsvoraussetzungen, Amtseidsverweigerung, körperliche Gebrechen usw.) gegenständlich dem Verwaltungsverfahren zuzuweisen. Der wiederholte grobe Verstoß gegen Mitwirkungsverbote ( § 3 1 1 BeurkG), der vor der Novellierung der B N o t O durch das Dritte Gesetz zur Änderung der B N o t O und anderer Gesetze nur disziplinarisch geahndet werden konnte, führt etwa nach § 5 0 I Nr. 9 B N o t O zur Amtsenthebung. Besonderheiten gelten im Übrigen für den Bereich des Anwaltsnotariats. D a hier Amtsinhaberschaft und Amtssitzzuweisung im Prinzip mit der Zulassung als Rechtsanwalt an einem bestimmten Gericht verbunden sind, erlischt das N o t a r a m t mit bestandskräftigem Wegfall der Zulassung ( § 4 9 Nr. 3 B N o t O ) . Ein Verlust des N o t a r a m t e s kann also auch infolge der anwaltsgerichtlichen M a ß nahme der Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft (§ 1 1 4 I N r . 5 B R A O ) eintreten. c)

Kontrollinstrumente

M i t der persönlichen Haftung des N o t a r s enthält das Prinzip der externen Rechtspflegeeinrichtung gewissermaßen ein Selbstregulativ. Die Haftungsgefahr

5 4 O b eine Verfehlung des Anwaltsnotars im Disziplinarverfahren oder im anwaltsgerichtlichen Verfahren zu ahnden ist, richtet sich gem. § 1 1 0 I B N o t O danach, mit welchem Tätigkeitsbereich die Verfehlung vorwiegend in Z u s a m m e n h a n g steht.

IL Strukturentscheidungen

des Notarverfassungsrechts

im Überblick

109

hält den Notar an, Fehler bei der Amtsführung zu vermeiden, und dient in dieser Hinsicht der Qualitätssicherung der Rechtspflegeleistung. 5 5 Freie Notarwahl und persönliche Verantwortung des Notars sind vor diesem Hintergrund sogar als „der beste Schutz der Beteiligten gegen eine fehlerhafte oder willkürliche Handlungsweise des N o t a r s " bezeichnet worden. 5 6 Im Hinblick auf die staatliche Justizgewährungspflicht kann sich die Notarverfassung jedoch nicht mit einem solchen Selbstregulativ begnügen. Die B N o t O kombiniert zwei verschiedene Bindungs- und Kontrollsysteme, die zum einen die Amtsstellung des Notars, zum anderen seine Berufszugehörigkeit zum Anknüpfungspunkt wählen. Die B N o t O unterwirft den Notar in seiner Eigenschaft als Amtsträger, prinzipiell nicht anders als den Richter, aufsichtlicher Kontrolle und disziplinarischer Verantwortung ( § § 9 2 f f . ) . Als Mitglied der Notarkammer unterliegt er zudem in eingeschränktem M a ß e standesrechtlicher Kontrolle ( S S 74, 75 BNotO).57 Das Notarverfassungsrecht greift also auch auf Funktionen freiberuflicher Selbstverwaltung zurück, wobei unter dem Gesichtspunkt staatlicher Justizgewährung weniger die Funktion als Interessenvertretung der Berufsgruppe von Bedeutung ist 5 8 als vielmehr die Wahrnehmung der Berufsförderung 5 9 (einschließlich der Berufsbildung der bei dem Notar beschäftigten Personen, vgl. S 87 BBiG) und der Berufsaufsicht, die eine entsprechende „Disziplinierung" der Mitglieder umfasst 6 0 . Die organisatorische Selbständigkeit des Notars gegenüber dem Staatsapparat findet das Korrelat in der Verkammerung. 6 1 Die B N o t O enthält somit einen verhältnismäßig dichten Regelungsrahmen, um mittels staatlicher Steuerung die Funktionsfähigkeit der externen Rechtspflegeeinrichtung zu ermöglichen und zu sichern, so dass mit dem Einsatz des Notars letztlich der staatlichen Justizgewährungspflicht auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege genügt wird. Die die Bestellung der Notare und den Amtsverlust betreffenden Vorschriften sind dabei durchaus auf die Einbindung eines externen Funktionsträgers in das Justizorganisationsrecht zugeschnitten. Für die staatlichen Aufsichts- und Disziplinarmittel gilt das nicht in gleichem M a ß e . Vgl. zur Einhaltung der Fortbildungspflicht: Jerschke, FS für Schippel, S . 6 6 7 , 6 8 4 . Weirich, DNotZ 1962, 11, 15. 5 7 Das heute praktizierte duale Aufsichtsmodell lehnt sich damit historisch betrachtet sowohl an das französische Aufsichtsmodell des Ventöse-Gesetzes als auch an das preußische Modell der Dienstaufsicht durch die Gerichte an (zu den historischen Grundlagen vgl. Frischen, R N o t Z 2 0 0 1 , 1, 7). 5 8 Der insgesamt gleichwohl eine Rolle spielt (vgl. hierzu Tettinger, Kammerrecht, S. 83, 139ff.). 59 Tettinger, Kammerrecht, S. 137; ders., notar 3/1997, 4, 6. 6 0 Vgl. hierzu Leuze, FS für Schippel, S . 6 9 7 , 699; Luther, DStR 1974, 331, 332f.; Tettinger, Kammerrecht, S . 1 3 7 f . 6 1 Verkammerung stellt typischerweise ein Instrument der „Entstaatlichung" dar (Tettinger, Kammerrecht, S.57). „Entstaatlichung" besteht in der Tat auch im Fall des Notars, und zwar Entstaatlichung in organisatorischer Hinsicht. 55 56

110

§4 Justizgewährung vermittels externer

Rechtspflegeeinrichtungen

Vielmehr handelt es sich bei den Regelungen der Aufsicht und des Disziplinarrechts im Wesentlichen um richterrechtliche bzw. beamtenrechtliche Instrumente, die auf das Notarverfassungsrecht übertragen worden sind. Erst in der konkreten Anwendung und Auslegung der Rechtsbegriffe des Aufsichts- und Disziplinarrechts können sie den Besonderheiten des Notarrechts angepasst werden. Im Hinblick auf die Kontrollmöglichkeiten, die der Staat sich gegenüber dem externen Funktionsträger vorbehält, ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass der Notar, dem Richter vergleichbar, im Sinne des Justizorganisationsrechts Unabhängigkeit genießt. Inhalt und Grenzen der Unabhängigkeitsgewähr sind somit mit dem Ziel, eine ordnungsgemäße Amtsführung durch qualitätssichernde Kontrollmittel sicherzustellen, in Einklang zu bringen. Vor dem Hintergrund umfassender staatlicher Kontrollbefugnisse, die lediglich durch die Unabhängigkeit des N o t a r s begrenzt werden, wäre ein Rechtspflegesystem, das den N o t a r als externe Rechtspflegeeinrichtung unter der Organisations- und Kontrollhoheit des amtsverleihenden Landes vorsieht, insofern auch

ohne

Mitwirkung

der

Berufsvereinigungen

denkbar. 6 2

Gleichwohl

beschränkt das Notarverfassungsrecht sich nicht darauf, den N o t a r k a m m e r n Aufgaben zur Wahrung der beruflichen Belange ihrer Mitglieder zuzuweisen, sondern setzt sie gleichfalls zur Überwachung der N o t a r e ein (vgl. § 6 7 I 2 B N o t O ) , wobei diese Überwachung häufig sogar als effektiver empfunden wird als die Überwachung durch die Dienstaufsicht. 6 3 Das Kontrollsystem des N o t a r verfassungsrechts erschließt sich somit erst in der Zusammenschau aufsichtlicher und disziplinarischer Kontrollmittel auf der einen Seite und der Überwachung durch die K a m m e r n auf der anderen Seite und nimmt somit eine ausgesprochene Sonderstellung in der staatlichen Justizverfassung ein. Als Steuerungsmittel zur Sicherung ordnungsgemäßer Pflichterfüllung der N o t a r e und damit zur Sicherung staatlicher Justizgewährung ist schließlich die Richtlinienkompetenz der N o t a r k a m m e r n gem. § 6 7 II B N o t O von Bedeutung, die den K a m m e r n die Befugnis zur Konkretisierung der grundlegenden notariellen Amtspflichten im R a h m e n der gesetzlichen Vorschriften einräumt. D a die Grundpflichten des Notars gerade der Ausgestaltung der Rechtspflegeeinrichtung dienen, werden die K a m m e r n also gewissermaßen zur Unterstützung bei der Konstitution einer staatlichen Rechtspflegeeinrichtung herangezogen. Auch insoweit stellt die Notarverfassung eine Ausnahme innerhalb des Justizorganisationsrechts dar. 6 2 Vgl. Zuck, FS für Schippel, S. 817, 835f. („... warum brauchen also diese Amtsträger dann noch eine Kammer?"); zur den historischen Vorläufern der Notarkammern vgl. Hartmann, FS für Schippel, S. 645f.; Laum, in: Notar und Rechtsgestaltung, S.403, 405ff.; Taupitz, Standesordnungen, S. 399ff.; Vollhardt, FS 125 Jahre Bay. Notariat, S. 11, 20; Weisweiler, Geschichte des rheinpreußischen Notariats, S. 181 ff., 233 ff. 6 3 Schippel/Kanzleiter, §74 BNotO Rdn.2; vgl. auch Weirich, DNotZ 1962, 11, 17.

III.

III.

Fazit

111

Fazit

Das Notarverfassungsrecht nimmt eine Sonderstellung in der deutschen Justizverfassung ein. Der Überblick zeigt, dass es sich um eine durchaus geschlossene Konzeption handelt. Die grundlegenden Strukturentscheidungen formen das Notariat zu einer Außenstelle der Justiz. Allerdings fällt auf, wie wenig konkret der inhaltliche Gehalt der einzelnen Strukturentscheidungen sich darstellt. Schon der Begriff des „außerdienstlichen Amtes", der das Notaramt prägt, entzieht sich einer einfachen dogmatischen Zuordnung. Der komplexe Bereich notarieller Grundpflichten zeigt zwar klare Konturen. Die Grundpflichten sind jedoch notwendig programmatisch formuliert und bedürfen insofern der inhaltlichen Konkretisierung. Da der Notar in Bereichen tätig wird, die einem teilweise amorphen Verfahrensrecht unterliegen, das eine Ausgestaltung durch den Notar verlangt, stellt sich zudem das Problem der Überblendung von Dienstpflichten und Verfahrenspflichten. Probleme wirft im Übrigen auch die Anlehnung an Begriffe des Richterrechts auf. Das Spannungsverhältnis zwischen Unabhängigkeit und Aufsicht kann sich nicht dadurch lösen lassen, dass die Lösungen, die für das Verhältnis des Richters zum Staat Geltung beanspruchen, Punkt für Punkt auf das Notarrecht übertragen werden. Vielmehr sind die Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich aus der Tätigkeit des Notars und aus seiner Stellung als Außenstelle der Justiz ergeben. Insoweit verbleibt also trotz der dogmatischen Anbindung an das Richterrecht Klärungsbedarf. Einzigartig in der Justizverfassung ist schließlich das duale Kontrollsystem, das Aufsichtsfunktionen teils auf die Justizverwaltung, teils auf die Kammern überträgt. In welchem Verhältnis die Befugnisse dieser beiden Instanzen zueinander stehen, ist nicht ohne weiteres zu erkennen. Jede Strukturentscheidung des Notarverfassungsrechts wirft also Fragen auf. Die konzeptionellen Grundlagen liegen vor; die inhaltliche Ausgestaltung ist lückenhaft. Im Folgenden soll deshalb jede Strukturentscheidung für sich genommen untersucht werden, um in summa ein inhaltlich geschlossenes Notarverfassungsrecht beschreiben zu können.

§ 5 Das Notaramt § 1 BNotO beschreibt den Notar als den unabhängigen Träger eines öffentlichen Amtes. Hiermit wird eine bestimmte Bindung des Notars an das amtsverleihende Land zum Ausdruck gebracht. 1 Die „Rechtsform" des Notariats als Rechtspflegeeinrichtung erschließt sich über den Amtsbegriff.

I. Zur Bedeutung

des

Amtsbegriffs

Welcher Amtsbegriff den Regelungen der BNotO insgesamt zugrunde liegt, ist nicht eindeutig zu beantworten. Die BNotO verwendet den Begriff des Amtes in unterschiedlicher Bedeutung. Es wurde beispielsweise bereits darauf hingewiesen, dass in § 56 I BNotO die Notariatsverwaltung als „Wahrnehmung des Amtes des Notars" definiert wird, wobei es sich im Fall der vakanten Notarstelle nicht um das persönliche Amt des Notars handeln kann. 2 Gemeint ist vielmehr die Rechtspflegeeinrichtung, die durch einen Amtsträger verkörpert wird. § 14 I BNotO differenziert gleichfalls zwischen der Person und dem Amt, indem der Notar verpflichtet wird, das Amt getreu seinem Eide zu verwalten. Noch deutlicher kommt diese Differenzierung in § 14 III 1 BNotO zum Ausdruck, wonach der Notar sich durch sein Verhalten innerhalb und außerhalb seines Amtes der Achtung und dem Vertrauen, die dem Notaramt entgegengebracht werden, würdig zu erweisen hat. § 47 BNotO versteht das Notaramt dagegen als das persönliche Amt des Notars 3 , das mit Erreichen der Altersgrenze, Tod des Amtsinhabers, Entlassung usw. erlischt. Mit der Unterwerfung unter das Dienstrecht und die staatliche Disziplinargewalt (§§ 92ff. BNotO) wird der Notar schließlich wie der in einem Dienstverhältnis stehende Richter behandelt, was auf eine im übertragenen Sinne „dienstrechtliche" Bedeutung des Amtsbegriffs schließen lässt. Diese Brüche im Gesetzestext der BNotO sind nicht per se ungewöhnlich. Der Begriff des Amtes wird auch im allgemeinen Verwaltungsrecht und im Beamtenrecht in unterschiedlicher Bedeutung verwandt. Vgl. § 4 III. 1. Vgl. § 3 I. 1. a). 3 BGH, DNotZ 1983, 503, 504; 1984, 286, 2871.; SchippelISchippel, § 1 BNotO Rdn.9; Kruse, Rechtsstellung, S. 6; Rossak, Unabhängigkeit, S. 32 (personelles Amt); vgl. auch Bohrer, Berufsrecht, Rdn.9; Custodis, in: Eylmann/Vaasen, § 4 7 BNotO Rdn.2. 1

2

I. Zur Bedeutung

des

Amtsbegriffs

113

In der Verwaltungsorganisation bezeichnet der Begriff „Amt" die Organisationseinheit, d.h. einen institutionell bestimmten konkreten Aufgabenbereich innerhalb der Verwaltungsorganisation.4 Das Amt ist danach eine „instituierte Zuständigkeit" 5 und insofern von der Person zu trennen. Diese Trennung findet sich wieder in der beamtenrechtlichen Unterscheidung zwischen dem Amt im statusrechtlichen Sinne, das die Rechtsstellung des Beamten zum Gegenstand hat 6 , und dem Amt im (abstrakten und konkreten) funktionellen Sinne, das wiederum den Aufgabenbereich bezeichnet7, insofern also der organisationsrechtlichen Bedeutung des Amtsbegriffs in verschiedenen Ausprägungen entspricht.8 Es liegt hiernach nahe, dass auch dem Begriff des Notaramtes Bedeutung sowohl im Hinblick auf die Justizorganisation als auch im Hinblick auf den Status des Notars zukommt. Parallelen zu den skizzierten Begriffsmustern des Verwaltungs- und Beamtenrechts können allerdings von vornherein nur sehr eingeschränkt gezogen werden. Der Gesichtspunkt der Aufgabengliederung, der dem Verwaltungsorganisationsrecht eigen ist9, spielt für die Position des Notariats im Bereich staatlicher Rechtspflege keine Rolle. Justizorganisatorisch geht es vielmehr um die instituierte Zuständigkeit im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit als solche. Der „Status" des Notaramtes entspricht im Übrigen jedenfalls nicht dem statusrechtlichen Amtsbegriff des Beamtenrechts, da der Notar nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis steht. 10 Welcher „Status" dem außerdienstlichen Notaramt beizumessen ist, muss vielmehr anhand der besonderen Amtskonzeption der BNotO erschlossen werden. Der Begriff des Notaramtes kann also sowohl als abstrakter Baustein der Justizverfassung als auch zur Kennzeichnung der Rechtsstellung des externen Funktionsträgers zum Staat von maßgeblicher Bedeutung sein. Angesprochen sind hiermit zwei voneinander zu trennende Bedeutungsebenen des Amtsbegriffes.

4 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 5 2 Rdn.30; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 2 1 Rdn.37, 38; vgl. auch Forsthoff, Verwaltungsrecht, S . 4 4 2 f . 5 Krüger, Allg. Staatslehre, S . 2 5 6 . 6 Battis, § 6 BBG Rdn. 9; Hilg, Beamtenrecht, § 6 III 1.; Lecheler, in: Isensee/Kirchhof, HbStR III, § 7 2 R d n . l l O f f . ; Summer, FS für Knöpfle, S . 3 6 9 , 372; Scheerbarth/Höffken/ Bauscbke/Schmidt, Beamtenrecht, § 9 III 5.; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rdn.48; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II [4. Aufl., in der 5. Aufl. nicht mehr behandelt], § 109 Rdn.3; Wiese, Beamtenrecht, S . 5 4 f . ; Wagner, Beamtenrecht, Rdn. 59. 7 Das Amt im abstrakt-funktionalen Sinne ist der allgemeine Aufgabenkreis innerhalb der Behördenorganisation, das Amt im konkret-funktionalen Sinne der bestimmte, geschäftsplanmäßige Aufgabenbereich des Beamten (Hilg, Beamtenrecht, § 6 III 2.; Schmidt-Aßmann/Ki/mg, Bes. Verwaltungsrecht, 6. Kap. Rdn. 70; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rdn.48; Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht II, Rdn.4). 8 Vgl. Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 52 Rdn. 30. 9 Vgl. Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, § 1 2 Rdn. 17; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, §21 Rdn.37. 10 BVerfGE 17, 371, 377.

114

§5 Das Notaramt

Z u m einen handelt es sich um den Begriff des N o t a r a m t s als „instituierte Zuständigkeit". Z u m anderen steht die Bedeutung des N o t a r a m t s als Status in Frage. Für die Konzeption der externen Rechtspflegeeinrichtung, vermittels der der Staat seiner Justizgewährungspflicht n a c h k o m m t , ist vornehmlich der zweite Aspekt von Interesse, da sich hierauf die eigentliche konstitutive Bedeutung der Amtsstellung konzentriert.

II. Notaramt

als „instituierte

Zuständigkeit"

D e r organisationsrechtliche Amtsbegriff kann für das Notarverfassungsrecht fruchtbar gemacht werden, wenn man aus diesem durchaus komplexen Begriff den Aspekt der instituierten

Zuständigkeit

extrahiert 1 1 , und zwar losgelöst von

der an sich begrifflich vorausgesetzten Einbindung des Amtes in das konkrete Organisationsgefüge eines Verwaltungsträgers 1 2 , die auf das N o t a r a m t von vornherein nicht zutrifft. D e m N o t a r wird hiernach ein Rechtspflegeamt als besonderer Aufgabenbereich zugewiesen (§ 1 B N o t O ) . Der Begriff „öffentliches A m t " dient dabei der Kennzeichnung einer Funktionseinheit für die Organisation staatlicher Rechtspflegeaufgaben schlechthin. Er umschreibt einen institutionalisierten Aufgabenkreis aus dem Aufgabenbereich des Staates. 1 3 Das Amt des N o t a r s ist somit eine F o r m des Amtes als „abstrakt gedachter Aufgabenstellung" und damit ein „Baustein"

der staatlichen Justizorganisation. 1 4 Diesem Begriffsverständnis

ent-

spricht auch die Definition des „ N o t a r a m t s im abstrakten Sinne" als Summe der sachlichen Zuständigkeiten des N o t a r s . 1 5 Z u m Teil wird das N o t a r a m t einerseits ausschließlich als instituierte Zuständigkeit begriffen, andererseits aber der Gesichtspunkt der Bindung an eine Person ohne weiteres neben diese funktionale Bedeutung des Amtsbegriffs gesetzt, so dass der Eindruck entsteht, der Begriff des persönlichen Amtes des N o t a r s , den die § § 4 7 f f . B N o t O voraussetzen, sei identisch mit dem Begriff des Amtes als abstrakt gedachter Aufgabenstellung. 1 6 Hier werden die beiden Bedeutungsebenen vermischt. Das M e r k m a l der Persönlichkeit kann dem Begriff des öffentlichen Amtes im organisationsrechtlichen Sinne nicht einfach als notarspezifisches So Römer, Notariatsverfassung, S. 19; Rossak, Unabhängigkeit, S.31 Vgl. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, §21 Rdn.37. 13 Frenz, in: Eylmann/Vaasen, §1 BNotO Rdn. 18; Römer, Notariatsverfassung, S. 19f.; Schippel/Scbippel, § 1 BNotO Rdn. 7; a. A. Bethge, Verfassungsrechtlicher Standort, S. 140ff. (keine Staatsfunktion); Kunz, Berufsbilder, S.59 (Funktionen im Parteiinteresse). 14 Vgl. zu dieser im Verwaltungsrecht zurückgedrängten Bedeutung des Amtsbegriffs: Summer, FS für Knöpfle, S. 369, 374 („Das Amt als Baustein des Staates hat seine ursprüngliche Bedeutung nur bei den obersten Staatsorganen halten können."). 15 Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 6. 16 Rossak, Unabhängigkeit, S. 32. 11

12

III. Notaramt

als Status

115

Attribut hinzugefügt werden. Folgerichtig ist es vielmehr, das Amt als instituierte Zuständigkeit trotz des Zuschnitts auf eine Person prinzipiell als von der Person unabhängige organisationsrechtliche Einheit zu begreifen. 1 7

III. Notaramt als Status Obwohl der Notar nach der Konzeption der R N o t O und der B N o t O nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht, kann hieraus nicht der Schluss gezogen werden, dem Notarverfassungsrecht liege kein, allerdings vom Beamtenrecht lösgelöster, statusrechtlicher Amtsbegriff zugrunde. Notare nehmen immerhin insoweit eine Sonderstellung ein, als für die rechtliche Ausgestaltung ihres Amtsverhältnisses in weitem Umfang Vorschriften gelten, die denen des Richterrechts nachgebildet sind. In diesem Sinne finden sich in Rechtsprechung und Literatur immer wieder Hinweise auf eine „Nähe zum öffentlichen D i e n s t " 1 8 , ein „persönliches öffentlich-rechtliches Treueverhältnis des Notars zum S t a a t " 1 9 oder eine „Annäherung an den R i c h t e r " 2 0 . Die amtliche Begründung zum Entwurf der B N o t O lässt im Übrigen erkennen, dass der Gesetzgeber die Stellung des Notars zum Staat, hier verstanden als besonderes öffentlichrechtliches Treueverhältnis, in dem Umstand verankert sehen wollte, dass der Entwurf den Notar als „Träger eines öffentlichen Amtes" qualifizierte. 21 Diese Betonung der Nähe des Notars zum Staat scheint den Schluss zu rechtfertigen, dass es sich bei dem Notaramt um nichts anderes handelt als um die im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse des Rechtsgebiets der vorsorgenden Rechtspflege konzipierte externe Variante des Richteramtes. Hier stellt sich allerdings die Frage, ob die so verstandene Amtsstellung und die Konzeption eines extern angesiedelten Amtes sich nicht widersprechen. Dem dogmatischen Problem, das sich vor diesem Hintergrund eröffnet, kann man sich unter verschiedenen Perspektiven nähern.

1 7 So Römer, Notariatsverfassung, S . 2 0 , der das Notaramt allerdings insofern mit der Notarstelle gleichsetzt (vgl. auch § 4 I. 1. a). 1 8 BVerfGE 17, 3 7 1 , 377, 379; 4 7 , 2 8 5 , 319; 73, 2 8 0 , 2 9 2 ; 80, 2 5 7 , 2 6 5 ; B G H Z 64, 2 1 4 , 2 1 7 ; 69, 2 2 4 , 227; 73, 4 6 , 48; BGH, DNotZ 1981, 5 2 1 , 523; DNotZ 1991, 89; BGHZ 151, 2 5 2 , 2 5 4 ; Eue, FS für Schippel, S . 5 9 9 , 604; Michalski, Gesellschafts- und Kartellrecht, S. 163; Stockebrand, in: Eylmann/Vaasen, 5 95 BNotO Rdn.3; ähnlich Mihm, Kollisionsprobleme, S.58f. 19 Eue, FS für Schippel, S . 5 9 9 , 604; Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 1 BNotO Rdn.6; Scheerbarth/Höffken/Bauschke/Schmidt, Beamtenrecht, § 9 IV. 2. c; Schippel/Schippel, § 1 BNotO Rdn.10; vgl. auch BGH, DNotZ 1991, 89. 2 0 BVerfGE 17, 3 7 1 ; B G H Z 73, 4 6 , 48; Baumann, MittRhNot 1996, 1, 17; Bohrer, DNotZ 1991, 3, 6; Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 1 BNotO Rdn.6; Fischer, DNotZ 1989, 4 6 7 , 4 7 3 ; Schippel/Schippel, § 1 BNotO Rdn. 10; Vetter, DNotZ 1986, 5 0 * , 5 2 * . 2 1 Amt. Begr., BT-Drucks. 3/219, S. 18.

116

§5 Das

Notaramt

Wer die externe Rechtsstellung des Notars als Privatperson, der Rechtspflegeaufgaben übertragen werden, in den Vordergrund stellt und somit die Rechtsstellung des Notars „von außen" gesehen beleuchtet, wird die besondere Amtsstellung des Notars vornehmlich aufgrund der ihm verliehenen Gewalt bzw. Befugnis analysieren. Diesen Weg beschreitet eine verbreitete Auffassung in der verwaltungsrechtlichen und zum Teil auch in der notarrechtlichen Literatur. Wird die Rechtsstellung des Notars dagegen „von innen" gesehen, d.h. in der Tat als ein Variante des Richteramtes begriffen, der lediglich die dienstrechtliche Einbindung fehlt, so konzentriert sich die Konzeption auf den Begriff des außerdienstlichen Amtes. Dieser Ansatz entspricht dem Wortlaut des § 1 BNotO. 1. Notarbefugnis und Beleihung Der Begriff der Notarbefugnis ist für sich genommen durchaus mehrdeutig, so dass eine nähere Kennzeichnung des im Kontext der Amtsdefinition des § 1 BNotO gebrauchten Begriffs erforderlich ist. Notarbefugnis wird einerseits verstanden als Amtsgewalt des Notars 2 2 , also als Element des „geistigen Gebildes Amt", das die Befugnis zur Durchführung dessen vermittelt, was zur Erledigung der Amtsaufgabe erforderlich ist. 23 Notarbefugnis kann jedoch auch Amtsausübungsbefugnis im Sinne einer Berechtigung bedeuten. In diesem Sinne setzt etwa § 4 4 BNotO die Differenzierung zwischen der Amtsausübungsbefugnis des Notars, der kraft seiner Notargewalt Amtsgeschäfte vornehmen kann, und der Amtsausübungsbefugnis des Vertreters, der kraft seiner Amtsgewalt als Notarvertreter notarielle Amtshandlungen ausführt, voraus. Der Duplizität der Gewalten soll im Vertretungsfall letztendlich nur die Wahrnehmung einer Amtsausübungsbefugnis entsprechen. Der Vertreter nimmt anstelle des Notars die Amtsausübungsbefugnis wahr; der Notar soll sich umgekehrt während der Vertretungszeit der Amtsausübung enthalten (vgl. § 4 4 I 2 BNotO), damit es nicht zu einer Vermehrung der Leistungsfähigkeit des Notariats kommt. 2 4 Der Begriff Notarbefugnis i.S. einer Amtsausübungsbefugnis zielt somit auf das wirtschaftliche Substrat des Notaramts. 25 Im Hinblick auf die Rechtsstellung des Notars als „Rechtsform" der Institution kommt es dagegen nicht auf die Berechtigung des Notars an, sondern auf seine Amtsgewalt zur Durchführung der ihm übertragenen Aufgaben staatlicher Rechtspflege. Im vorliegenden Zusammenhang beschränkt sich die Verwendung des Begriffs „Notarbefugnis" folglich auf diese Bedeutungsebene. Vgl. Bohrer, Berufsrecht, Rdn.9; Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 1 BNotO Rdn.27. Vgl. Krüger, Allg. Staatslehre, S.260f. 2 4 BNotK, Beschl. v. 2 3 . 5 . 1973, auszugsweise zitiert bei Arndt/Lerch/Sandkühler, § 3 9 BNotO Rdn.26; Starke, in: Beck'sches Notar-Handbuch, K I Rdn. 117; Wilke, in: Eylmann/ Vaasen, § 4 4 BNotO Rdn. 7; vgl. auch Richtlinienentwurf der BNotK Nr. IV 4. 2 5 Vgl. auch BAG, ZNotP 2000, 2 0 4 , 205 f. 22

23

III. Notaramt

als

Status

117

Die Einräumung der „ N o t a r b e f u g n i s " , verstanden als Amtsgewalt, ist Grundvoraussetzung für die Erfüllung der Rechtspflegetätigkeiten des N o t a r s und damit jedenfalls ein wesentliches M e r k m a l des Notaramtes. 2 6 Als Träger der Notarbefugnis handelt der N o t a r im Übrigen bei allen Notartätigkeiten, d.h. bei allen Tätigkeiten, f ü r die er als Notar zuständig ist, amtlich. 2 7 Differenziert werden k a n n deshalb lediglich zwischen Notartätigkeit und anderer Tätigkeit (etwa Anwaltstätigkeit, vgl. § 24 II BNotO), nicht aber zwischen amtlicher und privatrechtlicher Tätigkeit des Notars. 2 8 Ist der N o t a r nichts anderes als eine Privatperson, der bestimmte hoheitliche Befugnisse verliehen sind, so erschöpft sich die Bedeutung des dem N o t a r verliehenen persönlichen Amtes allerdings gerade in der höchstpersönlichen Befugnis, das Amt eines N o t a r s (i.S. der abstrakt gedachten Aufgabenstellung) wahrzunehmen. Dieses Verständnis des N o t a r a m t e s konzentriert sich also allein auf den Begriff der Amtsgewalt. Da mit dem N o t a r einer nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Person Amtsgewalt, nämlich Notarbefugnis, verliehen wird, liegt die Parallele zu der verwaltungsrechtlichen Figur des „Beliehenen" nahe. Bei der Beleihung bedient der Staat sich zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe einer privaten Organisationseinheit, indem er ihr die Befugnis verleiht, diese Aufgabe in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts selbständig auszuführen. 2 9 Die Rechtsstellung des N o t a r s wird in diesem Sinne in der Tat vielfach als die eines „Beliehenen" charakterisiert. 3 0 Auffällig ist allerdings, dass gerade die einschlägigen Kommentierungen zu § 1 B N o t O auf diese Z u o r d n u n g verzichten 3 1 , was 26 Bohrer, Berufsrecht, R d n . 9 ( „ N o t a r a m t im konkreten Sinne"); Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 1 B N o t O R d n . 2 7 . 27 Baumann, M i t t R h N o t 1996, 1, 3; Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 1 B N o t O R d n . 18 ff.; Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 1 B N o t O R d n . 16. „ N o t a r b e f u g n i s " ist nicht identisch mit Urkundsgewalt (in diesem Sinne aber Heimburg, Verwaltungsaufgaben, S. 122f.; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 106 ( „ p u n k t u e l l " mit hoheitlichen Befugnissen beliehen); Michaelis, Der Beliehene, S.39; vgl. auch Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S . 4 2 8 Fn. 354). 28 Vgl. B G H Z 87, 156, 163; B G H , W M 1960, 980; D N o t Z 1960, 2 6 5 , 2 6 7 ; VersR 1967, 162, 163; D N o t Z 1969, 4 9 9 , 500; 1978, 373, 376; 1980, 4 9 6 , 4 9 7 ; 1990, 6 6 1 , 6 6 2 ; N J W 1 9 9 3 , 2 3 1 7 ; 1 9 9 4 , 1 4 0 3 ; 1 9 9 8 , 2 1 3 4 f . ; Dalmer, Prüfungs- u n d Belehrungspflicht, S.332; Ganter, W M Sonderbeilage Nr. 1/1993, S. 1; Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege, S.214; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 2 4 B N o t O R d n . 3. 29 Burgi, FS für M a u r e r (2001), S . 5 8 1 , 5 8 5 f . 30 Blomeyer, J Z 1979, 592, 593; Dickert, M i t t B a y N o t 1995, 4 2 1 ; Kanzleiter, D N o t Z 1972, 5 1 9 F n . 4 ; Kleine-Cosack, D N o t Z 2 0 0 4 , 327, 329; Louis, VersR 1979, 988, 990; Kopp/Ramsauer, V w V f G § 1 R d n . 58; Kruse, Rechtsstellung, S.49ff.; Ronellenfitsch, D N o t Z 1990, 75, 76; Rossak, Unabhängigkeit, S.58f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 R d n . 2; Stober, N J W 1981, 1 5 2 9 , 1531; diff. (beschränkt beliehen) Heimburg, Verwaltungsaufgaben, S. 122 f.; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 106; Michaelis, Der Beliehene, S. 39; vgl. auch Gromoll, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 187; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S.428 F n . 3 5 4 ; a.A. Mennacher, Beliehene Private, S. 149. 31 Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 1 B N o t O R d n . 18, 27; Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 1 B N o t O R d n . 6 f . ; SchippelISchippel, § 1 B N o t O R d n . 7 f f .

118

§ 5 Das

Notaramt

wohl zumindest indiziert, dass die Autoren dem z.T. umfänglich begründeten 3 2 Erklärungsmodell „Beleihung" keine besondere Bedeutung für das Notarrecht beimessen. Ausdrückliche Kritik an der Tauglichkeit der Rechtsfigur des Beliehenen zur Beschreibung des Notarstatus wird unter zwei verschiedenen Ansatzpunkten vorgebracht. Zum einen heißt es, dass die Figur des „Beliehenen" in den Bereich öffentlicher Verwaltung gehöre und der Notar eben „keine Aufgaben der Exekutive", sondern „Angelegenheiten der Rechtspflege" erledige. 33 Die Qualifizierung des Notars als Beliehener bedeutet jedoch nicht, dass der Notar damit zu einer Figur des Verwaltungsrechts gemacht werden sollte. 3 4 Die Form, in der staatliche Aufgaben erfüllt werden, lässt keinen zwingenden Rückschluss auf die Natur der Aufgabe und ihre Positionierung im Rahmen der staatlichen Gewaltund Funktionenverteilung zu. In einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen beispielsweise sowohl Verwaltungsbeamte als auch mit dem Attribut statusrechtlicher Unabhängigkeit ausgestattete Richter. Insofern können entsprechend Beliehene sowohl auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts als auch auf dem Gebiet der Rechtspflege eingesetzt werden. Die Qualifizierung als Beliehener steht dabei ebenso wenig wie das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis der Gewährung statusrechtlicher Unabhängigkeit entgegen. Problematisch ist allerdings, und hier setzt der zweite Kritikpunkt an, ob die Qualifizierung als Beliehener tatsächlich geeignet ist, die Rechtsstellung des Notars umfassend zu beschreiben und damit ihre Bedeutung als Strukturmerkmal der Rechtspflegeeinrichtung zu erfassen. Im Grunde hebt sie lediglich einen Teilaspekt, und zwar den der Verleihung der Notarbefugnis (bzw. nach einigen Auffassungen sogar nur den der Verleihung der Urkundsgewalt 3 ^), hervor und übergeht im Übrigen die charakteristischen Besonderheiten des Notarstatus. Ein Erklärungsmodell, das den Status des Notars nur partiell erfasst, obwohl es den Anspruch umfassender Deutung erhebt, muss sich zumindest den Vorwurf der Ungenauigkeit gefallen lassen. 3 6 Der Aussagewert dieses Erklärungsmodells für das Verständnis der Notarverfassung ist gering, da es keinen allgemeinen normativen Rahmen der „Beleihungsverhältnisse" gibt, auf den zurückgegriffen werden könnte. Der Status des Beliehenen ist nicht Begriffsbestandteil, sondern

Vgl. Kruse, Rechtsstellung, S.46ff.; Rossak, Unabhängigkeit, S.56ff. Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 9. 14 Zimmermann (DNotZ 1982, 4, 13) grenzt die Stellung des Notars insoweit auch nur von beliehenen Unternehmern ab, die vollziehende Gewalt ausüben. ,s Heimburg, Verwaltungsaufgaben, S. 122f.; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 106 („punktuell" mit hoheitlichen Befugnissen beliehen); Michaelis, Der Beliehene, S . 3 9 ; vgl. auch Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S . 4 2 8 F n . 3 5 4 . , 6 So Baumann, MittRhNot 1996, 1 . 1 0 Fn. 115 (ungenau, von der Beleihung einer Privatperson zu sprechen; nicht „beliehene Privatperson", sondern Träger des staatlichen öffentlichen Amtes). 32

"

III. Notaramt

als Status

119

hängt von der jeweiligen gesetzlichen Ausgestaltung ab. 3 7 Insofern bietet die B N o t O selbst wesentlich mehr normativen Gehalt im Hinblick auf die Struktur der Rechtspflegeeinrichtung. 3 8 Dass der Notar wie der in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehende Richter der Dienstaufsicht und der staatlichen Disziplinargewalt unterworfen ist, kann nicht nur vage damit begründet werden, dass der Notar „Beliehener" sei. 3 9 Die Besonderheiten des Notarstatus, die umschrieben werden mit der Annäherung an den Richter, der Nähe zum öffentlichen Dienst oder dem öffentlich-rechtlichen Treueverhältnis, bleiben dabei ausgeblendet. Gerade sie sind aber entscheidend, um die Rechtsstellung des Notars umfassend würdigen zu können.

2. „Außerdienstliches" öffentliches Amt Mit der Verleihung des Notaramtes, deren umgekehrter Akt die förmliche Entlassung aus dem Amt darstellt, ist nicht nur die Befugnis, Urkundsgewalt auszuüben, verbunden, sondern der Notar unterliegt auch hinsichtlich der Urkundstätigkeiten ( § § 2 0 - 2 2 B N o t O ) einer ständigen Dienstpflicht (vgl. § 15 I 1 B N o t O ) und steht in einem besonderen Rechtsverhältnis zum Staat. M i t der Amtsträgerschaft des Notars ist die Unterwerfung unter staatliche Aufsicht und Disziplinargewalt (§§ 93ff. B N o t O ) verbunden, wie sie in ähnlicher Form für den Richter gilt. 4 0 Insofern ist eine „dienstähnliche" Rechtsstellung, eine organisationsrechtliche Heranführung an den öffentlichen Dienst in der gesetzgeberischen Konzeption vollzogen. Das ist zunächst einmal schlicht festzustellen. Als tragendes Strukturmerkmal der Rechtspflegeeinrichtung erschöpft sich das öffentliche Amt des Notars nicht in Einzelaufgaben und Einzelbindungen. Vor diesem Hintergrund kann ihm, obwohl kein Amt im beamtenrechtlichen Sinne, in der Tat gewissermaßen Statuscharakter beigemessen werden. 4 1 a) Zur Rechtsfigur

des „außerdienstlichen

Amtes"

Die besondere Rechtsstellung des Amtsträgers könnte bereits in der Zuweisung des „außerdienstlichen" 4 2 bzw. „dienstähnlichen" öffentlichen Amtes an sich angelegt sein. Hierfür spräche etwa die amtliche Begründung zur B N o t O , Burgi, FS für Maurer (2001), S . 5 8 1 , 587. Das „öffentliche Amt" kann zwar als besondere Form der Beleihung angesehen werden (so Leisner, Beamtentum, S.32). Diese Zuordnung ersetzt aber keine Auseinandersetzung mit dem Rechtsinstitut des „außerdienstlichen öffentlichen Amtes", sondern setzt sie voraus. 3 9 So aber Kanzleiter, DNotZ 1972, 519, Fn.4. 4 0 Der Vergleich zum Richter ist hier angesichts der statusrechtlich gewährten Unabhängigkeit des Notars nahe liegender als der Vergleich zum Beamten, auch wenn das Richterrecht seinerseits wieder auf Formen des Beamtenrechts zurückgreift. 4 1 Vgl. Leisner, Beamtentum, S. 32. 4 2 Vgl. Leisner, Beamtentum, S.31 f.; Steiner, Öffentliche Verwaltung, S. 103 („außerorganschaftliches öffentliches Amt"). 37

38

120

5 5 Das Notaramt

w o n a c h sich aus der Amtsstellung des N o t a r s als solcher ein öffentlich-rechtliches Treueverhältnis ergeben soll. 4 3 Auch der Wortlaut des § 1 4 III B N o t O , also das Postulat, dass der N o t a r sich durch sein Verhalten innerhalb und außerhalb seines Amtes der Achtung und des Vertrauens, die dem N o t a r a m t entgegengebracht werden, würdig zu zeigen habe, deutet eine gewisse institutionelle Verselbständigung des „ A m t e s " an, indem nicht die Notartätigkeit, sondern das „öffentliche

Amt"

für

sich

genommen

achtungs-

und

vertrauenswürdig

erscheint. In diesem Sinne wurde die Vorschrift bereits in ihrer früheren Fassung verstanden, als sich noch der Begriff „ N o t a r b e r u f " an der Stelle des Begriffs „ N o t a r a m t " befand. 4 4 D e r mit § 2 R N o t O eingeführte Status des N o t a r s als außerdienstlicher Amtsträger löste die in den meisten Ländern vorhandene Stellung des N o t a r s als Gebührenbeamter ab. Diese Lösung war nicht nur deshalb opportun, weil sie die bemängelte allzu augenscheinliche „Zwischenstellung" des beamteten N o t a r s vermied (die in anderer F o r m allerdings nach wie vor vorhanden ist 4 5 ), sondern sie setzte auch den von der nationalsozialistischen Rechtsdoktrin gegenüber der Beamteneigenschaft präferierten Begriff des Amtsträgers 4 6 (mit hierarchischer Treuebindung „zum Führer und zum R e i c h " ) u m . 4 7 Gleichwohl wurde diese Grundkonzeption der R N o t O in der B N o t O beibehalten, weil sie sich neutral gesehen für den hier in Frage stehenden besonderen Fall des Notariats als einer staatlichen Rechtspflegeeinrichtung durchaus eignet. Die Reinigung vom nationalsozialistischen Gedankengut, die der Gesetzgeber bei der Bearbeitung der R N o t O zur B N o t O vollzog, musste hier also nicht durch völlige Aufgabe der Konzeption erfolgen, sondern konnte sich in einer veränderten rechtlichen W ü r digung erschöpfen. Das „außerdienstliche A m t " ließ sich für die personalistische Konzeption der konkreten Rechtspflegeeinrichtung N o t a r i a t nutzen, und zwar nicht als Synonym für eine abstrakte Treuebeziehung, sondern als strikt aufgabenbezogenes A m t . 4 8 Amtl. Begr., BT-Drucks. 3/219, S.18. Vgl. Seybold/Hornig, § 15 RNotO, Anm. II 1. Die Novellierung der Vorschrift sollte keine inhaltliche Änderung bedeuten, sondern die Anbindung an § 1 BNotO lediglich auch sprachlich vollziehen (vgl. Begr. BReg, BT-Drucks. 13/4184, S.23 zu Nr. 11 (§ 14); BNotK, Vorschläge zur Reform, S.24). 4 5 „Zwischenstellung des Notars" (vgl. Amtl. Begr. BT-Drucks. 3/219, S.60; Feyock, DNotZ 1952, 244, 256). 46 Höhndorf, ZgesStW 97 (1937), S.147, 162ff., 177 („Ein öffentliches Amt ist nicht nur sachlich ein Teilgebiet der allgemeinen öffentlichen Ordnungsverwaltung, sondern auch durch seinen jeweiligen Inhaber und Träger persönlich mit dem Repräsentanten der politischen Einheit und Ganzheit besonders verbunden."); Koellreutter, ReichsverwBl. 56 (1935), S.785, 787 („Für den deutschen Volkstaat ist aber der entscheidende Gesichtspunkt nicht die Beamteneigenschaft, sondern die Amtsträgereigenschaft."). 4 7 Vgl .Jonas, DNotZ 1937, 175, 178; Leisner, Beamtentum, S. 12. 4 8 Zur Notwendigkeit des Aufgabenbezugs vgl. Leisner, S.31; ähnlich Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 GG Rdn. 145. 43

44

III. Notaramt

als Status

121

Die Amtsträgereigenschaft des Notars nach der BNotO reflektiert also keine von der konkreten Rechtspflegeaufgabe losgelöste Treuebindung (mehr), sondern sie ist rein sachlich bedingt, ist die organisationsrechtliche Antwort darauf, dass der Notar Aufgaben erfüllt, die der Staat mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts „durch seine Behörden erfüllen könnte und müsste, wenn er sie nicht den Notaren übertragen hätte". 4 9 Hinsichtlich des notariellen Berufsrechts hat das Bundesverfassungsgericht in jüngerer Zeit nochmals festgestellt, dass die staatlichen Bindungen „nicht aus sich selbst heraus gerechtfertigt (sind), sondern ... ihre Rechtfertigung in den wahrzunehmenden Funktionen (finden)". 50 Ob eine derartige Konzeption generell möglich ist, steht nicht zur Erörterung. 51 Für die Notarverfassung ist die Figur eines außerdienstlichen Amtes jedoch gerechtfertigt, weil hier ein externer Verfahrensträger für die Durchführung von Zivilverfahren geschaffen wird, womit der Staat der Erfüllung seiner Pflicht zur Justizgewährung auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege sowie für einzelne verlagerte richterliche Aufgaben nachkommt. Die personalistische Rechtspflegeeinrichtung Notariat ist Teil der Justizverfassung, unabhängig davon, ob der die Rechtspflegeeinrichtung verkörpernde Amtsträger in einem Dienstverhältnis steht oder nicht. Das „außerdienstliche" Notaramt ist also vor dem Hintergrund des Einsatzes des Notars in seiner Eigenschaft als Rechtspflegeeinrichtung zu würdigen. b) Die Bedeutung

des

„Treueverhältnisses"

Vor diesem Hintergrund erschließt sich zugleich die Bedeutung des „Treueverhältnisses" gegenüber dem Staat, das sich laut amtlicher Begründung aus der Verleihung des Amtes ergeben soll. Es handelt sich hier weniger um ein konstitutives Merkmal des Notaramtes, das als solches theoretisch auch zur Begründung eines dienstähnlichen Verhältnisses ohne den spezifischen Aufgabenbezug des außerdienstlichen Amtes dienen könnte. Das Verhältnis des Notars zum Staat besteht vielmehr darin, dass der Notar konkret eine Rechtspflegeeinrichtung verkörpert und insofern selbst zu einer staatlichen Stelle, eben zu einer Außenstelle der Justiz, wird. Den besonderen Bindungen des Notars, die sich aus diesem Verhältnis zum Staat ergeben, unterliegt der Notar als Rechtspflegeeinrichtung. Der Staat übt eine Organisations- und Kontrollhoheit über die Notare aus, um letztendlich seiner Justizgewährungspflicht zu genügen. 52 4 9 BVerfGE 17, 371, 3 7 9 ; vgl. auch Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 GG Rdn.44. 5 0 BVerfGE 73, 2 8 0 , 2 9 3 . 5 1 Gegen BVerfGE 17, 371 insofern Kupp, N J W 1965, 993ff.; zur Problematik des „staatlich gebundenen Berufs" vgl. etwa Bachof, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte III/l, S. 155, 186; Breuer, in: Isensee/Kirchhof, HbStR VI, § 147 Rdn.51; Dreier /Wieland, Art. 12 GG Rdn.59; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 12 GG Rdn.60; Manssen, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 12 GG Rdn. 145; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG R d n . 2 2 3 (9/1981).

122

§5 Das

Notaramt

Begreift man das außerdienstliche Amt als ein Instrument zur Verwirklichung einer personalistischen externen Rechtspflegeeinrichtung, die im Rahmen der staatlichen Justizgewährungspflicht der staatlichen Organisations- und Kontrollhoheit unterliegt, ist die Betonung eines besonderen Treueverhältnisses des Notars zum Staat insoweit nicht nur überflüssig, sondern auch bedenklich. 5 3 Hierin ist eine Verselbständigung des Amtsverhältnisses angelegt, die den strikten Aufgabenbezug des Amtes verdeckt. Der Umstand, dass der freie Notar als Person partiell so behandelt wird, als stünde er in einem Dienstverhältnis, resultiert nicht aus einer abstrakten Treuebindung zum Staat, sondern ist eine Konsequenz der personalistischen Konzeption der Rechtspflegeeinrichtung „Notariat". Aus dem Umstand, dass die Person die Institution verkörpert, ergibt sich ferner, dass die Bindung an Recht und Gesetz (Art. 2 0 III GG), der jeder Hoheitsträger bei der Ausübung staatlicher Gewalt unterliegt, hier durch die eidlich versicherte Bindung des Funktionsträgers an die verfassungsmäßige Ordnung (vgl. § 13 B N o t O ) sichergestellt wird. Die Personalisierung der Rechtspflegeeinrichtung hat im Übrigen zur Folge, dass Person und Institution nicht getrennt werden können. Da der Notar als Außenstelle der Justiz, also als staatliche Stelle fungiert, wird er auch im Verhältnis zu anderen staatlichen Stellen als eine solche behandelt. Er unterliegt deshalb etwa einer Schweigepflicht, wenn er aufgrund seines Amtes Kenntnis von Tatsachen erlangt, die im öffentlichen Interesse geheim zu halten sind, ohne dass auf ein „Vertrauens- und Treueverhältnis zum Staat" zurückzugreifen wäre. 5 4

IV. Die „Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit"

des Amtes

Nach § 14 III 1 B N o t O hat sich der Notar in seinem Verhalten „der Achtung und des Vertrauens, die dem Notaramt entgegengebracht werden, würdig zu zeigen". Der Begriff des Notaramts wird hier nicht vorrangig im Hinblick auf die Rechtsstellung des Amtsträgers zum Staat gebraucht, sondern gewissermaßen selbst als Institution begriffen, d.h. als die Rechtspflegeeinrichtung, die der Notar verkör-

52 Bilda, in: Notar und Rechtsgestaltung, S . 3 8 7 , 3 9 0 ; Dickert, MittBayNot 1995, 4 2 1 , 423; Schippel, DNotZ 1965, 595, 598; vgl. auch Baumann, in: Eylmann/Vaasen, § 9 3 BNotO Rdn.3; Lercb, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 9 3 BNotO Rdn.3. 5 3 Vgl. auch Saage, DNotZ 1956, 4, 6 ( w a r n t - w o h l mit Blick auf § 2 R N o t O - v o r unangebrachten Schlussfolgerungen politischer oder rechtlicher Natur). 5 4 So aber SchippeVSchippel, § 18 BNotO Rdn. 2; ähnlich Sandkübler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 18 BNotO Rdn.7 („Verschwiegenheitspflicht kraft Dienstrechts"). 5 5 In diesem Sinne bezeichnet Lerch (in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 1 BNotO Rdn.6) das Amt sogar grundsätzlich als Institution. Von dieser in § 14 III 1 BNotO zugrunde gelegten Bedeutung des Amtsbegriffs ist jedoch die statusrechtliche Bedeutung, die die Rechtsstellung des

IV. Die „Achtungs-

und Vertrauenswürdigkeit"

des Amtes

123

Wie der Amtsbegriff in seiner statusrechtlichen Bedeutung nicht losgelöst von der dem Notar übertragenen Aufgabe gesehen werden konnte, so ist das Notaramt in der institutionellen Bedeutung, die § 14 III 1 B N o t O dem Begriff beimisst, gleichfalls nicht als eine abstrakte staatliche Institution zu sehen, der allein deshalb, weil sie „den Staat" repräsentiert, Achtung und Vertrauen entgegengebracht wird. Nur wegen der Amtsträgereigenschaft kann also noch nicht ein achtungs- und vertrauenswürdiges Verhalten seitens des Notars gefordert werden, dessen konkrete Anforderungen sich im Übrigen kaum präzisieren ließen. Eine dahingehende Inpflichtnahme, die sich nur auf ein allgemeines Treueverhältnis des Notars zum Staat stützen ließe, wäre mit dem Aufgabenbezug des dem Notar verliehenen Amtes nicht zu vereinbaren. Die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit, die dem hier als Institution verstandenen Notaramt innewohnt, bezieht sich also auf seine Qualifikation als Rechtspflegeeinrichtung. Der Notar hat sein Verhalten danach auszurichten, dass er diese Rechtspflegeeinrichtung verkörpert und die Rechtspflegeeinrichtung folglich in der Öffentlichkeit vornehmlich in ihrer personalen Verkörperung wahrgenommen wird. Der Notar unterliegt dieser Pflicht nicht schon deshalb, weil er für sich genommen „Träger eines öffentlichen Amtes i s t " 5 6 , sondern weil er mit der Übernahme des Amtes zu einer Rechtspflegeeinrichtung wird. § 14 III 1 B N o t O verpflichtet den Notar auch, in seinem Verhalten „außerhalb des Amtes" dem Notaramt verpflichtet zu sein. Diese Verpflichtung trägt dem Umstand Rechnung, dass das persönliche Verhalten des Notars zugleich das Erscheinungsbild der durch den Notar verkörperten Rechtspflegeeinrichtung prägt. Die Funktionsfähigkeit der Rechtspflegeeinrichtung hängt deshalb gewissermaßen von der Vertrauenswürdigkeit jedes einzelnen Amtsträgers ab. 5 7 Verhaltensmaßstab ist insofern auch im außeramtlichen Bereich das Vertrauen, das die Öffentlichkeit in eine ordnungsgemäße Erfüllung notarieller Amtspflichten setzt. 5 8 Wenn in der Literatur bei der inhaltlichen Konkretisierung dieses Verhaltensmaßstabs heute eine berufsspezifische Akzentuierung bei gleichzeitiger Zurückdrängung sittlicher Verhaltenserwartungen festzustellen ist 5 9 , so spiegelt

Amtsträgers zum Staat kennzeichnet, zu unterscheiden. In diesem Sinne ist das außerdienstliche Amt vielmehr ein Instrument, um die Institution, also die durch den Amtsträger verkörperte personalistische Rechtspflegeeinrichtung, herzustellen. 5 6 So aber Bilda, in: Notar und Rechtsgestaltung, S . 3 8 7 , 392; Dickert, MittBayNot 1995, 421, 4 2 4 . 57 Bohrer (Berufsrecht, Rdn. 107) hat in diesem Sinne bereits darauf hingewiesen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtspflegeeinrichtung und damit die Akzeptanz der Rechtspflegeeinrichtung hier durch die personalisierte Vertrauensbeziehung zwischen dem einzelnen Notar und dem Rechtsuchenden gewährleistet wird. 58 Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 37. 5 9 Vgl. Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 106f.; Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 1 4 BNotO Rdn.37; anders noch Schippel/Schippel, § 14 BNotO Rdn. 60 („Aber auch sittlich verwerfliches Verhalten und Verstöße gegen die Gebote anständiger Lebensführung wie übermäßiger Wirtshausbe-

124

§ 5 Das Notaramt

sich hierin nicht nur ein allgemeiner Wertewandel wieder 6 0 , sondern es findet vor allem eine Besinnung auf den begriffsnotwendigen Aufgabenbezug des N o t a r a m t e s statt.

V. Amtsausübungsbefugnis

und wirtschaftliche

Verwaltung

Für die Konzeption der externen Rechtspflegeeinrichtung ist schließlich der Gesichtspunkt

der Amtsausübungsbefugnis

von Bedeutung.

Die

Amtsaus-

übungsbefugnis verschafft dem Amtsinhaber die Berechtigung, seine Amtsgewalt bzw. seine amtlichen Zuständigkeiten auch zu nutzen. Dieses Element der Amtsstellung, dem bei der Tätigkeit interner Funktionsträger k a u m Beachtung beigemessen werden muss, gehört für die externe Rechtspflegeeinrichtung, deren organisatorische und wirtschaftliche Grundlagen der externe Funktionsträger selbst schafft und verantwortet, zu den tragenden Säulen der Institution. Die Notarbefugnis in ihren Ausprägungen der Notargewalt und der Amtsausübungsbefugnis ist das Substrat des N o t a r i a t s 6 1 , das zugleich die Existenzgrundlage für das N o t a r i a t als „ B e t r i e b " bildet. Die organisatorischen und wirtschaftlichen Grundlagen, die für die Funktionsfähigkeit des Notariats im Weiteren erforderlich sind, werden im Hinblick auf die Notarbefugnis des Amtsinhabers geschaffen und unterhalten. D e m externen Funktionsträger steht in diesem Sinne auch die - von der Amtsführung zu unterscheidende - wirtschaftliche Verwaltung 6 2

des Notariats

als Rechtspflegeeinrichtung

zu. Der einzelne

Notar

bestimmt den Umfang und die personelle und sachliche Ausstattung des Apparats, der ihm zur Ausführung seiner Amtsgeschäfte zur Verfügung steht. Er trägt entsprechend das „unternehmerische" Risiko. Ihm steht aber umgekehrt auch das „wirtschaftliche Ergebnis" zu, das er durch die gebührenpflichtige Rechtspflegetätigkeit, die er kraft der ihm verliehenen Notarbefugnis ausüben kann, in wirtschaftlicher Selbständigkeit und Eigenverantwortung, insofern einem Freiberufler vergleichbar 6 3 , erzielt. Das Grundmodell der externen Rechtspflege sieht vor, dass Notargewalt, alleinige Amtsausübungsbefugnis und wirtschaftliche Verwaltung in der H a n d einer Person, des amtierenden N o t a r s , liegen. Daneben versucht das Modell jedoch auch die Integration von Fallkonstellationen, in denen dieser Gleichlauf von Amtsausübung kraft Notarbefugnis, wirtschaftlicher Verantwortung und Zuweisung des wirtschaftlichen Ergebnisses unterbrochen wird. Es geht um such oder Umgang mit moralisch minderwertigen Personen schmälern die Wertschätzung des Notarstandes."). 6 0 So Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 106; Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn.37. 6 1 Vgl. BAG, ZNotP 2000, 204, 205. 6 2 Begriff: § § 1 1 3 III Nr. 8; 113 a III Nr. 8 BNotO. 6 3 Vgl. oben § 4 .

V. Amtsausübungsbefugnis

und wirtschaftliche

Verwaltung

125

Fälle, in denen der auf einem Amtssitz bestellte Notar von seiner ihm ursprünglich verliehenen Notarbefugnis für einen vorübergehenden Zeitraum keinen Gebrauch machen kann oder soll. 64 Die BNotO kennt vier Tatbestände, in denen diese Folge in unterschiedlichen Formen eintritt. 1. Abwesenheit und Verhinderung Die Abwesenheit oder Verhinderung (vgl. §38, 39 BNotO) des Notars hat für sich genommen rechtlich gesehen keinen Einfluss auf die Notarbefugnis. Es kommt insofern vielmehr auf den Verhinderungsgrund an. Eine Abwesenheit oder Verhinderung wirkt sich faktisch aus, da der Notar in diesem Fall von seiner Notarbefugnis keinen Gebrauch machen kann. § 39 I BNotO räumt ihm allerdings die Möglichkeit ein, die Bestellung eines amtlichen Vertreters zu beantragen. Der Notarvertreter kann kraft eigener Amtsgewalt die Notargeschäfte anstelle des abwesenden bzw. verhinderten Notars weiterführen. Davon zu unterscheiden ist die Amtsausübungsbefugnis, die der Vertreter mit der tatsächlichen Übernahme der Amtstätigkeit 65 erlangt (vgl. §44 I 1 BNotO). Im Hinblick auf die Amtsausübungsbefugnis stellt § 44 I 2 BNotO sicher, dass Notar und Notarvertreter nicht parallel agieren, was sie infolge ihrer jeweils vorhandenen Amtsgewalt ohne weiteres könnten. Die Amtsbefugnis des Vertreters leitet sich hier ausschließlich von der entsprechenden Amtsbefugnis des Notars ab. Der Vertreter wird auf Kosten (vgl. §41 I 1 BNotO) und für Rechnung des Notars tätig, der also die wirtschaftliche Verwaltung des Notariats behält. 66 In der Terminologie des bürgerlichen Rechts nimmt der Vertreter insoweit eine „Geschäftsbesorgung" für den Notar wahr. Der Notar kann somit seine Notarbefugnis bei Abwesenheit oder Verhinderung durch den Einsatz eines Notarvertreters „nutzen". In diesem Sinne ist es konsequent, dass § 39 III 3 BNotO dem Notar ein Vorschlagsrecht bezüglich der zu bestellenden Person einräumt. Mit der Möglichkeit der Vertreterbestellung wird zwar in erster Linie eine tatsächliche Fortführung der Rechtspflegeeinrichtung zur Erfüllung staatlicher Justizgewährung sichergestellt 67 , zugleich aber auch dem konzeptionell nicht nur respektierten, sondern im Hinblick auf die Effizienz der Rechtspflege sogar erwünschten Interesse des Notars an der ununterbrochenen „Nutzung" seiner Notarbefugnis Rechnung getragen. 64 Scheidet der Notar wegen Erreichens der Altersgrenze aus, liegt kein solcher Fall vor. Der ausscheidende Notar hat nicht etwa einen Anspruch auf eine bestimmte Abwicklungsform (vgl. OLG Celle, R N o t Z 2003, 199, 200). 65 Vgl. Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 44 BNotO Rdn. 2; Starke, in: Beck'sches NotarHandbuch, K I Rdn. 119. 66 BGH, D N o t Z 1 9 9 3 , 4 6 9 , 4 7 1 ; Starke, in: Beck'sches Notar-Handbuch, K I Rdn. 118; Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 4 1 BNotO Rdn.4, 6ff. 67 Vgl. BGH, D N o t Z 2003, 226, 227; ZNotP 2003, 232, 233.

126

§ 5 Das

Notaramt

Die Möglichkeit der „Nutzung" der Notarbefugnis durch den Einsatz eines Vertreters darf sich jedoch nicht in der Weise verselbständigen, dass eine Entpersönlichung der Rechtspflegeeinrichtung eintritt. § 39 I 2 BNotO erlaubt deshalb keine Dauervertretung, sondern lediglich eine Vertretung für wiederholte Verhinderungsfälle durch Bestellung eines ständigen Vertreters i.S.v. § 39 I 1 2. Hs. BNotO, also eines Vertreters für alle während eines Kalenderjahres anfallenden Vertretungsfälle 68 , und beschränkt die Bestellung des ständigen Vertreters überdies im Regelfall auf ein Jahr. 2. Vorläufige A m t s e n t h e b u n g Z u m Schutz des Rechtsverkehrs darf der vorläufig seines Amtes enthobene N o t a r (§54 BNotO) keine Amtsgeschäfte mehr vornehmen. 6 9 Die BNotO führt diese Folge jedoch nicht durch einen Verlust der Amtsgewalt oder zumindest der Amtsausübungsbefugnis herbei, sondern verpflichtet den vorläufig amtsenthobenen Notar lediglich, sich jeder Amtshandlung zu enthalten (vgl. § 55 II BNotO). Bis zur Entscheidung über eine endgültige Amtsenthebung oder über die Aufhebung der vorläufigen Amtsenthebung tritt ein Schwebezustand ein, während dessen der vorläufig amtsenthobene Notar zwar als Institution ausfällt, jedoch noch keine Rechtfertigung besteht, auch der „freiberuflichen" Seite seiner Tätigkeit die Grundlage zu entziehen. Z u r Aufrechterhaltung der Rechtspflegeeinrichtung, der aufgrund der vorläufigen Amtsenthebung des Notars ein sie verkörpernder Amtsträger fehlt, sieht die BNotO zwei alternative Regelungen vor. 70 Nach § 39 II 1 BNotO kann bei vorläufiger Amtsenthebung des Notars von Amts wegen ein Notarvertreter bestellt werden. § 56 IV BNotO eröffnet die Möglichkeit der Bestellung eines Notariatsverwalters, wenn der Einsatz eines Vertreters nicht zweckmäßig erscheint. Es handelt sich hierbei um eine Fortführungsverwaltung 7 1 , die in diesem Fall gleichermaßen im Bereich des Anwaltsnotariats wie im Bereich des hauptberuflichen Notariats angeordnet werden kann. 7 2 a) Die

Vertreterlösung

Die Vertreterbestellung von Amts wegen nach vorläufiger Amtsenthebung des Notars unterscheidet sich in der gesetzlichen Regelung kaum von der Vertretung 68 Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 39 B N o t O R d n . 30. In anderen Fällen als der Vertreterbestellung nach § 39 I 1 B N o t O sind jedoch auch Dauervertretungen vorgesehen. 69 Vgl. Schippel/Vetter, § 5 5 B N o t O Rdn. 24. 70 Daneben k o m m t noch die schlichte A k t e n v e r w a h r u n g (§ 55 I B N o t O ) in Betracht, die allerdings keine F o r t f ü h r u n g der Rechtspflegeeinrichtung bewirkt. 71 Vgl. oben § 3 I. 1. a). 72 Schippel/VeKer, § 5 6 B N o t O R d n . 33; Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 5 6 B N o t O R d n . 32; vgl. auch Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 5 6 R d n . 5, anders jedoch § 6 4 B N o t O R d n . 7.

V. Amtsausübungsbefugnis

und wirtschaftliche

Verwaltung

127

auf Antrag des Notars. Die Vertreterlösung belässt dem Notar die Nutzung seiner Notarbefugnis, obwohl er sie selbst nicht ausüben darf. Im Interesse einer ordnungsgemäßen Rechtspflege kann dem Notar, in dessen Person Gründe vorliegen, die eine vorläufige Amtsenthebung rechtfertigen, zwar kein Vorschlagsrecht bezüglich der Person des Vertreters zugebilligt werden, wie es bei der Vertretung auf Antrag des Notars der Fall ist. Das wirtschaftliche Ergebnis der Notarstelle verbleibt jedoch dem Notar. Der von Amts wegen bestellte Vertreter wird zum einen, nicht anders als der auf Antrag des Notars bestellte Vertreter, auf Kosten des Notars tätig (§41 I 1 BNotO), der im Übrigen verpflichtet ist, dem Vertreter eine angemessene Vergütung zu zahlen (§43 BNotO). Zum anderen übt der Vertreter seine Amtstätigkeit aber auch für Rechnung des Notars aus; die Erträgnisse der Vertretung stehen dem vertretenen Notar zu. 73 Die Amtsausübungsbefugnis des Vertreters beginnt nach § 44 I 1 BNotO mit der tatsächlichen Übernahme der Amtsgeschäfte. Insofern besteht kein Unterschied zu der Notarvertretung auf Antrag des Notars. Der vorläufig seines Amtes enthobene Notar hat sich jeder Amtsausübung zu enthalten, und zwar auch dann, wenn kein Vertreter bestellt ist (siehe § 55 II BNotO). Das Amtsausübungsverbot knüpft hier somit primär an den Tatbestand der vorläufigen Amtsenthebung an. Wird die vorläufige Amtsenthebung aufgehoben, entfällt zugleich das Amtsausübungsverbot des § 55 II BNotO, so dass die Frage aufzuwerfen ist, ob der Notar sich nunmehr bis zur Aufgabe der Amtstätigkeit durch den Vertreter (§ 44 11 BNotO) bzw. bis zum Widerruf der Vertreterbestellung seiner Amtsausübung nach § 4 4 1 2 BNotO zu enthalten hat, obwohl er nach der Aufhebung der vorläufigen Amtsenthebung wieder sämtliche Befugnisse ausüben darf und der Vertreter nicht dem Wunsch des Notars entsprechend auf der Notarstelle eingesetzt ist. In wirtschaftlicher Hinsicht würde der Notar dadurch nicht beeinträchtigt, da der Vertreter schließlich für Rechnung des Notars agiert. Dieser Gesichtspunkt mag für eine strikte Anwendung des § 44 I 2 BNotO sprechen. 74 Andererseits kann dem Notar, auf dessen Notarstelle ein von Amts wegen bestellter Notarvertreter tätig ist, nicht vorgeworfen werden, das Nebeneinander der Amtsbefugnisse zur missbräuchlichen Mehrung der Erträgnisse des Notariats zu nutzen. Ein Amtsausübungsverbot nach § 44 I 2 BNotO könnte also nur auf sonstige schützenswerte Rechtspflegebelange gestützt werden, die einer Amtstätigkeit des Notars neben dem Notarvertreter entgegenstünden. Es stellt sich also die Frage, ob das Erscheinungsbild der Rechtspflegeeinrichtung in der Öffentlichkeit durch eine parallele Amtstätigkeit der beiden Amtsträger negativ beeinflusst würde. Die parallele Amtstätigkeit muss für sich genommen aber nicht zwangsläufig einen Konflikt zwischen Notar und Notarvertreter widerspiegeln, sondern kann auch als Mittel zum reibungslosen Übergang der 73 74

Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 4 1 B N o t O R d n . 7 . I.E. Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 4 4 B N o t O R d n . 5 , 8.

128

§ S Das

Notaramt

Amtsgeschäfte interpretiert werden. Sofern Notar und Notarvertreter keine für die Reputation der Rechtspflegeeinrichtung schädlichen Kompetenzstreitigkeiten nach außen tragen, wird das Erscheinungsbild der Rechtspflegeeinrichtung nicht in einer Weise beeinträchtigt, die ein Verbot der Amtsführung zu Lasten des Notars nach sich ziehen müsste. Im Grundsatz kann dem Notar also keine Amtspflichtverletzung vorgeworfen werden, wenn er Amtsgeschäfte wahrnimmt, obwohl der Vertreter das Amt noch nicht nach § 4 4 I 1 B N o t O übergeben hat.

b) Die

Verwalterlösung

Der Notariatsverwalter führt als „Ersatznotar" eine vakante Rechtspflegeeinrichtung kraft eigener Amtsgewalt und eigener Amtsausübungsbefugnis. Im Fall der vorläufigen Amtsenthebung liegt zwar im strengen Sinne keine Vakanz vor, da nach wie vor ein Amtsträger mit Amtsgewalt und Amtsausübungsbefugnis vorhanden ist. Da der vorläufig amtsenthobene Notar jedoch vom Verbot, Amtshandlungen vorzunehmen (vgl. § 5 5 II B N o t O ) , betroffen ist, handelt es sich auch in diesem Fall um einen Ausfall der Rechtspflegeeinrichtung, die in systematischer Hinsicht den Einsatz eines Ersatznotars rechtfertigt. Die Folgen der Notariatsverwaltung sind allerdings auf den Fall der echten Vakanz zugeschnitten. Der vorläufig seines Amtes enthobene Notar behält deshalb zwar nominell Amtsgewalt und Amtsbefugnis, wird jedoch von dem Notariatsverwalter buchstäblich verdrängt. Anders als im Vertretungsfall verbleiben Siegel und Stempel nicht bei dem Notar (vgl. § 5 5 I B N o t O ) , so dass der Notar von seiner Amtsgewalt insofern keinen Gebrauch machen kann. 7 5 Der Notariatsverwalter wird, anders als der Notarvertreter, nicht auf Rechnung des Notars tätig, sondern auf Rechnung der Notarkammer ( § 5 9 I 1 B N o t O ) . 7 6 Die wirtschaftliche Verwaltung des Notariats wird dem amtsenthobenen Notar hiermit entzogen. Die rein „technische" Lösung der B N o t O weist schließlich die Überschüsse (vgl. § 6 0 B N o t O ) aus der Notariatsverwaltung der Notarkammer oder Notarkasse zu, für deren Rechnung die Notariatsverwaltung geführt wird. Eine Differenzierung danach, aus welchem Grund die Notariatsverwaltung angeordnet wird, sieht die B N o t O nicht vor. Insofern wird nicht in Zweifel gezogen, dass der Gewinn aus der Verwaltung der Notarkammer bzw. der Notarkasse zusteht, die allerdings auch umgekehrt das wirtschaftliche Risiko der Verwaltung zu tragen hat. 7 7 Bei der Verwalterlösung soll dem Notar also im Gegensatz zur Vertreterlösung der wirtschaftliche Nutzen seiner Notarbefugnis entzogen werden.

75 Nr. 11 der Anderkontenbedingungen der Banken und Sparkassen schließt entsprechend bei Anordnung der Notariatsverwaltung den Notar von der Verfügung über die Konten aus (Neufassung abgedruckt DNotZ 2 0 0 4 , 402f.). 7 6 Im Bereich der Ländernotarkassen fällt die wirtschaftliche Verwaltung in den Zuständigkeitsbereich der Kasse (vgl. § § 1 1 3 III Nr.8, 113 a III Nr.8 BNotO). 77 Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 5 9 BNotO Rdn.3.

V. Amtsausübungsbefugnis

und wirtschaftliche

Verwaltung

129

Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Verlust der wirtschaftlichen Nutznießung während der Verwaltungszeit gerechtfertigt ist. Jedenfalls wäre der Entzug der Uberschüsse aus dem Notariat nicht unter Hinweis auf etwaige Verfehlungen des Notars zu rechtfertigen, da es sich bei der vorläufigen Amtsenthebung, die im Übrigen ohnehin noch keine abschließende Entscheidung enthält, um keine Maßnahme mit Sanktionscharakter handelt. 7 8 Umgekehrt ist die Freistellung von dem wirtschaftlichen Risiko systematisch nicht unbedenklich, da eine solche auch bei der Vertreterlösung trotz der Bestellung des Notarvertreters von Amts wegen nicht eintritt. Gegen die strikte Anwendung der technischen Lösung der B N o t O bei der Durchführung einer Notariatsverwaltung wegen vorläufiger Amtsenthebung des Notars spricht in der Tat der Vergleich der wirtschaftlichen Folgen, die bei der Anordnung der Notarvertretung anstelle der Notariatsverwaltung eintreten. In dem Entzug des wirtschaftlichen Nutzens liegt eine Ungleichbehandlung (Art. 3 I GG) im Verhältnis zu dem vorläufig amtsenthobenen Notar, an dessen Stelle ein Notarvertreter eingesetzt wird. Der Notariatsverwalter nutzt wie der Notarvertreter die von dem amtsenthobenen Notar eingerichtete Kanzlei, ohne dass diese Nutzung dem amtsenthobenen Notar zugute k o m m t . 7 9 Umgekehrt wird der amtsenthobene Notar durch die Notariatsverwaltung begünstigt, wenn die Notarkammer bzw. Notarkasse das wirtschaftliche Risiko übernimmt. Die Belange einer geordneten Rechtspflege, die eine Verdrängung des Notars und/oder einen Entzug der wirtschaftlichen Verwaltung erforderlich machen, rechtfertigen es zwar, einen Ersatznotar einzusetzen, der für Rechnung der Notarkammer bzw. Notarkasse tätig wird. Daraus kann jedoch noch nicht der Schluss gezogen werden, dass dem amtsenthobenen Notar die Überschüsse aus der Notariatsverwaltung nicht gebühren sollen. Vielmehr kann der Alternativregelung in § 5 6 IV B N o t O die Grundsatzentscheidung entnommen werden, dass die Anordnung der vorläufigen Amtsenthebung schon angesichts ihres fehlenden Sanktionscharakters keinen Verlust der wirtschaftlichen Nutzung der Notarbefugnis nach sich ziehen soll. Eine Rechtfertigung für den Entzug der wirtschaftlichen Nutzung bei der Entscheidung für eine Notariatsverwaltung anstelle der Notarvertretung könnte allenfalls darin gesehen werden, dass die Notarkammer oder die Notarkasse im Falle eines negativen Ergebnisses das Verlustrisiko trägt. Insofern reichte es jedoch aus, der Notarkammer bzw. Notarkasse einen Erstattungsanspruch gegen den vorläufig amtsenthobenen Notar zu gewähren, um sie nach Möglichkeit hiervon freizustellen, womit zugleich der Vorwurf der in diesem Fall eintretenden Begünstigung des amtsenthobenen Notars durch die Anordnung der Notariatsverwaltung ausgeräumt werden könnte. Dagegen kann die Gewinnzuweisung zugunsten der Notarkam-

Vgl. Schippel/Vetter, § 5 5 BNotO Rdn.2. Zum Schutz der „eingerichteten und ausgeübten" freiberuflichen Praxis durch Art. 14 GG in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rdn. 137. vgl. B G H Z 81, 21, 33; Depenheuer, 78

13

130

§5 Das Notaramt

mer bzw. Notarkasse, wie die technische Lösung der §§ 5 9 , 6 0 B N o t O sie vorsieht, nicht zur Kompensation des generellen wirtschaftlichen Risikos der Durchführung von Notariatsverwaltungen

dienen, da diese

Kompensation

schließlich nicht dem einzelnen vorläufig amtsenthobenen N o t a r aufgebürdet werden darf. Die gesetzlich vorgesehenen wirtschaftlichen Folgen einer Notariatsverwaltung bieten somit für den Sonderfall der Notariatsverwaltung im Fall der vorläufigen Amtsenthebung keine systemgerechte Regelung. Um der Grundsatzentscheidung des § 5 6 IV B N o t O zu entsprechen, sollten sie de lege ferenda den wirtschaftlichen Folgen der Notarvertretung angepasst werden. Das heißt, dass dem amtsenthobenen N o t a r einerseits der Überschuss aus der Notariatsverwaltung gebührt. Andererseits ist ihm das wirtschaftliche Risiko zu belassen. 8 0 Das Amt des Verwalters endet von Gesetzes wegen, wenn der amtsenthobene N o t a r sein Amt aufnimmt ( § 6 4 I 1 B N o t O ) . „ A m t s a u f n a h m e " i.S.v. § 6 4 I 1 B N o t O bedeutet, dass der N o t a r wieder die Führung der Rechtspflegeeinrichtung, d.h. die Wahrnehmung der Amtsgeschäfte, übernimmt, wozu er berechtigt sein muss 8 1 und mit dem Wegfall des Amtsausübungsverbots nach § 5 5 II B N o t O auch wieder berechtigt ist. N a c h § 6 4 I 2 B N o t O besteht die „Amtsbefugnis" des Verwalters trotz des Erlöschens des Verwalteramtes nach § 6 4 I 1 B N o t O bis zur „Mitteilung" über die Beendigung des Verwalteramtes fort. D e r Wortlaut dieser Vorschriften scheint auf den ersten Blick auf die widersprüchliche Rechtsfolge gerichtet zu sein, dass der Verwalter nach § 6 4 I 1 B N o t O seine Amtsgewalt nach § 6 4 I 2 B N o t O Amtsausübungsbefugnis

verlöre, jedoch

behielte, die er aber mangels

Amtsgewalt nicht ausüben könnte, es sei denn, dass mit § 6 4 I 2 B N o t O gerade Amtsgewalt des Verwalters angeordnet werden sollte. Z u m Teil wird der Sinn des § 6 4 1 2 B N o t O in der Tat darin gesehen, dass die Vorschrift der Rechtssicherheit diene, indem sie die „unbewusste Vornahme unwirksamer H a n d l u n g e n " verhindere. 8 2 Wenn § 6 4 1 1 B N o t O dem Verwalter aber kraft Gesetzes die Amtsgewalt nähme und der Verwalter nur durch die entsprechende Mitteilung vor der unbewussten Vornahme von Amtsgeschäften ohne Amtsgewalt bewahrt werden könnte, würde die Regelung in § 6 4 I 1 B N o t O erhebliche Risiken für den Rechtsverkehr hervorrufen, indem sie den Rechtsuchenden immerhin bis zur Mitteilung an den Verwalter nach § 6 4 1 2 B N o t O der Gefahr aussetzte, an einen unbewusst unwirksam agierenden Verwalter zu geraten. Eine solche Risiko8 0 Bei der Verursachung eines Schadens infolge einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des Notariatsverwalters haftet im Außenverhältnis die Notarkammer gesamtschuldnerisch ( § 6 1 1 1 BNotO). Die Parallellösung zur Notarvertretung gestaltete sich dabei wie folgt: Soweit der Schaden nicht im Innenverhältnis vom Notariatsverwalter zu tragen ist, wäre der amtsenthobene Notar, der bei der Anordnung der Notarvertretung selbst gesamtschuldnerisch haftet (§46 BNotO), zur Erstattung heranzuziehen, wenn er auch bei der Amtspflichtverletzung eines Notarvertreters in Abweichung zu § 46 S. 2 BNotO im Innenverhältnis haftete. 81 Vgl. Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 6 4 BNotO Rdn.8. 8 2 Schippel/Veifer, § 6 4 BNotO Rdn.15.

V. Amtsausübungsbefugnis

und wirtschaftliche

Verwaltung

131

phase in der Konzeption des Einsatzes externer Rechtspflegeeinrichtungen zur staatlichen Justizgewährung wäre jedoch sachlich nicht zu rechtfertigen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass das Regelungsgefüge des § 64 11, 2 BNotO eine derartige Gefährdung des Rechtsverkehrs - entgegen dem vielleicht missverständlichen Wortlaut - gar nicht verursacht. Die Schlüssigkeit der Regelungen in § 64 11, 2 BNotO erschließt sich erst vor dem Hintergrund des Amtsbegriffs des § 56 I BNotO, auf den § 64 I BNotO sich im systematischen Kontext bezieht. § 56 I BNotO betrifft nicht das persönliche Amt des Notars, sondern die durch den Notar verkörperte Institution. 83 § 64 11 BNotO besagt demnach nichts anderes, als dass der Notariatsverwalter diese Institution nicht mehr als „Ersatznotar" verkörpert, sobald der Inhaber der Notarstelle seine Amtsgeschäfte wieder mit Amtsausübungsbefugnis wahrnimmt. Dem Notariatsverwalter muss aber bis zur Mitteilung über die Beendigung der Verwaltung im Ergebnis die Amtsgewalt eines Notariatsverwalters verbleiben, da sonst die Regelung in § 64 I 2 BNotO ins Leere ginge. Wenn § 64 I 1 BNotO allerdings nicht zu einem Verlust der Amtsgewalt führt, weil die Vorschrift das Amt als Institution und nicht das - dem persönlichen Amt des Notars vergleichbare - persönliche Amt des Verwalters betrifft, ergibt sich auch die Konsequenz des Fortbestands der Amtsgewalt. Das persönliche Amt des Verwalters kann nach der Systematik des § 64 BNotO nur durch Zeitablauf, falls in der Bestellung angeordnet (vgl. §64 II BNotO), oder durch förmlichen Widerruf (vgl. auch § 64 I 3 BNotO), also durch einen Verwaltungsakt, beendet werden, wobei die Fallgruppe der Verwaltung wegen vorläufiger Amtsenthebung des Notars systematisch in die zweite Kategorie der Beendigung durch Widerruf der Bestellung gehört. Es stellt sich zuletzt die Frage, welche Bedeutung § 64 I 2 BNotO vor diesem Hintergrund beizumessen ist. Es könnte sich schlicht um eine redaktionell ungenaue Regelung der fortgesetzten Amtsgewalt handeln, die lediglich die „Mitteilung" der Beendigung gegenüber dem Notariatsverwalter erwähnt, obwohl der gegenüber dem Bestellungsakt (mit der Verleihung der Amtsgewalt) gegenläufige Verwaltungsakt erforderlich ist. Andererseits diente die Norm mit dieser Auslegung lediglich der Klarstellung, da ein Verlust der zeitlich unbeschränkt verliehenen Amtsgewalt ohne einen gegenläufigen, an den Inhaber dieser Amtsgewalt gerichteten Akt ohnehin nicht in Betracht kommt. Im Übrigen ist zu bedenken, dass § 64 12 BNotO sich im systematischen Zusammenhang eindeutig auf § 64 I 1 BNotO bezieht, also auf eine Regelung, die nicht die Amtsgewalt, sondern das Notaramt als Institution zum Gegenstand hat. Wenn in § 64 12 BNotO von einer „Mitteilung der Beendigung des Amtes" die Rede ist, so kann hiernach nicht die Amtsgewalt gemeint sein, sondern nur die Verwaltung der Institution. Regelungsbedarf besteht in der Tat nicht im Hinblick auf die Amtsgewalt, sondern im 83

Vgl. oben §5 I. 1. a).

132

§ 5 Das Notaramt

Hinblick auf die Amtsausübungsbefugnis. § 6 4 I 1 B N o t O führt nämlich zu der Situation, dass zum einen mit dem Notar, der wieder seine Amtsgeschäfte aufnimmt, ein Amtsinhaber mit Amtsgewalt und Amtsausübungsbefugnis vorhanden ist, der die Rechtspflegeeinrichtung verkörpert, zum anderen mit dem N o t a riatsverwalter, dessen Bestellung schließlich noch nicht widerrufen ist, ein weiterer Amtsinhaber existiert, der diese Rechtspflegeeinrichtung zwar wegen § 6 4 1 1 B N o t O nicht mehr als Ersatznotar verkörpert, aber gleichwohl kraft seiner Amtsgewalt weiter auf die vormals verwaltete Notarstelle bezogene Amtshandlungen vornehmen kann. Diese Situation ähnelt durchaus der doppelten Amtsgewalt von N o t a r und Notarvertreter, die gleichermaßen auf einer Notarstelle tätig werden. Der Begriff der Amtsbefugnis in § 6 4 I 2 B N o t O ist somit, nicht anders als der Begriff der Amtsbefugnis in § 4 4 1 B N o t O , als Amtsausübungsbefugnis zu verstehen, die dem Notariatsverwalter solange zukommt, bis ihm mitgeteilt ist, dass der N o t a r sein Amt wieder persönlich ausüben darf. Der Notariatsverwalter handelt somit zumindest nicht pflichtwidrig, wenn er Amtsgeschäfte vor der Mitteilung nach § 6 4 I 2 B N o t O wahrnimmt. D a im Regelungszusammenhang des § 6 4 1 2 B N o t O eine dem § 4 4 1 2 B N o t O entsprechende Vorschrift fehlt, stellt sich die weitere Frage, o b § 6 4 I 2 B N o t O eine parallele Amtsausübungsbefugnis von N o t a r und Notariatsverwalter in K a u f nehmen m ö c h t e oder o b die fehlende Regelung der Parallelbefugnis eine gesetzgeberische Lücke darstellt, die eventuell unter analoger Anwendung des § 4 4 1 2 B N o t O zu schließen wäre. Im Grundsatz gilt, dass eine parallele Führung der Amtsgeschäfte durch zwei Amtsinhaber auf einer Notarstelle unerwünscht ist. 8 4 Bereits bei der Vertreterlösung im Fall der vorläufigen Amtsenthebung konnte jedoch ein Nebeneinander der Amtshandlungen befürwortet und damit eine Einschränkung des Amtsausübungsverbots des N o t a r s begründet werden. 8 5 Bei der Verwalterlösung k o m m t hinzu, dass der Notariatsverwalter die Verwaltung, anders als der Notarvertreter, nicht für Rechnung des Notars führt. M i t der Übernahme des Amtes durch den N o t a r stehen diesem die hiernach fällig werdenden Kostenforderungen nach § 6 4 III 2 B N o t O zu. Der Notar, der sein Amt wieder persönlich ausüben darf, hat ein berechtigtes Interesse daran, seine Notarbefugnis wieder nutzen zu können. Diesem Interesse tragen die Regelungen in § 6 4 I 1 und III 2 B N o t O gerade Rechnung. § 6 4 B N o t O enthält folglich mit der Inkaufnahme der parallelen Amtsausübungsbefugnis von N o t a r und Notariatsverwalter eine schlüssige und folgerichtige Regelung. Eine ausfüllungsbedürftige Lücke liegt nicht vor.

84 85

Vgl. oben zur Notarvertretung § 5 V. 1. Vgl. oben § 5 V. 2. a).

V. Amtsausübungsbefugnis

c) Entscheidung

und wirtschaftliche

zwischen den beiden

Verwaltung

133

Fortführungsformen

Eine Notarvertretung oder Notariatsverwaltung ist im Fall der vorläufigen Amtsenthebung immer anzuordnen, wenn im Interesse einer geordneten Rechtspflege eine Fortführung der Rechtspflegeeinrichtung erforderlich ist, eine bloße Aktenverwahrung durch das Amtsgericht oder einen anderen Notar nach § 5 5 I B N o t O also nicht ausreicht. Nach § 5 6 IV B N o t O kann ein Verwalter bestellt werden, wenn die Bestellung eines Vertreters „nicht zweckmäßig" erscheint. Diese Wahl zwischen der Vertreterlösung und der Verwalterlösung hat zu berücksichtigen, inwieweit diese Lösungen identische und inwieweit sie unterschiedliche Folgen nach sich ziehen. Im Hinblick auf den Umfang der Amtsgewalt und der Amtsausübungsbefugnis unterscheiden sich Vertreter und Verwalter nicht. Nur bei der Notariatsverwaltung findet jedoch eine Verdrängung des amtsenthobenen Notars statt, und zwar sowohl bezüglich der faktischen Möglichkeit, Amtshandlungen vorzunehmen, als auch bezüglich der wirtschaftlichen Verwaltung des Notariats. Begeht der Notarvertreter schuldhaft eine schadensstiftende Amtspflichtverletzung, haftet gesamtschuldnerisch der Notar (§ 4 6 S. 1 BNotO). Bei einer entsprechenden Amtspflichtverletzung des Notariats Verwalters tritt eine gesamtschuldnerische Mithaftung der Notarkammer ein ( § 6 1 I 1 BNotO). Die Kriterien, die in der notarrechtlichen Literatur für die Entscheidung zwischen Vertretung und Verwaltung nach § 5 6 IV B N o t O aufgestellt werden, verfolgen keine durchweg einheitliche Linie. Zum Teil wird mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen des vorläufig amtsenthobenen Notars grundsätzlich die Vertreterlösung präferiert und die Anordnung der Notariatsverwaltung nur dann vorgeschlagen, wenn die Deckung der Vertretervergütung durch die Einnahmen des Notariats nicht gesichert erscheint, wenn ohnehin in Kürze mit dem Erlöschen des Notaramts zu rechnen ist, wenn angesichts von Meinungsverschiedenheiten mit dem Notar die stärkere Verwalterperson angebracht erscheint oder wenn konkrete Bedenken bestehen, dem Notar die wirtschaftliche Verwaltung des Notariats zu belassen. 86 In diesem Sinne findet sich auch eine Differenzierung nach dem Grund der Amtsenthebung. Der mit der Notariatsverwaltung verbundene Entzug der wirtschaftlichen Verwaltung wird hiernach beispielsweise gerechtfertigt, wenn der Notar aufgrund körperlicher Gebrechen etc. (§ 5 4 I Nr. 2 i.V.m. § 5 0 I Nr. 7 B N o t O ) oder wegen einer die Interessen der Rechtsuchenden gefährdenden Wirtschaftsführung (§ 5 4 1 Nr. 2 i.V.m. § 50 I Nr. 8 B N o t O ) vorläufig seines Amtes enthoben wurde. 8 7 Daneben findet sich jedoch die Feststellung, dass es auf den Grund der Amtsenthebung nicht ankomme und eine Notariatsverwaltung anzuordnen sei, wenn 86 Schippel/Veffer, § 55 BNotO Rdn.4, § 56 BNotO Rdn.29, 32; vgl. auch Lerch, in: Arndt/ Lerch/Sandkühler, § 5 5 BNotO Rdn.3ff. 87 Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 56 BNotO R d n . l l .

134

§ 5 Das Notaramt

es sich um ein besonders arbeitsintensives N o t a r i a t handele, bei dem nicht nur vorbereitete Beurkundungen weiterzuführen seien, sondern auch noch umfangreiche Arbeit bei den Notaranderkonten zu leisten sei. 8 8 D e r Gesichtspunkt des arbeitsintensiven Notariats kann allerdings für sich genommen nicht ausschlaggebend sein, um die Anordnung der Notariatsverwaltung anstelle des Einsatzes eines Notarvertreters zu begründen, da hier die Zuständigkeit und die Befugnisse des Verwalters nicht weiter reichen als die Zuständigkeit und die Befugnisse des Vertreters. Es kann mithin nicht auf Art und Umfang der Tätigkeit a n k o m m e n , die beide Amtswalter gleichermaßen erledigen können, sondern die Entscheidung zwischen Verwaltung und Vertretung hat sich danach zu richten, o b die für den amtsenthobenen N o t a r grundsätzlich einschneidenderen Rechtsfolgen der Notariatsverwaltung im Interesse einer geordneten Rechtspflege geboten sind. Insofern muss angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls mit der Anordnung der Notariatsverwaltung gerade die Verdrängung des N o t a r s und/oder der Entzug der wirtschaftlichen Verwaltung bezweckt werden, wobei bereits die Sicherstellung der Vergütung des anstelle des Notars tätigen Amtsträgers ein Grund für die Verwalterlösung sein kann.

3 . V e r b o t der p e r s ö n l i c h e n A m t s a u s ü b u n g N a c h § 8 I 2 B N o t O darf der Notar, der (mit Erlaubnis der Landesjustizverwaltung) neben dem N o t a r a m t ein besoldetes Amt innehat, sein N o t a r a m t nicht persönlich ausüben. D a der N o t a r jedoch sein Amt als solches behält, tritt folgerichtig kein Verlust der Notargewalt ein, sondern lediglich ein Ausschluss der Amtsausübungsbefugnis. Amtsgeschäfte, die der N o t a r trotz des Verbots der persönlichen Amtsausübung vornähme, wären demnach nicht unwirksam. Der N o t a r verstieße hiermit jedoch gegen seine nach wie vor bestehenden notariellen Amtspflichten. 8 9 a) Hauptberuflicher

Notar

§ 5 6 I B N o t O trifft für den Fall des Verbots der persönlichen Amtsausübung im Bereich des hauptberuflichen Notariats die Regelung, dass die Führung der Notarstelle, wenn das N o t a r i a t nicht unversorgt bleiben kann, einem Notariatsverwalter übertragen wird. Eine alternative Vertreterbestellung sieht diese Vorschrift nicht vor. 9 0 Der Notar, der ein besoldetes Amt ausübt, kann seine N o t a r 88 Lercb, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 56 BNotO Rdn. 5 (unter Berufung auf Schippel/Vetter, § 5 6 BNotO Rdn. 32, wo der Gesichtspunkt des „umfangreichen Notariats" allerdings in engem Zusammenhang mit den oben bereits genannten Kriterien aufgeführt wird). 8 5 Vgl. Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 8 BNotO Rdn. 8 (Fortbestand der Amtspflichten, sofern sie nicht gerade mit der Amtsausübung verbunden sind). 9 0 BGH, DNotZ 1964, 728, 732f.; Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, §56 BNotO Rdn.2; Schippel/Veiter, § 56 BNotO Rdn. 18.

V. Amtsausübungsbefugnis

und wirtschaftliche

Verwaltung

135

befugnis also gerade nicht vermittels der Amtsführung eines Repräsentanten, der seine Amtsausübungsbefugnis von ihm ableitet, nutzen, wie es bei der Vertreterbestellung nach § 3 9 I 1 B N o t O der Fall ist. Der Gesichtspunkt, dass der Notar im Regelfall die wirtschaftlichen und organisatorischen Grundlagen für die Funktionsfähigkeit des Notariats geschaffen hat, das nunmehr durch den Verwalter weitergeführt wird, bleibt bei dieser Regelung zwar unberücksichtigt. Anders als im Fall des § 5 6 IV B N o t O handelt es sich hier jedoch nicht um eine technische Lösung, die nicht mit der gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung korrespondiert, sondern um eine sachlich begründete Entscheidung. Die gesetzgeberische Entscheidung für die Verwalterlösung anstelle der Vertreterlösung in den Fällen des § 8 I 2 B N o t O ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Notar, der ein besoldetes Amt innehat, nicht gleichzeitig aus diesem Amt Einnahmen erzielen und von dem wirtschaftlichen Ergebnis der Rechtspflegeeinrichtung profitieren soll. 9 1 Im Unterschied zur vorläufigen Amtsenthebung liegt der Notariatsverwaltung hier im Übrigen auch die freie Entscheidung des Notars zugrunde, ein besoldetes Amt zu übernehmen und damit auf die Ausübung des Notaramts zu verzichten. Die gesetzgeberische Entscheidung für die Notariatsverwaltung im Fall des Verbots der persönlichen Amtsausübung des hauptberuflichen Notars dient dem Zweck, die Aufrechterhaltung der Rechtspflegeeinrichtung zur Verwirklichung staatlicher Justizgewährung zu ermöglichen. 9 2 Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der in der persönlichen Amtsausübung verhinderte Notar auf seine Notarstelle zurückkehren wird, sobald der Hinderungsgrund entfallen ist, er also das besoldete Amt nicht mehr ausübt. Der Notar hat also auch ein eigenes Interesse an der Fortführung und dem Erhalt der Lebensfähigkeit „seines" Notariats. Angesichts des Umstands, dass er die Notarbefugnis behält und damit die Wiederaufnahme der Amtstätigkeit nur von dem Wegfall des Hinderungsgrundes abhängt, der der Entscheidungsfreiheit des Notars unterliegt, können die berechtigten Belange des Notars nicht ausgeblendet bleiben. Insofern ist es anerkannt, dass Belange des Notars bei der Entscheidung über die Person des Notariatsverwalters einfließen sollen. 9 3 Dazu muss der Notar seine Interessen jedoch auch in geeigneter Form artikulieren können. Zu diesem Zweck ist ihm ein Vorschlagsrecht hinsichtlich der Person des Verwalters zuzubilligen, das jedoch keinen Anspruch auf Bestellung der gewünschten Person zum Notariatsverwalter beinhaltet. 9 4 Es handelt sich vielmehr lediglich um eine Art der Anhörung des betrof9 1 BGH, DNotZ 1991, 75, 79; Schippel/Vetter, § 5 6 BNotO Rdn.18, Wilke, in: Eylmann/ Vaasen, § 5 9 BNotO Rdn.5; vgl. auch BGH, DNotZ 1964, 728, 729, 733. 9 2 Schippel/Veffer, § 56 BNotO Rdn.5; Wennrich, DNotZ 1967, 150, 166. 93 Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 5 6 BNotO Rdn.21; vgl. auch BGH, DNotZ 1991, 75, 77; Schippel/Veffer, § 5 6 BNotO Rdn.3. 94 Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 5 6 Rdn.8; vgl. auch Schippel/Veffer, § 5 6 BNotO Rdn. 3; Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 57 BNotO Rdn. 7, anders allerdings § 56 BNotO Rdn. 18.

136

§ 5 Das Notaramt

fenen N o t a r s . 9 5 Die Bestellungsentscheidung orientiert sich letztendlich an den Rechtspflegezielen, die mit der Notariatsverwaltung verfolgt werden. N a c h § 6 4 I 1 B N o t O erlischt das Amt des Verwalters, wenn der N o t a r die Amtsgeschäfte wieder aufnimmt, wozu er eben von Rechts wegen nicht nur über Amtsgewalt, sondern gleichfalls über Amtsausübungsbefugnis verfügen muss. D e r Tatbestand der Amtsaufnahme nach § 6 4 I 1 B N o t O verlangt deshalb, dass der rechtliche Hinderungsgrund bezüglich der persönlichen

Amtsausübung

nicht mehr besteht. 9 6 Hinsichtlich der Folge der doppelten Amtsbefugnis aufgrund der Regelung in § 6 4 I 2 B N o t O unterscheidet sich der Fall der Notariatsverwaltung wegen Verbots der persönlicher Amtsausübung im Übrigen nicht von der Amtsverwaltung wegen vorläufiger Amtsenthebung. b)

Anwaltsnotar

D a auch der Anwaltsnotar die Erlaubnis zur Übernahme eines besoldeten Amts erhalten kann, ohne dass er damit seines N o t a r a m t e s verlustig gehen soll, gilt für ihn nichts anderes als für den hauptberuflichen Notar. 9 7 Er bleibt also Inhaber des Notaramtes, darf dieses jedoch nicht persönlich ausüben ( § 8 1 2 B N o t O ) . Eine dem § 5 6 I B N o t O entsprechende gesetzliche Regelung fehlt allerdings für den Bereich des Anwaltsnotariats. § 5 6 II B N o t O , die Parallelvorschrift zu § 5 6 I B N o t O für das Anwaltsnotariat, regelt als Tatbestand für die Bestellung eines Notariatsverwalters lediglich das Erlöschen des Amtes, nicht aber das Verbot der persönlichen Amtsausübung. Auch im Bereich des Anwaltsnotariats kann jedoch ein Bedürfnis für die Fortführung der Rechtspflegeeinrichtung nicht von vornherein ausgeschlossen werden, wenngleich hier dem einzelnen N o t a r i a t angesichts der im Vergleich zum hauptberuflichen N o t a r i a t geringeren Bedarfszahlen für die Einrichtung einer Notarstelle nicht der gleiche Stellenwert für die Versorgung der Bevölkerung mit Notarleistungen beizumessen ist. Wenn die Rechtspflegeeinrichtung fortgesetzt werden soll, bieten sich technisch gesehen nur die Möglichkeiten, entweder einen Notarvertreter oder einen Notariatsverwalter zu bestellen. Wohl überwiegend wird im Hinblick auf den Wortlaut des § 5 6 II B N o t O die Vertreterlösung präferiert 9 8 , zum Teil allerdings unter erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken wegen der damit auftretenden Ungleichbehandlung von Anwaltsnotar und

Vgl. Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 57 BNotO Rdn. 7. Vgl. auch Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 64 BNotO Rdn. 6 (Amtsübernahme müsse sich im Gegensatz zur eigenmächtigen Amtsübernahme - im Einklang mit dem Berufsrecht vollziehen). 97 Vgl. Baumann, in: Eylmann/Vaasen, § 8 BNotO Rdn. 7. 98 Schippe 1/Veiier, §56 BNotO Rdn.25; Starke, in: Beck'sches Notar-Handbuch, K I Rdn.24; Wilke, in: Eylmann/Vaasen, §56 BNotO Rdn. 5; vgl. auch BGH, NJW 1999, 499; SchippelISchippel, § 8 BNotO Rdn. 13. 95 96

V. Amtsausübungsbefugnis

und wirtschaftliche

Verwaltung

137

hauptberuflichem N o t a r " . Nach anderer Ansicht ist bei einer Verhinderung des Anwaltsnotars § 561 BNotO analog anzuwenden, so dass anstelle des verhinderten Notars ein Notariatsverwalter bestellt werden kann. 1 0 0 Hier stellt sich zunächst die Frage, ob die BNotO die Vertreterlösung für den Fall des Verbots der persönlichen Amtsausübung des Anwaltsnotars überhaupt vorsieht oder ob hier nicht vielmehr eine Regelungslücke klafft, die es zu schließen gilt. Der Einsatz eines Notarvertreters kommt nur dann in Betracht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Vertreterbestellung auf Antrag des Notars oder von Amts wegen vorliegen. Dabei muss eine Vertreterbestellung von Amts wegen in direkter Anwendung einer einschlägigen Vorschrift von vornherein ausscheiden, da die BNotO eine solche ausdrücklich nur im Fall der vorläufigen Amtsenthebung des Notars anordnet, nicht aber bei einem Verbot der persönlichen Amtsausübung. Demzufolge könnte eine Lösung allenfalls in der Bestellung eines Notarvertreters auf Antrag des Notars gem. § 39 I BNotO liegen, wobei allerdings nicht verkannt werden darf, dass hier die Initiative ausschließlich bei dem verhinderten Notar läge, zur Sicherung geordneter Rechtspflege aber eine Regelung erforderlich ist, die dem Staat zur Gewährleistung seiner Justizgewährungspflicht eine Handlungsmöglichkeit verschafft. § 39 I BNotO böte lediglich eine partielle Lösung für den Fall, dass der verhinderte Notar den Antrag auf Bestellung eines Notarvertreters stellte. Das heißt, dass die BNotO zumindest insoweit eine Lücke aufweist, als sie keine Regelung für die von Amts wegen zu treffende Entscheidung für die Fortführung des Anwaltsnotariats zur Erfüllung staatlicher Justizgewährung enthält. Diese Regelungslücke kann durch eine entsprechende Anwendung des § 56 I BNotO geschlossen werden, da diese Vorschrift, anders als § 39 II 1 BNotO, den Fall des Verbots der persönlichen Amtsausübung immerhin ausdrücklich betrifft und insofern als richtungsweisend verstanden werden kann. Die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Notariatsverwaltung stellt eine durchaus systemkonforme Lösung dar. Der Notar kann seine Notarbefugnis rechtlich nicht mehr nutzen, da ihm das Recht zur persönlichen Amtsausübung genommen ist. § 56 I BNotO ordnet diesen Fall deshalb konsequent den echten Vakanzen zu und sieht eine vollständige Verdrängung des Notars ohne Amtsausübungsbefugnis durch den Notariatsverwalter vor. Die Vertretung eines Notars, der kraft Gesetzes die Notarbefugnis nicht mehr nutzen kann, würde dagegen zu einer systemfremden Abspaltung und Verselbständigung der wirtschaftlichen Verwaltung und Nutzung des Notariats führen. Im Übrigen gibt es keinen sachlichen Grund, das Anwaltsnotariat im Hinblick auf die Fortführung der Rechtspflegeeinrichtung anders zu behandeln als das Nurnotariat. Besteht ein Fortführungsbedürfnis, ist

99 100

Wilke, in: Eylmann/Vaasen, §56 BNotO Rdn.5. Baumann, in: Eylmann/Vaasen, § 8 BNotO Rdn.7.

138

§ 5 Das

Notaramt

somit analog § 56 I BNotO auch im Bereich des Anwaltsnotariats ein Notariatsverwalter zu bestellen. Es stellt sich allerdings die weitere Frage, ob auf Antrag des in der persönlichen Amtsausübung verhinderten Notars gleichwohl ein Notarvertreter bestellt werden könnte. Im Bereich des hauptberuflichen Notariats schließt die abschließende Regelung des § 56 I BNotO diese Alternative aus, so dass sie konsequenterweise auch im Bereich des Anwaltsnotariats nicht zur Verfügung stehen dürfte. Da eine ausdrückliche, verdrängende Regelung hier jedoch fehlt, ist eine Vertreterbestellung gem. § 39 I BNotO zumindest in Betracht zu ziehen. Eine Vertreterbestellung gem. § 3 9 1 1 BNotO setzt voraus, dass das Verbot der persönlichen Amtsausübung als Verhinderung im Sinne dieser Vorschrift verstanden werden kann. Die Möglichkeit, einen Notarvertreter einzusetzen, beschränkt sich hiernach auf vorübergehende Verhinderungen, wobei die Dauer der Vertretung ein Jahr im Regelfall nicht überschreiten soll ( § 3 9 1 2 BNotO). 101 Da § 39 I BNotO keine Differenzierung nach der Art des Verhinderungsgrundes kennt, könnte die Vorschrift dem Wortlaut nach auch auf die Fälle der Verhinderung der persönlichen Amtsausübung nach § 8 I 2 BNotO angewandt werden. Die Systematik der Vertretungsregeln zeigt jedoch, dass § 39 BNotO an sich gerade solche Verhinderungsfälle erfasst, in denen die Amtsgewalt und Amtsausübungsbefugnis des Notars unberührt bleiben (vgl. §44 BNotO). Die Amtsausübungsbefugnis ist dem Notar, der ein besoldetes Amt ausübt, allerdings genommen (§8 1 2 BNotO). Die gesetzgeberische Grundsatzentscheidung gegen eine Verselbständigung der wirtschaftlichen Verwaltung und Nutzung des Notariats hat schließlich für den Bereich des hauptberuflichen Notariats auch in § 56 I BNotO Niederschlag gefunden, indem die Vorschrift die Verhinderung der persönlichen Amtsausübung in die Reihe der echten Vakanzen einordnet. Verhinderungsfälle im Sinne des Notarvertretungsrechts sind also nur solche, in denen die Verhinderung den Status des Amtsträgers nicht betrifft, ihm also Amtsgewalt und Amtsausübungsbefugnis belassen bleiben. Das Verbot der persönlichen Amtsausübung wird folglich von § 391 BNotO nicht erfasst. Für den Anwaltsnotar kann somit, nicht anders als für den hauptberuflichen Notar, nur ein Notariatsverwalter, nicht aber ein Notarvertreter bestellt werden. 4. Vorübergehende Niederlegung des N o t a r a m t s mit Wiederbestellungsgarantie Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung der BNotO und anderer Gesetze ist die Möglichkeit einer vorübergehenden Amtsniederlegung mit Wiederbestellungs101

Die ständige Vertretung (§ 39 I 1 2. Hs. BNotO) ist keine Dauervertretung, sondern eine Vertreterbestellung für alle während eines Kalenderjahres auftretenden Vertretungsfälle. Sie ermöglicht somit ein abwechselndes Tätigwerden von Notar und Notarvertreter.

V. Amtsausübungsbefugnis

und wirtschaftliche

Verwaltung

139

garantie eingeführt worden ( § § 4 8 b, c B N o t O ) , wobei die Wiederbestellungsgarantie allerdings auf ein Jahr befristet ist. Da es sich bei den Gründen der Amtsniederlegung um solche handelt, die keinesfalls zwingend eine Amtsniederlegung oder etwa, wie bei der Übernahme eines besoldeten Amtes, einen Verlust der Amtsausübungsbefugnis zur Folge haben, kann der hierdurch verhinderte Notar prinzipiell gleichfalls eine Vertreterbestellung beantragen, wobei die zeitliche Beschränkung des § 3 9 I 2 B N o t O (im Regelfall ein Jahr) zu beachten ist. 1 0 2 Die Rechtsposition, die die B N o t O dem Notar bei einer vorübergehenden Niederlegung des Notaramts mit Wiederbestellungsgarantie

einräumt,

ähnelt

durchaus den Folgen der Verhinderung an der persönlichen Amtsausübung. Zwar verliert der Notar hier das Amt als solches und nicht nur die Amtsausübungsbefugnis. Durch die Wiederbestellungsgarantie wird jedoch eine Verbindung zwischen dem Notar und „seinem" Notariat aufrechterhalten. Die betreffende Notarstelle kann nicht anderweitig vergeben werden, sondern bleibt für den wiederzubestellenden Notar gewissermaßen reserviert. Der Erfüllung der staatlichen Justizgewährungspflicht wird durch den Einsatz eines Notariatsverwalters gem. § 5 6 III B N o t O genügt. Hierbei handelt es sich wie in den Fällen der Notariatsverwaltung infolge vorläufiger Amtsenthebung des Notars oder Verhinderung der persönlichen Amtsausübung - um eine Fortführungsverwaltung, gleichgültig ob ein hauptberuflicher Notar oder ein Anwaltsnotar sein Notaramt vorübergehend niederlegt. 1 0 3 Das Fortführungsinteresse des Notars rechtfertigt es hier, nicht anders als das Fortführungsinteresse des an der persönlichen Amtsausübung gehinderten Notars, ihm ein Vorschlagsrecht hinsichtlich des Verwalters zuzubilligen und die Belange des Notars bei der Entscheidung über die zum Notariatsverwalter zu bestellende Person zu berücksichtigen. Wird der Notar gem. § 4 8 c B N o t O wieder zum Notar auf seinen vorherigen Amtssitz berufen, war die Verwalterbestellung jedoch nicht entsprechend befristet bzw. wurde sie nicht zeitgleich widerrufen, tritt eine Situation ein, die der Rechtslage des § 6 4 1 B N o t O zu vergleichen ist. Ein unbeschränkt funktionsfähiger und funktionsberechtigter Notar und ein gleichermaßen funktionsfähiger und funktionsberechtigter Notariatsverwalter sind auf ein und derselben Notarstelle eingesetzt. Eine ausdrückliche Regelung für den Übergang von der Notariatsverwaltung zur Fortführung der Amtsgeschäfte durch den wiederbestellten Notar fehlt allerdings. Insoweit wird vorgeschlagen, die Notariatsverwaltung mit der erneuten Ernennung des Inhabers der Notarstelle enden zu lassen und nicht mit der Wiederaufnahme der Amtstätigkeit. 1 0 4 Die Wiederbestellung zum Notar muss Sandkühler, in: Frenz, Neues Berufs- und Verfahrensrecht, Rdn. 32. Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 56 BNotO Rdn. 10, 32. 104 Wilke, in: Eylmann/Vaasen, § 64 BNotO Rdn. 6 (begründet die Abweichung zum Fall der Verhinderung der persönlichen Amtsausübung nach § 8 1 2 BNotO jedoch damit, dass der in der 102 103

140

5 5 Das Notaramt

jedoch von der Übernahme der Amtsgeschäfte unterschieden werden, die allerdings voraussetzt, dass die Wiederbestellung zum N o t a r vorher stattgefunden hat. Wenn aber § 6 4 1 B N o t O allein den Umstand, dass ein funktionsfähiger und funktionsberechtigter N o t a r vorhanden ist, nicht ausreichen lässt, um die N o t a riatsverwaltung enden zu lassen, sondern vielmehr die Verkörperung der Rechtspflegeeinrichtung durch den aktiven N o t a r verlangt, so ist hierin eine im Interesse der kontinuierlichen Betreuung der Rechtspflegeeinrichtung getroffene Grundsatzentscheidung zu sehen, die gleichermaßen im Fall der Wiederbestellung des N o t a r s nach § 4 8 c B N o t O Geltung beansprucht. Die Verkörperung der Rechtspflegeeinrichtung durch den Notariatsverwalter als Ersatznotar endet somit auch hier erst dann, wenn der wieder auf seinen alten Amtssitz berufene N o t a r die Amtsgeschäfte übernimmt. Der Konflikt, der durch den Dualismus der Amtsgewalten und Amtsbefugnisse auftritt, ist nicht anders zu lösen als in den Fällen der Wiederaufnahme der Amtsgeschäfte des Notars, in dessen Person das Verbot der persönlichen Amtsausübung entfallen ist. Die Amtsbefugnis des Notariatsverwalters endet somit entsprechend § 6 4 I 2 B N o t O mit der Mitteilung über die Wiederbestellung des Notars. Der N o t a r handelt nicht pflichtwidrig, wenn er trotz der nach wie vor bestehenden Notariatsverwaltung Amtsgeschäfte vornimmt.

persönlichen Amtsausübung gehinderte N o t a r immer noch N o t a r sei, so dass aus diesem Grund an die Amtsübernahme angeknüpft werden könne).

§ 6 Institutionelle Ausgestaltung der Rechtspflegeeinrichtung durch notarielle Grundpflichten Die Verleihung des Notaramtes ist die konzeptionelle Basis für die Errichtung der durch den Notar verkörperten Rechtspflegeeinrichtung. Diese Einrichtung wird mit den funktionsnotwendigen Eigenschaften versehen, indem die BNotO dem Notar aufgabenbezogene und organisatorische Grundpflichten auferlegt. Angesichts der besonderen Konstitution der externen Rechtspflegeeinrichtung und der hierin angelegten Gefährdungslagen kommt notariellen Grundpflichten, die bestimmen, wie der Amtsträger sein Amt insgesamt auszuüben und sich im Hinblick auf sein Amt zu verhalten hat, konzeptionell sogar ein besonderer Stellenwert zu. Die berufliche und organisatorische Selbständigkeit des Notars ist es im Übrigen auch, die trotz des prinzipiellen Unterschieds zwischen dem Rechtsanwaltsberuf auf der einen Seite und dem staatlichen Notaramt auf der anderen Seite gewisse strukturelle Parallelen zwischen den institutionellen Grundpflichten des Notars und den statusbildenden Grundpflichten des freiberuflichen Rechtsanwalts nahe legt, zumal die jeweiligen Vorschriften zum Teil die gleichen Begriffe verwenden.

I. Die Regelung allgemeiner

Amtspflichten

in der

BNotO

Die Behandlung der grundlegenden Pflichten des Notars in der BNotO erweist sich als problematisch, da Inhalt und Zielrichtung der in der BNotO geregelten Pflichten keinesfalls immer eindeutig festzulegen sind. Es herrscht nach wie vor Unsicherheit, welche konzeptionelle Bedeutung einzelnen Pflichten, etwa der Pflicht zur Unparteilichkeit, beizumessen ist und welche konkreten Verhaltensanforderungen den Grundpflichten zu entnehmen sind.1

1

Vgl. Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 3, 15.

142

§6 Ausgestaltung der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

1. D a s grundlegende P r o b l e m der gesetzessystematischen Z u o r d n u n g der N o t a r p f l i c h t e n „Allgemeine

Amtspflichten"2

des N o t a r s

werden

im Wesentlichen

im

2.

Abschnitt der B N o t O geregelt. O b eine einzelne Verpflichtung sich als Grundpflicht darstellt, die der Ausgestaltung des N o t a r a m t e s dient und von dem N o t a r als Verfahrensträger „latent" erfüllt werden muss, oder o b es sich um eine Verfahrenspflicht handelt, o b bzw. inwieweit sich aus grundlegenden Pflichten Verhaltensanforderungen ableiten lassen, ist im Regelungsgeflecht der

§§14ff.

B N o t O nicht immer erkennbar. Das gilt gleichermaßen im Hinblick auf den Adressaten der Pflicht. Die Grundpflichten hat der Amtsträger gegenüber dem amtsverleihenden Land zu erfüllen. Drittbezogenen Verhaltenspflichten unterliegt er gegenüber den materiell Beteiligten. Diese systematische Trennung 3 schließt allerdings nicht von vornherein aus, dass ein spezielles Verhaltensgebot zugleich den Charakter einer institutionellen Grundpflicht hat und eine Pflicht gegenüber den Beteiligten regelt. 4 Diese Unsicherheit hinsichtlich der Zuordnung und der Zielrichtung wird vor allem vor dem Hintergrund der lückenhaften Verfahrensordnungen auf dem Gebiet des Notarverfahrensrechts 5 relevant.

2 . K o n k r e t i s i e r u n g des Pflichtenkreises Angesichts der Verschränkung verschiedener Pflichten mit unterschiedlichen Zielrichtungen allein in § 1 4 B N o t O verwundert es nicht, dass in der notarrechtlichen Literatur zu § 1 4 B N o t O Pflichtenkataloge aufgestellt werden, die sich v o m N o r m t e x t mehr und mehr lösen. So kann zwar die Pflicht zur Unabhängigkeit und zur Unparteilichkeit noch aus § 1 4 I 2 B N o t O entnommen werden, o b w o h l die N o r m dem Wortlaut nach, der eine Statusbeschreibung nahe legt, im Grunde nicht erkennen lässt, dass hiermit notarielle Pflichten begründet werden können. Die Pflicht zur Unparteilichkeit ergibt sich im Übrigen aber auch aus § 1 4 1 1 B N o t O i.V.m. § 13 B N o t O , da der N o t a r sich mit der Ablegung des Notareides zur unparteiischen Amtsführung verpflichtet. Eine Pflicht zur Unabhängigkeit, die in der notarrechtlichen Literatur bisher durchaus in Frage gestellt wurde, wollte der Gesetzgeber mit der Aufnahme des M e r k m a l s der Unabhängigkeit in den N o r m t e x t des § 1 4 I 2 B N o t O ausdrücklich geregelt wissen. Welche konkreten VerhaltensanforderunVgl. oben §4 III. 2. a). Bohrer, Berufsrecht, Rdn.94; vgl. auch Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn.3. 4 Vgl. prinzipiell Bohrer, Berufsrecht, Rdn.89. 5 So findet sich z.B. für die notariellen Betreuungsverfahren (§ 24 BNotO), von der rudimentären Regelung der Verwahrungsgeschäfte in den §§ 54 a ff. BeurkG abgesehen, überhaupt keine gesetzlich geregelte Verfahrensordnung, ein Zustand, der seitens der notarrechtlichen Literatur als auf Dauer unhaltbar kritisiert wird (vgl. Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 15; ders., Festgabe für Weichler, S. 175, 183). 2 3

I. Die Regelung allgemeiner Amtspflichten in der BNotO

143

gen sich aus der Pflicht zur Unabhängigkeit und der Pflicht zur Unparteilichkeit ergeben, lässt sich dagegen nicht ohne weiteres beantworten. Das Spektrum der hierzu vertretenen Auffassungen reicht von grundlegender Skepsis gegenüber der Ableitung von Verhaltensanforderungen aus Grundpflichten, wie sie angesichts der Bedeutung des Gebots der Unabhängigkeit geäußert wird 6 , bis hin zur Ableitung konkreter Verfahrenspflichten aus der Stellung des N o t a r s als unparteiischer Betreuer der Beteiligten 7 . Auf § 1 4 III 1 B N o t O wird das „Integritätsgebot" gestützt 8 , das auch zur inhaltlichen Konkretisierung von Verfahrenspflichten des N o t a r s herangezogen wird (z.B. hinsichtlich der sachgerechten und zweckentsprechenden Gestaltung des Beurkundungsverfahrens) 9 , o b w o h l sich ein solches G e b o t nicht unmittelbar dem Wortlaut der N o r m entnehmen lässt. 1 0 Als „verfahrensrechtliche Ausform u n g " des Integritätsgebots wird dabei § 1 4 II B N o t O (bzw. für das Beurkundungsverfahren § 4 BeurkG) angesehen, also die Pflicht, die notarielle Mitwirkung bei Handlungen zu versagen, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Z w e c k e verfolgt werden. 1 1 Von dieser klaren Verpflichtung abgesehen, fällt auch bezüglich des Integritätsgebots eine inhaltliche Konkretisierung schwer. 1 2 Der eigene Bedeutungsgehalt dieser Pflicht ist k a u m noch erkennbar, wenn sogar die Belehrungspflichten nach dem B e u r k G dem Regelungszusammenhang des § 1 4 III 1 B N o t O zugeordnet werden. 1 3 Z u den Grundpflichten wird ferner das nunmehr in § 1 4 III 1 B N o t O geregelte Gebot,

selbst den Schein einer Amtspflichtwidrigkeit

zu vermeiden

(sog.

„Anscheinsverbot"), gezählt, das allerdings von dem verfahrensrechtlichen Verbot, einen falschen Anschein zu erwecken (z.B. eine missverständliche Bescheini6 Vgl. Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO 14; zur Rechtslage vor der Novellierung der BNotO durch das Dritte Gesetz zur Änderung der BNotO und anderer Gesetze: Bohrer, Berufsrecht, Rdn.89. 7 Zur „Begrenzung" der erweiterten Belehrungspflicht durch die Pflicht zur Unparteilichkeit: BGH, DNotZ 1987,157,159f.; OLG Bremen, DNotZ 1989,456,457; vgl. auch BGH, DNotZ 1985, 635, 636; Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 10; Geimer EWiR 1988, 539; Haug, DNotZ 1972, 388, 414; Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, Handbuch, Rdn. 144; ders., WuB VIII A. §14 BNotO 1.86; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, §14 BNotO Rdn.47. Zur Ableitung von Belehrungspflichten aus § 14 I 2 BNotO („Allgemeine Belehrungspflicht aus Betreuungspflicht": BGHZ 58, 343, 348; BGH, DNotZ 1986, 418, 421; 1987,157, 158f.; 1989, 45, 47; 1991, 759, 761 (hier zugleich ausdrücklicher Hinweis auf § 14 I BNotO). 8 Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 14 BNotO Rdn. 94; Starke, in: Beck'sches Notarhandbuch, K I Rdn. 57; Wöstmann, ZNotP 2002, 246; vgl. auch Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 101. 9 Insbesondere Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, §14 BNotO Rdn.94ff.; entsprechende Pflichtenkataloge finden sich unter dem Oberbegriff „Integritätsgebot" auch bei Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 19ff. 10 Kritisch: Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 15. 11 Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 101; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, §14 BNotO Rdn. 61. 12 Vgl. Bohrer, Berufsrecht, Rdn.lOlf. 13 So Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 14 BNotO Rdn.95, 96ff.

144

§6 Ausgestaltung

der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

gung auszustellen) 1 4 , unterschieden werden muss. O b dieser Verpflichtung mehr oder weniger Appellcharakter zukommt oder ob ihr hinreichend konkrete Verhaltenspflichten entnommen werden können, lässt sich gleichfalls nicht ohne weiteres beantworten. In der notarrechtlichen Literatur wird dem Anscheinsverbot zum Teil „Konturenlosigkeit" attestiert. 1 5 Ergänzt wird der Katalog der aus § 14 B N o t O entnommenen Pflichten durch die Pflicht zur Verschwiegenheit, deren aufgabenbezogene Komponente als Schweigepflicht im Interesse der Verfahrensbeteiligten in § 18 B N o t O geregelt ist. Die Schweigepflicht kann im Einzelfall in Konflikt mit der Belehrungspflicht des Notars geraten. Das Verhältnis dieser Pflichten zueinander ist folglich klärungsbedürftig. Die angesprochenen Pflichtenbereiche lassen sich den aufgabenbezogenen Grundpflichten zuordnen. Unabhängig davon, welche konkrete Verhaltenspflicht sich im Einzelnen aus ihnen ableiten lässt, handelt es sich jedenfalls um Pflichten, die der Notar „latent" erfüllen muss, um in seinem Bereich die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege zu sichern. Angesichts des Umstandes, dass der Notar seine Rechtspflegetätigkeit nicht eingebunden in den staatlichen Justizapparat verrichtet, vielmehr in beruflicher Selbständigkeit selbst eine Funktionseinheit mit dem dazugehörigen „Apparat" schaffen muss 1 6 , kommt jedoch auch dem Komplex organisatorischer Grundpflichten für die Ausgestaltung der Rechtspflegeeinrichtung erhebliche Bedeutung zu. Auf den Notar wird gewissermaßen die Organisationshoheit über die von ihm zu verwaltende Funktionseinheit der Justizverfassung übertragen. Dass sich hieraus Grundpflichten ergeben können, ist bislang nur punktuell hervorgehoben worden. 1 7 Lediglich die Grenze des Organisationsspielraums des Notars steht fest. Der „Apparat" darf den Notar in keinem Fall ersetzen oder binden. 1 8 Der Notar ist zur persönlichen Amtsausübung verpflichtet. 1 9

14 Dazu BGH, DNotZ 1985, 48, 49; 1969, 507, 509f.; 1 9 7 3 , 2 4 5 , 2 4 8 ; O L G Hamm, DNotZ 1987, 54; Haug, Amtshaftung, R d n . 6 5 5 f . ; Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, Handbuch, Rdn. 191; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 19 BNotO Rdn.48. 15 Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 101; Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 16. 1 6 Vgl. Baumann, MittRhNot 1 9 9 6 , 1, 15; Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 305. 1 7 Vgl. Frenz, Festgabe für Weichler, S. 1 7 5 , 1 8 7 („ institutionelle Grundpflicht zur Selbständigkeit"). 1 8 Vgl. Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 19 BNotO Rdn. 55 („Träger des Notaramtes ist der Notar selbst, nicht etwa das Notariat als Behörde."); zur „Unabhängigkeit" gegenüber den Mitarbeitern: Starke, in: Eylmann/Vaasen, § 2 5 BNotO Rdn. 11; vgl. auch Baumann, MittRhNot 1 9 9 6 , 1, 7. 19 Höfer/Huhn, Allgemeines Urkundenrecht, S.43ff.; Schippel/Schippel, § 1 4 BNotO Rdn. 33, § 2 5 BNotO Rdn.2; Starke, in: Eylmann/Vaasen, § 2 5 BNotO Rdn. 7. Gem. § 6 7 II Nr. 4 BNotO gehört die „Pflicht zur persönlichen Amtsausübung" zu den Regelungsgegenständen, die der Richtlinienkompetenz der Notarkammern unterstehen.

I. Die Regelung

allgemeiner

Amtspflichten

in der

BNotO

145

3. Systematik Die Pflichten, die der Notar erfüllen muss, damit der Staat durch den Einsatz des Notars seiner Justizgewährungspflicht auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege sowie hinsichtlich der sonstigen dem Notar zugewiesenen Mitwirkungsaufgaben nachkommt, lassen sich in systematischer Hinsicht in drei Gruppen unterteilen. Es handelt sich hierbei zum einen um die aufgabenbezogenen Grundpflichten, die durch die Art der dem Notar zugewiesenen Aufgaben geprägt werden, also im Wesentlichen die Pflichtentrias der Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Verschwiegenheit. In den Kontext dieser Pflichten gehört ferner die nunmehr in § 14 VI B N o t O geregelte Fortbildungspflicht des Notars. Diese Pflichten zielen auf die von dem Notar vorzuhaltende allgemeine (Neutralität usw.) und qualitative Rechtspflegekompetenz, die ihn erst in den Stand setzt, die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen. Die aufgabenbezogenen Pflichten werden ergänzt durch die Gruppe der Pflichten, die daraus resultieren, dass mit dem Einsatz des Notars eine in der Person des Amtsträgers verkörperte Außenstelle der Justiz geschaffen wird, die in der Öffentlichkeit nur vermittels der Person als eine solche wahrgenommen wird. 2 0 Hierbei handelt es sich um vertrauenssichernde Grundpflichten, da sie auf die Unterhaltung des Vertrauens der rechtsuchenden Bevölkerung in die Funktionsfähigkeit der Rechtspflegeeinrichtung abzielen, d.h. insbesondere auf das Vertrauen in deren allgemeine und qualitative Rechtspflegekompetenz. Der Notar unterliegt insoweit der zunächst allgemein formulierten Pflicht, sein amtliches und außeramtliches Verhalten danach auszurichten, dass er eine Rechtspflegeeinrichtung verkörpert. Hierauf wurde bereits im Zusammenhang mit der Bedeutung der Amtsstellung des Notars hingewiesen. 21 Diesen Pflichten sind die Pflicht zu „amtswürdigem Verhalten" gem. § 14 III 1 B N o t O (mit dem sog. Integritätsgebot) und das Anscheinsverbot gem. § 14 III 2 B N o t O zuzuordnen. Das auf Grundpflichten des Amtsträgers gestützte Konzept der externen Rechtspflegeeinrichtung

wird

vervollständigt

durch

die

organisatorischen

Grundpflichten des Notars, die zum einen die Amtsbereitschaft und die selbständige bzw. eigenständige Schaffung und Unterhaltung eines funktionsfähigen Apparats zum Gegenstand haben. Zu diesem Pflichtenkomplex gehört im weiteren Sinne auch die Versicherungspflicht des Notars (§ 19 a B N o t O ) , die dem Umstand Rechnung trägt, dass in Fällen der Amtshaftung des Notars keine Haftungsüberleitung auf das amtsverleihende Land eintritt. Schließlich ist im Rahmen der organisatorischen Grundpflichten zu berücksichtigen, dass der Notar als Funktionsträger der Justiz eingesetzt ist und als solcher prinzipiell Unabhän-

20 21

Vgl. auch Hänle, BWNotZ 1978, 127, 131. § 5 IV.

146

§6 Ausgestaltung

der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

gigkeit im Sinne des Justizorganisationsrechts genießt. 22 Neben die Pflicht zur Selbständigkeit bzw. Eigenständigkeit kann deshalb auch die Pflicht zur Unabhängigkeit gegenüber dem Staat treten.

II. Aufgabenbezogene

Grundpflichten

Die konkreten aufgabenbezogenen Grundpflichten sind zum einen institutionelle Grundpflichten, die der Ausgestaltung der Rechtspflegeeinrichtung dienen. Ihnen sind jedoch auch konkrete Verhaltensanforderungen zu entnehmen. Systematisch zu trennen sind diese aus der Grundpflicht resultierenden Verhaltensanforderungen von konkreten Verfahrenspflichten, die bei Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung anhand der Verfahrensziele zu entwickeln sind. Dabei ist die Frage aufzuwerfen, ob hierbei der Bedeutungsgehalt einer Grundpflicht eine Rolle spielen kann. 1. Unparteilichkeit Die Gewähr staatlicher Rechtspflege, gleichgültig ob es sich um vorsorgende Rechtspflege oder um verlagerte originär richterliche Aufgaben handelt, setzt die Neutralität des Verfahrensträgers begriffsnotwendig voraus. Die institutionell verankerte Neutralität des Verfahrensträgers ist die Grundlage der staatlichen Rechtspflegeleistung. 23 Der Bundesgerichtshof bezeichnet sie als das Fundament des Notarberufs. 24 Die Verpflichtung zur unparteiischen Erfüllung der Pflichten eines Notars ist Gegenstand des Notareides ( § 1 3 1 BNotO) und bildet damit insgesamt einen Verhaltensmaßstab für die Verwaltung des Notaramtes (§ 14 11 BNotO). § 14 I 2 BNotO grenzt die vom Grundsatz der Unparteilichkeit geprägte Notartätigkeit überdies ausdrücklich von der Interessenvertretung, wie sie der Anwalt leistet, ab. Die Einhaltung des Neutralitätsgebots ist zwingende Voraussetzung bei jeder kraft des Notaramtes vorgenommenen Tätigkeit, insbesondere bei der Wahrnehmung einer konkreten Verfahrenspflicht oder bei verfahrensleitenden Maßnahmen. Sobald der Notar in irgendeiner Form „Partei ergriffe", stellte er sich zwangsläufig in Widerspruch mit seiner Funktion als Institution der Rechtspflege, würde „die ihm verliehene Staatsgewalt missbrauchen" 25 und beginge Vgl. bereits § 4 II. 3. Vgl. Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 93 („Ob ein Vertrag notariell beurkundet oder von anderen Berufsträgern verhandelt wird, macht nicht nur hinsichtlich des Verfahrens und der Form, sondern auch „institutionell" in der Art (im Einzelfall möglicherweise auch im Inhalt) der Konsensfindung einen Unterschied; ..."); Habersack, AcP 189, 403, 417. 2 4 BGH, NJW 2 0 0 4 , 1954, 1955. 25 Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 8; Schlüter/Knippenkötter, Haftung des Notars, Rdn. 70. 22 23

II. Aufgabenbezogene

Grundpflichten

147

damit jedenfalls eine Pflichtwidrigkeit, unter Umständen einen haftungsauslösenden Verfahrensfehler.

a) Abgrenzung zur

Interessenvertretung

Der Inhalt des spezifisch notarrechtlichen Neutralitätsgebots erschließt sich im Vergleich zur richterlichen Unparteilichkeit einerseits und in Abgrenzung zur anwaltlichen Parteivertretung andererseits. Dabei lässt sich die Negativabgrenzung zur Anwaltstätigkeit naturgemäß leichter präzisieren. Jede Interessenvertretung, z.B. eine einseitige Beratung im Hinblick auf ein Streitverhältnis 2 6 , ist für den Notar ausgeschlossen. 2 7 Gleiches gilt für einen Wechsel von der Notartätigkeit zur Anwaltstätigkeit in derselben Angelegenheit (§ 4 5 I Nr. 1 B R A O ) oder prinzipiell auch umgekehrt von der Anwaltstätigkeit zur Notartätigkeit ( § 3 1 1 Nr. 7 BeurkG bzw. § 16 I B N o t O i.V.m. § 3 I 1 Nr. 7 BeurkG). Im ersten Fall bestehen die Notarpflichten fort, von denen der Notar insoweit nicht entbunden werden kann. Im zweiten Fall geht es zwar nicht um eine Fortsetzung der Interessenvertretung, aber es besteht die Gefahr oder zumindest der Anschein der Parteilichkeit. 2 8

b) Verbot der Bevorzugung oder

Benachteiligung

Bei der positiven Konkretisierung des Neutralitätsgebots sind die Besonderheiten des Rechtspflegesektors zu beachten, um dessentwillen die Neutralität institutionell gewährleistet ist. So gilt die im Richtereid verfasste Konkretisierung der Pflicht zur Unparteilichkeit, „ohne Ansehen der Person zu urteilen", zwar in ihrem Kerngehalt auch für den Notar, indem es dem Notar „selbstverständlich" untersagt ist, das O b und Wie seiner Amtsausübung von irgendwelchen persönlichen Merkmalen eines Beteiligten oder persönlichen Sympathien oder Antipathien abhängig zu machen. 2 9 Der Notar darf bei seiner Amtsausübung niemanden bevorzugen oder benachteiligen 3 0 , weder im Verhältnis zu anderen Mandanten (z.B. bevorzugte Behandlung bei der Terminvergabe 3 1 ) noch im Verhältnis zu

Wilke, MittBayNot 1 9 9 8 , 1, 6, F n . 4 2 . BVerfGE 17, 381, 388; BGH, DNotZ 1966, 4 0 9 , 4 1 0 ; 1992, 4 5 5 , 4 5 6 ; Baumann, MittRhNot 1996, 1, 7; Bohrer, Berufsrecht, Rdn.95; Hieber, DNotZ 1952, 2 5 8 , 2 6 0 ; Starke, in: Beck'sches Notar-Handbuch, K I Rdn. 13; vgl. auch Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 1 4 BNotO Rdn. 51. 2 8 Vgl. Begr. BReg, BT-Drucks. 13/4184, S . 3 6 zu Nr. 2 ( § 3 BeurkG); Eylmann, in: Eylmann/ Vaasen, § 3 BeurkG Rdn. 1. 29 Hieber, DNotZ 1952, 258f.; Schippel/Schippel, § 14 BNotO R d n . 3 5 . 30 Hieber, DNotZ 1952, 2 5 8 , 2 5 9 ; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 1 4 BNotO Rdn. 42; Schippel /Schippel, § 14 BNotO Rdn. 35; Schlüter/Knippenkötter, Haftung des Notars, Rdn. 77; Weingärtner/Wöstmann, Richtlinien, I. RL-E Rdn. 9. 31 Baumann, MittRhNot 1996, 1, 7; Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 96; Schlüter/Knippenkötter, Haftung des Notars, Rdn. 77. 26

27

148

§6 Ausgestaltung

der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

anderen Beteiligten einer Rechtsangelegenheit. 3 2 Eine derartige Bevorzugung oder Benachteiligung muss sich nicht in einem materiellen Vorteil oder Nachteil niederschlagen. Auch eine günstigere Verfahrensposition ist ein Vorteil, auch eine Zurückstellung im Rahmen der Verfahrensleitung oder bei bürointernen Abläufen ist ein Nachteil und umgekehrt. Diese elementare Pflicht bezieht sich allerdings nur auf willkürliche und sachfremde Bevorzugungen oder Benachteiligungen. Gewisse

„Bevorzugungen"

oder „Benachteiligungen" können demgegenüber organisatorisch oder vor allem verfahrensrechtlich geboten sein und stellen damit streng genommen schon gar keine solchen dar. Der Notar hat unparteiisch zu sein, um überhaupt auf eine ausgewogene Vertragsgestaltung hinwirken zu können. Hier zeigt sich die auf ein Verfahren ausgerichtete Wirkung aufgabenbezogener Grundpflichten, die eben „latent" erfüllt sein müssen, damit der einzelne Funktionsträger seinen Verfahrenspflichten ordnungsgemäß nachkommt. 3 3 Umgekehrt kann dem Notar aber bei einer im Ergebnis unausgewogenen Vertragsgestaltung zwar regelmäßig ein Verfahrensfehler vorgeworfen werden; dieser indiziert jedoch nicht zwangsläufig zugleich eine Parteilichkeit. Der Tatbestand der Parteilichkeit ist also nicht schon dann erfüllt, wenn ein Beteiligter objektiv betrachtet eine Bevorzugung oder Benachteiligung erfährt. Es handelt sich hierbei lediglich um Indiztatsachen, die unter Umständen auf Parteilichkeit schließen lassen. 3 4 Parteilichkeit ist eine innere Tatsache. Der Notar muss subjektiv mit dem Vorsatz gehandelt haben, einer Person den in Frage stehenden Vorteil zu verschaffen oder sie zu benachteiligten. Auf die Selbsteinschätzung des Notars und das Bewusstsein der Parteilichkeit kommt es dabei nicht an. 3 5 c) Ableitung

von

Verfahrenspflichten?

Die dem Richtereid entnommene inhaltliche Konkretisierung ist nicht geeignet, das Neutralitätsgebot vor dem Hintergrund des Wesens und der Ziele eines Notarverfahrens konstruktiv zu beschreiben, da die Verfahrenspflichten des Notars sich gerade „in Ansehen der Person" konkretisieren, indem sich etwa der Umfang der Belehrungspflicht nach der Belehrungsbedürftigkeit richtet. 3 6 Eine in Ansehen der unwissenden Person zur Herstellung der Vertragsparität geschul-

Vgl. Haug, Amtshaftung, R d n . 4 1 9 . Vgl. bereits oben § 4 II. 2. b). 34 Bohrer, Berufsrecht, Rdn.98. 35 Armbrüster/Leske, ZNotP 2 0 0 1 , 4 5 0 , 4 5 1 ; Bohrer, Berufsrecht, Rdn.99. 3 6 Vgl. BGH, DNotZ 1995, 4 0 7 , 4 0 9 ; W M 1992, 1662, 1665; Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 1 7 BeurkG Rdn.15; Haug, Amtshaftung, R d n . 4 2 4 ; Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, Handbuch, Rdn. 158ff.; Starke, in: Beck'sches Notar-Handbuch, K I Rdn. 13. 32

33

II. Aufgabenbezogene

Grundpflichten

149

dete Belehrung 37 mag dem Vertragspartner sogar eine für ihn günstigere Vertragsposition nehmen. Das Neutralitätsgebot, das gerade das Funktionieren der staatlichen Rechtspflege ermöglichen soll, kann jedoch im Lichte der Zwecke verschiedener Rechtspflegebereiche durchaus unterschiedliche Ausprägungen annehmen (und doch institutionelle Unparteilichkeit gewährleisten). Das heißt, dass es ein Spannungsverhältnis oder einen Konflikt zwischen dem Neutralitätsgebot und der Belehrungspflicht von vornherein nicht geben kann. Es muss unterschieden werden zwischen dem Gegenstand und dem Ziel eines Notarverfahrens, die sich etwa in einer bestimmten Belehrungspflicht manifestieren, und den institutionellen Voraussetzungen für die Durchführung des Verfahrens, die sich in Grundpflichten des Verfahrensträgers niederschlagen. Falls das Verfahrensziel eine bestimmte Verhaltensweise vorgibt, wäre es rechtssystematisch verfehlt, wenn die institutionelle Grundpflicht diese Verhaltensweise ausschließen oder begrenzen sollte. Umgekehrt kann das der zielgerechten Verfahrensdurchführung dienende Neutralitätsgebot, rechtssystematisch betrachtet, nicht selbst die Quelle einer Belehrungspflicht sein. Diese Vorüberlegungen scheinen in deutlichem Widerspruch zu den Rechtsgrundsätzen zu stehen, die die Rechtsprechung und ihr folgend die notarrechtliche Literatur, letztere allerdings z.T. nicht ohne vorsichtige systematische Bedenken 3 8 , entwickelt haben. Hier heißt es zum einen, dass der Notar mit bestimmten Hinweisen die Pflicht zur Unparteilichkeit verletzen würde 39 bzw. dass die Pflicht zur Unparteilichkeit die Belehrungspflichten des Notars begrenze. 40 Es finden sich ferner Formulierungen, die den Eindruck erwecken, dass bestimmte Verfahrenspflichten nicht aus dem Verfahrenszweck eines Notarverfahrens, sondern unmittelbar aus dem Status des Verfahrensträgers resultierten. Wenn der Bundesgerichtshof etwa in diesem Sinne ausführt, der Notar habe „aufgrund der allgemeinen Betreuungspflicht, die ihm als Amtsträger der vorsorgenden Rechtspflege obliegt," 4 1 den Beteiligten bestimmte Aufklärungen zu erteilen, so soll zur Begründung einer verfahrensrechtlichen Belehrungspflicht unmittelbar an eine Grundpflicht des Vgl. oben § 3 III. 2. Vgl. Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn.3. 3 9 BGH, DNotZ 1987, 157, 159f.; OLG Bremen, DNotZ 1989, 4 5 6 , 4 5 7 ; vgl. auch BGH, DNotZ 1985, 6 3 5 , 6 3 6 ; Haug, DNotZ 1972, 3 8 8 , 4 1 4 . 40 Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 10; Geimer EWiR 1988, 539; Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, Handbuch, Rdn. 144; ders., WuB VIIIA., § 14 BNotO 1.86; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 14 BNotO Rdn. 47; vgl. auch Tremml/Karger, Amtshaftung, Rdn. 1044 (Konflikt zwischen Belehrungspflicht und Pflicht zur Unabhängigkeit); Rinsche, Haftung, Rdn. II 71. 4 1 B G H Z 58, 343, 348; BGH, DNotZ 1986, 4 1 8 , 4 2 1 ; 1 9 8 7 , 1 5 7 , 158f. ; M D R 1988, 671; DNotZ 1 9 8 9 , 4 5 , 4 7 ; 1991, 759, 761 (hier zugleich ausdrücklicher Hinweis auf § 14 I BNotO); W M 1992, 1662, 1663; O L G Köln, VersR 1987, 5 1 3 ; Pagendarm D R i Z 1 9 5 9 , 133, 134f.; Scheffler, MittBayNot 1967, 4 2 7 , 4 2 9 , 4 3 2 ; vgl. auch Arndt, N J W 1972, 1980. 37 38

150

§ 6 Ausgestaltung

der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

Notars als „Amtsträger der vorsorgenden Rechtspflege" angeknüpft werden. 4 2 Nichts anderes gilt, wenn der explizite Hinweis auf die Amtsträgereigenschaft des Notars fehlt und lediglich von einer Belehrungspflicht „aus BetreuungsVerpflichtung" oder „aus dem Gesichtspunkt der Betreuung" die Rede ist. 4 3 Auch hier legt der Bundesgerichtshof, selbst wenn nicht immer ausdrücklich auf § 1 4 1 B N o t O Bezug genommen wird, den Begriff des „Betreuers" aus § 14 I 2 B N o t O zugrunde. 4 4 In der Literatur wird dieses Argumentationsmuster folgerichtig als Ableitung einer Belehrungspflicht aus dem Gebot der Unparteilichkeit interpretiert. 4 5 Hiervon unterscheidet sich die Auffassung kaum, die das Unparteilichkeitsgebot im Sinne einer Pflicht versteht, „gerecht zu sein, dahin zu wirken, dass jedem das Seine z u k o m m t " 4 6 , da sie gleichermaßen Vorgaben für die Gestaltung eines Rechtsvorgangs aus der Grundpflicht ableiten will. Entsprechendes gilt für die Herleitung einer betreuenden Belehrungspflicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, wonach ein Vertrauensschutz für diejenigen Personen gewährleistet sein müsse, die sich auf die Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit des Notars verließen. 4 7 In beiden Varianten, sei es, dass eine konkrete Hinweis- und Belehrungspflicht aus § 1 4 1 B N o t O abgeleitet wird, sei es, dass einer Aufklärung umgekehrt der sonst eintretende Verstoß gegen das Unparteilichkeitsgebot entgegenstehen soll, gibt der Status des Amtsträgers („unparteiischer Betreuer der Beteiligten") eine bestimmte Handlungsweise im Verfahren vor. Auffällig ist demgegenüber, dass etwa die Pflicht zum Hinweis auf ungesicherte Vorleistungen seitens der Rechtsprechung mittlerweile ausdrücklich nicht mehr auf § 14 I B N o t O gestützt, sondern im Wege der Auslegung des § 1 7 1 BeurkG entwickelt wird 4 8 , woraus allerdings, wie die späteren Entscheidungen 4 2 Vgl. bereits BGH, DNotZ 1954, 329, 3 3 0 f . ; R G Z 85, 337, 339; R G J W 1913, 4 9 0 f . , 1915, 513; 1 9 2 1 , 236f.; 1935, 1688; DNotZ 1936, 4 6 , 47f. 4 3 So BGH, N J W 1966, 157, 158; DNotZ 1982, 3 8 4 , 385; vgl. auch BGH D N o t Z 1992, 813, 815; 1995, 4 8 9 , 491 („allgemeine Betreuungspflicht aus § 14 I BNotO"). 4 4 Der Begriff der Belehrungspflicht aus „Betreuungsverpflichtung" wird kritisiert, weil der Begriff der Betreuung ansonsten die auf der Grundlage des § 24 BNotO übernommenen Geschäfte erfasst (vgl. Allerkamp, Belehrungspflicht, S. 9; Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn.21; Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, Handbuch, Rdn. 175). Diese Doppeldeutigkeit ist allerdings schon in der BNotO angelegt, die den Notar in § 14 I 2 BNotO als „Betreuer" der Beteiligten charakterisiert und damit die generelle Notartätigkeit anspricht, daneben aber den terminus technicus der „sonstigen Betreuungstätigkeiten" kennt ( § 2 4 I BNotO, vgl. auch § 1 BNotO). Soweit der Bundesgerichtshof eine Belehrungspflicht auf § 14 I BNotO stützt, ist es durchaus folgerichtig, dass diese Pflicht als eine solche „aus Betreuungsverpflichtung" oder „aus dem Gesichtspunkt der Betreuung" bezeichnet wird. 45 Allerkamp, Belehrungspflicht, S. 112; Haug, Amtshaftung, Rdn. 4 2 0 ; ders., FS für Schippel, S. 655, 6 5 9 (Nicht alle hier zitierten Entscheidungen stützen sich jedoch auf § 14 BNotO.); Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege, S. 16; vgl. auch Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 97. 4 6 Schippel/Schippel, § 14 BNotO Rdn. 35. 47 Rinsche, Haftung, Rdn. II 58. 4 8 BGH, DNotZ 1988, 383, 3 8 4 f . ; 1989, 4 4 9 , 4 5 0 ; 1990, 58, 60; 1995, 4 0 7 , 4 0 8 ; W M 1998, 783f.; ZNotP 1999, 330, 3 3 1 ; so auch Palandt/Heinrichs, § 839 BGB Rdn. 119 a; Reithmann, MittBayNot 1999, 159, 160; siehe ferner Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 1 7 BeurkG

II. Aufgabenbezogene

151

Grundpflichten

zeigen, nicht auf eine generelle Aufgabe des dogmatischen

Ansatzpunktes

geschlossen werden kann. O b die Frage der Vorleistungspflicht die rechtliche Tragweite eines Geschäfts i.S.v. § 1 7 1 1 BeurkG betrifft 4 9 , ob eine dahingehende Belehrungspflicht sich aus § 1 7 1 2 BeurkG entnehmen lässt 5 0 oder ob sie sich aus einer analogen Anwendung der Vorschrift ergibt, ist für eine grundsätzliche Betrachtung des Verhältnisses des Unparteilichkeitsgebots zur notariellen Verfahrensordnung nicht von Interesse. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass durch die Konzentration auf den Bereich des Verfahrensrechts die Problematik völlig aus dem Regelungsbereich des Unparteilichkeitsgebots herausgenommen wird, in dem womöglich eine Abstimmung mit sonstigen Ausprägungen des Gebots vorgenommen werden müsste. 5 1 Auch in den anderen Fällen, in denen die Rechtsprechung das Unparteilichkeitsgebot als Grundlage für eine Hinweis- und Belehrungspflicht heranzieht, handelt es sich aber in der Sache um nichts anderes als um die Bestimmung von Verfahrenspflichten, die sich anhand des Verfahrenszwecks des jeweiligen Notarverfahrens, bezogen auf die konkrete Verfahrenssituation, ergeben. 5 2 M i t der institutionellen Grundpflicht zur Unparteilichkeit, der der Notar unterliegt, um diese Pflichten (wie seine anderen Pflichten auch) zu erfüllen 5 3 , hat die Bestimmung konkreter Verfahrenspflichten jedoch nichts zu tun.

Rdn. 12; Mecke/Lerch, § 17 BeurkG Rdn. 11; a.A. (§ 14 I BNotO) Ganter, EWiR 1 9 8 9 , 1 3 ; Jansen, § 1 7 BeurkG Rdn. 7 - 1 0 ; Reithmann, EWiR 1 9 8 9 , 533; Rohs, Geschäftsführung, Rdn. 2 4 4 ff. 4 9 BGH, DNotZ 1 9 8 9 , 4 4 9 , 4 5 0 ; 1995, 4 0 7 , 4 0 8 ; ZNotP 1999, 3 3 0 , 3 3 1 ; zur Ausdehnung auf andere Fallgruppen vgl. Allerkamp, Belehrungspflicht, S. 145 f.; kritisch Haug, DNotZ 1995, 4 1 1 . 5 0 „Pflicht zur betreuenden Belehrung nach § 17 I 2 BeurkG" (vgl. BGH, DNotZ 1979, 2 2 8 , 2 3 1 ; DNotZ 1980, 563, 5 6 4 ; BayObLG, DNotZ 1984, 110, I I I ; OLG Düsseldorf, DNotZ 1983, 55, 56; 1985, 188; Ganter, N J W 1 9 8 6 , 1017, 1018). 5 1 Vgl. auch BGH, ZNotP 1 9 9 9 , 3 3 0 , 331. Hier begründet der Senat den Umstand, dass in einem vergleichbaren Sachverhalt eine Hinweispflicht wegen der Pflicht zur Unparteilichkeit verneint wurde, damit, dass „der Senat die Pflicht zur Belehrung über die Gefahren ungesicherter Vorleistungen aber noch nicht der Rechtsbelehrungspflicht gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG, sondern der erweiterten Belehrungspflicht analog § 14 BNotO zugerechnet" habe. 5 2 In diesem Sinne weist Haug (Amtshaftung, R d n . 4 2 3 ) darauf hin, dass „hoch angesetzte Oberbegriffe" wie Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Gerechtigkeit im konkreten Fall keine Maßgabe geben, ob eine Belehrung geboten ist oder nicht. Die Problemzone liege vielmehr im „Grenzbereich zwischen Belehrung und gestalterischer Beratung" (Haug, aaO.). Insofern wären also der Sinn und Zweck der Notarverfahren, insbesondere des Beurkundungsverfahrens, zu analysieren und im Wege der Fallgruppenbildung Pflichtenkataloge aufzustellen. Dass sich die bislang entschiedenen Fälle noch nicht zu einem System fügen lassen, an dem die notarielle Praxis sich definitiv orientieren könnte, dokumentieren etwa Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 10; Haug, Amtshaftung, R d n . 4 2 0 ; ders., DNotZ 1995, 411 sowie bereits DNotZ 1972, 3 8 8 , 1 9 1 ; Langenfeld, BWNotZ 1 9 9 0 , 1 0 1 , 1 0 4 . Auch einzelne Entscheidungsergebnisse sind z. T. vehementer Kritik ausgesetzt (vgl. etwa Haug, DNotZ 1995, 492ff.). 53 Allerkamp, Belehrungspflicht, S. 114.

152

$ 6 Ausgestaltung

der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

Umgekehrt kann dem Notar nicht zwangsläufig eine Verletzung des Unparteilichkeitsgebots vorgeworfen werden, wenn er in nicht durch den Verfahrenszweck gebotener, vielmehr zweckwidriger Weise einem Beteiligten Aufklärung erteilt. Zwar wird der betreffende Beteiligte hier „bevorzugt" in dem Sinne, dass er eine Belehrung erhält, die ihm verfahrensrechtlich nicht gebührt. Dass es sich aber um eine „Bevorzugung" handelt, resultiert gerade aus dem Verfahrenszweck. Wenn dem Notar also in diesem Fall parteiliches Verhalten vorgeworfen werden soll, so verbirgt sich dahinter im Grunde der Vorwurf unausgewogener Vertragsgestaltung. 54 Sollte ein Notar tatsächlich im Ausnahmefall einem Beteiligten gezielt einen Vertragsvorteil verschaffen wollen, so würde sich diese Parteilichkeit auch in einem Verfahrensfehler, nämlich in einer unausgewogenen Vertragsgestaltung niederschlagen. Haftungsrechtlich wäre dabei nur der Verfahrensfehler als haftungsauslösender Tatbestand relevant. Auf das Merkmal der Unparteilichkeit als einer „inneren Tatsache", die erforderlichenfalls anhand von Indizien festgestellt werden müsste 55 , kommt es somit haftungsrechtlich nicht an (wohl aber zur Feststellung eines Verstoßes gegen das Unparteilichkeitsgebot als Dienstvergehen). d) Sicherung des

Unparteilichkeitsgebots

Dem Unparteilichkeitsgebot kommt also im Wesentlichen eine Funktion „im Hintergrund" der Notartätigkeit zu. Hieran anknüpfend unterliegt der Notar konkreten Pflichten, die der Sicherung seiner Unparteilichkeit dienen, indem sie anordnen, bestimmte Situationen zu vermeiden, in denen die Unparteilichkeit gefährdet sein könnte. Die Mitwirkungsverbote (§3 BeurkG bzw. §16 I BNotO i.V.m. § 3 BeurkG) 56 , die eventuelle Versagung der Genehmigung notarieller Nebentätigkeiten (§8 III 1 BNotO) 5 7 oder der Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung oder zur gemeinsamen Nutzung der Geschäftsräume (§ 9 III BNotO), das Verbot von Vermittlungstätigkeiten nach § 14 IV BNotO oder das Beteiligungsverbot des § 14 V BNotO dienen in diesem Sinne der Vermeidung von Konfliktsi54 Pflicht zur umfassenden, ausgewogenen u n d interessegerechten Vertragsgestaltung (vgl. etwa BGH, N J W 1994, 2 2 8 3 ; Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, H a n d b u c h , R d n . 2 0 f f . ) . 55 Bohrer, Berufsrecht, R d n . 9 8 f . 56 Trotz der Möglichkeiten der EDV ist die Feststellung vorangegangener Tätigkeit in Sozietäten bzw. bei gemeinschaftlicher Berufsausübung häufig schwierig, u n d zwar insbesondere nach Beendigung der Sozietät bzw. der gemeinschaftlichen Berufsausübung (vgl. hierzu Vetter, FS für Schippel, S . 7 9 5 , 805). 57 Der G e f a h r des Anscheins der Abhängigkeit und Parteilichkeit muss durch entsprechende Auflagen begegnet werden, w e n n d a m i t die einschneidendere M a ß n a h m e der Versagung der Genehmigung vermieden werden k a n n (BVerfG, D N o t Z 2 0 0 3 , 65, 68; zustimmend Kleine-Cosack, D N o t Z 2 0 0 4 , 327, 328ff.; vgl. auch bereits Wagner, Z N o t P 2 0 0 2 , 167, 171 f.; kritisch Ummer, D N o t Z 2 0 0 4 , 334, 334, 3 3 7 f . ; Vollhardt, D N o t Z 2 0 0 3 , 68, 69ff.).

II. Aufgabenbezogene

Grundpflichten

153

tuationen und damit dem Schutz der Unparteilichkeit. 5 8 § 2 8 B N o t O verpflichtet den N o t a r ausdrücklich, u.a. Vorkehrungen zu treffen, die die Wahrung seiner Unabhängigkeit, insbesondere die Einhaltung der Mitwirkungsverbote, sicherstellen. Die Verhinderung einer Beeinflussung der notariellen Unparteilichkeit durch ein gewinnorientiertes Marktverhalten ist überdies ein Aspekt, den der Gesetzgeber zur Begründung des Werbeverbots nach § 2 9 B N o t O herangezogen hat.59

2.

Unabhängigkeit

Der Begriff der Unabhängigkeit bedarf eines Bezugspunktes, einer Person oder Stelle, der gegenüber Unabhängigkeit gewährt oder gefordert wird. N a c h den möglichen Abhängigkeitsbeziehungen wird unterschieden zwischen der Unabhängigkeit des Notars im Verhältnis zum amtsverleihenden Land, die im Wesentlichen als Unabhängigkeitsgewähr verstanden w i r d 6 0 , und der Unabhängigkeitspflicht im Verhältnis zu den Beteiligten 6 1 . Diese unterschiedlichen

Bedeutungen

haben nach der Novellierung

der

B N o t O durch das Dritte Gesetz zur Änderung der B N o t O und anderer Gesetze richtigerweise auch an verschiedenen Stellen des N o r m t e x t e s ihre Regelung im jeweils passenden K o n t e x t (notarieller Status bzw. notarielle Amtspflichten) gefunden. § 1 B N o t O weist dem N o t a r als Träger eines öffentlichen Amtes die Unabhängigkeit als Statusmerkmal zu; § 14 I 2 B N o t O enthält das pflichtenauslösende G e b o t der Unabhängigkeit. 6 2 D a m i t kann die früher herrschende Unsicherheit 6 3 hinsichtlich der einzelnen Ausprägungen des Begriffs der Unabhängigkeit im Ansatz als geklärt gelten. Es gibt keinen komplexen Begriff der notariel58 Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 14 BNotO Rdn.39; Winkler, ZNotP-Beilage 1/99, S. 2; vgl. auch Limmer, DNotZ 2004, 334, 337; zu den Mitwirkungsverboten BGH, NJW 2004, 1954, 1955; Armbrüster/Leske, ZNotP 2001, 450, 451; Mihm, Kollisionsprobleme, S.95f. 5 9 Begr. BReg., BT-Drucks. 13/4184, S.27zu Nr.22 (§§25-32); BNotK, Vorschläge, S. 8; vgl. auch Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 GG Rdn. 167; Schippel, DNotZ 1998, 74, 75. 60 Bildet, in: Notar und Rechtsgestaltung, S.387, 389; Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 142; Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 1 BNotO Rdn. 9 ff.; Schippel /Schippel, § 1 BNotO Rdn. 18; Starke, in: Beck'sches Notar-Handbuch, KI Rdn. 10. Zur Bedeutung des Statusmerkmals Unabhängigkeit als Prinzip des Justizorganisationsrechts vgl. bereits §4 II. 3. 61 Bilda, in: Notar und Rechtsgestaltung, S. 387,389; Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 1 BNotO Rdn. 9, 13; Starke, in: Beck'sches Notar-Handbuch, K I Rdn. 11; kritisch im Hinblick auf die Ableitung von Pflichten aus dem Gebot der Unabhängigkeit: Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 150. 6 2 Selbst in den aktuellen Kommentierungen zur BNotO wird diese Trennung allerdings noch nicht mit letzter Konsequenz vollzogen (vgl. Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 1 BNotO, Rdn. 9; deutlicher § 14 BNotO Rdn. 30, 31; Schippel/Schippel, §1 Rdn.l8f.). 63 Vgl. Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 140ff.; Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 13f.; ders., Festgabe für Weichler, S. 175, 186.

154

§6 Ausgestaltung

der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

len Unabhängigkeit, aus dem die Gewährung und das Gebot abgeleitet werden könnten, sondern zwei völlig unterschiedliche, in verschiedenen Vorschriften geregelte Begriffe der „Unabhängigkeit". a) Zielrichtung

und Gegenstand

des

Unabhängigkeitsgebots

Die Grundpflicht, gegenüber den Beteiligten Unabhängigkeit zu wahren, trägt dem Umstand Rechnung, dass Abhängigkeitsverhältnisse ein gefährlicher Nährboden für Parteilichkeit sind. 64 Sie wirkt insofern im Vorfeld des Unparteilichkeitsgebots. 65 In diesem Sinne werden die Gebote sogar ohne erkennbare inhaltliche Abgrenzung zusammen genannt 66 oder synonym verwendet67. Angesichts der Dominanz des Unparteilichkeitsgebots wird dabei jedoch der eigene inhaltliche Gehalt des Unabhängigkeitsgebots bis zur Konturenlosigkeit verwischt. Die Pflicht zur Unabhängigkeit nach § 14 I 2 BNotO verlangt, dass der Amtsträger weder generell noch im konkreten Fall in einem Abhängigkeitsverhältnis steht, das Interessen- oder Pflichtenkollisionen bei der Amtsausübung befürchten ließe. „Abhängigkeit" entsteht durch eine übernommene (rechtliche) Verpflichtung, im Interesse einer bestimmten Person oder zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks zu handeln. Aber auch ein starker wirtschaftlicher Anreiz, sein Verhalten an fremdbestimmten Zielen auszurichten, wird im weiteren Sinne als „Abhängigkeit" empfunden.68 Das Abhängigkeitsverbot, dem der Notar unterliegt, erfasst, was klargestellt werden sollte, nur solche Abhängigkeitsverhältnisse, die sein Verhalten „als Notar", also seine Amtstätigkeit, berühren können. 69 b) Bindungs- und

Mitwirkungsverbote

Konkrete Gestalt gewinnt das Unabhängigkeitsgebot im Hinblick auf den Ausschluss bestimmter Bindungen, die Abhängigkeitsverhältnisse befürchten lassen (vgl. § 8 III 2, § 9 III, § 14 V BNotO). Für den Anwaltsnotar bestehen zwar weitreichende Möglichkeiten interprofessioneller und überörtlicher Berufsverbindungen (§ 9 II BNotO). 7 0 Hier gilt, wie entsprechend für andere Verbindungen, 6 4 Auf die Gefahren „wirtschaftlicher Abhängigkeit" des Notars hat Stürner (JZ 1974, 154, 155f.) nachdrücklich hingewiesen. 65 Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 14; vgl. auch Armbrüster/Leske, ZNotP 2 0 0 1 , 4 5 0 , 4 5 1 ; Baumann, MittRheinNot 1996, 1, 7; Weingärtner/Wöstmann, Richtlinien, I RL-E Rdn.2: „dienende Funktion gegenüber der Unparteilichkeit". 6 6 Vgl. B G H Z 106, 212, 2 1 7 f . 6 7 Vgl. B G H Z 106, 212, 2 1 8 . 68 Stürner, J Z 1974, 154ff.; vgl. auch BVerfG, DNotZ 1989, 627, 628; Eue, FS für Schippel, S . 5 9 9 , 613f.; Pfeiffer, DNotZ 1981, 5, 12f. 6 9 Vgl. Begr. BReg, BT-Drucks. 13/4184, S . 2 3 zu Nr. 11 (§ 14). 7 0 Dass dem Nurnotar entsprechende Sozietätsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen, ist natürlich keine Folge gesteigerter Gefährdung seiner Unabhängigkeit, sondern schlicht eine Fol-

II. Aufgabenbezogene

Grundpflichten

155

die eine Gefährdung der Unparteilichkeit mit sich bringen können, dass eine konkrete Gefahr gesetzestechnisch durch entsprechende Mitwirkungsverbote ausgeschlossen werden soll (§§ 16 I B N o t O , 3 I N r . 4 bis 9 BeurkG). 7 1 c) Zum Problem „wirtschaftlicher"

Abhängigkeit

Das Problem „wirtschaftlicher" Abhängigkeit lässt sich allerdings auf diesem Wege nicht lösen. Bindungs- und Mitwirkungsverbote knüpfen systematisch an mögliche Interessenkonflikte an. Es handelt sich dabei um Interessenkonflikte im technischen Sinne, also um Situationen, in denen der Betroffene zur Verfolgung verschiedener Ziele gleichermaßen, u.U. allerdings zeitversetzt, verpflichtet ist, also etwa als Notar den Verfahrenszielen und als Gesellschafter dem Gesellschaftszweck. Allein der Umstand, dass ein Beteiligter regelmäßig mit Ansuchen an seinen „Hausnotar" herantritt, führt nicht zu einem vergleichbaren, die Unparteilichkeit

gefährdenden potentiellen Interessenkonflikt,

da

der Notar hier stets nur einem „Interesse", nämlich den Zielen staatlicher Rechtspflege zum Schutz aller Verfahrensbeteiligter, verpflichtet ist. 7 2 Das Problem „wirtschaftlicher" Abhängigkeit betrifft vielmehr die Motivation des Amtsträgers, seiner eindeutigen und mit keiner anderen Pflicht kollidierenden Amtspflicht zu folgen. Zur Vermeidung eines solchen Motivationskonflikts können jedoch keine generalisierenden Bindungs- oder Mitwirkungsverbote formuliert werden, weil der potentielle Motivationskonflikt tatbestandlich nicht fixierbar ist. Zum einen birgt die Dauerbeziehung des Notars zu einem Beteiligten nicht zwangsläufig die Gefahr von Motivationskonflikten in sich. Zum anderen könnte kaum abgegrenzt werden, wann eine Dauerbeziehung überhaupt vorliegt. 7 3 Der potentielle Motivationskonflikt lässt sich deshalb nicht als konkretes Abhängigkeitsproblem lokalisieren und im Vorfeld vermeiden. 7 4 Erst wenn der Notar gegen das Unparteilichkeitsgebot verstößt oder ge der Koexistenz zweier Notariatsformen, deren Trennung nicht nivelliert werden soll (vgl. BGH, DNotZ 1975, 5 7 2 , 573; SchippeVScbippel, § 9 BNotO Rdn.8ff.). 7 1 Wenn der Notar gegen ein Mitwirkungsverbot verstößt und überdies noch Verfahrensfehler begeht, ihm etwa bei der Vertragsgestaltung oder Vertragsabwicklung Fehler unterlaufen, so haftet er einem geschädigten Beteiligten, wenn der Verfahrensfehler schadensursächlich war, wegen dieses Fehlers, nicht jedoch wegen der Verletzung des Mitwirkungsverbots (anders BGH, DNotZ 1985, 231 ff.). 72 A.A. O L G Celle, DNotZ 1966, 632, 6 3 4 (weist allerdings in diesem Zusammenhang auch auf das seinerzeit noch in RLNot geregelte Anscheinsverbot hin). Pfeiffer (DNotZ 1981, 5, 13) spricht von einem „wirtschaftlichen Interessenkonflikt". 7 3 Hierauf weist auch Stürner (JZ 1 9 7 4 , 1 5 4 , 1 5 9 ) hin, der im Gebührensystem allerdings per se die Gefahr wirtschaftlicher Abhängigkeit angelegt sieht und in diesem Beitrag deshalb einen Wechsel zum Besoldungsprinzip (mit Beteiligung am Gebührenaufkommen) vorschlug (aaO). In jüngerer Zeit hat Stürner (DNotZ 1995, 343, 359) diese Bedenken zwar aufrecht erhalten, sich jedoch gleichwohl für das „freiberufliche Notariat" ausgesprochen. 7 4 Gerade Dauerbeziehungen sind jedoch noch unter einem anderen Gesichtspunkt bedenklich. Sie vermitteln jedenfalls dann ein Bild der Nähe zwischen dem Notar und einem einzelnen

156

§6 Ausgestaltung

der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

zumindest den Anschein einer Parteilichkeit erweckt, wird „wirtschaftliche Abhängigkeit" in rechtlich relevanter Weise fassbar.

3. Verschwiegenheit Der N o t a r unterliegt im Interesse der (materiell) Beteiligten einer grundsätzlichen Schweigepflicht bezüglich der Angelegenheiten, die ihm bei der Ausübung seines Amtes bekannt geworden sind (§ 18 I BNotO). Verschwiegenheit ist ein funktionsnotwendiges M e r k m a l der Rechtspflegeeinrichtung, deren Aufgabe vertrauliche Behandlung durch den Amtsträger erfordert, und zwar prinzipiell auch im Verhältnis zu anderen staatlichen Stellen. 75 Dies gilt allerdings nicht gegenüber den Stellen, die gerade zur Ausübung der Kontrolle über den N o t a r befugt sind, da auch diese Kontrolle im Hinblick auf die Erfüllung der staatlichen Justizgewährungspflicht erfolgt. Gegenüber den Aufsichtsbehörden (vgl. § 93 IV BNotO) und den N o t a r k a m m e r n (vgl. § 74 I BNotO) k o m m t eine Beruf u n g auf die Geheimhaltungspflicht nicht in Betracht. 7 6 Die aufgabenbezogene Grundpflicht zur Verschwiegenheit kann allerdings paradoxerweise auch in Kollision mit den Pflichten des N o t a r s als Verfahrensträger geraten. Wenn seine Belehrungspflicht den N o t a r zu einer O f f e n b a r u n g amtlich wahrgenommener Angelegenheiten führen würde, stellt sich die Frage, wie der Vertraulichkeitsgrundsatz und die Wahrung der Verfahrensziele in Einklang gebracht werden können. Die Rechtsprechung vertritt die Auffassung, dass dem unter dem Vorbehalt anderer Bestimmungen stehenden Schweigegebot durch die Belehrungspflicht Grenzen gesetzt werden. 7 7 Die Belehrungspflicht geht also einer Berufung auf die Verschwiegenheitspflicht vor. In der Literatur wird ein Vorrang der BelehrungsBeteiligten, das den Anschein der Parteilichkeit erwecken k a n n , w e n n der Beteiligte von anderen Beteiligten nachdrücklich verlangt, diesen N o t a r aufzusuchen. Stellt der N o t a r fest, dass der Eindruck erweckt wird, er stehe in einem ständigen Dienst- oder Geschäftsverhältnis zu dem Beteiligten, muss er auf die Möglichkeit, einen anderen N o t a r aufzusuchen, hinweisen (Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 1 4 B N o t O R d n . 3 6 ; Weingärtner, Vermeidbare Fehler, R d n . 5 5 ; vgl. auch Bohrer, Berufsrecht, R d n . 152). Auch die bloße Vermittlung eines solchen Anscheins stört die Funktion der Rechtspflegeinstitution, die auf das Vertrauen in ihre Unparteilichkeit angewiesen ist. 75 Bohrer, Berufsrecht, R d n . 116; Eylmann, in: Eylmann/Vaasen, § 1 8 B N o t O R d n . 2 7 ; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 18 B N o t O R d n . 23; SchippeVSchippel, § 18 B N o t O R d n . 7 a.E. 76 Blaeschke, N o t a r p r ü f u n g , Rdn. 27; Bohrer, Berufsrecht, R d n . 1 3 3 , 1 3 4 ; Eylmann, in: Eylmann/Vaasen, § 18 B N o t O R d n . 58, 59; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 18 B N o t O R d n . 6 7 f f . ; Schippel/Schippel, § 18 B N o t O R d n . 37. Die hierbei g e w o n n e n e n Erkenntnisse darf der N o t a r p r ü f e r aber nicht bei seiner sonstigen richterlichen Tätigkeit verwenden (vgl. Schippel/Lemke, § 9 3 BNotO Rdn.2). 77 B G H , D N o t Z 1973, 4 9 4 , 4 9 6 ; 1 9 7 8 , 373, 3 7 4 f . ; 1992, 813, 817; vgl. auch Rinsche, H a f tung, R d n . II 72 ff.; Schippel/Schippel, § 18 B N o t O R d n . 49; Schlüter/Knippenkötter, Haftung des N o t a r s , R d n . 139f.: Tremml/Karger, A m t s h a f t u n g , R d n . 1045.

II. Aufgabenbezogene

Grundpflichten

157

pflicht zum Teil verneint und für eine Interessenabwägung im Einzelfall plädiert. 7 8 Grundsätzliche Kritik an der Auffassung der Rechtsprechung entzündet sich auch daran, dass die Verschwiegenheitspflicht des N o t a r s im Zivil- und Strafprozess akzeptiert wird. Der Konflikt zwischen den als gleichrangig angesehenen Pflichten soll hiernach unter Heranziehung des § 1 4 II B N o t O gelöst werden. Der N o t a r habe die Vornahme des Amtsgeschäfts abzulehnen, wenn er im R a h m e n der Belehrung Angelegenheiten offenbaren müsste, die der Schweigepflicht unterliegen, ohne von dieser Pflicht entbunden worden zu sein. Unterließe er jedoch mit Rücksicht auf seine Verschwiegenheitspflicht eine erforderliche Belehrung, mache er sich unter Umständen schadensersatzpflichtig. 7 9 Der Vorrang der einen oder anderen Pflicht kann jedenfalls nicht anhand ihrer Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Rechtspflegeeinrichtung begründet werden, da beide Pflichten insoweit von überragender Bedeutung sind. Die Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit sichert die Vertrauenswürdigkeit der Institution als solche. Eine Belehrungspflicht ergibt sich unmittelbar aus dem Verfahrenszweck des Notarverfahrens. Beide Pflichten dienen letztendlich, wenn sie auch in ihrer systematischen Zuordnung zu unterscheiden sind, ein und demselben Ziel, nämlich staatlicher Justizgewährung auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege. Ein wesentlicher Unterschied liegt jedoch gerade in der systematischen Stellung der Pflichten. Die Verfahrenspflicht kann im Gegensatz zu der aus der Grundpflicht resultierenden allgemeinen Verhaltenspflicht schon deshalb nicht zurücktreten, weil damit dem einzelnen Verfahren jedenfalls partiell sein Z w e c k genommen und insofern das Verfahren selbst ad absurdum geführt würde. Ein Notarverfahren, in dem nicht ordnungsgemäß belehrt und aufgeklärt werden müsste oder sogar dürfte, wäre ein Widerspruch in sich. Insoweit stellt sich also nur die Alternative, das Verfahren durchzuführen (und zu belehren) oder die Durchführung des Verfahrens abzulehnen. M i t anderen Verfahren, in denen die Schweigepflicht des N o t a r s respektiert wird, etwa dem Zivilprozess, ist das Notarverfahren im Übrigen nicht vergleichbar, da der N o t a r hier selbst

der Ver-

fahrensträger und die Belehrung Gegenstand des Verfahrens ist. Wenn insoweit also von einem „ V o r r a n g " der Belehrungspflicht die Rede ist, so wird hiermit kein wertbezogenes Rangverhältnis der Pflichten, sondern ein systematisch bedingter Vorrang zum Ausdruck gebracht. Ein Widerstreit der Pflichten, der durch die Ablehnung der Amtshandlung zu lösen oder zugunsten der Belehrung zu entscheiden wäre, kann bereits erkennbar werden, wenn eine Partei mit dem Ansuchen auf Vornahme einer Amtshandlung an den N o t a r herantritt. Er kann jedoch auch erst im laufenden Verfahren zu

78 Sandkühler, in Arndt/Lerch/Sandkühler, § 18 BNotO Rdn. 65 (unter Berufung auf BGH, DNotZ 1973, 494). 79 Eylmann, in: Eylmann/Vaasen, § 18 BNotO Rdn. 67.

158

§6 Ausgestaltung der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

Tage treten. Im ersten Fall gibt es noch keine zu beachtenden Verfahrenszwecke, die ein Zurücktreten der Schweigepflicht erforderlich machen könnten. Die Grundpflicht zur Vertraulichkeit muss hier uneingeschränkt ihre Wirkung entfalten. Der N o t a r hat sich deshalb um eine Befreiung von seiner Schweigepflicht zu bemühen und, falls ihm eine solche nicht erteilt wird, die Durchführung des Verfahrens unter Hinweis auf seine Pflicht zur Verschwiegenheit abzulehnen. Problematisch ist allerdings, o b eine Ablehnung der Amtshandlung im laufenden Verfahren, in dem die Belehrungspflicht sich bereits konkretisiert hat, noch möglich ist. Immerhin würde sich der Notar, der eine Gefahr erkannt hat, auf die er wegen des weitreichenden Rechtspflegezwecks eines Notarverfahrens hinweisen muss, sich dieser bereits definitiv bestehenden Verpflichtung gegenüber dem betroffenen Beteiligten durch einen Abbruch des Verfahrens entledigen. In dieser Situation ist in der Tat der Rechtspflegezweck des konkreten Verfahrens an den Möglichkeiten der Institution, der zur Wahrung ihrer allgemeinen Funktionsfähigkeit schließlich die Vertraulichkeitsgewähr als Grundmerkmal zugewiesen ist, zu messen. D e r N o t a r verletzt seine Pflichten aus dem Verfahren deshalb nicht schon dann, wenn er sich der erforderlichen Aufklärung dadurch entzieht, dass er eine Fortsetzung des Verfahrens unter Hinweis auf seine Verschwiegenheitspflicht ablehnt, wenn allein durch diese Ablehnung ein hinreichendes Problembewusstsein auf der Seite des aufklärungsbedürftigen Beteiligten erzeugt w i r d . 8 0 Der Rechtspflegezweck des laufenden Notarverfahrens wird dabei zwar nicht umfassend erfüllt, wie es durch ein Verfahren geschehen würde. Ihm wird aber in der Weise Genüge getan, wie es für ein sachgerecht abgebrochenes Verfahren verlangt werden kann. K o m m t der N o t a r allerdings im Einzelfall zu dem Schluss, dass die ansonsten drohende Gefährdung eines Beteiligten nur durch die unter Verletzung der Schweigepflicht ergehende Belehrung abgewendet werden k a n n , dann muss diese Belehrung zur Erfüllung des Rechtspflegezwecks des Notarverfahrens erfolgen, da dem Betroffenen ansonsten vorsorgende Rechtspflege verweigert würde.

4.

Fortbildungspflicht

Die vorher erörterten Grundpflichten des N o t a r s (Unparteilichkeit, Unabhängigkeit, Verschwiegenheit) betrafen die allgemeine Rechtspflegekompetenz der Institution. Die nunmehr in § 1 4 V I B N o t O gesetzlich geregelte Fortbildungspflicht zielt auf ihre qualitative Rechtspflegekompetenz. Hierbei handelt es sich um einen ständig anpassungsbedürftigen Zustand. D e r N o t a r ist bei seiner M i t wirkungstätigkeit im Interesse der Rechtsuchenden nicht nur verpflichtet, die 8 0 Vgl. Eylmann, in: Eylmann/Vaasen, § 18 BNotO Rdn.67 („Seine Begründung, er könne wegen der Verschwiegenheitspflicht nicht so beraten und aufklären, wie es notwendig sei, wird dem schutzbedürftigen Beteiligten in den meisten Fällen eine hinreichende Warnung sein und einen Schadenseintritt verhindern.")

II. Aufgabenbezogene

Grundpflichten

159

aktuelle Gesetzeslage zu berücksichtigen, sondern er hat auch die neueste Rechtsprechung und weitgehend die einschlägige Fachliteratur zu beachten. 8 1 Die Bedeutung der ständigen beruflichen Fortbildung für die Notartätigkeit steht insofern außer Frage. 8 2 Einer vergleichbaren gesetzlich geregelten Fortbildungspflicht unterliegt der Rechtsanwalt (§ 4 3 a I V B R A O ) , nicht aber der Richter. O b w o h l das Erfordernis qualitativer Rechtspflegekompetenz alle staatlichen Institutionen trifft, hat der Gesetzgeber eine Notwendigkeit für die Umsetzung der institutionellen Grundeigenschaft fachlicher Qualifikation in eine Fortbildungspflicht des Funktionsträgers, d.h. eine Grundpflicht zur Fortbildung, hier nur im N o t a r r e c h t gesehen. Angesichts der Parallele zur Fortbildungspflicht des Rechtsanwalts, auf die die amtliche Begründung sich auch ausdrücklich b e r u f t 8 3 , drängt sich der Schluss auf, dass gerade die Externität der Rechtspflegeeinrichtung, die berufliche Selbständigkeit des N o t a r s , der Grund für eine Normierung der Fortbildungspflicht sein soll. J e d o c h kann allein in dem Umstand, dass der N o t a r seine Rechtspflegetätigkeit nicht eingebunden in den staatlichen Justizapparat leistet, keine besondere Gefährdung seiner Rechtspflegekompetenz gesehen werden. D e r Richter beherrscht das Verfahrensrecht in seinem Zuständigkeitsbereich schließlich nicht besser als der N o t a r das Notarverfahrensrecht, weil ihm aufgrund der organisatorischen Einbindung Hilfsmittel zur Verfügung stünden. Wenn § 1 4 V I B N o t O also nicht nur das an sich selbstverständliche Erfordernis der fachlichen Kompetenz, wie sie gleichermaßen für den Richter gilt, wiederholen soll 8 4 , sondern eine besondere Pflichtigkeit des Notars als Rechtspflegeeinrichtung auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege beschreibt, so kann diese besondere Pflichtigkeit nur in der N a t u r seiner

Rechtspflegeleistung

begründet sein. 8 5 Die Besonderheit liegt darin, dass die Pflichten, denen der N o t a r auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege unterliegt, in hohem M a ß e die Notwendigkeit vorgehaltenen 8 6 und abrufbereiten Spezialwissens mit sich bringen. Hinzu k o m m t , dass die Amtshandlung des N o t a r s vielfach irreversibel ist und abgesehen vom Haftpflichtfall auch keiner Nachprüfung unterliegt. Die kontinuierliche Fortbildung, die den N o t a r hierzu in den Stand setzt, ist insofern nicht nur an sich ausgesprochen zielgerichtet. Sie ist darauf ausgerichtet, einen 81 BGH, NJW 1992, 3237, 3239; OLG Düsseldorf, DNotZ 1997, 656; Ganter, WM 1996, 701, 706; Rinsche, Haftung, Rdn.II 105, 110; Tremml/Karger, Amtshaftung, Rdn. 1030. 82 Vgl. Hantke u. a., MittBayNot 2002,433, 438f.; Jerschke, FS für Schippel, S. 667; Schippel, FS für Bengl, S.405, 416. 83 Begr. BReg., BT-Drucks. 13/4184, S.23 zu Nr. 11 (§ 14). 84 Auch diese Deutung legt die amtliche Begründung nahe (vgl. Begr. BReg., BT-Drucks. 13/ 4184, S.23 zu Nr. 11 (§14). 85 Jerschke (FS für Schippel, S.667, 668) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass zu der Befähigung zum Richteramt immerhin die spezifische Notareignung (§6 1 BNotO) hinzukommen muss, die es aufrecht zu erhalten gilt. 86 Hierunter fallen auch Vertragsmuster.

160

§6 Ausgestaltung

der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

Sockel vorrätigen Spezialwissens zu schaffen, das zur Funktionsfähigkeit der Rechtspflegeeinrichtung erforderlich ist. 87 Vor diesem Hintergrund gewinnt die Fortbildung des Notars im Verhältnis zu der allgemeinen Pflicht zur fachlichen Kompetenz einen besonderen Stellenwert, der sie zunächst abgrenzbar macht und die besondere Regelung einer Grundpflicht rechtfertigt. Spezielle Ausprägung der (weitergehenden) qualitativen Rechtspflegekompetenz des Notars als der Institution, der die vorsorgende Rechtspflege zugewiesen ist, ist der Vorhalt an Spezialwissen. Die Herstellung dieser besonderen Qualifikation als Grundeigenschaft der Rechtspflegeeinrichtung wird durch die Fortbildungspflicht des Notars erreicht.

III.

Vertrauenssichernde

Grundpflichten

Die vertrauenssichernden Grundpflichten fundieren weniger die Durchführung der dem Notar übertragenen Aufgaben, müssen also nicht „im Hintergrund" erfüllt werden, damit der Notar die nötige allgemeine und qualitative Rechtspflegekompetenz aufweist. Es handelt sich hier vielmehr um Pflichten, die daraus resultieren, dass ein beruflich Selbständiger als Außenstelle der Justiz eingesetzt ist. Der einzelne Amtsträger muss in seinem Verhalten bei der Ausübung der Amtstätigkeit und, soweit der Aufgabenbezug des Amtes tangiert wird, auch außerhalb der Amtstätigkeit dem Umstand Rechnung tragen, dass er eine staatliche Rechtspflegeeinrichtung verkörpert. 1. Die Pflicht zu „amtswürdigem" Verhalten § 14 III 1 BNotO verpflichtet den Notar in diesem Sinne, „sich durch sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Amtes der Achtung und des Vertrauens, die dem Notaramt entgegengebracht werden, würdig zu zeigen." Dabei bezieht sich die Grundeigenschaft der „Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit" des Notaramtes konkret auf die durch den Notar repräsentierte Rechtspflegeeinrichtung.88 Gegenstand der Achtung und des Vertrauens ist die Rechtspflegekompetenz der staatlichen Institution, womit eben nicht nur speziell die fachliche Qualität angesprochen ist, sondern vor allem auch die allgemeinen Qualifikationsmerkmale wie etwa Neutralität, Vertrauenswürdigkeit bei der Wahrung fremder Vermögensinteressen, Ausschluss des persönlichen Gewinnstrebens etc. 89 Dieses Vertrauen muss der einzelne Amtsträger rechtfertigen. Die Gewähr beruflicher 8 7 Zur praktischen Durchführung im Rahmen des Qualitätsmanagements: Hantke u. a., MittBayNot 2 0 0 2 , 4 3 3 , 4 3 9 ; vgl. auch Schervier, MittBayNot 2 0 0 3 , 4 4 2 , 447ff. 8 8 Vgl. oben § 5 IV. 8 9 Der Notar darf allerdings seine Tätigkeitskapazität, die sein Gewinnvolumen bestimmt, prinzipiell selbst bestimmen.

III. Vertrauenssichernde

Grundpflichten

161

und organisatorischer Selbständigkeit erlaubt dem N o t a r hiernach kein gewerbliches Verhalten (§ 2.9 I B N o t O ) , da solches im Widerspruch zur Erbringung der staatlichen Rechtspflegeleistung stünde. 9 0 § 1 4 III 1 B N o t O entspricht dem Wortlaut nach § 4 3 S . 2 B R A O . Diese Parallele ist durch eine gewisse strukturelle Ähnlichkeit zwischen dem freien N o t a r i a t als staatlicher Rechtspflegeeinrichtung und der Stellung der Rechtsanwaltschaft in der Rechtspflege begründet. In beiden Fällen ist es die Person, und zwar zum einen als personalisierte staatliche Rechtspflegeeinrichtung, zum anderen als „ O r g a n der R e c h t s p f l e g e " 9 1 (§ 1 B R A O ) , die zum Institut der Rechtspflegeverfassung erklärt w i r d . 9 2 In beiden Fällen wird der einzelne Amts- bzw. Berufsträger als Repräsentant eines ganzes Standes begriffen und sein „standesgemäßes" Verhalten prinzipiell als notwendiges Funktionsmerkmal der Rechtspflege insgesamt angesehen. 9 3 Gleichwohl liegt ein wesentlicher Funktionsunterschied der beiden Vorschriften vor, den die Neufassung des § 1 4 III 1 B N o t O mit der Ersetzung des Begriffs „ N o t a r b e r u f " durch den Begriff „ N o t a r a m t " nunmehr auch sprachlich anzeigt. Bei § 4 3 B R A O handelt es sich um eine „Generalklausel" des anwaltlichen Berufsrechts, deren pflichtenkonstituierende Wirkung im Hinblick auf die Ableitung nicht speziell geregelter anwaltlicher Berufspflichten durchaus in Frage steht. 9 4 § 1 4 III 1 B N o t O reflektiert demgegenüber den besonderen Notarstatus, der nicht (nur) die Standeszugehörigkeit erfasst, sondern den N o t a r als einen Träger von Staatsfunktionen versteht. Bei der Auslegung und inhaltlichen Konkretisierung des § 1 4 III 1 B N o t O geht es somit von vornherein nicht um eine Ableitung standesrechtlicher Vorschriften. Die Vorschrift stellt sich vielmehr als notarspezifische, nämlich auf die Stellung des Notars als Außenstelle

9 0 Das Verbot konzentriert sich vor allem auf amtswidrige Werbung. Zur Auslegung des Begriffs der „amtswidrigen Werbung" vgl. Richtlinienempfehlung der BNotK VII.; BVerfG, NJW 1997,2510,1511; Eylmann, NJW 1998,2929,2932f.; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 GG Rdn.167; Vaasen/Starke, DNotZ 1998, 661, 685f.; vgl. auch Michalski/Römermann, ZIP 1997, 315, 316 (zu weitgehend allerdings die Forderung, den Hinweis auf Spezialgebiete zuzulassen, da hier der Eindruck eingeschränkter Tätigkeit entstehen könnte, obwohl der Notar hinsichtlich der Urkundsgeschäfte grundsätzlich zur Amtstätigkeit verpflichtet ist). 91 Zur Problematik dieses Begriffs, dessen Sinngehalt vielfach bezweifelt wird, vgl. Borgmann/Haug, Kap. 1 Rdn.26; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art.92 GG Rdn.98 (1/1976); KleineCosack, § 1 BRAO Rdn.20; Koch, in: Henssler/Prütting, Vorb § 1 BRAO, Rdn.6ff.; Redeker, NJW 1987, 2610, 2612; Schneider, Rechtsanwalt, S.65f. 9 2 Zu diesem weiten Begriff der Rechtspflegeverfassung vgl. Stern, Staatsrecht II, § 43 S. 919; Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, § 1 III. Der engere, auf staatliche Rechtspflegeeinrichtungen bezogene Begriff der Justizverfassung schließt den Rechtsanwalt dagegen nicht ein (vgl. § 1 III.). 93 Zum Rechtsanwalt: Eylmann, in: Henssler/Prütting, §43 BRAO Rdn. 3; vgl. auch Härtung, in: Hartung/Holl, § 43 BRAO Rdn. 3 sowie BVerfGE 76,171,189f. (Standesrichtlinien legitimieren jedoch keine Grundrechtsbeschränkung). 9 4 Vgl. Eylmann, in: Henssler/Prütting, § 43 BRAO Rdn. 17; Feuerich/Weyland, § 43 BRAO Rdn.4; Jähnke, NJW 1988, 1888,1891; Härtung, in: Hartung/Holl, § 43 BRAO Rdn. 10; a.A. Kleine-Cosack, §43 BRAO Rdn. 9.

162

§6 Ausgestaltung

der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

der Justiz bezogene Ausprägung eines allgemeiner Gebots staatlichen auf dem Gebiet der Rechtspflege dar. a)

Handelns

„Integritätsgebot"

Als Träger des Notaramtes ist der Notar Teil der staatlichen Justizverfassung. Wie andere Ausübungsformen staatlicher Rechtspflege unterliegt somit die Notartätigkeit der Bindung an Recht und Gesetz. Staatliche Mitwirkungshandlungen im privatrechtlichen Bereich dürfen überdies nicht in Konflikt mit der Sittenordnung geraten. Dabei handelt es sich um elementare Grundsätze staatlicher Rechtspflegetätigkeit, die nicht zwingend der einfachgesetzlichen Konkretisierung bedürfen. Notartätigkeit hat, einfach weil sie staatliche Rechtspflege darstellt, gesetzestreu und „redlich" zu sein (Integritätsgebot).95 Das Integritätsgebot wird zum Teil ausdrücklich auf § 14 III 1 BNotO gestützt96, obwohl es zur Herleitung der Integritätspflicht des staatlichen Funktionsträgers eines solchen Rückgriffs auf das Gebot des amtswürdigen Verhaltens im Grunde nicht bedarf. § 14 III 1 BNotO kann jedoch als notarrechtliche Ausprägung dieses Gebots verstanden werden. Das Integritätsgebot hat sich im Notarverfahrensrecht vor dem Hintergrund verfahrenstypischer Konfliktsituationen zu bewähren. Die Art der dem Notar übertragenen Rechtspflegeleistung ist in besonderer Weise Gefährdungen ausgesetzt, da die konkrete Amtshandlung sich nach dem Ansuchen der Beteiligten richtet. Die Verfahrensziele, die der Staat mit der Anordnung der staatlichen Mitwirkung oder zumindest mit der Möglichkeit der fakultativen Inanspruchnahme der Rechtspflegeeinrichtung verfolgt, müssen mit den individuellen Zielvorgaben der Beteiligten abgestimmt werden. Kollidieren diese Ziele, verlangt der Beteiligte also eine Amtshandlung, die im Widerspruch zu den Zielen des Notarverfahrens, insbesondere zu den Grundsätzen der Gesetzestreue und Redlichkeit steht, darf der Staat seine Rechtspflegeeinrichtung hierfür nicht zur Verfügung stellen. § 14 II BNotO erlegt insofern dem Notar, der dieser spezifischen Konfliktsituation ausgesetzt sein kann, ausdrücklich die Pflicht auf, seine Amtstätigkeit zu versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre, insbesondere wenn Beteiligte seine Tätigkeit zur Verfolgung unerlaubter oder unredlicher Zwecke in Anspruch nehmen wollen. Der Notar hat in seinem Bereich dafür zu sorgen, dass im Rechtsleben entsprechend dem Recht und nach Treu und Glauben gehandelt wird. 97 Eine gleichlautende, auf das Beurkundungsverfahren beschränkte Regelung findet sich in § 4 BeurkG. 98 Das Gebot der Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 15. Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 14 BNotO Rdn. 94; Starke, in: Beck'sches Notarhandbuch, K I Rdn. 57; Weingärtner/'Wöstmann, Richtlinien, II. RL-E Rdn. 1; Wöstmann, ZNotP 2 0 0 2 , 246; vgl. auch Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 101. 9 7 BGH, DNotZ 1973, 245, 247. 9 8 Die unerlaubten oder unredlichen Zwecke müssen dem Notar erkennbar sein; ein bloßer 95 96

III.

Vertrauenssichernde

Grundpflichten

163

Gesetzestreue und Redlichkeit staatlichen Handelns hat sich somit, der spezifischen verfahrensrechtlichen

Problematik entsprechend, in verfahrensrechtlichen

Regelungen niedergeschlagen." Als verfahrensrechtliche „Generalklausel" ist das Verbot von Amtstätigkeiten, die mit den notariellen Amtspflichten nicht vereinbar wären, nicht ohne Brisanz. Die Norm selbst begründet keine besonderen Amtspflichten, wenn man die Pflicht zur Unterlassung amtspflichtwidrigen Verhaltens nicht noch als eine gesonderte

Pflicht auffassen will. Selbst die Pflicht zur redlichen Amtsführung

ergibt sich nicht aus § 14 II B N o t O , sondern wird durch diese Vorschrift lediglich verfahrensrechtlich umgesetzt. 1 0 0 Welches Verhalten amtspflichtwidrig ist, ist vielmehr anhand der einzelnen Verfahrensordnungen des Notarverfahrensrechts zu ermitteln, die z. T. allerdings kaum gesetzlich ausgeformt sind. 1 0 1 Das Fehlen ausdrücklicher Verfahrensregeln bedeutet jedoch nicht, dass es keine Verfahrensordnung für das Notarverfahren gäbe. Vielmehr muss zur Konkretisierung einer Verfahrensvorschrift letzten Endes nach dem Sinn und Zweck notarieller Rechtspflegetätigkeit, nach den Verfahrenszielen gefragt werden. 1 0 2 Die Problematik lückenhafter Verfahrensordnungen wird durch die insofern „neutrale" Verfahrensregelung des § 14 II B N o t O also nicht aufgefangen, sondern höchstens verdeckt.

b) Auswirkung des Integritätsgebots

auf die

Verfahrensgestaltung?

In der notarrechtlichen Literatur wird das Integritätsgebot als Grundlage der „achtungs- und vertrauenswürdigen Amtsführung" zur inhaltlichen Konkretisierung von Verfahrenspflichten, insbesondere hinsichtlich der sachgerechten und zweckentsprechenden Gestaltung des Beurkundungsverfahrens (im weiteren Sinne 1 0 3 ), herangezogen. 1 0 4 Auch die auf der Grundlage des § 6 7 II 3 Nr.2 Verdacht genügt nicht (SchippeUSchippel, § 14 BNotO Rdn.20; Winkler, MittBayNot 1998, 141). " Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 101 („verfahrensrechtliche Ausformung" des Integritätsgebots); Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 27; in diesem Sinne wohl auch Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 14 BNotO Rdn. 61). 1 0 0 Vgl. Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 15; anders jedoch Rdn.27, 36; a.A. wohl auch Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 1 4 BNotO Rdn. 61; SchippeVSchippel, § 14 BNotO Rdn.9; vgl. auch O L G Frankfurt, DNotZ 1986, 4 2 6 („Schadensersatzanspruch gestützt auf §§ 19, 14 II BNotO, 4 BeurkG"). 101 Hinsichtlich des weiten Aufgabengebiets der Betreuungstätigkeiten begnügt der Gesetzgeber sich etwa mit einer zuständigkeitsbegründenden Norm (§ 24 I BNotO). 1 0 2 Vgl. auch Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 102 („Der Inhalt des Integritätsgebots kann nur aus der Funktion der Berufsleistung und des Berufsträgers im System der Rechtspflege erschlossen werden."); insbesondere zum Formzweck als Verfahrensziel: Frenz, Festgabe für Weichler, S. 175, 177 ff. 103 „Abwicklung einer Angelegenheit durch den Notar" (vgl. Kanzleiter, DNotZ 1998, 954, 957; SchippeU Reithmann, § 15 BNotO Rdn. 65). 1 0 4 Vgl. Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 14 BNotO Rdn.94f.

164

$ 6 Ausgestaltung

der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

B N o t O formulierte Richtlinienempfehlung der Bundesnotarkammer versteht unter dem „nach § 14 III B N o t O zu beachtenden Verhalten" konkrete Verfahrenspflichten. 1 0 5 Die Zuständigkeit zur Ausgestaltung notarieller Verfahren wollte der Gesetzgeber den Kammern insofern in der Tat eröffnen. 1 0 6 Verfahrenspflichten ergeben sich allerdings, soweit sie nicht ohnehin eine konkrete gesetzliche Ausgestaltung gefunden haben, nicht aus Grundpflichten, sondern anhand der mit dem Verfahren verfolgten Ziele, werden also durch den Zweck vorsorgender Rechtspflege im Kontext staatlicher Rechtspflegeleistungen determiniert. Die Richtlinienempfehlung der Bundesnotarkammer knüpft in diesem Sinne folgerichtig an die „mit dem Beurkundungserfordernis verfolgten Z w e c k e " an und listet Verhaltensweisen auf, die die Erreichung dieser Zwecke (sowie die Vermeidung des Anscheins der Parteilichkeit oder Abhängigkeit) gefährden. Es stellt sich allerdings die Frage, inwiefern es sich hier um eine Konkretisierung der Pflicht zu amtswürdigem Verhalten handelt. Die allgemeine Verpflichtung zu amtswürdigem Verhalten könnte Hinweise auf Zielvorgaben notarieller Verfahren geben. § 14 III 1 B N o t O ist mit dieser Maßgabe jedoch kaum aussagekräftig. Die Feststellung, dass dem Notaramt als Institution der Rechtspflege berechtigterweise Achtung und Vertrauen entgegengebracht werden darf (und der Amtsträger sich deshalb entsprechend verhalten muss, um diese Achtung und dieses Vertrauen zu rechtfertigen), gibt keine konkreteren Anhaltspunkte dafür, was diese Rechtspflegeeinrichtung leisten soll und kann und wann sie umgekehrt ihre Mitwirkung versagen muss. 1 0 7 Die Pflicht zu amtswürdigem Verhalten und die Verfahrensziele der Notarverfahren haben vielmehr ein und denselben konkretisierungsbedürftigen

Bezugspunkt,

die

Verwirklichung staatlicher Rechtspflege. Gleichwohl ist die Amtsstellung des Notars und die hieraus resultierende Grundpflicht zu amtswürdigem Verhalten für die Frage der Verfahrensgestaltung von Bedeutung. 1 0 8 Die zum Teil notwendige Lückenfüllung und inhaltliche Ausgestaltung der Verfahrensordnungen des Notarverfahrensrechts aufgrund einer Konkretisierung der Verfahrensziele der vorsorgenden Rechtspflege im Einzelfall ist nämlich de facto Aufgabe jedes einzelnen Amtsträgers. 1 0 9 § 14 III 1 Richtlinienempfehlung der BNotK Nr. II. Begr. BReg., BT-Drucks. 13/4184, S.31 zu Nr.35 [ § 6 7 BNotO] („Gegenstand einer solchen näheren Regelung können etwa auch die Sicherstellung der Grundsätze des § 14 III bei der Ausgestaltung notarieller Verfahren z.B. im Hinblick auf § 17 des Beurkundungsgesetzes sein.") 1 0 7 Vgl. auch Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 15. 1 0 8 § 17 II a BeurkG führt kaum weiter; insbesondere schließt die Norm nicht die besonderen „planmäßigen" Abwicklungen aus, die dem Gesetzgeber vorschwebten (vgl. insoweit Brambring, DNotl-Report 1998, 184ff.; Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 17 BeurkG Rdn.29f.; Maaß, ZNotP 1999, 69, 70; Winkler, in Frenz, Neues Berufs- und Verfahrensrecht, Rdn. 303ff.; ders., ZNotP-Beilage 1/99, S. 11; Weingärtner/Wöstmann, Richtlinien, II. RL-E Rdn. 7; Wöstmann, ZNotP 2 0 0 2 , 2 4 6 , 247). 1 0 9 Zu rechtsstaatlichen Bedenken gegen diese Verfahrenskonzeption vgl. Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 15. 105

106

III.

Vertrauenssichernde

Grundpflichten

165

B N o t O verpflichtet den Notar, dieser Aufgabe so nachzukommen, dass das (generelle) Vertrauen in die Rechtspflegekompetenz der Institution gerechtfertigt wird. Die Vorschrift ist also selbst keine Quelle verfahrensbezogener Amtspflichten, sondern verlangt von dem Notar, die Anforderungen an eine korrekte Amtshandlung im Bewusstsein seiner Funktion als Rechtspflegeeinrichtung selbst zu erkennen und seine Verfahrensgestaltung danach auszurichten. Dementsprechend betrifft die den Notarkammern eingeräumte Kompetenz, Regelungen für das Verhalten nach § 14 III B N o t O zu treffen, gerade den Bereich notarieller Verfahrensgestaltung, der an sich den amtierenden Notaren zur Konkretisierung überlassen ist. 1 1 0 Dieses Konzept offener, durch den grundpflichtgebundenen Amtsträger konkretisierungsbedürftiger Verfahrensordnungen genießt den Vorteil besonderer Flexibilität und relativer Gestaltungsfreiheit im Interesse bürgernaher Rechtspflege. Es muss jedoch auch einen nicht unerheblichen „Konstruktionsmangel" in Kauf nehmen. Das Konzept der offenen Verfahrensordnung funktioniert nur dann systemgerecht, wenn die Problematik einer speziellen Verfahrenskonstellation dem Notar im Vorfeld bewusst ist und ihm hinreichende und verlässliche Orientierungshilfen für die Verfahrensentscheidung zur Verfügung stehen. Beide Voraussetzungen liegen häufig nicht vor. Die ungeschriebenen Regelungen des Notarverfahrensrechts werden zum großen Teil durch die Haftpflichtrechtsprechung diktiert. Die Ausgestaltung und inhaltliche Konkretisierung des Notarverfahrensrechts durch ex-post-Betrachtung der Gerichte ist aber nicht nur schon an sich systematisch bedenklich. 1 1 1 Richterrechtlich festgelegte Verfahrensregeln auf dem Gebiet des Notarverfahrensrechts werden häufig auch als praxisfern empfunden. 1 1 2 Diese Art der Konkretisierung des Verfahrensrechts hat überdies zur Folge, dass sich das Verfahrensrecht mit jeder grundlegenden Haftpflichtentscheidung faktisch fortentwickelt, wobei die Richtung dieser Entwicklung nicht immer ohne weiteres voraussehbar ist. 1 1 3 Die Orientierung an individuellen Haftungsfällen führt schließlich dazu, dass sich kaum ein annähernd geschlossenes Verfahrensrecht bildet, sondern allenfalls einschlägige Fallgrup1 1 0 Von diesem konzeptionellen Sonderfall abgesehen, kann eine Richtlinienkompetenz schließlich keine Befugnis zur Setzung von Verfahrensgesetzen beinhalten. 111 Huhn/von Schuckmann [3. Aufl.], § 4 BeurkG Rdn.28 („...; methodisch und rechtspolitisch zweifelhaft sind auch die - allerdings häufigen - Versuche der Rechtsprechung, den Umfang notarieller Amtspflichten von Haftungsfällen her zu definieren, und nicht immer ausreichend entwickelt ist bei Richtern auch die Fähigkeit, zwischen nachträglich gewonnenen Einsichten und dem im Zeitpunkt der nachgesuchten Amtshandlung Erkennbaren zu unterscheiden."); vgl. auch Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 19 BNotO Rdn. 9; Langenfeld, BWNotZ 1990, 101 (zu S 17 BeurkG); Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 19 BNotO Rdn. 30. 112 Brambring, DNotZ 1989, 125, 126; Haug, Amtshaftung, Rdn. 63; ders., DNotZ 1972, 388ff.; Hübner, N J W 1 9 8 9 , 5, 8; Kanzleiter, DNotZ 1 9 7 9 , 3 1 4 , 315ff.; Sandkühler, in: Arndt/ Lerch/Sandkühler, § 19 BNotO Rdn. 30; Wolfsteiner, DNotZ 1970, 51, 53; vgl. auch Keim, Beurkundungsverfahren, G Rdn. 81 Fn.35. 113 Haug, Amtshaftung, Rdn. 64.

166

§6 Ausgestaltung der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

pen dem N o t a r eine Richtschnur für die einzelne Verfahrensentscheidung geben.

2 . V e r m e i d u n g falschen A n s c h e i n s ( „ A n s c h e i n s v e r b o t " ) Gem. § 14 III 2 B N o t O hat der N o t a r selbst den bloßen Anschein einer Amtspflichtverletzung, einer Parteilichkeit oder einer Abhängigkeit zu vermeiden. Er soll sich so verhalten, dass nahe liegende Fehlschlüsse der Beteiligten oder des Publikums auf eine in Wirklichkeit nicht vorhandene Pflichtwidrigkeit, insbesondere auf einen Verstoß gegen das Unparteilichkeitsgebot oder das Unabhängigkeitsgebot, ausgeschlossen werden können. Angriffspunkt ist der als eigene Amtspflichtverletzung festzustellende falsche Schein einer (anderen)

Amts-

pflichtverletzung. Die N o r m dient also nicht dem Z w e c k , bei nicht eindeutiger Rechtslage hinsichtlich eines Pflichtverstoßes der Aufsicht im Ergebnis N a c h weiserleichterungen zu verschaffen.

a) Abgrenzung zu dem verfahrensrechtlichen zu erwecken

Verbot, einen falschen

Anschein

Das Anscheinsverbot nach § 1 4 III 2 B N o t O ist zu unterscheiden von dem verfahrensrechtlichen G e b o t , „einen falschen Anschein und die damit verbundene Gefahr eines Irrtums der Beteiligten zu vermeiden", d.h. mit der Vornahme einer Amtshandlung keinen falschen Anschein zu e r w e c k e n . 1 1 4 Dieses G e b o t wird insbesondere bei der Ausstellung von Bescheinigungen und Bestätigungen, die schließlich unmissverständlich sein müssen, relevant. 1 1 5 D e m N o t a r ist es außerdem untersagt, eine Amtshandlung vorzunehmen, wenn durch diese Amtshandlung eine tatsächlich nicht bestehende Sicherheit vorgetäuscht w i r d . 1 1 6 Das verfahrensrechtliche Anscheinsverbot hat konkrete Verhaltensgebote und -verböte zum Gegenstand. M i t der Verletzung dieses Anscheinsverbots begeht der N o t a r einen Verfahrensfehler, der bei Schadensursächlichkeit eine Haftung auslösen kann. § 1 4 III 2 B N o t O stellt demgegenüber keine auf die Erfüllung eines Verfahrensziels ausgerichteten Verhaltensanforderungen für das einzelne Verfahren auf. Das G e b o t , den Anschein der Amtspflichtverletzung, der Parteilichkeit, der Abhängigkeit zu vermeiden, muss, anders als die Gebote der Integrität und der Unparteilichkeit, noch nicht einmal latent erfüllt sein, damit der N o t a r seinen Verfahrenspflichten ordnungsgemäß n a c h k o m m t . Ein falscher Anschein zieht keine fehlerhafte Verfahrensentscheidung nach sich. Es stellt sich somit die 114 Dazu BGH, DNotZ 1985, 48, 49; 1973, 245, 248; 1969, 507, 509f.; OLG Hamm, DNotZ 1987, 54; Hang, Amtshaftung, Rdn. 655 f.; Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, Handbuch, Rdn. 190; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 19 BNotO Rdn.48. 115 Vgl. OLG Hamm, DNotZ 1987, 54; Haug, Amtshaftung, Rdn.655f. 116 BGH, DNotZ 1997, 221, 225; OLG Hamm, DNotZ 1997, 228, 230; Hertel, in: Eylmann/Vaasen, § 54 a BeurkG Rdn.22; Zimmermann, DNotZ 1982, 90, 107f.; vgl. auch Nr. III 2. der Richtlinienempfehlung der BNotK.

III. Vertrauenssichernde

Grundpflichten

167

Frage, welche Bedeutung dieser im Zuge der Novellierung durch das Dritte Gesetz zur Änderung der BNotO und anderer Gesetze erstmals in den Pflichtenkatalog des § 14 BNotO aufgenommenen Regel überhaupt zukommt. b) „Statusbildende"

Bedeutung

Die Vorschrift steht im Regelungszusammenhang mit der Pflicht zu amtswürdigem Verhalten gem. § 14 III 1 BNotO. Die amtliche Begründung lässt erkennen, dass dem Anscheinsverbot „statusbildende Bedeutung" zukommen sollte. 1 1 7 Diese Zuordnung zu institutionellen Grundpflichten verwundert zunächst, da die Einhaltung des Anscheinsverbots keine Grundvoraussetzung für das Erbringen konkreter Rechtspflegeleistungen ist, so dass es nach dieser Maßgabe nicht als notwendige institutionelle Eigenschaft der Rechtspflegeeinrichtung verstanden werden muss. Das Anscheinsverbot zielt im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der Rechtspflegeeinrichtung nicht auf die primäre Wirkung einer aufgabenbezogenen Grundpflicht, eine durch den Notar verkörperte Institution zu schaffen, die die nötige Rechtspflegekompetenz zur Erfüllung ihrer Verfahrensaufgaben mitbringt. Sie zielt vielmehr allein auf die reflexive Wirkung, der Rechtspflegeeinrichtung Akzeptanz bei der rechtsuchenden Bevölkerung zu verschaffen, indem mit der Erkennbarkeit ihrer Rechtspflegekompetenz das Vertrauen in ihre Funktionsfähigkeit aufrecht erhalten wird. Dass ein Verlust der Vertrauenswürdigkeit als potentielle Gefahr gesehen wird, liegt in dem Wesen der personalistischen externen Rechtspflegeeinrichtung begründet. Vertrauenssichernde Maßnahmen können hier per se nicht auf organisatorischem Wege getroffen werden. Es kommt vielmehr auf das Vertrauen an, das dem einzelnen Amtsträger entgegengebracht wird. Hiernach erschließt sich auch der Regelungszusammenhang mit § 14 III 1 BNotO. Für das Funktionieren des Rechtspflegemodells ist es entscheidend, dass der einzelne Amtsträger bei seinen Amtsgeschäften dem Umstand Rechnung trägt, dass er eine staatliche Rechtspflegeeinrichtung verkörpert. Diese Anforderung konkretisiert sich nicht nur in der Pflicht zu amtswürdigem Verhalten, sondern gleichermaßen in der Pflicht, nicht nach außen den Schein zu erwecken, dass gegen Amtspflichten verstoßen wird. Die konstitutive Bedeutung des Anscheinsverbots lässt allerdings noch keinen Schluss darauf zu, ob sich dem Anscheinsverbot konkrete, justiziable Verhaltensanforderungen entnehmen lassen oder ob der Vorschrift lediglich Appellcharakter zukommt. c)

Verhaltensanforderungen

Das Anscheinsverbot des § 14 III 2 BNotO enthält gewissermaßen einen allgemeinen und einen besonderen Teil. Der Notar hat zum einen jeden Anschein 117

Begr. BReg, BT-Drucks.13/4184, S . 2 4 f . zu Nr. 11 (§14).

168

§ 6 Ausgestaltung

der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

amtspflichtwidrigen Verhaltens zu vermeiden; er darf zum anderen insbesondere nicht den Anschein der Parteilichkeit oder Abhängigkeit erwecken. Diese Differenzierung zwischen einem allgemeinen und einem besonderen Anscheinsverbot setzt sich bei der inhaltlichen Konkretisierung des Gebots fort. aa) Vermeidung des Anscheins der Parteilichkeit oder

Abhängigkeit

Soweit ein konkretes Verhaltensgebot allgemein der Gefährdung der Unparteilichkeit vorbeugen (vgl. § 14 IV, V BNotO, Mitwirkungsverbote nach § 3 BeurkG bzw. § 16 I BNotO i.V.m. § 3 BeurkG), insbesondere die Unparteilichkeit gefährdende Abhängigkeitsverhältnisse verhindern soll, handelt es sich bei den entsprechenden Regelungen primär um Ableitungen aus dem Unparteilichkeitsgebot und dem Unabhängigkeitsgebot, deren Einhaltung geschützt werden soll. Zugleich verhindern diese Regelungen aber, dass in ihrem Anwendungsbereich der falsche Schein einer Parteilichkeit entsteht, und zielen insofern mittelbar auch auf das Erscheinungsbild der Institution in der Öffentlichkeit. 118 Eigenständige Bedeutung gewinnt das Anscheinsverbot dann, wenn ein Verhalten des Notars objektiv den Anschein der Parteilichkeit erweckt hat. Auf die innere Tatsache der Parteilichkeit kann dabei regelmäßig nur anhand von Hilfstatsachen geschlossen werden. Dem Notar ist hier allerdings schon der Vorwurf zu machen, dass sein Verhalten geeignet ist, einen solchen Rückschluss zuzulassen. 119 Darin liegt ein Verstoß gegen das Anscheinsverbot des § 14 III 2 BNotO, der allerdings nicht so schwer wiegt wie ein Verstoß gegen das Gebot der Unparteilichkeit selbst. Im Ergebnis wirkt das Verbot, den Anschein der Parteilichkeit zu erwecken, also dahin, dem Notar die Verteidigungsmöglichkeit gegen den Vorwurf der Parteilichkeit zwar nicht zu beschneiden, sie jedoch angesichts des zumindest verwirklichten Tatbestandes einer Verletzung des Anscheinsverbots zu relativieren. Mit der Ergänzung des Unparteilichkeitsgebots durch das Anscheinsverbot wird somit dem Gesichtspunkt der Sicherung der Vertrauenswürdigkeit der Institution gleiche Bedeutung zugemessen wie dem Gesichtspunkt der Sicherung ihrer Rechtspflegekompetenz. Praktische Relevanz gewinnt das Gebot, den falschen Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden, schließlich in Fällen, in denen eine nicht dem Abhängigkeitsverbot unterfallende Nähe zwischen dem Notar („Hausnotar") und einem Beteiligten besteht. Hier hat der Notar darauf zu achten, dass nicht der Eindruck 118 Vgl. Armbrüster, in: H u h n / v o n Schuckmann, § 3 BeurkG R d n . 1; Armbrüster/Leske, Z N o t P 2 0 0 1 , 4 5 0 , 4 5 1 ; Mihm, Kollisionsprobleme, S.95. 119 Hierbei darf nicht verkannt werden, dass selbst der Anschein der Parteilichkeit n u r unter besonderen U m s t ä n d e n a n g e n o m m e n werden k a n n . Eine unausgewogene Vertragsgestaltung indiziert für sich g e n o m m e n noch nicht, dass der N o t a r d e m hierdurch begünstigten Beteiligten einen Vorteil verschaffen wollte. Bei der sog. Anscheinswerbung geht es im G r u n d e u m die Frage, o b ein Verhalten indirekte Werbeeffekte nach sich zieht und insofern Werbung vorliegt, nicht aber um den Anschein der W e r b u n g (i. E. B G H Z 106, 2 1 2 , 215f.).

III. Vertrauenssichernde

Grundpflichten

169

erweckt wird, er stehe in einem ständigen Dienst- und Geschäftsverhältnis zu diesem Beteiligten und müsse vorrangig dessen Interessen berücksichtigen. 1 2 0 Besteht die Besorgnis, dass der N o t a r die für das Verfahren notwendige Distanz und Neutralität nicht mitbringt, hat er sich erforderlichenfalls für befangen zu erklären. 1 2 1 Legt der N o t a r lediglich die für eine Befangenheit sprechenden Gründe dar, können die Beteiligten nach freier Entscheidung die Konsequenz ziehen und ihr Ansuchen an den N o t a r zurückziehen. Probleme ergeben sich jedoch in den Verfahren, in denen einem Beteiligten ein einseitiger Widerruf seines Ansuchens an den N o t a r nicht ohne weiteres möglich ist (vgl. § 5 4 c BeurkG). N a c h Ansicht des O L G H a m m kann hier eine Selbstablehnung des N o t a r s im Wege der Notarbeschwerde (§ 15 II B N o t O [ § 1 5 1 2 B N o t O a.F.]) durchgesetzt werden, wobei allerdings die noch durchzuführende Amtshandlung, der der N o t a r sich enthalten soll, konkret zu bezeichnen w ä r e . 1 2 2 W i e das aufgestellte Erfordernis der Spezifizierung des Beschwerdeantrags im Grunde schon indiziert, ist ein Ablehnungsrecht der Beteiligten wegen Besorgnis der Befangenheit des N o t a r s weder erforderlich noch zweckmäßig. Z u m einen ist eine Auswechslung des N o t a r s für ein einzelnes Amtsgeschäft verfahrensrechtlich gar nicht vorgesehen. 1 2 3 Z u m anderen kann (und muss) der Betroffene mit der Beschwerde unmittelbar die Vornahme der geschuldeten Amtshandlung verfolgen, und zwar nach M a ß g a b e der für die Vornahme dieser Amtshandlung geltenden Voraussetzungen. 1 2 4 bb)

Verbot, den Anschein

einer Amtspflichtverletzung

zu

erwecken

Problematischer ist die inhaltliche Präzisierung des allgemeinen Verbots, den Anschein einer Amtspflichtwidrigkeit zu e r w e c k e n . 1 2 5 Auch hier gilt zwar, wie für das Unparteilichkeitsgebot, dass Regelungen, die der Sicherung amtspflichtgemäßen Verhaltens dienen (vgl. etwa Nr. III der Richtlinienempfehlung der B N o t O ) , zugleich dahin wirken, den Anschein einer Amtspflichtwidrigkeit zu vermeiden und damit zur Vertrauensförderung beitragen, ein durchaus kalku-

120 Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 14 BNotO Rdn.36; Schlüter/Knippenkötter, Haftung des Notars, Rdn. 74. 121 Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 14 BNotO Rdn. 39; Schlüter/Knippenkötter, Haftung des Notars, Rdn. 71; Sorge, MittBayNot 2001, 50; a.A. Schippel/Reithmann, §15 BNotO Rdn.62; Winkler, §4 BeurkG Rdn.36, 37. 122 OLG Hamm, DNotZ 1996, 703, 705f. 123 Vgl. Kawohl, DNotZ 1996, 707, 708; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, §16 BNotO Rdn. 103. 124 Kawohl, DNotZ 1996, 707, 709. 125 Bohrer, Berufsrecht, Rdn. 101; Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO Rdn. 16 („nahezu konturenlos"); Weingärtner/Wöstmann, Richtlinien, A Rdn.31; vgl. auch Bohrer, Berufsrecht, Rdn. llOff.

170

§6 Ausgestaltung

der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

lierter Nebeneffekt. 126 Darüber hinaus besteht jedoch die Schwierigkeit, einen singulären Angriffspunkt des allgemeinen Anscheinsverbots herauszustellen, wenn es einen solchen überhaupt gibt. Es stellt sich also die Frage, wann tatsächlich eine Gefahr besteht, dass Sein und Schein in der Weise auseinanderfallen, dass Rechtsuchende den (falschen) Eindruck gewinnen können, der Notar verhalte sich nicht amtspflichtgemäß, und so das generelle Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Institution untergraben wird. Auszuscheiden sind hier zum einen die Fälle, in denen zwar von einem „Anschein" der Amtspflichtverletzung die Rede ist, im Grunde aber die Pflichtverletzung selbst gemeint ist (z.B. „Anscheinswerbung" 127 ). Abzugrenzen ist der Schein der Amtspflichtwidrigkeit zum anderen von der Amtspflichtwidrigkeit, mit der Vornahme einer Amtshandlung einen falschen Anschein zu erwecken (vgl. oben). Ist die Menge möglicher Problemfälle jedoch in dieser Weise bereinigt, wird erkennbar, dass es, abgesehen von dem bereits angesprochenen Sonderfall des Anscheins der Parteilichkeit, ein spezifisches Gefahrenpotential, das durch konkrete Verhaltensanforderungen in Ausfüllung des Anscheinsverbots nach § 14 III 2 BNotO abgedeckt würde, nicht gibt. Schutzgut ist das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Rechtspflegekompetenz der Institution. Das nach außen gerichtete tatsächlich amtspflichtgemäße Verhalten als solches, und nur dieses steht hier in Frage, ist jedoch nicht geeignet, selbst einen falschen Schein der Amtspflichtwidrigkeit zu erzeugen. Da es sich unmittelbar äußerlich manifestiert, kommt auch das Hervorrufen eines falschen Scheins durch mangelnde Transparenz der Amtstätigkeit nicht in Betracht. Eine isolierte Gefahr scheinbarer Amtspflichtwidrigkeit, der durch entsprechende Verhaltensgebote entgegengewirkt werden müsste, besteht somit nicht. Das Anscheinsverbot des § 14 III 2 BNotO hat also, abgesehen von dem Verbot des Anscheins der Parteilichkeit, ausschließlich „statusbildende" Bedeutung. Durch Regelungen, die der Sicherung amtspflichtgemäßen Handelns dienen, wird zugleich einem möglichen Schein der Amtspflichtwidrigkeit vorgebeugt. Darüber hinaus schlägt sich das Anscheinsverbot nicht in konkreten Verhaltensgeboten nieder.

1 2 6 Der Gesetzgeber hat die Ausgestaltung des Anscheinsverbots der Richtlinienkompetenz der Notarkammern überlassen (vgl. Begr. BReg, BT-Drucks. 13/4184, S.24 zu Nr. 11 [§14 BNotO]), und zwar unter Berufung auf § 67 II Nr. 1 und Nr. 2 BNotO, wobei allerdings nur § 67 II Nr.2 BNotO („ das nach § 14 III zu beachtende Verhalten") eine Ermächtigungsgrundlage für die Formulierung von Pflichten, die dezidiert die Einhaltung des Anscheinsverbots zum Gegenstand haben, bietet. Die Richtlinienermächtigung umfasst also auch das Anscheinsverbot, zielt aber vor allem auf Regelungen zur Sicherung pflichtgemäßen Handelns und ist mit dieser Zielrichtung auch der Richtlinienempfehlung der BNotK zugrunde gelegt. 1 2 7 Es handelt sich hier um die Frage, ob ein Verhalten indirekte Werbeeffekte nach sich zieht und insofern Werbung darstellt, nicht aber um den Anschein der Werbung (i. E. BGHZ 106, 212, 215f.).

IV. Organisatorische

Grundpflichten

IV. Organisatorische

171

Grundpflichten

Die dritte Gruppe der Grundpflichten zielt darauf ab, mit dem Notar als Außenstelle der Justiz tatsächlich eine organisatorisch selbständige und funktionsbereite Institution zu schaffen. Das heißt zum einen, dass die außerhalb des Justizapparats eingerichtete Rechtspflegeeinrichtung wie eine interne Rechtspflegeeinrichtung verfügbar sein muss. Sie muss zum anderen mit einem organisatorischen Rahmen ausgestattet sein. In der Konzeption der externen Rechtspflegeeinrichtung ist es angelegt, die hierauf konzentrierte Organisationshoheit auf den einzelnen Amtsträger zu übertragen. Bei dem Einsatz des notareigenen Apparats darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass die konzeptionelle Basis der Rechtspflegeeinrichtung das Notaramt ist. Der Notar ist demzufolge zur persönlichen Amtsausübung verpflichtet.

1. Amtsbereitschaft Die Pflicht zur Amtsausübung als solche ist incidenter in § 14 I 1 B N o t O geregelt. 1 2 8 Die Vorschrift ordnet an, dass der Notar sein Amt getreu seinem Eide zu verwalten hat. Obwohl der sprachliche Schwerpunkt hier auf der Eidesbindung des Notars liegt, setzt die Vorschrift, die insofern durch § 15 I B N o t O flankiert wird, die Pflicht zur Amtsausübung voraus. Hierzu gehört auch eine allgemeine Amtsbereitschaft des Notars, die sich etwa niederschlägt in der Pflicht, die Entfernung vom Amtssitz der Aufsichtsbehörde anzuzeigen und sich eine länger als einen M o n a t dauernde Abwesenheit genehmigen zu lassen ( § 3 8 B N o t O ) . Die Pflicht zur Amtsausübung einschließlich der Amtsbereitschaft ergibt sich notwendigerweise aus dem Charakter des Notariats als einer staatlichen Rechtspflegeeinrichtung. Wenn der Staat Rechtspflege vermittels einer personalisierten Rechtspflegeeinrichtung leistet, muss durch die entsprechende Verpflichtung des Amtsträgers sichergestellt sein, dass die in dem einzelnen Amtsträger verkörperte Einrichtung dem Publikum zur Verfügung steht. Das Notaramt ist keine bloße Befugnis, sondern Teil der staatlichen Justizverfassung. Die Pflicht zur Amtsbereitschaft besteht allerdings nur im Rahmen der Kapazität des einzelnen Amtsträgers, wobei sowohl seine persönliche Leistungsfähigkeit als auch die Leistungsfähigkeit der von ihm zu unterhaltenden Funktionseinheit zu beachten ist. Der Begriff Kapazität bezieht sich dabei nicht nur auf das maximal zu erledigende Arbeitsvolumen, sondern auch auf den Spezialisierungsgrad. Der Notar muss insofern zwar die persönliche Leistungsfähigkeit für die Vornahme von Urkundstätigkeiten i.S.v. § 10 II B N o t O vorhalten, zumal er in diesem Bereich zur Übernahme von Amtstätigkeiten verpflichtet ist ( § 1 5 I 128

Vgl. Hänle, BWNotZ 1978, 127, 131; SchippelISchippel, § 14 BNotO Rdn. 1.

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§6 Ausgestaltung

der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

B N o t O ) . 1 2 9 Darüber hinaus bestimmt er das M a ß seiner Leistungsfähigkeit sowie der Leistungsfähigkeit seines Apparats selbst. Fehlt dem Notar die Leistungsfähigkeit, sei es, dass die Ressourcen seiner Funktionseinheit erschöpft sind, sei es, dass er die für die Übernahme einer nicht § 15 I B N o t O unterfallenden sonstigen Tätigkeit nötigen Voraussetzungen nicht erbringt, ist er umgekehrt zur Ablehnung eines Ansuchens auf Vornahme der Amtstätigkeit berechtigt und, falls eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht gewährleistet ist, auch verpflichtet.

2 . Organisation einer eigenständigen Funktionseinheit Die Pflicht zur Amtsausübung für sich genommen trägt den strukturellen Besonderheiten des freien Notariats noch nicht hinreichend Rechnung. Im Gegensatz zum behördenmäßig organisierten Notariat fehlt es dem freien Notariat an vorgegebenen organisatorischen Voraussetzungen für die Wahrnehmung der notariellen Aufgaben. Das wesentliche Strukturmerkmal der externen Rechtspflegeeinrichtung ist die organisatorische Selbständigkeit des Amtsträgers, die sich hier nicht auf die Organisation seines persönlichen Arbeitsbereichs beschränkt, sondern die Schaffung, Unterhaltung und Organisation des Apparats erfasst, dessen sich der Notar bei der Durchführung seiner Tätigkeit bedient. 1 3 0 Diese strukturbedingte Selbständigkeit ist nicht nur im Kontext der Garantie notarieller Unabhängigkeit als „organisatorische Unabhängigkeit" von Bedeutung, worauf im Folgenden noch einzugehen sein wird. Sie enthält gleichfalls das Gebot an den Amtsträger, eine der behördlichen Organisation in ihrer Funktionsbereitschaft und Effizienz entsprechende selbständige Funktionseinheit zu schaffen. Dabei ist es die Aufgabe des Notars, die Leistungskapazität der Funktionseinheit nach dem von ihm angestrebten und verwirklichten Arbeitsvolumen auszurichten. a) Geschäftsstelle

und

Kanzlei

Das heißt zunächst, dass der Notar (in den Formen des Privatrechts) einen eigenen handlungsfähigen Apparat organisieren muss. § 10 II, III B N o t O verpflichtet ihn, an seinem Amtssitz eine Geschäftsstelle zu halten und zu den üblichen 1 2 9 Die Verpflichtung besteht nicht, wenn die Beteiligten eine Beurkundung, die nicht zur Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts erforderlich ist, aus anderen Gründen wünschen. Hier kann und muss der Notar, wenn er mit der betreffenden Spezialmaterie nicht vertraut ist, die Beurkundung grundsätzlich ablehnen (vgl. Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 1 5 BNotO Rdn.26). Im Übrigen gilt, dass der Notar über die Annahme oder Ablehnung eines Ansuchens, das kein Urkundsgeschäft i.S. des § 10 a II BNotO zum Gegenstand hat, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat (Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 1 5 BNotO Rdn.7; Winkler, § 5 0 BeurkG, Rdn.7; Zimmermann, DNotZ 1982, 90, 106; vgl. auch Bohrer, Berufsrecht, R d n . 2 0 5 ; a.A. SchippeVReithmann, § 15 BNotO Rdn. 17 (Übernahme stehe dem Notar frei). 1 3 0 Siehe auch Baumann, MittRhNot 1996, 1, 15; Bohrer, Berufsrecht, R d n . 3 0 5 ; Schlüter/ Knippenkötter, Haftung des Notars, Rdn. 92.

IV. Organisatorische

Grundpflichten

173

Geschäftszeiten zu öffnen. Hierin liegt eine für die Konstitution der Rechtspflegeeinrichtung maßgebliche Grundpflicht. Anders als die gerichtliche Geschäftsstelle ( § 1 5 3 GVG) kann die notarielle Geschäftsstelle selbst allerdings nicht als Institut des Justizverfassungsrechts angesehen werden 1 3 1 , da die B N o t O ihr keine eigenständigen Funktionen zuweist. Es wird lediglich implizit vorausgesetzt, dass die Unterhaltung einer Geschäftsstelle unerlässliche Voraussetzung für die Präsenz und Funktionsfähigkeit der Rechtspflegeeinrichtung Notariat ist. 1 3 2 Als Institut des Justizverfassungsrechts tritt allein der Notar in Erscheinung. Dem Notar ist folgerichtig mit der Verleihung des Amtes zugleich die Organisationshoheit für die Konstituierung der Geschäftsstelle zugewiesen. M i t der Pflicht, eine Geschäftsstelle zu halten, ist die Verpflichtung zur Unterhaltung der Notarkanzlei verbunden, also des Zusammenschlusses persönlicher und sachlicher Mittel, die die Amtsführung und Geschäftsstellenführung ermöglichen. 1 3 3

b) Eigenständigkeit

der

Funktionseinheit

Bei der Organisation der Funktionseinheit ist zu berücksichtigen, dass der Notar als eine Außenstelle der Justiz fungiert. Sie muss in dieser Qualifikation erkennbar bleiben. Das heißt insbesondere, dass die durch den Notar zu schaffende Funktionseinheit nicht Teil einer anderen Einrichtung sein oder fremder Organisationsgewalt unterstellt werden könnte. Die Führung eines Notariats in der Form einer „ N o t a r - G m b H " 1 3 4 , die Auslagerung von Bürotätigkeiten oder eine fremde Einflussnahme auf die Arbeitsabläufe 1 3 5 widersprächen diesem Prinzip. Die Funktionseinheit muss insofern also Eigenständigkeit aufweisen. Nur der Notar als Amtsträger kann durch die Wahrnehmung seiner Organisationshoheit die erforderliche „Staatlichkeit" der Funktionseinheit vermitteln. Für den Notar ergibt sich hieraus zugleich die „Pflicht zur Selbständigkeit" 1 3 6 , d.h. die Pflicht, der ihm zugewiesenen Organisationshoheit selbstbestimmt nachzukommen. Zur Geschäftsstelle als Institut des Gerichtsverfassungsrechts: Kissel, § 1 5 3 GVG Rdn. 3. „Geschäftsstelle" ist dabei nicht nur der Ort der büromäßigen Erledigung der Ausführung der Notargeschäfte, sondern regelmäßig auch der Ort der Amtsausübung des Notars (vgl. OLG Celle, MittRhNot 1996, 32, 33). Der Notar kann kraft seiner Organisationsgewalt allerdings entscheiden, in welchen Fällen er (im Rahmen seiner Zuständigkeit) außerhalb der Geschäftsstelle oder außerhalb der üblichen Dienstzeiten Amtshandlungen vornimmt (vgl. BVerfG, DNotZ 2 0 0 0 , 787, 791; Eylmann, DNotZ 2 0 0 0 , 7 9 2 , 793; vgl. auch ders., N J W 1998, 2 9 2 9 , 2 9 3 2 ; anders noch BGH, DNotZ 1967, 4 4 8 , 4 5 0 f . ; 1968, 4 9 9 , 501; O L G Köln, DNotZ 1981, 6 4 8 , 650: grundsätzlich innerhalb seiner Amtsräume). Er handelt erst dann amtspflichtwidrig, wenn im Einzelfall die Gefahr des Anscheins einer Parteilichkeit entsteht (BVerfG, DNotZ 2 0 0 0 , 787, 791). 1 3 3 Vgl. Bohrer, Berufsrecht, Rdn.23, 2 8 7 . 134 Frenz, Festgabe für Weichler, S . 1 7 5 , 187; Weingärtner/Wöstmann, Richtlinien, I. RL-E Rdn. 8; vgl. auch Baumann, MittRhNot 1996, 1, 13. 135 Bohrer, Berufsrecht, Rdn.306ff. 136 Vgl. Frenz, Festgabe für Weichler, S. 175, 187 („institutionelle Grundpflicht); zu einzel131

132

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c)

§ 6 Ausgestaltung

der Rechtspflegeeinrichtung

durch notarielle

Grundpflichten

Binnenorganisation

Der Notar ist schließlich für die Binnenorganisation der seiner Organisationshoheit unterstehenden Funktionseinheit verantwortlich. Er hat insoweit eine sachgerechte Aufgabenverteilung und Ablauforganisation durchzuführen und zu kontrollieren. 1 3 7 Diese Pflicht resultiert schlicht daraus, dass die dem Notar zugewiesenen Rechtspflegeaufgaben ohne den unterstützenden Hintergrund eines eigenen Apparats nicht effizient erfüllt werden können. Im Vorfeld der Aufgabenverteilung ist dabei darauf zu achten, dass die in der Binnenorganisation eingesetzten Personen die erforderlichen Anforderungen erfüllen. 138 Im Übrigen entsteht als Kehrseite effizienter Aufgabenverteilung und Delegation eine Kontrollpflicht des die Organisationshoheit ausübenden Notars. Die im Notariat anfallenden Aufgaben lassen sich systematisch unterteilen in höchstpersönliche und delegierbare Notaraufgaben auf der einen Seite und Gehilfenaufgaben auf der anderen Seite. 1 3 9 Die Pflicht zur Binnenorganisation betrifft zunächst den Bereich der Gehilfentätigkeiten, also der Aufgaben, die der Notar, nicht anders als der in den Justizapparat eingebundene Richter, im typischen Geschäftsablauf nicht selbst übernimmt und auch nicht übernehmen soll (bürotechnische Hilfstätigkeiten). Der Notar ist umgekehrt verpflichtet sicherzustellen, dass die Aufgaben Verteilung und die Arbeitsabläufe so organisiert sind, dass sein persönlicher Aufgabenbereich abgegrenzt bleibt. 1 4 0 Dem Notar zugewiesene höchstpersönliche Aufgaben darf ein Mitarbeiter nicht ausführen. Bei delegierbaren Aufgaben ist eine ausdrückliche Übertragung (mit der Verpflichtung des Mitarbeiters zur Rücksprache in Problemfällen) durch den Notar erforderlich. Im Bereich der Notartätigkeit ist die im Interesse effizienter Rechtspflege gebotene Binnenorganisation der anfallenden Tätigkeiten mit der Pflicht des Notars zur persönlichen Amtsausübung in Einklang zu bringen. Das heißt, dass nen Ausprägungen: Bohrer, Berufsrecht, Rdn.306ff. („Selbständigkeit als Organisationsprinzip des Notarwesens"). 137 Vgl. Bohrer, Berufsrecht, R d n . 2 8 8 ; zur Ablauforganisation: Frenz: in: Eylmann/Vaasen, § 14 BNotO R d n . 2 0 ; Hantke u. a., MittBayNot 2 0 0 2 , 4 3 3 , 4 4 1 (Qualitätssicherung). 138 Gem. § 2 6 BNotO hat der Notar die bei ihm beschäftigten Personen, Notarassessoren und zur Ausbildung zugewiesene Referendare ausgenommen, bei der Einstellung nach § 1 VerpflG förmlich zu verpflichten. 1 3 9 Zum Umfang der Delegationsmöglichkeit vgl. Starke, in: Eylmann/Vaasen, § 2 5 BNotO Rdn. 8; siehe auch Richtlinienentwurf der BNotK Nr. IV 2; Weingärtner/Wöstmann, Richtlinien, IV. RL-E Rdn. 3 ff. Delegiert der Notar zulässigerweise eine Notaraufgabe, haftet er für ein Gehilfenschulden in Anwendung des Rechtsgedankens des § 2 7 8 BGB (BGHZ 131, 2 0 0 , 205; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 19 BNotO Rdn. 17; Zugehör, in: Zugehör/Ganter/ Hertel, Notarhaftung, Rdn. 353 ff.; vgl. auch Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 1 9 BNotO Rdn. 56 f.; Rinsche, Haftung, Rdn. II 196; Schippel/Hawg, § 19 BNotO Rdn. 123, anders noch ders., Amtshaftung, Rdn. 127; Tremml/Karger, Rdn. 1093f.). 1 4 0 Vgl. auch BGH, VersR 1957, 161; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 19 BNotO Rdn.42; Schlüter/Knippenkötter, Haftung des Notars, Rdn.94f.

IV. Organisatorische

175

Grundpflichten

die Delegierungsmöglichkeiten des Notars in seinem Amtsbereich insoweit beschränkt sind. Persönlich wahrzunehmende Pflichten, beispielsweise die Beurkundung und die hierzu erforderlichen Belehrungen oder die Verfügung über verwahrte Gelder, darf der Notar nicht einem Mitarbeiter übertragen. 1 4 1 Die Richtlinienempfehlung

der Bundesnotarkammer

konkretisiert

hinaus grundsätzlich zulässige Delegierungsmöglichkeit

auf

die

darüber

vorbereitende,

begleitende und vollziehende Tätigkeiten (Nr. IV 2. a). Nach § 2 5 I B N o t O darf der Notar im Übrigen juristische Mitarbeiter, die selbst für das Notaramt qualifiziert sind, nur beschäftigen, soweit seine persönliche Amtsausübung nicht gefährdet ist. 1 4 2 Unter dem Gesichtspunkt der Effizienz der Rechtspflege verlangt die Pflicht zur sachgerechten Binnenorganisation zwar keine prinzipielle Ausschöpfung der gegebenen Delegierungsmöglichkeiten. Der Apparat muss jedoch so eingerichtet sein, dass der Notar die nötige Unterstützung für die sachgerechte und zügige Erledigung seiner Amtsgeschäfte erfährt. Die Binnenorganisation muss also ein auf Effizienz der Rechtspflege ausgerichtetes Organisationskonzept erkennen lassen. Von der Organisationspflicht als institutioneller Grundpflicht ist im Übrigen die drittbezogene Amtspflicht zur ordnungsgemäßen Büroorganisation zu unterscheiden, deren Verletzung eine Haftpflicht des Notars auslösen kann. 1 4 3 Diese Pflicht trifft den Notar gewissermaßen als „Träger" der Geschäftsstelle bzw. der Kanzlei. Insofern stützt sie sich auf die Organisationshoheit des Notars und die hieraus resultierende institutionelle Grundpflicht. Diese Variante der Notarhaftung ähnelt nur bedingt der sonstigen Staatshaftung wegen eines sog. Organisationsverschuldens. Das Organisationsverschulden einer Körperschaft im Amtshaftungsrecht wird als eine Objektivierung des Verschuldensmerkmals verstanden, die immer dann Bedeutung erlangt, wenn die verantwortliche Einzelperson für den Geschädigten nicht festzustellen ist, weil er die Arbeits- und Funktionsabläufe innerhalb des Verwaltungsapparats nicht durchschauen kann 1 4 4 oder weil der nicht mit den erforderlichen Anweisungen versehene Amtsträger „subjektiv nach bestem Gewissen" gehandelt h a t 1 4 5 , wobei Ansatzpunkt der Haftung

141 Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 19 BNotO Rdn.55; Höfer/Huhn, Allgemeines Urkundenrecht, S . 4 3 ; Schippel/Hawg, § 1 9 BNotO Rdn. 124; Schippel/Veiier, § 3 9 BNotO Rdn.2; Weingärtner/Wöstmann, Richtlinien, IV. RL-E Rdn. 5, 6. 1 4 2 Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, Genehmigungspflichten für die Beschäftigung solcher Mitarbeiter landesgesetzlich vorzusehen. 1 4 3 B G H Z 31, 5, 8; 131, 2 0 0 , 2 0 2 ; BGH, DNotZ 1960, 2 6 0 , 2 6 3 ; Frenz, in: Eylmann/Vaasen, § 1 9 BNotO Rdn. 57; Pa\andt/Thomas, § 8 3 9 BGB Rdn. 134; Rinsche, Haftung, Rdn. II 199; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, § 19 BNotO Rdn. 39; Tremml/Karger, Amtshaftung, Rdn. 1095; vgl. auch Schippel/H